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Schweizerisches Bundesblatt XXII. Jahrgang. H.

Nr. 21.

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28. 3M 1870.

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung betreffend die Erbauung einer Eisenbahn Genf-Annemasse-Annecy.

(Vom 23. Mai 1870.)

Tit. !

Unmittelbar nach dein lleBergang von ©avotjen an Frankreich erthctlte die Regierung dieses lejtexn ©tacites bie Koi.äesfton sur eine Eisenbahn von Eolloiiges über ©t. Julien und Auuernasse nach T()onon, welche 33ahuliuie somit baju bestimmt mar, das ©ebiet ber (Schweiz beziehungsweise des Kantons ©eus 311 umgehen.

©egeu bieses Brojeft zeigte sich indessen in ber Folge in ben savoçtscheu ©ebietstheiten selbst ein geiuisser Widerstand, da ©eus boch .

ber .C(.uptat>saäplaä sûr ihre grosstentljeils agrikoleu -Çïoduktc Bilbet und somit eine Umgehung biejes Vlajeg ihren eigenen Jnteressen wenig sör= derttch war. Auch trat mehr und mehr bas -Çrojett einer Eisenbahn Auneci)-®ens in ben SSordergntnd, welches in allen .-Beziehungen eine weit grojjere (Summe von sawoiscljen Sokalinteresfen zu befriedigen geeignet war. ..Dazu gcselltjn sid) auch noch bie fransösischen iöahninteressen. .Der ..ßaxis-Mitteinieergesellschaft, welcher bie 'Aussuhrung ber Stute E4 (longes-Thon on überbunden war, konveuirle biesos Sracé wenig, indem die SlBjweiguiig nach .Shoiipii, wenn siü erst von ©eus aus exfolgte, bie volle -.Benujuug ihrer Bisherigen Linie Oi» ©eus erinoglicl)te und bie fiiine 3[nnec,.)-©enf natnxgemässe Fortsejungt... ber ebenfalls i it.

.Bunbeäblatt. Sahrg. XXII. »d. U.

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458 ihrem Eigenthum befindlichen Zweiglinie Ai^ les Baius.^Aunee.^ und

dem gleichfalls von ihr proiekt.rteu Abkürzuugszugang zum Mont Eenis-

Anneei.. über Albertville nach Ehamonsset gewährte. Es wurden desshalb von den beteiligten Schritte bei der sranzosisehen Regierung gethan , um das gewählte Traeé Eollonges-Aunemasse dureh die Linien Genf^lnnemasse in Verbindung mit der Fortsezung nach Anne..... zu ersehen, und die frauzofifche Regierung zeigte sich geneigt, unter gewissen,.

pou der Schweiz zu gewährenden Bedingungen diesem Verlaugen zu entsprechen. Sodann wurden von den zunächst Betheiligten Unterhandlungen mit der Regieruug von Gens angeknüpft, welche ihrerseits die Angelegenheit beim Bundesrathe anhängig machte.

Der Bundesrath uutersuchte diese Angelegenheit mit besonderer Sorgfalt, da bei derselben nicht bloss ökonomische, sondern auch gewisse politische Jnteresseu in ^rage standen. Dass Gens eine Umgehung seines Gebietes durch die grosse... Verkehrslinien nicht gleichgültig seiu konnte, ist wohl selbstverständlich. Zwar konnte man sich von Genf ans mittelst einer Zweiglinie nach Annemasse den Anschluß an das savoische Eisenbahnnez immer verschaffen.^ allein es ist einleuchtend, dass eine derartige blosse Zweiglinie den Verlust der Hauptverkehrsader nur theilweise ersezt hätte. Es liegt daher aus der Hand , dass Gens ein nicht uuerhebliehes Jnteresse au der projektirten .Leitung der sruher von der französischen Regierung zugesicherten Konzession hatte. Dessen ungeachtet erklärten die Genfer Behordeu in sehr patriotischer Weise, dass tro^ ihrer diesfälligen Wünsehe sie die ersten wären, aus dieses Vrojekt zu verziehten, wenn dessen Ausführung nicht anders erlangt werden konnte als zum Breise vo^. Konzessionen, die den allgemeinen Jnteressen der Eidgenossenschast naehtheilig wären, und dass sie sieher seien, mit dieser Erklärung die Gesinnungen der Gensersehen Bevolkernng treu ^u repräsentiren.

Glüklieherweise erwahrten sich indess die Befürchtungen, dass von Frankreich her der Anlass benuzt werden wolle, um den Rechtsstandpunkt zu schwächeu , den die Schweiz gegenüber der Abtretung Savo.^ens an Frankreich eingenommen, in keiner Weise. Es wurde mehrfach von den frauzosischen Repräsentanten die Erklärung abgegeben , dass diese Angelegeuheit,. als dem reiu Monomischen Gebiete augehorend, die politische Frage in keiner Weise berühren solle, und es bezogen sich denn auch die Forderungen. , welche Frankreich diessalls an die Schweiz
stellte , von Ansang an nur auf gewisse, theilweise durch die Ratur der Sache selbst geforderte Verkehrserleichterungen.

Rachdem durch anfängliche Vräliminarverhaudluugen in Beru das

Terrain bereiuigt und die Moglichkeit einer Verständigung koustatirt war, wurden schliesslich zum ^weke einer raschern Besorderung die VerHandlungen nach ..^aris perlegt. Wir bevollmächtigten hiezu unfern

459 gesandten, Herrn Minister Dr. K e r n , und gaben ihm den mit der Materie und mit allen frühern Vorgängen besonders genau vertrauten Herrn Staatsrath E h e n e v i e r e von^ Gens als Spe^ialdelegirten bei.

Die Verhandlungen , an welchen franzosischerseits Herr Staatsrath O z e n u e , Directeur du. Commerce extérieur an Mmislere de l^rl^ culture, da Commerce et des Tr^.va.^ Pnbiics, und Herr M e u r a n d , Directes. des Consul....^ et ..^ires Commerciales .^u Meistere des A^ires Etr.^eres, Theil nahmen, führten in 5 Sizungen vom 6. bis 22. Jnli 1869 zu einem Vertragsprosekte, und es wurde alsdann unterm 24. November 1869 von dem Herrn Minister K e r n und dem Bringen de lagoni. d'Auvergne, Minifter-^taatssekretär im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, mit unserer Genehmigung das.

ienige Arrangement unterzeichnet, das wir Jhnen gegenwärtig zur Ertheilung Jhrer vorbehaltenen Ratifikation vorzulegen die Ehre haben.

Wie schon erwähnt , knüpste die französische Regierung ihre Eutschliessung über Kon.^essionirnng der Linie Annee...-Annemasfe an einige Bedingungen. Diese wurden in der ersten bezüglichen Unterredung, welche zwischen dem B^.ndespräsidenten und dem französischen Botschaster, Marquis v o n B a n n e v i l l e , am 23. Mär^ 1.^68 stattfand, von .Leztexm folgendermaßen präeisirt : 1) Aushebung jedes Transitzolles auf den fran^osischen Erzeugnisseu , welche bei ihrem Transport von Tl.ono.^ naeh Eollonges einige Kilon^eter weit Genfer Gebiet berühren, und umgekehrt.

2) Aushebung der Verzollungs-Ungleichheiten zwischen der Schweiz uud der neutralisirten Zone vou Savo^en : Die schweizerischen Erzeugnisse werden in Frankreich, iu der Freizone, frei zugelassen, während die Erzeugnisse der Zone in der Schweiz den eidgenossischen Zollangen unterworfen sind. Jm Weitern gewährt die eidgenossische Zollverwaltung den Produkten von ^rundstüken , welche Schweizer in .^avoi..en besinn , einen besondern Tar^abzug (de^^e) , was als ein Vorrecht zu Gunsten der Ausländer, welche in Frankreich Güter besten, erscheint.

3) Zugeständnis ähnlicher Erleichterungen zu Gunsten des Ehablais und ^aueigny , wie solche der Lan^schast G..^ kraft Reglement vom 30. Juni 1^64 gewährt worden sind, namentlich: zollfreie Zulassung einer näher ^u bestimmenden Anzahl gegerbter Häute aus der Zone iu der Schweiz , und zollfreie Ausfuhr von frischen Häuten und Gerberrinde ans der Schweiz nach der Zone , in einem ebensalls noch zu bestimmenden Verhältniss.

4) Erhohung, von 1200 aus wenigstens 3000 Zentner, des jähr-

liehen Kredits, welcher durch das Reglement von 18^4 sür die Einfuhr

der Weine aus der Landschaft Ger, nach der Schweiz festgefe^t worden

460 ist, und Herabsezung des Zolles von 75 auf 60 Eentimes per 100 Kilogrammes.

5) Herabsezung des normalen Einfuhrzolles für die von Frankreich nach der Schweig eingehenden Weine.

Der sranzosische Botschafter bemerkte indess selbst, dass der fünfte Bunkt mehr die Ratur eines frommen Wunsches habe, und er blieb in der Folge auch ansser Betracht.

Die vier andern Vunkte anlangend , so gestalteten sich die Verhandlungen über dieselben im Einzelnen sol^endermassen : 1 . Transitfreiheit.

Der Bundesrath erachtete dieses Begehren der sranzosischen Re..

gierung als billig und zwekmässig. Er stellte seinerseits die Gegenforderung , dass auch der Transit von Genf über die savoische Linie nach dem Wallis und umgekehrt unbelästigt bleiben solle, was von der franzosischen Regierung ohne weiteres ^gegeben wurde. Da übrigens mittlerweile von Seite der Schweig die Transitzolle ganz aufgehoben worden sind, wie solches früher schon in Frankreich^ gefchah, so wird dieser Bnnkt um so unbeanstandeter genehmigt werden konnen. Vorbehalten bleiben immerhin beiderseits die Gebühren sür Zengnisse, Stempel, Kontrole u. dgl. Die Regulirung dieses Verhältnisses bildet den Art. 3 des Arrangements.

2. Ausdehnuug der dem Pays de Cex von der Schweiz gewährten Zollerlei.hternngen auch aus die savoischen Brovinzen Ehablais, Faueign^ und Genevois.

Jm schweizerisch-franzosischen Handelsvertrag vom 30. Jnni 1864, ^inne^ .^ , sind sür den Verkehr mit dem I^.vs de ..^e... ansuahmsweise gewisse Erleichterungen verabredet worden, welche diesen ledern Landestheil gegenüber Savo^en in eine privilegirl.e Stellung versehen. Es wünschte nun Frankreich, dass diese beiden Landestheile auf den Fnss

der Gleichberechtigung gesezt werden. Die Artikel, um welche es sich handelt, sind :

1) Gerberrinde, die zollfrei nach der Schweiz importirt werden

dars ;

2^ Grobes Leder, von welchem ans dem Pays de G^ 500 eidg.

Zeutuer und 3) Gegerbte Kalbs^, Sehas- oder Ziegenselle, ^von welchen 200 eidg.

Zentner zu einem V i e r t h e i l . der eidg. Ein s u h r g e b ü h r Angelassen werden ; endlich 4) Rohe Hänte , welche ans der Schwe^ nach dem P.^ys de Ge^ frei vom eidg. An s gang szolle ausgeführt werden dürfen, und ^war bis

461 auf 600 Ochsen- oder Kuhhäute und bis aus 6000 Kalbs-, Schaf- oder ^iegenselle.

Der Bundesrath nahm keinen Anstand , dieses sranzösische Verlangen, welches für die Zolleinnahmen von keinem erheblichen Belange ist, zuzugestehen. Art. 2 des Arrangements xegulirt daher dieses Verhältniss in der Weise , dass diese Zugeständnisse an die genauuten sa^ voischen Provinzen in den nämlichen Grenzen und Bedingungen erfolgen, wie an das l.^vs de Gex.

3. Verlangen weiterer Zollbegünstigungen für das ..^^ .^ ^^.

Das

schon erwähnte Reglement gewährt dem Pavs de Ce^ auch

die Berechtigung , 1200 eidg. Zentner Wein zu einem Viertheil des

eidg. Zolles einführen zu dürsen. Die französische Regierung verlangte nun, dass dieses Quantum von 1200 aus 3000 Zentner erhoht werde.

Dieser .l^.nkt führte zu sehr lebhaften Verhandlungen, und.es drohte daran sogar der ganze Vertrag zu scheitern. Während von sranzösischer Seite grosser Werth auf denselben gelegt wurde , glaubte der Bundesrath, uiehl. darauf eintreten zu konnen. Es handelte sich nämlich nach seiner Ansicht weniger um das ökonomische Jnteresse, das bei diesem Zugeständniß in Frage lag, als um einen Grundsaz. Das I^vs dc G...^ hat au der Substituirung der Linie Geus-Aune.^ an die Stelle der Linie l^ollo..ges..Annemasse ganz das gleiche Jnteresse wie Gens, es kann bei diesem Tausche nur gewinnen. Es konnten daher sur das Pavs de (^ unter dem Titel von Kompensationen keine Zugeständnisse gemacht werden. Es konnten solche nur erfolgen unter dem Titel einer Revision des Vertragswerts von 1864 gegenüber analogen Gegen^ugeständnissen von ^eite Frankreichs ; es schien aber dem Bundesrath ratsam , dieses Gebiet gar nicht zu betreten. Die franzosische Regierung enlsehloss sieh dann auch , gegenüber der .wiederholten und bestimmten Ablehnung von Seile der Schweiz diese Forderung fallen zn lassen.

Es blieb daher nur noch der vierte und weitaus wichtigste Bunkt: 4. Erweiterung der Zollerleichterungen für die savoischen Gebietstheile bezüglich ihrer W e i n p r o d u k t i o n .

Die sran^öfische Regierung machte, wie aus der zweiten Forderung des Hrn. Mare.nis von Bannville ersichtlich ist, im Anfange einen .^ersuch, die Schweiz zu bestimmen, den Produkten Rordsavo^ens zollfreien Eintritt in die ^ehwei^ z.. erwirken, weil die schweizerischen Vrodutte auch zollfrei dahin eintreten können; es wurde ,,Aushebung dieser Ungleiehheit^ verlangt. Da bekanntlich Frankreich mildem Versprechen der freien Zone die Bevolkeruug dieser .^andestheile bewogen hatte, sieh für die Annexion an Frankreich zn eutseheiden , somit die sranzösische

462 Regierung selbst es war , welche zu ihrem Vortheil und ^um Rachtheil der Schweiz jene Ungleichheit, welche auch vom ökonomischen Gesichtspunite aus der^ Schweiz keineswegs erwünscht ist , geschaffen hatte , so nahm sich dieses Begehren an die S.hwei^ in der That etwas seltsam aus.

Ratürlieh wurde es vom Bundesrathe rund abgelehnt und kam in der Folge auch nicht mehr ^ur Sprache. .

dagegen verlaugte die Regierung Beseitigung gewisser Bevorzuguugen schweizerischer Gr...udbesizer in Savo^eu bei Eins.^hr ihrer Weine über ^ie Schweizergre.^e und Erhohnug der ^nantität von

5000 Hektoliter Wein, welche laut ...lrt. 4 des Handelsvertrages mit

Sardinien vom 8. Juni 1851 aus den Broviuzen Ehablais, Faueign.^ und genevois jährlich zollfrei naeh Genf eingeführt werden dürfen, ans

20,000 Hektoliter (40,000 Zentner).

Die erster.. Forderung beruhte theilweise ans einem Missverständuiss, theilweise ans Unkenntuiss alter Vertragsverhältnisse , und wurde nach den von Hrn. Staatsrath E h e . n e v i . ^ r e in der Si^nng von.. 6. Juli 18^..) (siehe Protokoll p.^. 1.^^-16) gegebenen nähern Erläuterungen von deu sran^osisehen Delegirten zurükgezogen.

Die Forderung der Erhohung der .zollfreien Weineinsnhr wurde vom Bundesrathe ansänglieh namentlich mit dem Rachweise bekämpst, dass ^ie bezeichneten Provinzen bisher selbst ui.ht einmal vollen Gebrauch von der zollfreien Eiusnhr der ihnen zustehenden 5000 Hektoliter gemacht hatten, ungeachtet die erforderlichen Freibillets jedes Jahr verabfolgt wurden. ^ie sxanzostsehe Regierung hielt jedoch das Verlangen fest, so dass der Bundesrath eine gänzliche Ablehnung nicht für thunlieh erachtete, ^unial anerkannt werden u..usste , dass eine gewisse Billigkeit ^u Gunsten dieser Konzession spricht. ^ie Linie .^lnnen.asse-

Eollouges hat nämlich allerdings den Vorzug der grossteu .^ürze für sich.

^ureh Substituirnng einer etwas längern Linie haben somit die sur die Aussuhr bestimmten ..Produkte einen etwas hohern Fraehtsaz zu bezahlen,

und es lässt sieh somit erklären, dass für diese Mehrleistung ein gewisses

^le^uivaleut bei Denen gesucht wurde, zu deren Gunsten theilweise die Traeeverläugerung erfolgen soll. Die gestellte Fordernn^ tonnte desshalb nieht als eine dem Gegenstaude fremdartige bezeichnet werden.

Bei dieser ^a.hlage blieb dem Bundesrathe nur übrig, zur Wahxung der Juteresseu der angrenzenden weinbauenden Kantone , welche .eben so sehr wie fiskalische Jnteressen zu berül^sichtigen waren, auf eine möglichste Reduktion der verlaugten Ziffern hinzuarbeiten. Es gelang denn .....neh, die Forderung von ....0,000 aus 10,000 Hektoliter zu redu^ireu. Dabei se^te der Bundesrath mit Rüksicht auf das vorbezeichnete

Verhältnis der thatsäehliehen Richlerschopsnug des bewilligten Ouantnm^

^Werth daraus, dass ^enau bestimmt w^erde,

dass sür deu zollfrei einzu-

463 führenden Wein Ursprungszeugnisse beigebracht werden , welche dessen .Herkunst aus einer der drei Bropinzen bezeugen. Dieses Verhältnis^

ist in Art. 1 des Arrangements regulirt.

Durch diese Konzession bringt nun .zu Gunsten Genfs ein jährliches Opfer, steigen kann, und es entstand daher die gewesen wäre , wenn Genf dieses Opfer

freilich die. Eidgenossenschaft da.^ b^ zu Fr. 15,000 anFrage, ob es nicht richtiger selbst gebracht hätte , z. B.

durch Erlass seines Oktroi aus den bisher kouzedirten 5000 Hektolitern.

Der Bundesrath sah iudess von eiuer solchen Forderung aus mehrfachen Gründen ab , sie hätte in der Aussührung Komplikationen verursacht und das Konkurrenzverhältniss der weinbauenden Rachbarkantone noch ungünstiger gestaltet. Ueberhaupt glaubte der Bundesrath , gerade in dieser Frage mit Gens nicht all^u genau rechnen zu sollen.

Fällt nun auch bei dieser Kouzessiou ein gewisses Mass des Rachtheils auf den Kanton Waadt (und etwa auch noch ans Wallis) , so ist andererseits nicht zu verkennen , dass doch diese beiden Kautone an den .hier in Frage kommenden Eisenbahnen einigermaßen mitinteressirt sind , so dass der kleine Rachtheil .^ur..h einen zum mindesten gleich ^rossen Vortheil besserer Verbindungen kompensirt wird. Auch kann hier uo^h beigefügt werden, dass die in dieser Sache mit Frankreich erfolgte Verständigung dann wesentlich dazu beigetragen hat , auch die schwebenden Unterhandlungen bezüglich der Anschlussverhältnisse der für den Kanton Waadt besonders werlhvollen Jongnebahn zu fordern. Wir glaubeu daher, die h. Bundesversammlung dürse keinen Anstand nehmen, dieser Konzession ihre Zustimmung z... ertheilen.

Eine Gegenkonzession glaubte sich dabei der Bundesrath indess ausbedingen zu dürfen, welche ihm von der franzosischen Regierung auch bereitwillig gewährt wurde. Lauge schon ist vom Haudelsstaude in Genf Ermächtigung der srau^osischeu Douaue in Annee^ zur Abfertigung von Waaren aller Art verlaugt worden, es selten unsere Jndustriellen daraus grossen Werth, weil die Gewebe, Bijouterien und Uhren bisher nur in Ehamber.^ abgefertigt werden konnten, demnach solche Güter, welche für näher liegende Ortschaften bestimmt wareu, querst dorthiu zur ZollBehandlung gebracht und dann pon dort wieder rükwärts nach ihrer Bestimmung gebracht werden mußten. Da zudem die Exporteurs solcher Artikel häufig grossen Werth daraus sezen , bei deren Zollbehaudluug personlich zugegen zu seiu, um das Wiedereinpaken gehorig zu besorgen und dadurch die Waare vor Schaden zu bewahren, so ist klar, dass es für sie weit vortheilhaster sein muss , bloss bis Auneei.. zu gehen statt bis Ehamberh. Diese Verlaugeu waren aber bisher ohne Erfolg ge^lieben , und die diesfällige jezige Konzession ist um so anerkennenswerther, als diese neue Einrichtuug der anzustellenden Techniker weg^n für die sranzosische Zollverwaltung mit sehr erheblichen Mehrauslagen

464 ^verknüpft ist.

Art. 4 des Arrangements regulirt diesen Vunkt und

Art. 5, Lemma 2 sezt fest, dass leztere Einrichtung bis spätestens den

1. Januar l 871 in Kraft treten solle.

Die übrigen Bestimmungen des Arrangements bedürfen keiner besondern weitern Beleuchtung. Art. 5, Absa^ 1 sagt, .dass die von der Schweiz gewährten Zollerleichteruugeu erst in Kraft treten , wenn die neue Eisenbahnlinie dem Betriebe übergeben wird. Art. 6 gibt dem Arrangement die nämliche Dauer wie dem sehweizerisch-srauzosisehen Haudelsvertrage, und Art. 7 handelt von dem Modus der Ratifikationen.

Dagegen bleibt uns noch ein Vunkt zu erwähnen , welcher die Hauptgegenleistung des Kantons Gens enthält. Jn dem Eingange

des Arrangements ist nämlich ge^gt, e.^ fei dessen Ausführung abhängig von der Erstellung einer Bahn zwischen Annee... und Annemasse, welche durch eiue ^weiglinie nach Gens mit deu Eisenbahnen der srauzosischen Gesellschaft Baris^on-Mittelmeer verbunden sein soll. Da der Bahu^ hof dieser ledern Gesellsehast bekanntlich aus dem rechten User der Rhone liegt, so kann diese Voraussezuug uur ersüllt werden durch Ueberbrükung der Rhone uud Erbauung einer sehr kostspieligen Gürtelbahn um Gens herum. Der Bundesrath fand es daher für augezeigt, die maßgebenden Behörden von Genf zu einem Entscheide zu veranlassen , ob sie geneigt seien, diese Voraussezung zu ersüllen. Der Staatsrath ermangelte nicht , die Angelegenheit dem Grossen Rathe vorzulegen , und dieser beschloss unterm 9. ^ebruar 1870, dem Vernehmen nach einmütig, eine Eisenbahnlinie der obberührten Art, die von dem Bahnhose von Eornavin ausgeht und iu Annemasse sich an die Bahnlinie nach Anne^ einer.- und Thonou andererseits anschliesst , als eine ^ache von offentlichem Ru^eu zu erklären , für deren Ausführungsbedingungen weitere Beschlüsse des Grossen Rathes vorbehalten werden. Jn ^olge dieser offiziellen Erklärung unterliegt die Entscheidung über das Arrangement pon Seite der Bundesversammlung keinem Anstand mehr.

Der Bundesralh beehrt sich, die Ratifikation zu ..empfehlen. Die darin gemachten Konzessionen find der Art, dass sie ..nzweiselhast durch entsprechende Vortheile aufgewogen werden, und wenn auch diese Vorlheile in der Hauptsache nur e i n e m Bundesgliede zu gut kommen, so kann die Eidgeuosseuschaft gerade bei diesem Aulass Gens gegenüber des alten Wahlspruchs nicht vergessen : Alle sur Einen und Einer sür Alle l Wir dürfen uns der Hosfuuug hingeben, dass diese neu projektirten Verkehrsadern Gens, das in deu lezteu Jahrzehnten mit manchen Entwiklngshindernissen zu kämpsen hatte, stärken und seiner ökonomischen wie intellektuellen Krästigung forderlich sein werden. Der hiedureh auch für die nähere Rachbarschast uud sür die Eidgeuosseusehaft im Allgemeiuen entstehende Gewinn dürfte die gegenwärtig zu bringenden Opfer in .der ^olge weit überragen.

465 Der Bundesrath empfiehlt daher d.e Annahme des nachfolgenden Genehmigungsbeschlusses, und beuuzt gleichzeitig den Anlass, Sie, Tit., der vollkommensten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 23. Mai 1870.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

I)r. J. Dubs.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft :

Schiel

#ST#

Beschlussentwurf betreffend

die Erbauung einer Eisenbahn Gens-Annemasse-Annecy.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft,

nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 23. Mai 1870; im H.nbl.ik auf den Besehluss des Grossen Rathes des Kantons Genf pom 9. Februar 1870 und in Anu..euduug von Art. 74, Ziff. 5 der Bundesverfassung ,

l.. eschliesst.

Art. 1.

vember 186..)

bauung einer Genehmigung

Dem zwischen der Schweiz und Frankreich unterm 24. Roin Baris abgeschlossenen Arrangement, betreffend die ErEisenbahn Genf-Annemasse-Annecy n.urd die vorgehaltene ertheilt.

Art. 2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses BeSchlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung betreffend die Erbauung einer Eisenbahn Genf-Annemasse-Annecy. (Vom 23. Mai 1870.)

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1870

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21

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.05.1870

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457-465

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10 006 487

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