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95.013

Botschaft zu einem Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG)

vom 15. Februar 1995

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf eines Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1992 M 92.3598 Abbau von Marktzutrittsbarrieren (N 18.12.92, CVF-Fraktion)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung. ' 15. Februar 1995

1995-95

ImNamen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Villiger Der Bundeskanzler: Couchepin

22 Bundesblau 147. Jahrgang. Bd. U

521

Übersicht Technische Handelshemmnisse beeinträchtigen den grenzüberschreitenden Warenverkehr. Sie sind auf unterschiedliche Anforderungen an Produkte, auf die unterschiedliche Anwendung von Vorschriften über Produkte oder auf die Nichtanerkennung beispielsweise von ProduktePrüfungen oder -Zulassungen zurückzuführen. Für ein international so intensiv verflochtenes Land wie die Schweiz kommt den damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Kosten erhebliche Bedeutung zu, Das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) hat zum Ziel, diesbezüglich ungerechtfertigte Behinderungen zu vermeiden, abzubauen und zu beseitigen. Zusammen mit dem revidierten Kartellgesetz und dem neuen Bundesgesetz über den Binnenmarkt bildet es einen wesentlichen Pfeiler unter den Massnahmen zur marktwirtschaftlichen Erneuerung. Es trägt dazu bei, einen im Innern wie auch gegen aussen offenen "Markt Schweiz", zu schaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wird gestärkt und die Voraussetzungen für den Abschluss von internationalen Übereinkommen im Bereich der Produktevorschriften ·werden verbessert, Der Entwurf ist als Rahmenerlass konzipiert. Er stellt in Rechnung, dass das Problem der technischen Handelshemmnisse nicht allein auf horizontaler Ebene, durch einzelne allgemein anwendbare Regeln gelöst werden kann. Vielmehr sind dazu auch, und vor allem, Anpassungen zahlreicher sogenannter "sektorieller" Produktevorschriften, wie beispielsweise für Lebensmittel oder für Motorfahrzeuge, erforderlich.

Mit einem umfassenden Akttonsprogramm vom 30. Juni 1993 hat der Bundesrat auf dieser letzteren Ebene bereits wesentliche Schritte unternommen.

Das THG soll jedoch lenkend und koordinierend auf die sektoriellen Produktegesetzgebungen einwirken und diese, soweit erforderlich, ergänzen. Hierzu enthält der Entwurf Grundsätze hinsichtlich der Vorbereitung, des Erlasses sowie der periodischen Überprüfung von Produktevorschriften (2. Kap.). Er verlangt, solche Vorschriften in einer Weise auszugestalten, dass sie sich möglichst wenig als technische Handelshemmnisse auswirken. Zu diesem Zweck sollen sie insbesondere bestmöglich auf die Produktegesetzgebungen unserer wichtigsten Handelspartner abgestimmt werden.

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Dieser Grundsatz bedeutet indessen nicht, dass eine Harmonisierung der schweizerischen Anforderungen auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners angestrebt wird. Das erreichte Schutzniveau soll gewahrt bleiben. Wo der Schutz überwiegender öffentlicher Interessen es erfordert, soll auch in Zukunft von der am wenigsten handelshemmenden Lösung abgewichen werden können. Die diesbezüglich vorgeschlagene Lösung stimmt mit dem einschlägigen Staatsvertragsrecht, namentlich dem GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse von 1979 und 1994, sowie der Regelung und Praxis in der Europäischen Union überein.

Das 3. Kapitel des THG schafft einerseits Gesetzesgrundlagen für die Regelung bereichsübergreifender Aspekte auf Verordnungsstufe. Dazu gehören Vorschriften über die Bewertung der Konformität von Produkten, über Konformitätszeichen oder die Akkreditierung von Prüf- und Konformitätsbewertungsstellen. Anderseits enthält es Bestimmungen, welche die Voraussetzungen für die zum Abbau technischer Handelshemmnisse sehr wichtige grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Produktevorschriften verbessern. Insbesondere^ Kompetenzen zum Abschluss von internationalen Abkommen sollen es dem Bundesrat ermöglichen, die gegenseitige Anerkennung etwa von Konformitätsbewertungen oder Zulassungen staatsvertraglich abzusichern.

Ausgewählte materielle Vorschriften, welche auf alle Produktebereiche Anwendung finden, ergänzen den Entwurf (4. und 5. Kap.). Schliesslich werden in einem Anhang einzelne Bestimmungen bestehender Bundesgesetze geändert, um unmittelbare Widersprüche zwischen dem THG und der betreffenden Sektorgesetzgebung zu vermeiden. Speziell zu erwähnen ist ferner, dass der Entwurf die gesetzlichen Grundlagen für die beiden Verordnungen über die Notifikation von Entwürfen technischer Vorschriften (SR 632.32) bzw. die Schaffung eines schweizerischen Akkreditierungssystems (SR 941.291) bereitstellt, welche bisher primär auf Staatsvertragsrecht abgestützt waren.

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Der Geltungsbereich des THG ist, mit einer Ausnahme, auf die Gesetzgebung des Bundes beschränkt. Einzig die grenzüberschreitende Information und Konsultation im Bereich der technischen Vorschriften soll, wie dies bereits bestehende Abkommen vorsehen, auch auf kantonale Produktevorschriften Anwendung finden. Die Aufgabenteilung im Bundesstaat wird demzufolge von diesem vorwiegend technisch orientierten Gesetz nicht tangiert. Zwar können auch kantonale Produktevorschriften zu technischen Handelshemmnissen fähren, im Falle von interkantonal unterschiedlichen Produkteanforderungen gar in besonders ausgeprägter Weise. Hier soll es künftig aber Sache des vorgeschlagenen Binnenmarktgesetzes sein, einen möglichst freien Warenverkehr zu gewährleisten.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangstage

III

Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs im Wandel

Seit dem Jahr 1950 hat sich das Volumen des Welthandels real rund verfünffacht. Gleichzeitig änderten sich dessen rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen nachhaltig. Standen zu Beginn unter den Handelserschwernissen die Zölle noch klar im Vordergrund, gelang es seither im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), aber auch regionaler und bilateraler Wirtschaftsübereinkommen, diese zumindest für Industriegüter sehr weitgehend abzubauen, in etwas geringerem Masse verloren auch -Kontingente sowie andere mengenmässigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen an Bedeutung.

Mit der Reduktion dieser primären Handelsbarrieren rückten in den letzten Jahren eine Vielzahl anderer staatlicher und nichtstaatlicher Regeln oder Massnahmen, welche den grenzüberschreitenden Warenverkehr oft nicht weniger stark beeinflussen, in den Blickpunkt. Subventionen für die Entwicklung, die Herstellung oder den Absatz von Produkten etwa verbessern zumindest vorübergehend deren Wettbewerbsposition auf in- und ausländischen Märkten. Submissionsordnungen · als weiteres Beispiel begrenzen den Kreis möglicher Anbieter bei der Beschaffung von Produkten durch die öffentliche Hand.

Gewisse dieser nichttarifären, nicht mengenmässigen Handelsbeschränkungen treffen ausländische oder ortsfremde Produkte in offen diskriminierender Weise. Andere - unter ihnen die sogenannten technischen Handelshemmnisse - finden zwar zumeist auf in- und ausländische Güter unterschiedslos Anwendung. Bei Disparitäten unter den einzelstaatlichen Vorschriften können aber auch sie zu einer Abschottung nationaler oder teilstaatlicher Märkte führen, mit den entsprechenden nachteiligen Folgen für die Kaufkraft und die Konkurrenzfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaften.

Dem zu begegnen, stellt die Staaten vor neue Herausforderungen. Einerseits gilt es, im Rahmen möglichst breit abgestützter internationaler Abkommen gemeinsame Lösungen herbeizuführen. Anderseits sind

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autonome nationale Schritte notwendig, um einer Volkswirtschaft unter sich wandelnden Bedingungen international konkurrenzfähige Rahmenbedingungen zu erhalten.

112

Technische Handclshemninisse im allgemeinen

112.1

Begriff und Gegenstand

Als technische Handelshemmnisse werden Behinderungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bezeichnet, welche auf unterschiedliche technische Vorschriften oder Normen, auf die unterschiedliche Anwendung solcher Vorschriften oder Nonnen oder auf die Nichtanerkennung von im Ausland vorgenommenen Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen von Produkten zurückzuführen sind.

Grundlegend ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen technischer Vorschrift und technischer Norm.

Bei technischen Vorschriften (oder P roduktevorSchriften} handelt es sich um Regeln der staatlichen Rechtsordnung. Durch den Erlass solcher Vorschriften verknüpft der Gesetzgeber das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, die Verwendung oder die Entsorgung von Erzeugnissen mit dem Erfordernis, dass bestimmte technische oder qualitative Merkmale erfüllt sind. Solche Anforderungen betreffen beispielsweise die Herstellung, die Zusammensetzung, die Masse, das Gewicht, die Form, die Leistungen, den Energieverbrauch, die Emmissionen, die Bezeichnung oder die Verpackung eines Produkts. Darüber hinaus können Vorschriften verlangen, dass das Erzeugnis nach bestimmten Verfahren geprüft, dass seine Konformität bewertet, dass es bei einer Behörde angemeldet oder durch eine solche formell zum Markt zugelassen wird.

Technische Vorschriften zählen mithin zu den öjfentlichrechtlichen Anforderungen an den Marktzutritt von Waren. Durch den staatlichen Zwang, sie einzuhalten, soll unter anderem Schädigungen infolge mangelhafter Erzeugnisse vorgebeugt werden. Die Produktehaftpflicht ist demgegenüber privatrechtlicher Natur und aktualisiert sich dann, wenn ein fehlerhaftes Erzeugnis zu einem (Personen- oder Sach-) Schaden geführt hat«.

1)

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S. das BG über die Produktehaftpflichi; SR 221.112.944

*

Mit'dem Erlass von Produktevorschriften verfolgen Staaten in der Regel legitime Ziele, die primär nicht handelspolitischer Natur sind. Namentlich der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von Konsumenten und Arbeitnehmern oder die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bilden seit einiger Zeit Anlass zu zahlreichen solchen Regelungen. Auf der anderen Seite können Produktevorschriften aber auch den Güteraustausch behindern oder sogar gezielt dazu dienen, einheimische Wirtschaftsinteressen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.

Mit weitgehend identischen Sachverhalten wie die Produktevorschriften befassen sich die technischen Normen. Auch sie dienen dazu, Anforderungen an Produkte, wie Beschaffenheit, Eigenschaften, Verpackung oder Beschriftung, bzw. von Verfahren, etwa zur Prüfung oder Konformitätsbewertung, festzulegen. Wie bei jenen stehen bei den technischen Normen ferner wirtschaftspolitische Ziele im Regelfall nicht im Vordergrund.

Anders als Produktevorschriften werden Normen allerdings im allgemeinen durch private Organisationen erarbeitet und verabschiedet. Und als wichtigster Unterschied bleiben technische Normen in ihrer Anwendung stets freiwillig.

Vielfach wird in Produktevorschriften Bezug auf technische Normen genommen. Entweder verweist der Gesetz- oder Verordnungsgeber auf den jeweiligen Stand der Technik, welcher in erster Linie in den aktuellen Normen bezüglich eines Produktes oder Produkteaspekts, zum Ausdruck kommt. Oder er bezeichnet konkrete Normen, welche typischerweise die gesetzliche Regelung näher definieren. In gewissen Fällen knüpft der Gesetzgeber an die Erfüllung solcher Normen auch die formelle Vermutung, dass das Erzeugnis den staatlichen Vorschriften entspreche. Schreibt er indessen vor, dass bestimmte Normen eingehalten werden müssen, verlieren diese ihren freiwilligen Charakter und erlangen selbst den Rang einer Produktevorschrift.

Zu einem technischen Handelshemmnis kommt es, wenn ein Hersteller zwar sämtliche für den Markt A erforderlichen Produktevorschriften und gegebenenfalls - relevanten technischen Normen erfüllt, für dasselbe Produkt aber keinen Zugang zum Markt B findet, da auf diesem andere Anforderungen gelten, Identische Anforderungen anders angewendet werden oder die im Land À durchgeführten Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen
oder Zulassungen .im Land B nicht anerkannt werden.

Zwei alltägliche Beispiele mögen das Problem illustrieren. Im einen Fall produziert ein Hersteller ein Arzneimittel nach den Vorschriften seines Sitzstaates und lässt es im selben Land durch die zuständigen Stellen registrieren bzw. zum Markt zulassen. Un das Medikament auch jenseits

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der Landesgrenzen verkaufen zu können, muss er aber unter Umständen nicht nur Änderungen am Produkt selber vornehmen oder gewisse zusätzliche Prüfungen durchführen, sondern dieses im Bestimmungsland auch noch einer neuerlichen Zulassung unterziehen. In einem anderen Fall entspricht etwa ein Kühlschrank zwar allen Vorschriften des Importlandes, scheitert aber an abweichenden technischen Normen, welche dort hinsichtlich seiner Abmessungen gelten.

in beiden Fällen beeinträchtigen ungenügend aufeinander abgestimmte technische Regelwerke die grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit von Produkten erheblich. Die damit verbundenen Folgen können bis zur gänzlichen Abschottung einzelner Marktbereiche gegen aussen reichen.

Hiervon betroffen kann gleichennassen der Wirtschaftsraum eines Teilstaates, eines Staates oder einer Staatengemeinschaft sein, je nachdem, auf welcher Stufe die Produktevorschriften erlassen wurden oder vollzogen werden.

112.2

Wirtschaftliche Bedeutung

Technische Handelshemmnisse sind nicht nur weniger transparent und in ihren Ursachen komplexer als Zölle oder Kontingente. Es fällt auch schwerer, ihre Ökonomische Bedeutung zu ermessen.

Generell gesagt, wirken sich technische Handelshemmnisse in bestimmten Segmenten des Marktes als Beeinträchtigungen oder gar Unterbindung des grenzüberschreitenden Wettbewerbes aus. Unmittelbar folgen daraus höhere Produktions-, Vertriebs- und Lagerhaltungskosten, welche zumeist als Preiserhöhungen oder in Form einer verringerten Produkteauswahl an die Abnehmer und Konsumenten weitergegeben werden. Mittelbar führt eingeschränkte oder gar fehlende Konkurrenz von aussen insbesondere zur Erhaltung ineffizienter Strukturen. Je länger diese Bestand haben, desto grösser wird das Risiko, dass der geschützte Zweig den Anschluss verpasst und wegen fehlender Konkurrenzfähigkeit schliesslich aufgegeben werden muss. Konsequenz hiervon wiederum sind der Verlust von Arbeitsplätzen und die Abschreibung von allenfalls seitens der öffentlichen Hand dem betreffenden Zweig gewährter Unterstützung als Fehlinvestition.

Umgekehrt trägt der Abbau und die Beseitigung technischer Handelshemmnisse massgeblich zur Marktordnung und Belebung des Wettbewerbs bei.

Exporteure müssen ihre Produkte nicht mehr nach unterschiedlichen Anforderungen differenzieren, was grössere Serien und entsprechende Skalenvorteile ermöglicht. Entfällt überdies die Wiederholung von Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen beim

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Zutritt zu ausländischen Märkten, sinken die Kosten weiter. Auf Importseite führt die Reduktion technischer Handelsschranken zu einem erweiterten Angebot auf tieferem Preisniveau. Davon wiederum profitieren nicht nur die Endverbraucher, sondern auch die Volkswirtschaft als Ganzes, deren Effizienz und Konkurrenzfähigkeit wachsen.

Nähere Untersuchen über die wirtschaftliche Relevanz technischer Handelshemmnisse sind in den letzten Jahren vor allem unter dem Aspekt der Errichtung des Europäischen Binnenmarktes angestellt worden2). Dabei ergab sich einerseits, dass diese Art von Hemmnissen in verschiedenen Produktesektoren, beispielsweise Chemikalien, Maschinen und Motorfahrzeuge, innerhalb der EG die wichtigste einzelne Ursache für die Erschwerung des grenzüberschreitenden Handels darstellte. Anderseits wurden die volkswirtschaftlichen Kosten zu bestimmen versucht, welche solche Behinderungen verursachen. So beziffert ein Bericht aus dem Jahre 1993 den gesamtwirtschaftlichen Gewinn aus dem Abbau, von nichttarifären Handelshemmnissen in der EG für den Zeitraum von 1987-1992 auf 72,5 Milliarden ECU oder 2,45 Prozent des Bruttosozialprodukts3). Die Verringerung technischer Handelshemmnisse hat zu diesem Ergebnis - wenn auch in nicht näher spezifiziertem Umfang - massgeblich beigetragen.

113

Das Problem der technischen Handelshemmnisse für die Schweiz

Wirklich aussagekräftige empirische Untersuchungen über die ökonomische Bedeutung technischer Handelshemmnisse für die Schweiz liegen bis heute noch keine vor. Allgemein ist unser Land mit seinem relativ kleinen Heimmarkt und den im internationalen Vergleich ausserordentlichen hohen Import- und Exportanteilen jedoch in besonderem Masse auf einen möglichst unbehinderten grenzüberschreitenden Warenverkehr angewiesen. Die Beseitigung technischer Handelshemmnisse spielt bei der Erreichung dieses Ziels erfahrungsgemäss eine wesentliche Rolle.

113.1

Technische Handelshemmnisse zwischen den Kantonen

In einzelnen Bereichen bestehen auch heute noch kantonale Produktevorschriften. Grund'hierfür ist in der Regel nicht das Fehlen einer verfassungs-

2) 3)

S. namentlich den sog. "Cecchini-Bericht"; Cecchini, Paolo, Europa '92, Der Vorteil des Binnenmarktes, Baden-Baden 1992.

Die Wirtschaft im Jahre I992,S. 157.

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rechtlichen Kompetenz des Bundes, für das ganze Gebiet der Schweiz einheitliche Anforderungen aufzustellen. Neben verschiedenen bereichsspezifischen Grundlagen (z.B. Art. 69bis BV für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände) ermächtigt nämlich Artikel 31bis Absatz 2 BV den Bundesgesetzgeber nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich in umfassender Weise, insbesondere das Inverkehrbringen von Produkten durch private Wirtschaftssubjekte unter polizeilichen Aspekten zu regeln*).

Vielmehr stehen historische Gründe und der Bezug zu klassischen Domänen der Kantone - wie beispielsweise im Falle der Vorschriften über Bauprodukte zum Bauwesen - als Erklärung für den Umstand im Vordergrund, dass der Bund bisher von seiner Legiferierungskompetenz in gewissen Bereichen noch keinen Gebrauch gemacht hat.

Soweit kantonale Produktevorschriften, zum Beispiel über die Wirkungsgrade von Heizkesseln, voneinander abweichen, kann dies den Verkehr solcher Produkte innerhalb der Schweiz erheblich beeinträchtigen. Sind hingegen kantonale Anforderungen, wie zur Zeit noch im Falle von Heilmitteln, im Rahmen eines Konkordats harmonisiert, verbleiben als Probleme einerseits die Schwierigkeit, auf Veränderungen im internationalen Umfeld hinreichend schnell und flexibel reagieren zu können, und anderseits die fehlende Einheitlichkeit im Vollzug.

Aber auch in Produktebereichen, in denen bundesrechtlich einheitliche Vorschriften bestehen, für den Vollzug aber kantonale Organe zuständig sind, können aufgrund einer unterschiedlichen Anwendung dieser Vorschriften Handelsbehinderungen auftreten. So kann es vorkommen, dass eine bestimmte Fleischschneidemaschine in einem Kanton als konform erachtet, im anderen aber als vorschriftswidrig verboten wird. Uneinheitlichen bzw. ungenügend aufeinander abgestimmten Vollzugspraktiken gilt es daher im Zusammenhang mit der Beseitigung technischer Handelshemmnisse ebenfalls Beachtung zu schenken.

113.2

· Technische Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und ihren Handelspartnern

Das Schwergewicht des Problems der technischen Handelshemmnisse für die Schweiz liegt heute indessen nicht im interkantonalen, sondern im internationalen Verhältnis. Wohl wirken sich auch Produktevorschriften, welche durch einen kantonalen Gesetzgeber erlassen worden sind, ·auf den internationalen Wirtschaftsverkehr aus. Zur Hauptsache handelt es sich bei

4)

530

Vgl. Rhinow, René A,, Kommentar BV zu Art. 3 Ib«, RZ. 37 ff,, mit weiteren Hinweisen,

der schweizerischen Produktegesetzgebung indessen um Bundesrecht.

Zudem ist es aufgrund der Verfassung Sache des Bundes, staatsvertragliche Massnahmen zum Abbau technischer Handelshemmnisse über die Landesgrenzen hinweg zu treffen.

Grundsätzlich bestehen im grenzüberschreitenden Warenverkehr von und nach der Schweiz in dem Masse keine technischen Hemmnisse, als mögliche Probleme im Zusammenhang mit Produktevorschriften durch Staatsverträge, an welchen unser Land beteiligt ist, geregelt sind. Dabei können im wesentlichen drei Wege beschritten werden. Beim ersten anerkennen die Abkommensparteien gegenseitig die Kompetenz von Stellen, beispielsweise Prüfungen oder Konformitätsbewertungen nach dem Recht der jeweils andern Partei durchzuführen. Im zweiten Fall bezieht sich die Anerkennung auf die Gleichwertigkeit ihrer - unterschiedlichen Produkteanforderungen und/oder ihrer - unterschiedlichen - Verfahren zur Prüfung, zur Konformitätsbewertung oder zur Zulassung von Produkten.

Unter der dritten Option schliesslich harmonisieren sie diese Anforderungen untereinander, so dass allfällige Inkompatibilitäten entfallen. Möglich sind ferner Kombinationen oder auch Vorstufen dieser drei Ansätze.

a. Das Verhältnis zwischen der Schweiz und ihren Handelspartnern im allgemeinen Im .aktuellen Staatsvertragsrecht der Schweiz kommt, soweit der Bereich der Produktevorschriften betroffen ist, dem GAJT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisses) vom 12. April 1979 die grösste Bedeutung zu, Ende 1993 hatten 43 Staaten dieses Abkommen ratifiziert, unter ihnen alle hauptsächlichen Handelspartner unseres Landes. Mit geringfügigen Änderungen ist es auch in das Paket der am 15. April 1994 unterzeichneten sog. Uruguay-Runde übernommen sowie durch das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen ergänzt worden. Beide Texte werden damit neu für sämtliche, über hundert GATT-Teilnehmerstaaten Verbindlichkeit erlangen.

Das GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse stellt einerseits ein sachlich umfassendes Abkommen dar. Es beschlägt sowohl technische Vorschriften wie Normen und handelt von deren Erlass wie auch von der Anwendung durch staatliche Stellen. Dabei beschränkt es sich nicht auf den Aspekt der Anforderungen an die Erzeugnisse selbst, sondern stellt auch Grundsätze auf über die Prüfung und Zertifizierung sowie die Anerkennung von Ergebnissen solcher Prüfungen und Zertifizierungen, wenn diese in einem anderen Vertragsstaat vorgenommen werden. Erstmals 5)

SR 0.632.231,41

531

führte das GATT-Übereinkommen von 1979 ausserdem ein internationales System der Information und Konsultation über geplante neue Produktevorschriften ein. Es geht dabei darum, Vorschriften, durch welche neue technische Handelshemmnisse geschaffen werden könnten, bereits im Entwurfsstadium einander zur Kenntnis zu bringen. Mitgliedstaaten erhalten auf diese Weise Gelegenheit, auf allfällig drohende, unnötige Handelsbehinderungen hinzuweisen und so zu deren Vermeidung beizutragen. Im Jahre 1994 wurden im Rahmen des GATT 500 solcher Meldungen vorgenommen.

Auf der anderen Seite ist das genannte GATT-Übereinkommen von beschränkter inhaltlicher Schärfe und Tiefe. Es verpflichtet Staaten - nicht Einzelpersonen - und unterliegt zu seiner Durchsetzung speziell bezeichneten Streitbeilegungsmechanismen'. Gerade auf dem ausgesprochen weitläufigen und heterogenen Gebiet der Produktevorschriften sind im allgemeinen aber sehr konkrete, detaillierte und auch effizient durchsetzbare Regelungen notwendig, um das für eine Anerkennung von Produkteprüfungen und -bewertungen wichtige gegenseitige Vertrauen zu schaffen. So gesehen stellt das Übereinkommen vor allem einen - wenn auch wichtigen - ersten Schritt in Richtung einer effektiven multilateralen Beseitigung technischer Handelshemmnisse dar.

Was das übrige Staatsvertragsrecht der Schweiz betrifft, erfassen abgesehen von den weiter hinten angesprochenen Verträgen mit der EWG/EG und im Rahmen der EFTA - vor allem einzelne sektorielle Spezialabkommen diesen Bereich. Beispielsweise ist unser Land am "Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen betreffend die Herstellung pharmazeutischer Produkte" (PIC)6) aus dem Jahre 1970 sowie am "Übereinkommen über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Motorfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigungen"?) von 1958 beteiligt. Solche sektoriellen Übereinkommen verlieren jedoch - insbesondere wenn sie primär auf Europa beschränkt sind zunehmend an Bedeutung, zumal ihre Materien tendenziell immer weniger auf zwischenstaatlicher Ebene als im Rahmen von Wirtschaftsräumen wie der EG bzw. dem EWR geregelt werden.

Soweit indessen keine staatsvertraglichen Regelungen bestehen, richtet sich der grenzüberschreitende Warenverkehr allein nach den unterschiedlichen Vorschriften der jeweiligen Staaten, Teilstaaten oder Wirtschaftsräume. Wie bereits aufgezeigt, birgt dabei jede Abweichung unter diesen 6) 7)

532

SR 0.812.101 SR 0.741.411

*

Regelwerken die Gefahr in sich, den Marktzugang für ausländische oder "wirtschaftsraumfremde" Erzeugnisse zu erschweren.

Zu ergänzen bleibt, dass auch nichtstaatiiche Organisationen grosse Anstrengungen zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse unternehmen. Namentlich ist in diesem Zusammenhang auf die Bestrebungen der internationalen Normung hinzuweisen, auf freiwilliger Basis global gültige, einheitliche technische Regeln zu schaffen. Trägerinnen dieser Arbeiten sind in erster Linie die "International Organization for Standardization" (ISO) sowie die "International Electrotechnical Commission" (IEC), beide mit Sitz in Genf. Sie bauen ihrerseits auf den einzelnen nationalen Normenorganisationen auf. In mehreren hundert spezialisierten Komitees werden unter dem Dach dieser' beiden Gremien technische Regeln formuliert, mit dem Ziel, anschliessend Aufnahme in die einzelnen nationalen Normenwerke zu finden. Eine Aufwertung haben die Arbeiten von ISO und DBC in jüngerer Zeit insbesondere dadurch erfahren, dass die gegenseitige Abstimmung sowohl zwischen den beiden Organisationen selbst als auch .

gegenüber ihren europäischen Schwestergremien verbessert wurde.

Schweizer Vertreter sind in zahlreichen ISO- und EEC-Komitees aktiv beteiligt, und viele ISO- und EEC-Normen sind in das schweizerische Normenwerk integriert worden.

b.

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und den EWR-Staaten im besonderen

Von den schweizerischen Güterexporten des Jahres 1993 im Gesamtwert von 93 Milliarden Franken gingen rund 58 Milliarden Franken oder 63 Prozent in die Staaten des gegenwärtigen EWR. Umgekehrt entfielen von den Importen im Umfang von insgesamt 89 Milliarden Franken 71 Milliarden bzw. 79 Prozent auf diesen Raum8). Die EG stellt mithin gemeinsam mit den am EWR beteiligten EFTA-Staaten den mit Abstand wichtigsten Handelspartner unseres Landes dar - auch unter dem Aspekt der technischen Handelshemmnisse. Aus diesem Grund soll im folgenden das Verhältnis zwischen der Schweiz und den am EWR beteiligten Staaten hinsichtlich des Problems der · Produktevorschriften und technischen Nonnen etwas eingehender dargestellt werden.

Der Abbau technischer Handelshemmnisse zählt zu den Hauptpfeilern des Programms, welches die EG in ihrem Weissbuch des Jahres 1985 zur Verwirklichung des Binnenmarktes entworfen hat. Dieser Abbau ist seither nach Massgabe der folgenden Grundsätze weitgehend in die Praxis umgesetzt worden.

8)

Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung

533

Als Ausgangspunkt der EU-Strategie kann das Prinzip der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen nationalen Produktegesetzgebungen bezeichnet werden. Es findet seinen Ausdruck darin, dass ein Erzeugnis, welches nach den Vorschriften eines beliebigen EU-Mitgliedstaates hergestellt bzw. dort rechtmässig in Verkehr gebracht worden ist, im Prinzip frei auf dem gesamten Binnenmarkt verkehren darf. Beschränkungen der freien Zirkulation durch andere Mitgliedstaaten sind nur zulässig, soweit ihr ein konkretes und durch das EU-Recht anerkanntes öffentliches Interesse vorgeht (sog. "Cassis-de-Dijon-Prinzip", benannt nach einem wegweisenden Grundsatzentscheid des Europäischen Gerichtshofes). In der EU national unterschiedlich geregelte Produktesektoren, auf welche dieses Prinzip Anwendung findet, werden als der "nichtharmonisierte Bereich" bezeichnet.

Führt indessen dieser Ansatz - insbesondere als Folge von zu wenig miteinander kompatiblen nationalen Regelungen - nicht zum Ziel, wird in der EU der Weg der Harmonisierung beschritten. Hierbei werden in sogenannten Richtlinien einheitliche Produktevorschriften festgelegt, welche in der Folge, durch die Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht zu übernehmen sind. Ist dieser Prozess abgeschlossen und eine Richtlinie definitiv in Kraft getreten, gelten für die betroffenen Produkte auf dem ganzen Binnenmarkt materiell vereinheitlichte Regeln (sog. "harmonisier. ter Bereich").

Innerhalb dieses "harmonisierten Bereichs" ist eine weitere Unterscheidung zu beachten. Sie betrifft die Methode der Harmonisierung. Nach der sogenannten "Alten Konzeption" formuliert die EU Richtlinien, vereinzelt auch (unmittelbar anwendbare) Verordnungen, welche die Anforderungen an die erfassten Produkte bis in die Einzelheiten selbst festlegen. Die heutigen Vorschriften betreffend Lebensmittel, Medikamente, Chemikalien oder Motorfahrzeuge sind typische Beispiele solchermassen umfassender Produkteregelungen. Insgesamt bestehen heute einige hundert dieser Richtlinien nach "Alter Konzeption".

Bei Richtlinien gemäss der "Neuen Konzeption" beschränkt sich der EU-Gesetzgeber demgegenüber darauf, bloss die sog. "grundlegenden Anforderungen" festzuschreiben und für deren Erreichung auf bestimmte technische Normen zu verweisen. Diese Normen werden im Auftrag durch die europäischen Normungsorganisationen erarbeitet9). Entspricht ein

9)

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Da den europäischen Normungsorganisationen sowohl die Normenorganisationen aus den EU- wie den EFTA-Staaten angehören, hat die EFTA - um eine gleichberechligte Milwiikung von Experten aus den EFTA-Slaalen an den "mandatierten" Arbeiten zu gewährleisten - den europäischen Normungsorgamsationcn bisher in der Regel Parallclmandate erteilt.

Produkt gemäss der "Neuen Konzeption" einer solchen "mandatierten" indes immer noch freiwilligen - Norm, geniesst es die gesetzliche Vermutung, auch die entsprechenden staatlichen Vorschriften zu erfüllen.

Zur "Globalen Konzeption" ergänzt worden ist die 1985 beschlossene "Neue Konzeption" schliesslich im Jahre 1989 durch einheitliche Verfahren zur Bewertung der Konformität von Produkten. Acht Grundtypen solcher Verfahren (sog. "Module") kommen zur Anwendung, wobei die Vorschriften dem Hersteller in der Regel die Wahl zwischen mehreren dieser Möglichkeiten offenlassen. Nur ein Verfahrenstyp (Modul A) sieht dabei die Möglichkeit der Bewertung der Konformität durch den Hersteller selbst vor; er steht namentlich für einen Grossteil der Maschinen und elektrischen Geräte zur Verfügung. In allen anderen Fällen ist eine sogenannte "benannte Stelle" beizuziehen, welche die Vorschriftskonformität des Produkts oder dessen Herstellungskonditionen (Qualitätssicherung) zu überprüfen und zu zertifizieren hat. Alle Mitgliedstaaten sind zur Auswahl und Meldung solcher Stellen berechtigt, vorausgesetzt, dass deren Kompetenz und Unabhängigkeit gegeben ist.

Nach dem Modell der Neuen und Globalen Konzeption sind in der EU bisher 16 Richtlinien erlassen worden10). Einige weiterb befinden sich gegenwärtig in Vorbereitung1'). Ab dem Tag des definitiven Inkrafttretens dieser Rechtsakte dürfen Produkte, welche in deren Anwendungsbereich fallen, in der EU bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Hersteller mit dem sogenannten CE-Kennzeichen versehen worden sind. Dieser bescheinigt damit, dass das betreffende Erzeugnis alle Anforderungen der anwendbaren Richtlinien einschliesslich der vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren erfüllt.

Bei Zustimmung zum EWR-Abkommen» das diese Konzepte übernimmt, hätte sich die Schweiz am beschriebenen Prozess eines umfassenden Abbaus technischer Handelshemmnisse im westlichen Europa beteiligt. Als Folge der Ablehnung des Abkommens ergeben sich für unser Land im Bereich der Produktevorschriften indessen eine Reihe von zum Teil neuen Problemen, Hierbei gilt es in verschiedener Hinsicht zu differenzieren.

10)

l i)

Richtlinien betreffend einfache Dnickbehälter, Spielzeuge, Bauprodukte, elektromagnetische Verträglichkeit, Maschinen, persönliche Schutzausrüstungen, nichtselbsttätige Waagen, aktive implantierbare medizinische Geräte, Gasverbrauchseinrichtungen, Telekommunikationsendeiiirichtungen, Warmwasscrheizkessel, Explosivstoffe für zivile Zwecke, Medizinprodukte, elektrische Niederspannungserzeugnisse, Geräte und Schutzsysteme zur Verwendung in ejtplosionsgefïhrdeten Bereichen, sowie Sportboote.

Namentlich die Richtlinien betreffend Messmiltel, Druckgeräte, Aufzüge und Seilbahnen.

535

Zunächst ist festzuhalten, dass auf der Stufe der zunehmend wichtigeren europäischen Normung - aufgrund des privaten Charakters dieser Tätigkeit - die Teilnahme von Vertretern aus der Schweiz bis heute nicht beeinträchtigt worden ist. Europäische Nonnen (EN) werden unter dem "Comité européen de normalisation" (CEN) und dem "Comité européen de normalisation électrotechnique" (CENELEC), beide mit Sitz in Brüssel, sowie - für den Bereich der Telekommunikation - dem "European Télécommunications Standards Institute" (ETSI; Sitz: Nizza) geschaffen. In allen drei Organisationen sind die schweizerischen nationalen Spiegelgremien als Vollmitglieder vertreten12). Als solche sind sie gemäss den Statuten dieser Organisationen verpflichtet, sämtliche Europäischen Nonnen in ihr Normenwerk aufzunehmen und inhaltlich entgegenstehende nationale Regelungen zurückzuziehen.

Als Konsequenz nimmt der Anteil schweizerischer technischer Normen, welche nicht europäisch oder global harmonisiert sind, laufend ab. Für den Bereich Elektrotechnik beispielsweise betrug er im Jahre 1992 nur noch 14 Prozent13). Positiv wirkt sich diese Entwicklung in der Schweiz im besonderen auch auf jene Produktebereiche aus, in welchen die Gesetzgebung von Bund oder Kantonen auf Nonnen verweist oder diese in ihre Vorschriften inkorporiert.

Als problematisch erweist sich demgegenüber die Nichtteilnahme der Schweiz am EWR im Bereich der - staatlichen - Produktevorschriften.

Hier stellt sich vorweg die Frage, ob das geltende Staatsvertragsrecht eine Grundlage abzugeben vermag, um technische Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und den am EWR beteiligten Staaten zu vermeiden. Abgesehen von den bereits erwähnten 'multilateralen Abkommen14) ist in diesem Zusammenhang vor allem das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft1*) aus dem Jahr 1972 von Interesse. Es enthält in seinen Artikeln 13 und 20 eine Regelung, die nahezu wörtlich mit den Artikeln 30 und 36 des EWG-Vertrages von 1957^) übereinstimmt, welche ihrerseits für die EU-Staaten untereinander gilt, und auf deren Grundlage die Rechtsprechung "Cassis-de-Dijon" entwickelt wurde. Käme diese Gerichtspraxis auch im Freihandelsverhältnis 12)

Im Jahre 1992 verfügten CEN über 311, CENELEC über 64 und ETSI über 13 nonnenschaffende Technische Komitees mil zahlreichen Unterarbeitsgnippen; als Beispiel wiesen von den 311 CEN-Komitees 278 eine aktive Beteiligung von Schweizer Seite auf; Quelle: Jahresbericht der Schweizerischen Nonnen-Vereinigung 19?2,

13)

Quelle: a.a.O

14) 15)

Ziffer 113.2-a SR 0.632.401

16)

Artikel 30 und 36 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

536

zum Tragen, bestünde für Produkte, welche nach schweizerischen Produktevorschriften hergestellt bzw. in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, ein Anspruch auch auf Vermarktung in der EU, es sei denn, ein legitimes Ordre-public-Interesse ginge dem freien Warenverkehr vor.

Eine derartige Analogie zwischen Freihandelsabkommen und EWG-Vertrag hat sich bisher allerdings weder auf juristischer noch politischer Ebene vollständig durchzusetzen vermocht. Dasselbe trifft im übrigen auch auf die Artikel 10 und 12 der EFTA-KonventionW von 1960 zu, welche ebenfalls eine weitgehend den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag nachempfundene Regelung kennen. Aus beiden Abkommen kann mit andern Worten zumindest nach bisheriger Praxis - nichts Entscheidendes für die Vermeidung oder den Abbau technischer Handelshemmnisse abgeleitet werden.

Ferner hat auch die sogenannte Tampere-Konvention unter den EFTAStaaten über die gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen und Konformitätsnachweisen *8) von 1988 mit dem Inkrafttreten des EWRAbkommens am 1. Januar 1994 an Bedeutung eingebüsst. Nach diesem Staatsvertrag sind zwar die Ergebnisse gewisser Prä/stellen gegenseitig anerkannt, doch bleiben für die Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen bzw. von Konformitätsbescheinigungen separate Zusatzabkommen erforderlich. Ein solches wurde bisher einzig für Messmittel geschlossen.

Ob darüber hinaus für die am EWR beteiligten, verbliebenen EFTA-Partner der Schweiz im Lichte ihrer gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen weitere sektorielle Übereinkommen möglich sein werden, scheint fraglich.

Ausserhalb dieser staatsvertraglichen Regelungen beurteilt sich die Situation unterschiedlich, je nachdem, ob es sich im EWR um Produkte bzw. Produkteaspekte des "harmonisierten" oder des "nichtharmonisierten Bereichs" handelt.

fin "nichtharmonisierten Bereich" kann für Schweizer Erzeugnisse mit gewissen Einschränkungen ebenfalls das "Cassis-de-Dijon-Prinzip" angerufen werden. Ist nämlich ein Erzeugnis beispielsweise nach deutschen Vorschriften in der Schweiz hergestellt und sodann in Deutschland rechtmässig in Verkehr gebracht worden, besteht - unter den auch für EU-Produkte geltenden Vorbehalten - ein Anspruch auf den freien Verkehr innerhalb des Binnenmarktes. Freilich ist diese in der EU herrschende Auffassung durch den Europäischen Gerichtshof bis heute noch nicht sanktioniert worden. Auch scheinen verschiedene Einzelaspekte, wie 17) 18)

SR 0.632.31 SR 0.941.293 (AS 1990 1704)

537

beispielsweise die Anwendung des Prinzips auf Produkte aus serieller Fertigung, noch ungeklärt19*.

Was den "harmonisierten Bereich" betrifft, lassen sich technische Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und den EWR-Staaten dadurch verringern, dass der schweizerische Gesetzgeber seine Produktegesetzgebung der im EWR geltenden soweit anpasst, als dadurch Inkompatibilitäten vermieden werden. Mit diesem Ziel verabschiedete der Bundesrat am 30.

Juni 1993 im Rahmen seines Revitalisierungsprogramms ein Massnahmenpaket, welches in 18 Produktebereichen entsprechende Revisionen der schweizerischen Vorschriften vorsieht. Eine erste Serie von Anpassungen auf Verordnungsstufe, welche auf diesem Beschluss beruhen, werden spätestens im ersten Halbjahr 1995 in Kraft treten.

Auf diesem Weg der autonomen Anpassung des innerstaatlichen Rechts kann eine Behinderung des Warenverkehrs zwischen der Schweiz und dem EWR unter dem Aspekt der Produktevorschriften immer dann vermieden werden, wenn eine Eigenkonformita'tsbewertung des Produkts durch den Hersteller nach EWR-Vorschriften genügt. Dies trifft, nebst der bereits erwähnten Mehrheit von Maschinen und Elektrogeräten, zum Beispiel für gewisse persönliche Schutzausrüstungen zu.

Wenn aber nach EWR-Recht eine Prüf- oder Konformitätsbewertungsstelle beizuziehen, eine Anmeldung des Produkts bei einer Behörde vorzunehmen oder eine Zulassung durch eine staatliche Stelle erforderlich ist, ergibt sich das Risiko doppelter oder gar mehrfacher Verfahren. Damit verbunden sind nicht nur höhere Kosten und Konsumentenpreise. Es werden auch Wettbewerbsverhältnisse in bestimmten Produktesegmenten einerseits sowie unter den Prüf- und Konformitätsbewertungsstellen anderseits beeinträchtigt. In konkreten Fällen können eine Marktabschottung oder die Verdrängung bestimmter Anbieter - zum Beispiel von im EWR nicht anerkannten Schweizer Konformitätsbewertungsstellen - die Folge sein.

Diese nachteiligen Folgen des EWR-Neins für die schweizerische Wirtschaft lassen sich unter Umständen und in einem gewissen Ausmass durch den Abschluss von privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen schweizerischen Prüf- und Konformitätsbewertungsstellen sowie solchen Stellen mit Sitz im EWR mildern. Letztlich vermag auf der Ebene dieser Verfahrensfra-

19)

538

Unzweifelhaft hingegen schliesst das EWR-Abkommen einen entsprechenden Mechanismus unter den beteiligten EFTA-Staaten sowie im Verhältnis zwischen EU- und EFTA-Staatcn aus, soweit Produkte aus Driltstaatcn - zum Beispiel aus der Schweiz - betroffen sind. Denn Artikel 8 Absatz 2 EWR-Abkommen beschrankt die Anwendung der massgeblichen Artikel 10 und 13 des Abkommens auf Ursprungswaren der Vertragsparteien.

gen jedoch nur der Abschluss von Staatsverträgen beiderseits befriedigende Lösungen herbeizuführen. Die Schweiz hat deshalb wiederholt ihre Bereitschaft bekundet, mit anderen Staaten, insbesondere mit den am EWR beteiligten, auf der Basis von Gegenseitigkeit solche Abkommen auszuhandeln und abzuschliessen. Im Oktober 1994 wurden sowohl auf Seiten der EU wie in der Schweiz entsprechende Verhandlungsmandate verabschiedet.

12

Notwendigkeit eines BG über die technischen Handclshemmnisse

Technische Handelshemmnisse sind in der Regel komplexer Natur. Sie zu erkennen und zu bewerten, bedarf eingehender Analysen; sie zu vermeiden oder abzubauen, geeigneter Instrumente. In beider Hinsicht vermag ein Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) wesentliche Beiträge zu leisten.

Die heutige autonome Produktegesetzgebung der Schweiz ist - soweit nicht durch kantonale Vorschriften geregelt - in zahlreichen Bundesgesetzen, Bundesbeschlüssen, Bundesrats- -und Departementsverordnungen enthalten. Ausserdem finden sich verbindliche Anforderungen an Erzeugnisse in verschiedenen von Privaten aufgestellten Regelungen, welche durch Behörden des Bundes genehmigt sind und demzufolge ebenfalls die Qualität von Produktevorschriften aufweisen.

Dieser umfangreiche Bestand an Vorschriften beruht auf sehr unterschiedlichen Motiven und hat sich zum Teil über Jahrzehnte hinweg entwickelt.

Neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik, aber auch neue politische Forderungen, namentlich in den Bereichen Konsumenten- und Umweltschutz, finden darin ihren Niederschlag und tragen dazu bei, dass sich das staatliche Regelwerk rasch wandelt und in gewissen Bereichen erheblich erweitert. Dabei verteilen sich die Kompetenzen für die Vorbereitung, den Erlass, die Änderung und den Vollzug dieser Vorschriften auf eine Vielzahl von Behörden und Fachstellen des Bundes, auf kantonale Organe sowie auf damit beauftragte private Institutionen.

Jede einzelne dieser nationalen Produktevorschriften, aber auch ihr Vollzug, stellt zumindest potentiell ein technisches Handelshemmnis dar.

Unzureichend abgestimmt und koordiniert, können sie eine Volkswirtschaft, zumal eine international so intensiv verflochtene wie die schweizerische, empfindlich treffen. Dennoch fehlte es bisher innerstaatlich an einem generellen gesetzgeberischen Ansatz und teilweise auch an den Mitteln zur konsequenten Vermeidung unnötiger technischer Handelsbarrieren in der Schweiz. Die an sich seit dem Jahr 1-980 aufgrund des

539

GATT-Übereinkommens über technische HandeJshemmnisse geltenden Grundsätze, namentlich bezüglich der Rechtsetzung auf dem Gebiet der Produktevorschriften, haben sich in der Vergangenheit noch nicht genügend durchzusetzen vermocht.

Hier setzt das vorgeschlagene Bundesgesetz Über die technischen Handelshemmnisse an. Es führt gemeinsame, horizontale Grundsätze und einheitliche Begriffe in den bisher vorwiegend produktespezifisch und vertikal strukturierten Bereich der Produktevorschriften ein. Es stellt durch verschiedene Massnahmen sicher, dass technische Handelshemmnisse rechtzeitig erkannt und - soweit möglich - in flexibler Weise vermieden werden können. Ausserdem verbessert es die Voraussetzungen für eine aktive Teilnahme der Schweiz an den vielfältigen Formen internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Produktevorschriften. Durch die Gesamtheit dieser Schritte trägt das vorgeschlagene Gesetz Wesentliches dazu bei, in der Schweiz konkurrenzfähige Rahmenbedingungen für die Gesamtwirtschaft zu schaffen und zu erhalten.

13

Vorarbeiten zum Gesetzesentwurf

131

Phase vor der EWR-Abstimmung

Die Anregung, durch ein Bundesgesetz die rechtlichen Voraussetzungen für eine kohärente und konsequente Vermeidung unnötiger technischer Handelshemmnisse zu schaffen, geht auf das Jahr 1988 zurück. Damals fasste eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Verwaltung, Wirtschaft, Normung und Wissenschaft in einem Memorandum die Massnahmen zusammen, welche sie in der Schweiz für erforderlich hielt, um der Herausforderung von Seiten der EG auf dem Gebiet der Produktevorschriften20) zu begegnen. Das vorgeschlagene Gesetz nahm im Konzept der Arbeitsgruppe eine zentrale Stellung ein.

Unter Federführung des Bundesamtes für Aussenwirtschaft erarbeitete im Verlauf des Jahres 1989 eine verwaltungsinterne Projektgruppe erste Vorentwürfe. Gleichzeitig setzten auf der anderen Seite die Verhandlungen im Hinblick auf einen Europäischen Wirtschaftsraum ein. In deren Rahmen galt es nicht nur, ungefähr 300 EG-Rechtsakte auf dem Gebiet der Produktevorschriften zu prüfen und gegebenenfalls in den Abkommensentwurf zu integrieren. Es war in jener Phase auch noch nicht abzusehen, welche Funktionen ein autonomes Bundesgesetz über die technischen Handels-

20}

540

Vgl. Ziffer 113.2,b-

*

Hemmnisse neben dem angestrebten EWR-Abkommen noch zu erfüllen hätte.

Nachdem die Arbeiten am geplanten Gesetz aus diesen Gründen vorübergehend sistiert waren, wurden sie mit der Konkretisierung des EWR-Abkommens im Verlaufe des Jahres 1991 wieder aufgenommen. Im Oktober 1991 fiel der Entscheid, das Projekt in das sogenannte "Eurolex"-Programm aufzunehmen, und zwischen Dezember 1991 und Februar 1992 fand bei Bundesstellen, Kantonen und Verbänden eine Konsultation zum damaligen Entwurf statt. Im Rahmen dieser Umfrage kam einerseits eine breite grundsätzliche Zustimmung zum Gesetzgebungsziel zum Ausdruck. Anderseits wurde der Entwurf in verschiedenen Einzelpunkten als noch mangelhaft kritisiert21).

Im März 1992 stellte sich indessen heraus, dass der Vorentwurf zum geplanten Gesetz innerhalb von "Eurolex" nur teilweise würde weiterverfolgt werden können. Der Grund hierfür bestand darin, dass dieses Programm sich auf das zur Umsetzung von EG-Recht unmittelbar Erforderliche zu beschränken hatte. Generelleren Aspekten, insbesondere solchen im Zusammenhang mit dem GATT-Abkommen über technische Handelshemmnisse von 197922), vermochte es demgegenüber zu wenig Rechnung zu tragen. Als Konsequenz wurde das Projekt aus "Eurolex" herausgelöst und auf den ordentlichen Gesetzgebungsweg verwiesen.

132

Phase seit der EWR-Abstimmung

un Anschluss an die Ablehnung des EWR-Abkommens vom 6. Dezember 1992 verabschiedete der Bundesrat am 20. Januar 1993 erste Massnahmen zur "Marktwirtschaftlichen Erneuerung". Er beauftragte dabei das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD), bis Ende 1993 neben den Entwürfen für ein revidiertes Kartellgesetz und für ein Bundesgesetz über den Binnenmarkt auch einen Entwurf für ein "Bundesgesetz über die Beseitigung technischer · Handelshemmnisse" vorzulegen. Ferner erteilte er den Auftrag, die bestehenden Produktevorschriften auf Gesetzes- und Verordnungsstufe auf ihre Kompatibilität mit dem EG-Recht zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Schliesslich sollten auch die bisherigen Vollzugsstrukturen auf dem Gebiet der Produktevorschriften einer Überprüfung unterzogen und - falls nötig - gestrafft werden.

21) 22)

Auf die Einladung zur Stellungnahme antworteten 17 Bundesstellen, 15 Kantone, 2 Konkordate sowie zahlreiche Verbände und Mitglieder dieser Verbände.

Vgl. Ziffer l I3.2.a

541

Unter Federführung des Bundesamtes für Aussenwirtschaft wurden daraufhin in einem ersten Schritt sämtliche produktespezifischen Vorschriften des Bundes auf ihren Abstimmungsbedarf insbesondere gegenüber dem EWR-Recht untersucht. Die Abklärungen mündeten in ein umfassendes Gesetzgebungs- und Verordnungsrevisionsprogramm für den Bereich der Produktevorschriften, welches der Bundesrat am 30. Juni 1993 verabschiedete. Gemäss dessen Vorgaben laufen seither in zahlreichen Produktebereichen Arbeiten, welche auf der innerstaatlichen Ebene zu einer Verringerung technischer Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und ihren Handelspartnern führen werden. Eine erste Serie von Verordnungsrevisionen, zum Beispiel über die Kennzeichnung gewerblicher Gifte, ist bereits erfolgt. Namhafte weitere, so über Lebensmittel, Maschinen, Medizinprodukte und Motorfahrzeuge, gehen ihrem Abschluss im Verlaufe des Jahres 1995 entgegen. Nicht zuletzt werden auf diesem Weg auch die Voraussetzungen dafür verbessert, mit den am EWR beteiligten Staaten internationale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen abschliessen zu können.

In einem zweiten Schritt setzten auch die Arbeiten zu einem von Grund auf überholten Entwurf eines BG über die technischen Handelshemmnisse wieder ein. Bei dieser Gelegenheit wurde versucht, sowohl den anlässlich der Konsultation von 1991/92 vorgebrachten Einwänden als auch zwischenzeitlichen Entwicklungen und Erkenntnissen Rechnung zu tragen.

14

Parlamentarische Vorstösse

Mit der Ablehnung des EWR-Abkommens hat das Problem der technischen Handelshemmnisse für die Schweiz eine neue Dimension erlangt23). Unser Land sieht sich seither Handelspartnern - wirtschaftlich den mit Abstand wichtigsten - gegenüber, welche unter sich diese Behinderungen weitgehend beseitigt haben. Gleichzeitig bleibt es von einer gleichberechtigten Teilnahme an diesem Prozess bis auf weiteres ausgeschlossen.

Dieser Sachverhalt bildete unter anderem Anlass zu den folgenden parlamentarischen VorstÖssen:

23)

542

Vgl. Ziffer II3.2.b

- Motion der Christlich-demokratischen Fraktion vom 18. Dezember 1992 24) betreffend Abbau von Marktzutrittsbarrieren: Der Bundesrat wird beauftragt, den eidgenössischen Räten eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Schweiz die bestehenden internationalen technischen .Normen anerkennt und auf schweizerische Sondermassnahmen und Kontrollvorga'nge im Regelfall verzichtet Ausnahmen dürfen nur nach einer kritischen Prüfung zugelassen werden.

- Postulat der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 13. April 1993 25) betreffend gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen: Der Bundesrat wird ersucht, Verhandlungen zu führen, um mit den EWR-Staaten möglichst rasch ein oder mehrere Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von KonformitStsbewertungcn von technischen Einrichtungen und Geräten abschliessen zu können. Solche Abkommen zum Abbau gegenseitiger Handelshemmnisse entsprechen dein Ziel des freien Warenverkehrs des geltenden Freihandelsabkommens Schweiz-EG sowie dem EFTA-Abkommen. Sie sind deshalb prioritär zu behandeln.

- Interpellation Frey vom 18. Dezember 1992 26) betreffend Normenangleichung bei Motorfahrzeugen: Die schweizerischen Vorschriften für Bau und Ausrüstung von Motorfahrzeugen und Motorrädern, die von jenen der EG abweichen, werden zunehmend als störendes Hindernis für den freien Import von Fahrzeugen aus dem EG-Raum empfunden. 1h der Tat unterscheiden sich die schweizerischen Vorschriften oft nur wenig von jenen der EG. Im Zeichen der in letzter Zeit oft erwähnten Marktöffnung innerhalb Europas erscheint es wenig sinnvoll, diese geringfügigen Unterschiede weiterhin aufrechtzuerhalten. Es gilt vielmehr, sie so rasch als möglich zu eliminieren und auch auf diese Weise zu einer Marktöffnung beizutragen.

Der Bundesrat wird daher höflichst angefragt, ob er - die bestehenden Divergenzen gegenüber den in der EG geltenden Vorschriften für Bau und Ausrüstung von Motorfahrzeugen und Motorrädern auflisten kann, - und ob er für jede einzelne Vorschrift angeben kann, bis wann er sie an die EG-Normen anzupassen gedenkt

In seinen Antworten bzw. Stellungnahmen zu diesen Vorstössen verwies der Bundesrat jeweils auf das am 20. Januar 1993 verabschiedete Massnahmenpaket im Bereich der Produktevorschriften2?). Insbesondere hob er die Rolle des geplanten THG im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Handelshemmnisse im schweizerischen Produkterecht hervor.

24) 25)

92.3598; N 19. März 1993; S. 7. Dezember 1993 93.3197

26) 27)

92.3575 Vgl. Ziffer 132

.543

15

Grundzüge des Gesetzesentwurfs

151

Das 1HG als Rahmenerlass

Der Stossrichtung der Motion vom 18. Dezember 199228) und der in den Beschlüssen von Januar und Juni 1993 definierten Politik des Bundesrates29) entsprechend, handelt es sich beim vorgeschlagenen Gesetzesentwurf um einen Rahmenerlass. Er führt allgemeine, bereichsübergreifend geltende Grundsätze in die umfangreiche schweizerische Gesetzgebung über die einzelnen Produktesektoren ein. Sein Ziel besteht darin, zu bewirken, dass unnötige technische Handelshemmnisse in allen Phasen und auf allen Stufen der Vorbereitung, des Erlasses und der Anwendung von Produktevorschriften vermieden werden. Dabei beschränkt er sich auf Massnahmen, die unmittelbar notwendig und zielführend erscheinen, und ist bestrebt, die sachlich vorgegebene Vielgestaltigkeit der betroffenen Sachgebiete zu respektieren.

Eine erste Kategorie von Bestimmungen (2. Kap., Art. 4-7) richtet sich an den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber des Bundes. Darin werden Grundsätze formuliert, welche bei der Vorbereitung, dem Erlass sowie der Änderung von Produktevorschriften zu beachten sind. Eine periodische Beurteilung der schweizerischen Produktegesetzgebung auf ihre Vereinbarkeit mit diesen Grundsätzen (Art. 8) soll als flankierende Massnahme diesen präventiven Ansatz der Vermeidung technischer Handelshemmnisse unterstützen. Für die Bürgerinnen und Bürger begründen diese Artikel keine Rechte oder Pflichten.

Eine zweite Kategorie-von Bestimmungen (3. Kap., Art. 9-18; 4. Kap., Art.

21-24) zielt darauf ab, durch Schaffung und Delegation von Kompetenzen sowie die Beschreibung von Verfahren die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in der Schweiz technischen Handelshemmnissen umfassend, effizient und flexibel begegnet werden kann. Adressat auch dieser Vorschriften sind in erster Linie die Behörden.

Die dritte Kategorie von Bestimmungen (4. Kap., Art. 19-20; 5. Kap., Art.

25-32) richtet sich demgegenüber an alle Rechtssubjekte, indem sie einerseits gewisse Grundsätze bezüglich der Erfüllung von Produktevorschriften und des diesbezüglichen Nachweises, anderseits strafrechtliche Sanktionen bei Missachtung solcher Vorschriften vorsehen. Mit diesen letzteren Bestimmungen versucht der Entwurf zu gewährleisten, dass die -

28} 29)'

544

Vgl. Ziffer 14 Vgl. Ziffer 132

auch durch das THG - gestärkte Eigenverantwortung der Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der technischen Vorschriften nicht ohne das Risiko ernsthafter Folgen verletzt werden kann.

Die Anwendung des Gesetzes wird unterstützt durch eine längere Liste von Begriffsbestimmungen (Art. 3), welche im Bereich der Produktevorschriften von zentraler Bedeutung sind.

152

Das Verhältnis zur kantonalen Produktegesetzgebung

Wie bereits ausgeführt30), sind es in gewissen Sektoren auch heute noch die Kantone, welche Produktevorschriften erlassen. Grundlage dazu kann in Einzelfällen eine ausdrückliche, bereichsbezogene Ermächtigung auf Verfassungsstufe bilden. Im allgemeinen aber ist in dieser Frage Artikel 31bis Absatz 2 BV massgebend, welcher Vorschriften über das Inverkehrbringen von Produkten grundsätzlich in die Kompetenz des Bundes legt31).

Raum für kantonale Erlasse bleibt danach nur in dem Umfange, als der Bund (noch) nicht legiferiert hat32), oder als er es in seiner Gesetzgebung explizit den Kantonen überlässt, bestimmte Fragen näher festzulegen. So bestehen heute - mangels bundesrechtlicher Vorschriften - namentlich kantonale Regelungen über Bauprodukte und Heilmittel, während etwa der geltende Energienutzungsbeschluss33) kantonale Anforderungen unter gewissen Voraussetzungen ausdrücklich anerkennt.

Das THG lässt diese Aufgabenteilung unverändert. Gleichzeitig findet es mit einer einzigen Ausnahme - nur auf jene Produktebereiche Anwendung, welche bundesrechtlich geregelt sind34). Diese Ausnahme betrifft die grenzüberschreitende Information und Konsultation über geplante technische Vorschriften. Hier soll der Bundesrat gemäss Artikel 16 Absatz 2 die Kompetenz erhalten, internationale Abkommen zu schliessen, welche auch kantonale Regelungen erfassen. Nachdem bestehende Staatsverträge einen solchen Einbezug jedoch bereits vorsehen35), wird auch diesbezüglich nicht in die aktuelle Ordnung eingegriffen.

30)

Vgl. Ziffer 113.1

31} 32)

34)

a.a.O Sog. konkurrierende Zuständigkeit mit nachträglich derogaiorischer Wirkung; Rhinow, René A., Kommentar BV zu Art. 31bil, Rz. 40.

Bundesbeschluss fiir eine sparsame und rationelle Energienutzung vom 14. Dezember 1990; SR 730.0; Art. 14 .

Art. 2 Abs. I; vgl. Ziffer 212.1

35)

Vgl. Ziffer 237.2

33)

545

Wohl bergen kantonale Produktevorschriften nicht weniger als solche des Bundes die Gefahr, sich im internationalen Verkehr als technische Handelshemmnisse auszuwirken. Weichen die Anforderungen verschiedener Kantone überdies voneinander ab, stellt sich das Problem - im interkantonalen wie zwischenstaatlichen Verhältnis - gar in besonders akuter Weise.

Grundsätzlich müsste es im Ergebnis auch stossend wirken, sollten aufgrund des THG ungerechtfertigte technische Handelshemmnisse im Bereich des Bundes zwar beseitigt werden, auf Stufe der Kantone aber ungehindert weiterbestehen können.

Soweit heute noch interkantonal unterschiedliche Vermarktungsbedingungen den Warenverkehr beeinträchtigen, soll in Zukunft primär das vorgeschlagene Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM) zur Anwendung kommen. Dieser Erlass sieht namentlich einen Anspruch des Anbieters darauf vor, jedes Erzeugnis, welches die kantonalen (oder kommunalen) Anforderungen am Ort seiner schweizerischen Niederlassung oder seines schweizerischen Sitzes erfüllt, auf dem ganzen Gebiet unseres Landes auf den Markt bringen zu dürfen. Vorbehalten bleiben sollen nach dem Entwurf einzig Fälle, in welchen ein anderer Kanton oder eine andere Gemeinde in der Lage ist, ein entgegenstehendes, überwiegendes öffentliches Motiv geltend zu machen.

Der Bundesgesetzgeber wird künftig beim Erlass von Produktevorschriften zudem besonders darauf zu achten haben, dass Delegationen von Regelungsbefugnissen an die Kantone nicht zu ungerechtfertigten technischen Handelshemmnissen führen.

Indessen bildet die Zweckmässigkeit des Fortbestandes kantonaler Produkteregelungen schon seit einiger Zeit Gegenstand der politischen Diskussion in unserem Land. Beispielsweise zeichnet sich auf dem heute noch fast ausschliesslich kantonal geregelten Heilmittelsektor ab, dass der Bund - im Anschluss an eine von den Eidgenössischen Räten in dieser Sache überwiesenen Motion - in den nächsten Jahren entsprechende Produktevorschriften erlassen wird. Abgesehen davon wird die Frage auch weiterhin aufmerksam zu verfolgen sein, im besonderen unter Berücksichtigung des Beitrags des BGBM zur Verhinderung technischer Handelshemmnisse zwischen den Kantonen. Sollte dieses nicht zu eher weitgehenden Lösung des Problems führen, müssten zusätzliche Schritte ins Auge gefasst werden.

546

153

Das Verhältnis zur sektoriellen Produktegesetzgebimg des Bundes

Unter mehrfachen Gesichtspunkten zu beurteilen gilt es sodann das Verhältnis zwischen dem THG als - horizontalem - Rahmenerlass und der sogenannten sektoriellen Produktegesetzgebung des Bundes.

Unter sektorieller Gesetzgebung sind all jene Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse sowie Verordnungen zu verstehen, welche Vorschriften über bestimmte Produkte, bestimmte Produktegruppen oder bestimmte Produkteaspekte enthalten, namentlich hinsichtlich des Inverkehrbringens. So gehört die "Verordnung über kosmetische Mittel"36) ebenso zur sektoriellen Produktegesetzgebung wie das "BG über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten"37), das "BG über die Information der Konsumentinnen und Konsumenten"38) Oder die "Verordnung über Getränkeverpackungen"39>. insgesamt lassen sich aus dem geltenden Bundesrecht mehr als 30 Erlasse der Gesetzesstufe sowie über 150 Verordnungen dieser Kategorie zuordnen.

Was zunächst die Frage des rechtlichen Vorrangs betrifft, kann auf Artikel 2, Absätze 2 und 3, .und die diesbezüglichen Erläuterungen verwiesen werden4*». Als Grundsatz gilt dabei, dass sektorielle Vorschriften der Gesetzesstufe dem THG vorgehen. Umgekehrt kommt diesem Vorrang gegenüber dem bereichsbezogenen Verordnungsrecht zu, soweit dort auftretende Abweichungen nicht bereits ausdrücklich im jeweiligen Sektorgesetz vorgesehen sind.

Im weiteren beauftragt das THG in seinem 2. Kapitel41) Bundesrat und Bundesverwaltung, bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von sektoriellen Produktevorschriften technische Handelshemmnisse grundsätzlich zu vermeiden. Diese Verpflichtung gilt pro futuro, d.h. ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes. Es ist mit anderen Worten nicht geplant, gleichzeitig eine materielle Bereinigung des produktebezogenen Bundesrechts im Sinne einer Minimierung technischer Handelshemmnisse auf Gesetzes- und Verordnungsebene vorzunehmen.

Dies aus folgenden Gründen:

36) 37) 38) 39) 40) 41)

SR 817.641 SR 819.1 SR 944.0 SR 814.017 Vgl. Ziffer 212.2 Vgl. Ziffer 221

547

Vorweg liegt es aus politischen wie ökonomischen Gründen nahe, zunächst die Grundsätze der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Produktevorschriften festzulegen, ehe diese Prinzipien in aufwendiger Detailarbeit auf die einzelnen Sektorerlasse angewandt werden. Auch enthält das THG, neben den Vorschriften des 2. Kapitels, verschiedene Bestimmungen, welche nicht den Erlass sektorieller technischer Vorschriften betreffen, sondern diese in ihrer Anwendung und Wirkung unmittelbar unterstützen. Hätten, wie von einzelnen _ Vemehmtassern gefordert, sämtliche Sektorerlasse gleichzeitig mit dem Erlass des Rahmengesetzes angepasst werden müssen, wären jahrelange Verzögerungen bei der Bereitstellung dieser Grundsätze und Grundlagen die Folge gewesen. Zudem wäre die notwendige Diskussion über die Prinzipien durch die zahlreich sich stellenden, produktespezifischen Einzelfragen gefährdet worden.

Für ein abgestuftes Vorgehen spricht ferner auch die Dynamik, welche das Feld der Produktevorschriften kennzeichnet. Je nach Bereich bedürfen diese unter Umständen wiederholter und rascher Anpassung an den technischen Fortschritt und die politische Entwicklung. Auch werden sich, solange die Welt nicht zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum zusammengewachsen ist, nie alle technischen Handelshemmnisse gegenüber den verschiedenen Staaten beseitigen lassen. Es geht mit anderen Worten darum, auf der Grundlage anerkannter Prinzipien und geeigneter Instrumente kontinuierlich für eine bestmögliche gegenseitige Abstimmung unter den zahlreichen regionalen, nationalen oder teilstaatlichen Produkteregimes zu sorgen. Die dafür massgebenden Grundsätze und Mittel sollen mit dem THG festgelegt werden.

Allerdings bestehen heute einzelne sektorielle Bestimmungen der Gesetzesstufe, welche die zukünftige Verwirklichung des THG beeinträchtigen könnten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Sektorgesetze die - auf Verordnungsstufe zu treffende - Wahl der zulässigen Konformitätsbewertungsverfahren vorweg in unbotmässiger Weise einschränken. Um solches zu vermeiden, führt der Anhang zum THG gewisse Anpassungen von Bundesgesetzen auf. Weitere Änderungen der betreffenden Art werden im Rahmen bereits laufender oder unmittelbar anstehender Revisionsvorhaben berücksichtigt werden4^).

Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass der .Bundesrat nach der
Ablehnung des EWR-Abkommens bereits umfassende Massnahmen eingeleitet hat, um gewisse negative Folgen im Bereich der Produktevorschriften abzuwenden«). Dieses Programm stimmt mit den Zielen des THG 42) 43}

548

Vgl. Ziffer 262 Vgl. Ziffer 132

.#

überein. Es würde durch den neuen Rahmenerlass in seiner Verwirklichung wirksam unterstützt.

154

Das Verhältnis zum Staatsvertragsrecht

Internationalen Verträgen kommt beim Abbau technischer Handelshemmnisse eine wichtige Rolle zu44). Soweit solche Abkommen bestehen, gehen sie dem vorgeschlagenen Gesetz - selbstverständlich - vor*s>. , Zum einen basiert das THG selbst auf Staatsvertragsrecht. So geht es im 2.

Kapitel ("Rechtsetzung im Bereich der Produktevorschriften") im wesentlichen um eine nationale Umsetzung und Konkretisierung des GATTÜbereinkommens über technische Handelshemmnisse46). Ferner stützt sich das Gesetz insbesondere hinsichtlich des Informationsaustausches im Bereich der Produktevorschriften auf weitere völkerrechtliche Vereinbarungen47).

Anderseits will das THG den Abschluss von Staatsverträgen auch fördern und erleichtern. Es sieht zu diesem Zweck in Artikel 16 eine Reihe von Gegenständen vor, bezüglich welcher der Bundesrat über eigene Abschlusskompetenzen verfugen soll. Dabei bleibt dessen Zuständigkeit auf den Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt. Abkommen, welche kantonale Produktegesetzgebungen betreffen, werden demnach - unter dem Vorbehalt anderweitiger Ermächtigung zugunsten des Bundesrates weiterhin in der Kompetenz des Parlamentes liegen. Was die Ausnahme von Artikel 16 Absatz 2 anbelangt, wird der Bundesrat den Interessen der Kantone Rechnung zu tragen haben4*}.

155

Das Verhältnis zu verwandten Regelungsbereichen und Vorlagen des Bundes

Für das Verhältnis zwischen dem THG und der sektoriellen Gesetzgebung des Bundes kann auf die Ausführungen an anderer Stelle dieser Botschaft verwiesen werden4^.

44) 45) 46) 47)

Vgl. Ziffer II3.2 Art. 2 Abs. 2 SR 0.632.231.41; vgl die Ziffern 113.2.a. und 222.2 Vgl. Ziffer 223

48) 49)

Vgl. die Ziffern 152 und 237.2 Vgl. insbesondere die Ziffern 153,212.2 sowie 262

549

Wie bereits erwähnt, steht das THG ausserdem in einem komplementären Verhältnis zu zwei anderen Vorlagen zur sogenannten Marktwirtschaftlichen Erneuerung. Das BG über den Binnenmarkt zum einen befasst sich unter anderem ebenfalls mit technischen Handelshemmnissen. Soweit solche im interkantonalen Verhältnis bestehen, begründet es einen . bundesrechtlichen Anspruch auf Beseitigung im EinzeUalßO). Die Revision des Kartellgesetzes zum andern hat zum Ziel, ordnungspolitisch unerwünschte Wettbewerbsbeschränkungen durch Private zu unterbinden.

Indem das THG auf die Beseitigung von zu unrecht divergierenden Produkteanforderungen hinwirkt, unterstützt es dieses Anliegen in massgeblicher Weise. Gemeinsam stärken die drei Erlasse den Wettbewerb als zentrales Prinzip der schweizerischen Wirtschaftsordnung.

16

Vernehmlassungsverfahren

161

Allgemeines

Der Bundesrat hat am 6. Juni 1994 vom Vorentwurf Kenntnis genommen und das EVD ermächtigt, bis zum 22. August 1994 das Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.

Insgesamt sind 85 Antworten eingegangen. Diese verteilen sich auf alle 26 Kantone und Halbkantone, 7 politische Parteien, 9 Spitzenverbände bzw.

Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, 22 Branchen- und Fachverbände sowie 21 weitere Vernehmlassungsteilnehmer aus den Bereichen Handel, Normung, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Arbeitssicherheit.

162

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrcns

Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sind im Bericht des EVD vom 15. Februar 1995 veröffentlicht worden. Die eingegangenen Stellungnahmen zeigen eine durchgehende Unterstützung des Gesetzgebungsziels, nämlich des möglichst weitgehenden Abbaus ungerechtfertigter technischer Handelshemmnisse. Hinsichtlich des vorgeschlagenen Mittels - einem Rahmenerlass - äussert sich einzig ein Vernehmlassungsteilnehmer (Schweiz. Gewerbeverband) grundsätzlich ablehnend. Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf wird allerdings selbst in dessen Stellungnahme in

50)

550

Vgl. Ziffer 152

Bezug auf das 3. Kapitel des Entwurfes ("Kompetenzen und Aufgaben des Bundesrates") bejaht.

Nach Gruppen geordnet, lassen sich die eingegangenen Meinungsäusserungen wie folgt zusammenfassen: Alle Kantone beurteilen die Stossrichtung des Gesetzes positiv und können der Vorlage grundsätzlich zustimmen. Je zwei unter ihnen messen dem Abbau technischer Handelshemmnisse im allgemeinen höchste Priorität zu (ZH, GE) oder halten die Verabschiedung des THG für dringend notwendig (ZG, BL). Zehn Kantone (LU, UR, OW, NW, SO, BL, AG, VD, VS, JU) betonen die Rolle des THG als wichtigen Bestandteil der marktwirtschaftlichen Erneuerung respektive zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Die geltend gemachten Vorbehalte betreffen im wesentlichen die als zu weitgehend empfundenen Ausnahmeregelungen im allgemeinen (LU, SH, SG, JU) bzw. den Ausschluss der kantonalen Produktevorschriften vom Geltungsbereich im speziellen (AR, AI). Gewisse Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit eines Rahmenerlasses bringt ein Kanton (ZH) zum Ausdruck. Ein weiterer (VS) macht seine Zustimmung vom Ausbau regionalpolitischer Instrumente abhängig.

Von den politischen Parteien unterstützen vier (FDP, CVP, SVP, LPS) die Vorlage mit Nachdruck. Eine (LdU) erhebt keine Einwände. Die SP befürchtet dagegen, dass Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz aufgrund des THG den Interessen der Handelspolitik untergeordnet werden könnten.

Die Grüne Partei ist von der Vorlage beunruhigt und macht ihre Zustimmung von einer formellen Zusicherung abhängig, dass bestehende Produkteanforderungen zum Schutze von Menschen, Tieren oder der Umwelt beibehalten und bei Bedarf weiterentwickelt werden können.

Unter den Spitzenverbänden und Arbeitgeberorganisationen befürworten fünf (Vorort, Bauernverband, Bankiervereinigung, Versicherungsverband, Fédération Romande des Syndicats Patronaux) das vorgeschlagene Gesetz nachdrücklich als wichtigen Beitrag zur marktwirtschaftlichen Erneuerung.

Mehrere unter ihnen fordern allerdings eine restriktivere Formulierung der vorgesehenen Ausnahmen bezüglich Geltungsbereich und internationaler Kompatibilität der Produktevorschriften. Der Gewerkschaftsbund verlangt wie die SP, dass ein hohes schweizerisches Schutzniveau weiterhin möglich bleibe. Einzig für den Gewerbeverband ist die Vorlage, wie bereits erwähnt,
und unter Vorbehalt des 3. Kapitels, nicht zielführend.

Ein sehr ähnliches Gesamtbild vermitteln auch die durch die Fach- und Branchenverbände sowie die weiteren Vernehmlassungsleilnehmer eingereichten Stellungnahmen. Während Wirtschaftskreise, unter ihnen

551

namentlich die Cross Verteiler, ein noch griffigeres THG wünschen, legen Umweltorganisationen das Schwergewicht auf die Beibehaltung und Fortentwicklung hoher, unter Umständen auch abweichender schweizerischer Produktestandards. Automobilverbände, Konsumentenorganisationen und Kartellkommission betonen sowohl die wettbewerbsfördernden als auch die preis senkenden Impulse, welche vom vorgeschlagenen Gesetz ausgehen würden. Zwei Verbände (Schweiz. Baumeisterverband, Foederation der Schweiz. Nahrungsmittel-Industrien) sowie die Fédération Romande des Syndicats Patronaux halten ferner die Regelungsdichte des Entwurfs für zu hoch.

163

Stellungnahme zu den wichtigsten Einwendungen

Jm folgenden wird auf fünf Fragenkreise näher eingetreten, welche für die Vorlage von besonderem Gewicht sind. Weitere Ausführungen zu diesen Themen finden sich dabei in den Erläuterungen dieser Botschaft zu den betreffenden Artikeln.

163.1

Geltungsbereich

Abgrenzungsfragen stellen sich beim vorliegenden Gesetzesentwurf vor allem in zwei Richtungen: zum einen gegenüber der sefctoriellen Produktegesetzgebung des Bundes, zum anderen bezüglich kantonaler Vorschriften, welche den Warenverkehr betreffen.

Was das Verhältnis zum kantonalen Produkterecht anbelangt, befürchtet ein Kanton (SG), die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, eine Partei (LPS) sowie ein Arbeitgeberverband (Fédération Romande des Syndicats Patronaux), dass der Bund über das THG in kantonale Belange eingreifen könnte. Ein Kanton (BS) erachtet demgegenüber kantonale Produktevorschriften als nicht mehr zweckmässig, und zwei weitere (AI, AR) beantragen, diese ebenfalls dem Geltungsbereich des vorliegenden Gesetzes zu unterstellen. Von einer politischen Partei (SVP) wird die vorgesehene Beschränkung auf die Gesetzgebung des Bundes akzeptiert, jedoch bedauert. Nach Auffassung mehrerer Spitzenverbände der Wirtschaft (Vorort, Bauernverband, Versicherungsverband) lässt sie sich nur unter der Bedingung rechtfertigen, dass technische Handelshemmnisse aufgrund kantonalen Rechts in Zukunft durch das vorgesehene BG über den Binnenmarkt effektiv beseitigt werden. Für die Bankiervereinigung, die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände sowie die sich äus-

552

_.

sernden Grossverteiler (COOP, Denner) ist die Beschränkung nicht mehr zeitgemäss und sollte korrigiert werden.

Aus staatspolitischen Erwägungen wie zum Teil auch verfassungsrechtlichen Gründen halten wir die vorgesehene Abgrenzung aber für gerechtfertigt. Auf kantonalen Produkteordnungen beruhende technische Handelshemmnisse sollen durch das Binnenmarktgesetz eliminiert werden.

Bezüglich des Verhältnisses des THG zur sektoriellen Produktegesetzgebung finden praktisch alle Vernehmlassungsteilnehmer, dass die vorgeschlagene Regelung klar und verständlich sei. Der dabei stipulierte Vorrang der Sektorgesetze wird indessen vom Vorort als die Achillessehne der Vorlage erachtet, da auf diese Weise die mit dem Gesetz verfolgten Ziele zu sehr gefährdet würden. Derselbe Spitzenverband regt daher an zu prüfen, ob nicht den wichtigsten Bestimmungen des THG Vorrang vor den sektoriellen Vorschriften eingeräumt werden sollte. Derselbe Vorschlag wird auch von zwei Kantonen (SH, JU), dem Schweizerischen Versicherungsverband und zwei Grossverteilern vorgebracht.

Aus juristischen und sachlichen Gründen^) halten wir indessen an der in Vernehmlassung gegebenen Lösung fest. Dabei gilt es insbesondere auch zu beachten, dass Artikel 2 nur die Frage des rechtlichen Vorrangs unter konkurrierenden -Vorschriften beschlägt, Anpassungen sektorieller Regelungen in materieller Hinsicht gilt es demgegenüber in erster Linie im Zusammenhang mit dem 2. Kapitel des Entwurfs und namentlich mit dessen Artikel 5 zu berücksichtigen. Bevor jedoch eine Anpassung der bestehenden Sektorgesetze vorbereitet wird, wie dies einige Vernehralasser (namentlich die Kantone AR, AI und SG) fordern, liegt es unseres Erachtens aus politischen und auch aus ökonomischen Gründen nahe, zunächst die Grundsätze für die Ausgestaltung der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Produktevorschriften festzulegen. Gleichzeitige Anpassungen von Sektorgesetzen an das THG im Rahmen des Anhangs bleiben deshalb darauf beschränkt, jene Hindernisse zu beseitigen, welche die Verwirklichung des neuen Rahnienerlasses unmittelbar behindern oder gar vereiteln könnten.

163.2

Ausgestaltung der Produktevorschriften

Zwei Parteien (SP, GPS) und mehrere Umweltorganisationen befürchten, dass der Grundsatz der internationalen Kompatibilität von Produktevorschriften gemäss Artikel 5 Absatz l zu einem Vorrang von Handelsinteres-

5l)

Vgl. Ziffer 212.2 b

23 Bundesblatt 147. Jahrgang. Bd. II

553

sen gegenüber anderen Aufgaben und Zielen der staatlichen Tätigkeit führe.

Es bestehe einerseits die Gefahr einer Absenkung des schweizerischen Schutzniveaus, namentlich in den Bereichen Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, ja einer Nivellierung auf einem international kleinsten gemeinsamen Nenner. Anderseits würde es der Schweiz in Zukunft verunmöglicht, mittels strengerer Produkteanforderungen als unsere Handelspartner eine Vorreiterrolle zu spielen.

Als erstes ist hierzu festzuhalten, dass das vorgeschlagene Gesetz keinen Primat wirtschaftlicher gegenüber anderen Interessen begründet. Artikel 5 Absatz l legt im wesentlichen lediglich den Punkt fest, von welchem bei der Rechtsetzung im Bereich der Produktevorschriften auszugehen ist. Sodann verfügen unsere wichtigsten Handelspartner, auf deren Gesetzgebung es die schweizerischen Regelungen im Grundsatz abzustimmen gilt, im allgemeinen über Schutzstandards, die heute denjenigen unseres Landes mindestens gleichwertig sind. Sollten sich im Einzelfall dennoch Probleme ergeben, sieht Absatz 3 ausdrücklich einen Vorbehalt zugunsten überwiegender anderer öffentlicher Interessen vor. Allerdings lassen sich unter diesem Vorbehalt abweichende Produkteanforderungen zum Zwecke der Innovationsförderung nicht rechtfertigen, zumal sie dem GATT-Übereinkommen widersprächen.

Die in Absatz 4 im Rahmen einer indikativen Liste ausdrücklich anerkannten Ausnahmegründe sind umstritten. Drei Kantone (SH, AI, SG), eine Partei (LPS) und verschiedene Organisationen der Wirtschaft erachten die aufgeführten Interessen als zu weitgehend. Für den Vorort und einige Branchen- und Fachverbände sollte die Liste abschliessend gefasst sein und, wie für die Konsumentenorganisationen, auch restriktiv gehandhabt werden. Die FDP verlangt, Absatz 4 überhaupt zu streichen. Demgegenüber fordern verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer, darunter zwei Kantone (NE, VD), die SP, der Gewerkschaftsbund, die Vereinigung Schweiz.

Angestelltenverbände sowie die Umweltorganisationen, die explizite Aufnahme weiterer Vorbehaltsgründe.

Eine Änderung von Absatz 4 drängt sich indessen nicht auf. Die darin enthaltenen Rechtsgüter entsprechen jenen, welche im Rahmen unserer staatsvertraglichen Verpflichtungen sowie auf europäischer Ebene allgemein anerkannt sind. Geht der Rechtsetzer über ihren Kreis heraus, was das THG nicht ausschliesst, vergrössert sich auch das Risiko weiter, dass neue technische Handelshemmnisse geschaffen werden.

554

163.3

Gegenseitigkeit

Nach Auffassung eines Kantons (GR) und mehrerer Verbände sollte ein formeller Vorbehalt angebracht werden, wonach die Anerkennung ausländischer Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen nur auf Gegenseitigkeit hin erfolge. Von einer solchen Vorschrift versprechen sich die betreffenden Vernehmlassungsteilnehmer eine Stärkung der schweizerischen Position in internationalen Verhandlungen. Demgegenüber verlangen ein anderer Kanton (JU), die Kartellkommission und ein Branchenverband (Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe), dass Reziprozitätsvorbehalte generell mit grosser Zurückhaltung anzubringen seien, da sonst das mit dem Gesetz verfolgte Ziel unterlaufen werde.

Das THG sieht in Artikel 20 Absatz 3 eine im Grundsatz liberale Regelung vor. Sollte sie jedoch zu Benachteiligungen schweizerischer Wirtschaftsinteressen führen, gestattet der Entwurf gleichwohl, durch Verordnung die geeigneten, mit unseren staatsvertraglichen Verpflichtungen - insbesondere denjenigen des GATT - in Einklang stehenden Massnahmen zu treffen.

Damit bei diesen aussenwirtschaftspolitisch motivierten Massnahmen eine einheitliche Praxis gewährleistet bleibt, soll die Entscheidkompetenz beim Bundesamt für Aussenwirtschaft, im Einvernehmen mit dem jeweils im betreffenden Produktebereich zuständigen Bundesamt, liegen.

163.4

Marktübenvachung

Ein Kanton (AI) lehnt eine staatliche Marktüberwachung im Sinne von Artikel 21 des Entwurfs grundsätzlich ab. Für einen anderen (NE) gehen die zugunsten der zuständigen Stellen vorgesehenen Kompetenzen insgesamt zu weit. Ein Spitzenverband (Vorort) hält zudem den Begriff selbst für miss verstand lieh.

Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Hauptkritik richtet sich jedoch gegen die vorgesehene Ermächtigung der Marktüberwachungsorgane zum Betreten von Geschäftsräumen während den Üblichen Arbeitszeiten. Drei politische Parteien (FDP, SVP, LPS), zwei Spitzen- bzw. Arbeitgeberverbände (Vorort, Fédération Romande des Syndicats Patronaux) sowie einige weitere Vernehmlassungsteilnehmer verlangen diesbezüglich, dass im Gesetz zumindest eine Pflicht zur Voranmeldung festzulegen sei.

Wir sind der Auffassung, dass- eine solche Auflage die Wirksamkeit nachträglicher Marktkontrollen erheblich einschränken würde, und halten deshalb an der vorgeschlagenen Regelung fest.

555

163.5

Strafbestimmungen

Die meisten Kantone (ZG, LU, ZG, BS, SO, GR, AG, TG, NE, VS) befürworten die im 5. Kapitel enthaltenen Strafbestimmungen im allgemeinen wie auch den vorgesehenen Strafrahmen von Gefängnis oder Busse bis 200*000 Franken im speziellen. Für einen Kanton (VD) stellt dieses Strafmass ein Minimum dar; ein weiterer (JU) schlägt gar eine Verdoppelung vor. Unter den politischen Parteien und Spitzenverbänden halten die SVP und der Schweiz. Bauernverband die betreffenden Vorschriften für angemessen, während sie für die LPS wie auch für die Fédération Romande des Syndicats Patronaux bezüglich des Strafmasses eher zu weit gehen. Nach Ansicht des Vororts und einiger Fachverbände ist das 5. Kapitel des THG akzeptabel. Hingegen sprechen sich die Verbände der Chemie- und Lebensmittelbranche sowie des Elektrofachhandels grundsätzlich gegen neue Strafbestimmungen im Rahmen des vorgeschlagenen Gesetzes aus.

Angesichts der Überwiegenden Zustimmung der sich äussernden Kantone, Parteien und Spitzenverbände halten wir an den zur Vernehmlassung unterbreiteten Strafbestimmungen fest. Die von einem Kanton (ZH) sowie vom Vorort gewünschte Harmonisierung der Strafbestimmungen des THG mit der sektoriellen Produktegesetzgebung würde allerdings den Rahmen des vorliegenden Entwurfs bei weitem übersteigen. Sie hat im Rahmen einer Revision des Nebenstrafrechts innerhalb der einzelnen Erlasse zu erfolgen.

164

Änderungen gegenüber dem Vorenhvurf

Aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens ist der Vorentwurf in fünf Fragenkreisen materiell geändert worden. Einige weitere Bestimmungen haben eine im wesentlichen redaktionelle Bereinigung erfahren. Zudem konnten verschiedene Einwände im Rahmen der Botschaft berücksichtigt werden. Bezüglich der Grundsätze sowie des Aufbaus des Vorentwurfs haben sich demgegenüber keine Anpassungen ergeben.

Bei den materiellen Änderungen handelt es sich um die folgenden Punkte: Artikel 6 (Ausgestaltung der Verfahren im besonderen) ist einer umfassenden Überarbeitung unterzogen worden. Anstelle des Vorbehaltes - nicht näher spezifizierter - "überwiegender anderer Gründe" stipuliert der Entwurf nun positiv, dass die Grundsätze der Bestimmung "in der Regel" einzuhalten sind. Der Ausnahmecharakter von - in speziellen Situationen allenfalls unumgänglichen - Abweichungen wird damit unterstrichen.

556

Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass der genannte Vorbehalt bezüglich des Bedürfnisses nach Koordination der Verfahren (Bst. d des Vorentwurfs) nicht berechtigt ist. Dieser Aspekt wird deshalb neu in einem separaten Absatz geregelt. Eine vorwiegend redaktionelle Straffung haben ausserdem die übrigen Grundsätze des Artikels 6 erfahren.

Hauptzweck von Artikel 12 ist es, das bereits bestehende und für die Schweiz unentbehrlich gewordene Akkreditierungssystem für Prüf- und Konformitätsbewertungsstellen als ganzes auf eine innerstaatliche gesetzliche Grundlage zu stellen. Wie sich ergeben hat, ist zu diesem Zweck eine punktuelle Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes erforderlich (Abs. l, zweiter Satzteil). Denn über den - durch Artikel 2-abgedeckten Kembereich der Produkteevaluierung hinaus gewinnt die Akkreditierung auch für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beurteilung von Personen, Dienstleistungen und Verfahren zunehmend an Bedeutung. Auf eine Ermächtigung zum Beizug Privater (Abs. 3) kann dagegen im vorliegenden Fall verzichtet werden, da keine Entscheidbefugnisse auf Dritte übertragen werden sollen. Ferner wurde in Absatz 2 der Buchstabe a gestrichen, der eine ausdrückliche Kompetenz zur Benennung jener Stelle enthielt, welche die Voraussetzungen für eine Erteilung der Akkreditierung überprüft. Diese Kompetenz ist im bisherigen Buchstaben b (neu Bst. a) mitenthalten.

Artikel 20 Absatz 3 handelt vom Reziprozitätsvorbehalt in Fällen, da - im staatsvertraglich nicht geregelten Bereich - Prüfberichte oder Konformitätsbescheinigungen schweizerischer Stellen im Ausland nicht anerkannt werden. Um diesbezüglich eine einheitliche und ausgewogene Praxis sicherzustellen, wird die Kompetenz, einen Vorbehalt festzulegen oder ausser Kraft zu setzen, von der Ebene des jeweiligen Vollzugsorgans auf Amtsstufe angehoben. Konkret soll die Zuständigkeit beim Bundesamt für Aussenwirtschaft liegen, welches stets im Einvernehmen mit dem im betreffenden Produktebereich jeweils zuständigen Bundesamt zu handeln hat. Gleichzeitig wird präzisiert, dass Gegenrechtsvorbehalte in Form von (Amts-) Verordnungen anzubringen sind.

Im Abschnitt über die Marktüberwachung (Art. 21-22) ergibt sich bereits beim Begriff selbst eine - wenn auch nur redaktionelle - Korrektur. Anstelle des vorgeschlagenen, im Rahmen der
Europäischen Union geprägten Ausdrucks wird neu primär die Bezeichnung "nachträgliche Kontrolle" verwendet. Damit soll verdeutlicht werden, dass es um die'Kontrolle der auf dem Markt befindlichen Produkte geht. Der Terminus "Marktüberwachung" erscheint - synonym - nur noch im Abschnittstitel. Entsprechend angepasst werden mussten auch die Überschriften zu den Artikeln 21 und 22. Inhaltliche Modifikationen betreffen einmal Artikel 21 Absatz 1. Die dort aufgeführten Kompetenzen zugunsten der für die nachträgliche

557

Kontrolle bzw. Marktüberwachung zuständigen Stellen haben nunmehr den Charakter einer abschliessenden Liste. Auf diese Weise soll dem horizontalen und subsidiären Charakter des THG im Bereich der Marktüberwachung besser Rechnung getragen werden. Zum andern sollen die nach dem Entwurf schwerwiegendsten Sanktionen gemäss Artikel 2Ì Absatz 3 nur noch durch das für den betreffenden Produktebereich zuständige Bundesamt verhängt werden dürfen. Als Gründe sind die Subsidiarità't der betreffenden Bestimmung als auch das Bedürfnis nach einer einheitlichen Praxis anzuführen. Ebenfalls aus dem Motiv, dass Artikel 21 die sektoriellen Vollzugsbestimmungen bloss unterstützen, nicht jedoch modifizieren soll, wird schliesslich die ganze Bestimmung dem Vorbehalt abweichender SpezialVorschriften nicht nur auf Gesetzes-, sondern neu auch auf Verordnungsstufe unterstellt (Art. 2 Abs. 5).

Ausserdem sind - in materieller Hinsicht - im Anhang zum Entwurf zwei Gesetzesänderungen angefügt worden. Sie betreffen Artikel 40 des Umweltschutzgesetzes, einschliesslich der sich daraus ergebenden Modifikationen der Artikel 41 Absatz l sowie 47 Absatz l desselben Erlasses, und Artikel 3 Absatz 4 bzw. Artikel 20 Absatz l des Lebensmittelgesetzes. In beiden Fällen geht es im wesentlichen darum, in der sektoriellen Gesetzgebung verwendete Begriffe, welche einer Verwirklichung des THG im Wege stehen könnten, anzupassen.

Modifikationen von vorwiegend redaktioneller Natur betreffen ferner die nachstehenden Bestimmungen: In Artikel 2, Absätze 2 und 3, bezwecken geänderte Formulierungen, die Regelung noch zu verdeutlichen.

Im Rahmen von Artikel 3 erfahren gleich mehrere Definitionen leichte Korrekturen. Einmal wird in Buchstabe b - wie im ganzen Gesetzestext von den Synonymen "technische Vorschriften" und "Produktevorschriften" im Interesse einer konsequenten Terminologie nur noch der erstgenannte Ausdruck verwendet. Gleichzeitig erfuhr Buchstabe b eine redaktionelle Umgestaltung, wobei der dritte Gedankenstrich (neu: Pt. 3) zur Verdeutlichung um das Element des "Verfahrens zur Erlangung des Konformitätszeichens" ergänzt wurde. Im Rahmen der Definition von "Inbetriebnahme" (Bst, /; neu: Bst. e) entspricht der Verzicht auf den bestimmten Artikel vor "Endbenutzer" besser der Zielsetzung einer offenen Umschreibung. Unter Buchstabe h
(Konformität; neu: Bst. g) kann das Wort "bestimmter" ohne Verlust gestrichen werden. In Buchstabe m (Konformitätszeichen; neu: Bst. 1) wird verdeutlicht, dass neben Zeichen, welche der Staat selbst festlegt, auch bloss durch ihn anerkannte erfasst sind. Ferner ist auch Buchstabe s (Marktüberwachung; neu: "nachträgliche Kontrolle", Bst. p)

558

*

sprachlich überarbeitet worden. Eine Überprüfung der von einzelnen Vernehmlassungsteilnehmera als zu lang kritisierten Begriffsliste des Artikels 3 hat schliesslich ergeben, dass auf drei Definitionen verzichtet werden kann, nämlich auf die Buchstaben d ("Anbieten"; kein zwingender Bedarf), q ("benannte Stelle"; im Gesetz nicht verwendeter Begriff) sowie ("Informationsaustausch"; in die Artikel 16 und 17 integriert).

Die Aufteilung von Artikel 5 Absatz l in zwei eigene Absätze dient einerseits dazu, Ziel und Mittel bei der Ausgestaltung von Produktevorschriften besser auseinanderzuhalten. Zum anderen wird verdeutlicht, dass sich die Ausnahmeregelung gemäss Absatz 3 (bisher Abs. 2) allein auf die Zielbestimmung (Abs. 1) und nicht auch auf das in der Regel zu befolgende Mittel (Abs. 2) bezieht.

In Artikel 8 (Periodische Beurteilung) gestattet es die Einführung eines neuen Absatzes 3, den Aspekt der internationalen Information und Konsultation über technische Vorschriften (Art. 7) von der Einhaltung der eigentlichen Grundsätze über die Rechtsetzung in diesem Bereich (Art.

5-6) zu trennen.

Die Änderungen in Artikel 13 (Normung) sind sprachlicher Natur, wobei mit der Ergänzung von Buchstabe a ausdrücklich festgehalten wird, dass die Beteiligung der Schweiz an Normungsaufträgen namentlich auch finanzieller Art sein kann. Ebenfalls sprachlich motiviert sind die Anpassungen von Artikel 15 Absatz 2 (Auskunftsstelle) sowie Artikel 17 Absatz 2 (Durchführung internationaler Abkommen) in der Frage der Entschädigung (neu: Abgeltung) beauftragter Privater.

Anlass für die ebenfalls sprachliche Überarbeitung far Absätze l Buchstabe f sowie 2 von Artikel 16 (Abschluss internationaler Abkommen) bildet die bereits erwähnte Streichung der Definition von "Informationsaustausch" in Artikel 3 (Bst. r). Die diesbezüglichen Kompetenzen des Bundesrates werden nun in Artikel 16 selbst umschrieben.

In Artikel 20 Absatz l wird verdeutlicht, dass sich die Nachweisregelung auf Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen beschränkt, welche von sogenannten "dritten", d.h. von Hersteller und Abnehmer unabhängigen Stellen stammen.

Schliessslich kann in Artikel 32 (Strafverfolgung) auf den Vorbehalt anderslautender Bundesvorschriften verzichtet werden, da ein solcher bereits in Artikel 2 enthalten ist.

559

2

Besonderer Teil

21

Erläuterungen des 1. Kapitels

211

Zweck und Gehalt (Art 1) -

Begriff, Gegenstand und wirtschaftliche Bedeutung der technischen Handelshemmnisse wurden in den Ziffern 112 und 113 bereits beschrieben.

Artikel l Absatz l erklärt es nun zum Zweck des Gesetzes, die Grundlagen bereitzustellen, damit solche Hemmnisse im gesamten Regelungsbereich des Bundes - in dieser Prioritätenfolge - vermieden, beseitigt oder abgebaut werden können.

Schon der Zweckartikel bringt somit zum Ausdruck, dass sich das Problem der technischen Handelshemmnisse durch einen Rahmenerlas s nicht unmittelbar lösen lässt. Handlungsschwerpunkte sind und bleiben vielmehr die Gesetzgebung und der Vollzug zu den einzelnen Produktesektoren.

Hingegen vermag das TOG einerseits durch gemeinsame Regeln auf diese sektoriellen Regelungen einzuwirken, anderseits sie in ihren Instrumenten zu ergänzen und so mittelbar zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles beizutragen. Seine ergänzende Funktion besteht im Bereitstellen sowohl von Gesetzgebungs- oder Vollzugskompetenzen, welche in den einzelnen Produktebereichen bisher allenfalls gefehlt haben, als auch von gesetzlichen Grundlagen für die Regelung bereichsübergreifender Bedürfhisse, wie beispielsweise eines schweizerischen Systems für die Akkreditierung von Prüf- und Konformitätsbewertungsstellen.

Durch Artikel J Absatz l anerkennt es der Bundesgesetzgeber als Maxime staatlichen Handelns, technischen Handelshemmnissen nach Möglichkeit entgegenzuwirken. Er bringt damit zum Ausdruck, dass in Zukunft der "Handelsverträglichkeit" von Produktevorschriften bei deren Erlass und Vollzug grösseres Gewicht als in der Vergangenheit beigemessen werden soll. Mit einem solchen Schritt verbunden ist die Notwendigkeit, auch das Verhältnis zwischen dem Interesse an einem unbehinderten Warenverkehr einerseits und jenen Zielen anderseits zu klären, welche durch die vielfältige sektorielle Produktegesetzgebung verfolgt werden. Das THG befasst sich mit dieser Problematik, wie bereits erwähnt52), auf verschiedenen Ebenen: Zunächst regelt Artikel 2 die rechtliche Beziehung zwischen dem vorgeschlagenen Gesetz und den sektoriellen SpezialVorschriften. Im 2. Kapitel (Art. 4-8) geht es sodann um die Interessenabwägung, wie sie bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von Produktevorschriften

52)

560

Vgl. Ziffer 153

vorzunehmen ist. Die Artikel 19-22 behandeln Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung von Produktevorschriften. Unmittelbar erforderliche Anpassungen spezialrechtlicher Erlasse zur Beseitigung von unerwünschten Widersprüchen mit dem THG sind schliesslich im Anhang enthalten.

Für den Gehalt und die Auswirkungen der genannten Artikel oder Gesetzesteile im einzelnen kann auf die betreffenden Erläuterungen im Rahmen dieser Botschaft verwiesen werden.

Absatz 2 deutet an, mit welchen Mitteln das Gesetz seiner Zweckbestimmung gerecht zu werden sucht. Unter Hinweis auf die Vorbereitung, den Erlass und die Änderung von technischen Vorschriften (Bst. a), die Kompetenzen und Aufgaben des Bundesrates (Bst. £), die allgemeinen Rechte und Pflichten der Betroffenen sowie auf die allgemein anwendbaren Strafbestimmungen (Bst. c) nimmt er Bezug auf die einzelnen Kapitel des THG. Gleichzeitig bringt er zum Ausdruck, dass das THG auf allen Ebenen wirken soll, auf denen sich technische Handelshemmnisse manifestieren.

212 212.1

Geltungsbereich (Art 2) · - Grundsatz (Art 2 Abs. 1)

Für einen Rahmenerlass mit horizontalem Geltungsanspruch von zentraler Bedeutung ist die Frage seines Verhältnisses zur übrigen einschlägigen Gesetzgebung, Im Falle des THG sind dies auf der Ebene des Bundes einige Staatsverträge sowie ein umfangreicher und vielgestaltiger Bestand an autonomen, sektoriellen Produktevorschriften. Darüber hinaus richten sich in einzelnen Produktebereichen die Anforderungen nach kantonalem Rechtss).

Artikel 2 regelt die Frage des Verhältnisses zwischen dem THG und der übrigen schweizerischen Produktegesetzgebung unter rechtlichen Gesichtspunkten. Als Grundsatz wird in Absatz l .festgehalten, dass der vorgeschlagene Erlass für alle Bereiche gelten soll, in denen der Bund technische Vorschriften aufstellt. Damit unterstreicht der Gesetzgeber auf der einen Seite die horizontale, sektorübergreifende Zielsetzung des Erlasses. Auf der anderen begrenzt er - wie unter Ziffer 152 bereits ausgeführt - dessen Geltungsanspruch auf produkterelevante Fragen, welche ihre Grundlage im Bundesrecht haben. Einzig die Artikel 12

53)

VgL die Ziffern 113 und 152

Absatz l, 2. Teilsatz, sowie Artikel 16 Absatz 2 bilden unter diesem Grandsatz eine Ausnahme54).

Der Geltungsanspruch des THG erfasst auch Vorschriften auf Bundesebene, welche aufgrund einer ausgelagerten Rechtsetzungskompetenz durch Dritte, beispielsweise einen Berufsverband, erlassen werden. Was die Vollzugsebene betrifft, ist die Tätigkeit aller kantonalen oder beauftragten halbstaatlichen und privaten Organe, welche bundesrechtliche Produktevorschriften vollziehen, mit eingeschlossen.

212.2

Ausnahmen (Art 2 Abs. 2 und 3)

a. Vorbehalt des Staatsvertragsrechts Dass für die Schweiz verbindliche internationale Abkommen dem THG vorgehen, ist im Rechtssystem unseres Landes eine selbstverständliche Feststellung. Wenn sie in Artikel 2 Absatz 2 des Entwurfes dennoch aufgenommen wird, so um auf die grosse Bedeutung hinzuweisen, welche staatsvertraglichen Regelungen für die gegenseitige Öffnung von Marktordnungen im Bereich der Produktevorschriften zukommt55).

Um auf einem hochtechnischen und sich rasch wandelnden Gebiet wie demjenigen der Produktevorschriften das Instrument der Staatsverträge mit der gebotenen Flexibilität einsetzen zu können, schlägt der Gesetzesentwurf zudem in mehreren Punkten vor, dem Bundesrat die Kompetenz zum Abschluss solcher Abkommen zu übertragen56). Soweit dieser hiervon Gebrauch macht, wird er sich nicht nur am Geltungsbereich^?) und an den Zielen des vorliegenden Gesetzes im allgemeinen sowie - sinngemäss - an dessen Grundsätzen über die Vorbereitung, den Erlass und die Änderung von Produktevorschriften (Art. 4-658)) zu orientieren haben. Auch Ziel und Zweck der jeweiligen sektoriellen Gesetzgebung werden gegebenenfalls zu berücksichtigen sein.

b. Vorbehalt von Abweichungen auf Gesetzesstufe Ebenfalls in Absatz 2 geregelt ist der Vorbehalt abweichender oder weitergehender Bestimmungen, welche in anderen Bundesgesetzen oder in allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüssen enthalten sind.

54) 35) 56) 57) 58}

562

Vgl. die Ziffern 233 und 237.2 Vgl. Ziffer 154 Vgl. Ziffer 237.2 Vgl. Ziffer 152 Vgl. Ziffer 222

Hierzu muss vorweg nochmals betont werden, dass sich Artikel 2 einzig mit der Frage des rechtlichen Vorrangs unter konkurrierenden Vorschriften des Bundesrechts befasst: Was die unter sachlichen bzw. politischen Gesichtspunkten allenfalls notwendige oder erwünschte Bereinigung bzw.

Harmonisierung dieser Regelungen betrifft, ist auf die Erläuterungen zum 2. Kapitel sowie zum Anhang des Gesetzesentwurfs zu verweisen^).

Für den juristischen Primat abweichender oder weitergehender Spezialgesetze sprechen vor allem drei Gründe. Zum ersten bietet er eine eindeutige Antwort auf die im konkreten Fall möglicherweise schwierige Frage des Verhältnisses zwischen THG und sektoriellen Vorschriften. Denn Rechtssicherheit und -klarheit dürfen mit der Einführung eines Rahmengesetzes nicht in Frage gestellt werden. Als zweites handelt es sich bei den vom THG betroffenen sektoriellen Gesetzgebungen in der Regel um in sich kohärente Systeme, welche durch punktuelle Eingriffe seitens eines horizontalen Erlasses in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden könnten. Drittens schliesslich ist zu beachten, dass bei einem generellen Vorrang des THG auch gegenüber zukünftigen Sektorerlassen eine Selbstbindung des Gesetzgebers eingeführt würde. Eine solche ist dem schweizerischen politischen System aber fremd und in der Vergangenheit auch schon ausdrücklich abgelehnt worden60).

Voraussetzung für das Vorliegen einer Konkurrenz zwischen Bestimmungen des THG einerseits und solchen eines Sektorgesetzes anderseits ist in jedem Fall, dass ein bestimmter Regelungsgegenstand von beiden Erlassen erfasst wird. Auch ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein. Um eine abweichende spezialgesetzliche Vorschrift handelt es sich, wenn diese eine gegenüber dem THG materiell andersartige Rechtsfolge vorsieht. Ordnet ein Sektorgesetz beispielsweise in der Frage des Konformitätsnachweises eine von Artikel 19 THG verschiedene Regelung an, kommt ihr der Vorrang zu. Demgegenüber handelt es sich beim Vorbehalt weitergehenden Sektorrechts nicht um qualitative, sondern bloss quantitative Unterschiede zum vorgeschlagenen Gesetz.

Rechtlich möglich ist ferner der Fall, in welchem das sektorielle Spezialgesetz zwar nicht vom THG abweicht, jedoch Regelungskompetenzen >auf untere Ebenen delegiert und Divergenzen alsdann auf Verordnungsstufe auftreten. Hier soll als Regel gelten, dass der Bundesrat und die für den Erlass von Produktevorschriften zuständigen Departemente oder-Ämter 59)

Vgl. Ziffern 22 und 262

60)

Vgl. die "Botschaft zu einem Bundcsgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen" vom 15. Dezember 1986. BEI 1987 1386

563

nicht ohne ausdrückliche oder implizite Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber von den Grundsätzen des THG abweichen dürfen. Abgesehen von Fällen gemäss Absatz 3 beschränkt der Gesetzesentwurf den Vorbehalt von Spezialerlassen mithin auf solche der Gesetzesstufe.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem THG gegenüber der geltenden Produktegesetzgebung im wesentlichen eine bloss ergänzende oder unterstützende Funktion zukommt. Beispielsweise wird dem Bundesrat ermöglicht, eine Verordnung über bestimmte Produkte in Fragen der Konformitätsbewertung oder der Verwendung von Konformitätszeichen.

direkt auf das THG (Art. 9-11) abzustützen, wenn im sektoriellen Gesetz eine diesbezügliche Grundlage fehlt. Oder seine Bestimmungen über den Konformitätsnachweis (Art. 19-20) finden nur soweit Anwendung, als ein solcher durch die sektoriellen Vorschriften überhaupt gefordert wird. Das Potential sektorieller Widersprüche zu materiellen Regelungen des THG im allgemeinen sowie von Abweichungen, welche sich allein auf Verordnungsstufe manifestieren, im besonderen ist daher insgesamt als gering zu beurteilen.

c. Genereller Vorbehalt spezialrechtlicher Regelungen im Bereich der Artikel 3 (Begriffe) und 21 (Befugnisse der Kontrollorgane) In Bezug auf zwei seiner Bestimmungen sieht das THG zudem - in Abweichung von Artikel 2 Absatz 2 - einen generellen Vorbehalt zugunsten sektorieller Regelungen vor (Art, 2 Abs. 3). In diesen Fällen soll mit anderen Worten Spezialrecht auch dann vorgehen, wenn sich eine Abweichung vom THG erst auf Verordnungsstufe manifestiert.

Der erste Vorbehalt betrifft die Begriffsbestimmungen gemäss Artikel 3.

Definitionen spielen auf dem sehr technisch geprägten Gebiet der Produktevorschriften eine wichtige Rolle, werden indessen im Rahmen der sektoriellen Gesetzgebung nicht selten erst auf Verordnungsebene näher definiert.

Würden abweichende Definitionen des THG hierbei vorgehen, könnte sich dies negativ auf das Funktionieren des betroffenen sektoriellen Regelungssystems auswirken.

Ist nun eine Vorschrift des THG anzuwenden (z.B. Art. 19 betreffend den Nachweis der Konformität), in welcher ein sektoriell abweichend definierter Begriff vorkommt (z.B. "Inverkehrbringen"), bedarf es einer genauen Abklärung der beiden in Frage stehenden Begriffskonzeptionen. Geht dabei die -
spezifischere - Definition des Sektorerlasses in der - allgemeineren des THG auf, ergibt sich für die Anwendung des Rahmengesetzes kein besonderes Problem. Weichen die beiden Konzeptionen aber voneinander ab, wird auslegungsweise zu ermitteln sein, in welchem Masse eine Anwendbarkeit der Bestimmung des THG überhaupt noch gegeben ist.

564

·£

Auch diesbezüglich gilt indessen der Hinweis, dass solche Konflikte angesichts der weit gefassten Definitionen des THG - sehr selten auftreten dürften. ' Der zweite Vorbehalt von Artikel 2 Absatz 3 bezieht sich auf die in Artikel 21 aufgeführten Befugnisse der für die nachträgliche Kontrolle (MarktÜberwachung) zuständigen Organe. Mit dieser Bestimmung bezweckt das THG, allein für den Fall des Fehlens diesbezüglicher spezialrechtlicher Vorschriften in subsidiärer Weise Kompetenzen zur Verfügung zu stellen<>i). Denn ein Rahmenerlass vermöchte den in solchen Vollzugsfragen sehr unterschiedlichen und wiederum oft erst auf Verordnungsstufe näher spezifizierten Bedürfnissen der einzelnen Produktebereiche nicht abschliessend gerecht zu werden.

213

Begriffe (Art 3)

213.1

Allgemeines

Der Bereich der Produktevorschriften und der Normung kennt eine Vielzahl ihm eigener Fachausdrücke und Rechtsinstitute von zumeist sehr technischer Natur. Einige von ihnen sind von bereichsübergreifender, horizontaler Bedeutung und werden auch im Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse verwendet. Sie zu bestimmen, stellt eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis und die Anwendbarkeit sowohl des vorgeschlagenen Gesetzes im allgemeinen als auch von dessen strafrechtlichen Bestimmungen im besonderen dar.

Gleichzeitig erfüllen die meisten der in Artikel 3 enthaltenen Begriffe die wesentliche Funktion, den Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Gesetzes näher zu bezeichnen. Es geht dabei darum, durch hinreichend weit gefasste Umschreibungen sicherzustellen, dass allenfalls unterschiedliche Konzeptionen in der sektoriellen Gesetzgebung, beispielsweise bezüglich des Begriffs des "Inverkehrbringens", gleichermassen dem THG unterstellt sind.

Bei den Begriffen nach Artikel 3 handelt es sich einerseits ausschliesslich um Ausdrücke, welche im THG selbst zur Anwendung kommen. Anderseits finden sich in dieser Liste nicht sämtliche im THG enthaltenen Termini umschrieben, deren Definition allenfalls in Frage käme. Nicht nur scheint angesichts der ohnehin erreichten Länge der Liste - eine Konzentration auf

6l)

Vgl. Ziffer 242.2

565

das Wesentliche angezeigt. Allgemeinverständlichere Ausdrücke wie etwa das "Anbieten" oder das "Verwenden" von Produkten werden deshalb nicht eigens definiert. Auch ist es vereinzelt kaum möglich, Begriffe aussagekräftig und dennoch in nicht zu starrer Weise festzulegen. Als Beispiel hierfür lässt sich im besonderen der Ausdruck "Produkt" anführen.

Für einen Erlass, welcher die Vermeidung und den Abbau technischer Handelshemmnisse zum Ziele hat, auf jeden Fall wesentlich ist jedoch die Ausrichtung seiner Begriffsbestimmungen nach international akzeptierten Sprachregelungen. So ist den Definitionen in Artikel 3 insbesondere der "ISO-Leitfaden Nr. 2" (Allgemeine Fachausdrücke und deren Definitionen betreffend Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten) in der Fassung aus dem Jahre 1991 zugrunde gelegt, welchem auch die Europäische Norm 45020 vom September 1993 entspricht. Ferner dienten namentlich die im GATT-Übereinkommen vom April 1994 sowie in der EG-Richtlinie 83/189 "über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften" enthaltenen Definitionen als Referenzpunkte.

Die Schwierigkeit bei all diesen Vorlagen besteht darin, dass ihre Zweckbestimmung und Geltungsbereiche sich von denjenigen des THG unterscheiden. Beim "ISO-Leitfaden" im speziellen kommt hinzu, dass dessen zahlreiche Definitionen nach dem Baukastensystem konzipiert sind, ein Verständnis sich folglich zum Teil erst aus dem Gesamtzusammenhang heraus ermöglicht. Trotz dieser Einschränkungen dürften die in Artikel 3 aufgeführten Begriffsbestimmungen die internationale Kompatibilität der im THG verwendeten Terminologie gewährleisten.

Wie bereits dargelegt62), erheben die Definitionen gemäss Artikel 3 keinen rechtlichen Anspruch auf Vorrang gegenüber abweichenden Konzepten in der Gesetzgebung zu den einzelnen Produktesektoren. Allerdings gilt es wie im Zusammenhang mit Artikel 2 ausgeführt - den juristischen Aspekt auch hier von sachlichen bzw. politischen Notwendigkeiten zu unterscheiden. Denn zu den mit dem THG verfolgten Zielen gehört namentlich auch, im Rahmen der gesamten schweizerischen Produktegesetzgebung eine international akzeptierte und - soweit sinnvoll - gemeinsame Sprache zu fördern. Eine solche fehlte bis anhin weitgehend, was nicht nur zu Problemen im grenzüberschreitenden Verkehr,
sondern auch bei der Anwendung der konkreten Sektorvorschriften im Innern führte. Beispielsweise haben heute gewisse Geräte bezüglich ihrer mechanischen und elektrischen Risiken unterschiedlichen Produktevorschriften zu entsprechen. Dabei enthalten die jeweils anwendbaren Verordnungen voneinander abweichende 62)

566

Vgl. Ziffer 212.2.C

Konzeptionen etwa des zentralen Begriffs des "Inverkehrbringens" dieser Erzeugnisse, ohne dass klar wäre, welche der Regelungen vorgeht. Solchen Missständen soll das THG in erster Linie durch sein 2. Kapitel Über die Rechtsetzung im Bereich der Produktevorschriften63) entgegenwirken. Aber auch der Definitionenkatalog des Artikels 3 wird dazu beitragen, diesbezüglich einen besser abgestimmten Sprachgebrauch herbeizuführen.

213.2

Technische Handelshemmnisse (Art 3 Bst. a)

Der Begriff "technische Handelshemmnisse" ("entraves" bzw. "obstacles techniques au commerce"; "ostacoli tecnici al commercio"; "technical barriers to trade") ist bereits unter Ziffer 112 kurz erläutert worden. Er hat sich spätestens seit dem GATT-Übereinkommen von 197964) eingebürgert. Technische Handelshemmnisse bezeichnen Behinderungen oder Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Verkehrs bzw. der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit von Produkten, welche darauf zurückzuführen sind, dass verschiedene Wirtschafts räume über unterschiedliche oder genauer gesagt: unzureichend miteinander kompatible - Produktevorschriften oder technische Normen verfügen, dass diese Vorschriften oder Normen unterschiedlich angewandt werden, oder dass in einem Wirtschaftsraum durchgeführte Verfahren wie Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen von Produkten in einem andern nicht anerkannt werden.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob ein technisches Handelshemmnis auf unterschiedlichen Regeln von Teilstaaten (z.B. Kantonen), Staaten oder Staatengemeinschaften (z.B. der Europäischen Union) beruht.

Auch gilt es aus dem Begriffsmerkmal, wonach technische Handelshemmnisse den grenzüberschreitenden Warenverkehr beeinträchtigen, nicht zu schliessen, dass die Herstellung und der Vertrieb von Produkten auf dem 'Binnenmarkt hiervon unberührt blieben. Im Gegenteil machen sich die wettbewerbshemmenden und -verzerrenden Konsequenzen solcher Handelsschranken in Form von höheren Preisen, Angebotsbeschränkungen und strukturellen Fehlentwicklungen gerade auch im inländischen Wirtschaftsverkehr besonders bemerkbar^).

Zumal es im vorgeschlagenen Gesetz um die Minimierung technischer Handelshemmnisse als staatliche Aufgabe geht, muss in seinem Rahmen die internationale Einbettung bzw. Harmonisierung der nationalen Vor63) 64)

Vgl. Ziffer 22 Vgl. Ziffer I13.2.a

65)

Vgi. Ziffer 112.2

567

Schriften im Vordergrund stehen. Was die technische Normung angelangt, so bleibt diese - als privatrechtliche Tätigkeit - dem unmittelbaren staatlichen Zugriff grundsätzlich entzogen. Gleichwohl verfügt der Gesetzgeber auf der Ebene des TOG aber über gewisse Mittel, um von Seiten des Staates den nationalen und internationalen Normungsprozess in einem beschränkten Masse zu beeinflussen (insbesondere durch Art. 13). In diesem Sinne ist es gerechtfertigt, in Artikel 3 Buchstabe a auch die Vermeidung technischer Handelshemmnisse aufgrund von unterschiedlichen Normen als Ziel und Gegenstand des 7HG zu bezeichnen.

·213.3

Technische Vorschriften (Art. 3 Bst. b)

Die Begriffe "technische Vorschriften" und "Produktevorschriften" werden im deutschen Sprachgebrauch synonym verwendet, lim Interesse einer einheitlichen Terminologie findet im Rahmen des THG allerdings nur der erstgenannte Berücksichtigung. Grundlage für die Definition von "technischen Vorschriften" in Buchstabe b bildet in erster Linie die in Ziffer 213.1 zitierte EG-Richtlinie 83/189, welche das sogenannte Informationsverfahren regelt lind dabei festlegt, welche technischen Vorschriften (und Normen) unter den beteiligten Staaten zur Vermeidung von Handelshemmnissen präventiv zur gegenseitigen Überprüfung mitzuteilen sind66).

Wie bereits in Ziffer 112.1 umschrieben, handelt es sich bei technischen Vorschriften um Regeln der staatlichen Rechtsordnung. Die in ihnen festgelegten Anforderungen lassen sich nach drei Gesichtspunkten gruppieren: Eine erste Kategorie bezieht sich auf das Produkt selbst (z.B. dessen Beschaffenheit oder Eigenschaften, einschliesslich der Masse und Gewichte, dessen Verpackung, Beschriftung oder des anzubringenden Konformitätszeichen). Eine zweite betrifft die Bedingungen und Verfahren, unter denen es hergestellt, gelagert oder transportiert wird (im Lebensmittelbereich beispielsweise Vorschriften über, die hygienischen Bedingungen bei der Aufbereitung von Milch). Zur dritten Kategorie schliesslich gehören Bestimmungen über die Prüfung, Konformitätsbewertung, die Erlangung des Konformitätszeichens, die Anmeldung oder die Zulassung von Produkten, Verfahren also, bei denen es um die Abklärung oder Bestätigung bestimmter Merkmale von Produkten geht.

Die Qualität von Produktevorschriften erlangen solche Anforderungen dann, wenn sie eine verbindliche Voraussetzung für die Vermarktung oder Verwendung bestimmter Erzeugnisse bilden. Unter den gesetzlichen

66)

568

Vgl. zum Informationsverfahren die Erläuterungen zu Art. 7; Ziffer 223

Anknüpfungspunkten im Vordergrund steht dabei das Inverkehrbringen6?), ferner das Anbieten und die InbetriebnahmeöS). Aber auch staatliche Regeln über das Verwenden oder die Entsorgung von Erzeugnissen gelten als technische Vorschriften, soweit sie sich auf die Anforderungen an das Erzeugnis selbst oder auf die übrigen genannten Aspekte auswirken. In der Regel nicht als Produktevorschriften zu betrachten sind demgegenüber etwa Bestimmungen über den Betrieb, den Unterhalt oder die Wartung von Produkten, zumindest insofern sie keinen Einfluss auf die für das Vermarkten des betreffenden Produkts geltenden Voraussetzungen haben.

Durch das vorgeschlagene Gesetz nicht definiert wird - wie bereits erwähnt69) - der Begriff des "Produkts". Auch den einschlägigen internationalen Dokumenten kann diesbezüglich nichts Weiterführendes entnommen werden. Immerhin ist zum einen festzuhalten, dass sich das THG mit Waren befasst sowie mit Voraussetzungen und Verfahren im Zusammenhang mit deren Herstellung, Lagerung, Transport, Prüfung und Bewertung. Nicht in seinen Anwendungsbereich fallen somit - mit Ausnahme der Regelung von Artikel 12 Absatz l - Dienstleistungen, auf welche sich die im Gesetzesentwurf aufgeführten Konzepte nur in sehr beschränktem Masse anwenden Hessen. Zum andern gilt eine Ware dann als Produkt im Sinne des THG, wenn mit ihr in irgendeiner Form Handel getrieben wird. Unter diesem Gesichtspunkt können beispielsweise auch Bestimmungen über menschliches Blut, über Pflanzen oder über lebende Tiere den Charakter von Produktevorschriften erlangen, ferner etwa solche über Abfälle.

213.4

Technische Nonnen (Art 3 Bst. c)

Von ihrem Gegenstand her unterscheiden sich technische Normen im Sinne des vorgeschlagenen Gesetzes nicht von Produktevorschriften, mit Ausnahme derjenigen Aspekte, welche - wie namentlich die Zulassung begriffsnotwendig eine staatliche Tätigkeit beinhalten. Im Gegensatz zu den Vorschriften des Staates weisen Normen aber keine Rechtssatzqualität auf, d.h. es besteht keine öffentlichrechtliche Verpflichtung, sie einzuhalten.

Im Rahmen der Anwendung und Auslegung von Produktevorschriften spielen technische Normen indessen in vielen Fällen eine bedeutende Rolle, beispielsweise bei der Bestimmung des sogenannten Standes der Technik oder bei der Beurteilung der Qualifikation einer Prüf- oder Konformitätsbe-

67) 68) 69)

Vgl Ziffer 213,5 Vgl. Ziffern 213.6 Vgl.Ziffer213.1

569

Wertungsstelle. Namentlich im Falle sogenannter "mandatierter" Normen70) kann mit ihrer Einhaltung zudem eine gesetzliche Vermutung verbunden sein, dass gleichzeitig die zugrunde liegenden Vorschriften erfüllt sind.

Bei "nonnenschaffenden Organisationen" kann es sich um lokale, nationale, regionale oder globale Institutionen handeln?1). Ihre Organisationsform ist in aller Regel eine solche des Privatrechts, und die Teilnahme steht allen interessierten Kreisen - Privaten und Behörden - offen. Aus historischen Gründen sind vereinzelt aber auch staatliche oder zwischenstaatliche Instanzen nonnenschaffend tätig, wie dies namentlich beim sog. Codex Alimentarius im Lebensmittelsektor oder bei den beiden Komitees CCl'lT'2) und CCIR73) der Internationalen Femmeldeunion (ITU) der Fall ist.

213.5

Inverkehrbringen (Art 3 Bst. d)

Weitaus wichtigster Anknüpfungspunkt für die Verpflichtungen, welche aus Produktevorschriften fliessen, ist der Begriff des Inverkehrbringens. Aus ihm ergibt sich in der Regel, in welchem Zeitpunkt welche Person die Erfüllung von Produkteanforderungen nachzuweisen in der Lage sein muss.

Zur Vermeidung von Handelshemmnissen erweist sich eine Abstimmung der schweizerischen Terminologie auf diejenige unserer wichtigsten Handelspartner gemäss Artikel 574> in diesem Punkt als besonders bedeutsam. Aber auch im innerstaatlichen Verhältnis gilt es, wie bereits aufgezeigt75), diesbezügliche Diskrepanzen zu beheben.

Buchstabe d enthält eine generell gefasste Definition, welche zum Zweck hat, unter Wahrung internationaler Kompatibilität die unterschiedlichen Konkretisierungsbedürfnisse der einzelnen Produktesektoren abzudecken.

Zentrale Elemente dieser Definition stellen die Übertragung bzw. die Überlassung des Produkts dar. Gemeint sind damit faktische Vorgänge, unabhängig vom ihnen zugrunde liegenden Rechtsgeschäft, im Falle der "Übertragung" gegebenenfalls auch abweichend vom juristisch massgeblichen Zeitpunkt des Eigentums- oder Besitzesübergangs. Vorbehaltlich abweichenden Spezialrechts nicht erfasst ist allerdings die Übertragung bzw. Überlassung von Produkten vor dem eigentlichen Stadium der 70)

Vgl. Ziffer 112.1

71)

Vgl. die Ziffern 113.2.a. und b

72) - 73) 74) 75)

Comila consultatif international télégraphique et téléphonique Comité consultatif international des radiocommunications Vgl. Ziffer 222 Vgl. Ziffer 213.1

570



Vermarktung, insbesondere zu Zwecken der Forschung und Entwicklung oder für Testläufe.

Ausgeschlossen von dieser Begriffsbestimmung bleibt auch der Eigengebrauch durch den Hersteller. Handelt es sich um eine Übertragung oder Überlassung im juristischen Rahmen einer einzigen Rechtsperson, insbesondere eines grösseren Unternehmens mit mehreren operativen Einheiten, wird auf die .Umstände des einzelnen Falles abzustellen sein, um zu entscheiden, ob ein Inverkehrbringen vorliegt oder nicht, Nicht konstitutiv für den Begriff des Inverkehrbringens ist die Entgeltlichkeit der Überlassung. Als Ausfluss von Artikel 31bîs Absatz 2 BV muss es sich indessen, soweit nicht eine andere, auf das betroffene Produkt anwendbare Verfassungsbestimmung etwas Abweichendes vorsieht, um eine Tätigkeit zu geschäftlichen Zwecken handeln. Gefälligkeitsgeschenke unter Privaten bleiben damit ausserhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes, es sei denn, die Bundesverfassung decke in Bezug auf das in Frage stehende Erzeugnis auch solche Vorgänge ab.

Was die örtliche Komponente des Begriffs betrifft, bestimmt sich diese primär nach den jeweiligen sektoriellen Vorschriften. Soweit sich diesen allerdings keine Regelung entnehmen lässt, gilt es die folgenden Unterscheidungen zu beachten:

Da das nationale Recht nur Vorgänge und Personen innerhalb der Schweiz zu erfassen vermag, müssen beim Inverkehrbringen Übertrager und Empfänger des Produkts in der Schweiz ihren Wohnsitz, ihren Sitz, ihre Niederlassung oder ihren Aufenthalt haben, und muss der Übertragungsvorgang auf dem Gebiet der Schweiz stattfinden. Wird ein Produkt importiert, stellt erst die Übertragung vom Importeur auf den Abnehmer ein Inverkehrbringen dar. Soll auch der Direktimport durch den inländischen Verwender oder Verbraucher erfasst werden, ist dies in der sektoriellen Gesetzgebung vorzusehen, beispielsweise mittels Gleichstellung mit dem Vorgang des Inverkehrbringens oder durch Anknüpfung an die "Inbetriebnahme"76).

Ebenfalls durch die sektorielle Gesetzgebung gilt es femer die Frage zu entscheiden, ob Vorschriften über das Inverkehrbringen nur auf neue Produkte anwendbar sein sollen, oder auch auf bereits gebrauchte. Bleibt sie offen, wird von der Anwendbarkeit bloss auf neue Erzeugnisse auszugehen sein.

76)

Vgl. dazu die nachfolgende Ziffer

571

Generell wird im Rahmen der Vorschriften zu den einzelnen Produktebereichen jene Konkretisierung des Inverkehrbringens-Konzepts gemäss Buchstabe d vorzunehmen sein, welche im Sinne von Artikel 5 des Gesetzes am wenigsten zu technischen Handelshemmnissen führt.

Was schliesslich die Sachverhalte des mehrmaligen Inverkehrbringens sowie des Inverkehrbringens von Produkten aus serieller Fertigung betrifft, sieht das THG in Artikel 19 besondere materielle Regelungen vor, weshalb diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden kann77).

213.6

Inbetriebnahme (Art 3 Bst. e)

Die "Inbetriebnahme" wird in einzelnen Bereichen als besonderer Anknüpfungspunkt für die Anwendung von Produktevorschriften eingesetzt. Der Inbetriebnahme kann, muss aber nicht, ein Inverkehrbringen vorausgegangen sein. Sie bezeichnet dabei die erstmalige Verwendung eines Produkts durch Endbenutzer.

Indem der Gesetzgeber die Erfüllung von Produktevorschriften als Voraussetzung der Inbetriebnahme fordert, vermag er einerseits die verpflichtende Wirkung dieser Bestimmungen über den Moment des - anfälligen - Inverkehrbringens hinaus auszudehnen. Treten nach dem Inverkehrbringen, aber vor der Inbetriebnahme, neue Anforderungen in Kraft, darf das Produkt in einem solchen Falle nur in Betrieb genommen werden, wenn es auch diesen Vorschriften entspricht. Anderseits lassen sich, bei Vorliegen besonderer Gründe, mit der Anknüpfung an die Inbetriebnahme allenfalls auch der Direktimport oder - soweit eine entsprechende Grundlage in der Verfassung besteht - der Eigengebrauch7^) erfassen.

Von dieser Funktion des Begriffs gilt es staatliche Regelungen zu unterscheiden, welche speziell den Vorgang des fnbetriebnehmens eines Produkts betreffen, wie etwa Vorschriften über die Installation einer Maschine. Solche Bestimmungen sind unter dem THG nur in dem Umfang relevant, als sie Auswirkungen auf das Produkt selbst oder andere Gesichtspunkte im Sinne von Artikel 3 Buchstabe b haben.

77) 78)

572

Vgl. Ziffer 241.2 S. dazu die vorangehende Ziffer

213.7

Prüfung (Art 3 Bst. 0

Die Definition von Buchstabe f basiert auf dem "ISO-Leitfaden 2" bzw. der Europäischen Norm 45'02079). Kennzeichnend für die Prüfung ist, dass durch sie wohl bestimmte Merkmale eines Produkts untersucht und festgestellt werden, jedoch noch keine Aussage darüber erfolgt, ob das Erzeugnis aufgrund dieser Merkmale auch technischen Vorschriften oder Normen entspricht. Die anzuwendenden Verfahren können dabei auf staatlichen Vorschriften oder privaten Normen beruhen. Prüfungen bilden in zahlreichen Fällen eine Voraussetzung für Konformitätsbewertungen oder staatliche Zulassungen, und die in Prüfberichten festgehaltenen Resultate können zum Nachweis der Konformität eines Produktes erforderlich sein. Ebenfalls unter den Begriff der "Prüfung" im Sinne von Buchstabe f fallen Kalibrierungen, wie sie im Bereich des Messwesens bekannt sind.

213.8

Konformität, Konformitätsbewertung, Konformitätsbescheinigung, Konformitätserklärung und Konformitätszeichen (Art 3 Bst. g -1)

Konformität (Bst. g) bezeichnet für die Zwecke des vorliegenden Gesetzes die Erfüllung technischer Vorschriften oder Normen durch das einzelne Produkt. Noch keine Aussage ist mit dieser Definition darüber verbunden, wie, durch wen und zu welchem Zweck diese Übereinstimmung zu ermitteln (Konformitätsbewertung, Art. 3 Bst. h), kundzutun (Konformitätsbescheinigung und -erklärung, Art. 3 Bst, i-k), allenfalls nachzuweisen (Art.

19-20) oder durch eine Behörde zu sanktionieren sei (Zulassung, Art. 3 Bst. n). Auch im Falle der Konformität und von ihr abgeleiteter Definitionen bedient sich das THG weitgefasster Umschreibungen, um den Anwendungsbereich des Gesetzes nicht in unerwünschter Weise zu beschränken.

Für die Beurteilung der Konformität (Konformitätsbewertung; Bst. ft) kommen grundsätzlich eine ganze Reihe von Verfahrenstypen in Frage.

Verschiedentlich stellen sektorielle Regelungen auch mehrere solcher Typen zur Wahl oder sehen Kombinationen unter ihnen vor. Dabei gilt es zu beachten, dass insbesondere bei industrieller Produktion die Konformität gemäss Buchstabe g nur ausnahmsweise durch Bewertung jedes einzelnen Erzeugnisses evaluiert werden muss. Vielmehr stellt der-Gesetzgeber verbreitet etwa auf repräsentative Muster oder Proben oder auf die allgemeinen Herstellungsbedingungen (z.B. Qualitätssicherungssysteme, 79)

Vgl.Ziffer213.1

573

"Good Laboratory Practice", "Good Manufacturing Practice") ab. Bei diesen letzteren kann namentlich auch die Qualifikation des beteiligten Personals Gegenstand der Konformitätsbewertung bilden.

Aus diesen Gründen bezieht sich die Definition von Buchstabe h nicht nur auf die Untersuchung des Ausmasses, in welchem das einzelne Produkt technische Vorschriften oder Normen erfüllt, sondern schliesst auch den gesamten Prozess und das Verfahren zur Überprüfung der massgebenden Bestimmungen über die Herstellung, die Lagerung und den Transport solcher Produkte mit ein. Hierbei sind Konformitätsbewertungen gemäss THG nicht nur im Hinblick etwa auf das Inverkehrbringen oder eine Zulassung von Erzeugnissen möglich. Auch für - im Rahmen von Produktevorschriften verlangte - Nachkontrollen, beispielsweise von bereits in Betrieb genommenen Geräten, kann auf sie zurückgegriffen werden.

Dieser weiten Konzeption entsprechend fallen namentlich die Zertifizierung, die Inspektion und die Überwachung von Produkten, Produktionsabläufen und Hersteilungsbedingungen sowie, speziell im Bereich des Messwesens, die Eichung von Messmitteln unter die Konformitätsbewertung im Sinne des Gesetzes.

Teilweise berechtigen die sektoriellen Vorschriften den Hersteller oder den Inverkehrbringer dazu, die Konformitätsbewertung selbst durchzuführen. In zahlreichen Fällen verlangen Produktevorschriften indessen den Beizug einer "dritten", von Hersteller und Käufer unabhängigen Stelle, welche die Übereinstimmung eines Produkts mit geltenden Anforderungen abzuklären und - gegebenenfalls - durch eine Konformitätsbescheinigung (Bst. i) zu bestätigen hat. Dabei kann es sich grundsätzlich um private oder staatliche Stellen mit Sitz sowohl im In- wie im Ausland handeln, vorausgesetzt, sie seien nach Massgabe der anwendbaren Vorschriften als kompetent anerkannt. Ferner sehen vereinzelte sektorielle Gesetzgebungen die Bewertung von Produkten auch durch sogenannte "zweite Stellen" (second party), beispielsweise den Betreiber einer Anlage, vor. Diesfalls sind auch deren Bescheinigungen unter Buchstabe i zu subsumieren.

Verantwortlich für die Konformität eines Produkts bleibt in der Regel aber auch im Falle einer Fremdbewertung diejenige Person, welche das Erzeugnis in Verkehr bringt. Verlangen die staatlichen Vorschriften, dass diese Person die
Konformität ausdrücklich bestätige, besteht das Erfordernis einer Konformitätserklärung (Bst. k). Ist im weiteren vorgeschrieben, dass das Produkt ein bestimmtes, staatlich festgelegtes oder anerkanntes Zeichen oder Symbol als Ausdruck für seine Konformität trage, handelt es sich um die Pflicht zur Anbringung eines Konformitätszeichens (Bst. /).

Als Bestandteil der öffentlichrechtlichen Produktegesetzgebung müssen

574

*

solche Konformitätszeichen verwendet werden, wenn ein Erzeugnis als konform mit den betreffenden Vorschriften in Verkehr gebrachten werden soll. Dies trifft auch für Konformitätszeichen zur Bescheinigung bestimmter Qualitätsmerkmale zu. Sieht der Gesetzgeber beispielsweise besondere Anforderungen an Erzeugnisse aus biologischem Landbau und - als Ausdruck der Erfüllung dieser Bestimmungen - ein spezielles Konformitätszeichen vor, so dürfen diese Produkte als biologische Erzeugnisse nur mit diesem Zeichen versehen auf den Markt gebracht werden.

Von Konformitätszeichen gilt es all jene Marken, Herkunftsbezeichnungen und Angaben über besondere Merkmale zu unterscheiden, welche einer staatlichen Registrierung zugänglich sind, jedoch privatrechtlicher Disposition und Durchsetzung unterliegen. Diesbezüglich ist nicht das THG, sondern das Markenschutzgesetz80) massgeblich.

213.9

Anmeldung und Zulassung (Art 3 Bst. m und n)

Bei der Anmeldung sowie der. Zulassung handelt es sich um staatliche Verfahren. Im Falle der Anmeldung (Bst. m) hat diejenige Person, welche ein bestimmtes Produkt oder bestimmte Produkte anzubieten, in Verkehr zu bringen, in Betrieb zu nehmen oder zu verwenden beabsichtigt, die durch die sektorielle Gesetzgebung bezeichneten Unterlagen - in der Regel über die verantwortliche(n) Person(en) und die betreffenden Produkte - bei einer bezeichneten Behörde oder ermächtigten privaten Stelle einzureichen.

Diese beschränkt sich darauf, die Dokumente entgegenzunehmen, allenfalls auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen und im Hinblick auf mögliche spätere Kontrollen aufzubewahren.

Bei der Zulassung (Bst. n) überprüft die zuständige Behörde darüber hinaus die eingereichten Unterlagen insbesondere auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit und spricht gegebenenfalls eine formelle Bewilligung aus, ein bestimmtes Produkt oder bestimmte Produkte anbieten, in Verkehr bringen, in Betrieb nehmen oder verwenden zu dürfen. Nicht um eine Zulassung im Sinne des Gesetzes handelt es sich deshalb, wenn eine staatliche oder durch den Staat mit Vollzugsaufgaben betraute Stelle in einem freiwilligen Verfahren bestätigt, dass ein Produkt die anwendbaren Vorschriften erfüllt, ohne dass diese Bestätigung eine rechtliche Voraussetzung namentlich für das Inverkehrbringen bildete.

80)

SR 232.11

575

Abzugrenzen gilt es die Zulassung vor allem gegenüber der Konformitätsbewertung und der nachträglichen Kontrolle (Marktüberwachung). Zur Konformitätsbewertungß1) berechtigt ist - im Gegensatz zur Zulassung - im allgemeinen nicht ein zentrales, staatlich bezeichnetes Organ, sondern jede Stelle oder Person, welche die Rechtsordnung als hiefür qualifiziert anerkennt. Weiter beruht die Konformitätsbewertung, ebenfalls im Unterschied zur Zulassung, regelmässig auf einem privatrechtlichen Vertrag zwischen Hersteller und Bewertungsstelle und mündet in eine Konformitätsbescheinigung, welcher nicht die Qualität einer formellen Marktzugangsbewilligung zukommt. Allerdings bildet die Konformitätsbewertung wie die Prüfung - oft Grundlage für den administrativen Akt der Zulassung.

Ferner mögen in Einzelfällen Konformitätsbewertung und Zulassung durch ein und dieselbe Stelle vorgenommen werden.

Bei der nachträglichen Kontrolle bzw. MarktüberwachungSZ) auf der anderen Seite handelt es sich zwar - wie bei der Zulassung - um eine staatliche Tätigkeit. Anders als bei dieser letzteren befassen sich Marktüberwachungsbehörden aber nicht mit der Erteilung einer Bewilligung für die Vermarktung oder Verwendung von Produkten. Vielmehr besteht ihre Aufgabe in der Kontrolle, ob bereits auf dem Markt oder in Verwendung befindliche Erzeugnisse die jeweiligen technischen Vorschriften, beispielsweise hinsichtlich der Zufassung, erfüllen.

213.10

Akkreditierung (Art 3 Bst. o)

Der Aufbau und die Funktion des Akkreditierungswesens in der Schweiz finden sich im Zusammenhang mit Artikel 1283) näher erläutert. Grundsätzlich dient die Akkreditierung dazu, in Anwendung von international möglichst breit abgestützten Grundsätzen und Verfahren die Kompetenz gewisser Stellen zu beurteilen und festzustellen, ob sie die Voraussetzungen erfüllen, um auf einem bestimmten Fachgebiet Prüfungen oder Konformitätsbewertungen auszuführen. Ziel dieses Vorgangs ist es, national, vor allem aber auch international eine möglichst weitgehende Anerkennung insbesondere durch staatliche Stellen - von Prüfberichten und Konformitätsbescheinigungen zu erreichen, welche von solchermassen akkreditierten Stellen stammen. Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit der akkreditierenden Stellen spielen in diesem Zusammenhang - neben ihrer fachlichen Kompetenz - eine entscheidende Rolle, weshalb es sich bei

81)

Vgl. Ziffer 213.8

82) 83)

VgLZUfcr213.ll Vgl. Ziffer 233

576

ihnen in der Regel urn staatliche oder staatlich kontrollierte Institutionen handelt.

Im schweizerischen Recht wurde das Instrument der Akkreditierung mit einem Reglement aus dem Jahre 1986 iiber die Akkreditierung von Priifund Kalibrierstellen84) erstmals eingesetzt. Bin modernes und effizientes Akkreditierungssystem konnte aber erst aufgrund der "Verordnung tiber das schweizerische Akkreditierungssystem"85) vom 30. Oktober 1991 errichtet werden.

213,11

Nachtragliche Kontrolle (Art 3 Bst. p)

Hinsichtlich der Tatigkeit von KontroIIorganen zur Durchsetzung der Konformita't angebotener, in Verkehr gebrachter oder in Betrieb genommener Produkte mit technischen Vorschriften kennen die sektoriellen Gesetzgebungen sehr unterschiedliche Bezeichnungen und Konzepte. Die Definition von Artikel 3 Buchstabe p kniipft an deren gemeinsamen FinalitSt an und fasst sie unter dem Begriff der "nachtra"glichen Kontrolle" zusammen.

Dieser entspricht dem allgemeinen geltenden Recht und bisherigen Sprachgebrauch in der Schweiz. Auf der anderen Seite hat sich in der jiingeren Vergangenheit im Rahmen der EU bzw. des EWR der Ausdruck "Marktuberwachung" durchgesetzt, welcher als Synonym zu "nachtra'glicher Kontrolle" zwar nicht in der Begriffsbestimmung selbst, jedoch in der Oberschrift zum 2. Abschnitt des 4. Kapitels Anwendung fmdet.

Im Unterschied zur Konformitätsbewertung86) ist die Marktiiberwachung stets eine hoheitliche Aufgabe. Wahrgenommen werden kb'nnen die mit ihr in Zusammenhang stehenden Tatigkeiten sowohl durch Behorden im Innern wie an der Grenze, ferner etwa auch durch staatlich beauftragte Private.

22

Erlauterungen des 2. Kapitels

221.

Vorbemerkungen

Wie bereits aus Artikel 1 hervorgeht, misst das vorgeschlagene Gesetz der Vermeidung von technischen Handelshemmnissen die erste Prioritat bei.

84) 85) 86)

AS 1986 953 SR 94U9I VgLZlffer 213.8

577

Eine bedeutende Rolle fallt dabei den Prinzipien über die Setzung von Produktevorschriften zu, wie sie im 2. Kapitel enthalten sind.

Die Produktegesetzgebung des Bundes stellt eine umfangreiche, vielgestaltige Materie dar, von welcher grosse Teile einem raschen Wandel unterliegen^). Wegen ihrer Technizität und relativen Kurzlebigkeit finden sich die überwiegende Mehrheit dieser Vorschriften auf Verordnungsstufe geregelt, wobei teils der Bundesrat, teils die Departemente die Verantwortung für Erlass und Änderung tragen. Die Sachkompetenz und fachliche Federführung liegt allerdings in der Regel bei den verschiedenen Ämtern, zu deren Aufgaben etwa der Schutz der Gesundheit im allgemeinen, der Verbraucher oder der Umwelt zählen.

Wie die Erfahrung zeigt, ist in der Vergangenheit beim Erlass von Produktevorschriften dem Gesichtspunkt der Vermeidung technischer Handelshemmnisse nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden.

Sei es, dass eine Evaluierung neuer Bestimmungen unter aussenwirtschaftspolitischen Aspekten überhaupt unterlassen wurde, sei es, dass die seit dem Jahr 1990 auf Verordnungsstufe geregelte Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Information und Konsultation über in Vorbereitung befindliche Produktevorschriften nicht die genügende Beachtung fand oder dass auf veränderte internationale Rahmenbedingungen keine angemessene Reaktion erfolgte: die bestehenden rechtlichen Mittel und Strukturen reichten nicht aus, um dem wirtschaftspolitisch bedeutenden Interesse an international möglichst kompatiblen schweizerischen Produktevorschriften in der Gesetzgebung den gebotenen Platz zu sichern.

Diesem Mangel soll das vorgeschlagene Gesetz durch sein 2. Kapitel begegnen. Artikel 5, in Kombination mit einer Ergänzung des Geschäftsverkehrsgesetzes, führt die Pflicht einer aussenwirtschaftspoHtischen Abklärung und Abstimmung neuer Produktevorschriften ein. Artikel 6 stellt Leitlinien für die Ausgestaltung der technischen Vorschriften hinsichtlich der Verfahren im besonderen auf. Artikel 7 verankert die Verpflichtung zur internationalen Information und Konsultation über geplante Produktevorschriften, und Artikel 8 institutionalisiert eine periodische Beurteilung der internationalen Kompatibilität der schweizerischen Produktegesetzgebung.

Mit diesen Bestimmungen, die sich allesamt an
den Bundesrat und die Bundesverwaltung richten, soll insbesondere dem parlamentarischen Auftrag der Motion vom 18. Dezember 199288) Rechnung getragen werden.

Der gewählte Ansatz orientiert sich dabei an einer durch den Bundesgesetzgeber bereits in einer ähnlich gelagerten Problematik gewählten 87) 88)

578

Vgl. die Ziffern 12 und 153 Vgl. Ziffer 14

Lösung, nämlich dem "Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz)" vom 5. Oktober 199089), und im speziellen an dessen 2. Kapitel.

222

Grundsätze (Art 4-7)

222.1

Adressat der Grundsätze (Art 4)

Die im 1. Abschnitt des 2. Kapitels enthaltenen Grundsätze sind gemäss Artikel 4 durch den Bundesrat, die Departemente und Ämter, gegebenenfalls aber auch durch weitere mit der Vorbereitung, dem Erlass oder der Änderung von bundesrechtlichen Produktevorschriften betrauten Stellen zu befolgen.

Handelt es sich um Produkteerlasse auf Gesetzesstufe, ist keine (Selbst-)Bindung des Gesetzgebers vorgesehen. Artikel 4 ordnet immerhin die Beachtung der Prinzipien des 1. Abschnitts auf der Stufe der Vorbereitung und Antragstellung an. Zusätzlich gestützt wird dieser Auftrag durch eine Ergänzung von Artikel 43 Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes90), wonach der Bundesrat in Botschaften und Berichten an das Parlament die Übereinstimmung neuer Produktevorschriften mit den Grundsätzen der Artikel 4-7 THG aufzuzeigen hat.

Hinsichtlich von Verordnungen, welche im Bereich der Produktegesetzgebung die weitaus umfangreichste Kategorie von Vorschriften ausmachen, bezieht sich Artikel 4 ausdrücklich auch auf den Erlass und die Änderung dieser Bestimmungen. Ferner wird seinen Grundsätzen sinngemäss bei der Vorbereitung und - bei Vorliegen einer diesbezüglichen Kompetenz des Bundesrates - beim Abschluss von einschlägigen Staatsverträgen Rechnung zu tragen sein, namentlich unter dem Aspekt der Wahrung der globalen Aussenwirtschaftsinteressen unseres Landes etwa im Falle eines bilateralen Abkommens mit einem einzelnen Partner.

222.2

Grundsatz der internationalen Kompatibilität von technischen Vorschriften (Art 5 Abs. l und 2)

Gemäss Artikel 5 Absatz l sind Produktevorschriften so auszugestalten, dass sie sich möglichst wenig als technische Handelshemmnisse auswir-

89) 90)

SR 616.1 SR 171.11; vgl. Ziffer 262

579

ken. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es, wie Absatz 2 als Regel festhält, ihre Kompatibilität mit den betreffenden Regelungen der wichtigsten Handelspartner unseres Landes sicherzustellen.

Eine korrekte Umsetzung dieser Prinzipien setzt in der Praxis dreierlei voraus: Erstens äst es erforderlich, die Ein- und Ausfuhren der Schweiz und damit die hauptsächlichen Handelspartner unseres Landes im jeweiligen Produktesektor festzustellen. Als zweiter Schritt sind die einschlägigen Produktevorschriften des oder der wichtigsten Partner zu untersuchen.

Und drittens gilt es, auf der Basis dieser Informationen jene Regelung zu entwerfen, welche in der konkreten Situation die "handelsverträglichste" Lösung erwarten lässt.

Konkret werden bei dieser Überprüfung aufgrund der intensiven gegenseitigen Verflechtung auf wirtschaftlichem Gebiet regelmässig die Vorschriften der Europäischen Union bzw. des EWR im Vordergrund stehen. In besonderen Fällen können dies aber auch Regelungen anderer Staaten, etwa der USA oder Japans, sein. Unter Umständen mag sich - je nach Bedeutung der Handelsströme mit den verschiedenen Staaten und deren Verhältnis zur nationalen Produktion - auch eine Abstimmung auf mehrere Gesetzgebungen als angezeigt und möglich erweisen.

Als Selbstverständlichkeit gilt es zu beachten, dass der Vorgang der Ermittlung der kompatiblen Regelung, aber auch die erzielten Lösungen selbst angemessen zu sein haben. Es gilt somit namentlich die Relation zwischen der wirtschaftlichen Bedeutung des Problems einerseits und dem Aufwand für seine Lösung anderseits zu wahren. Ferner ist, sofern nicht zwingende Ökonomische oder politische Gründe etwas anderes verlangen, von der Übernahme ausländischer Vorschriften abzusehen, welche zu kompliziert sind oder eine übermässige Regelungsdichte aufweisen.

Dem nationalen Gesetzgeber wird es dabei kaum je gelingen, durch autonome Massnahmen sämtliche technischen Handelshemmnisse im betreffenden Produktebereich zu beseitigen. Nicht nur sieht er sich im allgemeinen einer Vielzahl von unterschiedlichen nationalen Regelwerken gegenüber.

Kompatibilität ist daher - wie bereits gesagt - prioritär mit den wirtschaftlich relevantesten unter ihnen zu suchen. Auch vermag die Harmonisierung mit dem Recht einzelner Wirtschaftsräume nicht selten nur einen - wenn auch wichtigen -
Teil der potentiellen Handelsbehinderungen zu vermeiden.

Denn die gegenseitige Anerkennung etwa von Konformitätsbewertungen oder Zulassungen lässt sich oftmals erst durch entsprechende Staatsverträge erreichen.

580

Aus diesen Gründen hat sich die Gesetzgebungsmaxime des Absatz l auf die Forderung zu beschränken, wonach der Erlass von Produktevorschriften mit einer möglichst geringen Beeinträchtigung des Warenverkehrs und damit des Wettbewerbs zu verbinden sei. Das THG verlangt somit nach kreativen, eigenständigen Antworten auf die oft komplexen Probleme im Bereich der Produktegesetzgebung, unter Einbezug aller handelsrelevanten Faktoren. Organisatorisch wird hierzu insbesondere eine enge Zusammenarbeit zwischen der bzw. den sachlich zuständigen Stellen sowie dem Bundesamt für Aussenwirtschaft vonnöten sein.

Bei der Ermittlung der bestabgestimmten Lösung gilt es auch den Harmonisierungsgrad der technischen Normen zu berücksichtigen, auf welche in den Vorschriften - ausdrücklich oder implizit - verwiesen wird. Global oder zumindest europäisch vereinheitlichten Normen wird der Vorzug vor nationalen zu geben sein. Wenn immer möglich ist zudem auf solche technische Normen abzustellen, welche unter Einhaltung des G ATT-Verhaltenskodex' "für die Ausarbeitung, Annahme und Anwendung von Normen" entstanden sind91). Dessen Regeln zielen auf international möglichst harmonisierte Regelwerke ab und vermögen so die Bestrebungen nationaler Gesetzgeber im Hinblick auf den Abbau technischer Handelshemmnisse sinnvoll zu unterstützen.

In der Vernehmlassung ist gegenüber der Regelung von Artikel 5 im allgemeinen und dessen Absatz l im speziellen eingewendet worden, sie schaffe eine Interessenhierarchie zugunsten handelspolitischer Interessen beziehungsweise begründe einen gesetzlichen Primat der "Handelsverträglichkeit". Dies trifft nicht zu. Mit der genannten Vorschrift legt das THG einerseits den Punkt fest, von dem jede gesetzgeberische Tätigkeit im Bereich der Produktevorschriften ausgehen soll. Anderseits sucht es im Rahmen der Absätze 3 und 492) sicherzustellen, dass Abweichungen vom Grundsatz der international kompatibelsten Lösung stets einer transparenten Abwägung und hinreichenden Begründung unterliegen. Das vorgeschlagene Gesetz definiert auf diese Weise die Leitlinien, gemäss denen die Ermittlung und Abwägung der allenfalls widerstreitenden Interessen zu erfolgen haben. Den letztlich unumgänglichen politischen Entscheid, welches dieser Interessen im konkreten Fall am höchsten zu gewichten sei, kann und soll das THG jedoch nicht in abschliessender Weise vorwegnehmen.

91) 92)

Anhang 3 zum GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse, in der Fassung vom 15. April 1994; vgl. Ziffer 113.2.a Vgl. die nachstehende Ziffer

581

Die Kompatibilität zum Ausgangspunkt der Produktegesetzgebung zu bestimmen, gebieten bereits unsere Verpflichtungen aus dem GATT. Artikel 2.2 des "Übereinkommens über technische Handelshemmnisse"93) in der Fassung vom 15. April 1994 lautet auszugsweise: "Die Mitglieder stellen sicher, dass technische .Vorschriften nicht in der Absicht oder mit der Wirkung ausgearbeitet, angenommen oder angewendet werden, unnötige Hemmnisse für den internationalen Handel zu schaffen. Zu diesem Zweck sollen technische Vorschriften nicht handelsbeschränkender als notwendig sein (...)".94) Ein solches Vorgehen entspricht aber auch vitalen schweizerischen Interessen95). Das Risiko unnötiger Handelsbehinderungen und damit von Wohlstandsverlusten wird verringert. Überdies ist es für ein kleines Land wie die Schweiz an sich sinnvoll, gesetzgeberische Vorarbeiten internationaler Gremien oder anderer Staaten, welche sich mit gleichartigen Fragestellungen bereits befasst haben oder befassen, zumindest zu prüfen und gegebenenfalls für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen.

222.3

Vorbehalt überwiegender öffentlicher Interessen (Art 5 Abs. 3 und 4)

Vom Grundsatz der bestabgestimmten Lösung gemäss Absatz l sind Abweichungen nur zulässig, soweit ihr entgegenstehende, als überwiegend zu taxierende öffentliche Interessen dies erfordern (Abs. 3 Bst. a). Zudem muss im Falle nationaler Sonderregelungen einerseits jede willkürliche Diskriminierung ausländischer Produkte unterlassen werden. Anderseits dürfen Massnahmen zum Schutz öffentlicher Interessen nicht dazu dienen, Handelserschwernisse einzuführen oder zu erhalten (Abs. 3 Bst. b).

Mit diesen, an den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gerichteten Bestimmungen wie auch mit der Liste der öffentlichen Interessen gemäss Absatz 4 liegt das THG ganz auf der Linie des schweizerischen Staats Vertrags rechts (namentlich Art. 2.2 des GATT-Übereinkommens, Art.. 12 der EFTAKonvention und Art. 20 des Freihandelsabkommens Schweiz-EWG96)). Es trägt überdies der europäischen Regelung und Praxis Rechnung, wie sie insbesondere in den Artikeln 30 und 36 des EWG-Vertrages, der auf ihnen

93) 94)

95) 96)

582

a.a.O Art. 2.1 des GATT-Übereinkommens vom 12.4.1979, SR 0.632.231.41, enthielt bereits eine im wesentlichen identische Formulierung.

Vgl. die Ziffern 112.2 und 12 Vgl. zu diesen Abkommen Ziffer 113.2



basierenden Rechtsprechung^?) sowie Artikel lOOa desselben Vertrages zum Ausdruck kommen.

Absatz 4 führt zum einen Interessen auf, welche sich in verschiedener Hinsicht überschneiden. Der Grund hiefiir liegt darin, dass eine klare Trennung der Aspekte schwierig zu vollziehen wäre und den Bezug auf die internationalen Vorgaben beeinträchtigen könnte. Zum anderen verleiht das Wort "namentlich" der Liste einen beispielhaften und indikativen Charakter.

Als Abweichungsgründe möglich sind damit grundsätzlich auch weitere öffentliche Interessen als die genannten.

Allerdings ist zu beachten, dass Absatz 4 jene Motive hervorhebt, welche heute international - und speziell im europäischen Kontext - als einzelstaatliche Vorbehalte gegenüber der Maxime des freien Warenverkehrs allgemein anerkannt sind. Beruft sich der Gesetzgeber für den Erlass von Produktevorschriften demgegenüber auf weitere öffentliche Interessen, überschreitet er diesen primären Kreis international akzeptierter Kriterien, womit das Potential handelshemmender Auswirkungen zunimmt. Ein solcher Schritt bedürfte deshalb einer besonderen Begründung. Produktevorschriften zum Zwecke einer rationellen Energienutzung beispielsweise könnten im wesentlichen unter das in Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c enthaltene öffentliche Interesse zum Schutz der natürlichen Umwelt subsumiert werden. Abweichungen zur Verfolgung darüber hinausreichender Zielsetzungen werden durch das THG keineswegs a priori verunmöglicht, erfordern jedoch eine zusätzliche Legitimation.

Selbstverständlich unterliegen die Absätze 3 und 4 dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Din gilt es bei Abweichungen von der gesetzgeberischen Lösung nach Absatz l nicht nur in Bezug auf die verfolgten Ziele, sondern auch hinsichtlich der angewandten Mittel zu wahren.

Wie der Gesetzesentwurf überhaupt, strebt die Regelung des Artikels 5 nach einem international kompatiblen, angemessenen Ausgleich zwischen den Zielen eines diskriminierungsfreien, effizienten Wirtschaftsverkehrs sowie dem Schutz berechtigter nationaler Interessen, etwa aus dem Bereich des "Ordre public". Die in die Vernehmlassung gegebene Liste der namentlich zur Abweichung anerkannten Gründe wurde deshalb trotz der Begehren verschiedener Kantone und Wirtschaftsverbände zur Straffung, bzw.

zweier Kantone, der Sozialdemokratischen und Grünen Partei sowie der Gewerkschaften und Umweltorganisationen zur Ausdehnung, unverändert 97)

Insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, welche unter der Bezeichnung "Cassis-de-Dijon" zusammengefasst wird, im Anschluss an das Urteil Rewe-Zentral AG / Bundesmonopolvenvaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 ff.

583

belassen. Einzelstaatliche Abweichungen vom Grundsatz der Kompatibilität bleiben mithin - unter Respektierung gewisser Leitplanken - möglich. Das THG führt im Ergebnis keineswegs zu einer zwingenden Nivellierung des schweizerischen Schutzniveaus auf einen - wie auch immer definierten kleinsten gemeinsamen Nenner. Es sichert hingegen, dass international nicht kompatible Lösungen nur unter Wahrung von Transparenz sowie nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung erfolgen.

Ganz allgemein wird das neue Gesetz die bisher in unserem Land festgelegten Schutzwerte kaum tangieren. Nicht nur hat sich insbesondere in der Europäischen Union mittlerweile eine Produktegesetzgebung durchgesetzt, welche der schweizerischen hinsichtlich des Schutzniveaus in der Regel mindestens gleichwertig ist. Auch sind zahlreiche Handelshemmnisse vorab auf technische Inkompatibilitäten zurückzuführen, welche diese Schutzziele nicht betreffen. Und zudem gestattet das THG, wie aufgezeigt, abweichende Lösungen, soweit diese sachlich hinreichend begründet sind.

Weder sinnvoll noch notwendig erscheint es aufgrund dieses Sachverhalts, wie insbesondere von der Grünen Partei sowie von Umwettorganisationen gefordert, gewissennassen eine Bestandesgarantie für das bisher in der sektoriellen Gesetzgebung Erreichte in das THG aufzunehmen. Sie käme einer arbiträren Fixierung des heutigen technisch-wissenschaftlichen wie auch politischen Entwicklungsstandes auf dem Gebiet der Produktevorschriften gleich, welche die Dynamik dieses Bereichs ausser acht Hesse.

Allenfalls berechtigte Korrekturen würden - insbesondere bei einer starren Anwendung - verunmöglicht.

Im Rahmen der Vernehmlassung ist ferner die Frage vorgebracht worden, inwiefern sich einzelstaatlich festgelegte Produkteanforderungen als Mittel der Industrie- bzw. Technologiepolitik einsetzen Hessen. Greife der Gesetzgeber nämlich - so die Argumentation - in seinen technischen Erlassen der internationalen Entwicklung vor, würde die einheimische Industrie zur Innovation gezwungen und erlange in der Folge einen Wettbewerbsvorteil auf nachziehenden ausländischen Märkten.

Dazu ist vorweg zu bemerken, dass das GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse Abweichungen vom Grundsatz der Kompatibilität technischer Vorschriften nur zulässt, um Gefährdungen von Polizeigütern abzuwenden. Die
Förderung bestimmter Technologien oder Industriezweige wäre davon nicht erfasst. Indessen dürfte die Produktegesetzgebung auch unter sachlichen Gesichtspunkten nicht geeignet sein, die genannten Ziele zu erreichen. Als zu hoch muss nämlich das Risiko veranschlagt werden, dass ein Vorprellen bei bestimmten Produkteanforderungen sich infolge unzutreffender Zukunftsprognosen wirtschaftlich als

584

Fehlschlag erweisen und den betroffenen Branchen Schaden zufügen könnte. Abgesehen davon stehen dem Staat - soweit überhaupt erwünscht andere Mittel zur Verfügung, um die industrielle und gewerbliche Innovation gezielt zu fördern, ohne die Marktzutritts- sowie Wettbewerbsbedingungen in problematischer Weise zu beschränken.

Ähnliches gilt schliesslich auch für staatliche Konformitätszeichen zur Bescheinigung bestimmter Qualitätsmerkmale98): International nicht kompatible Massnahmen drohen auch hier, sich als technische Handelshemmnisse auszuwirken.

222.4

Ausgestaltung der technischen Vorschriften hinsichtlich der Verfahren (Art 6)

In technischen Vorschriften werden neben Anforderungen an die Eigenschaften der Produkte auch vielfältige Verfahrensfragen geregelt. Diese können insbesondere die Prüfung, Konformitätsbewertung, Anmeldung oder Zulassung betreffen. Ferner regeln Verfahrensvorschriften im Bereich der Produktegesetzgebung namentlich den Vollzug durch Kontrollbehörden, den Rechtsweg bei Beschwerden gegenüber behördlichen .Massnahmen sowie die internationale Zusammenarbeit.

Auf internationale Kompatibilität im Sinne von Artikel 5, Ab s ätze, l und 2, ist im Rahmen der Gesetzgebung im Bereich der Produktevorschriften selbstverständlich auch bei der Festlegung von Verfahrensaspekten zu achten. Denn diese können im Abweichungsfall nicht weniger als Anforderungen an die Erzeugnisse selbst zu unerwünschten technischen Handelshemmnissen führen.

Dennoch kann für den nationalen Gesetzgeber diesbezüglich ein über Artikel 5 hinausgehender autonomer Gestaltungsspielraum offenbleiben.

Zudem hinaus fehlt es im allgemeinen an international relevanten Vorgaben über die Regelung des Vollzugs von Produktevorschriften, insbesondere auf der Ebene der nachträglichen Kontrolle bzw. Marktüberwachung. An diesem Punkt setzt Artikel 6 an. Er legt hinsichtlich der Ausgestaltung von verfahrensrelevanten Bestimmungen gewisse allgemeine Prinzipien fest, welche durch den Rechtsetzer innerhalb des ihm verbleibenden Gestaltungsfreiraums im Regelfall zu befolgen sind. Abweichende Lösungen sollen durch das THG - angesichts der sehr unterschiedlichen und nicht

98)

Beispiel: Konfonnitälszeichcn für biologische Erzeugnisse bei Erfüllung diesbezüglicher staatlicher Anforderungen; vgl. Ziffer 213.9.

24 Bundesblatl 147. Jahrgang. Bd. II

585

abschliessend voraussehbaren Bedürfnisse in den einzelnen Produktebereichen - nicht zum vornherein ausgeschlossen werden. Sie bedürfen jedoch stets einer besonderen Begründung.

Ziel der Grundsätze von Artikel 6 ist es, transparente, effiziente und gut koordinierte Verfahren zu fördern. Nicht nur, dass auf diese Weise in vielen Fällen technische Handelshemmnisse verringert werden können.

Auch kommt den wirtschaftlichen Kosten unnötiger oder ineffizienter Verfahrensschritte im sich verschärfenden internationalen Wettbewerb um möglichst vorteilhafte staatliche Rahmenbedingungen eine wachsende Bedeutung zu.

Absatz l befasst sich speziell mit der Ausgestaltung von Vorschriften über die Konformitätsbewertung beziehungsweise die Prüfung9?). Diese Verfahren spielen im Zusammenhang mit dem Nachweis der Konformität, namentlich gegenüber Zulassungs- und Marktüberwachungsbehörden, eine zentrale Rolle.

Gemäss einer seit einigen Jahren international feststellbaren Tendenz bieten Produktegesetzgebungen zunehmend eine Mehrzahl möglicher, unter dem Sicherheitsaspekt gleichwertiger Konformitätsbewertungstypen zur Wahl durch den Hersteller oder Ihverkehrbringer an (namentlich in Form von sog. Modulen gemäss der "Globalen Konzeption"11»)). Diese erhalten so die Möglichkeit, den für sie sinnvollsten und effizientesten Weg zur Konformitätsbewertung ihrer Produkte zu beschreiten. Unter diesen Verfahrenstypen finden sich regelmässig solche, welche dem Hersteller das Recht geben, die Bewertung seiner Erzeugnisse vollständig oder in weiten Teilen in eigener Verantwortung durchzuführen. Auch auf diese Weise können die Verfahrenseffizienz gesteigert und potentielle Marktzutrittsbarrieren abgebaut werden (Bst. a).

Sodann ist es ökonomisch sinnvoll, Tätigkeiten der Prüfung und Konformitätsbewertung grundsätzlich als privatrechtliche Dienstleistungen zu konzipieren. Sie sollen allen Institutionen oder Personen offenstehen, welche die vorgeschriebenen Qualifikationen erfüllen, unabhängig davon, ob ihre Trägerschaft eine private, eine öffentliche oder ein gemischtwirtschaftliche ist. Auf diese Weise kann ein Markt entstehen, welcher die Bedürfhisse der Wirtschaft nach raschen, kostengünstigen und verlässlichen Evaluationen am besten abzudecken vermag (Bst. o).

99) 100)

586

Zu diesen Begriffen vgl. die Ziffern 213.7 und 213.8 Vgl. Ziffer 113.2.b

Ein besonderer, autonomer Handlungsbedarf besteht sodann in jenen Fällen, in denen Erzeugnisse unter verschiedene sektorielle Produktegesetzgebungen bzw. mehrfache Zuständigkeiten fallen. So setzt etwa das Inverkehrbringen von Gasgeräten voraus, dass diese den Anforderungen sicherheitstechnischer, umweit- sowie energierelevanter Bundesvorschriften entsprechen. Aus derartigen Situationen sollen den Rechtsunterworfenen keine unzumutbaren Nachteile entstehen. Insbesondere soll, wenn immer möglich, für jedes Produkt eine einzige behördliche Anlaufstelle geschaffen werden. Die Verfahren sind entsprechend zu koordinieren (Abs.

2).

223

Internationale Information und Konsultation (Art 7)

Internationale Abkommen über die Information und die Konsultation im Bereich der Produktevorschriften zielen darauf ab, präventiv technischen Handelshemmnissen entgegenzuwirken. Es geht bei ihnen im allgemeinen darum, geplante technische Vorschriften oder Normen, die sich als Marktzugangshindernisse auswirken könnten, bereits im Vorbereitungsstadium anderen Staaten zur Stellungnahme mitzuteilen und berechtigten Einwänden - soweit möglich - Rechnung zu tragen.

Die Schweiz partizipiert staatsvertraglich an drei solchen Informationssystemen: demjenigen gemäss dem GATT-Ubereìnkommen aus dem Jahre 1979100, dem unter den EFTA-Staaten aufgrund von Anhang H der EFTA-Konvention, welcher 1987 vereinbart wurde102), sowie jenem zwischen den EFTA-Staaten und der EWG von' 1989103>, wobei dieses letztere seit November 1992 nicht mehr formell in Kraft steht und infolge seiner Integration in das EWR-Abkommen nicht mehr erneuert, sondern vorübergehend bloss auf informeller Basis weitergeführt wird. In das innerstaatliche Recht ist das Instrument mit der "Verordnung über die Auskunftsstelle und das Notifikationsverfahren für technische Vorschriften (Notifikationsverordnung)" vom 3. Dezember 1990104) eingeführt worden, auf welche im Zusammenhang mit Artikel 17105) noch zurückzukommen sein wird.

Im Jahre 1994 belief sich die Zahl der in der Schweiz ein- und ausgegangenen Meldungen von Entwürfen technischer Vorschriften insgesamt auf 101) 102) 103) 104) 105)

SR 0.632.231.41 SR 0.632.31 SR 0.632.403.1 SR 632.32 Vgl. Ziffer 237.3

587

nahezu tausend106). Das Bundesamt für Aussenwirtschaft zeichnet dabei verantwortlich für den Inhalt sowie für die Übermittlung der Notifikationen.

Die Verteilung der aus dem Ausland eingehenden Meldungen an die interessierten Kreise in der Schweiz besorgt ihrerseits im Auftragsverhältnis die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) beziehungsweise das ihr angeschlossene "Schweizerische Informationszentrum für technische Regeln (switec)".

Obwohl diese Verfahren seit 1990 in der sogenannten Notifikationsverordmmgio?) festgelegt sind, wurden seither die schweizerischen Entwürfe neuer Produktevorschriften nicht stets mitgeteilt, was in einigen Fällen zu unnötigen technischen Handelshemmnissen führte. Artikel 7 verankert die für die Prävention solcher Behinderungen wichtige, staatsvertraglich eingegangene Informationspflicht deshalb neu auch auf Gesetzesstufe.

224

Periodische Beurteilung (Art 8)

Technische Handelshemmnisse stellen eine ausgesprochen variable Grosse dar. Eine .einmal erreichte Harmonisierung kann durch Änderungen der Gesetzgebung oder der Vollzugspraxis massgeblicher. Staaten oder Wirtschaftsräume jederzeit wieder in Frage gestellt werden.

Vor diesem Hintergrund sieht Absatz l eine periodische Überprüfung der schweizerischen Produktegesetzgebung daraufhin vor, ob sie den Grundsätzen der Artikel 5 und 6 THG entsprechen. Eine solche, umfassende Beurteilung fand erstmals im Hinblick auf die EWR-Verhandlungen statt, sowie im Rahmen des sogenannten Revitalisierungsprogrammes im ersten Halbjahr 1993108>. Die letztgenannte Überprüfung mündete in das durch den Bundesrat am 30. Juni 1993 verabschiedete Massnahmenpaket zur Anpassung der schweizerischen Produktevorschriften namentlich an das EU-Recht, dessen erste Resultate mittlerweile bereits vorliegen. Durch die Regelung von Artikel 8 sollen solche Beurteilungen als regelnlässig zu wiederholender, eine Gesamtsicht schaffender Prozess institutionalisiert werden. Der vorgeschlagene Zyklus von maximal sechs Jahren widerspiegelt dabei die ungefähre durchschnittliche Geltungsdauer heutiger Produktevorschriften.

Die Beurteilung und Berichterstattung durch den Bundesrat soll auch Bestimmungen auf Gesetzesstufe einschliessen und diesbezüglich - wenn 106) 107) 108)

588

500 im GATT-Verfahren, 104 im EFTA-Verfahrcn sowie 389 im EG-/EFTA-Vcrfahren SR 632.32 Vgl. Ziffer 132

nötig - in Anträgen an die Eidgenössischen Räte betreffend die Änderung oder Aufhebung solcher Vorschriften ihren Niederschlag finden. Für erforderliche Anpassungen auf Verordnungsebene bleibt die Landesregierung selbst verantwortlich (Abs. 2).

im Bericht ist femer Rechenschaft abzulegen über die Anwendung im betreffenden Zeitraum der für die Schweiz geltenden Staatsverträge betreffend die internationale Information und Konsultation über Produktevorschriften gemäss Artikel 7 (Abs. 3).

Wie schliesslich Absatz 4 festhält, soll es Aufgabe des EVD sein, soweit erforderlich dem Bundesrat Antrag über ein Massnahmenprogramm zu stellen. Es wird sich dabei auf den gemeinsam mit den anderen zuständigen Departementen erarbeiteten Bericht abzustützen haben. Richtschnur für die Evaluation allfällig notwendiger gesetzgeberischer Schritte werden dabei wiederum die Prinzipien der Artikel 5 und 6 THG bilden.

Die Regelung gemäss Artikel 8 bedeutet selbstverständlich nicht, dass die schweizerische Produktegesetzgebung nur alle sechs Jahre auf ihre internationale Kompatibilität zu überprüfen wäre. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine permanente Aufgabe, welcher sich innerhalb der Bundesverwaltung - als zuständige Anlauf- und Koordinationsstelle - namentlich das Bundesamt für Aussenwirtschaft annimmt. Zudem besteht beim Erlass neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften die Pflicht zur Vorabinformation nach Artikel 7, welche es ermöglicht, Probleme frühzeitig zu erkennen.

Über diesen Rahmen hinaus bietet eine periodische, umfassende Beurteilung jedoch den Vorteil, in systematischer Weise einen Überblick über sämtliche Produktesektoren und ihre Querbezüge sowie gleichzeitig eine Kontrolle über die Verwirklichung des THG zu ermöglichen.

Unberührt von Artikel 8 bleiben die Verfahren, welche es bei allenfalls erforderlichen Verordnungs- oder gar Gesetzesrevisionen zu befolgen gilt.

Die Verankerung eines speziellen Mitwirkungsrechts, wie von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmern verlangt, ist daher nicht erforderlich.

23

Erläuterungen des 3. Kapitels

231

Vorbemerkungen

In den letzten Jahren haben s.ich auf europäischer und globaler Ebene' verschiedene neue Konzepte und Instrumente zur Vermeidung technischer

589

Handelshemmnisse entwickelt. Um sich an deren Realisierung in der Praxis beteiligen zu können, bedarf es zusätzlicher innerstaatlicher gesetzlicher Grundlagen zu einer Umsetzung auf Verordnungsstufe. Das 3. Kapitel trägt diesem Bedürfnis Rechnung, indem es dem Bundesrat die Kompetenzen überträgt, die erforderlichen horizontalen oder sektorspezifischen Bestimmungen zu erlassen.

Zahlreiche technische Handelshemmnisse können zudem oft nur noch durch den Abschluss von internationalen Abkommen in allseits befriedigender Weise verringert oder beseitigt werden, Dabei gilt es namentlich die hohe Technizität und die sich rasch ändernden Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, welche diesen Bereich staatlicher Tätigkeit prägen. Artikel 16 sieht deshalb die Ermächtigung zugunsten des Bundesrates vor, in mehreren Punkten Staatsverträge zur Vermeidung oder zum Abbau technischer Handelshemmnisse in eigener Kompetenz zu schliessen.

Gegenstand der Kompetenzen, welche das THG dem Bundesrat überträgt, bilden somit ausschliesslich Verfahrens- und Kooperationsfragen. Diese kennzeichnen sich einerseits durch einen oft horizontalen, produktebereichsübergreifenden Charakter. Anderseits kommt ihnen beim Abbau technischer Handelsbehinderungen heute grosse Bedeutung zu. Weiterhin Sache der sektoriellen Gesetzgebung allein bleibt es demgegenüber, jene Produkte oder Produkteaspekte zu bezeichnen, welche überhaupt staatlicher Reglementierung unterliegen sollen, und - unter Beachtung der Artikel 5 und 6 THG - festzulegen, welchen Anforderungen diese Erzeugnisse selbst zu genügen haben. · Auch bei der Wahrnehmung seiner Kompetenzen gemäss dem 3. Kapitel des THG ist der Bundesrat - soweit es sich um Produktevorschriften handelt - an den Anwendungsbereich des Gesetzes sowie an die Vorgaben der Artikel 5-7 gebunden. Hinsichtlich der Mitwirkung interessierter Kreise gelten die allgemeinen Regeln.

232

Prüfung, Kopformitatsbcwertung, Anmeldung, Zulassung, Konformitätszeichen (Art 9-11)

International harmonisierte Anforderungen an die Prüfung, die Konformitätsbewertung, die Erlangung von Konformitätszeichen, die Anmeldung und die Zulassung von Produkten bilden eine zentrale Voraussetzung für deren grenzüberschreitende Verkehrsfahigkeit. Insbesondere im Rahmen der EU, aber auch auf der Ebene der europäischen und globalen Normung sind · diesbezüglich in den letzten Jahren Instrumente geschaffen worden, welche

590

unter dem Aspekt der technischen Handelshemmnisse auch fiir die Schweiz von Bedeutung sind.

Die Kompetenzdelegationen der Artikel 9-11 sind, wie bereits betont, in engem Konnex mit den Rechtsetzungsgrundsatzen des 2. Kapitels zu sehen. Beispielsweise kann die aussenwirtschaftspolitische Evaluierung einer sektoriellen Verordnung nach Artikel 5 zum Schluss fiihren, dass es wesentlich sei, in einem bestimmten Bereich in die schweizerische Regelung eine Baumusterprufung im Sinne der "Globalen Konzeption" der EU109> aufzunehmen, urn so die Voraussetzungen fiir eine gegenseitige Anerkenmmg nationaler Konformitatsbewerrungen zu verbessern. Damit der Bundesrat in solchen Fallen iiber die notwendige HandlungsfShigkeit verfiigt, werden ihm mit den Artikeln 9-11 die entsprechenden Regelungskompetenzen tibertragen. Aber auch eine horizontale Verordnung etwa iiber Priifungen, Konformitatsbewerrungen, Anmeldungen oder Zulassungen Hesse sich bei Bedarf auf diese Bestimmungen absttitzen. Diese innerstaatlichen Rechtsetzungsbefugnisse finden in Artikel 16 mit der ErmSchtigung zum Abschluss entsprechender internationaler Abkommen ihre sinnvolle ErgSnzung.

Die in den Artikeln 9-11 verwendeten Begriffe sind im Rahmen von Artikel 3 bereits erläutert worden110). Was die Verfahrensaspekte gema'ss Artikel 9 betrifft, schliessen die aufgefiihrten Priif- und Konformita'tsbewertungsverfahren sowohl Eigen- wie Fremdpriifungen bzw, -bewertungen ein. Namentlich soil der Bundesrat gestiitzt auf Artikel 9 auch die Konformita'tsbewertung von Produkten dureh den Hersteller gema'ss dem sogenannten "Modul A" der "Globalen Konzeption" der EU vorsehen können111). Ebenfalls unter diesen Artikel fa11t die Kompetenz zur Festlegung der Anforderungen an Berichte, Bescheinigungen oder Erkla'rungen, welche zum Nachweis oder zur Bestatigung durchgefiihrter Priif-, Konformitatsbewertungs-, Anmeldeoder Zulassungsverfahren verlangt sein kdnnen.

Durch Artikel JO erhalt der Bundesrat das Recht, auf Verordnungsstufe diejenigen Regeln zu schaffen, welche erforderlich sind, urn eine weitestmogliche Akzeptanz schweizerischer Priif- und Konformita'tsbewertungs-, Anmelde- oder Zulassungsstellen auf in- und auslandischen Markten zu erreichen. Dabei werden das Erfordernis einer Akkreditierung fiir Priif- und Konformita'tsbewertungsstellen in vielen Fällen eine wichtige Rolle spielen, in andern aber auch weitere Gesichtspunkte zu beachten sein.

109)

Vgl. dieZiffem 113.2.b. und 213.8

110) Vgl. die Ziffcm 213.8-9 111)

Vgl.Ziffcrll3.2,b

591

Artikel II schliesslich betrifft die Rechtsetzungsbefugnis des Bundesrats hinsichtlich von Konformitätszeichen112) sowie von Verfahren, welche zur Erlangung solcher Zeichen fiihren. In diesem Zusammenhang erscheint es wesentlich festzuhalten, dass es in aller Regel nicht im aussenwirtschaftspolitischen Interesse der Schweiz liegen kann, eigene nationale Zeichen vorzusehen, ist mit solchen Sondervorschriften doch leicht die Entstehung neuer Handelshemmnisse verbunden. Auf der anderen Seite steht es der Schweiz rechtlich nicht zu, ohne staatsvertragliche Erma'chtigung die Verwendung von Konformitätszeichen anderer Staaten oder Staatengemeinschaften, beispielswei.se des CE-Kennzeichens der EU, anzuordnen.

Solange keine international vereinbarten Lbsungen vorliegen, wird sich der schweizerische Gesetz- bzw. Verordnungsgeber deshalb im Regelfall darauf beschra'nken, den Nachweis der Erftillung der Vorschriften auf anderem Wege zu fordern, und auf spezielle Konformita'tszeichen verzichten.

233

Akkreditierung (Art 12)

Zweck und Gegenstand der Akkreditierung im allgemeinen sind in den Erlauterungen zu Artikel 3 Buchstabe o bereits skizziert worden113). Kurz zusammengefasst geht es bei ihr darum, in einem autoritativen innerstaatlichen Verfahren, jedoch nach international festgelegten Anforderungen, die Kompetenz von Stellen zur DurchfUhning bestimmter Priifungen oder Konformitatsbewertungen festzustellen, zu bescheinigen und zu tiberwachen. Auf der Basis der Qualitat des einzelnen nationalen Akkreditierungssystems sowie der Zusammenarbeit unter den verschiedenen nationalen Akkreditierungssystemen soil im Ergebnis die innerstaatliche, vor allem aber auch die internationale Anerkennung akkreditierter Stellen und der von diesen ausgestellten Priifberichte und Konformita'tsbescheinigungen verbessert werden.

Die Akkreditierung ist in den letzten Jahren vor allem in Europa, ferner in einzelnen weiteren Staaten und Regionen wie Kanada, Australian und Neuseeland, zu einem bedeutenden Instrument in den gemeinsamen Bemilhungen zum Abbau technischer Handelshemmnisse geworden.

Namentlich bei der Beurteilung der Kompetenz von sogenannten "benannten Stellen" im Rahmen der "Globalen Konzeption" der EU114> spielt sie eine zentrale Rolle. Aber auch hinsichtlich der Anerkennung von Priif- und Konformitätsbewertungsstellen in bi- und multilateralen StaatsvertrSgen 112) VgLZttfer 213.8 113) Vgl.Ziffer213.10 114) Vgl.Zifferll3.2.b

592

sowie beim innerstaatlichen Vollzug von Produktevorschriften stellt die Akkreditierung heute einen wichtigen Bezugspunkt dar.

In der Schweiz geht ein erstes Reglement über die Akkreditierung von Prüfund Kalibrierstellen auf das Jahr 1986 zurück1^). Bereits damals wurde zu dessen Implementierung und Überwachung auch eine nationale Akkreditie-, rungskommission bestellt. Die rechtlichen Grundlagen für ein modernes, umfassendes und leistungsfähiges Akkreditierungswesen schuf sich unser Land aber erst mit der "Verordnung über das schweizerische Akkreditierungssystem" vom 30. Oktober 199l116). Darin wird das Eidgenössische Amt für Messwesen (EAM) als das staatliche Organ bezeichnet, welches die schweizerische Akkreditieruhgsstelle betreibt. Eine aus Vertretern von Bund, Kantonen, Wissenschaft und Wirtschaft zusammengesetzte Akkreditierungskommission berät und überwacht die Akkreditierung s s tel le und stellt dem Direktor des EAM Antrag über zu erteilende Akkreditierungen.

Die Beurteilung von zu akkreditierenden Stellen erfolgt dabei ausschliesslich nach Massgabe international harnionisierter Anforderungen; im speziellen der Europäischen Normenreihe EN 45'000.

Das heutige schweizerische Akkreditierungssystem verfügt noch nicht Über eine befriedigende gesetzliche Abstützung im innerstaatlichen Recht.

Insbesondere erscheint auch die Zukunft der beim Erlass der Verordnung von 1991 als Grundlage herangezogenen sogenannten Tampere-Konvention11?) ungewiss. Aus diesen Gründen stellt die juristische Absicherung des in den letzten Jahren aufgebauten, für die Schweiz unentbehrlich gewordenen Systems eine wichtige und dringliche Aufgabe des vorgeschlagenen Gesetzes dar.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das Instrument der Akkreditierung über den Kernbereich der Produkteevaluierung hinaus zunehmend auch hinsichtlich der Prüfung oder Beurteilung von Personen, Dienstleistungen und Verfahren zum Einsatz gelangt. Um das - einheitliche - schweizerische Akkreditierungssystem als Ganzes auf eine rechtsgenügliche Basis zu stellen, bedarf es diesbezüglich einer klar umrissenen Ausweitung des Anwendungsbereiches des Gesetzes, wie er in Artikel 2 in Verbindung mit den Definitionen von Artikel 3 grundsätzlich festgelegt ist118).

Artikel 12 schafft diese Grundlagen. Von den in den Absätzen I und 2 aufgeführten Gegenständen sind alle ausser der Frage der Rechtsstellung

115} 116) 117) 118)

AS 1986 953 SR 941.291 Vgl. Ziffer 113.2,b Vgl. dieZiffcm 212und 213

593

akkreditierter Stellen im Bundesrecht sowie der Rechtswirkungen ihrer Tätigkeit (Abs. 2 Bst. c) in der geltenden Verordnung schon geregelt.

Insbesondere wird der Forderung nach Berücksichtigung international festgelegter Anforderungen nach Absatz l in der heutigen Regelung bereits vollumfanglich Rechnung getragen. Die auf den Bereich der Akkreditierung begrenzte Erweiterung des Anwendungsbereichs des THG findet sich in Absatz l, letzter Satzteil, verankert.

Bei einer zukünftigen, auf das THG abgestützten Regelung betreffend die Rechtsstellung akkreditierter Stellen sowie die Rechtswirkungen ihrer Tätigkeit werden schliesslich die folgenden Leitlinien zu beachten sein: Mit der Akkreditierung überträgt der Staat den akkreditierten Stellen keine hoheitlichen Befugnisse. Die Akkreditierung stellt vielmehr eine Art Fähigkeitsausweis dar, der diesen Stellen das Recht verleiht, unter gewissen Auflagen auf einem im übrigen freien Markt als staatlich qualifizierte Anbieterinnen von Dienstleistungen im Bereich des Prüfens oder Zertifizierens aufzutreten. Sieht die sektorielle Gesetzgebung Überdies vor, dass zu akkreditierende Stellen über die Normenreihe EN 45'000 hinausgehende, spezifische Anforderungen zu erfüllen haben, so soll mit der Akkreditierung auch deren Erfüllung bescheinigt werden. Den für die nachträgliche Kontrolle (Marktiiberwachung) zuständigen Organen bleibt es jedoch vorbehalten, Prüfergebnisse oder Konformitätsbescheinigungen auch von akkredierten Stellen im Einzelfall zu kontrollieren und - wenn Vorschriften nicht erfüllt sind - die geeigneten weiteren Massnahmen zu treffen.

Öffentlichem Recht - auch in Bezug auf den Anfechtungsweg - untersteht mithin nur das Verhältnis zwischen der akkreditierten Prüf- oder Konformitätsbewertungsstelle einerseits und dem akkreditierenden Organ bzw. der im betreffenden Produktebereich zuständigen Vollzugsbehörde anderseits.

Die Rechtsbeziehung zwischen der herstellenden bzw. inverkehrbringenden Person und der akkredierten Stelle bleibt demgegenüber durch privaten Vertrag zu gestalten. Fällt die Stelle einen Entscheid, welchen die betroffene Vertragspartnerin für ungerechtfertigt hält, steht dieser - namentlich beim Eintritt von Folgeschäden - die Geltendmachung vertraglicher Rechte offen. Ausserdem kann sie die Missachtung öffentlichrechtlicher Verpflichtungen, insbesondere aufgrund der Akkreditierungsverordnung, seitens der akkreditierten Stelle bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde rügen.

594

234

Normung (Art 13)

Im Gegensatz zur Produktegesetzgebung ist die technische Normung - wie bereits ausgeführt119) - in aller Regel nicht Sache des Staates, sondern privater Organisationen. Anders als technischen Vorschriften kommt Normen auch keine Rechtssatzqualität zu. Ihre Einhaltung bleibt vielmehr stets freiwillig. In Bezug auf die Anforderungen an das Produkt selber können technische Normen indessen wesentliche Informationen beispielsweise über den jeweiligen Stand der Technik vermitteln. Auch bei der Festlegung von Verfahren auf dem Gebiet der Produktevorschriften stellen sie oft unentbehrliche Referenzpunkte dar.

An dieser Aufgabenteilung zwischen staatlicher und privater Regelungstätigkeit soll mit dem THG im Grundsatz nichts geändert werden.

Allerdings ergibt sich vor allem aus der bereits skizzierten "Neuen" und "Globalen Konzeption" der EU auf dem Gebiet der Produktevorschriften12o> eine stärkere Verknüpfung der beiden Regelungsebenen. Denn der Staat erteilt hierbei an private Organisationen den Auftrag zur Erarbeitung von technischen Normen, welche dazu dienen, seine Produktevorschriften, insbesondere die sogenannten "grundlegenden Anforderungen"121), zu konkretisieren und in ihrer Anwendung zu unterstützen. Der Gesetzgeber erlangt auf diese Weise ein eigenes und direktes Interesse an termingerechten wie auch qualitativ hochstehenden Resultaten seitens der beauftragten Normungsgremien.

Die Schweiz hat die nach dem Modell der "Neuen" und "Globalen Konzeption" erlassenen europäischen Produktevorschriften bereits zu wesentlichen Teilen in ihre eigene Gesetzgebung integriert. Die Anpassung an weitere solche Regelungen ist vorgesehen^). Vom Rechtsetzungsprozess im europäischen Rahmen bleibt unser Land dabei bis auf weiteres ausgeschlossen. Hingegen steht ihm und den schweizerischen Experten die Mitwirkung auf der Ebene der - die Gesetzgebung ergänzenden - europäischen Normung nach wie vor offen. Nach der Ablehnung des EWR-Abkommens kommt .dieser unmittelbaren Mitgestaltungsmöglichkeit noch erhöhte Bedeutung zu. Sie soll durch Artikel 13 des vorgeschlagenen Gesetzes auch für die Zukunft gesichert werden.

119) Vgi. die Ziffern I I2.I und 213.4 120) Vgl. Ziffer 113.2.b 121) 122)

a.a.O a.a.O

595

Die Mitwirkung des Staates bei der europäischen sogenannten "mandatierten" technischen Normung erfolgt auf zwei Stufen. Zum ersten beteiligt er sich an der Formulierung", Erteilung und Finanzierung von Normungsaufträgen an die Europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSII23). Diese Aufträge werden von der EFTA getragen, parallel zu entsprechenden Mandaten seitens der Europäischen Union, Grundlage hierfür bilden spezielle Vereinbarungen (sog. framework contracts) zwischen EU bzw. EFTA einerseits sowie den betreffenden Nonnenorganisationen anderseits. Diese Verträge legen die Einzelheiten fest und regeln insbesondere die Frage der Abgeltung. Gedeckt werden dabei ausschlies-.

such jene Kosten, welche den Normungsgremien für Sekretariatsarbeiten im Bereich der erteilten Aufträge erwachsen, nicht aber Aufwendungen etwa für die eigentliche Normungstätigkeit selbst.

Daneben unterstützt die EFTA - zusammen mit der EU - auch die speziell mit Fragen der Prüfung und Zertifizierung befasste "European Organization for Testing and Certification (EOTC)". Für Normung, Prüfung und Zertifizierung waren im EFTA-Budget für das Jahr 1994 ungefähr 13 Prozent des Gesamtaufwandes vorgesehen. Gemäss dem für 1994 gültigen Verteilungsschlüssel betrug der schweizerische Anteil daran rund 22 Prozent. In der Finanzrechnung des Bundes wird dieser Betrag dem Budget "Europäische Freihandelsassoziation" belastet, dessen Rechtsgrundlage in der EFTA-Konvention von I960124) besteht. Einerseits ist es aber insbesondere aus finanzpolitischen Gründen erwünscht, eine ausdrückliche gesetzliche Basis für diese bedeutende Aufgabe im Landesrecht zu schaffen. Anderseits soll sichergestellt werden, dass - namentlich im Falle institutioneller Veränderungen im europäischen Umfeld - auch eine direkte Beteiligung der Schweiz ohne Einschaltung der EFTA insbesondere an der für sie wichtigen "mandatierten" Normung möglich bliebe. Diesen Anliegen trägt das THG in Artikel 13 Buchstabe a durch Übertragung entsprechender Kompetenzen an den Bundesrat Rechnung.

Indessen genügt es zur Wahrung der schweizerischen Interessen in internationalen, insbesondere europäischen Normungsorganisationen nicht, allein bei der staatlichen Auftragserteilung beteiligt zu sein. Es ist vielmehr wesentlich, dass Schweizer Vertreter auch bei der Vorbereitung und
der Koordination der Arbeiten im Bereich der "mandatierten" Normung aktiv mitwirken können. Hier liegt das zweite^ in Artikel 13 Buchstabe b berücksichtigte Bedürfnis für ein Engagement seitens des Staates.

123) 124)

596

Vgl. Ziffer 113.2.b; im Falle von CEN und CENELEC bereits seit 1986 SR 0.632.31

Die Aufgabe, eine solche Mitwirkung zu ermöglichen und zu organisieren, wurde in der Schweiz im Jahre 1990 mittels der "Notifikationsverordnung"i25) an die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) übertragen.

Gleichzeitig verpflichtete sich der Bundesrat, die SNV für die Erfüllung ihres Auftrags zu entschädigen. Abgegolten werden hierbei die Einsitznahme und Mitwirkung in den Lenkungsgremien der Europäischen Normungsorganisationen im Bereich der "mandatierten" Normung, wobei die Erstattung über die SNV an die ihr angeschlossenen sogenannten Fachbereiche126) erfolgt. Hinzu kommt eine hälftige Beteiligung des Bundes an den Mitgliedschaftsbeiträgen für CEN, CENELEC und ETSI, zumal die "mandatierte" Normung gegenwärtig rund 50 Prozent des Gesamtaufwandes der europäischen Gremien ausmacht.

Im Wege dieser Beiträge vermag die Schweiz auf der Ebene der europäischen Normung ihre Interessen in so wichtigen Regelungsbereichen wie Maschinen, Bauprodukte, Druck- und Gasgeräte, Waagen, Medizinprodukte, Schutzausrüstungen, Explosivstoffe, Spielzeuge usw. zu wahren. Allein im Maschinensektor waren 1994 nahezu 500 - auch durch unser Land in Auftrag gegebene - Normen in Vorbereitung, und hinsichtlich der Bauprodukte lag die entsprechende Zahl bei 760127>.

Zu betonen gilt es in diesem Zusammenhang, dass die eigentliche Erarbeitung der technischen Normen an sich, d.h. die Arbeit der Experten in den zahlreichen technischen Komitees und Arbeitsgruppen128), nicht unter den Abgeltungsmechanismus des 1HG fällt Auch sollte es sich der Staat nicht zur Aufgabe machen, Normungsprojekte ohne Bezug zu seiner Produktegesetzgebung zu unterstützen. Auf der anderen Seite kann ein staatliches Bedürfnis bestehen, zur Konkretisierung nationaler Produktevorschriften ausserhalb international harmonisierter Bereiche technische Normen erarbeiten zu lassen. Dies soll selbstverständlich weiterhin möglich sein.

Allerdings richtet sich die Frage der Abgeltung in solchen Fällen nicht nach dem THG, sondern bedarf einer entsprechenden Grundlage in der sektoriellen Gesetzgebung.

Das vorliegende Gesetz führt somit weder neue Finanzierungsgrandsätze ein, noch weitet es die geltende Anspruchsberechtigung aus. Es stellt lediglich die bisherigen, -auf Staatsvertragsrecht abgestützten Regelungen auf eine neue, innerstaatliche Basis. Dabei ist festzuhalten, dass sich die

125) 126) 127)

SR 632.32; Art. 5 Fachbereiche der SNV sind: Interdisziplinärer Normenbereich, Maschinen, Bauwesen, Strassen und Verkehr, Chemie, Uhren. Elektrizität sowie Fcrnmeldewesen, Quelle: CEN

128) Vgl. die Ziffern l I3.2.a. und b

597

schweizerische Unterstützung der Normung im europäischen Vergleich bescheiden ausnimmt. Denn besonders jene Länder, die eine aktive eigene Industriepolitik betreiben, gehen zum Teil wesentlich über das im THG enthaltene Modell hinaus.

Beauftragt der Staat nationale Normungsorganisationen, entweder die schweizerischen Interessen in internationalen Gremien zu wahren oder selbst technische Normen zu erarbeiten, sollte er die Gewähr haben, dass diese Organisationen dem GATT-Verhaltenskodex für die Normung aus dem Jahre 1994 verpflichtet sind. Dadurch kann insbesondere sichergestellt werden, dass dem Gesichtspunkt der technischen Handelshemmnisse die notwendige Beachtung geschenkt wird. Aber auch hinreichende Mitwirkungsrechte bilden - zur Sicherstellung von Transparenz und Offenheit des Normungsprozesses - Gegenstand des Kodex*. Es ist deshalb die Absicht des Bundesrates, künftig in aller Regel nur noch Normungsorganisationen zu beauftragen, welche die Annahme dieses Kodex' erklärt haben.

235

.Technische Vorschriften anderer Staaten (Art 14)

Diese Bestimmung beschlägt einen Speziatali technischer Handelshemmnisse. Verschiedene nationale Produktegesetzgebungen kennen Vorschriften, wonach die Übereinstimmung von ausländischen Erzeugnissen mit bestimmten Anforderungen des Importlandes durch Behörden des Exportstaates zu bestätigen ist. Neuere Beispiele hierfür stellen insbesondere verschiedene Regelungen der EU im Veterinär- und Phytosanitärbereich dar, etwa bezüglich der Herstellungsbedingungen von Milchprodukten oder Eiern. Aber auch für den Zugang zu anderen wichtigen Absatzmärkten, beispielsweise dem japanischen, sind vereinzelt solche Nachweise notwendig.

Verfügt die Schweiz nicht über Regeln oder Verfahren, nach welchen die erforderlichen Bestätigungen ausgestellt werden können, droht der Export für die fraglichen Märkte erschwert oder gar verunmöglicht zu werden. Aus diesem Grund sieht das vorgeschlagene Gesetz in Artikel 14 eine Kompetenz des Bundesrates vor, auf Verordnungsebene die für die Erteilung solcher Bestätigungen erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Anvisiert wird dabei nicht die Festlegung zusätzlicher Produkteanforderungen.

Vielmehr geht es - unter Wahrung des Prinzips der Angemessenheit - allein darum, etwa'die zuständigen Behörden und anzuwendenden Verfahren zu bestimmen.

Artikel 14 stellt die einzige Bestimmung des THG dar, welche sich ausdrücklich mit technischen Vorschriften in Bezug auf den Export von

598

Produkten befasst. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, dass es in aller Regel nicht Aufgabe des schweizerischen Gesetz- oder Verordnungsgebers sein soll, Voraussetzungen namentlich für das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, die Verwendung oder die Entsorgung von Erzeugnissen im Ausland festzulegen. Massgeblich hierfür soll vielmehr das Recht des jeweils betroffenen Staates sein.

236

Auskunftsstelle (Art 15)

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die Ermächtigung des Bundesrates zur Regelung einer Materie, über welche - wie im Falle von Artikel 13 Buchstabe b129) - im Rahmen der "Notifikationsverordnung" von 1990130> bereits legiferiert worden ist. Der Grund für eine ausdrückliche Verankerung der Kompetenz liegt wie dort im Bedürfnis nach einer verbesserten Abstützung und Absicherung im innerstaatlichen Recht.

Die Verpflichtung, eine zentrale Auskunftstelle für technische Vorschriften und Normen bereitzustellen, ergibt sich für die Schweiz schon aus dem GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse aus dem Jahr 197913l). sie soll dazu beitragen, dass Behörden und Private sich möglichst schnell und zuverlässig über die technischen Regeln des eigenen Landes wie auch anderer Staaten informieren können.

In der Schweiz ist diese Aufgabe aufgrund von Artikel 3 der "Notifikationsverordnung" der Schweizerischen Normen-Vereinigung in Zürich übertragen worden. Diese führt seit 1991 als eine ihrer Abteilungen das "Schweizerische Informationszentrum für technische Regeln (switec)". Gemà'ss Artikel 27 der Verordnung richten sich die Einzelheiten dieses Auftrages einschliessHch der vom Bund entrichteten Abgeltungen nach einem öffentlichrechtlichen Vertrag zwischen der SNV und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement. Die Aufsicht über den Vollzug der Vereinbarung obliegt nach der heutigen Regelung dem Bundesamt für Aussenwirtschaft.

129) Vgl. Ziffer 234 130) SR 632.32 131) SR 0.632.231.41. An. 10; vgl. auch Ziffer l I3.2.a

599

237

Internationale Abkommen

237.1

Allgemeines

Auf die wichtige Rolle Staats vertraglicher Massnahmen zur Vermeidung und zum Abbau technischer Handelshemmnisse ist bereits mehrfach hingewiesen worden1^). Auch die Notwendigkeit, in einer komplexen Materie rasch auf neue Entwicklungen und veränderte Bedingungen reagieren zu können, wurde dabei betont.

Diesem Bedürfnis nach flexibler Handlungsfähigkeit trägt das THG Rechnung, indem es dem Bundesrat in Artikel 16 in mehreren Punkten die Befugnis tiberträgt, internationale Abkommen zu schliessen. Allerdings beschränkt sich, diese Ermächtigung inhaltlich grundsätzlich auf jene, vorwiegend mit Verfahrensaspekten befassten Bereiche, welche in den Artikeln 9-15 THG geregelt sind, sowie auf den Informationsaustausch.

Abgesehen vom letzten Punkt sind von der genannten Kompetenzübertragung aufgrund von Artikel 2 Absatz l zudem nur jene Produktebereiche erfasst, welche einer Bundesregelung unterliegen, bzw. in welchen die Kantone nicht legiferiert haben. Formell bezieht sich die Zuständigkeit auf klassische bi- oder multilaterale Abkommen, welche nicht Artikel 89 Absatz 3 BV unterstehen, insbesondere keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Über diesen materiellen oder formellen Rahmen hinausgehende Staatsverträge auf dem Gebiet der Produktevorschriften bedürfen demgegenüber nach wie vor zumindest einer Genehmigung durch das Parlament.

Nach Artikel 2 Absatz 2 THG gehen internationale Abkommen den Bestimmungen dieses Gesetzes vor. Schliesst der Bundesrat solche Abkommen aber gestützt auf Artikel 16 ab, ist es selbstverständlich, dass er sich zum einen an den Zielen des vorliegenden Gesetzes im allgemeinen und sinngemäss - an dessen Grundsätzen über die Vorbereitung, den Erlass und die Änderung von Produktevorschriften (Art. 5 und 6) orientiert"3). Zum andern wird er, soweit sich der Staatsvertrag auf bestimmte Produktesektoren bezieht, auch die Ziele der betreffenden Spezialgesetzgebung berücksichtigen. Die allgemeinen Grundsätze über die Mitwirkung interessierter Kreise sind zu beachten.

132) Vgl, dieZiffem 113.2.154.2I2.2.a. und231 133) Vgl, Ziffer212.2.3

600

237.2

Ab se h I u ss von internationalen Abkommen (Art 16)

Artikel 16 führt die Bereiche auf, in welchen der Bundesrat ermächtigt werden soll, Staatsverträge in eigener Kompetenz abzuschliessen. Um allfälligen zukünftigen Entwicklungen gegenüber offen zu bleiben, ist die Liste der Kompetenzen nicht abschliessend formuliert. Im Sinne der Ausführungen unter der vorstehenden Ziffer und der Finalität gemäss Absatz · l halten wir die Stossrichtung dieser Ermächtigung aber als hinreichend bestimmt und deshalb auch unter delegationsrechtlichen Aspekten für berechtigt.

Die Buchstaben a-e von Absatz l entsprechen ihrem Gegenstand nach den Artikeln 9-12 sowie 13 Buchstabe a des Gesetzes. Die dortigen Kompetenzen zur autonomen Regelung -werden also um Ermächtigungen zum Abschluss von Staatsverträgen ergänzt, wodurch dem Bundesrat in diesen Fragen die erwünschte Handlungsfähigkeit verliehen wird.

Buchstabe /enthält ferner die Befugnis, internationale Abkommen über die Information und Konsultation im Bereich der Produktevorschriften zu schliessen. Auf die Funktionsweise des präventiven grenzüberschreitenden Informationsaustausches im Zusammenhang mit der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von Produktevorschriften ist im Rahmen der Bemerkungen zu Artikel 7 bereits hingewiesen worden^*). Die diesbezüglichen, mit den dort aufgeführten GATT-, EFTA- und EG/EFTA-Übereinkommen geschaffenen Systeme haben sich international etabliert und bewährt.

Allerdings steht das letztere seit 1992 infolge seiner Integration in das EWR-Abkommen formell nicht mehr in Geltung und bedarf jedenfalls für die Schweiz einer Erneuerung.

Aber auch der staatsvertraglich geregelte Informationsaustausch bezüglich der Anwendung bzw. des Vollzugs von P.roduktevorschriften wird zu einer immer wichtigeren Aufgabe. Die fortschreitende Globalisierung der Märkte ruft nämlich nach einer intensiveren und effizienteren Zusammenarbeit unter den Staaten insbesondere im Bereich der nachträglichen Kontrolle bzw. Marktüberwachung. Namentlich geht es darum, die Verbreitung vorschriftswidriger bzw. gefährlicher Erzeugnisse wirkungsvoll zu unterbinden. Doch können durch eine gegenseitige Abstimmung der Vollzugspraktiken auch vielfältige technische Handelshenunnisse, welche sich durch eine unterschiedliche Anwendung von technischen Vorschriften ergeben, vermieden werden. Entsprechende Verfahren sind in den "letzten Jahren vor allem im Rahmen der EU bzw; des EWR geschaffen worden.

134)

Vgl. Ziffer 223

601

Wie Absatz 2 im Sinne einer ausdrücklichen Ausnahme gegenüber Artikel 2 Absatz l festhält, soll sich die Vcrtragsschlusskompetenz des Bundesrates in Fragen des präventiven Informationsaustausches auch auf die Produktevorschriften der Kantone erstrecken. Diese Regelung entspricht nicht nur hinsichtlich des erwähnten EG/EFTA-Abkommens sowie des GATTÜbereinkommens über technische Handelshemmnisse staatsvertraglich bereits festgelegtem Recht. Sie erweist sich auch unter der Zielsetzung des vorliegenden Gesetzes als besonders zweckmässig, ohne die bestehenden Rechtsetzungskompetenzen der Kantone auf dem Gebiet der Produktevorschriften materiell einzuschränken. Dabei ist es selbstverständlich, dass der Bundesrat vor dem Abschluss von Abkommen, welche Produkteregelungen der Kantone berühren, diese speziell zu konsultieren haben wird.

Schliesslich ist es ebenso selbstredend Ziel und Zweck jeden Staatsvertrags, Vereinbarungen im beider- bzw. allseitigen Interesse der teilnehmenden Parteien zu treffen. Abkommen über die Anerkennung von Konformitätsbewertungen zum Beispiel werden dementsprechend in aller Regel auf der Basis von Gegenseitigkeit geschlossen. Dennoch kann es ausnahmsweise angezeigt sein, eine Anerkennung bloss einseitig vorzusehen, etwa wenn ein Vertragspartner im betreffenden Produktesektor über gar keine Exportinteressen oder kompetenten Stellen verfügt. Aus diesem Grund wird in Artikel 16 davon abgesehen, die Reziprozität zum unabdingbaren Bestandteil aller staatsvertraglichen Regelungen im Bereich der Produktevorschriften zu erklären.

237.3

Durchführung (Art 17)

In dem Umfang, in welchem der Bundesrat zum Abschluss internationaler Abkommen befugt ist, soll er auch die notwendigen Durchführungsbestimmungen erlassen können. Gleiches gilt ferner hinsichtlich von diesbezüglichen Staatsverträgen, welche durch das Parlament oder den Souverän genehmigt worden sind. Da die allgemeine Ausführungskompetenz des Bundesrates gemäss Artikel 33 THG dieses Bedürfnis nicht abdeckt, bedarf es einer besonderen Ermächtigung im Sinne von Artikel 17 Absatz L Die Mitwirkung interessierter Kreise bleibt auch hier unter den üblichen Bedingungen gewährleistet.

Absatz 2 bezieht sich speziell auf den Informationsaustausch133). Soweit dieser die Vorbereitung, den Erlass oder die Änderung von technischen Vorschriften oder Normen betrifft, sollen Vollzugsaufgaben Privaten

135)

602

Vgl. die vorangehende Ziffer

*

übertragen und diese dafür entschädigt werden können. Das THG baut damit auf einer bereits bestehenden, seit 1990 in der "Notifikationsverordnung"1^) festgelegten Regelung auf. Danach wird die Abwicklung solcher Informationsverfahren in der Schweiz zu einem wesentlichen Teil durch die Schweizerische Normen-Vereinigung wahrgenommen..

237.4

Gebühren (Art 18)

Gebühren werden im Bereich der Produktevorschriften namentlich in Zusammenhang mit Anmeldungen, Zulassungen und Akkreditierungen sowie im Rahmen der nachträglichen Kontrolle (Marktüberwachung) insbesondere bei Vorliegen vorschriftswidriger Produkte - erhoben. Für die Erhebung solcher Gebühren bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Um allfällige diesbezügliche Lücken in den Sektorgesetzgebungen zu schlies.sen, stellt Absatz l deshalb den jeweils zuständigen Vollzugsorganen eine Gebührenerhebungskompetenz zur Verfügung.

Absatz 2 befasst sich mit dem Umfang der Gebühren und bestimmt, dass der Gebührenrahmen in einen generell-abstrakten Rechtserlass auf Verordnungsebene zu kleiden ist. Zur Entlastung des Bundesrates statuiert dieser Absatz ferner die Möglichkeit einer Kompetenzdelegation an das zuständige Departement.

24

Erläuterungen des 4. Kapitels

Im Gegensatz zum 2. und 3. Kapitel, welche sich mit der Rechtsetzung bzw, mit Kompetenzdelegationen namentlich zum Erlass von Produktevorschriften und zum Abschluss internationaler Abkommen auf diesem Gebiet befassen, ist das 4. Kapitel Rechten und Pflichten der betroffenen Privaten sowie der Vollzugsbehörden gewidmet.

136)

Vgl. Ziffer 223

603

241

Nachweis der Konformität

241.1

Vorbemerkungen

"Konformität" bedeutet nach Artikel 3 Buchstabe g die "Erfüllung technischer Vorschriften oder Normen durch das einzelne Produkt"137). Ist ein in Verkehr gebrachtes Erzeugnis "konform", heisst dies, dass es allen anwendbaren Vorschriften beispielsweise bezüglich seiner Zusammensetzung, seiner Leistungsfähigkeit, seiner Beschriftung und Verpackung, seiner Herstellung, seiner Prüfung oder Zulassung entspricht.

Steht bezüglich eines Produktes fest, welchen Anforderungen es nach Massgabe der anwendbaren öffentlichrechtlichen Bestimmungen zu genügen hat, stellt sich im Rahmen der meisten sektoriellen Produktegesetzgebungen als nächstes die Frage, wann das Erzeugnis alle diese Merkmale aufweisen muss, sowie wer den entsprechenden Nachweis aufwelche Weise zu führen hat.

Was die erste Frage nach dem massgeblichen Zeitpunkt betrifft, sind die hauptsächlichen Anknüpfungspunkte, namentlich des Inverkehrbringens, des Anbietens und der Inbetriebnahme, im Rahmen der Erläuterungen zu Artikel 3 bereits dargestellt wordenes). Im allgemeinen finden sie sich im sektoriellen Produkterecht weiter präzisiert. Durch dieses in aller Regel unbehandelt bleiben allerdings die Fälle des mehrmaligen Inverkehrbringens eines Produktes sowie des Inverkehrbringens von Erzeugnissen aus serieller Fertigung. Sie werden in Artikel 19 angesprochen, zusammen mit der Frage, welche Person den Nachweis der Konformität in solchen Situationen zu erbringen hat. Darüber hinaus befassen sich die Artikel 19 und 20 mit ausgewählten Aspekten des Problems der NachweismiYfó/.

Die Regelungen zur Nachweisproblematik zielen darauf ab, in für die Anwendung von Produktevorschriften wichtigen, bisher aber weitestgehend der' Praxis überlassenen Fragen mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Gleichzeitig soll mit liberalen Ansätzen möglichen protektionistischen Nebenwirkungen von Produktegesetzgebungen begegnet werden.

137) 138}

604

Vgl.Ziffcr213.8 Vgl. die Ziffern 213.3 sowie 213.5-6

«

241.2

Grundsatz (Art 19)

Nicht in allen Produktesektoren sieht die einschlägige Gesetzgebung vor, dass die Konformität von Erzeugnissen nachzuweisen sei. So wird beispielsweise bei Lebensmitteln die Übereinstimmung mit den anwendbaren Vorschriften in der Regel nicht aufgrund von Unterlagen, sondern durch Proben am Produkt selber ermittelt. Artikel 19 steht, deshalb unter dem einleitend zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt, dass ein Nachweis der Konformität eines bestimmten Produkts überhaupt gefordert sei.

Ist dies der Fall, lautet die allgemeine Regel folgendermassen: Wer nach Massgabe der jeweiligen sektoriellen Vorschriften ein Produkt anbietet, in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt, muss - gegenüber den für die . nachträgliche Kontrolle (Marktüberwachung) zuständigen Stellen - auch nachweisen können, dass dieses Erzeugnis "konform" ist (Abs. 1). Andere Personen, namentlich der Erwerber oder Benutzer des Produkts, sind hierzu nicht verpflichtet. Beim verantwortlichen Inverkehrbringer kann es sich dabei namentlich um den Hersteller im Inland, den Importeur oder den Verteiler handeln.

In vielen Fällen durchlaufen Produkte mehrere Stationen einer Vertriebskette, ehe sie zum Endabnehmer gelangen. So können als typisches Beispiel ein Importeur, ein Grossist und ein Detailhändler beteiligt sein. Aufgrand der Definition von Artikel 3 Buchstabe d THG handelt es sich dabei bei jedem Vertriebsschritt um ein neues Inverkehrbringen. Entsprechend hat das Produkt bei jedem Mal, da, es in Verkehr gebracht wird, konform zu sein, was durch den jeweiligen .Inverkehrbringer auf Aufforderung hin zu belegen ist. Wird allerdings ein nachfolgendes Glied in der Kette zum Nachweis angehalten, soll es sich, wie Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe a festhält, in dem Umfange entlasten können, als die notwendigen Informationen von einem seiner Vorgänger erhältlich sind.

Mit dieser Regel soll beispielsweise der Detailhändler einerseits von der Verpflichtung befreit werden", alle erforderlichen Unterlagen selbst bereitzuhalten. Anderseits soll er sich nicht von seiner Verantwortung für den Vertrieb von konformen Produkten durch blossen Verweis auf einen vorangehenden Inverkehrbringer befreien können. Sind die erforderlichen Informationen von diesem früheren Glied in der Kette nämlich nicht erhältlich, wird die Nachweisobliegenheit auf das nachfolgende
zurückfallen. Voraussetzung ist allerdings, dass das betreffende.Produkt über die Vertriebsstufen hinweg unverändert bleibt. Erleidet beispielsweise eine Maschine auf dem Transport vom Hersteller zum Händler einen Schaden, ist ein Konformitätsnachweis durch den Hersteller nur noch soweit möglich, als es um vom Schaden nicht betroffene Aspekte geht.

605

Gegenstand von Absatz 2 Buchstabe b bilden Produkte aus serieller Fertigung. Ob der Sachverhalt einer Serie identischer Produkte vorliegt, wird dabei nach den jeweiligen konkreten Umstände zu beurteilen sein.

Namentlich bei Investitionsgütern oder langlebigen Konsumprodukten, wie beispielsweise Motorfahrzeugen, dürfte die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Serie in der Regel aber durchaus nachweisbar sein. Darf der Inverkehrbringer eines solchen Produkts nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass Exemplare aus derselben Serie bereits rechtmässig in Verkehr gebracht worden sind, soll er von einem weiteren Nachweis der Vorschriftskonformität entlastet sein. Unter dem Gesichtspunkt der Produktegesetzgebung soll es diesfalls genügen, wenn er den Nachweis der Serienidentität seiner Waren zu erbringen vermag.

Praktische Bedeutung kommt der Frage vor allem hinsichtlich der sogenannten Parallelimporte zu. Solche wurden bisher in der Praxis nicht selten allein dadurch verunmöglicht, dass nur der General- bzw. Alleinimporteur über die für den Konformitätsnachweis erforderlichen vollständigen Unterlagen verfügte, von jedem weiteren, "inoffiziellen" Inverkehrbringer identischer Produkte aber dieselben Informationen verlangt wurden. Zwar mag ein staatlicher Schutz von geschlossenen Vertriebssystemen, welche regelmässig mit vertikalen Preisbindungen verknüpft sind, unter gewissen Umständen begründet sein. Diesbezüglich hat namentlich das Marken- oder Kartellrecht die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen. Auf der anderen Seite haben solche Vertriebssysteme, zumal auf einem relativ kleinen Markt mit hoher Kaufkraft wie dem schweizerischen, oft ein ökonomisch ungerechtfertigt hohes Preisniveau zur Folge, das sich zulasten der Abnehmer und Konsumenten wie auch der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft als Ganzes auswirkt. Parallelimporte sollen deshalb nicht allein an der nationalen Produktegesetzgebung scheitern, vorausgesetzt, die Konformität der Erzeugnisse lasse sich nach Massgabe von Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b nachweisen. Das THG vermag auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung wirtschaftlich unerwünschter Kartelle zu leisten.

Als Selbstverständlichkeit kann beigefügt werden, dass die Regelung gemäss Absatz 2 unter dem Vorbehalt steht, dass die anwendbaren Produktevorschriften über den Zeitraum der betreffenden Vorgänge hinweg unverändert bleiben.

606

*

241.3

Nachweis von Prüfungen und Konformitätsbewertungen (Art 20)

An die Regelung von Artikel 19 schliesst sich inhaltlich jene von Artikel 20 an. Es geht um die praktisch bedeutsame Frage, unter welchen Umständen der Nachweis als erbracht gelten darf, dass die Prüfung eines Produkts oder die Bewertung seiner Konformität mit den einschlägigen schweizerischen Anforderungen seitens einer hierfür kompetenten "dritten" Stelle rechtsgenüglich vorgenommen wurde. Die Gültigkeit von Prüfungen kann dabei namentlich auch als Voraussetzung behördlicher Zulassungen139) relevant sein.

Unter Artikel 20 lassen sich zwei Fälle unterscheiden. Der erste betrifft Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen von Drittstellen, welche ihren Sitz in der Schweiz haben. Deren Kompetenz und Berechtigung, solche Zertifikate auszustellen, ist nach Absatz l zu vermuten, wenn sie für den in Frage stehenden Fachbereich entweder akkreditiert140) (Bst. a) oder nach Massgabe einer besonderen innerstaatlichen Vorschrift anderweitig ermächtigt oder anerkannt sind (Bst. c). Letztere speziellen Regelungen können vor allem soweit sinnvoll sein, als eine Akkreditierung nicht möglich ist oder im internationalen Vergleich als unverhältnismässige Auflage erscheint.

Der zweite Fall handelt von Prüfberichten und Konfomiitätsbescheinigungen, die von Drittstellen im Ausland stammen. Zur Frage der fachlich-organisatorischen Kompetenz hinzu tritt hier das aussenwirtschaftspolitische Problem, ob ausländische Staaten bei der Anerkennung schweizerischer Stellen oder ihrer Nachweise Gegenrecht halten, bzw. mit welchen Mitteln die Gewährleistung der Reziprozität allenfalls zu erreichen sei.

Vorweg ist in diesem Zusammenhang die folgende Differenzierung wesentlich. Zum einen weist die Gegenrechtsfrage einen direkten Bezug zur internationalen Verkehrsfähigkeit der betroffenen Waren auf. Erfüllt beispielsweise ein in.der Schweiz hergestelltes Produkt alle im EWR geltenden Vorschriften hinsichtlich Beschaffenheit, Eigenschaften, Beschriftung, Verpackung usw., und ist seine Konformität mit diesen Anforderungen durch eine schweizerische Stelle festgestellt worden, führt fehlende Gegenseitigkeit bei der Anerkennung der schweizerischen Konformitätsbewertung im Ergebnis dazu, dass das Erzeugnis im EWR gleichwohl nicht verkauft werden darf. Der Schweizer Hersteller muss sich 139) 140)

Vgl. Ziffer 213.9 Gcmäss der "Verordnung vom 30, Oktober 1991 Über das schweizerische Akkreditiemngssysiem", SR 941.291; vgl. die Ziffern 213.11 und 233.

607

diesfalls an eine im EWR anerkannte Stelle wenden, was unter der Voraussetzung, dass im Inland ein ausreichendes und konkurrenzfähiges Konformitätsbewertungsangebot besteht, mit zusätzlichen Kosten und Zeitverlusten verbunden sein kann. Zum andern ist die Tätigkeit des Prüfens und Konformitätsbewertens als (privatrechtliche) Dienstleistung betroffen.

Diesbezüglich kommt fehlendes Gegenrecht grundsätzlich einer Zutrittsverweigerung zum jeweiligen Prüf- und Konformitätsbewertungsmarkt gleich.

Sie wird einzig dadurch gemildert, dass allfällige privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Stellen in den verschiedenen Wirtschaftsräumen gewisse Formen der Zusammenarbeit bei der Prüfung und Konformitätsbewertung von Produkten ermöglichen können14!).

Wie in dieser Botschaft schon mehrfach betont142), kommt - zur rechtlichen Absicherung der Reziprozität - internationalen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungen und Konformitätsbewertungen für die Schweiz erhebliche Bedeutung zu. Vor allem in Produktebereichen, welche im EWR nach der sogenannten "Neuen" und "Globalen Konzeption" ausgestaltet sind und den Beizug einer dritten, sogenannten "benannten" Stelle vorsehen, ist ein allseitig gleichberechtigter Marktzutritt ohne Staatsvertrag letztlich nicht zu erreichen1^). Bilaterale Verhandlungen mit der EU zum Abschluss eines solchen Abkommens sind Ende 1994 aufgenommen worden, wobei die Gewährleistung der Reziprozität von beiden Seiten nicht bestritten ist.

Kann der Prüfbericht oder die Konformitätsbescheinigung einer Stelle vorgelegt werden, welche durch die Schweiz im Rahmen eines internationalen Abkommens anerkannt ist, soll dies - gleich wie bei schweizerischen Stellen gemäss Absatz l, Buchstaben a und c - als Nachweis dafür gelten, dass die Prüfung oder Konformitätsbewertung durchgeführt wurde (Abs. '} Bst. b).

Liegt hingegen (noch) kein Abkommen vor, ist in der Anerkennungsfrage eine differenziertere, in Anbetracht der überaus starken internationalen Verflechtung unserer Volkswirtschaft im Grundsatz liberale Haltung angezeigt, Artikel 20 Absatz 2 sieht diesbezüglich vor, dass es dem Inverkehrbringer obliegen soll, auf Verlangen der zuständigen Behörde einerseits darzulegen, dass die angewandten Verfahren den in der Schweiz geltenden Anforderungen genügen (Bst. a). Namentlich bei international
festgelegten Prüfverfahren, wie beispielsweise solchen der ISO144), dürften 141) Namentlich im Wege des sog. "Subcontracling"; vgl. auch Ziffer 113.2.b,, am Ende, 142) Vgl. insbesondere die Ziffern 113.2., 154 und 237 143) Vgl. Ziffer 113.2.b 144) Vgl. Ziffer l I3.2.a

608

dem keine unverhöltnismässigen Schwierigkeiten entgegenstehen. Anderseits hat die inverkehrbringende Person hinreichende Griinde vorzubringen, welche. die Annahme erlauben, dass die auslandische Stelle iiber eine gleichwertige Qualifikation wie die in der Schweiz geforderte verfiigt (Bst.

fc). Diese Bedingung wird namentlich dann als erfiillt zu betrachten sein, werin die Stelle im auslandischen Staat akkreditiert 1st und das betreffende Akkreditierungssystem internationalen Anforderungen entspricht145).

Bin solcher Ansatz, welcher das Schwergewicht auf die technische Seite des Problems legt, entspricht dem Geist des GATT-UbereinkommensM6>.

Er wird aber in der Regel auch den schweizerischen Interessen gerecht werden. Denn er entbindet unsere Export- wie Importindustrie von der aufwendigen Wiederholung von Priifungen und Konformitatsbewertungen dutch Stellen im Inland, sofern diese Priifungen oder Bewertungen im Ausland einwandfrei durchgefiihrt worden sind. Das Ergebnis besteht in einem grCsseren Warenangebot, einem intensivierten Wettbewerb und letztlich tieferen Produktepreisen auf dem Binnenmarkt, zum Nutzen insbesondere der Konsumenten.

Gleichzeitig tragt Artikel 20 im Rahmen der autonomen Anerkennung auslandischer Prtifberichte und Konformita'tsbescheinigungen aber auch dem Prinzip der Gegenseitigkeit angemessen Rechnung. Absatz 3 sieht namlich die Moglichkeit vor, formell vorzuschreiben, dass auslandische Nachweise nur dann anerkannt werden, wenn auch die Anerkennung geeigneter schweizerischer Stellen bzw. der von solchen Stellen ausgestellten Priifberichte oder Konformitatsbescheinigungen im Ausland zufriedenstellend funktioniert. Hinsichtlich der meisten Produktesektoren wird hiermit erstmals eine - nach allgemeiner Auffassung mit dem GATT-Recht vereinbare147). ausdriickliche gesetzliche Grundlage in dieser Frage geschaffen. Hir komrnt, wie bereits angetont, nicht zuletzt im Hinblick auf den Abschluss allfalliger internationaler Abfcommen tiber die gegenseitige Anerkennung von Priifungen und Konformita'tsbewertungen Bedeutung zu. Denn sie ermOglicht nicht nur, den schweizerischen Verhandlungsspiel'145)

146) 147)

Zum Zwecke der grenztlbcrschrcitenden Anerkennbarkeh von Akkreditieningssystemcn, von akkrediticrten Slellen sowie den von solchen Stellen ausgefcrtigten Prtifberichten und Konframitätsbescheinigungen ftlhrcn namentlich die "European Cooperation for Accreditation of Laboratories
SR 0.632.231.41; An. 2 ff.; vgl. Ziffer 113.2.a Vgl. zu diesem Fragenkreis im allgemeinen die Botschaft Uber das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens, Ziffer 144.2 (GrundsätzlicheBemeikungen aus vfilkerrechtlicher Sicht zum Reziprozitätsvorbehalt), BB11993 1836.

609

räum zu erweitern, sondern auch, - soweit nötig - unsere Position gezielt zu untermauern. Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang, dass das revidierte GATT-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse die Mitgliedstaaten explizit zum Abschluss von Abkommen über die gegenseitige Anerkennung auffordert148).

Wird es in diesem staatsvertraglich (noch) nicht geregelten Bereich zur Wahrung der schweizerischen Interessen erforderlich, einen Reziprozitätsvorbehalt formell festzulegen oder aufzuheben, gilt es, darüber in für die Marktteilnehmer transparenter und allgemeinverbindlicher Form zu entscheiden. Gleichzeitig ist, zur Begrenzung potentieller negativer Auswirkungen, ein abgestimmtes, flexibles und differenziertes Vorgehen seitens der zuständigen Behörden wesentlich.

In Konkretisierung dieser Ziele kommt gema'ss Absatz 3 dem Bundesamt für Aussenwirtschaft die Aufgabe zu, im Einvernehmen mit dem für den betreffenden Produktesektor zuständigen Bundesamt und unter den genannten materiellen Voraussetzungen mittels Verordnung dafür zu sorgen, dass die Anerkennung ausländischer Nachweise verweigert wird, solange kein Gegenrecht besteht. Hierbei ist insbesondere hinsichtlich der betroffenen Erzeugnisse und Konformitätsbewertungsverfahren zu differenzieren. Denn ein Reziprozitätsvorbehalt, welcher für ein bestimmtes Produkt sinnvoll erscheint, kann sich bezüglich eines anderen nachteilig auswirken, wenn etwa in der Schweiz keine genügenden Konformitätsbewertungskapazitäten vorhanden sind oder unser Land im betroffenen Segment vorwiegend von Importen abhängig ist.

In Rechnung zu stellen gilt es zudem, wie Absatz 3 weiter festhält, die gesamt- und aussenwirtschaftliche Interessenlage der Schweiz. Mit anderen Worten wird abzuwägen sein zwischen den Interessen insbesondere der schweizerischen Produzenten an einem ungehinderten Marktzutritt sowie der einheimischen Prüf- und Zertifizierungsindustrie an der Geltung ihrer Nachweise im Ausland einerseits und den obenerwähnten Vorteilen einer liberalen Anerkennungspraxis anderseits. Zur Beurteilung dieser Aspekte ist eine Koordination zwischen dem Bundesamt für Aussenwirtschaft als der in aussenwirtschaftlichen Belangen zuständigen Behörde sowie dem für den betreffenden Produktebereich verantwortlichen Bundesamt vorgesehen.

Auf diese Weise besteht nicht zuletzt auch Gewähr, dass in der schweizerischen Anerkennungspraxis einheitliche Massstäbe verfolgt und vor der An-

148)

610

Art. 6.3; siehe auch die Botschaft zur Genehmigung der GATT/WTO-Übereinkommen, BEI 1994 IV 194.

&

wendung der Reziprozitätsklausel anderweitig zur Verfügung stehende Instrumente zur Lösung solcher Probleme ausgeschöpft werden.

242

Nachträgliche Kontrolle (Marktüberwachung)

242il

Vorbemerkungen

Ziel und Zweck des vorgeschlagenen Gesetzes ist es, technische Handelshemmnisse, welche nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sind, auf allen Ebenen staatlicher Tätigkeit und in allen Produktesektoren zu vermeiden oder abzubauen. Dies betrifft auch den Vollzug technischer Vorschriften. Er soll innerstaatlich wie grenzüberschreitend möglichst koordiniert ablaufen, bei Unterlassung jeder unnötigen Beeinträchtigung des Warenverkehrs.

Gerade ein im Rahmen berechtigter staatlicher Auflagen möglichst freier ·Warenverkehr setzt, um sich nachhaltig entfalten zu können, aber auch voraus, dass seine Regeln eingehalten werden. Führen zunehmend globalisierte Märkte und vermehrte Eigenverantwortung der Marktteilnehmer zur Missachtung etwa staatlicher Gesundheitsvorschriften, drohen daraus entweder ein unzureichendes Schutzniveau oder restriktivere Handelsregelungen zu resultieren. Um dem zu begegnen, bedarf es einer effizienten und glaubwürdigen staatlichen Kontrolle und Durchsetzung im Bereich der Produktevorschriften.

Bereitstellung, Organisation, Durchführung wie - vor allem - auch Finanzierung der betreffenden .Strukturen bzw. Tätigkeiten sind und bleiben allerdings Sache der sektoriellen Gesetzgebung. Ein horizontaler Erlass vermöchte den sehr unterschiedlichen Bedürnissen und Möglichkeiten der einzelnen Bereiche nicht gerecht zu werden. Indessen sollen mit dem vorgeschlagenen Gesetz einerseits minimale Handlungskompetenzen der sektoriell zuständigen Organe sichergestellt (Art. 21), anderseits deren Tätigkeit gewissen Grundregeln eines freien Warenverkehrs unterworfen werden (Art. 22).

Gemäss der Definition von Artikel 3 Buchstabe p handelt es sich bei der hier interessierenden Aufgabe um die hoheitliche Tätigkeit zur Durchsetzung der Konformität angebotener, in Verkehr gebrachter oder in Betrieb genommener Produkte mit technischen Vorschriften. Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt es sich um eine Kontrolle, welche im Gegensatz

611

zur Zulassungi49> nicht eine Vorbedingung des Marktzutritts darstellt, sondern nachträglich, d.h. auf dem Markt, erfolgt. Unter Umständen kann die Wahrnehmung dieser Kontrolle aber auch einschliessen, dass gewisse Abklärungen bereits vor dem Stadium des Inverkehrbringens, etwa zur Überprüfung von Herstellungsbedingungen im Veterinärbereich, durchzuführen sind.

In diesem Zusammenhang hat sich im Rahmen der Europäischen Union bzw. des EWR seit ein paar Jahren der Begriff Marktüberwachung ("surveillance du marche", "sorveglianza del mercato", "market surveillance") allgemein durchgesetzt. Obwohl für die Schweiz relativ neu, sollte auf ihn in einem Bundesgesetz, welches auf den Abbau von Marktzutrittsbehinderungen gerade auch gegenüber unseren europäischen Partnern abzielt, nicht gänzlich verzichtet werden. Das THG verwendet deshalb die beiden Ausdrücke der "nachträglichen Kontrolle" und der "Marktüberwachung" in der Überschrift zum 2. Abschnitt des 4. Kapitels als Synonyme.

242.2

Befugnisse der Kontrollorgane (Art 21)

Artikel 21 verfolgt das Ziel, den Organen, welche nach dem Recht der einzelnen Produktesektoren mit der nachträglichen Kontrolle bzw. der Marktüberwachung betraut sind, jene Kompetenzen zur Verfügung zu stellen, die zur Wahrung ihrer Aufgaben im allgemeinen erforderlich sind, in der betreffenden Gesetzgebung aber allenfalls fehlen. Weitergehende, abweichende oder detailliertere Regelungen in der Spezialgesetzgebung bleiben dabei nicht nur möglich, sondern oft auch notwendig. Artikel 21 untersteht aus diesem Grund, wie die Begriffe des Artikels 3, einem generellen Vorbehalt zugunsten von Sektorrecht sowohl der Gesetzes- wie der Verordnungsstufe150).

Absatz l befasst sich mit der ersten Stufe der Marktüberwachung, nämlich der Kontrolle von angebotenen, in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkten. Nicht ausdrücklich gesagt, mit dem Begriff aber in aller Regel verbunden ist, dass solche Kontrollen stichprobeweise durchzuführen sind und nicht die Funktion einer eigentlichen Zulassung zum Markt übernehmen dürfen. Die vorgeschlagene Regelung enthält eine abschliessende Liste der aufgrund des THG zulässigen Mittel zur Durchführung der Kontrollen. Darüber hinausgehende Kompetenzen bedürfen demnach einer eigenen Grundlage in der jeweiligen sektoriellen Spezialgesetzgebung.

149) 150)

612

Vgl. Ziffer 213.?

Vgl. Ziffer 212.2-c



In Absatz 2, Buchstaben a und b, geht es um die behördlichen Kompeten- · zen für den Fall, dass verlangte Nachweise, Informationen oder Muster nicht innert angemessener Frist zur Verfügung gestellt werden, oder dass ein Produkt die anwendbaren technischen Vorschriften nicht erfüllt.

Eine in der Praxis gewiss seltene, doch nicht ganz auszuschliessende Konstellation wird sodann mAbsatz.2, Buchstabe ct angesprochen. Dieser beruht auf dem Grundsatz, dass der Hersteller bzw. Inverkehrbringer davon ausgehen darf, dass für ein Produkt, welches alle anwendbaren Vorschriften erfüllt, unter öffentlichrechtlichen Aspekten auch ein uneingeschränkter Anspruch auf freie Vermarktung besteht. Mit anderen Worten soll darauf ' vertraut werden können, dass die durch den Gesetzgeber vorgenommene Beurteilung der relevanten Gefahren abschliessend ist und bis zum Erlass neuer>Anforderungen verbindlich bleibt.

Indessen ist es einerseits möglich, dass ein mit dem Produkt verbundenes Risiko nicht Gegenstand der gesetzgeberischen Entscheidung bildete und die Vorschriften insofern eine Lücke aufweisen. Anderseits ist nicht auszuschliessen, dass neue Erkenntnisse, etwa aufgrund zwischenzeitlicher wissenschaftlicher Untersuchungen, eine zum Zeitpunkt der Rechtsetzung vorgenommene Evaluierung in einem grundsätzlich veränderten Licht erscheinen lassen. Besteht begründeter Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Falles, soll auch gegen vorschriftskonforme Produkte eingeschritten werden können, sofern von diesen eine ernste und unmittelbare Gefährdung Öffentlicher Interessen im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 . ausgeht. Die so formulierte Kompetenz ist dabei in einem direkten Zusammenhang zur Verfahrensvorschrift gemäss Artikel 22 Absatz 2 zu sehen.

Absatz 3 schliesslich legt die aufgrund des THG maximal zulässigen Sanktionen fest. Sie bestehen entweder im Verbot des weiteren Anbietens, Inverkehrbringens oder Inbetriebnehmens bestimmter Produkte oder im Rückruf von bereits in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Erzeugnissen. Da diese Massnahnten in aller Regel ganze Produkteserien oder -kategorien betreffen, mit ihnen also erhebliche Eingriffe in den Markt verbunden sind, sollen sie auf der Grundlage des THG im Interesse eines einheitlichen Vollzugs nur durch die jeweils zuständigen Bundesämter getroffen werden
dürfen. Verfassungsmässig den Kantonen zustehende Kompetenzen bleiben dabei vorbehalten. Noch weiter gehende Schritte, wie beispielsweise die Vernichtung vorschriftswidriger Erzeugnisse, oder auch die Ermächtigung anderer Stellen als die in Absatz 3 erwähnten, bedürfen hingegen einer besonderen Grundlage in sektoriellen Vorschriften.

Selbstverständlich - und deshalb im THG nicht eigens erwähnt - unterliegen die staatlichen oder vom Staat beauftragten Kontrollorgane in ihrer Tätig-"

613

keit den jeweils anwendbaren Vorschriften über die Verwalningsta'tigkeit, im Falle von Bundesstellen insbesondere dem BG über das Verwaltungsverfahren^i). Nach diesen Erlassen richten sich, vorbehaltlich sektorieller Spezialregelungen, auch die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegenüber von Entscheiden dieser Organe.

242.3

Ausübung der Kontrolle (Art 22)

Artikel 22 bildet mit seinen Verpflichtungen das Korrelat zu den Kompetenzen gemäss Artikel 21. Absatz l konkretisiert dabei den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismässigkeit bezüglich des Vollzugs von Produktevorschriften. Als erstes verlangt er, dass Massnahmen der Kontrollorgane in ihrer Intensität auf das Ausmass der Gefährdung abzustimmen sind, welche von einem Produkt ausgeht. Dies will nicht heissen, dass bei "schlichter" Vorschriftswidrigkeit ohne besondere Gefährdung nicht eingeschritten werden dürfte. Hingegen wird in solchen Fällen soweit möglich ein Vorgehen zu wählen sein, welches die Vermarktung des Produkts nicht unnötig einschränkt. Als zweites verankert Absatz l hinsichtlich des Vollzugs technischer Vorschriften den Grundsatz des geringsten erforderlichen Eingriffs in den freien Warenverkehr. Auch hier geht es nicht darum, staatliche Vollzugskompetenzen zu beschneiden. Bei bloss geringfügigen Mängeln soll ein Produkt jedoch nicht gleich mit einem Verkaufsverbot belegt werden dürfen.

Absatz 2 knüpft an den Fall von Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe c an.

Wurden auf dessen Grundlage Massnahmen ergriffen, sollen diese nur im Rahmen eines speziellen Bestätigungsverfahrens aufrechterhalten werden dürfen. Ging der Eingriff von einem untergeordneten Kontrollorgan aus, sieht die'vorgeschlagene Regelung dafür eine umgehende Meldung an das zuständige Bundesamt vor. Erfolgt von dessen Seite innert Monatsfrist keine Bestätigung der Massnahme, fällt diese von Gesetzes wegen dahin.

Hält es sie jedoch für gerechtfertigt und bestätigt sie, bzw. hat das Bundesamt selbst die Massnahme veranlasst, muss es unverzüglich die Anpassung der betreffenden Produktevorschriften einleiten.

Mit dem Verfahren gemäss Absatz 2 sollen Eingriffe gegen vorschriftskonforme Produkte im Sinne von Artikel 21 Absatz 3 in geordnete Bahnen gelenkt werden. Insbesondere gilt es zu vermeiden, dass gesetzgeberische Entscheide in politisch zum TeU umstrittenen Fragen der Produktevor-

151)

614

SR 172.021

Schriften auf Vollzugsstufe unter Berufung auf eine akute Gefährdung leichthin in Frage gestellt oder gar ausser Kraft gesetzt werden können.

243

Amtshilfe

243.1

Vorbemerkungen

Die Amtshilfe stellt ein behördliches Verfahren zur Übermittlung von Informationen im (noch) nicht strittigen Verfahren dar. Die Artikel 23 und 24 behandeln dabei die nicht staatsvertraglich geregelte Informationsübermirtlung1^2). Ferner gilt es, die Amtshilfe von der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Straf- und Verwaltungsstrafsachen zu unterscheiden, welche Gegenstand der - hier nicht speziell erfassten - Rechtshilfe bildet.

Angesichts der intensiven internationalen Verflechtung der Schweiz im Bereich des Warenverkehrs kann unser Land im Zusammenhang mit dem Vollzug von Produktevorschriften ein Interesse daran haben, Informationen etwa über einen ausländischen Hersteller, seine Produktionsverfahren oder durchgeführte Konformitätsbewertungsverfahren zu erhalten. Der Zugang zu solchen Informationen ausserhalb internationaler Abkommen wird im allgemeinen aber nur dann möglich sein, wenn die Schweiz ihrerseits bereit ist, unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Auskünfte zu erteilen. Die dafür erforderlichen landesrechtlichen Grundlagen werden mit den Artikeln 23 und 24 bereitgestellt.

243.2

Amtshilfe in der Schweiz (Art 23)

Artikel 23 regelt die Amtshilfe innerhalb der Schweiz. Diese stellt insbesondere in jenen Fällen ein Bedürfnis dar, in denen verschiedene Behörden unterschiedliche Teilaspekte ein und desselben Produktes zu untersuchen habend. Um sie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten abzusichern, gilt es, im THG eine explizite entsprechende Grundlage vorzusehen.

152) 153)

Zum staatsvertraglichen Informationsaustausch vgl. die Ziffern 223 und 237.2.

Als Beispiel seien die Schädlingsbekämpfungsmittel erwähnt, bei denen das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) die Humantoxizitäl (Giftgeset?;), die Forschungsanstalt für Obst-, Weinund Gartenbau Wädcnswil im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft die Umwelttoxizität (Umwellschutzgcsciz), wiederum das BAG die Rückstandsproblematik (Lebensmittelgesetz) sowie das Bundesamt für Landwirtschaft die Wirksamkeit der Substanz (Landwirtschaftsgeselz) beurteilen.

615

Hinsichtlich der Beschaffung und Bekanntgabe von Personendaten bleiben freilich die Bestimmungen des.BG vom 19. Juni 1992IS4> über den Datenschutz vorbehalten. Insbesondere nach dessen Artikel 19 wird dabei zu beurteilen sein, ob die Übermittlung solcher Daten zulässig ist. Im übrigen finden die hier interessierenden Vorschriften des Datenschutzgesetzes auch auf den Vollzug bundesrechtlicher Produktevorschriften durch kantonale Organe Anwendung, soweit keine kantonalen Datenschutzregelungen bestehen155).

243.3

Internationale Atntshilfe (Art 24)

Gegenstand von Artikel 24 bildet die Amtshilfe im Verhältnis zu ausländischen Stellen. Absatz Ì erteilt dem im jeweiligen Produktesektor für den Vollzug oder die Aufsicht zuständigen Bundesamt die Kompetenz, Amtshilfebegehren an das Ausland zu stellen. Absatz 2 umschreibt die Voraussetzungen, unter denen zuständige schweizerische Vollzugsorgane dem Ausland Amtshilfe gewähren können. Vorbehalten bleibt auch hier das Datenschutzgesetz156), insbesondere dessen Artikel 6 (Bekanntgabe ins Ausland), soweit es um die Übermittlung von Personendaten geht.

Zuständig für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Amtshilfe vorliegen, ist wiederum das für den Vollzug oder die Aufsicht über den Vollzug von Produktevorschriften zuständige Bundesamt. Es kann Amtshilfe gewähren, sofern die ersuchenden ausländischen Behörden an das Amtsgeheimnis gebunden sind (Bst, a) und sie die erhaltenen Informationen ausschliesslich im Zusammenhang mit dem Vollzug von Produktevorschriften verwenden (Bst. b). Dabei dürfen die schweizerischen Stellen nur solche Informationen übermitteln, die für den Vollzug der jeweils betroffenen Produktevorschriften nötig sind (Bst. c).

Schliesslich dürfen keine Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden, es sei denn, die Übermittlung der Informationen sei zum Schutz eines öffentlichen Interesses im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe b erforderlich, um eine unmittelbare und ernste Gefährdung von Menschen, Tieren oder Pflanzen abzuwenden (Bst. d). Unter diese Ausnahme kann beispielsweise die Mitteilung eines gesundheitsgefährdenden Medikaments fallen, das im Ausland unter einem anderen Namen vertrieben wird.

154) 155) 156)

616

SR 235.1 An. 37 Abs. l Daicnschul?.gcsctz Vgl. die vorangehende Ziffer

*

Dieser Auflagenkatalog soll sicherstellen, dass die durch die Schweiz dem Ausland erteilten Informationen nicht für andere Zwecke -als für den Vollzug von Produktevorschriften und nicht zum Nachteil schutzwürdiger schweizerischer Interessen verwendet werden. Dabei wird im allgemeinen auf Gegenseitigkeit zu achten sein. Von einem formellen Reziprozitätsvorbehalt wird indessen abgesehen, da hiermit die Kompetenz zur Erteilung von Amtshilfe in zu starrer Weise eingeschränkt würde.

25

Erläuterungen des 5. Kapitels

251

Vorbemerkungen

Es ist ein Merkmai der neueren Produktegesetzgebung, dass sie die Bewertung, das Kundtun und den Nachweis der Konformität vermehrt in die Eigenverantwortung derjenigen Personen legt, welche Produkte herstellen, anbieten, in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen157). Der auf diese Weise gestärkten Wirtschaftsfreiheit steht allerdings ein ebenfalls erhöhtes Missbrauchsrisiko gegenüber. Wem es nämlich gelingt, Waren zu vermarkten, die den Produktanfordenmgen nicht genügen, vermeidet in der Regel nicht unbedeutende Kosten und erwirbt sich entsprechende Konkurrenzvorteile.

Es ist deshalb notwendig, mit glaubwürdigen Strafbestimmungen der Gefahr solchen Missbrauchs zu begegnen. Die Artikel 25-28 tragen diesem Bedürfnis durch einheitliche, urkundenrechtliche Spezialstraftatbestände wie 'der Fälschung, der Falschbeurkundung, dem Erschleichen einer Falschbeurkundung sowie dem Gebrauchen unechter · und unwahrer Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- und Zulassungsbescheinigungen Rechnung. Als lex specialis gehen sie den entsprechenden allgemeinen Regeln des Strafgesetzbuches (StGB)15») vor. Produktespezifische Strafbestimmungen bezüglich anderer als durch das TOG geregelter Tatbestände bleiben indessen in vielen Fällen erforderlich, denn ein horizontales Gesetzvermag den sehr unterschiedlichen sektoriellen Bedürfnissen in dieser Hinsicht nicht gerecht zu werden.

Besonderes Merkmal der Strafbestimmungen gemäss dem THG ist ihr Strafrahmen, insbesondere die Bussenobergrenze von 200'000 Franken.

Diese soll anstelle der in Artikel '48 StGB ansonsten vorgesehenen Maximalbusse von 40'000 Franken gelten, welche in keinem angemessenen

157)

Vgl. Ziffer 113.2.b

158) SR 3U.O; insbesondere Art. 246 sowie 251 ff.

25 Bundesblatt 147. Jahrgang. Bd. II

617

Verhältnis zum wirtschaftlichen Missbrauchspotential der hier interessierenden Tatbestände steht. Auch ist zu berücksichtigen, dass Verstösse im Sinne der Artikel 25-28 angesichts der intensiven aussenwirtschaftlichen Verflechtungen unseres Landes in ihren Auswirkungen nicht auf den schweizerischen Markt allein beschränkt bleiben, sondern zahlreiche weitere Staaten betreffen können.

Die vorgeschlagene Summe lehnt sich insbesondere an den Strafrahmen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986159> über den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Auch beim UWG geht es um die Verhinderung unrichtiger oder irreführender Angaben über Waren. Zwar sieht dieses nur Bussen von maximal lOO'OOO Franken vor. Doch stellen die dort geregelten Delikte im Unterschied zum THG keine Urkundendelikte dar. Zudem liegt der Erlass jenes Gesetzes schon einige Jahre zurück.

252

Fälschungen (Art 25)

Diese Bestimmung stellt das Verhalten desjenigen unter Strafe, der zur Täuschung im Rechtsverkehr Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- oder Zulassungsbescheinigungen sowie Befunde oder Gutachten über das Vorliegen der Akkreditierungsvoraussetzungen oder der Voraussetzungen für das Anbieten, Inverkehrbringen oder Inbetriebnehmen von Produkten fälscht.

Strafrechtlich erfasst wird das widerrechtliche Herstellen einer inhaltlich zwar wahren, aber unechten Urkunde. Unecht ist eine Urkunde dann, wenn der wirkliche und der aus ihr ersichtliche Aussteller nicht identisch sind.

Es handelt sich mithin um eine Identitätstäuschung.

Dem Fälschen gleichgestellt wird die Benutzung der Unterschrift oder des Zeichens einer berechtigten Stelle oder Person zur Herstellung einer unechten Urkunde. Auch in diesem Fall ist eine Identitätstäuschung anvisiert, weist doch die solchermassen hergestellte Urkunde ebenfalls nicht auf den wirklichen Urheber als Aussteller hin. Die zu Artikel 251 StGB von der Literatur und Judikatur entwickelten Grundsätze sind analog anwendbar, Als subjektive Tatbestandsvoraussetzung verlangt Artikel 25 eine Täuschungsabsicht im Rechtsverkehr. Die angedrohte Strafe beträgt Gefängnis

159) SR241

618

*

bis zu drei Jahren (Art. 36 StGB) oder Busse bis zu 200'000 Franken.

Beide Strafarten können verbunden werden (Art. 50 Abs. 2 StGB).

253

Falschbeurkundungen und Erschleichen falscher Beurkundungen (Art 26 und 27)

Bei beiden.Bestimmungen geht es um die Verhinderung der Herstellung von zwar echten, inhaltlich aber unwahren Akkreditierungs-, Prüf-, Konfomütäts- oder Zulassungsbescheinigungen bzw. entsprechenden Befunden, Gutachten oder Zertifikaten. In Frage steht dabei also nicht die Echtheit, sondern die Wahrheit der Urkunde. Unwahr ist eine Urkunde dann, wenn der wirkliche und der beurkundete Sachverhalt nicht übereinstimmen.

Artikel 26 und 27 unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der objektiven täterschaftlichen Merkmale. Während Adressat des Artikels 26 aas- Organ einer Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- oder Zulassungsstelle (bzw.

dessen Beauftragter) ist und diese Bestimmung ihm verbietet, einen unrichtigen Befund über das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu bescheinigen, untersagt es Artikel 27 einem Dritten, ein solches Organ mittels Täuschung zur Bescheinigung eines unrichtigen Befundes zu , veranlassen. Die von der Doktrin und der Praxis entwickelten Grundsätze zu Artikel 251 StGB sind wiederum analog anwendbar.

Bezüglich Strarmass wird auf die Ausführungen zu Artikel 25 THG verwiesen.

254

Gebrauch von unechten oder unwahren Bescheinigungen (Art 28)

Artikel 28 stellt sodann das, Verhalten derjenigen Person unter Strafe, die nicht selber eine Fälschung, Falschbeurkundung oder Erschleichung einer falschen Beurkundung begeht, sondern unechte oder unwahre Bescheinigungen, Berichte oder Zertifikate gebraucht oder gebrauchen lässt. Der Unrechtsgehalt dieses Verhaltens ist nicht geringer einzustufen als beim Fälschen oder Falschbeurkunden selber, weil das geschützte Rechtsgut in allen Fällen das gleiche ist, nämlich die Sicherheit im Rechtsverkehr. Aus diesem Grund rechtfertigt sich für Artikel 28 die gleiche Strafandrohung wie für die Artikel 25-27.

Eine Konkurrenzfrage- stellt sich dann, wenn ein und derselbe Täter die unechte oder unwahre Urkunde zunächst herstellt oder herstellen lässt und

619

dann auch noch gebraucht. Mit der herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass die Verwendung des Falsifikates durch den Fälscher selber als mitbestrafte Nachtat zu qualifizieren ist.

255

Ausländische Urkunden (Art 29)

Im Interesse der Rechtssicherheit soll mit dieser Bestimmung klargestellt werden, dass nicht nur schweizerische, sondern auch ausländische Urkunden Gegenstand der Artikel 25-28 bilden können. Damit soll eine Privilegierung desjenigen Täters ausgeschlossen werden, der ausländische Bescheinigungen, Berichte oder Zertifikate fälscht, falsch beurkunden lässt, verwendet oder gebraucht.

256

.

Unberechtigtes Ausstellen von Konformitätserklärungen, unberechtigtes Anbringen und Verwenden von Konformitätszeichen (Art 30)

Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass Konformitätserklärungen zu Produkten ausgestellt oder Konformitätszeichen an Produkten angebracht werden, ohne dass die Produkte die technischen Vorschriften erfüllen. Auf diese Weise soll darauf hingewirkt werden, dass keine Produkte in Verkehr gelangen, die nicht vorschriftskonform sind, Artikel 30 stellt kein Urkundendelikt dar. Daher sieht das Gesetz eine im Vergleich zu den Artikeln 25-28 THG geringere Strafe von Gefängnis bis zu drei Jahren oder Busse bis zu 100*000 Franken vor. Eine Busse in dieser Grössenordnung scheint allerdings notwendig, um dem als Folge der Eigenverantwortung des Herstellers entstehenden Missbrauchsrisiko beim Inverkehrbringen von Produkten zu begegnen.

257

Unrechtmässige Vermögensvorteile (Art 31)

Dieser Vorschrift kommt rein deklaratorische Bedeutung zu. Sie beinhaltet nichts, was nicht schon aufgrund von Artikel 58 StGB gilt. Wiederum im Sinne der Rechtssicherheit sowie zu Präventionszwecken scheint es jedoch angezeigt, über die Frage der Einziehung des widerrechtlichen Gewinns keinen Zweifel aufkommen zu lassen.

620

258

Strafverfolgung (Art 32)

Die Verfolgung von Delikten nach diesem Gesetz fällt gemäss Artikel 32 in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Aufgrund von Artikel 2 vorbehalten bleiben allerdings Gesetzesvorschriften des Bundesrechts, welche etwas anderes bestimmen. Hierzu gehören namentlich auch diejenigen des BG vom 22. März 1974160> über das Verwaltungsstrafrecht. Dieses findet grundsätzlich soweit Anwendung, als die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen durch die Spezialgesetzgebung einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen worden ist161).

26

Erläuterungen des 6. Kapitels

261

Ausführungsvorschriften, Referendum und Inkrafttreten (Art 33 und 34)

Neue horizontale Verordnungen sind unter dem vorgeschlagenen Gesetz im gegenwärtigen Zeitpunkt keine vorgesehen. Auf der Grundlage der Artikel 10, 12, 13 und 17 werden diesbezüglich bloss einzelne Änderungen oder Ergänzungen der bereits bestehenden "Notifikationsverordnung"162) sowie der "Verordnung über das schweizerische Akkreditierangssystem"163) erforderlich sein. Gleichzeitig und vor allem dienen die Bestimmungen des 3. Kapitels des THG allerdings in verschiedener Hinsicht als (subsidiäre) gesetzliche Basis, um Ausführungsvorschriften in den einzelnen sektoriellen Bereichen zu erlassen. Hier kann erst die künftige Praxis weisen, inwiefern der Verordnungsgeber von ihr Gebrauch machen wird. ..

Wie ferner Artikel 34 festhält, untersteht das vorgeschlagene Gesetz im Falle seiner Annahme durch das Parlament dem fakultativen Referendum (Abs. 1). Absatz 2 ermächtigt den Bundesrat dazu, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des THG festzulegen.

262

Änderungen bisherigen Rechts

Für das THG als horizontaler Rahmenerlass ist es zum einen wesentlich, das rechtliche Verhältnis zur übrigen Bundesgesetzgebung, namentlich 160)

SR 313.0

161) BG aber das Verwaltungsslrafrecht, Art. l 162) 163)

SR 632.32; vgl. Ziffer 223 SR 941.291; vgl. Ziffer 233

jenes betreffend die einzelnen Produktesektoren, zu regeln. Es soll im Konfliktfall zwischen zwei Regelungen möglichst klar sein, welche von ihnen vorgeht. Mit diesen Fragen des Geltungsvorrangs befasst sich Artikel 2, und für die Einzelheiten kann auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden iw).

Zum anderen geht es darum, wie Rahmenerlass und sektorielle Gesetzgebung in materieller Hinsicht aufeinander abgestimmt werden können, oder konkreter ausgedrückt: auf welchem Wege eine kohärente, national und international möglichst gut abgestimmte staatliche Produkteordnung zu erreichen sei, Schwergewicht bildet hier das 2. Kapitel des THG, und im speziellen dessen Artikel 5. Danach ist in Zukunft bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von sektoriellen Produktevorschriften - vor allem auf Verordnungs stufe - grundsätzlich auf eine optimale internationale Kompatibilität derselben hinzuwirken165). Ebenso werden dabei - soweit sinnvoll und möglich - allfällige inhaltliche oder formelle Unstimmigkeiten gegenüber dem THG, beispielsweise in Bezug auf Begriffe oder divergierende Strafmasse, zu beheben sein.

Gleichzeitige Anpassungen von Bundesgesetzen an das THG im Rahmen des Anhanges bleiben demgegenüber aus Gründen, welche bereits dargelegt worden sind1^), auf solche Vorschriften beschränkt, welche ohne eine Modifikation die zukünftige Verwirklichung des neuen Rahmengesetzes unmittelbar behindern oder vereiteln könnten. Wie diesbezügliche Abklärungen ergeben haben, befindet sich ein Grossteil der dabei interessierenden Regelungen bereits in Revision, bzw. stehen entsprechende Arbeiten bevor. Es handelt sich um folgende Erlasse und Vorschriften: - BB für eine sparsame und rationelle Energienutzung167): Der geltende Energienutzungsbeschluss soll durch ein neues Energiegesetz abgelöst werden. Zur Abstimmung auf das THG ist dabei einerseits die Regelung von Artikel 3 zu revidieren, welche in Bezug auf die möglichen Konformitätsbewertungsverfahren zu eng gefasst ist. Anderseits sieht Artikel 14 weitgehende Vorbehalte zugunsten kantonaler Massnahmen oder Anforderungen vor. Diesbezüglich gilt es sicherzustellen, dass auf kantonaler Ebene künftig nicht neue ungerechtfertigte technische Handelshemmnisse entstehen.

164) 165) 166) 167)

622

Vgl. Ziffer 212 Vgl. Ziffer 222.2 VgL Ziffer 153 SR 730.0

- Eisenbahngesetz168): Artikel 18 des Eisenbahngesetzes sieht eine formelle Genehmigungspflicht hinsichtlich von Planen zur Herstellung namentlich von Fahrzeugen vor. Es ist geplant, dieses potentiell handelshemmende Marktzutrittserfordernis im laufenden Revisionsverfahren aufzuheben.

- Fernmeldegesetz169): Die im Gesetz verankerte Zulassungspflicht fUr Teilnehmeranlagen (Art.

34) konnte sich als technisches Handelshemmnis auswirken. Sie bedarf, wie auch die Bestimmung iiber die Zulassungsvoraussetzungen (Art. 36), im Rahmen der bevorstehenden Revision des Fernmeldegesetzes einer Anpassung an die Grundsatze des THG.

- BG tiber den Verkehr mit Giften170): Das geltende Giftgesetz aus dem Jahr 1969 entha'lt zahlreiche Bestimmungen insbesondere tiber die Beurteilung, Klassierung und Kennzeichnung von Chemikalien, welche im vorliegenden Bereich kein international kompatibles, schweizerisches Produkteregime erlauben. Mit einer Totalrevision, welche der Bundesrat im Rahmen seines Aktionsprogramms voni 30. Juni 1993 in Auftrag gegeben hat, soil dieser Missstand behoben werden.

- BG tiber das Messwesen171): Die Artikel J Buchstabe c, 9 sowie 17 Buchstabe d dieses Erlasses ' beruhen auf dem Konzept einer nationalen Zulassung fur Messmittel.

Eine solche muss sich indessen gegeniiber der sich abzeichnenden, auf der sogenannten "Neuen Konzeption"172) beruhenden Regelung der Europalscheh Union als erhebliches Handelshemmnis auswirken.

Entsprechende Anpassungen sollen erfolgen, sobald die neuen europa'ischen Vorschriften feststehen,

- BG iiber die Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen und Edelmetallwaren173): Ahnliches wie im Falle der Zulassung von Messmitteln gilt auch beztiglich der in Artikel 13 des BG iiber die Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen und Edelmetallwaren vorgesehenen "amtlichen Priifung".

168) 169} 170) HI) 172) 173)

SR 742.101 ' SR 784.10 SR 814.80 SR94UO Vgl.Ziffer113.2.b SR 941.31

623

Wie dort soll allerdings das Ergebnis der diesbezüglichen Gesetzgebungsbemühungen in der EU abgewartet werden, ehe die Anpassung im Sinne des THG vorzunehmen ist.

- BG über explosionsgefährliche Stoffe174): Bei diesem, bereits in Revision befindlichen Erlass sind die Bewilligungspflichten beim Import und Vertrieb so auszugestalten, dass sie den grenzüberschreitenden Verkehr - vor allem von Produkten zur industriellen Verwendung - nicht im vornherein ungerechtfertigt behindern.

Drei Änderungen von Bundesgesetzen werden jedoch bereits im Rahmen des THG vorgeschlagen: Im GeschäftsverkehrsgesetzW) soll unter Artikel 43 Absatz 3 ein neuer Buchstabe f aufgenommen werden. Dieser verpflichtet den Bundesrat, in Botschaften und Berichten, welche Produktevorschriften betreffen, die Übereinstimmung mit den Grundsätzen über die Rechtsetzung (Art. 5-7) des THG darzustellen. Die Verpflichtung von Artikel 4 THG findet so eine folgerichtige Ergänzung.

Zweck der Änderung von Artikel 40 des BG über den Umweltschutz (t/SG)176) ist es, durch eine offenere Formulierung international kompatible Regelungen der Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- und Zulassungsverfahren sowie von Kennzeichnungen auf Verordnungsstufe zu ermöglichen. Bisher hatte sich die Ermächtigung zugunsten des Bundesrats auf Typenprüfungen und Kennzeichnungen beschränkt. Zu verdeutlichen ist, dass die Kennzeichnung das Anbringen eines Konformitätszeichens mit einschliesst und der Begriff der Konformitätsbewertung auch die Typenprüfimg umfasst. Bei den Änderungen der Artikel 41 Absatz l sowie 47 Absatz 2 USG handelt es sich um redaktionelle Anpassungen an den neuen Artikel 40.

Die Korrekturen der Artikel 3 Absatz 4 sowie 20 Absatz l des neuen Lefaensmittelgesetzes1^) schliesslich sind rein terminologischer Natur. Es handelt sich darum, auf Gesetzesstufe den Ausdruck "Zutaten" auf die Regelung in der EU abzustimmen. Denn anders als im bisher geltenden schweizerischen Recht fallen dort Zusatzstoffe ebenfalls unter den Zutatenbegriff. Im Ergebnis mussten Etiketten von in die Schweiz importierten

174) 175) 176) 177)

624

SR 941.41 SR 171.11 SR 814.01 BBl 1992 VI117

"*

Lebensmitteln in diesem Punkt stets angepasst werden, was ein unnötiges technisches Handelshemmnis darstellt.

Verzichtet werden musste dagegen auf die ursprünglich vorgesehene . Harmonisierung zwischen dem THG und der sektoriellen Produktegesetzgebung im Bereich der Siafbestimmungen, insbesondere der zum Teil erheblich voneinander abweichenden Strafmasse. Eine solche Koordination hätte auch die Anpassung des übrigen, in den betreffenden Erlassen enthalten, nicht THG-relevanten Nebenstrafrechts bedingt, was dem Rahmen des vorliegenden Gesetzes in keiner Weise angemessen gewesen wäre. Immemin wird bei künftigen, umfassenderen Revisionen sektorieller Produkteregelungen darauf zu achten zu sein, auch die jeweiligen Strafrahmen wieder näher an die heutigen, veränderten Verhältnisse heranzuführen.

3

Personelle und finanzielle Auswirkungen

Der Gesetzesentwurf löst unmittelbar keine neuen personellen und finanziellen Verpflichtungen aus. Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Gesetzgebung und dem Vollzug im Bereich der Produktevorschriften sind und bleiben Sache der im betreffenden Bereich zuständigen Behörden.

Diesen obliegt es auch, für die Bereitstellung der dafür erforderlichen Ressourcen zu sorgen.

Als Rahmenerlass beschränkt sich das THG im wesentlichen darauf, einerseits Prinzipien hinsichtlich der Vorbereitung, des Erlasses und des Vollzugs von Produktevorschriften festzulegen. Anderseits stellt es Grundlagen zur Regelung verschiedener Bedürfnisse auf Verordnungsstufe bereit. Dazu gehören auch die beiden erwähnten Verordnungen über die Notifikation von technischen Vorschriften'und über das schweizerische Akkreditierungssystem.

Es liegt jedoch in der Natur eines Rahmenerlasses, dass die zukünftigen Auswirkungen auf die sektorielle Gesetzgebung nicht in jeder Hinsicht abschätzbar sind. Insbesondere ist es heute nicht möglich, eine Quantifizierung der mittel- bis längerfristig in den verschiedenen Produktebereichen benötigten personellen und finanziellen Ressourcen vorzunehmen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die weitere Entwicklung der technischen Gesetzgebung auf internationaler Ebene nicht verlässlich voraussehbar ist.

Zwar lässt sich nicht ausschliessen, dass in Zukunft in einzelnen Bereichen vor allem für die nachträgliche Kontrolle der auf dem Markt befindlichen Erzeugnisse ein gewisser Mehraufwand erforderlich werden könnte.

Doch verstärkt die Vorlage auch wichtige Tendenzen, welche in eine andere

625

Richtung weisen. Hierbei ist von Bedeutung, dass infolge der Abstimmung unserer Produktevorschriften auf diejenigen unserer wichtigsten Handelspartner, namentlich der Europäischen Union, die Einführung von Qualitätssicherungssystemen in den Unternehmungen nachhaltig gefördert wird.

Denn Hersteller, welche sich über ein solches System ausweisen können, erlangen in zahlreichen Fällen die Möglichkeit, den für den Marktzutritt erforderlichen Konformitätsnachweis selbst zu erbringen. Zusammen mit den Sanktionsandrohungen des THG und der 1994 eingeführten neuen schweizerischen Produktehaftpfiichtgesetzgebung dürfte das Risiko, dass nicht konforme Produkte überhaupt auf den Markt gelangen, mithin erheblich sinken. Dies sollte letztlich auch zu einer Vereinfachung bzw. Reduktion der Marktüberwachungsaufgaben und der damit verbundenen Kosten führen.

Was die Finanzierung der Bundesbeiträge gemäss der "Notifikationsverordnung" (Art. 13, 15 und 17 Abs. 2) sowie die Beteiligung der Schweiz an der internationalen Normung im Rahmen des EFTA-Budgets betrifft178), so verursacht der Entwurf keine neuen Verpflichtungen. Er schafft lediglich eine explizite innerstaatliche Grundlage auf Gesetzesstufe zur Weiterführung der bereits bisher - allerdings hauptsächlich auf Staatsvertragsrecht abgestützt - erbrachten Leistungen. Dasselbe gilt schliesslich auch bezüglich des schweizerischen Akkreditierungssystems, welches seit dem Jahre 1991 nach Massgabe der betreffenden Verordnung betrieben wird1"^).

4

Legislaturplanung

Die Politik der Legislaturperiode 1991-1995 steht unter der Leitidee 'Öftung nach aussen - Reformen im Innern'. Nach dem ablehnenden Volksentscheid vom 6. Dezember 1992 hat der Bundesrat in der Botschaft vom 24. Februar 1993 über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens (BB1 7993 I 829 ff.) das weitere Vorgehen vorgestellt und diese Vorlage angekündigt (vgl. auch den Bericht des Bundesrates vom 13. Juni 1994 über weitere Reformen im Zeichen der marktwirtschaftlichen Erneuerung, BEI 1994 m 1374).

178) 179)

026

Vgl. Ziffer 234 Vgl. Ziffer 233



5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das neuere Recht der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes im Bereich der Produktevorschriften stellt für die beteiligten Staaten einen markanten Fortschritt in den Bemühungen uni eine Vermeidung und einen Abbau technischer Handelshemmnisse dar180). Nachdem die Schweiz diesem Wirtschaftsraum nicht angehört, ist es für sie wesentlich, sich innerstaatlich die rechtlichen Mittel zu geben, um durch autonome wie staatsvertragliche Massnahmen gleichwohl möglichst weitgehend an den dort erzielten Fortschritten partizipieren zu können.

Sowohl das Massnahmenprogramm des Bundesrates für den Bereich der Produktevorschriften im allgemeinen18') als auch das vorgeschlagene Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse im besonderen sind auf das Ziel ausgerichtet, eine maximale internationale Kompatibilität der schweizerischen technischen Vorschriften herbeizuführen. Die Abstimmung auf das diesbezügliche Recht des Europäischen Wirtschaftsraumes steht dabei klar im Vordergrund.

6

Verfassungsmässigkeit

Das vorliegende Gesetz stützt sich innerstaatlich auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten, auf Artikel 31b's, Absätze l und 2, sowie auf Artikel 64bis der Bundesverfassung.

Gemäss Lehre und Praxis verfügt der Bund neben seiner Kompetenz, mit anderen Staaten völkerrechtliche Verträge abzuschliessen, über eine in der Bundesverfassung implizit enthaltene Zuständigkeit in auswärtigen Angelegenheiten. Auf dieser Grundlage ist er unter anderem ermächtigt, Bundesgesetze zu erlassen, welche die grenzüberschreitenden Beziehungen betreffen. Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Bestimmungen dienen der Wahrung der aussenwirtschaftspolitischen Interessen der Schweiz auf dem Gebiet der Produktevorschriften. Sie sollen dazu beitragen, die internationale Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft unseres Landes zu wahren und zu stärken. In diesem Zusammenhang weisen wir auch darauf hin, dass das THG in Ausführung verschiedener internationaler Abkommen ergehen soll. Unter ihnen steht, von seinem sachlichen und territorialen Geltungsbereich her, das GATT-Übereinkommen über technische Handels-

180) Vgl. Ziffer 113.2.b 181} Vgl. Ziffer 132

627

Hemmnisse aus dem Jahre 1979 im Vordergrund182). Es ist im Rahmen der im April 1994 abgeschlossenen sog. Uruguay-Runde des GATT leicht überarbeitet und durch das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen ergänzt worden.

Artikel 31bis, Absätze l und 2, der Bundesverfassung vermittelt dem Bund nach herrschender Lehre grundsätzlich eine umfassende Kompetenz, Fragen namentlich in Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Produkten durch private Wirtschaftssubjekte unter polizeilichen Aspekten zu regeln18). Daneben sind entsprechende Befugnisse in mehreren Verfassungsbestimmungen enthalten, welche sich nur auf gewisse Produktebereiche oder -sektoren beziehen (z.B. Art. 69bis BV für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände). Das vorliegende Gesetz befasst sich mit solchen Fragen in einer horizontalen, produktebereichsübergreifenden Sichtweise. Artikel 64bis BV schliesslich bildet die Grundlage für die im Entwurf enthaltenen strafrechtlichen Bestimmungen.

7409

182)

SR 0.632.231.41

183)

Vgl. z.B. Rhinow, Rcn6 A.. Kommenlar BV zu Art. 31bis, Rz. 37 ff., mit weiteren Hinweisen.

628

Bundesgesetz

Entwurf

über die technischen Handelshemmnisse

(THG) vom Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten sowie Artikel 3 lbu Absätze l und 2 und Artikel 64bis der Bundesverfassung, in Anwendung des Übereinkommens vom 4. Januar 19601J zur Errichtung der Europäischen Freihandeis-Assoziation (EFTA) und seines Anhanges H, in Anwendung des Abkommens vom 22. Juli 1972 2> zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in Anwendung des GATT-Übereinkommens vom 12. April 19793) über technische Handelshemmnisse, in Anwendung des Übereinkommens vom 15. Juni 1988 4> zwischen den EFTAStaaten über die gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen und Konformitätsnachweisen, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 15. Februar 19955\ beschüesst:

1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe Art. l Zweck und Gegenstand 1 Dieses Gesetz schafft einheitliche Grundlagen, damit im Regelungsbereich des Bundes technische Handelshemmnisse vermieden, beseitigt oder abgebaut werden.

2 Es enthält insbesondere; "' ' a. Grundsätze für die Vorbereitung, den Erlass und die Änderung von technischen Vorschriften; b. Kompetenzen und Aufgaben des Bundesrates; c. allgemeine Rechte und Pflichten der Betroffenen sowie allgemein anwendbare Strafbestimmungen.

Art. 2

Geltungsbereich

1

Dieses Gesetz gilt für alle Bereiche, in denen der Bund technische Vorschriften aufstellt.

» SR 0.632.31 SR 0.632.401 SR 0.632.231.41 SR 0.941.293 > BB11995 II 521

2 > 3 > 4 > s

27 Bundesblatt 147. Jahrgang. Bd. II

629

Technische Handelsheramnisse. BG

2

Es findet Anwendung, soweit nicht andere Bundesgesetze, allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse oder internationale Abkommen abweichende oder weitergehende Bestimmungen enthalten.

3 Die Artikel 3 und 21 gelten, soweit nicht andere Bundesvorschriften etwas Abweichendes regeln.

Art3 Begriffe Im Sinne dieses Gesetzes gelten als: a. technische Handelshemmnisse: Behinderungen des grenzüberschreitenden Verkehrs von Produkten aufgrund unterschiedlicher technischer Vorschriften oder Nonnen, aufgrund der unterschiedlichen Anwendung solcher Vorschriften oder Normen oder aufgrund der Nichtanerkennung insbesondere von Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen; b. technische Vorschriften: rechtsverbindliche Regeln, deren Einhaltung die Voraussetzung bildet, damit Produkte angeboten, in Verkehr gebracht, in Betrieb genommen, verwendet oder entsorgt werden dürfen, insbesondere Regeln hinsichtlich: 1. der Beschaffenheit, der Eigenschaften, der Verpackung, der Beschriftung oder des Konformitätszeichens von Produkten, 2. der Herstellung, des Transportes oder der Lagerung von Produkten, 3. der Prüfung, der Konformitätsbewertung, der Anmeldung, der Zulassung oder des Verfahrens zur Erlangung des Konformitätszeichens; c. technische Normen: nicht rechtsverbindliche, durch normenschaffende Organisationen aufgestellte Regeln, Leitlinien oder Merkmale, welche insbesondere die Herstellung, die Beschaffenheit, die Eigenschaften, die Verpackung oder die Beschriftung von Produkten oder die Prüfung oder die Konformitätsbewertung betreffen; d. Inverkehrbringen: die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Überlassung eines Produkts; e. Inbetriebnahme: die erstmalige Verwendung eines Produkts durch Endbenutzer, f. Prüfimg: der Vorgang zur Bestimmung bestimmter Merkmale eines Produkts nach einem festgelegten Verfahren; .

g. Konformität: die Erfüllung technischer Vorschriften oder Normen durch das einzelne Produkt; h. Konformitätsbewertung: die systematische Untersuchung des Ausmasses, in dem Produkte oder die Bedingungen, unter denen sie hergestellt, transportiert oder gelagert werden, technische Vorschriften oder Normen erfüllen; i. Konformitätsbescheinigung: das von einer Konformitätsbewertungsstelle ausgestellte Dokument, mit dem die Konformität erklärt wird; k. Konformitätserklärung: das durch die für die Konformität verantwortliche Person ausgestellte Dokument, mit dem die Konformität erklärt wird;

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Technische Handelshemmnisse. BG

1.

Konformitätszeichen: das staatlich festgelegte oder anerkannte Zeichen oder die staatlich festgelegte oder anerkannte Bezeichnung, womit die Konformität angezeigt wird; m. Anmeldung: die Hinterlegung der für das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme oder die Verwendung von Produkten erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Behörde; n. Zulassung: die Bewilligung,'Produkte zum angegebenen Zweck oder unter den angegebenen Bedingungen anzubieten, in Verkehr zu bringen, in Betrieb zu nehmen oder zu verwenden; 0. Akkreditierung: die formelle Anerkennung der Kompetenz einer Stelle, bestimmte Prüfungen oder Konformitätsbewertungen durchzuführen; p. nachträgliche Kontrolle: die hoheitliche Tätigkeit von Kontrollorganen zur Durchsetzung der Konformität angebotener, in Verkehr gebrachter oder in Betrieb genommener Produkte mit technischen Vorschriften.

2. Kapitel: Rechtsetzung im Bereich der technischen Vorschriften 1. Abschnitt: Grundsätze Art. 4

Beachtung von Grundsätzen

Bundesrat und Bundesverwaltung beachten bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von technischen Vorschriften die Grundsätze dieses Abschnitts.

Art, 5

Ausgestaltung der technischen Vorschriften irr allgemeinen

1

Technische Vorschriften werden so ausgestaltet, dass sie sich möglichst wenig als technische Handelshemmnisse auswirken.

2 Sie werden zu diesem Zweck in der Regel auf die technischen Vorschriften der wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgestimmt.

3

Abweichungen vom Grundsatz nach Absatz l sind nur zulässig, soweit: a. überwiegende öffentliche Interessen sie erfordern; und b. sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels darstellen.

4 Interessen nach Absatz 3 Buchstabe a sind namentlich der Schutz: a. der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit; b. der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen;

c. der natürlichen Umwelt; d. der Sicherheit am Arbeitsplatz; e. der Konsumenten und der Lauterkeit des Handelsverkehrs; f. des nationalen Kulturgutes; g. · des Eigentums.

631

Technische Handelshemmnisse. BG

Art 6 Ausgestaltung der technischen Vorschriften hinsichtlich der Verfahren 1 Soweit Artikel 5. nicht etwas Abweichendes erfordert, werden in der Regel: a. zur Konformitätsbewertung mehrere Verfahrenstypen zur Wahl gestellt, wobei mindestens bei einem dieser Verfahrenstypen die Person, welche das Produkt herstellt, die Möglichkeit haben soll, die Konformitütsbewertung selbst vorzunehmen; b. Prüfungen und Konformità'tsbewertungen durch Dritte, soweit sie eine Voraussetzung für das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, die Verwendung oder die Entsorgung von Produkten bilden, als privatrechtliche Tätigkeiten vorgesehen.

2

Sind für bestimmte Produkte verschiedene Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen vorgeschrieben oder mehrere Behörden zuständig, so ist sicherzustellen, dass die Verfahren und Zuständigkeiten koordiniert werden.

Art 7 Internationale Information und Konsultation Im Rahmen von internationalen Abkommen werden: a. Entwürfe von technischen Vorschriften zur Information und Konsultation unterbreitet; b. Texte angenommener technischer Vorschriften mitgeteilt.

2. Abschnitt: Periodische Beurteilung Art. 8 1 Der Bundesrat überprüft periodisch, mindestens alle sechs Jahre, ob die technischen Vorschriften den Grundsätzen der Artikel 5 und 6 entsprechen.

2 Er berichtet den eidgenössischen Räten Über das Ergebnis der Überprüfung. Er beantragt, wenn nötig, die Änderung oder Aufhebung von Erlassen der Bundesversammlung und sorgt für die Änderung oder Aufhebung von Verordnungen. Dabei berücksichtigt er die Entwicklungen auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und Normen im In- und Ausland.

3 Er berichtet auch über die Anwendung von Artikel 7.

4 Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erarbeitet gemeinsam mit den zuständigen Departementen den Bericht und stellt dem Bundesrat Antrag über ein entsprechendes Massnahmenprogramm.

3. Kapitel: Kompetenzen und Aufgaben des Bundesrates 1. Abschnitt: Prüfung, Konformitätsbewertung, Anmeldung, Zulassung, Konformitätszeichen Art 9 Verfahren Der Bundesrat kann Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- und Zulassungsverfahren festlegen.

632

Technische Handelshemmnisse. BG

Art. 10 Stellen Der Bundesrat kann die Anforderungen festlegen, welche Stellen erfüllen müssen, die Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- oder Zulassungsverfahren durchführen.

Art 11 Konformitätszeichen 1 Der Bundesrat kann Zeichen festlegen, welche die Konformität anzeigen, und die betreffenden Verfahren regeln.

2 Er kann Vorschriften erlassen, um solche Zeichen vor Verwechslung und Missbrauch zu schützen.

2. Abschnitt: Akkreditierung Art. 12 1 Der Bundesrat schafft unter Berücksichtigung international festgelegter Anforderungen ein schweizerisches System zur Akkreditierung von Stellen, welche Produkte prüfen oder deren Konformität bewerten oder gleichartige Tätigkeiten hinsichtlich Personen, Dienstleistungen oder Verfahren wahrnehmen.

2

Er bestimmt insbesondere:

a.

die Behörde, welche für die Erteilung von Akkreditierungen zuständig ist;

b.

c.

die Anforderungen und das Verfahren der Akkreditierung; die Rechtsstellung akkreditierter Stellen und die Rechtswirkungen ihrer Tätigkeit.

3. Abschnitt: Normung Art. 13 Der Bundesrat oder die von ihm bezeichnete Behörde kann im Hinblick auf die Erarbeitung von technischen Normen, auf die in technischen Vorschriften verwiesen wird oder verwiesen werden soll: a. beschliessen, dass sich die Schweiz finanziell oder auf andere Weise an Normungsaufträgen beteiligt, welche internationalen Normungsorganisationen erteilt werden;

b.

nationale Normungsorganisationen beauftragen, die schweizerischen Interessen in den Lenkungsgremien internationaler Normungsorganisationen wahrzunehmen, und dafür eine Abgeltung vorsehen,

4. Abschnitt: Technische Vorschriften anderer Staaten ' Art 14 Verlangt ein anderer Staat für einzuführende Produkte eine Bestätigung des Ausfuhrstaates, dass die technischen Vorschriften des Einfuhrstaates erfüllt sind, so kann der Bundesrat Vorschriften über die Erteilung solcher Bestätigungen erlassen.

633

Technische Handelshenunnisse, BG

5. Abschnitt: Auskünfte stell e Art. 15 1

Der Bundesrat sorgt für die Schaffung und den Betrieb einer nationalen Auskunftsstelle für technische Vorschriften und Normen.

2

Er kann die Schaffung und den Betrieb der Auskunftsstelle Privaten Übertragen und dafür eine Abgeltung vorsehen.

6. Abschnitt: Internationale Abkommen

Art. 16 Abschluss 1 Zur Vermeidung, zur Beseitigung oder zum Abbau von technischen Handelshemmnissen kann der Bundesrat internationale Abkommen schliessen, namentlich üben a. die Anerkennung von Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- und Zulassungsstellen; b. die Anerkennung von Prüfungen, Konformitütsbewertungen, Anmeldungen und Zulassungen; c.

d.

e.

f.

die Anerkennung von Konformitätszeichen; die Anerkennung von Akkreditierungssystemen und akkreditierten Stellen; die Erteilung von Normungsaufträgen an internationale Normungsorganisationen, soweit in technischen Vorschriften auf bestimmte technische Normen verwiesen wird oder verwiesen werden soll; die Information und Konsultation bezüglich Vorbereitung, Erlass, Änderung und Anwendung von technischen Vorschriften oder Normen.

2

Der Bundesrat kann auch internationale Abkommen schliessen, welche die Information und Konsultation bezüglich Vorbereitung, Erlass und Änderung von technischen Vorschriften der Kantone betreffen.

Art. 17 Durchführung 1 Zur Durchführung von internationalen Abkommen über Gegenstände im Sinne von Artikel 16 erlässt der Bundesrat die erforderlichen Vorschriften.

2

Er kann Aufgaben im Zusammenhang mit der Information und der Konsultation bezüglich Vorbereitung, Erlass und Änderung von technischen Vorschriften oder Normen Privaten übertragen und dafür eine Abgeltung vorsehen.

7. Abschnitt: Gebühren Art 18 1

Stellen, welche Vollzugsaufgaben aufgrund dieses Gesetzes oder anderer Erlasse im Bereich der technischen Vorschriften wahrnehmen, können Gebühren erheben.

2 Der Bundesrat erlässt die Gebührenvorschriften. Er kann diese Kompetenz für einzelne Produktebereiche dem zuständigen Departement übertragen.

634

Technische Handelshemmnisse. BG

4. Kapitel: Rechte und Pflichten der Betroffenen 1. Abschnitt: Nachweis der Konformität Art 19 Grundsatz 1 Ist der Nachweis der Konformität vorgeschrieben, muss dieser durch diejenige ' Person erbracht werden können, welche das Produkt anbietet, in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt.

2 Diejenige Person, welche das Produkt anbietet, in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt, ist aber vom Nachweis der Konformität entlastet, soweit: a. der Nachweis bei Produkten, die ohne Veränderung mehrmals in Verkehr gebracht werden, von einem vorangehenden Inverkehrbringer erbracht werden kann; ' ' b. sie bei serienmässig hergestellten Produkten die Serienidentität nachweisen kann und davon ausgehen darf, dass Produkte aus derselben Serie bereits, rechtmassig in Verkehr gebracht worden sind.

Art 20 Nachweis von Prüfungen und Konformitätsbewertungen 1 Ist eine Prüfung oder eine Konformitätsbewertung durch Dritte vorgeschrieben, so gilt als Nachweis hierfür der Prüfbericht oder die Konformitätsbescheinigung einer Stelle, welche für den betreffenden Fachbereich: a. in der Schweiz akkreditiert ist; b. durch die Schweiz im Rahmen eines internationalen Abkommens anerkannt ist; oder c. nach schweizerischem Recht auf andere Weise ermächtigt oder anerkannt ist.

2 Der Prüfbericht oder die Konformitätsbescheinigung einer ausländischen Stelle, die nicht nach Absatz l anerkannt ist, gilt nur als Nachweis, wenn glaubhaft dargelegt werden kann, dass: a. die angewandten Prüf- oder Konformitätsbewertungsverfahren den schweizerischen Anforderungen genügen; und b. die ausländische Stelle über eine gleichwertige Qualifikation wie die in der Schweiz geforderte verfügt.

3 Das Bundesamt für Aussenwirtschaft kann, im Einvernehmen mit dem im betreffenden Bereich zuständigen Bundesamt, verordnen, dass Prüfberichte oder Konformitätsbescheinigungen nicht als Nachweise im Sinne von Absatz 2 gelten, wenn geeignete schweizerische Stellen oder von diesen ausgestellte Prüfberichte oder Konformitätsbescheinigungen im Staat der ausländischen Stelle nicht anerkannt werden. Dabei sind die gesamt- und aussenwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu berücksichtigen.

2. Abschnitt: Nachträgliche Kontrolle (Marktüberwachung) Art 21 Befugnisse der Kontrollorgane 1 Die aufgrund der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen für die nachträgliche Kontrolle zuständigen Organe können die erforderlichen Nachweise und Informationen verlangen, Muster erheben, Prüfungen veranlassen und während der üblichen

635

Technische Handclshemmnisse. BG Arbeitszeit die Geschäftsräume ausweispflichtiger Personen betreten und besichtigen.

2

Die zuständigen Stellen sind berechtigt, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, wenn: a. die verlangten Nachweise, Informationen oder Muster nicht innert angemessener Frist zur Verfügung gestellt werden; b. ein Produkt den technischen Vorschriften nicht entspricht; oder c. begründeter Verdacht besteht, dass von einem Produkt, das den technischen Vorschriften entspricht, eine unmittelbare und ernste Gefährdung Öffentlicher Interessen im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 ausgeht.

3

In schwerwiegenden Fällen kann das zuständige Bundesamt das weitere Anbieten, Inverkehrbringen oder Inbetriebnahmen verbieten oder den Rückruf von in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkten anordnen.

Art 22 Ausübung der Kontrolle 1 Massnahmen der für die nachträgliche Kontrolle zuständigen Organe müssen das ÄÜsmass der von den betroffenen Produkten ausgehenden Gefährdung berücksichtigen und dürfen die Verkehrsfähigkeit oder die Verwendung dieser Produkte nicht unnötig einschränken, 2

Massnahmen im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe c müssen dem zuständigen Bundesamt gemeldet und durch dieses innerhalb eines Monats bestätigt werden, andernfalls sie dahinfallen. Bestätigt das Bundesamt eine Massnahme, leitet es unverzüglich die Anpassung der technischen Vorschriften ein.

3. Abschnitt: Amtshilfe Art. 23 Amtshilfe in der Schweiz Die zuständigen Stellen des Bundes und der Kantone können einander Auskünfte und Unterlagen übermitteln, soweit dies für den Vollzug von technischen Vorschriften notwendig ist.

Art. 24 Internationale Amtshilfe 1 Das für den Vollzug oder die Aufsicht über den Vollzug von technischen Vorschriften zuständige Bundesamt kann ausländische Behörden, welche für den Vollzug von technischen Vorschriften zuständig sind, um Auskünfte und Unterlagen ersuchen.

2 Es darf ausländischen Behörden, die für den Vollzug von technischen Vorschriften zuständig sind, Auskünfte und Unterlagen, welche nicht öffentlich zugänglich sind, übermitteln, sofern sichergestellt ist, dass: a. die ersuchenden ausländischen Behörden an das Amtsgeheimnis gebunden sind; b. die ersuchenden, ausländischen Behörden die erhaltenen Informationen ausschliesslich in einem Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Vollzug von technischen Vorschriften verwenden und nicht an Dritte weiterleiten;

636

Technische Handelshemmnisse. BG

c.

ausschliesslich solche Informationen mitgeteilt werden, die für den Vollzug von technischen Vorschriften notwendig sind; d. keine Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden, es sei ' denn, die Übermittlung der Informationen sei erforderlich, um eine unmittelbare und ernste Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen abzuwenden.

3 Die Bestimmungen über die Rechtshilfe in Strafsachen bleiben vorbehalten.

5. Kapitel: Strafbestimmungen Art. 25 Fälschungen Mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 200 000 Franken wird bestraft, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr: a. Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- oder Zulassungsbescheinigungen fälscht oder verfälscht, die Unterschrift oder das Zeichen der ausstellenden Stelle zur Herstellung solcher unechter Urkunden benutzt; b. den Befund oder das Gutachten einer Person oder Stelle fälscht, die das Vorliegen der Voraussetzungen für die Akkreditierung von Stellen abzuklären hat, welche Aufgaben im Bereich der Prüfung, Konformitätsbewertung oder Zulassung wahrnehmen; c. .die Unterschrift oder das Zeichen einer solchen Person oder Stelle zur Herstellung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens gebraucht; d. den Befund oder das Gutachten einer Person oder Stelle fälscht, die Tatsachen abzuklären hat, welche als Voraussetzungen für das Anbieten, Inverkehrbringen oder Inbetriebnehnien von Produkten wesentlich sind; e. die Unterschrift oder das Zeichen einer solchen Person oder Stelle zur Herstellung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens gebraucht.

Art. 26 Falschbeurkundungen Mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 200 000 Franken wird bestraft, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr a. als Organ einer Akkreditierungsstelle einen unrichtigen Befund über das Vorliegen der Akkreditierungsvoraussetzungen bescheinigt; b. als Organ einer Prüf-, Konformitätsbewertungs- oder Zulassungsstelle einen unrichtigen Befund über das Vorliegen der Voraussetzungen für das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme von Produkten bescheinigt;

c.

als beauftragte Person Tatsachen abklärt, die als Voraussetzungen einer Akkreditierung, Konformitätsbescheinigung oder Zulassung erheblich sind, und dabei einen unrichtigen Befund abgibt.

Art. 27

Erschleichen falscher Beurkundungen

Mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 200 000 Franken wird bestraft, wer durch Täuschung bewirkt: a. dass das Organ einer Akkreditierungsstelle eine unrichtige Akkreditierungsbescheinigung ausstellt oder dass eine Person oder Stelle, die mit der Abklärung

«7

Technische Handelshemmnisse. BG

von Tatsachen beauftragt ist, welche als Voraussetzungen einer Akkreditierung wesentlich sind, einen unrichtigen Befund oder ein unrichtiges Gutachten abgibt; b. dass das Organ einer Prüf-, Konformitätsbewertungs- oder Zulassungsstelle unrichtige Berichte, Zertifikate oder andere Bescheinigungen zum Nachweis der Konformität ausstellt oder dass eine Person oder Stelle, die mit der Abklärung von Tatsachen beauftragt ist, welche als Voraussetzungen einer solchen Bescheinigung wesentlich sind, einen unrichtigen Befund oder ein unrichtiges Gutachten 'abgibt.

Art. 28 Gebrauch von unechten oder unwahren Bescheinigungen Mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 200 000 Franken wird bestraft, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr a. von einem Dritten hergestellte unechte oder unwahre Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- oder Zulassungsbescheinigungen gebraucht oder gebrauchen lassi; b. auf andere Weise als nach den in B.uchstabe a und in den Arikeln 25-27 aufgeführten Tatbeständen das Vorhandensein einer Akkreditierungs-, Prüf-, Konformitäts- oder Zulassungsbescheinigung vorgibt.

Art 29 Ausländische Urkunden Die Artikel 25-28 gelten auch für ausländische Urkunden.

Art. 30 Unberechtigtes Ausstellen von Konformitätserklärungen, unberechtigtes Anbringen und Verwenden von Konformitätszeichen Mit Gefängnis oder mît Busse bis zu 100 000 Franken wird bestraft, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr; a. Konformitätserklärungen ausstellt oder mit einer Konformitätserklärung versehene Produkte in Verkehr bringt, ohne dass diese Produkte den technischen Vorschriften entsprechen; b. Konformitätszeichen an Produkten anbringt oder Produkte mît einem Konformitätszeichen in Verkehr bringt, ohne dass diese Produkte den technischen Vorschriften entsprechen.

Art, 31 Unrechtmässige Vermögensvorteile Vermögensvorteile, die durch strafbare Handlungen nach den Artikeln 25-30 unrechtmässig erlangt worden sind, können nach den Artikeln 58 und folgenden des Strafgesetzbuches J > eingezogen werden.

» SR 311.0 638

Technische Handelshemmnissc. BG

Art. 32

Strafverfolgung

Die Strafverfolgung obliegt den Kantonen.

6. Kapitel: Schiiissbestimmungen Art 33 Ausführungsvorschriften Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

Arti 34 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten:

639

Technische Handelshemmnisse. BG

Anhang Änderungen bisherigen Rechts 1. Geschäftsverkehrsgesetz1) Art. 43 Abs. 3 Bst.f 3

In Botschaften und Berichten stellt er dar

f.

bei technischen Vorschriften die Übereinstimmung mit den Grundsätzen über die Rechtsetzung (Art. 5-7) des Bundesgesetzes vom ... 2> über die technischen

Handelshemmnisse.

2. Bundesgesetz über den Umweltschutz3)

Art. 40 Inverkehrbringen serienmässig hergestellter Anlagen 1 Der Bundesrat kann das Inverkehrbringen serienmässig hergestellter Anlagen nach Massgabe der durch sie verursachten Umweltbelastung von einer Konformitätsbewertung, Kennzeichnung, Anmeldung oder Zulassung abhängig machen.

2 Er kann ausländische Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Kennzeichnungen, Anmeldungen und Zulassungen anerkennen.

Art. 4l Abs. l 1

Der Bund vollzieht die Artikel... 40 (Inverkehrbringen serienmässig hergestellter Anlagen) und...

Art. 47 Abs. l

'Die Prüfergebnisse für die Konformitätsbewertung serienmässig hergestellter Anlagen sind auf Anfrage bekanntzugeben und periodisch zu veröffentlichen.

3. Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 4> über Lebensrnittel und Gebrauchsgegenstände Art. 3 Abs. 4 4 Zutaten sind Lebensmittel, die andern Lebensmitteln zugesetzt werden oder aus denen ein Lebensmittel zusammengesetzt ist, sowie Zusatzstoffe.

'> SR 171.11 » AS ... (BEI 1995 II 521)

v4 SR 814.01 > SR 817.0; AS 1995 ... (BEI 1992 VI 117)

640



Technische Handelshemmnisse. BG

Art. 20 Abs. l 1 Wer Lebensmittel abgibt, informiert Abnehmer auf Verlangen über ihre Herkunft (Produktionsland), ihre Sachbezeichnung und Zusammensetzung (Zutaten) sowie, über die weiteren nach Artikel 21 vorgeschriebenen Angaben.

7409

641

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft zu einem Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) vom 15.

Februar 1995

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Jahr

1995

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

15

Cahier Numero Geschäftsnummer

95.013

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.04.1995

Date Data Seite

521-641

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10 053 430

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