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Bericht des

schweizerischen Vizekonsuls in An c on a (.Hrn. L. Diethelm von Diessenenhofen (Thurgau) über das Jahr 1869.

(Vom 12. Mai 1870.)

An den h..ihen Bundesrath.

Tit. l Allgemeinem.

Ancona hat sich im Lause des legten Jahres in keiner Hinsieht wesentlich verändert, was die Stadt selbst an und für sich anbetrifft.

Bemerkenswerte Begebenheiten find freilieh verschiedene vorgefallen und erwähne ich vorerst diejenige der Aufhebung des F r e i h a f e n s .

dieser Umstand hat Veränderungen mit sich gebracht, ohne jedoeh eiuem grossen Uebel, nämlich dem Schmuggel, gänzlich den Riegel gesteckt zu haben. Vorerst, d. h. vor Aushebung des Freihafens gieng es in dieser Hinsieht arg zu, und hoffte man, dass mit der Aufhebung des Vorto sraneo auch der Schmuggel von selbst aufhoren würde. Die Rechnung wurde jedoch ohne den Wirth gemacht und was vorher in detail .wird jezt en gros uud mit gauzen Sehisfsladnngen längs der Küste betrieben. Jch brauche kaum hinzuzufügen, dass dieser Schmuggel dem ehrliehen Kaufmanne von ungeheurem Schaden ist und kann diesem Uebelstan.de nur durch Herabsezung der enormen Zolle von Seite der.

Regierung abgeholsen werden. Es mag vielleicht am Plaze sein, anzu-

führen, dass z. B. Zucker Lr. 28. 88 Eassee ,, 57. 75 Bsesser ,, 46. 20 per je 100 Kilos Regierungszoll.

bezahlen.

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Zu obigem Regierungszoll kommt noeh der Stadtzoll, der auch nicht unbedeutend ist , so aus Zucker

Lr. 12. 80

Easfee .. 10. Bsesfer ^ 10. - per je 100 Kilos.

Jm Lause des vergangenen Jahres hatten wir gerade wegen Her^ aufse^nng der Stadtzolle einen Volksauflaus, weicher leicht bose Folgen hätte haben können. Es ist wenigstens ein Trost, dass die Stadtbe^ hörde begrifsen hat, sie schade durch dieses Versahren nur sieh selbst, indem sie durch diese enormen Zolle Hand zum Schmuggel bietet. Seit

dem 1. April l. J. sind auch .die Stadtzol.le bedeutend reduzirt worden und wird gegenwärtig aus ^ucker Eafsee

Bsefser

^r. 5 ,, 6

., 6 bezahlt per je 100 Kilos.

Zu wünschen wäre, dass die Regierung dem guteu Beispiel der Stadtbehorde folgen würde, und die Zolle heruntersehe, was jedoch schwerlich geschehen wird.

Mit der Aushebung des Freihafens war von Seite der .)..egiernng die Erstellung vo.. Docks im hiesigen Hasen deeretirt worden.

Die Arbeiten wurden auch begonnen, bald darauf jedoch aus unbekannten Gründen suspendirt.

Die Magazini Generali. zur Aufbewahrung der von der Seeseite ankommeuden Güter, welche vernünstigerweise vor Aufhebung des Frei.^ hafens hätten beendigt sein sollen, sind selbst heute noch nicht eingerichtet.

Die Regierung erlaubt daher stets noch dem Handelsstande, .die so..

.genannten Magazzini fidneiari, d. h. jeder Kansmann ist bevollmächtigt, seine Waaren in die eigenen Magazine zurückzuziehen, und ohne den daraus hastenden Zoll sogleich zu bezahlen, wenn er Lr. 10,000 ital.

Rendite bei der Douane deponirt. Es ist ihm serner gestattet, in Kraft

dieses Depositos Waaren in sein Magazin zurückzuziehen, bis dass der daraus haftende Zoll sieh aus Lr. 50.000 belänst. . Dass die Einrichtung dieser Magaziui sidueiari ein grosser Vortheil sür den Handelsstand ist, brauche ich wohl kaum hinzuzufügen.

Seiner Zeit sind von Seite hiesiger Handelskammer Schritte gemacht worden beim italienischen Ministerium, um sieh mit der Adriatisch..

Orientalen^Dampsschiffahrtsgesellsehaft in dem^ Sinne zu einigen, da^ die Dampfer jener Gesellsehast, welche nach Alex^andrien (Eg^pten) fahren, wie früher in hiesigem Hasen wieder einlaufen. Diese Uebereinkunst ist aueh zu Stande gekommen.

Ausser dieser Linie haben wir eine regelmässige Verbindung mit Triest, Eorfu und der Levante durch den österreichischen .Llo^d, sowie

auch mit Venedig und Sieilien vermittelst der Dampfer der Gesellschaft Venerano Danovaro.

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Jm Lause des verflossenen Jahres und zum ersten Male in dieser Brovinz hatten wir eine industrielle und Agrikultur-Ausstelluug.

Die ausgestellten Gegenstaude zeigten keine nenen Erfindungen.

Fabriano und Jesi, zwei ^rovinzialstädte, lieferten die meisten Ar^ tikel, wie Bapier. wollene Artikel, Geschirr aus Erde und ^elle, uud erhielten Medaillen.

Jm Agrie...ltursache zeichnete sich unter andern auch die hiesige schwel prische Firma ^. Blumer und Jeuu.. dnrch die schonen Produkte ihrer .Ländereieu aus.

Besonders Korn und Mais verdient hervorgehoben zu werden, anch erhielt benannte Firma in diesen Artikeln die goldene

Medaille.

Das gleiche Haus erhielt ebenfalls die goldene Medaille für das

Brodukt ihrer Seidenspinnereien in Fossombrone und Jesi.

Die hiesige schweizerische ^irma G. Mettler wurde mit der silbernen Medaille für ausgestellte Mehlspeisenprodutte ihrer ^abrik ^ in Ehiaravaile belohnt.

Schoues Vieh war auch vorhanden und ich bezweifle nicht, dass èstere Ausstellungen dieser ...lrt die hiesigen . Grundbesitzer anspornen würden, in dieser Hinsieht mehr zu leisten, als wie bisher geschehen ist.

Um noch einige Worte ini Allgemeinen über V i e h z u c h t beizu^

fügen, sie^t es in diesem Bezirk nicht sehr gut aus in dieser Hinsicht.

Das Viel. ....ird schlecht gepflegt uu.^ mallraitirt, Mil.hkül..e werden wenig gehalten und es ist die Milch auch schlecht. Es giebt freilieh musterhaste Ausnahmen, und wurde trot^ enormen Kosten und nur um eine gnte Raee zu erhalten, Schweizervieh direkt von einigen Grundbes^ern eingesührt. Gegenwärtiger Mangel an Futter verursacht niedere ^iehpreise.

^...nde^roduete und Export.

S e i d e . Wie schon in ^meinem ersten Bericht angedeutet, ist dieser Artikel das interessanteste Broduet des Eousularbezirks.

Die le^tjährige Eoeonernte ist im Ganzen genommen , sowohl quantitativ als a^.alitativ besser ausgesalien als die von 1868, auch waren die Vreise im Vergleich zu obigen. Jahre den Spinnern günstiger, und konnen die Erstellungskosten der rohen Seide im Jahr 186^ wenigstens 25 ^/o billiger als im Jahr 1868 angenommen werden.

Die Hauptnrsaehen dieser relativ bessern Ernte müssen theilweise der ziemlich namhasten Jmportation von wirklich tadellosem japanesischen Samen, aber auch der, der Entwicklung und dem Gedeihen der Raupen sehr günstigen Witterung während der Anziehung, zugeschrieben werdeu, die es ermöglichte, dass auch einheimische und im Lande reprodueirte japanesische Samen ein befriedigendes Resultat liesern konnten.

158 Die aus. hiesigem Eonsulatsbezi.^k gelieferten Eoeons mögen eirea .Kilog. 80,00.0 Seide ergeben haben, davon^ sind nach hiesiger Statistik

.^ilog. 44,281 durch unsere Stadt transitât, das Uebrige wurde direet

ans den Spinnereien nach dem ^lnslande gesendet. Obiges ...Quantum, ^um ungefähren Mittelerlose gerechnet. representirt ein Kapital von eirea

7,500,000 Franken.

Die weitaus bedeutendste Quantität hiesiger Seide geht naeh .^..on und eine kleine Vortion nach Tnrin . Mailand hat naeh jahrelangem, fast ganz passiven.. Verhalten lentes Jahr. einige Barthien an sich ziehen konnen, denn sonst sind seine ^notationen für hiesiges Brodnet meistens bedeutend unter denen L.^on^s.

Wir haben hier Etablissemeute, die ganz klassische Waare liesern und deren Broduel ..^lnsnahmspreise bedingen , im Allgemeinem aber fehlt auch nnsern Spinnern, wie der ganzen Bevolkernng, der rege industrielle Sinn z. B. der Lombarden und es giebt sehr viele mittelmässige Spinnereien, die nur der brillanten ...Qualität der Eoeons oft es zu verdanken haben, dass ihre Produkte den besser gesponnenen, aber weniger in di.e Augen fallenden lombardisehen Brodukten, vorgewogen werden.

Seit einigen Jahren werden in verschiedenen Etablissementen ersten Ranges Versuche angestellt, auch ausser der Sommerszeit zu arbeiten, wie in Frankreich, Biemont und Lombardei, entweder mit einheimischer, anfgespeicherter Waare, oder mit vom Islande bezogenen Eoeons. Die Versuche ^...incto Einrichtung und Ausfallen der .^.alität sind meistens gelungen, aber da mix in der Rahe keine ausländischen grossern. Eoeonsmärkte, wie z. ^. Marseille, haben, so wird die l^onveni...^^ dieser nicht mit .....heimischen Eoeons zu nährenden Etablissemente oft in ^rage ftehn ausser in. Falle, dass wir hier zu .^ande zur alten Erzieligteit der Erute zurückkehren würden, .vo dann diese Spinnereien genng einheimisehen Rohstoff zur Winterarbeit finden konnten.

Hiesige Handelskammer hat sieh entschlossen, eine ^eideutrocknuugsanstatt in hier zu erriehteu un^ soll solche schon i^. der nächsten ...^eiden^ saison sun.^tiouireu.

Ausser der Seide wird ihr Hauptabfall, die sogenannten S t r u s i , in Brosser Quantität, hauptsächlich uach der Schweiz e^portirt.

Das

gan^e ^trusi-Ergebuiss des Bezirkes kann aus rirea .^ilog. 4^,000 geschä^

werden, zum le^tjährigen ungefähren Mittelerlos im Werthe von eirea

580,000 Franken.

E e r e a l i e n . Die le^ährige Ernte ist im Allgemeinen eine gnte zu nennen und belies sich der im Lause des Jahres bezahlte Mittelpreis auf eirea .Lr. 23. 28 per se 100 Kilog. Jn ^lueona wnrden Kilog. 3,093,066 Korn verladen und e^portirt, welehe sieh wie folgt vertheilen .

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Kiiog. 607,537 sur Jtalien ,, 2,335,211 ,, England ,, 150,318 ,, Frankreich Kilog. 3,093,066 Mais wurden Kilog. 5,343.887 ausgeführt und zwar: Kilog. 17,552 nach andern italienischen Seehasen, ,, 9,300 ^,, Oestreich ,, 5 ,.3 l 7,035 ,, England Kilog. 5,343,887 Der grosste .^heil der e^portirte.. Waare war nicht gegen seste Ordre verschifft, sondern ans reiner Spekulation, u..d haben zweifelsohne we..

nige dabei gute Geschäfte gemacht, da Breise in England bis gegen Ende 1869 stets im Fallen ..^aren und alle hier gemachten Ladungen lauge Zeit vor dem endlich erfolgten Aufschlag iu den verschiedenen ports of call angelangt sein mussten.

O li v en o l wurden von Aneona Kilog. 783,229 nach italienischen Seehasen,

" ^

159,194 ,, .^estreich und 5^

,,

Griecheulaud

zusammen Kilog. 942,478 ex^portirt.

L a mm s elle. Ein ^ nicht uubedeutender Handel wird iu diesem Artikel getrieben und le^tererse nach Eonvenienz nach England, Frankreich und Deutschlaud ausgeführt. Besonders die ^elle, welche index Umge^ gend von ^lueoua gesunden werden, stnd wegen ihrer Zartheit sehr. gesucht und den neapolitanischen weit vorgezogen. ^aut statistischer Ausstellung wurden im Lause des vergaugeueu Jahres von Aueona allein direkt

Kilog.

,, ,,

20,906 nach Jtalien, 43.332 " .^estreich, 47,514 ,, England und ^0,1^ ,, Frankreich, zusammen Kilog. 121,876 Lammselle versandt.

Ein nicht weniger interessanter Artikel bilden die Z i e g e n s e l l e , welche freilich in weniger grosser Anzahl vorgesunden werden, und theils in Jtalieu selbst verarbeitet, zum grossern Theil^ jedoch nach Frankreich e^portirt wird.

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Der .Import von Schweizerartikeln ist nicht pon Bedeutung. Jn Glarner Fazzoletti wird ziemlich gearbeitet, jedoch sehlt mix eine sta-

tistische Uebersicht.

Jm Uebrigen ist zu bedauern, dass die Gl.arner Fabrikanten sich s.^ sehr selbst gegenseitig diesen früher so lukrativen Handel xuiniren.

Zucker. Laut statistischer Uebersicht wurden im Lause des veraangenen Jahres in Aneona Kilog. 1,784,689 importât.

Es ^eigt diese Ziffer, dass Holland den meisten Zucker liefert, anch wird er dem östreichischen Broduet, d. h. dem Rübenzucker vorgezogen.

^,ie deutschen Raffinerien haben im Uebrigen grosse Fortschritte gemacht und ist Rübenzucker von Oestreich eben so schon er^stallistrt wie der Rohrzucker von Holland. Ersterer hat den Vortheil, hübsch weiss auszusehn,

den Rachtheil jedoch des weniger grossen Gehaltes an Süssigkeit.

Englische Manufakturen und Garue werdeu sehr bedeutend importirt, jedoch hat der Handel im Allgemeinen eher ab-, als zugenommen

in diesen Artikeln.

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Bericht des schweizerischen Vizekonsuls in Ancona (Hrn. L. Diethelm von Diessenenhofen (Thurgau) über das Jahr 1869. (Vom 12. Mai 1870.)

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