540

#ST#

Bericht des

schweiz. Generalkonsuls in ..^urin (^rn. Ulrich ^ei^er oon

Altstatten) fur das .^ahr 1869.

(Vom 18. März 1870.)

An den hohen Bundesrath.

Wesentlicher Unterricht.

Die Vortheile , welche der öffentliche Unterricht einem Lande bringt , werden in Jtalien lebhaft gefühlt , und die neue Regierung hat sich beeilt, überall Schulen einzuführen.

Die Gemeinden, die Provinzen und der Staat bestimmen jährlich für den öffentlichen Unterricht folgende Summen : Die Gemeinden ungefähr . . .

.

. F r . 25,000,000

,, Vrovinzen D e r Staat .

. . . . . . , , 3,500,000 . . . . . . . . 16,000,000 Zusammen Fr. 44,500,000

Diese Summe zeigt Fortschritt.

gegenüber der Vergangenheit einen schonen

541 ^ek^nomiiche Rustaude ^talien.^.

Jn Bezug aus dieses Kapitel ist die Verbesserung augenscheinlich.

Die Lohne steigen beinahe überall sür alle Bewerbe und alle Handwerke. Die Arbeitergesellschasten zum Zweke der Uutersti.^ung ihrer Mitglieder im ^alle von Unterbrechung der Arbeit, von Krankheit oder Altersschwäche verbreiten sich mehr und mehr.

Die Städte v e r s ..h o n e r n fi.h und führen nü^liche Arbeiten. aus.

Die Eiuheit der Ges.^geb^ng, des Münzfusses. der Gewichte und Masse, die Aufhebung der Zollschranken, die Verschmelzung in der Armee und in den Beamten, die Verl..gnng des Regiernngssi^es, die Vermehrung der ^trassen und Eisenbahnen eutwikelten den Handel. Der Austausch der Produkte von ^rooinz zu Bx ...... i nz gewährt beträchtlichen gewinn und viele Jndustriezweige sahen ihren Markt sich vergrosseru. Besonders in der kaufmännischen Marine ^eigt sich dieser Fortschritt.

Die Lüsten Jtaliens, di^ Jnfeln mit Inbegriffen, besten eine Längenau^dehnung von 5400 Kilometern und 3326 Kilometern ohne die Jnseln.

. Die maritime Bevölkerung mit de.. Kapitänen und der Schiffsmannsehaft, die Schiffbauer und die Arbeiter zählen zusammen 150,000 Versonen.

Ans ..^en italienischen Wexkpläzen wurden im Jahre 1860 198

Seeschiffe mit l8,290 sonnen, im Jahr 1865 aber bereits 313 mit 56,3 l 7 Tonnen gebaut, und von Jal^.r zu Jahr steigt ihre Zahl und besonders ihre Haftfähigkeit. Die Bestrebungen des Grafen E a v o u r zielten besonders a^.f diesen Bunkt hin; denn bereits im Jahr I851 erklärte er , dass wenn die italienische Marine die Konkurrenz mit den Grossstaaten aushallen w.olle, sie sich hinsichtlich ihrer Koustruktiousweise einer gründlichen Umänderung unterziehen und von kleinen ^eeschiffen abseh.n n^üsse.

Weil wir eben von Schiffahrt sprechen, so wollen wir auch die Hoffnungen nicht unerwähnt lassen , wel.he die Jtaliener an die Erosfnuug des Suezkanals knüpfen. Jtalien wird wiederum der Stappelplaz mit dem Orient , und schon seit einiger ^eit hat die indische Briespost ihren Weg über die Halbinsel von Brindisi nach Suza eingeschlagen, und zwar mit einer Zeitersparniss von 24 bis 48 Stunden gegenüber der Route von Marseille.

Die Stellung Jtalieus wird no.h wesentlich gewinnen durch den

Durchstich der Alpeu. Derjenige des Mont Eenis , dessen Gallerie 12,200 Meter zählen ....ird, ist bis ans 1500 Met.... vollendet. Die Vollendung dieses grossartigeu, im Jahre 1857 begonneneu Unteruehmens ist also nahe bevorstehend. Der Durchstich wird vermutlich im

542 Jahre 1871 vollendet sein. Die Regierung hat mit ^rossen Opfern die Herstellung der Eisenbahnen gefordert. Jm Jahre 1859 hatten die im Betriebe stehenden italienischen Eisenbahnen eine Länge von bloss 1603 Kilometern, am 3l. Januar 1867 4840 Kilometer, heute ungefähr 5400 Kilometer. Wenn auch das italienische Territorium einen kompakten Zusammenhang darstellt, wenn die Landesgrenzen durch die Ratnr scharf bezeichnet sind , so wird Jtalien nach allen Seiten hin durch kreuzende Schienenwege mächtig zu dessen Einheit beitragen.

Der Ertrag der Eisenbahnen belies sich leztes Jahr ansFr. 85,000,000.

Anch der Landbau ist im Fortschritte begriffen. Jn allen Brovinzen treten die Landwirthe und Fachmänner zu Akerbaugesellschasteu zusammen, welche sich bestreben, die Methoden zu verbessern, die Bedürfnisse der Laudwirthschast kennen zu lernen , Ausstellungen zu ver^ anftalteu und nüzliehe Renerungen einzuführen.

Die statistischen Angaben der Regierung berechnen den mittlern Ertrag des Weines aus 30 Millionen Hektoliter im Werthe vou ungefähr einer Milliarde. Diese Produktion ist einer starken Vermehrung und Verbesserung der Qualität fähig, indem namentlich die Bereitung

des Weines viel zu wünschen übrig lässt. Einzelne Rebenbesizer haben

indessen schon bemerkenswerthe Fortschritte gemacht, und mehrere Oualitäten werden im Auslande geschäht. Seit einigen Jahren ist der Exporthandel mit Schlachtvieh, Achsen und Schasen von Jtalien ans nach Frankreich im Annehmen begrissen , zum grossen Vortheil der Wiesenbesizer.

Durch künstliche Bewässerung sind nunmehr die nordliehen Provin^n ebensalls im ..Stande, nach den mittleren Vrovinzen Futter auszuführen. ; diejenigen des Südens finden dagegen in dem Rorden ein Absazgebiet für ihr Getreide und ^,el. ^iemont vergrossert und verbessert sein Bewässerungssystem , indem es sieh hiezu der seine Thäler durchströmenden Gewässer bedient. Der .^anal Eavour , der ungefähr 6.) Millionen kostete, entzieht dem Vo in Ehivasso l 10 Meter Wasser in der Sekunde, und einige Meilen weiter nimmt er in ..^alnggia die Dora Bal.tea ans, welche, aus. dem Aostathal ausmündend,^ ihm alle Gewässer der Gebirgsmassen des grossen und kleinen ^t. Bernhards zuführt. Der Kanal hat eine .Länge von 80 Kilometern, und durchschneidet die Brovinzen Vereelli, Rovara und Lomellina, also das Eeutrum der

Reisproduktion.

Jm Jahr 1867 ex^istirten in Jtalien 177 Ersparnisskassen ..mit

ungesähr 129 Millionen, an denen 180,000 Bersonen betheiligt waren. Heute übersteigen die Ersparnisskassen die Zahl von 200, die

eingelegten Summen belaufen sich ans 250 Millionen mit 450,000 Einlegern. Diese Zahlen sind ein erfreuliches Resultat. Die maiindische Ersparnisskasse verdient eine ehrenvolle Erwähnuug mit ihren

Zahlreichen Filialen und ihrer Einlage von mehr als 100 Millionen. Die Ersparnissen der. Romagna, welche den Dienst von Volksbanken ^ersehen, verdienen ebenfalls erwähnt zu werden.

Jndem wir von dem^ osfentlichen Wohlstande sprechen, darf hier nicht übergangen werden, dass im Jahre 1866 die fremden Geldmärkte .starke Quantitäten italienischer Renten wiederum diesem Lande zuführten. Zu sehr uiedrigen Kursen angekauft, dürfen sieh die italieni^chen Kapitalisten über diese Erwerbung nur freuen.

Schone Gewinuste wurden gleichfalls erzielt durch den Aukauf der Domänen und Kirehengüter. Die ökonomische uud finanzielle ^age des Landes ist demnach von derjenigen der Regierung sehr verschieden.

Jm Jahr 1869 wurden die gewohnlichen und aussergewohulichen

.Einnahmen aus ^r. 1,003,422,000 berechnet.

Die gewöhnlichen Eiunahmen allein auf Unter welchen die

..^rnndsteuer ^ebäudesteuer ^obiliarsteuer ^rbschasts- u.

Zölle . .

.Konsumosteuer Salz . .

.Lotto . .

Vosten .

.

.

.

.

.

H.^pothekarsteuer . . . , .

.

.

. . . , . . . , . . . ,

^r.

,, ,.

,, , ,, , , ,

.

Fr. 850,000,000

122,000,000 ^0^000,000 100,000,000 99,000,000 80,000,000 58,000,000 71,000,000 80,000,000 .l6,000,000

Die Mobiliar- und die Konsumofteuern sind jedoch sehr schwer ^u erheben und weisen auch bedeutende Rükstände auf.

Ju der oben erwähnten Schwung ist die neu errichtete Mahl-

steuer nicht inbegrisseu , indem ihr Ergebniss nicht die Hälfte der im Büdget vorgesehenen 70 Millionen erreicht und deren Erhebung bedeutende Auslagen veranlasste, die in Wirklichkeit den verschiedenen Ministerien zur .....ast fallen.

Die ordentlichen und außerordentlichen Ausgabeu wurden im Budget

.^on 1869 aus ^r. 1,099,6....3,592 geschäht.

Die ordentlichen Ausgaben allein steigen auf unter welchen wir hier ausühreu :

Die Verzinsung der Staatsschuld ^r. 400,000,000 ., Eisenbahn-Garantien . ,, 58,000,000 ,, ^illiste . ,, 12,250,000

^r. 950,000,000

Das Kriegsministerium .

,, Ministerium der Marine ,, ,, des Jnnern ,, Justizministerium .

,, Finanzministerium .

.

.

.

.

.

Fr.

,, ,, ,, ,,

135.000,000 27,000,000.

46,^00,000 30,000,000 84,000,000

Die Gesammtausgaben können auch bei der grossten Sparsamkeit nicht unter eine Milliarde heruntergesezt werden. Allein das Staats-

büdget ist uicht die einige drükende Last der Bevölkerung ; es kommt

hiezu noch dasjenige der gemeinden und der Brovinzeu , welchen man mittelst einem Steuerschlag (Centimes additionnels) zu den Staatssteuern und besondern Ta.^en begegnet. Die Ausgaben der Brovinzen steigen auf 66 Millionen, diejenigen der Gemeinden ungefähr aus 356 Millionen

jährlich.

Die Ausgaben der Regierung der Broviuzen und der Gemeinden

betrugen im Jahr 186.) ungefähr l .^00 Millionen, und da die Bevölkeruug des Königreichs Jtalien 24,270,428 Seelen beträgt, so entfallen aus den Kopf der Beoolkernng als Autheil an diesen Ausgaben Fr. 62

jährlich.

Da man viele dieser Ausgaben mittelst Anleihen dekt, so ist die

Last sür die Gegenwart nicht so bedeutend. Angesichts der Verbesserung der ökonomischen Zustände Jtaliens ist man ^u den. Schlusse berechtigt, dass die Bevolkernng noch im Stande ist, den finanziellen Bedürfnissen der Regierung aufzuhelfen. Jtalien hat viele Schwierigkeiten überwunden; es wird auch uoch die legten zu^ überwinden wissen. Was man diesem .Lande wünschen muß, ist, daß sich im Parlament eine Mojorität und in der Ration eine öffentliche Meinung zu Gunsten eines Grundsazes und eines genau bestimmten und begrenzten finanziellen Programms bilde.

.^ie kommerziellen Rustaude italien.., und llebersicht feiner Beziehungen zur Schweiz.

Der kommerzielle Werth der in Jtalien konsnmirteu und eingeführten Brodukte und der Werth der ex^portirten italienischen (den Transit nicht inbegriffen) betrug im Jahr 1868 die Summe von Fr. 1,683,670,000.

Die eingeführten Waaren belausen sieh auf .

,, ausgeführten

,,

,,

,,

Fr.

896,569,000

,, . " 787,101,000 Total ^r. 1,683,670,000

Der wichtigste internationale Verkehr Jtaliens fand statt mit Frankreich , Oesterreich , England , der Schweiz , den Vereinigten Staaten Rordamerika^s und der Türkei.

545 Folgendes sind die nähern Angaben bezüglich des Jahres 1868 (die pou 1869 sind noch nicht veröffentlicht): Aussuhr und Einfuhr nach und von Frankreich . . . . ^22 Millionen.

Österreich . .. ^ . . 3l)8

England . . . . . 2.)..)

Schweiz . .^ . . . ^182

,, ,,

den Vereinigten Staaten

^

Türkei

711/2

. . . . ..

51

,,

Es ergibt sich hieraus , dass , ungeachtet des ^wangskurses der Banknoten , der Werth der Einfuhr denjenigen der Ausfuhr übersteigt,

wenn nämlich diese Angaben richtig sind.

^a der Aussuhrzoll Jtaliens geringer ist als derjenige der Einfuhr und eine untergeordnete Menage von Waaren betrifft , so ist es moglich, dass die Statistik der ausgeführten Waaren iu Bezug auf Genauigkeit etwas zu wünschen übrig lässt.

Es ist uoch hiusichtlich der an Jtalieu ^greu^enden Länder zu bemerkeu , dass in dem Verkehrsantheil jedes Landes viele Waaren , die nur durchgehen, in den Ausfuhrartikeln inbegrisfen sind, wie z. B. die für den Zollverein und Belgien bestimmten Waaren , welche Frankreich und der Schweiz zugeschlagen werden, während sie doch nur vorübergehend deren Gebiet berühren.

Rach diesen allgemeinen Betrachtungen gehen wir nun zu dem zwischen Jtalien und der Schweiz stattfindenden Verkehr über , welcher die Summe von 182 Millionen erreicht und sieh in solgenderweise vertheilt :

Einfuhr Aussuhr

.

.

.

.

^r. 61,000,000 ,, 121,000,000

^ie Einfuhr der Schweiz nach Jtalieu vertheilte sieh iu solaeuder Weise :

Seide, rohe Seidene Gewebe .

.

Baumwollene Gewebe .

Wolleue Gewebe .

.

.

.

Baumwollengaru Gewebe aus Hanf und flachs

Käse . . . . .

Kälber, Ziegen, Schafe . .

Ochsen, stiere, Kühe .

.

Bserde, Maulesel, Esel .

Uhren . . . .

Kurzwaareu . . .

Maschinen . . . .

^r. ^ ,, 1,450,000 ,, 10,500,000 ,, 5,500,000 ,, .,

,, ^ ,, ,, ,, ,, ,, ,,

1,300,000 1,100,000

6,500,000 1,400,000 1,150,000 400,000 1,200,000 700,000 700,000

546 Hinsichtlich der Ausfuhrartikel verdienen noch folgende besondere . Erwähnung :

Rohe Seide . . . . .

^fälle von nicht gesponnener Seide .

Reis, Getreide und verschiedene Eerealien Gegohxene Getränke . . . . , Eoeons . . . . . . ,

Fr.

,, ,, , ,

96,800,000 9,000,000 6,200,000 2,300,000 1,300,000^

Jch erwähne noch folgende drei Länder, aus welchen Produkte dureh Jtalien transitiren : aus Oesterreich für 50 Milliouen, ,, Frankreich ., 13 ,,

,, der Schweiz ,,

10^

,,

Von den durch Jtalien ^ gehenden fremden Waaren gingen : nach Oesterreich .

.

.

.

.

Fr. 51,000,000

,, den Republiken Südamerikas . ,, 7,000,000 ,, der Schweiz . . . . , , 6,300,000 ,, Frankreich . . . . . , , 4,800,000

Jm Ganzen erreicht der Handelsverkehr zwischen der Schweiz und Jtalien (Einsuhr und Aussuhr) und der Transit von und nach der Schweiz durch Jtalien die .^umme von ungesähr 200 Millionen jährlich.

Diese Zahlen bieten ein ersrenliches Resultat , sie sind ein Beweis des wachsenden Wohlstandes beider Länder, des gegenseitigen Zutrauens, und diese Beziehungen konneu auch aus die bevorstehende VerBesserung der Verkehrswege^ nur sörderud einwirken.

Die durch ihre Volksbildung, ihre Kapitalien und ihren längst anerkannten Gewerbssleiss stark gewordene Schweiz wird in Jtalien fortwährend einen vorteilhaften Absaz für ihre Brodukte finden. Jn anderer Beziehung aber von der Ratnr weniger reich ausgestattet als Jtalien wird sie von diesem Lande Nahrungsmittel und Rohstoffe eintauschen, welche ihr der Himmel versagt hat.

547

#ST#

Summarische Uebersicht der

Ein-,

Aus-

und Durchfuhr

in der Schweiz

im Monat März 1870 gegenüber l869.

Mit

Angabe der wichtigsten Artikel dieses Verkehrs.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Generalkonsuls in Turin (Hrn. Ulrich Geisser von Altstätten) für das Jahr 1869. (Vom 18. März 1870.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1870

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

16

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.04.1870

Date Data Seite

540-547

Page Pagina Ref. No

10 006 464

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.