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2222 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der drei am 23. und 24. April 1927 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetze des Kantons Genf.

(Vom 15. Juni 1927.)

Mit Schreiben vom 26. April 1927 sucht der Staatsrat des Kantons Genf die eidgenössische Gewährleistung für die drei in der Volksabstimmung vom 2S./24. April 1927 angenommenen Verfassungsgesetze nach.

Diese drei Verfassungsgesetze und die durch sie abgeänderten oder aufgehobenen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut (Übersetzung) : 1. Verfassungsgesetz vom 9. März 1927 über das obligatorische Finanzreferendum.

Art. 1. Der obligatorischen Volksabstimmung unterliegen: a. Alle Gesetze oder gesetzgeberischen Beschlüsse, welche für den Kanton und den gleichen Gegenstand eine Gesamtausgabe von mehr als Fr. 125,000 oder eine jährliche Ausgabe von mehr als Fr. 30,000 zur Folge haben. ' Dem Volke müssen diese Gesetze oder Beschlüsse gleichzeitig mit den Vorschlägen über ihre finanzielle Deckung zur Abstimmung vorgelegt werden.

b. Alle Gesetze über Staatsanleihen von mehr als einer Million Franken, mit Ausnahme solcher, die zur Rückzahlung bestehender Anleihen bestimmt sind (Konversionsanleihen).

Art. 2. Die in Art. l vorgesehenen Gesetze und Beschlüsse können nicht dringlich erklärt werden.

Art. 3. Die Volksabstimmung hat, von der Schlussabstimmung im Grossen Rate an gerechnet, längstens innert Jahresfrist zu erfolgen.

Die absolute Mehrheit der Stimmenden entscheidet über die Annahme oder die Verwerfung.

Art. 4. Der Staatsrat wird mit der Vollziehung dieses Verfassungsgesetzes beauftragt.

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2. Verfassungsgesetz vom 9. März 1927 betreffend die Abänderung des Verfassungsgesetzes vom 23. April 1849 über die persönliche Freiheit und die Unverletzlichkeit des Hausrechtes.

Einziger Artikel. Art. 4 und Art. 14, Abs. 2, des Verfassungsgesetzes vom 23. April 1849 über die persönliche Freiheit und die Unverletzlichkeit des Hausrechtes werden abgeändert wie folgt: Alter Text.

Art. 4. Amtspersonen oder Beamte, die Haftbefehle erlassen dürfen, sind: Der Instruktionsrichter ; Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements ; Der Direktor der Zentralpolizei ;

Bei Ertappung auf frischer Tat: Der Generalprokurator ; Die Friedensrichter; Die Polizeikommissäre ; Die Gemeindepräsidenten.

In den im Gesetz vorgesehenen besondern Fällen: Die Gerichtspräsidenten.

Art. 14, Abs. 2. Ist eine dieser Amtspersonen verhindert, so kann sie sich, mitschriftlicher Uebertragung der Amtsgewalt, durch einen Friedensrichter, einen Polizeikommissär oder einen Gemeindepräsidenten vertreten lassen.

Neuer Text.

Art. 4. Amtspersonen oder Beamte, die Haftbefehle erlassen dürfen, sind: Der Generalprokurator ; Die Instruktionsrichter ; Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements ; Der Polizeichef und höchstens zwei vom Staatsrat hierfür besonders bezeichnete Polizeioffiziere ; Bei Ertappung auf frischer Tat: Die vom Staatsrat hierfür besonders bezeichneten Polizeioffiziere ; Die Gemeindepräsidenten ; In den im Gesetz vorgesehenen besondern Fällen: Die Gerichtepräsidenten, der Präsident der Strafkammer für Jugendliche.

Art. 14, Abs. 2. Bei Verhinderung können sich der Instruktionsrichter und der Generalprokurator, mit schriftlicher Uebertragung der Amtsgewalt, durch den Polizeichef, einen Polizeioffizier oder einen Gemeindepräsidenten vertreten lassen.

3. Verfassungsgesetz vom 26. März 1927 betreffend ausnahmsweise Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung vom 24. Mai 1847 und Aufhebung von Absatz 2 des einzigen Artikels des Verfassungsgesetzes vom 20. März 1926 zur ausnahmsweisen Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung des Kantons Genf.

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Art. 108. Alle vier Jahre findet eine Gesamterneuerung der Gemeinderäle statt. Die Gemeinderatsrnitglieder, deren Amtsdauer abgelaufen ist, sind sogleich wieder wählbar.

Art. 110. Die Mitglieder der Verwaltungsräte, die Gemeindepräsidenten und die Adjunkte werden auf vier Jahre gewählt und sind dann sogleich wieder wählbar.

Einziger Artikel, Abs. 2. Die Erneuerungswahl für die Gemeindebehörden, deren Amtsdauer durch das gegenwärtige Gesetz verlängert wird, findet im Mai 1927 gemäes den Gesetzen, die alsdann in Kraft stehen werden, statt. Die Amtsdauer der Neugewählten geht im Mai 1930 zu Ende,

Art. 1. In Abweichung von Art.

108 und 110 der Verfassung des Kantons Genf vom 24. Mai 1847 geht die Amtsdauer der im Jahre 1927 gewählten Gemeinderatsmitglieder, Verwaltungsratsmitglieder, Gemeindepräsidenten und Adjunkte in denjenigen Gemeinden, die zu einer einzigen Stadtgemeinde vereinigt werden, mit dem im Gesetz über die Organisation dor Eingemeindung festgesetzten Zeitpunkt zu Ende, spätestens aber im Mai des Jahres 1931.

Art. 2. Absatz 2 des einzigen Artikels des Verfassungsgesetzes vom 20. März 1926 betreffend ausnahmsweise Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung des Kantons Genf wird aufgehoben. Die Amtsdauer der im Jahre 1927 gewählten Gemeindebehörden betragt, unter Vorbehalt dor Bestimmungen des Art. 1, 4 Jahre.

Der Kanton Genf hat im Jahre 1879 die Volksrechte erweitert, indem er, bis auf einige Ausnahmen, für Gesetze oder gesetzgeberische Beschlüsse des Grossen Rates das fakultative Referendum einführte. Das Verfassungsgesetz vom 9. März 1927 über das obligatorische Finanzreferendum geht noch einen Schritt weiter und unterstellt, wie in verschiedenen andern Kantonen, der obligatorischen Volksabstimmung alle Gesetze oder gesetzgeberischen Beschlüsse betreffend Ausgaben oder Anleihen, welche über das im Gesetz festgelegte Minimum hinausgehen. Das Verfassungsgesetz vom 9. März 1927, wodurch dasjenige vom )23. April 1849 abgeändert wird, bringt keine grundsätzlichen Neuerungen. Es passt die Gesetzgebung den modernen Bedürfnissen und der neuen Polizeiorganisation an. Das Verfassungsgesetz vom 26. März 1927 endlich reiht sich an dasjenige vom 20. März 1926 betreffend ausnahmsweise Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung des Kantons Genf an (vgl. Bundesbl. 1926, L, 860, Gesetzsammlung 1926, S. 276). Es bezweckt, wie dieses, eine Erleichterung der Verwaltungsreform (Eingemeindung), indem es ausnahmsweise die Amtsdauer der Gemeindebehörden neu festsetzt.

Diese Verfassungsgesetze enthalten offensichtlich nichts, das den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderlaufen würde. Wir beantragen

825 Ihnen deshalb, es sei in Zustimmung zu dem nachfolgenden Beschlussesentwurf den drei am 23. und 24. April 1927 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetzen des Kantons Genf die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

B e r n , den 15. Juni 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährleistung der drei am 23. und 24. April 1927 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetze des Kantons Genf.

Die Bundesversammlung d'er s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1927, betreffend die drei am 23. und 24. April 1927 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetze des Kantons Genf, in Erwägung, dass diese Gesetze nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, b e s ch l i es s t: 1. Den Verfassungsgesetzen des Kantons Genf über a. das obligatorische Finanzreferendum, vom 9. März 1927; b. die Abänderung des Verfassungsgesetzes vom 23. April 1849 über die persönliche Freiheit und die Unverletzlichkeit des Hausrechtes, vom 9. März 1927; c. die ausnahmsweise Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung vom 24. Mai 1847 und die Aufhebung von Absatz 2 des einzigen Artikels des Verfassungsgesetzes vom 20. März 1926 über die ausnahmsweise Abänderung der Art. 108 und 110 der Verfassung des Kantons Genf, vom 26. März 1927 ; wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Bundesblatt.

79. Jahrg. Bd. I.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der drei am 23. und 24. April 1927 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetze des Kantons Genf. (Vom 15. Juni 1927.)

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