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Schweizerische Bundesversammlung.

Die vereinigte Bundesversammlung hat am 17. Juli 1912 zu Mitgliedern des Bundesrates für den Rest der laufenden Amtsperiode, an Stelle der verstorbenen Herren Deucher und Ruchet gewählt : Herrn Nationalrat Camille D e c o p p e t , von Suscévaz, in Lausanne, Herrn Ständerat Edmund S c h u l t h e s s , von und in Brugg.

Die zweite Abteilung der ordentlichen Sommersessiou ist am 17. Juli 1912 geschlossen worden. Die Übersicht der Verhandlungen wird in einigen Tagen als Beilage zum Bundesblatt erscheinen.

Hinscheid des Herrn Bundesrat Buchet.

Am 13. Juli abends ist Herr Bundesrat Marc R u c h e t in Bern gestorben.

Der Bundesrat hat den Mitgliedern der Bundesversammlung, dem Bundesgericht, den Direktoren der internationalen Bureaux, der schweizerischen Bundesbahnen und der Nationalbank, sowie der Kantonsregierungen durch folgendes Schreiben hiervon Kenntnis gegeben : Kaum haben wir dem verehrten Senior unseres Rates, Herrn Bundesrat Adolf Deueher, die letzte Ehre erwiesen, sind wir in der schmerzlichen Lage, Ihnen Kunde geben zu müssen vom Hinscheid unseres lieben Kollegen Herrn Bundesrat Marc R u c h e t , welcher gestern, Samstag abends 6 Uhr 40, nach langer Krankheit im Alter von 58 Jahren verstarb.

Herr Ruchet, Bürger von Bex, geboren am 14. September 1853 in St-Saphorin bei Morges, machte im Jahre 1878 das Staatsexamen als Fürsprech, wurde alsdann Associé von Louis Ruchonnet und folgte ihm später in der Leitung des Bureaus, welches er bis 1894 behielt.

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Mitglied des Grossen Rates seit 1883 und Präsident dieser Behörde im Jahre 1887, wurde Herr Ruchet Anno 1894 zum Mitglied des Staatsrates des Kantons Waadt gewählt und präsidierte denselben 1898 ; er war beständig mit der Leitung des Unterrichts- und Kultusdepartements betruut. Auf diesem Gebiete entwickelte er eine fruchtbare Tätigkeit und glückliche Initiative, indem er seine ganze Sorgfalt der Förderung des Unterrichtswesens widmete, das Aufblühen der jungen Universität von Lausanne sicherte und jenes Gesetz über die Erhaltung der historischen Denkmäler schuf, welches in der Schweiz und im Ausland zum Vorhilde wurde.

34 Jahre alt, im Jahre 1887, wurde Herr Ruchet in den schweizerischen Ständerat gewählt. Von 1894 an entfaltete er die doppelte Tätigkeit eines Magistraten und eines Parlamentariers.

So war er denn für die Bundesversammlung der gegebene Mann, als es sich im Jahre 1899 darum handehe, den zum Weltpostdirektor gewählten Herrn Ruffy im Bundesrat zu ersetzen. Am 14. Dezember 1899 zum Bundesrat gewählt, stand er beständig dem Departement des Innern vor, mit Ausnahme des Jahres 1904, in dem er das Finanz- und Zolldepartement leitete, und der Jahre 1905 und 1911, in denen or als ßundespräsident Vorsteher des Politischen Departements war.

An der Spitze des Departements det; Innern, welches die mannigfaltigsten Dienstleistungen und d!e verschiedenartigsten Gebiete umfasst, war Herr Ruchet am rechten Platze, um seine Eigenschaften als Administrator zu entfalten. Auf seinen Antrieb ·wurde das Departement mit einer neuen Organisation versehen ; die Landesbibliothek, das Polytechnikum, das Landesmuseum, das Amt für Mass und Gewicht, sie alle wurden mächtig ausgebaut. Wichtige Gesetze, so das Gesetz über die Bundessubvention an die Volksschule und das Lebecsmittelgesetz, wurden erlassen ; andere wurden vorbereitet, so das Gesetz ü ber die Nutzbarmachung der Wasserkräfte, das eine Wohltat für unser Land zu werden bestimmt ist.

Vor allem nahm unser teurer Kollege lebhaftes Interesse an der Volksbildung, an der Entwicklung der Wissenschaften und Künste. Tausende, die durch das Hochwasser von 1910 geschädigt wurden, bewahren ihm ein dankbares Andenken für die mustergültige Art und Weise, auf welche er die Liebesgabensammlung zu organisieren und deren Ertrag an die Heimgesuchten zu verteilen wusste.

141 Mit aller Anstrengung und Selbstbeherrschung, denn die Krankheit hatte ihn bereits in gefährlicher Weise ans Bett gefesselt, kam Herr Buchet bei der Beratung des Geschäftsberichts pro 1911 noch in den Nationalrat, um die Führung seines Departements und desjenigen des Herrn Bundesrat Deucher, dessen Stellvertreter er war, zu vertreten. Aber seine Kräfte verliessen ihn, er musste von neuem das Krankenlager aufsuchen, und bald nachher fühlte er sich von der Krankheit überwältigt, so dass er um seine Entlassung als Mitglied des Bundesrates einkam. Da indessen die Bundesversammlung über sein Gesuch noch nicht entschieden hat, so stirbt Herr Buchet als Bundesrat, auf seinem Posten der Ehre und der Pflicht.

Mit Ihnen werden wir diesen hochgebildeten und leutseligen, gerechten und humanen Kollegen und Magistraten, dessen Tod das ganze Land in Trauer versetzt, in liebevollem Andenken behalten.

Am 15. Juli gedachten die Präsidien der gesetzgebenden Räte folgendermassen des verstorbenen Herrn Bundesrat R u c h e t : Nachruf des Herrn Nationalratspräsidenten Wild: Meine Herren Nationalräte !

Der Tod hält reiche Ernte. Dem Senior des Bundesrates, der vor wenigen Tagen zur ewigen Ruhe eingegangen, folgt sein Freund und Kollege Bundesrat Ruchet.

Als letzte Woche die Mitteilung seiner Demission den Räten vorlag, war seine Kraft ja wohl gänzlich gebrochen. Leidvollen Herzens hat er von seinem Amte Abschied genommen. Noch bevor die Bundesversammlung sein Rücktrittsgesuch vornehmen konnte, hat ein Stärkerer das Schicksal gesprochen. Wir stehen an seinem Grabe.

Emil Marc Ruchet, seit Dezember 1899 Mitglied des Bundesrates, ein treuer Sohn der Waadt, hat in seinem Amte vor allem ein Wirkungsfeld im Sinne der Hebung aller kulturellen Verhältnisse des Vaterlandes gesucht und gefunden. Das von ihm vornehmlich verwaltete Departement des Innern rief ihn zur Leitung jener sympathischen und für unser Land so wichtigen Bestrebung, die auf den Ausbau unserer geistigen Güter gerichtet sind.

Mit feinem, unbefangenem Sinne hat er, aufbauend auf seiner eigenen umfassenden Bildung und Erfahrung, die mannigfachen

142 Kräfte zu verstehen und zu fördern gewusst, die irn Schweizerlande von sich aus hohe Kulturarbeit leiaüen, unter Führung des Bundes aber um so reichere Früchte bioten.

Von innerstem Herzen seinem Heimatkanton zugetan, ist Ruchet unser Land wohl geistig als ein Gfanzes erschienen j aber sorgsam hütete er auch alles, was sein® Eigenart als Gebilde, geformt aus historisch selbständigen Teilen, wahren koante.

Nicht im engen Sinne, nicht unter Bevorzugung eines Teiles, sondern in der Überzeugung, dass einem jeden sein Recht werden müsse -und dass eines jeden Ort und Anspruch gleichen Wertes sei. Darin sah er die Gewähr für sein stetes Sichverstehen und gemeinsames Fortschreiten.

Schweres Herzeleid hat ihn vor wenigen Jahren getroffen, als die Gattin, mit der ihn innigste Sympathie verband, von einem unerbittlichen Leiden befallen, ihm entrissen wurde. Seine Kraft war tief erschüttert ; nur mit äusserster Anstrengung raffte er sich auf, um in seiner Amtstätigkeit neues Leben zu finden und das Andenken der Verstorbenen im Lichte der Arbeit zu wahren. Da ergriff auch ihn Krankheit und schwächte aufs neue sein Wirken. Er hielt aus bis an den Rand des Grabes.

Wenige von uns mögen geahnt haben, mit welcher Selbstverleugnung, mit welchem letzten Aufgebot der so schwer geprüften Kraft er, von Fieber verzehrt, in der letzten Session noch unter uns seines Amtes waltete, und, dem dringenden Gebote des Arztes zum Trotze, nicht davon abstehen wollte. Er hat damals sein letztes ausgegeben. Nun können wir nichts anderes mehr tun, als ihm am Sarge dafür die letzte Ehre erweisen.

Der Mann mit dem reinen, zuverlässigen Charakter, mit dem für alles Edle und geistig Wertvolle so tief empfindenden Geiste, der Patriot, dem sein Land, das engere wie das weitere, so teuer war -- möge so sanft ruhen und überall ein treues Andenken hinterlassen.

Nacliruf des Herrn Ständeratspräsidsnten Galmider : Meine Herren Ständeräte !

Kaum hatte sich das Grab über dem unvergesslichen, hochverdienten Staatsmann und Volksführer Bundesrat Deucher geschlossen, so pochte schon wieder der Tod an die Pforte des Bundeshauses. Letzten Samstag abend verschied Bundesrat Marc Ruchet, der edelgesinnte, seinem Lande treu ergebene Magistrat.

143 Als wir anfangs der letzten Woche vom Entlassungsgesuche Ruchets Kenntnis nahmen, wünschten wir ihm von ganzem Herzen Genesung und einen ruhigen Lebensabend. Wie sehr hätten wir uns gefreut, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, noch einige Jahre in stiller Zurückgezogenheit zu verloben und der Pflege und Förderung seiner hohen Ideale zu widmen. Es ist anders geworden. Die Krankheit hatte sein Lebensmark allzusehr untergraben und nicht die von uns so heiss ersehnte Genesung, sondern nur der Tod sollte ihn aus schweren Leiden erlösen. Seit mehreren Tagen war sich Ruchet seines hoffnungslosen Zustandes völlig bewusst. Bis zuletzt war ihm die Klarheit des Geistes beschieden und ruhig, mit edler Passung sah er seiner Auflösung entgegen.

Vor wenigen Jahren starb die hochgesinnte Lebensgefährtin Ruchets, mit der er in innigster Seelengemeinschaft lebte und die gemeinsam mit ihm auf dem Gebiete der Wohltätigkeit und Gemeinnützigkeit eine segensreiche Tätigkeit entfaltete. Von jenem schweren Schlag hatte Ruchet sich nie ganz erholt. Er konnte den Schmerz über den Verlust seiner Gattin nicht verwinden.

Wohl suchte er sein Herzensleid in fleissiger, hingebender Amtstätigkeit zu vergessen, aber vergebens. Die Lebensfreude seines zartbesaiteten Gemütes war dahin, seine Lebenskraft gebrochen -- allzufrüh gebrochen. Und rasch, unerwartet rasch, vollzog sich sein Geschick, nachdem er, von der Sorge um das Wohl des Landes hierzu bewogen, seine Demission eingereicht hatte. Es war vom Schicksal bestimmt, dass Bundesrat Ruchet im Amte sterben sollte.

Tiefbewegt stehen wir heute an der Bahre unseres so schwer geprüften Magistraten, und es ist niemand im Schwei/ervolke, der sich dieser tiefen Trauer entziehen könnte.

Wir haben der Charaktereigenschaften, der politischen Persönlichkeit und der Verdienste Ruchets bei der Entgegennahme seiner Demission gedacht, und es länge ganz und gar nicht im Sinne des Verstorbenen, wollten wir schon Gesagtes in ausführlicher Weise wiederholen. Er liebte die vielen Worte nicht. Ein treuer Händedruck war ihm mehr als eine lange Lobrede, und so hat er auch letztwillig verfügt, dass ausser dem Pfarrer niemand anlässlich seines Begräbnisses reden solle. Und doch ist es uns innerstes Bedürfnis, ihm heute nochmals unsern Dank und unsere Anerkennung auszusprechen. Es sei mir in Anlehnung
an meine Abschiedsworte vom 10. Juli gestattet, in bezug auf seine l e g i s l a t o r i s c h e Tätigkeit folgende hauptsächlichste Werke zu erwähnen, an deren Zustandekommen er an leitender Stelle ge-

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arbeitet hat: Die Wiederherstellung der Subvention für die schweizerische Kunst, die Hülfskasse für die Witwen und Waisen der Professoren an der eidgenössischen technischen Hochschule, die Unterstützung der Primarschulen durch den Jiund, das neue eidgenössische Forstgesetz, das eidgenössische Lebensmittelgesetz, die Verfassungsrevision betreffend die Nutzbarmachung der Wasserkräfte und der Gesetzesentwurf zur Ausführung dieses Verfassungsartikels, das Gesetz betrefiend Mass und Gewicht, Reorganisation der Landesbibliothek.

Nicht minder fruchtbar war seine Verwaltungstätigkeit. Er war seit seinem Eintritt in den Bundesrat stets Vorsteher des Departements des Innern, mit Ausnahme des Jahres 1904, in dem er das Finanzdepartement leitete, und der Jahre 1905 und 1911, in denen er das Bundespräsidium inné hatte. Die Leitung des vielgestaltigen Departements des Innern ist keine leichte Aufgabe, aber Buchet widmete sich ihr mit grosser Liebe. Namentlich brachte er allen Fragen betreffend die Landesbibliothek, das Landesmuseum und das Polytechnikum das lebhafteste Interesse entgegen. Ganz besonders das letzte Institut verliert an ihm einen treuen, stets hülfsbereiten Freund. Mit welcher Hingabe er sich im Jahre 1910 der durch das Hochwasser heimgesuchten Gegenden annahm und welche Mühe er sich gab, um die Sammlung der Liebesgaben zweckmässig zu organisieren, ist noch in frischer Erinnerung. Doch das sind nur einzelne Details aus seiner reichen Verwaltungstätigkeit.

So hat Ruchet, obwohl er nach aussen infolge seiner angeborenen Bescheidenheit und Zurückhaltung nicht stark hervortrat, auf mannigfachen Gebieten und in mannigfacher Weise die Wohlfahrt seines Landes wirksam gefördert.

Das Amt eines Bundesrates wurde ihm 1899 durch die damalige politische Situation übertragen. Aus Pflichtgefühl gegenüber seinem Heimatkanton und der Eidgenossenschaft nahm er es an und brachte damit ein weitgehendes persönliches Opfer.

Und dieser selbstlose, zuverlässige Charakter des feingebildeten Patrioten hat sich bis zuletzt bewährt. Nie werden wir vergessen, wie Ruchet in der letzten Junisession, damals schon durch schwere Krankheit tief gebeugt, mit äusserster, fast übermenschlicher Anstrengung im Nationalrat erschien, um als Chef seines Departements und als Stellvertreter seines Kollegen Deucher an der Beratung des Geschäftsberichts teilzunehmen.

Morgen werden wir die sterbliche Hülle des Dahingeschiedenen nach seinem geliebten Heimatkanton, an welchem er mit allen

145 Fasern seines Herzens hing, geleiten, um ihn unter allgemeiner, aufrichtiger Teilnahme neben seiner treuen Lebensgefährtin zur letzten Ruhe zu betten. Die Verdienste aber und die edle Persönlichkeit von Bundesrat Ruchet werden fortleben in der dankbaren Erinnerung des Schweizervolkes.

(Zu Ehren des Verstorbenen erheben sich die Räte von den Sitzen. Zum Zeichen der Trauer werden die Verhandlungen abgebrochen.)

Am 16. Juli, vormittags l 01/4 Uhr, fand in der Heiliggeistkirche in Bern ein Trauergottesdienst statt. Nach Schluss der Feier wurde die Leiche zum Bahnhof begleitet und nach Lausanne überführt, woselbst eine von den kantonalen Behörden angeordnete Trauerfeierlichkeit stattfand.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 9. Juli 1912.)

Für das V. eidgenössische Flobertschützenfest in Luzern (15.--19. August 1912) wird eine Ehrengabe, bestehend aus 2 Ordonnanzfeldstechern mit Futteral, bewilligt.

(Vom 12. Juli 1912.)

Die Betriebseröffnung der elektrischen Strassenbahn BernZollikofen ist auf Samstag, 13. Juli 1912, unter einigen Bedingungen gestattet worden.

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