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Botschaft über die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit vom 9. August 1978

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Mit der nachfolgenden Botschaft beantragen wir Ihnen die Bewilligung eines Rahmenkredites von 200 Millionen Franken für Verpflichtungen im wirtschaftsund handelspolitischen Bereich im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 30. Juni 1981. Die entsprechenden Ausgaben verteilen sich auf die Voranschläge und Rechnungen der nächsten fünf bis sieben Jahre.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. August 1978

1978-470

16 Bundesblatt. 130.Jahrg.Bd.II

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates: Der Bundespräsident: Ritschard Der Bundeskanzler: Huber

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Übersicht Die Entwicklungszusammenarbeit besteht aus einer Gesamtheit von bilateralen und multilateralen Aktionen, die alle das Ziel verfolgen, die Länder der Dritten Welt in ihren Bemühungen um die Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu unterstützen.

Neben und in Ergänzung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe tragen wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen entscheidend zur Entwicklung der Dritten Welt bei. Sie zielen darauf ab, die Entwicklungsländer aktiver an der Weltwirtschaft zu beteiligen und ihnen zu ermöglichen, daraus einen optimalen Nutzen zu ziehen. Gleichzeitig fördern sie den Einsatz unserer Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern und tragen zur Ausweitung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen bei. Diese Massnahmen wirken direkt, wenn sie die Form spezifischer Aktionen annehmen, und indirekt, indem sie das Funktionieren der Weltwirtschaft derart zu verbessern trachten, dass die strukturellen Ungleichheiten zwischen Arm und Reich nach und nach überwunden werden können.

Der Rahmenkredit von 200 Millionen Franken, den wir Ihnen beantragen, wird uns gestatten; während einer Mindestzeitdauer von 2 '/ì Jahren ab 1. Januar 1979 finanzielle Verpflichtungen für wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen einzugehen, die den Zielen des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe entsprechen.

Die Kapitel 2 und 3 der vorliegenden Botschaft umschreiben das schweizerische Konzept der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den Entwicklungsländern. Am Beispiel der Interdependenz soll die Übereinstimmung auf lange Sicht der Interessen der Entwicklungsländer und der Industriestaaten aufgezeigt werden. Dabei werden weder die Schwierigkeiten der zu lösenden Aufgaben noch die Bedeutung der Konflikte übersehen, die aufgrund der unterschiedlichen Situationen der einzelnen Länder und ihrer Wirtschaftssysteme entstehen können. Der beantragte Rahmenkredit soll es der Schweiz - zusammen mit jenem von 735 Millionen Franken für die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern, dem Sie kürzlich zugestimmt haben, sowie mit den Krediten, die wir Ihnen nächstens für die Fortführung der humanitären Hilfe und für unsere Beiträge an die Kapitalerhöhungen der regionalen
Entwicklungsbanken unterbreiten werden - ermöglichen, ihre öffentliche Entwicklungshilfe schrittweise zu erhöhen, auch wenn damit diese Hilfe im Vergleich zu den übrigen Mitgliedstaaten des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe, gemessen am Bruttosozialprodukt, sehr niedrig bleiben wird.

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Botschaft l

Einleitung

Nach Artikel 6 des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe vom 19. März 1976 D erfolgt die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz in verschiedenen Formen.

Für die technische Zusammenarbeit und die Finanzhilfe zugunsten der Entwicklungsländer haben Sie dem Rahmenkredit von 735 Millionen Franken zugestimmt, den wir Ihnen mit unserer Botschaft vom 23. November 19772) beantragt hatten. Sie haben uns damit ermöglicht, neue bilaterale und multilaterale Verpflichtungen zur Durchführung von Massnahmen auf diesen Gebieten während einer Mindestperiode von: 2 !/2 Jahren, beginnend am I.Juli 1978, einzugehen.

Wie in der obgenannten Botschaft angekündigt, beantragen wir Ihnen nunmehr die Bewilligung eines Rahmenkredites für die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusänimenarbeit. Der Kreditbetrag von 200 Millionen Franken wird uns in die Lage versetzen, während eines Zeitraumes von mindestens 2 !/2 Jahren (I.Januar 1979 bis 30. Juni 1981) entsprechende Verpflichtungen zu übernehmen.

Wir sehen vor, diesen Kredit im Sinne von Artikel 6 Absatz l des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Finanzierung der folgenden Massnahmen zu verwenden: - Gewährung von Mischkrediten (Bst. b) ; - Massnahmen im Hinblick auf eine stärkere Beteiligung der Entwicklungsländer am Welthandel, damit sie aus ihm grösseren Nutzen ziehen können (Bst.c); - : Massnahmen zur Förderung des Einsatzes privatwirtschaftlicher Mittel namentlich von Investitionen -, welche die Entwicklung begünstigen (Bst.d); - andere wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen, die den in Artikel 5 des Gesetzes genannten Zielen unserer Entwicklungszusammenarbeit dienen (Bst.e).

Diese Massnahmen bezwecken, die Entwicklungsanstrengungen der Länder der Dritten Welt zu unterstützen. Sie entsprechen den Zielen unserer Politik der Entwicklungszusammenarbeit. Die meisten von ihnen sind entweder mit schweizerischen Wirtschaftstätigkeiten verbunden oder üben einen Einfluss auf sie aus, letzteres namentlich dann, wenn ein besseres Funktionieren der Weltwirtschaft erreicht werden soll. Sie gehören deshalb auch in den allgemeinen Zusammenhang unserer Aussenwirtschaftsbeziehungen und dienen den langfristigen
Interessen unseres Landes. Einige unter ihnen werden zudem unmittelbare positive Auswirkungen auf die schweizerische Wirtschaft zeitigen. Sie stellen somit Beispiele für Massnahmen dar, die in einer durch eine wachsende Interdependenz gekennzeichneten Weltwirtschaft unsere eigenen Interessen und gleichzeitig jene der Entwicklungsländer berücksichtigen. Dabei besteht kein Widerspruch zwischen den Zielen unserer Politik der Entwicklungszusammenarbeit und unserer Aussenwirtschaftsbeziehungen.

D SR 974.0 2) BEI 1978 I 69 387

Im Kapitel 2 der Botschaft legen wir unsere Ansicht zur internationalen wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit dar.

Kapitel 3 beschreibt die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der Schweiz mit den Entwicklungsländern.

Im Kapitel 4 werden die wichtigsten Massnahmen erläutert, die während der Laufzeit des Ihnen beantragten Rahmenkredites finanzielle Verpflichtungen zur Folge haben werden.

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Die wirtschafts- und handelspolitische Entwicklungszusammenarbeit

In unserer Botschaft vom 23. November 1977 3> haben wir Ihnen ausführlich die wichtigsten Probleme dargelegt, vor die sich die Entwicklungsländer bei der Verbesserung ihrer Lage und der Existenzbedingungen ihrer Bevölkerung gestellt sehen. Wir haben dabei aufgezeigt, dass die internationale Entwicklungszusammenarbeit eine oft entscheidende Rolle spielt, auch wenn die Hauptanstrengungen von den Entwicklungsländern selbst unternommen werden müssen.

Unsere eigene Politik fügt sich in jene der internationalen Gemeinschaft ein, was eine Koordination und eine Harmonisierung entsprechender Aktionen der Industriestaaten und Entwicklungsländer bedingt. Es stehen uns im bilateralen und multilateralen Bereich eine Vielfalt von Instrumenten zur Verfügung, nämlich die technische Zusammenarbeit, die Finanzhilfe, wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen sowie die Zahlungsbilanzhilfe. Dazu kommen die humanitäre Hilfe und die Nahrungsmittelhilfe.

Die Mannigfaltigkeit der zur Verfügung stehenden Instrumente entspricht der Verschiedenartigkeit der Situationen und der Bedürfnisse der einzelnen Entwicklungsländer. Sie widerspiegelt aber auch die vielfältigen Massnahmerr, welche die Industriestaaten einzeln oder gemeinsam treffen können.

In der Schweiz kommt der Privatwirtschaft dabei eine entscheidende Rolle zu.

Unser Konzept der wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit trägt diesem Umstand Rechnung. Deshalb besteht diese Zusammenarbeit zu einem wesentlichen Teil in der Förderung und Unterstützung von Aktionen des privaten Sektors.

Auf den folgenden Seiten erläutern wir die Ziele der wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit und äussern uns anhand von Beispielen zum Thema der wirtschaftlichen Interdependenz. Wir analysieren ferner den Begriff «Entwicklungsland» und versuchen, die Auswirkungen einer aktiveren Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft auf deren eigene Volkswirtschaft wie auf jene der Industriestaaten abzuschätzen. Schliesslich wird von den Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer sowie von der regionalen Zusammenarbeit unter ihnen die Rede sein.

M Vgl. Anmerkung 2.

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Allgemeine Ziele der Entwicklungszusammenarbeit

Wie bereits oben erwähnt, hat die Entwicklungszusammenarbeit ganz allgemein zum Ziel, die Anstrengungen der Entwicklungsländer zur Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu unterstützen, 4> Die wirtschafte- und handelspolitische Entwicklungszusammenarbeit trägt zur Verwirklichung dieses Zieles bei, indem sie insbesondere die Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft und an den Mechanismen der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit fördert und ihnen ermöglicht, daraus den bestmöglichen Nutzen zu ziehen und so die sozio-ökonomischen Grundlagen zu festigen, welche die Entfaltung der Menschen begünstigen.

Die wirtschafts- und handelspolitische Entwicklungszusammenarbeit bedient sich Massnahmen, die in den Bereich der Entwicklungspolitik und gleichzeitig der Aussenwirtschaftspolitik fallen. Sie heben sich von den traditionellen Instrumente?! der Aussenwirtschaftspolitik ab, die generell darauf abzielen, im Rahmen einer offenen Weltwirtschaft die Entwicklung der einzelnen Länder und der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit zu fördern; sie sind aber auch im Lichte des Gesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu sehen. Letzteres gebietet uns, bestimmte klassische wirtschafts- und handelspolitische Vorkehren, aber auch die vorgesehenen neuartigen Massnahmen derart zu gestalten, dass sie der Lage und den besonderen Bedürfnissen der Entwicklungsländer besser gerecht werden.

Die Massnahmen, an die wir vor allem denken und die im Kapitel 3 beschrieben sind, betreffen die Stabüisierung der Rohstoffmärkte, die Handelsförderung, die Gewährung von Mischkrediten, die industrielle Zusainmenarbeit, die Investitionsförderung sowie die Zahlungsbilanzhilfe.

Sie ergänzen und verstärken sich gegenseitig in ihrem entwicklungspolitischen Nutzeffekt. Infolge der immer ausgeprägteren weltweiten Interdependenz zwischen den nationalen Volkswirtschaften der Industrie- und der Entwicklungsländer müssen sie indessen ebenfalls unter dem Blickwinkel ihrer Auswirkungen auf die internationale Konjunkturlage betrachtet werden.

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Die wirtschaftliche Interdependenz

Wir haben Ihnen schon verschiedentlich die zahlreichen Aspekte der Interdependenz vor Augen geführt. Wir verweisen diesbezüglich auf unseren Bericht vom 22. Januar 19755) über die Auswirkungen der neuesten weltwirtschaftlichen Ereignisse auf den schweizerischen Beitrag zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit, auf den neunten 6> und den zehnten 7> Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik sowie auf die Botschaft vom 23. November 1977 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern. 8) 4

> Art. 5 Abs. l des Bundesgesetzes über die internationaleiEntwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hufe, vgl. Anmerkung l.

5) BEI 1975 I 487 «) BEI 1977 II 1310 7> BB1 1978 I 410 8) Vgl. Anmerkung 2.

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In der vorliegenden Botschaft konzentrieren wir uns auf die wirtschaftliche Interdependenz, die wir im Lichte einiger wichtiger Probleme der Nord-Süd-Beziehungen untersuchen.

Die konjunkturelle und strukturelle Entwicklung in den Industriestaaten hat direkte Auswirkungen auf die Wachstumsbedingungen in den Entwicklungsländern ; umgekehrt beeinflusst deren wechselnde Auslandnachfrage auch die Wirtschaftslage in den Industriestaaten.

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass eine dynamische Weltwirtschaft eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Dritten Welt darstellt. Alle Länder haben also ein gemeinsames Interesse, auf ein besseres Funktionieren der Weltwirtschaft hinzuwirken.

Infolge der engen Verflechtung der Schweiz mit der Weltwirtschaft wird das Phänomen der Interdependenz in unserem Lande besonders klar ersichtlich.

Die Ausweitung des Aussenhandels, beschleunigt durch die Liberalisierungsanstrengungen, hat in hohem Masse zur Verstärkung der wirtschaftlichen Interdependenz beigetragen. Der Aussenhandel ist in den letzten 30 Jahren stärker gewachsen als die Wirtschaft insgesamt. So hat sich in den wichtigsten Industriestaaten der für den Export bestimmte Anteil der Inlandproduktion stetig erhöht.

Der rapide Bevölkerungsanstieg in den Ländern der Dritten Welt, der Umfang ihrer Bedürfnisse und die relative Steigerung ihrer Kaufkraft bewirken eine erhöhte Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern. Dieses Wirtschaftswachstum führt zu einer Importzunahme, die je nach der von den einzelnen Ländern betriebenen Wirtschaftspolitik verschieden hoch ausfallt. Es geht zudem oft mit einer Produktions- und Exportsteigerung, namentlich im Bereich der Fertigprodukte, einher. Die Ausfuhren stellen für die Entwicklungsländer die wichtigsten Deviseneinnahmen dar; damit diese Länder ihre zunehmenden Einfuhren finanzieren können, müssen diese Einkünfte unbedingt erhöht werden.

Diese Entwicklung hat eine stetige Neuverteilung der industriellen und kommerziellen Tätigkeiten auf weltweiter Ebene zur Folge, was zu bedeutenden Umschichtungen in der internationalen Arbeitsteilung geführt hat und weiterhin Strukturanpassungen bedingt - ein Problem, auf das wir später zurückkommen werden.

Im Rahmen der zurzeit geltenden internationalen Arbeitsteilung kommt dem
grössten Teil der Entwicklungsländer in erster Linie noch die Rolle von Rohstofflieferanten zu. Aus dem Export dieser Produkte erzielen sie den grössten Teil ihrer Deviseneinnahmen, also die Mittel zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland.

Die Rohstoffmärkte sind durch grosse Preisschwankungen und oft auch durch ein Preisniveau gekennzeichnet, das die Produzentenländer der Dritten Welt als nicht angemessen erachten. Es ergeben sich daraus für die Mehrheit von ihnen unregelmässige und ungenügende Exporterlöse. Die erratischen Schwankungen der Exporterlöse stellen oft die Durchführung der Entwicklungspläne in Frage, vermindern die Importkapazität sowie das Einkommen der einzelnen Produzenten und Lohnempfänger (Bauern, Bergwerkarbeiter) und schmälern die Fiskaleinnahmen, was die Regierungen zwingt, einen Teil der Ausgaben durch eine wachsende Aussen390

Verschuldung zu finanzieren. Man ist deshalb zum Schluss gelangt, dass sowohl 'auf die Ursache - die Kursfluktuationen - als auch auf die Folgen - die Schwankungen und den Rückgang der Exporterlöse - eingewirkt werden muss.

So wurden im Bereich dafür geeigneter Produkte internationale Marktregulierungs- und Preisstabilisierungsabkommen abgeschlossen (Weizen. Kakao, Kaffee, Zinn, Zucker) oder sind in Ausarbeitung (vgl. Ziff. 441). Ferner wurden Mechanismen der Ausgleichsfinanzierung geschaffen - oder sind noch in Prüfung -, die dazu bestimmt sind, die sich aus dem plötzlichen, und unkontrollierten Rückgang der Exporterlöse ergebenden Zahlungsbilanzprobleme zu lindern.

Bei den in Kraft befindlichen Mechanismen handelt es sich uni das System der Ausgleichsfinanzierung des Internationalen Währungsfonds - mit Verpflichtungen von über 2 Milliarden Dollar im Jahre 1977 - sowie um das von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Rahmen des Abkommens von Lomé (Assoziationsabkommen zwischen den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und Pazifischen Ozean) geschaffene sog. «Stabex».

Ohne die Unzulänglichkeiten der bis anhin getroffenen Massnahmen verkennen zu wollen, bleiben wir davon überzeugt, dass die Fortführung einer gemeinsamen Aktion unbedingt notwendig ist.'Dies nicht allein: um zur Lösung der Probleme der rohstoffproduzierenden Entwicklungsländer beizutragen, sondern auch um im Interesse der Konsumentenländer die Regelnlässigkeit und Sicherheit in der Versorgung zu erhöhen.

Die Vorgänge um das Erdöl haben uns die Interdependenz in ihrer ganzen Tragweite vor Augen geführt. Die Erhöhung des Erdölpreises hat nicht nur Auswirkungen auf die Strukturen der Industriestaaten gezeitigt. Sie hat eine grosse Anzahl von erdölimportierenden Entwicklungsländern noch nachhaltiger in Mitleidenschaft gezogen, von denen einige ihren bereits sehr niedrigen Energie- und Düngemittelkonsum einschränken mussten und damit ihre Entwicklungspläne in Frage stellten. Die Erdölpreiserhöhung und die für gewisse Exportländer daraus entstandenen bedeutenden: Kapitalüberschüsse haben ferner das Interesse dieser Länder an einem besseren Funktionieren der Weltwirtschaft, das ihnen die Sicherheit ihrer Kapitalanlagen garantiert, aufgezeigt. Die betreffenden Länder haben gleichzeitig begonnen, ihre neue Verantwortung bei, der
Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit zu übernehmen. * .

Ein gemeinsames Interesse besteht aber nicht nur in bezug auf das Erdöl, sondern, ganz allgemein, an einer rationellen Ausbeutung der weltweiten Energievorräte. Es wird sich insbesondere darum handeln, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass gewisse Energievorkommen nicht erneuerbar sind, die Bedürfnisse der Entwicklungsländer jedoch ständig wachsen.

Im Zusammenhang mit dem Energieproblem stellt sich mit aller Schärfe die Frage der Erhaltung der erschöpfbaren Rohstoffquellen. Dabei darf ein Konflikt nicht übersehen werden, der für gewisse Entwicklungsländer entstehen könnte, nämlich der Konflikt zwischen dem Erfordernis, für ihre mineralischen Ressour9) Die öffentliche Hilfe der OPEC-Länder betrug 1976 5,5 Milliarden Dollar, d.h. 2,2% ihres BSP. Vergleichsweise leisteten die Mitglieder' des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) im gleichen Jahr 13,7 Milliarden Dollar an öffentlicher Entwicklungshilfe, d.h. 0,33% ihres BSP.

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cen ein Maximum an Devisen einzunehmen, und ihrer Entschlossenheit, diese Bodenschätze nicht auszubeuten, bis sie selber in der Lage sind, diese für den internen Verbrauch oder für den Export zu verarbeiten.

Ein weiterer Grund für Rohstoffexportländer, nicht ihre gesamte potentielle Produktion zu vermarkten, liegt in der auf den Devisenmärkten herrschenden Unsicherheit, d.h. im Risiko, in Währungen bezahlt zu werden, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen fortlaufend an Wert verlieren. Daher ihr Interesse - das übrigens auch das unsrige ist - an einem möglichst stabilen internationalen Währungssystem, Voraussetzung für ein gesundes Wachstum der Weltwirtschaft.

Die Diversifizierung der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer kann ebenfalls zu einer zunehmenden Erhöhung ihrer Exporterlöse beitragen und ihre Rohstoffabhängigkeit vermindern. Der Diversifizierungsprozess beginnt - zumeist unter Beteiligung der Industriestaaten in Form von Lieferungen von Ausrüstungsgütern, von Technologie und von Kapital - mit der Errichtung einer Industrie für die Rohstoffverarbeitung und für die Herstellung von teilweise für den Export bestimmten Fertigprodukten. Dies erfordert eine offene Weltwirtschaft. Den Entwicklungsländern muss sogar eine Starthilfe in Form von zeitweiligen Vorteilen gewährt werden, um sie auf den Exportmärkten ihren Konkurrenten aus den Industriestaaten gegenüber gleichzustellen. Zu diesem Zwecke wurde ein System allgemeiner Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer geschaffen. Die Schweiz hat es im Jahre 1972 in Kraft gesetzt. Die Länder, die Zollpräferenzen gewähren, haben sich verpflichtet, dieses Sonderregime, das ursprünglich für eine Dauer von zehn Jahren vorgesehen war, unter noch festzulegenden Bedingungen und Modalitäten zu verlängern.

Der wirtschaftliche Diversifizierungsprozess in den Entwicklungsländern wird eine Erhöhung ihrer Nachfrage nach Fertigprodukten zur Folge haben. Er wird in bestimmten Sektoren auch eine Zunahme ihrer Produktion und ihrer Exporte bewirken, was den Wettbewerb verstärken und entsprechende Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung und auf die Produktionsstrukturen der Industriestaaten haben wird. Die Bedingungen, unter denen ein offener Weltmarkt aufrechterhalten werden kann, müssen somit von Industriestaaten und Entwicklungsländern
gemeinsam ausgehandelt werden, namentlich im Rahmen des GATT (multilaterale Handelsverhandlungen - Tokio-Runde) und der UNCTAD.

Für die Entwicklungsländer bringt die wirtschaftliche Diversifizierung zusätzliche Finanzierungsbedürfnisse mit sich. In Frage kommen dabei Privatinvestitionen, kommerzielle Kredite und Anleihen auf dem Kapitalmarkt, die zusammen mit den Exporterlösen und der öffentlichen Finanzhilfe die Bestandteile des Ressourcentransfers aus den Industriestaaten nach den Entwicklungsländern bilden.

Im allgemeinen sind die Entwicklungsländer bestrebt, mehr Privatinvestitionen zu erhalten. Letztere stellen für sie eine wichtige Quelle der Aussenfinanzierung dar und ermöglichen ihnen, ihr Produktionspotential zu erhöhen, Arbeitsplätze zu schaffen und die von ihnen benötigte Technologie leichter zu erwerben. Der Investor sucht seinerseits rentable und sichere Anlagen. Eine Investition gründet demnach auf einer gemeinsamen Interessenlage. Es können indessen gewisse Gegensätze auftreten, einerseits zwischen dem Wunsch des Gastlandes, eine Investition gezielt in den Dienst seiner Entwicklungspolitik zu stellen, und anderseits der 392

Erwartung des ausländischen Unternehmers, eine hohe finanzielle Rentabilität seiner Anlage zu sichern. Ferner ist ein Entwicklungsland aufgrund seiner schwachen Verwaltungsstrukturen und in Anbetracht seiner dringenden Bedürfnisse mitunter nicht in der Lage, seine Interessen in den Verhandlungen mit dem ausländischen Privatunternehmen in vollem Umfang geltend zu machen. Gewisse Vorkommnisse haben in zahlreichen Entwicklungsländern Anlass zu Misstrauen gegenüber ausländischen Investitionen gegeben. Dies hat zu restriktiven Massnahmen geführt, was wiederum die ausländischen Investoren veranlasst hat, ihre Projekte aufzuschieben oder darauf zu verzichten. Auf bilateraler wie auf multilateraler Ebene bleibt sehr viel zu tun, um das notwendige Vertrauensklima wiederherzustellen. Es geht darum, die möglichen negativen Aspekte der Privatinvestitionen zu erfassen und zu verringern und gleichzeitig ihren Nutzeffekt zu erhöhen, insbesondere hinsichtlich ihrer allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Dem internationalen Verhaltenskodex für multinationale Gesellschaften, der zurzeit in den Vereinten Nationen vorbereitet wird, könnte diesbezüglich eine wichtige Rolle zukommen. In diesem Sinne befürworten wir grundsätzlich einen derartigen Kodex, der durch die Abgrenzung der Rechte und Pflichten sowohl des ausländischen Anlegers als auch des Empfangsstaates ein günstigeres Investitionsklima in den Entwicklungsländern schaffen soll.

Die horizontale und vertikale Diversifizierung der Produktionsstrukturen der Entwicklungsländer setzt die Vermittlung wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse voraus. Hauptträger des Technologietransfers sind die Privatinvestitionen. Auch hier äussert sich das Phänomen der Interdependenz in einem übereinstimmenden Interesse des Verkäufers und des Käufers von Technologie. Der erste möchte ein gerechtes Entgelt für seine Investition - im besonderen für seine Anstrengungen auf dem Gebiete der Forschung - erzielen, dem zweiten ist daran gelegen, zu günstigen Bedingungen und Preisen über die von ihm benötigte Technologie verfügen zu können. Aber auch hier gibt es Konfliktherde. So möchte z. B.

ein Verkäufer wegen des hohen und unmittelbaren Ertrages eine ganz bestimmte Technologie liefern, während für das Käuferland der entscheidende Faktor im Beitrag zur Schaffung
weiterer Arbeitsplätze liegt. Zudem sind es nicht selten die Entwicklungsländer selber, die sich auf einem für sie lebenswichtigen Gebiet eine sehr fortgeschrittene Technologie beschaffen wollen, z. B. für die Entsalzung des Meerwassers, die Verhinderung eines weiteren Fortschreitens der Wüstengebiete, die Ausbeutung von Erdgas usw. Der Verkäufer hingegen, der die oft kostspielige Forschung finanziert und damit die Entwicklung einer Spitzentechnologie ermöglicht hat, möchte diese in der Hand behalten und sie solange ausnutzen, bis die Forschungsinvestition amortisiert ist.

Eines der Ziele der internationalen Zusammenarbeit besteht darin, Bedingungen zu schaffen, die es den Entwicklungsländern erlauben, die ihren Bedürfnissen angepasste Technologie zu erhalten. Im Vordergrund steht dabei die Lieferung der Informationen, die sie benötigen, um die richtige Wahl zwischen alternativen Technologien treffen zu können. Auch auf diesem Gebiet sind Verhandlungen an denen die Schweiz teilnimmt - im Hinblick auf die Ausarbeitung eines internationalen Verhaltenskodex im Gange.

Der zunehmende Devisenbedarf der Entwicklungsländer, der sich, wie wir eben festgestellt haben, in einem Anschwellen der privaten Kapitalflüsse äussert, hat 393

natürlich Auswirkungen auf ihre Aussenverschuldung. Die Aussenverschuldung ist an sich kein negatives Merkmal der Wirtschaftslage eines Landes. Die Fähigkeit, Schulden einzugehen, bedeutet grundsätzlich einen Vertrauensbeweis der ausländischen Gläubiger, deren Darlehen zum Wirtschaftswachstum beitragen können.

Auch der Umfang des Schuldendienstes kann nicht für sich allein betrachtet, sondern muss im Verhältnis zur Rentabilität der zu Entwicklungszwecken verwendeten Gelder gesehen werden.

Für gewisse Länder kann die Last des Schuldendienstes jedoch sehr ernste Auswirkungen sowohl auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung (Abbau der Sozialdienste - Gesundheit, Erziehung -, Beschränkung der Nahrungsmittel importe, Einsparungen bei den Subventionen usw.) als auch auf die Einfuhr von Investitionsgütern und auf den Zeitplan für die Verwirklichung der nationalen Entwicklungspläne haben.

Die übereinstimmenden Interessen von Darlehensgebern und -nehmern verlangen von den Industriestaaten weiterhin eine Politik, die einen normalen Zugang der Entwicklungsländer zu den privaten Kapitalquellen begünstigt. Die Entwicklungsländer müssen ihrerseits, mit Unterstützung der spezialisierten internationalen Finanzinstitutionen, eine Politik betreiben, die Verschuldungskrisen vermeidet .und ihre Entwicklungsziele nicht in Frage stellt. Zahlreiche Entwicklungsländer, deren Rückzahlungsfähigkeit noch für längere Zeit sehr gering bleiben wird, benötigen vor allem öffentliche Hilfe (Schenkungen und langfristige Darlehen). Nur diese Art von Kapitalhilfe ist mit den Bedingungen ausgestattet, die es solchen Ländern ermöglichen, die für die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur unerlässlichen Investitionen zu finanzieren. Sie hat zudem den entscheidenden Vorteil, die Zahlungsbilanz nicht allzu stark zu belasten. Dies ist übrigens einer der Gründe, welche die Schweiz bewegen haben, sich an der von der Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris beschlossenen Sonderaktion zu beteiligen. Im Rahmen dieser Aktion hat unser Land öffentliche Finanzhilfekredite an einkommensschwache Entwicklungsländer in Geschenke umgewandelt. i<" Allgemein ist festzustellen, dass es vorzuziehen ist, den sich in Entwicklung befindlichen Ländern öffentliche Finanzhilfe zu Vorzugsbedingungen zu gewähren, statt sie sich
verschulden zu lassen und in der Folge auf die Rückzahlungen verzichten oder gar mit öffentlichen Geldern die privaten Gläubiger bezahlen zu müssen.

Die vorgenommene Analyse führt zur Feststellung, dass kein Land, nicht einmal die Grossmächte, seine wirtschaftliche und soziale Entwicklung vorantreiben kann, ohne der Interdependenz in der Weltwirtschaft Rechnung zu tragen. Sie veranschaulicht insbesondere die Schwäche und Verwundbarkeit der Wirtschaft der Entwicklungsländer. Dies führt mitunter zur Schlussfolgerung, wonach die Entwicklungsaussichten der ärmsten Entwicklungsländer derart schlecht seien, dass deren einzige Chance darin bestünde, ihre Entwicklung stärker auf die Nutzung ihrer eigenen Ressourcen und die Erhaltung ihres Kulturgutes sowie auf die Belebung des internen Handels auszurichten. Dies könnte nach Auffassung der Vertreter dieses Modells der autochthonen Entwicklung am besten durch einen iw.Vgl. Botschaft vom W.September 1977; BEI 1977 III 161.

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bewussten Abbruch der Beziehungen zu den Industriestaaten geschehen, Beziehungen, in denen die Entwicklung der Dritten Welt ja ohnehin nur als ein reines Beiprodukt des Wirtschaftswachstums in den westlichen Staaten zu betrachten sei.

Diese Theorie beruht zwar auf gewissen weitgehend anerkannten Prämissen, wie vor allem die Betonung der Eigenverantwortung der Entwicklungsländer für die Durchführung und Finanzierung ihrer Entwicklungsanstrengungen sowie die Notwendigkeit für die jungen Staaten, ihre nationale Unabhängigkeit zu festigen.

Sie kann jedoch keine gültige Alternative für die Entwicklung einer bereits weitgehend in die Weltwirtschaft integrierten Dritten Welt sein. Die grosse Mehrheit der Entwicklungsländer, namentlich jene, die man unter dem Begriff der neuindustrialisierten Staaten zusammenfasst, sind übrigens dieser Theorie nicht gefolgt, sondern haben ihre wirtschaftliche Entwicklung weitgehend auf der Förderung der Exportwirtschaft aufgebaut.

Die Integration in die Weltwirtschaft hindert diese Länder aber nicht, eine eigenständige Entwicklungspolitik zu betreiben und selbst zu bestimmen, in welchem Ausmass sie am Welthandel teilnehmen wollen. Dies erfordert jedoch, dass die Industriestaaten ihrerseits den Zugang zu ihren Waren- und Kapitalmärkten erleichtern, Veränderungen im Weltwirtschaftssystem akzeptieren und so die Bedingungen verbessern, unter denen die Entwicklungsländer aus ihrer Beteiligung an der Weltwirtschaft Nutzen ziehen können.

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Die unterschiedliche Lage der Entwicklungsländer

Die Entwicklungsländer weisen gewisse gemeinsame charakteristische Merkmale auf. Dazu zählen vornehmlich eine oft wenig diversifizierte Volkswirtschaft, eine ungenügende Infrastruktur und ein grosses Mass an technologischer Abhängigkeit. Der Begriff «Entwicklungsland» umschreibt aber dennoch eine grosse Vielfalt von Situationen. Als Entwicklungsländer werden Staaten bezeichnet, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung zwischen weniger als 100 und ungefähr 2000 Dollar oder gar mehr im Jahr beträgt; deren Territorium zwischen einigen hundert und mehreren Millionen Quadratkilometer umfasst; deren Einwohnerzahl zwischen einigen Tausend und Hunderten von Millionen schwankt.

Gewisse Länder verfügen über reichliche Rohstoffquellen, andere über praktisch keine. Der Stand der Erziehung und die Entwicklung des Gesundheitswesens sind sehr ungleich, das Entwicklungspotential höchst unterschiedlich. Die Dritte Welt, der eine Vielzahl von Ländern mit diesen unterschiedlichen Eigenschaften angehört, stellt eine Realität dar, der in den Diskussionen über die Probleme der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und bei der Suche nach den zweckmässigsten Methoden zur Unterstützung der Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer Rechnung, getragen werden muss.

Die unterschiedliche Lage der Entwicklungsländer erfordert in Tat und Wahrheit vielfältige Massnahmen der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe einerseits sowie der wirtschafts- und handelspolitischen Zusammenarbeit andererseits, je nach dem sozio-ökonomischen Entwicklungsstand des einzelnen Landes oder einzelner Länderkategorien.

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Ohne dabei zu verallgemeinern, ist es doch möglich, Länder auszugliedern, für welche die technische Zusammenarbeit und die Finanzhilfe auch heute noch den geeignetsten Beitrag zur Lösung ihrer Probleme darstellen. Es handelt sich um die ärmsten Entwicklungsländer, rund 50 an der Zahl, wovon etwa die Hälfte zum afrikanischen Kontinent gehört. Die technische Zusammenarbeit und die Finanzhilfe können ausserdem auch zugunsten der benachteiligten Regionen und Bevölierungsschichten von verhältnismässig fortgeschritteneren Entwicklungsländern eingesetzt werden. Unsere Anstrengungen haben sich seit Jahren auf diese Länder, Regionen und Bevölkerungsschichten konzentriert. Der Kredit von 735 Millionen Franken für die technische Zusammenarbeit und die Finanzhilfe wird der Fortführung dieser Anstrengungen dienen.

Die Auswirkungen der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen, die wir mit diesem Rahmenkredit zu finanzieren beabsichtigen, auf die einzelnen Länder können nicht im voraus genau veranschlagt werden. Auch werden nicht alle Entwicklungsländer daraus den gleichen Nutzen ziehen können. Dessen ungeachtet bilden diese Massnahmen - beurteilt man sie nach dem derzeitigen Wissensstand sowie aufgrund der auf internationaler Ebene unternommenen Arbeiten und Analysen - eine gültige Antwort auf die grundlegenden Fragen, denen sich die ·Entwicklungsländer gegenüber gestellt sehen; zudem kommen sie ihrem Streben nach einem System von ausgewogeneren internationalen Wirtschaftsbeziehungen entgegen. Sie stellen, namentlich auch für die ärmsten Entwicklungsländer, eine unerlässliche Ergänzung zu den Massnahmen im Bereich der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe dar, die spezifischere Aktionen erlauben. 11 )

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Die Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft

Die laufenden Verhandlungen im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs zielen darauf ab, die vererbten Strukturen der Vergangenheit durch neuartige Beziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten abzulösen. Die Wirtschaft zahlreicher Entwicklungsländer war früher als Folge politischer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit praktisch ausschliesslich auf eine Metropole ausgerichtet. Diese absorbierte den Hauptanteil der Produktion, insbesondere der Rohstoffe, und nahm deren Weiterverteilung vor. So wurden die Produzenten eigentlich nie direkt mit dem Weltmarkt konfrontiert.

Die Umgestaltung der traditionellen Bindungen zwischen den Metropolen und ihren in Entwicklung begriffenen Aussenbesitzungen im Zuge der grundlegenden Veränderungen der weltweiten politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse hatte zur Folge, dass die neuen Staaten - vor allem jene, die erst kürzlich ihre Unabhängigkeit erlangt haben - der internationalen Konkurrenz ausgesetzt wurden. Die überlieferten Strukturen der vorausgegangenen Aera haben sich für eine derartige Entwicklung oft als ungeeignet erwiesen. Sie führten insbesondere zu einer übermässigen Spezialisierung einer Reihe von Ländern, deren Wirtschaft fast ausschliesslich von der Landwirtschaft oder der Ausbeutung und Ausfuhr von einem oder zwei Rohstoffen abhängig ist.

"> Vgl. Paragraph 243 der in der Fussnotel erwähnten Botschaft.

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Hauptziel der Vorschläge betreffend die Einführung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung (NIWO) - deren philosophischer Gehalt und die darin geforderten Massnahmen dem Grundsatz der Aufrechterhaltung eines offenen Wirtschaftssystems entsprechen - ist es gerade, den Prozess in Gang zu setzen, der die Anpassung der bestehenden und die Schaffung neuer Strukturen ermöglichen soll, um die Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft als dynamisches Element ihrer Entwicklung zu begünstigen.

Die Entwicklungsländer sind alle in die Weltwirtschaft integriert. Zur Diskussion stehen die Intensität ihrer Beteiligung an dieser Wirtschaft, die Rolle, welche sie darin zu spielen beabsichtigen und schliesslich die Vorteile, die ihnen aus dieser Beteiligung erwachsen können.

Sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die Industriestaaten stellen sich jedoch diesbezüglich eine Anzahl Probleme.

Der Weg, den die Entwicklungsländer beschreiten möchten, ist oft noch nicht klar vorgezeichnet oder dann erlauben es die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse nur schwerlich, die durch die Regierungen festgelegten Entwicklungsziele zu verfolgen. Zudem sind mitunter die erforderlichen tiefgreifenden Reformen zu neu, kommen zu rasch und können so zu Ergebnissen führen, die den beabsichtigten widersprechen. Dies kann wirtschaftliche und politische Krisen, Spannungen sowie innere Unruhen hervorrufen.

Für die Industriestaaten wirft die wachsende Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft das Problem struktureller Anpassungen auf. In zunehmendem Masse werden die Entwicklungsländer durch erhöhte Exporte von :bestimmten industriellen Erzeugnissen den Unternehmen in den Industriestaaten auf den in- und ausländischen Märkten Konkurrenz machen.: Die Erfahrung der letzten Jahre hat immerhin gezeigt, dass die Zunahme der Exporte der Entwicklungsländer von einem gleichzeitigen Ansteigen ihrer Einfuhren von Industrieprodukten, vor allem von Investitionsgütern, begleitet war. Dies eröffnet, unter Vorbehalt gewisser Strukturanpassungen, unserer Volkswirtschaft auf längere Sicht günstige Perspektiven. Die wachsende Beteiligung der Entwicklungsländer am Welthandel wird in der Tat eine zunehmende Verschärfung der internationalen Konkurrenzverhältnisse zur Folge haben.

Die Entwicklung
der Weltwirtschaft hat im übrigen bereits zu grundlegenden strukturellen Veränderungen geführt. In der Schweiz lässt sich dies anhand der Entwicklung des Dienstleistungssektors im Vergleich zu Landwirtschaft und Industrie sowie anhand der Ausdehnung der Auslandsaktivität unserer Industrie nachweisen. In einer Zeit allgemeinen Wirtschaftswachstums in den Industriestaaten wurden diese Veränderungen ohne grössere Schwierigkeiten absorbiert. Die Wachstumsabschwächung, die wir erleben, gestaltet die Probleme schwieriger und lässt sie für die Bevölkerung unmittelbar fühlbar werden. Als Folge einer derartigen Situation treten gewöhnlich zunehmend protektionistische Tendenzen auf.

Nach unserer Auffassung ist die direkte und stetige Konfrontation der schweizerischen Wirtschaft mit der internationalen Konkurrenz die beste Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung sowie eine fortschreitende Anpassung ihrer Strukturen und stellt gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag an die zunehmende Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft dar. Meistens werden übri397

gens durch restriktive Massnahmen die Probleme lediglich auf die lange Bank geschoben. Das heikle, aber aktuelle Problem der strukturellen Anpassungen in der Weltwirtschaft ist in einer dynamischen Perspektive zu sehen. Der Übergang von einem Weltwirtschaftssystem, das durch die Beziehungen zwischen den Industriestaaten beherrscht wird, zu einer Situation, in der sich eine wachsende Anzahl von Ländern in die grossen Welthandelsnationen einreihen, wird tiefgreifende Veränderungen der gegenwärtigen Strukturen nach sich ziehen. Es ist dies eine unausweichliche Entwicklung, mit der zu leben besser ist als das Risiko einer Entzweiung einzugehen. Diese strukturellen Veränderungen erfordern neue Instrumente und eine verstärkte internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit.

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Die Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer und die Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern

Die Interdependenz und die Beteiligung an der Weltwirtschaft bilden den Hintergrund, vor dem sich die Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer abspielen.

Diese Länder anerkennen ohne weiteres, dass sie letztlich die Verantwortung für ihre Entwicklung tragen. Diese Verantwortung bezieht sich insbesondere auf die Bestimmung und Verwirklichung ihrer Entwicklungsziele. Wenn auch wegen der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den Entwicklungsländern Verallgemeinerungen mit Vorsicht aufzunehmen sind, haben kürzliche Studien doch gezeigt, dass die Entwicklungsländer durchschnittlich 80-90 Prozent der Gesamtkosten ihrer wirtschaftlichen Entwicklungsprogramme selbst aufbringen. Vergleicht man die externen Zuwendungen mit dem Devisenbedarf der Entwicklungsländer, so ist der Prozentsatz jedoch geringer.

Die Eigenanstrengungen der einzelnen Entwicklungsländer werden durch die Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern ergänzt. Ihre Bemühungen, das Weltwirtschaftssystem der eigenen Situation und ihren Bedürfnissen anzupassen sowie sich ihrerseits leichter in dieses System einzufügen, schlagen sich im Konzept der kollektiven wirtschaftlichen Sicherheit nieder. Es handelt sich dabei um ein Konzept, das sich aus der Zusammenarbeit zwischen jenen Entwicklungsländern - die grosse Mehrheit unter ihnen - ergeben hat, die der Bewegung der Blockfreien Staaten angehören und das von der Dritten Welt in ihrer Gesamtheit übernommen wurde. Die im Rahmen der kollektiven wirtschaftlichen Sicherheit ins Auge gefassten Massnahmen sind vielschichtig. Sie haben die Verwirklichung von Aktionen zum Ziel, deren Durchführung auf weltweiter Ebene sich als nicht möglich erwiesen hat. Diese Massnahmen verdienen, unterstützt zu werden. Die regionale Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern ist nämlich - wie die regionale Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten oder zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten - ein integraler Bestandteil der internationalen Zusammenarbeit im allgemeinen und trägt zur Errichtung von Wirtschaftsbeziehungen zwischen Partnern bei, die fähig sind, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zur Völkergemeinschaft ergebenden Rechte und Pflichten zu erfüllen.

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Schlussfolgerung

Die verstärkte wirtschaftliche Interdependenz bedeutet in Tat,und Wahrheit die wachsende Abhängigkeit jedes Landes im Verhältnis zur internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit. Sie führt zur Anerkennung der Mitverantwortung aller Staaten gegenüber ihren Partnern. Nur durch eine immer engere Zusammenarbeit können die nationalen Interessen gewahrt .und gleichzeitig die Entwicklung aller Beteiligten gefördert werden.

Weder .eine auf die Spitze getriebene autarke Wirtschaftsentwicklung noch ein merkantilistisches Angehen der Probleme, das den Handel zum Selbstzweck erhebt, können die wirtschaftliche und politische Realität der Gegenwart, nämlich die Interdependenz, ersetzen. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit, die mehr und mehr auf dieser Erkenntnis fusst, ist ein, langwieriges Unterfangen, das entscheidend zur Verringerung von Ungleichgewichten, Ursache von Unstabilität, Unruhen und der Gefährdung des Weltfriedens beiträgt.

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Die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit den Entwicklungsländern

Die vorangehenden Ausführungen haben;die vielfältigen und wechselseitig wirkenden Verbindungen zwischen den verschiedenen Sektoren der Weltwirtschaft und zwischen den einzelnen Ländern und Ländergruppen in groben Zügen umschrieben. Die schweizerische Wirtschaft ist in dieses dichte Beziehungsnetz in starkem Masse eingebettet, wie dies im folgenden unter Ziffer 31 zu verdeutlichen ist. Unter Ziffer 32 sollen diese Beziehungen im Lichte der Konzeption der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit und der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik beurteilt werden.

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Umfang der schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen mit den Entwicklungsländern12)

Das Bruttosozialprodukt der Schweiz entsteht zu beinahe 50 Prozent aus dem Verkehr mit dem Ausland. Die überragende Bedeutung dieses Anteils für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen sowie ertragbringenden Produktionsbetrieben, die Steuereinnahmen und damit für das gesamte Wirtschaftsleben, kann nicht genug unterstrichen werden. Die schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen mit den Entwicklungsländern bilden einen wesentlichen Teil dieser allgemeinen aussenwirtschaftlichen Verflechtung. Einige Zahlenangaben, die teilweise auf Schätzungen beruhen, mögen dies verdeutlichen : Die wohl augenfälligste Illustration für die enge Verflechtung der schweizerischen Wirtschaft mit jener der Dritten Welt liefert der gegenseitige Handelsaustausch.

Die Ausfuhren der Schweiz nach den Entwicklungsländern beliefen sich 1977 auf 9,6 Milliarden Franken oder 1515 Franken pro Kopf der Bevölkerung. Damit '2> Wo nichts anderes vermerkt ist, sind in den Zahlen für die Entwicklungsländer jene für die europäischen Mittelmeerstaaten (Spanien, Portugal, Griechenland, Türkei, Cypern, Malta) nicht eingeschlossen.

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stand unser Land mit Abstand an der Spitze aller Industrienationen, gefolgt von Belgien (1083 Fr.) und Schweden (782 Fr.). Der Anteil der Entwicklungsländer an der Gesamtausfuhr der Schweiz stieg von 19,4 Prozent im Jahr 1960 auf 22,8 Prozent im Jahr 1977. Diese Erhöhung ist namentlich auf den wachsenden Anteil unserer Exporte nach den OPEC-Staaten zurückzuführen (1960: 3,8%; 1977: \ 8 , 707 / /o), Dass die Ausfuhren nach den Entwicklungsländern ein besonders dynamisches Element unserer Aussenwirtschaftsbeziehungen sind, beweist der Umstand, dass sie 1976, im Vergleich zu den Ausfuhren in die wichtigsten andern Wirtschaftszonen (EFTA, EWG, Nordamerika und Japan, Staatshandelsländer), die dritthöchste (13,2%) und 1977 gar die höchste (22,1%) Zuwachsrate verzeichneten. Die Exporte nach den Entwicklungsländern erwiesen sich weltweit und speziell auch für die Schweiz als eigentliche Konjunkturstütze.

Die Einfuhren der Schweiz aus den Entwicklungsländern beliefen sich 1977 auf 4,4 Milliarden Franken oder 10,3 Prozent unserer Gesamtimporte (1960: 8,4%).

Dies macht pro Kopf der Bevölkerung 695 Franken aus, womit sich die Schweiz an neunter Stelle der OECD-Staaten befindet. Der Anteil der OPEC-Länder an unseren Gesamteinfuhren betrug 3,5 Prozent.

Ein Vergleich zwischen Ein- und Ausfuhren zeigt, dass die Handelsbilanz der Schweiz gegenüber den Entwicklungsländern seit jeher mit einem Aktivum zugunsten unseres Landes abschloss. 1977 betrug dieses Aktivum 5,2 Milliarden Franken. Kein anderes OECD-Land hat einen derart hohen Überschuss. Dieser Betrag unterschätzt allerdings die tatsächlichen Einfuhren aus den Entwicklungsländern recht erheblich. Viele Rohstoffe aus den Entwicklungsländern - unter anderem fast alle raffinierten Erdölprodukte und die meisten Metalle - gelangen über Industriestaaten, wo sie einer ersten Verarbeitung unterliegen, in die Schweiz und werden statistisch so als Importe aus diesen Drittstaaten erfasst. Unter Be.rücksichtigung dieser Handelsumleitungen über Industriestaaten sowohl bei den Ein- wie bei den Ausfuhren dürfte unser Aktivum wesentlich geringer ausfallen.

Zwei Gründe sind für die aktive Handelsbilanz der Schweiz massgebend. Der erste betrifft die besondere schweizerische Wirtschaftsstruktur : traditionelle Beziehungen mit gewissen Märkten ; zunehmende Ausrichtung vieler
Wirtschaftszweige auf das Ausland und damit verbundene Erschliessung neuer Märkte; spezialisiertes und qualitativ hochstehendes Güterangebot; Beschränktheit des schweizerischen Marktes sowohl hinsichtlich seiner Aufnahmefähigkeit im Verhältnis zu den Gesamtausfuhren wie auch bezüglich der Art der Waren und Dienstleistungen, die aus den Entwicklungsländern stammen. Der zweite Grund liegt im Erfordernis für die Entwicklungsländer, Konsum- und Investitionsgüter einzuführen.

Gegen 60 Prozent unserer Exporte in die Entwicklungsländer entfallen auf Investitionsgüter.

Diesen hauptsächlich strukturell bedingten Umständen fügen sich mehrere in der Handelspolitik begründete Elemente an, die den erwähnten Handelsbilanzüberschuss mit den Entwicklungsländern zu Recht als beachtenswert erscheinen lassen. Zum einen betreibt die Schweiz im Gegensatz zu anderen OECD-Staaten keine eigentliche Exportsubventionierung. Zum andern wird unsere bilaterale Finanzhilfe, im gleichen liberalen Sinne, ungebunden gewährt. Schliesslich ist die 400

Qualität, eingeschlossen der «service après-vente», der schweizerischen Exportprodukte zu erwähnen, deren Erwerb durch die Entwicklungsländer in freier Wahl, aufgrund ihrer Bedürfnisse und gestützt auf internationale Ausschreibungen erfolgt.

Ähnlich wie beim Warenaustausch dürften auch die Verhältnisse im Dienstleistungssektor liegen. Die Schweiz weist pro Kopf ihrer Bevölkerung die höchsten Einnahmen aus Dienstleistungen gegenüber dem Ausland auf und hat auch in diesem Bereich einen Überschuss gegenüber den Entwicklungsländern zu verzeichnen.

Ein besonders markantes Merkmal der aussenwirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz mit den Entwicklungsländern stellen die Investitionen dar. Aufgrund einer jährlichen Erhebung .bei der schweizerischen Industrie lassen sich diese Investitionen Ende 1976 auf rund 4 Milliarden Franken beziffern, was ungefähr 9 Prozent der Gesamtsumme der schweizerischen Auslandinvestitionen entspricht (0,5 Mia. Fr. in Afrika, 2,9 Mia. Fr. in Lateinamerika und 0,6 Mia. Fr. in Asien).

Auf die europäischen Entwicklungsländer entfällt zusätzlich eine Milliarde Franken.

Schliesslich muss auch der öffentliche und private Kapitalverkehr in das Bild einbezogen werden. Dieser setzt sich aus sehr unterschiedlichen Elementen zusammen.

Die staatliche Entwicklungshilfe (Bund, Kantone und Gemeinden), zum grossen Teil in Form von Geschenken, belief sich 1977 auf 285,6 Millionen Franken oder 0,19 Prozent des Bruttosozialproduktes. Bekanntlich steht damit die Schweiz, als eines der reichsten Länder der Welt, an drittletzter Stelle der dem Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der OECD angehörenden Staaten.

Entwicklungsländer und multilaterale Finanzinstitutionen wie Weltbank und regionale Entwicklungsbanken haben allein 1977 den schweizerischen Kapitalmarkt mit 2054 Millionen Franken beansprucht und .diese Mittel zur Verwirklichung von Entwicklungsprojekten eingesetzt. Für die Weltbank stellt der schweizerische Markt die viertwichtigste Finanzquelle dar.

Die liberale Ausgestaltung des schweizerischen Bankensystems ermöglicht einen ausgedehnten Geld- und Kapitalverkehr mit dem Ausland. Gemäss der Bankenstatistik betrugen im Jahre 1976 die Verpflichtungen, eingeschlossen die Treuhandgeschäfte, der schweizerischen Banken gegenüber Entwicklungsländern 49,3 Milliarden Franken. Diesen stehen
Guthaben von 29,7 Milliarden Franken gegenüber. Diese Kapitalflüsse sind sowohl hinsichtlich ihrer eigentlichen Herkunft wie auch ihrer Verwendung nach nur schwierig bestimmbar.

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Wirtschafliche und entwicklungspolitische Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen

Bietet schon die genaue zahlenmässige, im wesentlichen auf Zahlungsbilanzgrundlagen beruhende Erfassung der Beziehungen zwischen der schweizerischen Wirtschaft und jener der Entwicklungsländer gewisse Schwierigkeiten, trifft dies noch mehr für eine qualitative Beurteilung zu. Ausgangspunkt für eine solche Beurteilung bildet der Umstand, dass das Zustandekommen einer privatwirtschaftlichen Jransaktion von beiden betroffenen Partnern als in ihrem Interesse liegend 17 Bundesblatt. nOJahrg. Bd.II

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betrachtet wird. Dies selbst dann, wenn sie gesamtwirtschaftlich gesehen - sowohl für die Schweiz wie für das Entwicklungsland - unter Umständen unerwünschte Folgen zeitigen kann.

Man würde den komplexen Wirtschaftsverhältnissen nicht gerecht, wollte man einzelnen Kategorien von wirtschaftlichen Tätigkeiten - z. B. Exporten, Investitionen - ausschliesslich positive oder negative Wirkungen in entwicklungspolitischer Hinsicht zuschreiben. Diese Beurteilung kann nur anhand der Prüfung des Einzelfalles erfolgen. Die entsprechenden Kriterien können zudem stark variieren und damit die Gesamtbeurteilung beeinflussen. So wird beispielsweise der wertvolle Beitrag, den Auslandinvestitionen im Entwicklungsprozess spielen können, allgemein anerkannt. Dies kommt nicht nur zahlenmässig zum Ausdruck - die öffentliche Hilfe der DAC-Staaten betrug 1976 13,6 Milliarden Dollar, ihre Direktinvestitionen in Entwicklungsländern 7,6 Milliarden Dollar -, sondern auch in ihren möglichen positiven Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Ausbildung, den Technologietransfer usw. Es können aber auch Nachteile mit diesen Investitionen verbunden sein. Dies lässt sich anhand von Beispielen illustrieren: die Übertragung von kapitalintensiver Technologie kann unter Umständen einheimische Unternehmen zum Verschwinden bringen oder einen vergleichsweise geringen Beschäftigungseffekt ausüben; Konsumgewohnheiten westlichen Musters, welche der Produktion mittels Auslandinvestitionen oft zugrundeliegen, können nicht nur schwierige soziale, sondern auch wirtschaftliche Probleme mit sich bringen, weil sie eine Kaufkraft voraussetzen, die nur bei den oberen Schichten vorhanden ist; der mit Investitionen verbundene Devisenabfluss (z. B. in Form von Gewinnen, Dividenden) kann die Zahlungsbilanz eines Landes ungünstig beeinflussen und damit auch unerwünschte sekundäre Wirkungen entwicklungspolitischer Natur hervorrufen ; dies insbesondere dann, wenn der Umfang dieser Abflüsse in keinem Verhältnis zum Entwicklungsbeitrag der ursprünglichen Investition und zu dem damit verbundenen Technologietransfer steht oder wenn sie zu rasch erfolgen.

Weitere Beispiele für eine derartige entwicklungspolitische Abwägung von Vorund Nachteilen einer privatwirtschaftlichen Transaktion Hessen sich etwa auch aus dem Exportsektor und dem Finanzbereich
anführen. Es ist jeweils Aufgabe der beteiligten Partner - in einem marktwirtschaftlich orientierten System wie der Schweiz sind es fast immer Private -, ihre Interessen aufeinander abzustimmen und den entwicklungspolitischen Aspekten Rechnung zu tragen. Dem Staat stehen nur in wenigen Bereichen direkte Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung privatwirtschaftlicher Transaktionen zur Verfügung.

Man darf jedoch die Vor- und Nachteile einer einzelnen privatwirtschaftlichen Tätigkeit nicht isoliert betrachten, sondern muss ihre Wirkung im volkswirtschaftlichen Zusammenhang zu verstehen suchen. Dabei geht es vor allem darum, die von der einzelnen Aktion ausgehenden Impulse auf vor- und nachgelagerte Bereiche des Produktionsprozesses zu erfassen.

Ferner ist auch zu bedenken, dass die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Entwicklungsländern nicht ausschliesslich unter entwicklungspolitischen Aspekten oder im Hinblick auf schweizerische Interessen gesehen werden können ; sie sind auch in einem weltwirtschaftlichen Gesamtkomplex zu betrachten, dessen Teile 402

sich gegenseitig beeinflussen und nicht voneinander lösbar sind und in dem die Konkurrenz zwischen Industriestaaten einerseits und Entwicklungsländern anderseits eine keineswegs unwichtige Rolle spielt.

Schliesslich muss auch in Rechnung gestellt werden, dass sich hinter den unter Ziffer 31 erwähnten Globalzahlen grosse Unterschiede vom Land zu Land verbergen. So gibt es beispielsweise Entwicklungsländer, deren Handelsbilanz gegenüber der Schweiz einen Exportüberschuss aufweist.

Wir haben ebenfalls auf die weitreichende Bedeutung der Beziehungen der schweizerischen Wirtschaft mit den Entwicklungsländern hingewiesen. Für viele Unternehmen sind die Märkte der Entwicklungsländer zu einer eigentlichen Existenzfrage geworden. Es dürften in der Schweiz mehr als 100000 Arbeitsplätze vom Export in die Entwicklungsländer abhängen.

Ähnliches gilt von den Auslandinvestitionen. Der intensive Güter- und Finanzverkehr zwischen schweizerischen Muttergesellschaften und Tochterunternehmen trägt ebenfalls dazu bei, die Stellung der schweizerischen Industrie auf den internationalen Märkten zu behaupten und auszubauen und damit eine Grundlage unseres eigenen Wohlstandes zu sichern.

Auch wenn die Interessen der Entwicklungsländer und der Industriestaaten in einer wahrhaft interdependenten Wirtschaft langfristig gleichlaufend sind, so zeigt die Wirklichkeit immer wieder Fälle auf, in denen Interessenkonflikte zwischen den an einer Transaktion beteiligten Wirtschaftssubjekten, zwischen den betroffenen Staaten oder zwischen dem Staat und den privaten Wirtschaftssubjekten entstehen. Es ist Aufgabe der nationalen Behörden und der internationalen Zusammenarbeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit möglichst wenig Konflikte entstehen bzw. solche überwunden werden können. Dabei müssen die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Grundlagen der Einzelstaaten wie auch die konkreten Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit mitberücksichtigt werden.

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Zielsetzung und Inhalt des Rahmenkredites

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Allgemeines

Obwohl Aussenwirtschafts- und Entwicklungspolitik sich teilweise überschneiden, haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass sie mitunter auch eigene Ziele zu verfolgen haben. Ferner ist klar geworden, dass Außenwirtschaftspolitik nicht einseitig oder ausschliesslich mit der Vertretung der schweizerischen Interessen und Entwicklungspolitik mit der ausschliesslichen Vertretung der Anliegen der Entwicklungsländer gleichzusetzen sind. Beide sind untrennbar miteinander verbunden und erstreben langfristig das gleiche Ziel : auf nationaler und weltweiter Ebene Verhältnisse zu schaffen, die es allen Staaten ermöglichen, aus ihrer Beteiligung an der Weltwirtschaft Nutzen zu ziehen. Unterschiede ergeben sich in der Akzentsetzung: Aussenwirtschaftspolitik hat vorrangig die Stellung der Schweiz im Gesamten der weltwirtschaftlichen Beziehungen im Auge. Es geht dabei um die Verteidigung von legitimen schweizerischen Interessen. Deren Berücksichtigung - zusammen mit jenen der Entwicklungsländer - ist eine logische Folge, aber auch eine Vorbedingung der Verwirklichung der Interdependenz.

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Die schweizerische Entwicklungspolitik umschreibt den eigenständigen Beitrag, den unser Land zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaus der Entwicklungsländer und ihrer Beteiligung an der Weltwirtschaft leisten kann, sei es direkt über spezifische Massnahmen zugunsten von Entwicklungsländern oder indirekt über die Gestaltung der weltwirtschaftlichen Beziehungen im allgemeinen. Aus diesen verschiedenen Akzentsetzungen können Spannungsfelder entstehen, die nur durch eine pragmatische Haltung überwunden werden können.

Patentlösungen gibt es keine. 13)

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Das Bundesgesetz über internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe

Sofern bei einer Massnahme entwicklungspolitische Aspekte im Vordergrund stehen, fällt sie unter eine der in Artikel 6 des Bundesgesetzes über internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe definierten Formen.

Auf solche in erster Linie entwicklungspolitisch motivierte Massnahmen sind die Grundsätze nach Artikel 2 und die Ziele gemäss Artikel 5 des Gesetzes anwendbar. Insbesondere müssen solche Massnahmen demnach die Entwicklungsländer in ihrem Bestreben unterstützen, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern; sie sollen dazu beitragen, dass die Länder ihre Entwicklung aus eigener Kraft vorantreiben. Und schliesslich strebt die Entwicklungszusammenarbeit ausgewogenere Verhältnisse in der Völkergemeinschaft an.

Die Ziele des Entwicklungszusammenarbeitsgesetzes, insbesondere jene in Artikel 5 Absatz 2 können aber mit Massnahmen der Wirtschafts- und Handelspolitik nicht in der gleichen Art und Weise verwirklicht werden, wie dies mit solchen der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe der Fall ist. Es sind insbesondere zwei wesentliche Unterschiede zu berücksichtigen: - Erstens können gewisse wirtschaftspolitische Massnahmen nicht direkt auf einzelne bestimmte Bevölkerungsschichten oder gar einzelne Länder beschränkt werden. So ziehen z. B. aus dem bestehenden Zollpräferenzensystem Entwicklungsländer ganz unterschiedlichen Entwicklungsstandes Nutzen.

- Zweitens kann der Bund zwar durch eine bestimmte Förderungsmassnahme die Bedingungen einer privatwirtschaftlichen Transaktion beeinflussen, er kann aber über ihre Durchführung in der Regel nicht entscheiden. Er definiert lediglich die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Privatwirtschaft. So kann er beispielsweise die Gewährung der Investitionsrisikogarantie an die Erfüllung bestimmter entwicklungspolitischer Erfordernisse binden, den Unternehmer aber nicht zur Vornahme des Investitionsvorhabens verpflichten.

Diese Eigenheiten der wirtschaftspolitischen Massnahmen vermindern ihre entwicklungspolitische Bedeutung nicht. Während die technische Zusammenarbeit und die Finanzhilfe ihrer Natur nach in der Regel für einen begrenzten geographischen Bereich und ausgewählte Bevölkerungsschichten bestimmt sind, tragen wirtschaftspolitische Massnahmen dazu bei, Bedingungen und Voraussetzungen für eine gesamtwirtschaftlich günstige Entwicklung zu schaffen. Dies ist nicht nur '3> Vgl. die in Fussnote2 zitierte Botschaft, Ziff. 242.

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notwendig, damit die Entwicklungsländer ihre internen wirtschaftlichen und sozialen Ziele, wenn nötig 1 durch tiefgreifende Strukturveränderungen, erreichen, sondern damit sie aus ihrer Integration in die Weltwirtschaft den bestmöglichen Nutzen ziehen können.

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Die Ziele der Förderungsmassnahmen des Bundes

Das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz bildet den Rahmen für die im folgenden Kapitel umschriebenen Massnahmen des Bundes. Hier sollen einige allgemeine Grundsätze dargelegt werden, nach denen sich der Bundesrat dabei ausrichten wird. Bei der Anwendung dieser Richtlinien bedarf er einer gewissen Flexibilität. Nicht alle diese Grundsätze sind für jede Aktion in gleicher Weise anwendbar. Sie sollen die Zielrichtung im allgemeinen ausdrücken.

- Die Massnahmen müssen in erster Linie dem Empfängerland ermöglichen, seine entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu verwirklichen.

- Wir beabsichtigen ferner, dem Stand der Integration des einzelnen Landes in der Weltwirtschaft nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Während es beim einen Land in erster Linie darauf ankommt, aus der bestehenden Situation grösseren Nutzen zu ziehen (z. B. durch eine bessere Anwendung des bestehenden Präferenzensystems), muss beim andern zuerst eine Diversifizierung seiner Produktionsstruktur angestrebt werden.

- Der Rahmenkredit soll privatwirtschaftliche Leistungen zugunsten der Entwicklungsländer fordern. Wir haben bereits vorne auf die Bedeutung dieser Leistungen hingewiesen.

- Neben der Frage des Volumens steht die Verbesserung des entwicklungspolitischen Gehaltes der privatwirtschaftlichen Leistungen im Vordergrund. Es kann dabei nicht darum gehen, in unternehmerische Entscheide einzugreifen oder privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch solche des Bundes zu ersetzen.

Vielmehr soll durch den öffentlichen Teil oder durch die Formulierung gewisser Bedingungen für eine staatliche Teilnahme an einer bestimmten Aktion die entwicklungspolitische Komponente hinzugefügt bzw. verstärkt werden. Bei den Mischkrediten kann zum Beispiel der zinsgünstige öffentliche Teil die Zinsbedingungen des Mischkredites im gesamten günstig beeinflussen und damit der Zahlungsbilanzsituation des Empfängerlandes Rechnung tragen.

- Schliesslich soll zwischen den multilateralen und bilateralen Förderungsmassnahmen ein angemessenes Verhältnis .angestrebt werden. Die letzteren sollen auf jeden Fall mehr als 50 Prozent beanspruchen.

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Vorgesehene Massnahmen

Die Verwirklichung verschiedener der nachstehend beschriebenen Massnahmen hängt von Beschlüssen ab, die im Rahmen internationaler Verhandlungen gefasst werden. Dies ist namentlich der Fall im Rohstoffbereich, in dem mit Hilfe von internationalen Marktstabilisierungsabkommen Lösungen gesucht und mit der Errichtung eines Gemeinsamen Fonds ein Finanzierungsinstrument solcher Abkommen geschaffen werden sollen. Das gleiche trifft auch auf die Zahlungsbilanzhilfe zu.

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Es ist uns deshalb nicht möglich, Ihnen in der vorliegenden Botschaft sämtliche Einzelheiten der vorgesehenen Aktionen darzulegen. Wir sind auch nicht in der Lage, eine genaue Aufgliederung ihrer Kosten vorzunehmen. Die nachfolgenden Angaben gründen auf Schätzungen, die wir im Hinblick auf die Entwicklung der Situation während der nächsten zwei bis drei Jahre vorgenommen haben. Eine gewisse Flexibilität in der Verteilung des Rahmenkredites auf die erwähnten Aufgaben ist deshalb nötig. Wir benötigen den Rahmenkredit einerseits, weil das Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe diese Methode vorschreibt, anderseits, weil er uns ermöglichen wird, eine kohärente Politik der Entwicklungszusammenarbeit im wirtschaftlichen und handelspolitischen Bereich zu betreiben. Der Kredit stellt für uns ein unbedingtes Erfordernis für die Durchführung von Massnahmen dar, deren Vorbereitung und Ablauf sich über mehrere Jahre erstrecken werden. Er ist überdies notwendig, damit wir in glaubwürdiger Weise an laufenden internationalen Verhandlungen teilnehmen können, auch wenn deren Ausgang zurzeit noch in der Schwebe ist.

Die Ungewissheit über die Verwendung von gewissen Teilen dieses Kredites und namentlich über seine zeitliche Erstreckung ändert nichts an der Notwendigkeit, Ihnen das Kreditbegehren jetzt zu unterbreiten. Es ist selbstverständlich, dass Verpflichtungen aufgrund dieses Kredites nur eingegangen werden, wenn Klarheit über die unmittelbaren wie auch die längerfristigen finanziellen Konsequenzen besteht und wenn sie mit der Finanzplanung des Bundes vereinbar sind.

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Rohstoffe

Nahezu 80 Prozent der Exporterlöse der Entwicklungsländer stammen aus dem Verkauf von Rohstoffen. Nun schwanken aber die Preise dieser Produkte im Rhythmus der Veränderungen von Angebot und Nachfrage. Die Folgen dieser ständigen Preisschwankungen, die oft auf Faktoren zurückzuführen sind, auf welche die Produzenten keinerlei Einfluss haben, können für die Entwicklungsländer besonders schwerwiegend sein. Vor allem betroffen sind diejenigen unter ihnen, deren Deviseneinnahmen von der Ausfuhr von lediglich einem oder zwei Produkten abhängen. Übermässige Preisschwankungen gefährden die Verwirklichung der Entwicklungsziele und erschweren damit die mittel- und langfristige Planung. Sie können auch die Investitionsentscheide ungünstig beeinflussen und damit die Versorgungssicherheit der Verbraucher in Frage stellen. Ausserdem erzeugen sie ein Gefühl der Unsicherheit bei den Verbrauchern - vor allem in der verarbeitenden Industrie-, die dann oft gezwungen werden, kostspielige Massnahmen zu ergreifen, wie Deckungskäufe auf Termin sowie eine im Verhältnis zum Bedarf überproportionale Lagerhaltung.

Das Ziel aufeinander abgestimmter internationaler Massnahmen im Rohstoffbereich besteht nicht etwa darin, die Marktkräfte auszuschalten. Vielmehr sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein besseres Funktionieren dieser Kräfte erlauben. In Tat und Wahrheit handelt es sich darum, die Preise weiterhin innerhalb gewisser Grenzen schwanken zu lassen und damit langfristig ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen und das Auftreten von Strukturverzerrungen zum Nachteil von Konsumenten und Produzenten zu vermeiden.

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Die verschiedenen, weltweit ungleich verteilten Rohstoffe bilden eine der Grundlagen des internationalen Güteraustausches. Diese Produkte, die in einzelnen Regionen bereits erschöpft oder deren Ausbeutung bzw. Anbau .wirtschaftlich nicht mehr rentabel sind, stellen heute eines der markantesten Symbole der Arbeitsteilung zwischen Nord und Süd dar.

Im Rohstoffbereich sind Produzenten und Entwicklungsländer einerseits, Konsumenten und Industriestaaten anderseits indessen nicht identisch. Vielmehr ist der . grösste Teil der Staaten gleichzeitig Verbraucher und Produzent oder aber Importeur und Exporteur von Rohstoffen. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass auf diesem Sektor individuelle oder bilaterale Massnahmen meistens nur von begrenzter Tragweite sind. Sollen diese wirksam sein, müssen sie von der internationalen Gemeinschaft als Ganzes oder wenigstens unter Beteiligung der wichtigsten Handelspartner - seien es Produzenten oder Konsumenten - koordiniert durchgeführt werden.

Es bestehen gegenwärtig eine Anzahl von internationalen Preisstabilisierungsabkommen. Die Schweiz ist Mitglied der Abkommen über Weizen (es wird zurzeit neu ausgehandelt), Kakao und Kaffee. 14> Die übrigen Abkommen betreffen Zukker, Zinn und Olivenöl.

Im Frühjahr 1976 hat die UNCTAD in Nairobi die Durchführung des integrierten Rohstoff programmes beschlossen. Es handelt sich dabei um ein ehrgeiziges Unternehmen. Dessen Ziel ist es, einerseits die Märkte zu stabilisieren, insbesondere durch den Abschluss langfristiger internationaler Abkommen zwischen Produzenten und Konsumenten für ungefähr 20 wichtige Rohstoffe 15 '; anderseits soll ein Finanzmechanismus - der Gemeinsame Fonds ~ geschaffen werden, der die Finanzierung von Massnahmen zur Stabilisierung,der Rohstoffmärkte erleichtern würde.

Im Vordergrund steht dabei namentlich die Errichtung von Ausgleichslagern, welche die Preisschwankungen in vernünftigen Grenzen zu halten hätten.

Die Schätzungen der Kosten des Gemeinsamen Fonds, die im Falle seiner Errichtung von den Produzenten und Konsumenten zu tragen wären, gehen stark auseinander. Sie hängen von der Struktur des Fonds und der Anzahl der davon erfassten Produkte ab. Die meistgenannten Zahlen schwanken zwischen 2 und 4 Milliarden Dollar, wovon lediglich ein Teil von den Mitgliedstaaten zur Verfugung gestellt, der Rest
durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufgebracht würde, eventuell mit staatlicher Garantie.

Die Schweiz nimmt an den Arbeiten über den Gemeinsamen Fonds aktiv teil. Die Verhandlungen kommen, namentlich wegen der äusserst komplexen Natur der Probleme, nur langsam voran und mussten infolge schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten sowie wegen der Ungewissheit bezüglich seiner Schaffung sogar w> Weizen: BB1 1971 I 1316; Kaffee: BB11 1976 II 615; Kakao: BEI 1976 I 935.

i 5 ' Es handelt sich namentlich um folgende Produkte: Bananen, Bauxit, tropische Hölzer, Kakao*, Kaffee*, Kautschuk. Baumwolle und Baumwollfasern, Kupfer, Zinn*, Hartfasern und Hartfaserprodukte, Pflanzenöl, eingeschlossen Olivenöl* und ölhaltige Früchte, Jute und Juteprodukte, Mangan, Eisenerz, Phosphat, Zucker, Tee und Fleisch.

* Für diese Produkte bestehen bereits Abkommen.

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mehrmals unterbrochen werden. Die strittigen Fragen betreffen vornehmlich die von den Regierungen zu leistenden Beiträge, die Finanzierung aus den Mitteln des Fonds von Stabilisierungsmassnahmen ausserhalb von Ausgleichslagern wichtigstes Stabilisierungsinstrument - sowie das Beschlussfassungsverfahren der leitenden Organe des Fonds.

Wie die anderen Industriestaaten befürwortet die Schweiz einen derartigen Fonds, allerdings unter der Voraussetzung, dass er als finanziell und wirtschaftlich lebensfähige Institution konzipiert wird.

Unser Interesse am Rohstoffproblem ist ein doppeltes. Einerseits sind wir an Verhältnissen interessiert, die unsere Bedürfnisse nach einer sicheren und regelmässigen Versorgung zu befriedigen vermögen. Anderseits wollen wir uns an der Verwirklichung von Massnahmen beteiligen, die geeignet sind, den Entwicklungsländern sichere Absatzmöglichkeiten und -bedingungen zu garantieren.

Ein wirklicher Dialog zwischen Rohstoffproduzenten und -konsumenten sollte aber auch ausserhalb internationaler Stabilisierungsabkommen und eines Gemeinsamen Fonds stattfinden. Die von der Schweiz in der internationalen Kakaoorganisation kürzlich angeregte Schaffung einer Konsultativgruppe über die Weltkakaowirtschaft, bestehend aus Spezialisten aus privatwirtschaftlichen Kreisen sowie Regierungsvertretern der Produzenten- und Konsumentenländer, geht in Richtung der Vertiefung dieses Dialogs.

Dank des Rahmenkredites sollen wir die Verpflichtungen, sei es in Form von Zahlungen oder Garantien, übernehmen können, die im Hinblick auf unsere Beteiligung am Gemeinsamen Fonds erforderlich sind. Ferner soll er uns ermöglichen, bestehenden oder künftigen Produkteabkommen, je nach unserer Interessenlage, während der Laufzeit des Rahmenkredites beizutreten oder allfällige andere bilaterale oder multilaterale Massnahmen zur Verbesserung der Marktverhältnisse für bestimmte Produkte, die für die Entwicklungsländer besonders bedeutsam sind, zu ergreifen. Wir schätzen den hierfür benötigten Betrag im gegenwärtigen Zeitpunkt auf insgesamt ungefähr 25 Millionen Franken.

Es ist schwierig, die juristische Form der vorgesehenen Massnahmen im voraus zu bestimmen. Falls letztere den Beitritt der Schweiz zu internationalen Organisationen bedingen sollten, würden wir Ihnen die Angelegenheit nach Artikel 89 Absatz 3
der Bundesverfassung unterbreiten.

Ein Problem besonderer Art, das wir an dieser Stelle erwähnen möchten, stellt der Weizen dar. Das internationale Weizenabkommen vom Jahre 1971 - bei dem die Schweiz Vertragspartei ist - enthält eine Konvention über Nahrungsmittelhilfe, der unser Land ebenfalls angehört. Über ein neues Abkommen, wiederum begleitet von einer Konvention über Nahrungsmittelhilfe, wird zurzeit verhandelt; es dürfte am 1. Juli 1979 in Kraft treten. Sofern die Schweiz ihm beitritt, könnte der Anteil des Bundes an den allfälligen Kosten eines darin vorgesehenen Stabilisierungsmechanismus aus dem vorliegenden Rahmenkredit finanziert werden. Hingegen würden die künftigen Ausgaben für Nahrungsmittelhilfe dem Rahmenkredit für die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe belastet (dazu wird Ihnen nächstens eine Botschaft unterbreitet werden).

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Handelsförderung

Die Handelsförderung bildet einen wichtigen Bestandteil der wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit. Sie ist in der Tat für den Ausbau einer Exportindustrie unentbehrlich. Diese ist - wie wir oben gesehen haben - für die wirtschaftliche Entwicklung von vitaler Bedeutung. Sie wirkt als treibende Kraft für die Diversifizierung der Produktion und trägt zur Erhöhung der Exporterlöse bei.

Der Abbau der tarifarischen und nichttarifarischen Zollschranken auf präferentieller Basis (z. B. das allgemeine Präferenzensystem) oder aufgrund der Meistbegünstigungsklausel eröffnet den Entwicklungsländern neue Exportmöglichkeiten.

Derartige Massnahmen allein führen indessen noch nicht zu einer Ausweitung der Handelsströme. Eine solche erfordert ein Mehreres, insbesondere die Beherrschung der Kommerzialisierungsmethoden (Werbung, Einrichtung des «service après-vente», Herstellung und Aufrechterhaltung kommerzieller Kontakte, Anwendung von vorherrschenden Bankusanzen, Anpassung der Zoll- und Transitbestimmungen usw.).

Auf multilateraler Ebene führen das Internationale Handelszentrum UNCTAD/ GATT (IHZ) sowie, in beschränkterem Umfang, die UNCTAD Programme der technischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Exportförderung zugunsten der Entwicklungsländer durch. Unser Beitrag an die Tätigkeiten des IHZ hat sich bisher in eher bescheidenen Grenzen gehalten. In Anbetracht der Bedeutung, die wir der Handelsförderung schon immer beigemessen haben, beabsichtigen wir, diesen Beitrag nach und nach zu erhöhen. Wie bisher werden die betreffenden Ausgaben zUlasten der Kredite für technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe gehen.

Im bilateralen Bereich besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Deviseneinnahmen der Entwicklungsländer aus ihrem Handelsaustausch zu steigern. Mit den vom Eidgenössischen Politischen Departement verwalteten Krediten für technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe bestreiten wir die Kosten für technische Hilfe in den Entwicklungsländern (Vorinyestitions-Studien, Ausbildungskurse, namentlich über Probleme des «Marketing») oder in der Schweiz (Durchführung von Seminarien für künftige Führungskräfte auf den Gebieten des An- und Verkaufs, der Vermarktung und der Unternehmenswerbung in Entwicklungsländern). Mit dem beantragten Rahmenkredit werden wir ergänzende Massnahmen im
Handelssektor zugunsten der Entwicklungsländer, und zwar in der Schweiz wie in der Dritten Welt, ergreifen können (z. B. Marktstudien, Schaffung von Kontakten zwischen Importeuren und Exporteuren, Durchführung von Ausstellungen, Unterstützung von Organisationen, die Produkte aus Entwicklungsländern verkaufen). Zudem können ebenfalls Schritte unternommen werden, um den Warenaustausch der Entwicklungsländer unter sich zu erhöhen. Man kann sich fragen, ob zu einem Zeitpunkt, in dem die schweizerische Industrie gewissen Schwierigkeiten begegnet, eine Handelspolitik gerechtfertigt ist, die nicht nur den freien Zugang der Produkte aus den Entwicklungsländern zu unserem Markt gewährleistet, sondern darüber hinaus entsprechende Einfuhren fördert. Diese Frage muss bejaht werden; denn die Statistiken zeigen, dass die Exporte der Schweiz wie jene der übrigen westlichen Industriestaaten nach den Entwicklungsländern rascher angestiegen sind als die Importe aus den letzteren. Es ist offen409

sichtlich, dass die daraus entstehende Situation nicht unbeschränkt andauern kann. Die Entwicklungsländer sind darauf angewiesen, durch ihre Ausfuhren die Devisen zu beschaffen, die sie zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen im Ausland benötigen.

Die Verpflichtungen bezüglich der Finanzierung von Massnahmen im Bereich der Handelsförderung dürften 10 Millionen Franken nicht übersteigen.

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Mischkredite

Damit sie ihre wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben können, sind die Länder der Dritten Welt auf eine ganze Reihe von Gütern angewiesen, die sie nur im Ausland beschaffen können. Viele Entwicklungsländer sind oft gezwungen, Importe zurückzustellen, weil es ihnen entweder an Devisen mangelt oder die Kosten kommerzieller Kredite zu hoch sind. Zudem kann der potentielle Exporteur am Geschäftsabschluss gehindert werden, weil er selbst oder seine Bank die für das Entwicklungsland tragbaren Kreditbedingungen nicht ohne weiteres zugestehen kann.

Neben der Exportrisikogarantie, der Investitionsrisikogarantie und den Investitionsschutzabkommen stellen die Mischkredite ein weiteres Mittel dar, das die Förderung des Einsatzes privater Ressourcen zu Entwicklungszwecken zum Ziele hat. Sie entsprechen ganz bestimmten Bedürfnissen, tragen den finanziellen Möglichkeiten der Entwicklungsländer Rechnung und gestatten gleichzeitig schweizerischen Exporteuren, Vertragsabschlüsse auf kommerzieller Basis zu tätigen.

Ein Mischkredit ist ein an schweizerische Exporte von Gütern und Dienstleistungen gebundener Finanzierungskredit, der vom Bund (öffentlicher Anteil) und von einem Bankenkonsortium (Bankenanteil) gemeinsam erteilt wird. Die vom Bund finanzierte Tranche entspricht einem öffentlichen Darlehen zu Vorzugsbedingungen, während die Bankentranche einem Kredit zu Marktkonditionen gleichkommt. Auf diese Art ergibt sich ein Kredit zu einem mittleren Zinssatz und verlängerten Rückzahlungsfristen, welcher der Lage des importierenden Entwicklungslandes besser gerecht wird. 16) Die Mischkredite sind bestimmt für die Lieferung von Ausrüstungsgütern und Dienstleistungen im Rahmen von Projekten und Investitionsprogrammen von Ländern, die weiter fortgeschritten sind oder deren industrieller Sektor bereits entwickelt ist. Wir untersuchen von Fall zu Fall die Auswirkungen dieser Projekte und Programme auf die Entwicklung der Empfängerstaaten. Wenn ein Mischkredit nicht der Durchführung eines Projektes dient, sind die in Frage kommenden Güter in der Regel sehr unterschiedlicher Art und beschlagen sowohl in der Schweiz wie im Kreditnehmerland eine Vielzahl von Unternehmen. Der Entwicklungseffekt eines solchen Programmkredites lässt sich auf den ersten Blick nur schwer bestimmen und die unmittelbaren Auswirkungen sind kaum
zu beziffern.

Weil er eine wirtschaftliche Breitenwirkung erzeugt, ist sein Einfluss auf das wirtschaftliche und soziale Gefüge in der Regel jedoch beachtlich.

i«) Die Mischkredite an Pakistan (1970) und Indien (1966 und 1973) wurden zur Hälfte vom Bund und von den Banken finanziert. Im Falle Tunesiens war das Verhältnis

25:75.

410

Aus den Merkmalen dieser Kredite folgt, dass die Bewertungskriterien eher allgemeiner Natur sein müssen. So sind namentlich die Beurteilung der Entwicklungspolitik des begünstigten Landes und die Effizienz seiner Führung von Bedeutung.

Der Entwicklungseffekt eines Mischkredits kann indessen noch erhöht werden, beispielsweise durch die Aufstellung einer selektiven Liste der zur Einfuhr zugelassenen Ausrüstungsgüter sowie durch eine Auslese dieser Güter aufgrund ihres Nutzens im Verhältnis zu den als prioritär betrachteten Produktionssektoren.

Die Mehrheit unserer entwickelten Partnerländer gewähren ebenfalls derartige Kredite an Entwicklungsländer. Die in diesem Bereich von der Schweiz befolgte Praxis fügt sich also in ein Netz bilateraler Massnahmen ein, die in ihrer Gesamtheit zu einer Konkurrenzsituation führen. Da ,die Initiative für die Eröffnung eines Mischkredites beim Entwicklungsland liegt, kann sich dieses für eine bestimmte Finanzierung an verschiedene potentielle Lieferstaaten wenden. Indem es unter diesen auswählt, kann es das Gesetz des freien Wettbewerbs spielen lassen, wobei es die Auswahl nach seinen eigenen Kriterien trifft.

Für die schweizerische Wirtschaft besteht also ein ausgesprochenes Interesse an der Gewährung derartiger Kredite, kann sie sich doch so direkt am Wettbewerb beteiligen, der mis dieser Form der Entwicklungsfinanzierung entsteht. Auch die Entwicklungsländer zeigen grosses Interesse an dieser Art von Krediten, weil sie damit einen grösseren Umfang an Finanzmitteln erhalten. Aus diesem Grund wie auch mit Blick auf die schweizerische Wirtschaft haben wir bereits in der Vergangenheit Mischkredite an Entwicklungsländer vergeben (vgl. Botschaft vom 27. September 1976 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern). Wir beabsichtigen, während der in der vorliegenden Botschaft berücksichtigten Zeitperiode weitere fünf bis sechs Mischkredite mit Bundesanteilen von insgesamt ungefähr 110 Millionen Franken zu gewähren.

444

Industrialisierung

Wie wir bereits erwähnt haben, ist die Industrialisierung, wie die Landwirtschaft, eine der Hauptkomponenten der wirtschaftlichen Entwicklung.

Aufgrund unserer Wirtschaftsstrukturen sind die Privatunternehmen die wichtigsten Träger unserer Bestrebungen zur Industrialisierung der Entwicklungsländer.

Der Bund kann seinerseits die Beteiligung der Privatwirtschaft an den Anstrengungen dieser Länder, leistungsfähige und ihren ökonomischen und sozialen Strukturen angepasste Industrien zu schaffen - namentlich zur Verarbeitung einheimischer Rohstoffe - fordern. So kann er Rahmenbedingungen schaffen, die das Investitionsklima verbessern. Geeignete Mittel hierzu sind z. B. der Abschluss von bilateralen und multilateralen Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen sowie die Gewährung der Investitionsrisikogarantie. In diesem Sinne nimmt die Schweiz an den Arbeiten internationaler Organisationen teil, die zum Ziele haben, die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen für ausländische Investitionen näher zu umschreiben und zu verbessern (Kommission für transnationale Gesellschaften der UNO, UNCTAD-Verhandlungen über einen Verhaltenskodex für den Technologietransfer).

411

Die Schweiz beteiligt sich ferner an den Arbeiten der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), die sich innerhalb des UNOSystems speziell mit den Problemen der industriellen Zusammenarbeit befasst (technische Expertisen, Kaderausbildung, Hilfe bei der Errichtung geeigneter Institutionen usw.). Ausserdem trägt die UNIDO unmittelbar zum Einsatz der Privatwirtschaft im Industrialisierungsprozess bei, indem sie die Kontakte zwischen den Verantwortlichen in den Entwicklungsländern und den bestehenden oder potentiellen Partnern in den Industriestaaten auf dem Gebiet der industriellen Entwicklung erleichtert, namentlich im Bereich der Investitionen.

Die UNIDO spielt diesbezüglich gewissermassen die Rolle einer Projektbörse.

Die Entwicklungsländer unterbreiten ihr Projekte, die sie an die Industriestaaten weiterleitet. Es liegt im Interesse unserer Unternehmen, für die Verwirklichung solcher Projekte mit Firmen anderer Länder in Wettbewerb treten zu können.

In diesem Zusammenhang steht die Errichtung von Büros in den Industriestaaten zur Förderung der industriellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern.

Diese Büros sollen die direkten Kontakte zwischen den Privatunternehmen in den Industriestaaten und den Promotern von Industrieprojekten in den Ländern der Dritten Welt durch eine enge Kooperation auf Gebieten wie Technologietransfer, Ausbildung, Investitionen und «joint ventures» verbessern. Hauptziel ist dabei, das Interesse der Privatindustrie in den Industriestaaten zu wecken, indem ihr die Gelegenheit geboten wird, sich über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren und sich nötigenfalls beraten zu lassen.

Die schweizerischen Behörden haben auf Wunsch der UNIDO zusammen mit dieser Organisation ein derartiges Büro in Zürich errichtet. Es wird in erster Linie kleineren und mittleren Betrieben zugute kommen, die oft über kein internationales Kontaktnetz verfügen.

Ferner beabsichtigen wir, die Vorbereitung und Durchführung von Investitionen, die für die Industrialisierung der Entwicklungsländer besonders wichtig sind, in Übereinstimmung mit dem Gesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe direkt oder über internationale Organisationen finanziell zu unterstützen. Entsprechende vorbereitende Studien können, auch wenn sie an sich
verhältnismässig wenig kosten, den Ausgangspunkt von oft bedeutenden Investitionen bilden, die. ihrerseits neue Vorhaben auszulösen vermögen.

Die zuständigen Departemente sind im übrigen daran, die Möglichkeiten der Gründung einer schweizerischen Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung zu prüfen, die sich an der Vorbereitung, Finanzierung und Führung von Produktionsbetrieben in Entwicklungsländern in den Bereichen der Landwirtschaft, der Agroindustrie, der Industrie und der Dienstleistungen beteiligen würde. Diesbezüglich weiter nötwendige Studien können dem beantragten Rahmenkredit belastet werden.

Abgesehen von den Tätigkeiten auf dem Gebiet der technischen Zusammenarbeit, namentlich jenen, die in Kooperation mit der UNIDO durchgeführt werden und die zulasten des Kredits für technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe gehen, beabsichtigen wir, einen Betrag von rund 5 Millionen Franken für die Förderung 412

der Teilnahme schweizerischer Unternehmen an der Industrialisierung der Dritten Welt aufzuwenden.

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Massnahmen zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Entwicklungsländer

Das Zahlungsbilanzdefizit zahlreicher Entwicklungsländer nimmt Ausmasse an, die diese Länder oft zwingen, ihre Einfuhren zu beschränken. Dies führt oft zu einer Senkung der Staatsausgaben, namentlich im sozialen Bereich und bei den Investitionen, was direkte Rückwirkungen auf den Lebensstandard der ärmsten Bevölkerungsschichten sowie auf die Entwicklung der betreffenden Länder hat.

Das Auslandkapital, das diese Länder langfristig und zu Vorzugsbedingungen erhalten, reicht für die Befriedigung ihrer Gründbedürfnisse nicht aus. Sie nehmen daher immer häufiger Zuflucht zu kurzfristigen Massnahmen zur Stützung ihrer Zahlungsbilanz und zu Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten. Dank diesen Lösungen auf Zeit war es bisher möglich, zu verhindern, dass die defizitären Entwicklungsländer eine zu restriktive Einfuhrpolitik betreiben, welche die deflationären Tendenzen in der Weltwirtschaft noch verstärkt hätte.

Anderseits führen diese temporären Lösungen für eine Reihe von Entwicklungsländern zu einem immer schwerer ins Gewicht fallenden Schuldendienst.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zugunsten dieser Länder spezifische Massnahmen zur Stützung ihrer Zahlungsbilanz zu günstigen Bedingungen zu ergreifen.

Zu diesem Zwecke sind namentlich im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) besondere Finanzierungsmöglichkeiten sowie Zinsverbilligungsmechanismen geschaffen bzw. wirksamer gestaltet worden.

Als Land, das stark vom internationalen Güter- und Dienstleistungsaustausch abhängig ist, hat die Schweiz ein ausgeprägtes Interesse, sich an internationalen Aktionen zu beteiligen, die darauf abzielen, die Einfuhrkapazität der Entwicklungsländer wiederherzustellen oder zu erhöhen. Indem die Schweiz dazu beiträgt, die Zahlungsbilanzschwierigkeiten der Entwicklungsländer zu überwinden, hilft sie ihnen, allzu restriktive Massnahmen, die ihre Entwicklungspläne und ihre Sozialpolitik in Frage stellen würden, zu vermeiden. Deshalb ist diese Art von Aktionen ebenfalls Bestandteil unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, wie sie im Gesetz umschrieben ist.

Die Beteiligung der Schweiz an den internationalen Massnahmen zur Stützung der Zahlungsbilanzen von defizitären Industrie- und Entwicklungsländern erfolgt in der Hauptsache über Kredite der Nationalbank, die das Budget des Bundes nicht
belasten. 17> So hat sich die SNB im Jahre 1976 mit rund 700 Millionen Franken an der Ölfazilität des Internationalen Währungsfonds beteiligt. Sie hat sich zudem im Jahre 1977 verpflichtet, mit höchstens 650 Millionen Sonderziehungsrechten an die zusätzliche Kreditfazilität des IWF, die sogenannte «Witteveen-Fazilität», beizutragen.

17

> Der Bund kann diese Darlehen ganz oder teilweise garantieren. Bundesbeschluss vom 20. März 1975 über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen; AS 1975 1293.

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Neben den Krediten der SNB beteiligt sich der Bund im Rahmen seiner Politik der Entwicklungszusammenarbeit an internationalen Zinsverbilligungsaktionen, mit denen die Bedingungen der Stützungskredite den wirtschaftlichen Möglichkeiten und den Bedürfnissen der benachteiligten Entwicklungsländer angepasst werden. 1975/76 hat er insgesamt 25 Millionen Franken an den Zinsverbilligungsfonds der Ölfazilität des IWF18' sowie an den sogenannten «Dritten Schalter» der Weltbank beigetragen. Dank diesen Sonderfonds erhielten die durch die weltwirtschaftlichen Ereignisse der Jahre 1974/75 am stärksten betroffenen Entwicklungsländer Zuschüsse, mit denen die Zinssätze auf den Krediten der Ölfazilität und auf gewissen Darlehen der Weltbank gesenkt werden konnten.

Ferner sind die Massnahmen zur Ausgleichsfinanzierung der Verluste bei Exporteinnahmen, die wegen Preisfluktuationen von Rohstoffen entstehen, zu erwähnen. Es handelt sich um die entsprechende Fazilität des IWF und das sogenannte «Stabex »-System, das die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Rahmen des Abkommens von Lomé für die assoziierten Entwicklungsländer in Kraft gesetzt hat. Die Schweiz beteiligt sich nicht an diesen Massnahmen, die in Institutionen zur Anwendung gelangen, denen sie nicht angehört, anerkennt aber deren Bedeutung.

Das Entwicklungskomitee des IWF und der Weltbank untersucht gegenwärtig die Möglichkeit der Einführung eines weltweiten Mechanismus zur Stabilisierung der Exporteinnahmen. Der Rahmenkredit wird es dem Bund erlauben, sich gegebenenfalls an dessen Durchführung zu beteiligen.

Ferner werden auf internationaler Ebene zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Zahlungsbilanzen, namentlich durch Zinsverbilligungen, diskutiert oder ausgehandelt. Aus den oben dargelegten Gründen muss der Bund in der Lage sein, sich weiterhin an solchen Aktionen zu beteiligen. Den dafür benötigten Betrag schätzen wir auf ungefähr 50 Millionen Franken.

5

Dauer und Umfang des Rahmenkredites

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, soll der Rahmenkredit eine Mindestdauer von 2 !/2 Jahren, d.h. vom I.Januar 1979 bis 30. Juni 1981, aufweisen.

Der Umfang von 200 Millionen Franken entspricht den Verpflichtungen, die wir für die vorne beschriebenen Massnahmen einzugehen beabsichtigen. Der Rahmenkredit wird es dem Bundesrat ermöglichen, eine aktive Politik der wirtschafts- und handelspolitischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zu führen und damit einen weiteren wesentlichen Teil der schweizerischen Entwicklungspolitik glaubwürdig zu gestalten. Bei der Festsetzung des Betrages haben wir auch den bisher vom Parlament bewilligten Rahmenkrediten Rechnung getragen, insbesondere dem von 735 Millionen Franken für technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe.

i») Für nähere Einzelheiten vgl. Botschaft vom 15. Oktober 1975 über eine Beteiligung an den Zinsverbüligungsfonds der Weltbank und des internationalen Währungsfonds; BEI 1975 II 1686.

414

Die Erfordernisse der Entwicklungspolitik wie der Aussenwirtschaftspolitik, vor allem im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der schweizerischen Wirtschaft, würden sicherlich einen höheren Beitrag rechtfertigen. Mit Rücksicht auf die Bundesfinanzen und die Bedürfnisse unserer benachteiligten Gebiete haben wir in Berücksichtigung von Artikel 9 Absatz 2 des Entwicklungszusammenarbeitsgesetzes den Kredit auf 200 Millionen Franken beschränkt.

Wir haben Sie in der Botschaft vom 23. November 1977 über die geringen Leistungen der Schweiz auf dem Gebiete der öffentlichen Entwicklungshilfe informiert. 1977 betrugen unsere Aufwendungen 0,19 Prozent unseres Bruttosozialproduktes. Die Schweiz steht damit in den letzten Rängen aller DAC-Staaten. Der Kredit von 200 Millionen ist notwendig, um Verpflichtungen eingehen zu können, die es der Schweiz gestatten, einen Schritt in Richtung des in den Regierungsrichtlinien für die Legislaturperiode 1975-1979 19) festgelegten Zieles - nämlich die Annäherung an den Durchschnitt der DAC-Staaten (1977: 0,31%) - zu tun. Der beantragte Kredit sowie weitere bewilligte Kredite für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sollten uns ermöglichen, bis 1981 die öffentliche Entwicklungshilfe auf ungefähr 0,25 Prozent des Bruttosozialproduktes zu steigern. Unabhängig von der Bedeutung, die man der Festsetzung internationaler Ziele beimisst, liegt eine Erhöhung der öffentlichen Hilfe nicht nur im Interesse der Entwicklungsländer, sondern langfristig auch in unserem eigenen.

Die vorgängig erwähnten Unsicherheiten (Ziff. 44) sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Angaben über die Aufteilung des Rahrnenkredites auf die verschiedenen Tätigkeitsgebiete nur im Sinne von Grössenordnungen möglich sind.

Unter diesem Vorbehalt lautet die vorgesehene Verwendung zusammenfassend wie folgt: Rohstoffe 25 Millionen; Mischkredite 110 Millionen; Handelsförderung 10 Millionen; Förderung der Industrialisierung 5 Millionen; Zahlungsbilanzhilfe 50 Millionen Franken. Es ist selbstverständlich, dass bei einer nicht vollständigen Ausnützung des Kredites innerhalb von 2 'A Jahren seine Laufzeit automatisch verlängert würde.

6

Gesetzmässigkeit und Gesetzesform

Der Ihnen vorgeschlagene Bundesbeschluss stützt sich auf Artikel 9 Absatz l des Bundesgesetzes über internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, wonach die Mittel für die Entwicklungszusarrimenarbeit in Form von Rahmenkrediten für jeweils mehrere Jahre bewilligt werden müsseil. Der für eine Dauer von 2 'A Jahren vorgesehene Rahmenkredit trägt diesen Anforderungen Rechnung.

Da es sich um einen Finanzbeschluss handelt, ist nach Artikel 8 des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23. März 1962 die Form des einfachen Bundesbeschlusses vorgeschrieben. Er untersteht nicht dem Referendum.

i«) Vgl. BB1 1976 I 442 415

7

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen wurden in Kapitel 4 erwähnt. Die Ausgaben aufgrund des Rahmenkredites werden sich auf fünf bis sieben Jahre erstrecken und Ihnen jährlich als ZahJungskredite im Rahmen des Staatsvoranschlages beantragt werden.

Der Bundesbeschluss hat keine Erhöhung des Personalbestandes zur Folge.

8

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Der vorgeschlagene Bundesbeschluss hat keine Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

416

Bundesbeschluss über die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

Entwurf

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 9 Absatz l des Bundesgesetzes vom 19. März 1976 D über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 9. August 1978 -\ beschliesst:

Art. l 1 Für die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird ein Rahmenkredit von 200 Millionen Franken für eine Mindestdauer von 2 !/2 Jahren bewilligt.

Die Kreditperiode beginnt am I.Januar 1979.

2 Die jährlichen Zahlungskredite werden in den Voranschlag aufgenommen.

Art. 2 Die Mittel können als Schenkungen und Darlehen für die Finanzierung von Massnahmen nach Artikel 6 Absatz l des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe verwendet werden. Die Mischkredite beziehen sich auf Artikel 6 Absatz l Buchstabe b, während alle übrigen Massnahmen unter dessen Buchstaben c, d und e fallen.

Art. 3 1 Dieser Beschluss ist nicht allgemeinverbindlich ; er untersteht nicht dem Referendum.

2 Er tritt am 1. Januar 1979 in Kraft.

n SR 974.0 2) BB1 1978 II 385 18 Bundesblatt. 130.Jahrg. Bd. II

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Botschaft über die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit vom 9. August 1978

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1978

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36

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05.09.1978

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385-417

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