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Botschaft des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die Werthung fremder Geldsorten.

(Vom 2. Dezember 1870.)

Tit. l Die Geldkrise, welche in den Monaten Juli und August 1870 über die Schweiz hereingebrochen ist, hat ausnahmsweise Massnahmen noth-

wendig gemacht und auss klarste die Abhängigkeit dargethan, in welche.:

zur Zeit unser Handel und unsere Gewerbe hinsichtlich ihrer Umlaussmittel sich befinden. Kaum machte sich diese Krise fühlbar , so wandte man sich von allen Seiten an die Bnndesbehorde .und verlangte von ihr Hilfe und Beistand. Jnmitten der allgemeinen Bestürzung machten

sich eine Menge Vorschläge geltend , welche alle dem Uebel Abhilfe

bringen wollten , von denen aber mehrere dasselbe unzweifelhast verschlimmert und zugleich den Kredit der Eidgenossenschaft gefährdet hätten.

Bei dieser Sachlage glaubte der Bundesrath, zum ersten Male von einer Besugniss Gebranch machen zu sollen , welche ihm der Art. 9 des

eidgenossischen Münzgesezes vom 7. Mai 1850 einräumt.

Dieser Artikel lautet wie folgt:

,,Den öffentlichen Kassen der Eidgenossenschaft ist es untersagt, andere als gesezliche Münzsorten an Zahlung zu nehmen. Rur in ausserordentlichen Zeiten , wo infolge eines hohen Wechselkurses Mangel an gesezlichen Münden eintreten konnte, sollen diese Kassen ermächtigt sein..

^44 andere Münzten anzunehmen. Zu dem Ende hat der Bundesrath, sobald und sur so lange als der dem französischen Münzsuss entsprechende Wechselkurs ein Halbprozent und mehr über dem Silberpari steht , für die in anderer als der geglichen Währung geprägten Münzsorten einen ihrem Gehalte entsprechenden Tarif auszustellen . wonach sie bei den öffentlichen fassen der Eidgenossenschaft anzunehmen sind.^ .

Durch seine Beschlüsse vom 30. Jnli nnd 10. Angnst 1870 werthete der Bundesrath die englischen Sovereigns und die Dollars der Vereinigten Staaten von Amerika. Während von leztern nur eine kleine Zahl sieh der Schweiz ^zuwandte, stromten vom englischen Gold bald grosse Mengen in.^ Land und wurd.en ein werthvolles Ersazmittel für

den Geldumlaus des Landes.

Der Bundesrath wil.. hier nicht aus . eine Erörterung der Frage eintreten, ob die vom ihm angenommene Werthung die mogliehst beste sei, oder ob die Anwendung und Aussührung der fraglichen Massnahme das gewesen , ^..as sie hätte sein sollen. Er beschränkt sich daraus , zu erhärten , dass dies.^ erste , unter der Herrsehast des jezigen Münzs.^ftems gemachte Ersahrung den Beweis liesert, aus weleh^ richtiger Grundlage

der Art. 9 beruht und wie richtig der Gesezgeber von l 850 gedaeht

hat, indem er troz des anscheinenden Widerspruch^ mit der Gesammtheit des von ihm zum Gese^ erhobenen Systems diese Bestimmung annahm.

Während indessen die Bestimmung an und sur sieh als ni^lich und praktisch erkannt worden , hat die Ersahrung ihr relatives Ungenügen nachgewiesen. Die Bundesversammlung weiss , .vas seit der Werthnn^

des englischen Goldes Vorgegangen ist. Dieses Geld wurde Ansangs

mit Vergnügen und Dank vom schweizerischen Handel und den Bankaustalten angeuommen.

Um das Bubliknm hinsichtlich der Folgen, welche die Annahme des ge^vertheteu Goldes nach sieh ziehen konnte, vollständig zu beruhigen , hatte der Bundesrath keinen Anstand genommen , die Zusichernng zu geben , dass vor dem Widerrus der Werthung die Bundeskasse die Dollars und Sovereigns zur aufgestellten Werthnng einlosen werde. Es bestand also sur die Jnhaber dieser Müuzen keinerlei Gesahr irgend welchen Verlustes. Riehts desto weniger machten sich, sobald die Geldkrise etwas nachgelassen , einige Kreditanstalten , und unter denselben gerade diejenigen , welche am lantesten besondere Massnahmen verlangt hatten, kein Gewissen daraus, dem Umlaus der Sovereigns vorerst verdekt, sodann ossen entgegenzutreten und ihn. Hindernisse jeder Art

in den Weg zu stellen. Rieht zufrieden damit, sieh gegen jeden Verlnst ge-

sichert zu wissen, ergaben sieh gewisse Banken dem unverholensten Agiotage. Sie lahmten und fälschten nach Möglichkeit eine in ihrem Jnteresse getroffene Massnahme. Sie verständigten sieh unter einander, um das englische Gold wieder in die eidgenössische Kasse ^u leiten und

945 .suchten einen wenig ehrenhaften^ Gewinn durch die Verwikluugen zu ^exzielen, die sie ohne stichhaltigen Grund hervorgerufen haben.

Unter solchen Umständen musste man sieh natürlich fragen , ob der.

Art. 9 des eidgenossischen Münzgese^es nicht geändert werden müsse und ob es nicht am Blaze sei, die Bestimmung auszustellen , dass die Werthnng der fremden Münzen in den durch diesen Artikel vorgesehenen Fällen nicht nur für die offentlichen Kassen der Eidgenossenschaft, sondern sür A l l e verbindlich sei. Mehrere Kantonsregierungen haben sich in diesem Sinne ausgesprochen, und der Wunsch, den selbstsüchtigen Widerstand gegen die vom Bundesrathe beschlossenen Massnahmen zu brechen, ging selbst so weit, dass eine ausserordentliche Einberufung der ..Bundesversammlung perlangt worden ist.

Der Bundesrath hat nicht geglaubt, zu dieser Einberufung Hand bieten zu sollen. Er findet aber , dass die gesezgebenden Räthe jezt die gewonnene Ersahrung verwerten sollen.

^ach Einholung des Gutachtens von Fachmännern gibt er sich die Ehre , den Entwurf einer Abänderung des Gesezes vom 7. Mai 18.^.0 vorzulegen.

Der Art. 9 dieses Gesezes sieht eine zeitweilige Ausnahme vom allgemeinen, durch das Gesez von 1850 angenommene^ System vor.

Die Münzeinheit nach dem franzosischen Münzsuss bleibt die Regel, uud

es kann sich in keiner Weise darum handeln , bleibend neben dieser Einheit aus andern Grundlagen beruhende Münzsorten anzunehmen.

^Es handelt sieh um keine bleibeude Werthung , sondern um eine Be.stimmung zum Zweke, ausnahmsweise.. Umständen zu begegnen.

Aus dieses Verhältniss zurükgeführt verträgt sich die Verfügung mit dem schweizerischen Müuzs.^stem u..d vervollständigt dasselbe. Sie bedarf aber selbst der Vervollständigung , um ihre volle Wirkung zur Geltung zu bringen: sie muss die Schranken übersehreiten, die ihr durch das Gesez von 1850 gesezt sind.

Damit der Rachschub von gemünzten Umlaussmitteln , den die Schweiz einem andern Müuzs.^stem als dem ihrigen in einer Krise eutnehmen mnss , wirklich die von ihm erwarteten Dienste leisten koune , muss die Werthung, welche der Bundesrath vorzunehmen berechtigt ist, nicht nur für die öffentlichen Kassen des Bundes verbindlich sein, sondern für alle Kassen, und es müssen die gewertheten Münzen auf die

Dauer ihrer Werthnng den gesezlichen Zahlungsmitteln gleich gestellt

werden.

Gegenwärtig maeht der Art. 9 die Annahme der gewertheten Münzen nur den o s f e n t l i c h e n K a s s e n der E i d g e n o s s e n s c h a f t zur Bflicht. Buchstäblich geuommen ist dieser Ausdruk nicht einmal

^46 ^us die kantonalen Staatskassen , noch ans die kantonalen Banken anwendbar. Wenn im .^ause des verliehenen Sommers die kantonalen ..fassen und Banken die Sovereigns und Dollars angenommen haben, so ist das rein mit ihrer freien Zustimmung geschehen. Seither haben ^mehrere von ihnen willkürlich und ohne vorgängige Benachrichtigung neuer.dings die gewertheten Goldmünzen zurükgewiesen , die sie während einiger Zeit angenommen hatten. Solche Entschliessungen erzeugen naturlieh Misstrauen in der Bevölkerung, rufen Abusivkursen und treten einer Heilsamen Wirkung der vom Bundesrath beschlossenen Werthnng hemmend entgegen.

Rebftdem darf nicht übersehen ....erden, dass die Fassung des Art. ..)

^ncht mel.^r in. Eiuklange ^teht mit unserem jezigen Münzwesen.

Der Artikel sieht den Fall vor, ,.wo der dem sr.n.zosischen Münzsnss ent^sprechende Wechselkurs ein Halbprozent und mehr über dem Silber..,pari steht." Diese Ansdrüke konneu nur Anwendung finden bei einem Müuzs...stem , das den Silbersuss zur Grundlage hat und in dem de.x Fünfsra..ke..thaler die grobe lausende Mün^sorte bildet. Sie finden sieh selbstverständlich ausgehoben mit den Aendernngen . welche durch das Gesez vom 3l^. Januar 18^0 dasjenige vom 7. Mai 1850 erlitten hat.

Der Bundesrath hat die Ehre , bei der Bundesversammlung eine nene Fassung zu beantragen. Jndem er immerhin als allgemeine Rorm für die eidgenossischen Kassen das Verbot aufrecht hält . andere als gegliche Mün^sorten an Zahlung zu nehmen, anerkennt und bestätigt der vorgeschlagene Artikel das Recht, an.h fremde Münzen zu werthen. Der Bundesrath kann von diesem Rechte nur Gebrauch machen , ,,in ausser..

,, ordentlichen Zeiten, wo Mangel an gesezliehen Münzen eintreten sollte.^ Diese der alten Fassung des Art. 9 entnommenen ^lusdrüke erscheinen .als genügend zur Verhütung von Missbranch. Es wäre , wenn nicht überflüssig, so doeh äusserst schwierig, richtigerweise eine bestimmte Grenze zu ^iehen. Die Bundesbehorde hat zunächst ein Jnteresse, keinen Einbrueh in ihr ordentliches Mün^stem zu machen , und man mnss annehmen , dass sie einen solchen Sehritt nur im ^alle anerkannter Rothwendigkeit wagen wird.

Aus den oben entwikelten Gründen schlägt der Bundesrath vor, den ^ehluss des Art. 9 dahin abzuändern, dass die ausnahmsweise sur fremde Münzen ausgestellte Werthnug sür alle
offentliehen und Vxivatkassen aus ^ehweizergel.iet verbindlich erklärt werde.

Solche Münzen wären zeitweilig und auf die Dauer ihrer Werthung den gesezlichen Münzen gleichgestellt. Diese Gleichstellung würde indessen den Ausnahmen und Vorbehalten unterliegen, welehe der provisorische Eharakter der Werlhung mit sieh bringt. So würde insbesondere der ^ükzüg der wegen Abnuzu..^ , wozu die Eidgenossenschaft

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.hinsichtlich der s.hweizerischen Münzen verpflichtet ist (Art. 13 des^Gesezes über das Münzwesen), während diese Verpflichtung in Bezug auf die im Mün^vertrage von 1865 vorgesehenen vertragsmässigen Goldmünzen nicht besteht, anch sür die gew^rtheten Münzsorten nicht ver.bindlieh sein. Eine besondere Bestimmung^ des Entwurfes bezwekt die Feststellung dieses Verhältnisses.

Der Bundesrath empfiehlt die in Rede . stehenden Aenderungen der Aufmerksamkeit der beiden Räthe. Er ist der Ansieht, dass sie eine Lüke ausfüllen und eine weitere Gewähr sür unser Münzs.^stem bieten werden. ..^hne die aus dem internationalen Vertrag von 1865 ex...

.vachsenden Voxtheile zu verkennen, muss die Schweiz immerhin trachten, si^h von den Banden sxei zu machen, welche ihren Münzumlaus in zu grosse Abhängigkeit von der finanziellen Lage ihrer Mitkontrahenten bringen kannten. Sie muss dahin trachten, eine wenigstens vexhältnissmassige Unabhängigkeit hinsichtlieh der Goldprägung sieh zu siehern.

^ie .vird auch ohne Zweisel in nächster Zeit daranf Bedacht nehmen, in^ ihr Kreditgeldwesen eine bessere Ordnung zu bringen. Die Aenderung im Geseze von 1850, uni deren Einfuhrnng es sich heute handelt, wird ein neuer Schritt in der uämlichen Richtung sein. Die Schweiz wird in ihr ein Mittel zur Bekämpfung der Mün^krisen finden, von denen sie in Folge ihrer geographischen und Haudelsverhältnisse, so wie vermoge der geringen .Ausdehnung ihres Gebiets sich ost bedroht sehen kann.

Genehmigen .^ie, .^it., bei diesem Anlasse die erneuerte Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 2. Dezember

1870.

Jm Ramen der schweiz. Bundeskanzlei, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

^r. .^. Dubs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiel

^

948 ^esezentwurf betreffend

Abänderung des .^.lrt. .. des Bundesamtes über das eidg. Mün^ wesen, vom 7. ..^ai 1850. .

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t nach Einsieht einer Botschaft des Bundesrathes vom 2. Dezember

1870, in Abänderung des Art. .) des Bundesgesezes uber das eidg.

Münzwesen, vom 7. Mai 1850, beschliesst:

Art. 1. Den offentlichen .^asseu der Eidgenossenschaft ist es untersagt, andere als gesezliehe Münzsorten an Zahlung zu nehmen.

Jn außerordentlichen Zeiten jedoch, wo Mangel an geglichen Münzen eintreten sollte, ist der Bundesrath befngt, vorübergeheud für in anderer Währung geprägte Münzen eine ihrem eigentlichen Gehalt entsprechende Werthnng auszustellen. Diese Werbung ist sodann für alle ossentliehen und Brivatkassen aus Sch.veizergebiet verbindlich, und die so gewertheten Münden sind den gesezlichen Münzen gleich gestellt, mit Ausnahme der eventuellen Einlosnug wegen Abnn^ung. ^.^.lrt. 13

des Bündesgesezes vom 7. Mai 1850.)

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Bekanntmachung und Voll-

ziehung des gegenwärtigen Gesezes beaustragt, welches sofort in Krast

tritt.

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Bundesrathes über den Rekurs der Herren Wittwer, Wäder, .Johner u. a. in Sachen der Prämizen

(Vom 2. Dezember 1870.)

Tit.!

Durch Beschluß pom 14. Juli 1870 überwies uns der schweiprische Nationalrath eiuen Rekurs der Herren Jakob W i t t w e r , Jakob W ä b e r , Benedikt J o h n e r und Konsorten, betreffen... Beschwerde über Verfassungsverlezung in Sachen der Brammen, zur Berichterstattung und mit der Einladung, von der Regierung des Kautons Freiburg einen genanen umständlichen Bericht über den Stand der Liquidation der Brämizloskäuse einzuholen.

Wir ^ haben nicht ermangelt, die bezüglichen Beschwerdesehri.sten der Regierung vou Freiburg mitzuteilen, und beehreu uns nun, Jhuen im folgenden Bericht über diesen Gegenstand abzugeben.

Die Veranlassung zum gegenwärtigen Rekurse gaben nachfolgende Umstände : Schon im Jahre 1868 sahen sich die Herren Jakob Wäber , Jo.hann Blaser .und Benedikt Johner, alle drei Grundbesizer in der Gemeiude Düdingen, Kts. Freiburg, veranlasst, gegen die Bsarrgemeinde Düdingen bei den Bundesbehorden beschwerend aufzutreteu. Die lettere Gemeinde hatte nämlich im Jahre 1864 von den Herren Wäber, Blaser

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die Werthung fremder Geldsorten. (Vom 2. Dezember 1870.)

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Jahr

1870

Année Anno Band

3

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54

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.12.1870

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943-949

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