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Bericht

des Bundesrathes an die h Bundesversammlung über den Rekurs des Joh. Adam Uehlinger, betreffend EheverweigerUng.

(Vom 24. Juni 1 870.)

Tit. .

Jn der Zession der eidgenossischen Räthe vom Dezember 1869 ist ein Rekurs des Johann Adam U e h l i n g e r von Basel vorgelegen, worin dieser sich beschwerte, dass wir mit Beschluss vom 14. Juni 1869 die Weigerung der Regierung von Basel-Stadt. seine Braut Karolina Bannier von Oberwyl, Kts. Basel-Landschaft in das Bürgerrecht aufzunehmen, und sodann ihm die Ehe mit derselben zu bewilligen, als gerechtfertigt erklärt haben.

Der Nationalrath behandelte zwar diesen Gegenstand in seiner Simung vom 16. Dezember 1869 und horte den Berieht seiuer Kommission an, welche in ihrer Mehrheit zu dem Schlusse kam, dass der Rekurs des Adam Uehlinger abzuweisen sei. Allein nach gewalteter Diskussion wurde beschlossen, es sei diese ganze Angelegenheit zu weiterer Berichterstattung an uns znrükzuweisen.

Wir säumten nicht , der Regierung des Kantons Basel-Stadt von diesem Beschlösse Kenntniss zu geben und sie einzuladen, die Eingabe des Adam Uehlinger näher zu beautworteu, und namentlich über den

929 Sinn und die praktische Anwendung von Art. 7 des dortigen Gesezes über das Bürgerrecht vom 1l. Dezember 1866 Bericht zu erstatten.

Nachdem die Akten in dieser Weise ergänzt sind, haben wir nun die Ehre, Jhnen dieselben abermals vorzulegen.

Zunächst müssen wir daran erinnern, dass die Beschwerde des Adam Uehlinger lediglieh gegen die Verweigerung seiner Ehe mit der Karolina Bankier gerichtet und übrigens auch vou diesen. Staudpunkte aus sehr unvollständig bei uns eingeleitet worden war, so dass er z.uei Male ^ur Zeit abgewiesen werden musste, bis der Beweis vorlag, dass die Voraussezungeu ersüllt seien , durch welche allein die Kompetenz der Bundesbehorden in Ehesachen begründet wird.

Wenn wir nun in erster Linie zu prüfen hatten, ob die sragliche Ehe aus dem Grunde verweigert worden sein lanute , weil die Brautleute verschiedenen christlichen Kousessioneu angeboren (Art. l des Buudesgesezes über die gemischten Ehen .^ff. ^ml., Bd. ll, ^. l30), und diese Prüfung nach langjähriger, konstanter Praxis nicht ans die blosse Verneinung dieser ^rage von Seite der betreffenden Kantonsxegiernng sich beschränken konnte, sondern auf das Detail der faktischen Verhältnisse des Spezialfalles eintreten musste, um zu ersehen, ob diese Verhältnisse unter gewöhnlichen Umständen zur Bewilligung der Ehe hätten führen müssen, so konnten wir nach Kenntnisnahme der Eharakteriftik der Braut , wie sie iu Erwägung 3 des iu Jhren Händen be-

Endlichen Beschlusses (Bundesblatt I8^9, B^. llI, S. 659) dargestellt.

ist, nicht .anstehen, diese ^rage zn verneinen. Jn der That ist nicht daran zu zweifeln, dass auch viele in Ehesachen sonst liberale Kantonsregiernngen ihre Bewilligung zu einer solchen Ehe ablehnen würden.

Jndess ist dieser Punkt bei den. seligen Stande der Sache offenbar nicht die Hauptsache. Es erfolgte auch die Rük.veisu..g an uus nicht aus dem Gruude, weil die persönlichen Verhältnisse der Brautleute nicht

genügend klar wären. Vielmehr ist es die bezügliche Ges.^gebung des Kautons Basel-^tadt , welche bei Anlass dieses Balles die besondere Aufmerksamkeit der Bundesbehor.^n aus sich gezogen hat.

Es hat nämlich die Regierung von Basel^Stadt nieht direkt darüber entschieden, ob die fragliche Ehe zu bewilligen sei, sondern darüber, ob die Karolina Basier in das Bürgerrecht der ^tadt Basel auszunehmen sei oder nicht , und sie verneinte diese Frage, weil die Petentin übel beleumdet sei. Adam Uehliuger verlaugte aber diese Einbürgerung gerade darum , weil er die Bauuier .heirathen .oill. ^.o gestaltete sich jeuer Entscheid in seinen Wirkungen zu einer Verweigerung der Ehe.

Es konnte daher nicht umgangen werden, zu prüfen , ob etwa die Karolina Vannier bei dem Entscheide über ihre Ausnahme iu das Bürgerrecht von Basel anders behandelt worden , als eine Basler Bürgerin aus einer andern Gemeinde behandelt würde. Diese Frage mnsste um so

930 mehr aufgegriffen werden, als der Rekurrent eine ungleiche Behandlung seiner. Braut behauptete und. die Regierung von Basel-Stadt, aus das ...^es^ steh stüzend, d^.ese Behauptung verneinte.

Das Bürgerrechtsgesez des Kantons Ba.sel-.Stadt vom 11. Dezember 1866 enthält nämlich in ^ 7 solgende Vorschrift.

^,Wer sich mit einer ^ranensperson verlobt, die nicht bereits Bürgerin .^seiner Gemeinde ist, hat dieselbe vor der Beirat in^s Bürgerrecht ^aufnehmen zu lassen und sich zu dem Ende in der Stadt au. den ^tadtrath , in. den. Landgemeinden an den Statthalter zuhanden des ..Gemeiuderathes zu wenden. Aus deren Bericht entscheidet der Kleine .,Rath über die Aufnahme in's Gemeiudebürgerreeht.

.,^ür Bürgerinnen aus einer. audern Gemeinde des Kantons genügt ,,Aus.veis über Hei.m.t ^und guten ^eumden ; Richlkantousbürgerinuen ,,haben überdies eine Bewilligung ihrer heimatlichen Behordeu bei^n^bringen, o^der aber nachzuweisen . dass nach den Gesezen ihres Landes

,,eine solche Bewilligung nicht ertheilt wird.

..Heiratet ein Kanlonsbürger a..su..ärls eine Riehtkantonsbürgerin, "ohne vorher deren Annahme in's Bürgerrecht erhalten zu haben, so ,,.vird die ^rau nur insofern als Burgeri^ anerkannt, als die ^he nach ^der in dem be.trefseuden ^aud gesezlieh geltenden Forni abgeschlossen

,,und i^u Uebrigen nach hiesigen Ges...^n rechtsbeständig ist.

..Für das Unterlassen der vorherigen Anmeldung zum Bürgerrecht ..konnen die Gemeinden eine Ordnungsbusse bis auf ^r. 50 beziehen.^ Wir haben nun gesunden , dass wenn eine Bürgerin aus einer Landgemeinde mit dem gleichen ^schlechten Leumund wie .^ie Bannier sich behuss Vereheliehung znr Ansnahnie in das Bürgerrecht von Basel.^.^tadt gemeldet hätte, sie eben so gut hätte abgewieseu werden konnen wie diese.

Es ist also in Wirklichkeit zwischen Bürgerinnen anderer Kantone und Augel^orig...n anderer Gemeinden ^es Kautons als derjenigen . welcher der Bräutigam angehort , kein Unterschied gemacht . beide müssen sieh über guten Leumund ans.oeisen. und wenn der verlangte Answeis nieht zur ^..sriedenheit au^.illt, so kann ihnen die Ausnahme iu^s Bürgerrecht, resp. die Verehelichnng mit einem Gemeindebnrger verweigert werden.

Eine andere ^rage aber ist die, ob nieht das Basler^Gesez nach eine^r andern Richtung Ungleichheiten statuire , nämlieh zwischen Weibspersouen, die. bereits Bürger der Heimatgemeinde des Bräutigams sind, und solchen aus andern Kantonen oder andern Gemeinden, die erst dnreh die Ehe mit einen. Gemeindeaugehorigen dieses Bürgerrecht sich erwerben sollen. Da einige U..geu.issheit iu dieser Hinsicht obwaltete, so haben wir die Regierung von Basel^Stadt eingeladen, sich darüber vernehmen ^u lassen.

931.

Der daherige. Bericht vom 25. Mai 1870 spricht sich nun dahin ans, dass jener ^ 7 seit Jahren nicht von praktischer Bedeutung gewesen sei, indem Abweisungen von Bräuten äusserst selten vorkommen, nicht e i n e per Jal^r. im ganzen Karton, und nur. in .Fällen flagrantester Art, wie. z. B. gegen eine Karvlina Bannier. E.s habe also jener Paragraph mehr nur eine prinzipielle Bedeutung und bewirke .nicht, wie.das bei Unkenntniss der Verhältnisse behauptet und gelaubt werden moge, eine Verhindernng von Ehen.

Uebrigens stehe ^ie sragliche Gesezesvorsehrist keineswegs im Widersprnch.^ mit Art. 48 der Bundesverfassung. Aus Lemma. 2 des ^ 7, verglichen mit Lemma 1, ergebe sich deutlieh, dass eine Basleriu, die einen Basler heiraten wolle, aber ,, .nicht bereits Bürgerin s e i n e r .

G e m e i n d e ^ sei, ganz gleich behandelt werde wie eine Richti^antonsbürg..rin. Es finde ans beide die gleiche Gese.^esvorschrift Anwendung.

Die ^rschrist, dass Richtkantonsbürgexinnen eine Bewilligung ihrer hei-

mallen Regierang beibri^.geu müssen, ändere. nichts, da diese .Vorschrift eine Rüksu.ht auf die Geseze anderer Kantone und Länder enthalte. ^ Absolute Gleichheit zwischen Bürgern. und Richtbürgern sei ohnehin gar nicht moglieh u...d nicht denkbar, so lange der Begriff von Bürger überha..pt noch eine staatsrechtliche Bedeutung habe. Der Richtbürger müsste steh um ein Bürgerrecht bewerben , der Bürger besize es scho^. ; der Richtbürger müsse für Erlangung der Niederlassung gewisse Nachweise leisten, ^er Bürger wohne am .Orte vo.. Rechtes wegen. Der bestrafte, verarmte , fallite Niedergelassene werde ausgeschabt ; der Bürger konne bleiben tro^ solcher Mängel u. s. w. Der Grund aller dieser Unterschiede liege in der verschiedenen Rat^r der beiden Rechtsverhältnisse , welche die Bundesverfassung mit klaren Worten sesthal.te.

Judess erklärt die Regierung von Basel- .^tadt, dass sie auch zu Aenderungen bereit sei , wie sie bereits durch den Beitritt zum Ehekou.^ord^.t gezeigt habe. Sie thue es, der Ma.ht der Umstände weichend, bereits für auswärts geschlossene Ehen. Da ihr nnn aber durch die legten Verhandlungen ^er Wunsch ei^er bedeutenden Zal,l von Mit-

gliedern d.^r eidgenossis^hen Rätl^e bekannt geworden, so beabsichtige iie, de^.. Grossen Ratl^.. im ^a^..fe des Jahres n.id mit thunlichster Besorderung die Aushebung der bezüglichen Bestimmung des ^ 7 zu beantragen, wodurch dann , die kaum zweifelhafte Zustimmung des Grossen Rathes vorausg..sezt , der Rekurs Uehlinger saktisch seine Erledigung finden werde.

Aus dieser Berichterstattung ist zu entnehmen, dass. unsere srühere Ansieht, es wäre eine ^tadtbaslerin mit den gleichen Antezedentien im Falle einer beabsichtigte... Verehelichung mit einem Stadtbasler nicht anders behandelt worden al^ im vorliegenden ^alle die Bannier, d. h.

es wäre eine Ehebewilligung auch nicht gegeben worden (vide Motiv 2

932 unseres Beschlusses vom 14. Juni I869), aus einer unrichtigen Auslegung des srühern Schreibens der Regierung von Basel-Stadt beruhte.

Es darf nach den neuesten Ausschlüssen vielmehr angenommen werden, dass in diesem Falle den Behorden gar kein wirksames Einspruchsrecht gegen die Ehe zugestanden wäre. Würde ^Einspruchsrecht gegen die Ehe eines Gemeindebürgers mit einer Gemeindebürgerin aus Grund des schlechten Leumunds zulässig sein , so würde die Regierung von BaselStadt nicht ermangelt haben, dieses ausdrüklich zu bemerken.

Es ergibt sich also allerdings eine ungleiche Behandlung der Gemeindebürgeriuuen und der Richtgemeiudebürgeriunen im Ehereeht.

Mit den gleichen Eigenschaften und unter den ganz gleieheu Voraussezuugen kann der ledern die Verehelichung mit einem Ortsbürgex verhindert werden , während bei der erstern dieses nicht der Fall ist. Der Zwek dieser patriarchalischen Eiuriehtuug ist offenbar kein anderer, als liederliehen Weibspersonen das Einheiraten in die Gemeinde ^. verunmoglichen, während man solchen, die das Ortsbürgerrecht ohnehin schon haben , das Eingehen der Ehe nicht untersagen wollte.

Es ist eine solche Unterscheidung aber noch weniger zu rechtfertigen , als die Bestimmuugeu anderer Ehegese^gebuugeu, welche übelbeleumdeten Bersouen überhaupt das Heiraten erschweren , weil ^n befürchten st.^e, sie konneu eine a.lfällige Familie nicht ohne Belästigung der Gemeinde erhalten, oder weil sie keine Gewähr für eine ordentliche ^inderer^iehung bieten.

Der Vollständigkeit wegen wollen wir nicht unterlassen, anzuführen, dass der .Bundesrath im Jahr 1855 einen ähnlichen Rekurs gegen BaselStadt zu entscheiden hatte. Schon das damalige Gesez machte die Ausnahme iu's Baslerbürgerreeht zum Zwe^ der Verehelichung von. Leumundsehein der Braut abhängig, gegeu welche Bestimmung sieh eiu Baslerbürger beschwerte. Der Bundesrath wies den Rekurs ab. Es muss aber bemerkt werden, dass die damalige Braut eine ^ranzosiu war, welche^ sieh nicht auf die Vorschriften der Bundesverfassung berufen konnte.

Es kau^. also jene frühere ^ehlussnahme kein Bräeedenz für die Beurtheilung des vorliegenden Balles bilden (vide Ullmer, Rr. 619).

Wir kommen also, nachdem die nolhigen Aufhellungen nun vorliegen, ^u der Ansicht, es liege in dem Bürgerreehtsgesez des Kautons

Basel-^tadt vom 1l. Dezember 1866 eiue unzulässige Ungleichheit, da

der Ar^. 48 der Bundesversassung verlangt, dass alle ^d.weizerbürger.

in der Gesezgebung gleich gehalten werden sollen. Wollte mau aber auch annehmen , es liege eiue unzulässige Uugleich^eit nieht vor, weil die Riehtkantonsangehbrigen gleich gehalten werden wie die eigenen Angehörigen ans andern Gemeinden . so müsste eine solche Einwendung dahin sallen vor der klaren Vorsehrist des Art. 4^ der Bundesversassnng, der sagt .

"Alle Schweizer sind vor den.. Geseze gleich. ^

933 Unser Antrag geht nunmehr dahin : es sei die Besehwerde des Johann Adam Uehlinger begründet und die Regierung von Basel^Stadt einzuladen , die Ausnahme der Karolina Bannier ^ in das Bürgerrecht von Basel-Stadt und die Verehelichuug derselben mit dem Rekurrenten

zu bewilligen.

Jm Uebrigen benuzen wir den Anlass , Sie , Tit. , unserer vollkommenen Hochachtung ^u versichern.

Bern, den 24. Juni 1870.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, ^er B u n d e s p r ä s i d e n t :

^ .^. Dubs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schi^. .

.934

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B

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r

i ch t

des

schweiz. Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Angelegenheit Gschwind-Hohler.

(Vom 27. Juni 1870.)

Tit..

Joseph G schwind- Hohler von Therwil, Kts. Basel-Landschaft, richtete eine vom 3. Dezember 1869 datirle Eingabe an die BundesVersammlung, worin er gegen die Kompetenz der Vasler Gerichte in einer gegen ihn eröffneten Strafuntersuchung reklamirte. Unterm 2l. Dezember 1869 überwies der Ständerath diese Eingabe an uns zur Verichterstattung. Nachdem wir von den Regierungen der Kautone BaselStadt und Basel-Landsehast nähere Jnsormationen eingezogen haben, sind wir nun im Falle , über diese Angelegenheit solgenden Ber.eht zu erstatten.

Seit dem Jahr I868 traten verschiedene Bersonen in Therwil bei der Regierung von Basel-Stadt mit dem Begehren aus , dass sie eine Untersuchung erosfnen soll wegen einer Erbsehast, die in den Jahren

1832 oder 1833 in Folge des Todes eines Johann Veter Thomann von Monchenstein (Basel-Landschaft), gestorben in Essequebo , Brovinz Guyana, Britisch Jndien , eroffuet und im Betrage von 3 1/2 bis 4 1/2 Millionen Pfund Sterling aus England nach Basel gekommen , aber statt dem reehtn.ässigen Erben, Johann Jakob B a s l e r von und in Basel, an andere nicht berechtigte Bürger von Basel ansgeliesert worden sein soll. Unter den vorgeblieh rechtmässigen Miterben sigurirt aueh

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Bericht des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Rekurs des Joh. Adam Uehlinger, betreffend Eheverweigerung. (Vom 24. Juni 1870.)

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09.07.1870

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