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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Eisenbahn von Willisau nach Nebikon.

(Vom 12. November 1912.)

Tit.

Ein durch die Herren A. Bühler, Kaufmann, Dr. J. Grüter, Tierarzt, beide in Willisau, Nationalrat A. Erni in Altishofen und Grossrat J. Galliker in Willisauland vertretenes Initiativkomitee ersuchte mittelst Eingabe vom 25. Januar 1912 um Erteilung einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Normalspurbahn von Willisau nach Nebikon. In ihrem allgemeinen Berichte führen die Konzessionsbewerber einleitend aus, die Bahnlinie Basel-Luzern folge von Aarburg an auf 16 km Länge dem alten Verkehrsweg durch den flachen, sanft geneigten Talboden der Wigger. Mit nur 5 °/oo Steigung gelange sie in nahezu gerader Richtung bis zur Station Nebikon. Hier biege sie im rechten Winkel aus dem Wiggertal nach Sursee ab und erreiche, dem Sempachersee entlang kaum merklich ansteigend, die Wasserscheide der Seebecken von Sempach und Luzern bei Rothenburg.

In einem Gegengefäll von 16 °/oo gewinne sie den Talboden der Reuss bei Emmenbrücke. Ursprünglich habe man die Bahn nicht aber Sursee, sondern weiter durch das obere Wiggertal projektiert und es soll seinerzeit einmal beschlossene Sache gewesen sein., sie über Willisau, Wolhusen und Malters nach Luzern zu führen.

218 Mit der Eröffnung der Linie Aarburg-Luzern um die Mitte des letzten Jahrhunderts sei Willisau vom Verkehr der inneru Schweiz mit dem Unterland, der früher zum Teil den Weg durch das Wiggertal eingeschlagen habe, abgeschnitten worden. Der Verkehrsentzug habe einen Rückgang von Handel und Wohlstand zur Folge gehabt. In den siebziger Jahren seien vergebliche Anstrengungen gemacht worden, um das Städtchen durch eine Strassenbahn mit der Linie Sursee-Aarburg zu verbinden. Eine Wendung in den Verkehrsverhältnissen sei erst im Jahre 1895 mit der Eröffnung der Huttwil-Wolhusen-Bahn eingetreten, welche Willisau endlich die ersehnte Verbindung mit der Kantonshauptstadt und in nördlicher Richtung über Huttwil zugleich einen Zugang zur Linie Olten-Bern in Langenthal gebracht habe.

Seither habe es sich mehr und mehr erwiesen, dass die HuttwilrWohlhusen-Bahn allein dem Verkehrsbedürfnis von Willisau und Umgebung nicht zu genügen vermöge. Durch die Führung der Linie Luzern-Olten über Sursee sei Willisau abseits der grossen, aus der innern Schweiz nach dem Rhein führenden Verkehrsader zu liegen gekommen. Die Bahn Huttwil-Wolhusen habe hierfür nur unvollkommenen Ersatz gebracht. Insbesondere sei die Verbindung mit Ölten, die auf den Umweg über Huttwil-Langenthal angewiesen sei, ungenügend ausgefallen. Dieser Umweg nach Ölten sei es vor allem, der dem alten, schon in den siebziger Jahren angestrebten Bahnprojekt Willisau-Nebikon von neuem gerufen habe.

Aus dem Mangel ausreichender Verkehrsmittel erkläre sich die verhältnismässig langsame Entwicklung des Städtchens Willisau.

So lange der direkte Anschluss an die Hauptlinie Luzern-Olten fehle, werde keine Industrie aufzukommen vermögen, für deren Entfaltung viele Vorbedingungen, flaches Land, grosse Waldbestände, Rohmaterial für Ziegeleien, zentrale Lage im Innern des Landes, verhältnismässig geringe Entfernung grösserer Städte, vorhanden seien. Ähnliche Vorteile wie der Stadt werde die projektierte Bahn den heute hoch ganz auf die Landwirtschaft angewiesenen Landgemeinden bieten.

, Im Zusammenhang mit dem Fehlen der Industrie stehe die verhältnismässig geringe Zunahme der Bevölkerung in den letzten 10 Jahren. Einzelne G-emeinden seien zurückgegangen, in ändern habe die letzte Volkszählung zwar eine kleine Zunahme konstatiert, doch weise keine einzige Gemeinde eine normale Vermehrung auf. .Die ßevölkeruug des gesamten Bezirkes Willisau sei

219 von 29,531 Einwohnern im Jahre 1900 auf 30,791 im Jahre 1910 gestiegen; die Vermehrung betrage somit nur 4°/o.

Schon eine oberflächliche Orientierung mit Hülfe der Eisenbahnkarte lasse die Vorteile einer Bahn von Willisau nach Nebikon erkennen. Sie verbinde die Bahn Huttwil-Wolhusen an der Stelle mit der Bahn Olten-Luzern, wo sich die beiden Linien am nächsten liegen. Zwischen Luzern und Aarburg bilde sie die einzige linksseitige Abzweigung dieser Hauptbahn und zugleich eine Verbindung mit dem zweiten, über Wolhusen, Huttwil, Langenthal führenden Schienenweg von Luzern nach Aarburg.

Die Bahn werde ausser den Endpunkten Willisau und Nebikon und den von ihr berührten Dörfern Alberswil und Schötz besonders auch dem untern Teil des Bezirkes zugute kommen, dessen Verkehr mit dem Amtshauptort und Sitz des künftigen Amtsgerichtes Willisau heute noch ganz auf die Strasse angewiesen sei. Die Mühle in Alberswil, die Ziegelei in Gettnau und tue Kettenfabrik und Ziegelei in Nebikon würden dazu beitragen, ·den lokalen und den direkten Güterverkehr zu beleben. Namentlich werde aber ein starker Transitgüterverkehr zu erwarten sein, sodass der Bahn mehr als nur rein lokale Bedeutung zukomme.

Die Zone, welcher die Bahn Willisau-Nebikon kürzere und bezüglich der Steigungsverhältnisse zum Teil bessere, zum Teil auch etwas weniger günstige Verbindungen biete, reiche von Littau bis Trubschachen. Für Littau betrage die Verkürzung nach Ölten via Wolhusen-Willisau-Nebikon im Vergleich zur Route über Luzern 8 km, für Malters 20 km, für Schüpfheim 38 km resp. 23 km im Vergleich zur Route über Wolhusen-Langenthal.

Im Verkehr mit Ölten gewinne Wolhusen gleich wie Schüpfheim eine Verkürzung von 23 km gegenüber der Linie über HuttwilLangenthal und 38 km gegenüber der Linie über Luzern. Willisau rücke 23 km näher an Ölten heran, Gettnau 17 km, Zeli 9 km, Hüswil 5 km. Der Schienenweg von Willisau nach Sursee verkürze sich von 58 auf 18 km.

Der Nutzen eines Schienenstranges von Willisau nach Nebikon werde auch der Huttwil-Wolhusen Bahn zugute kommen, da der gesamte zu erwartende Transitverkehr und wohl die Hälfte des direkten Verkehrs über das Geleise dieser Bahn geleitet werden müsse. Andererseits müsse zugegeben werden, dass die neue Linie wegen ihrer geringen Länge nicht wohl als selbständiges Unternehmen werde betrieben werden können. Der Rentabilitätsrechnung sei deshalb die Voraussetzung zugrunde ge-

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legt worden, die Linie Willisau-Nebikon werde der HuttwilWolhusen-Bahn einverleibt oder doch von ihr oder den Bundesbahnen unter annehmbaren Bedingungen betrieben werden.

Die Untersuchung der zu erwartenden Betriebsergebniss» habe mit aller Bestimmtheit dargetan, dass es sich um ein existenzfähiges Unternehmen handle. Zwar sei nicht anzunehmen, dass das Aktienkapital bereits in den ersten Jahren verzinst werden könne. Was das Initiativkomitee jedoch von der Bahn mi4 Sicherheit erwarte, sei die Erfüllung ihres Zweckes, der in der wirtschaftlichen Hebung eines zurückgebliebenen Landesteiles erblickt werde.

Dem technischen Berichte ist zu entnehmen, dass die proektierte Bahn die Bahnhofanlagen der Station Willisau der Huttwil-Wolhusen-Bahn mitbenutzen wird. Vom Abzweigungspunkt bei km l zieht sich die Linie in direkter Richtung zum Dorfe Alberswil, wo neben der Mühle eine Station projektiert ist. ungerader Richtung gelangt die Bahn sodann zur Station Schötz auf der Ostseite des Dorfes, nachdem vorher die Staatsstrasse à niveau gekreuzt worden ist. Weiter parallel zur Staatsstrasse verlaufend, erreicht das Tracé bei km 7,3 die Bundesbahnlinie, der die Linie bis zur Station Nebikon folgt.

Die technischen Hauptangaben sind folgende: Baulänge : 7250 m.

Betriebslänge : 8260 m.

Spurweite: l,435 m.

Maximalsteigung : 9 °/oo auf der eigenen Strecke ; 20,3 %o auf der Gemeinschaftsstrecke mit der Huttwil-Wolhusen-Bahn.

Höhencoten: Willisau 557,6e ; Alberswil 528,n ; Schötz 509,ss ; Nebikon 489,92.

Minimalradius : 500 m bzw. 200 m auf der Gemeinschaftsstrecke mit der Huttwil-Wolhusen-Bahn.

Zwisehenstationen : 2.

Betriebssystem : Dampfbetrieb.

Der Kostenvoranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen : Organisations- und Verwaltungskosten . . . Fr.

42,000 Terzinsung des Baukapitals ,, 7,000 Expropriation ,, 120,000 Unterbau ,, 280,000 Übertrag

Fr.

449,000

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Übertrag Fr.

Oberbau ,, Hochbau und mechanische Stationseinrichtungen ,, Telegraph, Signale und Verschiedenes . . . ., Rollmaterial ,, Mobiliar und Gerätschaften ,,

449,000 185,000 94,500 22,000 235,000 14,500

Total Fr. 1,000,000 oder per Bahnkilometer zirka Fr. 138,000.

In seiner Vernehmlassung vom 10. April 1912 empfiehlt der Regierungsrat des Kantons Luzera die Erteilung der nachgesuchten Konzession.

Das Eisenbahndepartement begrüsste auch die Bundesbahnverwaltung in der Angelegenheit, wegen der den Bundesbahnen im Falle der Erstellung der Linie entstehenden Konkurrenz. Nach einlässlicher Prüfung der Vorlage des Initiativkomitees berichtete die Generaldirektion der S. B. B. in einem bei den Akten liegenden Gutachten, dass der Gesamteinnahmenausfall, den die Bundesbahnen aus dem Bau einer privaten Normalbahn Willisau-Nebikon zu erwarten hätten, sich, auf Ende 1914 berechnet, wie folgt stellen würde: Personenverkehr Fr. 13,000 Gepäckverkehr : ,, 780 Güterverkehr ,, 11,500 Tierverkehr ,, 460 Total Fr. 25,740 oder rund Fr. 26,000.

Dieser Betrag sei als Netto-Ausfall zu betrachten, indem die Willisau-Nebikon-Bahn für die S. B. B. keine Verringerung der Züge oder ihrer Komposition, sowie des Personals etc. zur Folge haben werde, so dass auch keine Selbstkostenersparnis von Belang in Betracht komme. Es ergebe sich daher, dass einer Normalspurbahn Willisau-Nebikon eine relativ nicht unerhebliche Bedeutung zukomme. Dabei würden die Interessen der Bundesbahnen durch die neue Linie nicht unbeträchtlich in Mitleidenschaft gezogen.

Diese schädliche Einwirkung sei aber doch nicht eine derartige, dass von einer ernstlichen Schädigung oder von der Verletzung wichtiger Interessen der Bundesbahnen gesprochen werden könne.

Die Bundesbahnverwaltung sehe sich daher nicht veranlasst, gegen die Konzessionserteilung Einsprache zu erheben oder Bau und Betrieb der Linie für sich zu beanspruchen.

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Die vorschriftsmässigen konferenziellen Verhandlungen fanden am 5. November 1912 in Bern statt. Der vom Eisenbahndepartement vorgelegte Konzessionsentwurf wurde nur unwesentlich abgeändert.

Weitere Bemerkungen haben wir nicht anzubringen.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 12. November 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der-Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesfoeschluss betreffend

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Konzession einer Eisenbahn von Willisau nach Nebikoiî.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe eines Initiativkomitees vom 25. Januar 1912; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 12. November 1912, beschliesst: Einem durch die Herren A. Bühler, Kaufmann in Willisau, Nationalrat Anton Erni in Altishofen, Grossrat J. Galliker in Willisauland und Dr. J. Grüter, Tierarzt in Willisau, vertretenen Initiativkomitee wird zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer N o r m a l s p u r b a h n von W i l l i s a u nach N e b i k o n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Willisau.

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Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Das Strecken- und das Stationspersonal soll schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen. · Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen zwei Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen., welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von 1,486 Meter und eiugeleisig erstellt und mittelst Dampf betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons Luzern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Augestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

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Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit zwei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben, Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern..

Art. 15. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: in der zweiten Wagenklasse 10 Rappen, in der dritten Wagenklasse 7 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20% niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist in beiden Wagenklassen die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

2,26 Art. 16. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die näheren Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 kg Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 7,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisegepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Für die Güterbeförderung sind die Warenklassifikation der schweizerischen Normalspurbahnen und der Normaltarif der schweizerischeu Bundesbahnen anzuwenden, wobei die Einrechnung eines Zuschlags von höchstens 50 °/o zu den wirklichen Entfernungen gestattet ist.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, die für Handel, Industrie, Land- und Forstwirtschaft nötigen Ausnahmetarife einzuführen.

Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Tarifkilometer höchstens l Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 kg nicht, übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, sind für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln usw. zeitweise niedrigere Taxen einzuführen, welche vom Bundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

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Art. 22. Für die Beförderung von lebenden Tieren ist der für die schweizerischen Bundesbahnen geltende Tarif anzuwenden, unter Einrechnung eines Zuschlages von höchstens 50-°/o zu den wirklichen Entfernungen.

Art. 23. Für Gepäck-, Güter- und Tierseudungen kann eine Minimaltaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten darf.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Sf.ationsverladeplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eioe besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Das Gewicht wird bei Gütersendungen bis auf 20 kg für volle 20 kg gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

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Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Luzern gelten folgende Bestimmungen: ' a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

o. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufen Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erineuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ·ein verhältnismässiger Betrag von der Ruckkaufssumme in Abzug zu bringen.

229 e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittliehen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Ruckkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22 l /2faehen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinsrtrages; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.


«. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Ruckkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 31. Hat der Kanton Luzern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften d'reses Beschlusses, welcher am i. Januar 1913 in Kraft tritt, beauftragt.

iäS-CHEä.--

Bundesblatt.

64. Jahrg. Bd. V.

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1912

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377

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20.11.1912

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217-229

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