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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Umwandlung des schweizerischen Generalkonsulats zu Prag in eine Gesandtschaft.

(Vom 19. März 1927.)

I.

In seinem Bericht an die eidgenössischen Räte vom 11. Dezember 1919 betreffend die Errichtung neuer Gesandtschaften im Auslande betonte der Bundesrat, die Tschechoslowakei werde, ungeachtet der bei ihrer Bildung obwaltenden schwierigen Zeitumstände, in der europäischen Politik an Bedeutung rasch gewinnen. Die Ereignisse haben dieser Annahme in erfreulicher Weise recht gegeben. Dank einer erfolgreichen Währungsund Wirtschaftspolitik, die den tschechoslowakischen Aussenhandel von 3550 Millionen Schweizerfranken im Jahre 1922 auf 4826 Millionen im Jahre 1926 zu steigern vermochte, ist es der jungen Republik in wenigen Jahren gelungen, die heftige Finanz- und Wirtschaftskrisis zu überwinden, von der alle Nachfolgestaaten der ehemaligen Doppelmonarchie betroffen worden waren.

Wie die Botschaft des Bundesrates betreffend die Genehmigung des schweizerisch-tschechoslowakischen Handesvertrages vom 16. Februar 1927 hervorhebt, haben sich die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten beträchtlich entwickelt. Für Einzelheiten verweisen wir auf diese Botschaft und möchten hier nur daran erinnern, dass die schweizerische Ausfuhr nach der Tschechoslowakei im Jahre 1925 einen Wert von mehr als 37,6 Millionen Franken, 1926 von 37,9 Millionen erreicht hat, womit die Tschechoslowakei unter unsern Abnehmern in den achten Rang vorrückt und vor Belgien (29 Millionen), Schweden (24,s Millionen) und Polen (19,3 Millionen) zu stehen kommt.

Auch auf andern Gebieten sind die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht unwichtig. Sechs bis sieben Tausend Tschechoslowaken leben auf schweizerischem Boden; annähernd fünfzehnhundert Schweizer

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sind in der Tschechoslowakei niedergelassen. Finanzielle Beziehungen sowie mannigfache geistige Bande sind im Begriffe, sich zwischen den beiden Völkern anzuknüpfen, die einander vermöge gemeinsamer Bestrebungen und verwandter Einrichtungen nahestehen.

II.

Bereits 1919 hat die Tschechoslowakei in Bern eine Gesandtschaft errichtet, die von einem ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister geleitet wird und der, neben einem Handelsattache und einem Militärattache, zwei Legationssekretäre zugeteilt sind. Hat die Tschechoslowakei mit diesem Akte der Courtoisie, für den wir uns nur erkenntlich zeigen können, bewiesen, welche Bedeutung sie der Entwicklung der Beziehungen mit unserem Lande beimisst, so ist umgekehrt die Schweiz in der Tschechoslowakei noch immer nur durch einen Honorargeneralkonsul vertreten. Herr G. Déteindre, 1912 zum schweizerischen Konsul in Prag ernannt und 1921 zum Generalkonsul befördert, ist seit der Gründung des neuen Staates Zeuge der stets wachsenden Entwicklung des ihm anvertrauten Postens. Indem er dem Generalkonsulat mit verdienstlicher Hingabe einen guten Teil seiner Zeit opferte, war es ihm bisher möglich, den mannigfachen Amtsobliegenheiten gerecht zu werden.

Das schweizerische Generalkonsulat in Prag beschäftigt dermalen fünf Angestellte. Die Geschäftsstatistik für 1926 verzeichnet 5708 Briefausgänge, 4351 Eingänge und 7464 Visa. Die Zahl der immatrikulierten Schweizer beläuft sich auf 1100, die der Schweizer im militärpflichtigen Alter auf 273.

Der Geschäftsumfang, von dem die vorstehenden wenigen Zahlen nur eine ungenügende Vorstellung geben können, streift bereits die äusserste Grenze dessen, was von einem Honorarbeainten verlangt werden darf, und aller Voraussicht nach wird er inskünftig noch beträchtlich anwachsen.

Wohl ist nach langwierigen Verhandlungen am 16. Februar 1927 mit der Tschechoslowakei ein Handelsvertrag unterzeichnet und sind am 21. Dezember 1926 zwei Abkommen betreffend die Rechtshilfe und die Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen getroffen worden, deren Durchführung durch die Anwesenheit eines Berufsbeamten in Prag erleichtert würde ; dagegen stehen die Verhandlungen über einige weitere Abkommen noch aus, durch welche die so erfreulich angebahnten Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf eine feste rechtliche
Grundlage gestellt werden sollen. Der Ausbau der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Tschechoslowakei wirft bereits heute und mehr noch in der Zukunft verschiedene Fragen auf, für deren Behandlung wir bisher teilweise die Vermittlung der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Bern in Anspruch nehmen mussten, sofern wir uns nicht des Generalkonsulates bedienten, das allerdings vom diplomatischen Stand-

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punkt aus hierzu nur ungenügend legitimiert ist. Die Erledigung dieser Fragen einerseits, die völkerrechtlich mangelhafte Befähigung des Generalkonsulats andererseits machen die Bestellung eines schweizerischen diplomatischen Vertreters in Prag àusserst wünschbar ; denn dieser ist dank seiner beruflichen Bildung auf die Aufgabe vorbereitet, die seiner wartet: zudem befähigt ihn seine diplomatische Eigenschaft, mit der tschechoslowakischen Regierung zu verhandeln, während unser Generalkonsul trotz allem Entgegenkommen, das ihm ständig bewiesen worden ist, bei ihr natürlicherweise nicht im gleichen Umfange Zutritt haben kann. Der Bundesrat sieht sich somit vor der Notwendigkeit, aufs neue an die Errichtung einer Gesandtschaft zu denken, die er bereits im Jahre 1919 in Aussicht genommen hatte. Wenn er Ihnen hiermit die Schlussfolgerungen vorlegt, zu denen ihn die Prüfung dieser Angelegenheit geführt hat, so hält er darauf, gleichzeitig der Geschäftsführung Herrn Déteindres seine Anerkennung zu zollen ; seiner in all den Jahren nie erlahmenden Hingabe an das Amt danken wir es, wenn die Massnahme, die wir Ihnen heute beantragen, bisher unterbleiben konnte.

III.

Glaubt der Bundesrat demnach, Ihnen die Errichtung dieser Gesandtschaft empfehlen zu müssen, so bleibt er sich doch der Notwendigkeiten unserer finanziellen Lage bewusst. So hat er nach einer Lösung gesucht, die eine diplomatische Vertretung der Schweiz in der Tschechoslowakei bei einem Mindestmass an Kosten sicherstellt. 1925 haben Sie uns unter gleichartigen Umständen ermächtigt, die schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften umzuwandeln, wobei der in einem dritten Lande residierende Vertreter der Eidgenossenschaft in diesen Hauptstädten beglaubigt, die Leitung dieser Posten aber in der Regel interimistischen Geschäftsträgern anvertraut wurde. Unsere bisherigen Erfahrungen in Griechenland sowie im Königreich der Serben.

Kroaten und Slowenen sind befriedigend und lassen uns ein entsprechendes Vorgehen für Prag als rätlich erscheinen. Auf offiziöse Anfrage hin erklarte sich die tschechoslowakische Regierung mit unserem Vorhaben einverstanden. Der Bundesrat gedenkt somit bei der tschechoslowakischen Regierung einen schweizerischen Vertreter zu akkreditieren, der in einem der Tschechoslowakei wenn möglich benachbarten Lande residiert; der Gesandte, dem diese Aufgabe zukommt, übergäbe nach Überreichung seines Beglaubigungsschreibens die Leitung des neu errichteten Postens einem Legationsrat oder einem Legationssekretar, der in Prag das Amt eines interimistischen Geschäftsträgers ausüben würde. Unter den dermaligen Verhältnissen würden wir beabsichtigen, den schweizerischen Gesandten in Warschau gleichzeitig in Prag zu beglaubigen. Die

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Durchführung dieses Vorschlages hätte eine jährliche Mehrausgabe von 30,000 bis 40,000 Franken zur Folge.

Unter diesen Umständen bitten wir Sie, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses genehmigen zu wollen, und versichern Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 19. März 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler : Kaesliu.

(Entwurf.)

Bundesfoeschluss betreffend

die Umwandlung des schweizerischen Generalkonsulats zu Prag in eine Gesandtschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 19. März 1927 betreffend die Umwandlung des schweizerischen Generalkonsulats zu Prag in eine Gesandtschaft, b eschliesst: 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, a. einen der bereits in einem andern Lande akkreditierten schweizerischen Vertreter als ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der tschechoslowakischen Regierung zu beglaubigen ; b. das schweizerische Generalkonsulat in Prag in eine Gesandtschaft umzuwandeln, die wahrend der Abwesenheit des Gesandten von einem interimistischen Geschäftsträger geleitet wird.

2. Der Bundesrat wird beauftragt, 'diesen Bundesbeschluss auf Grund des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

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