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2227 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Protokolls über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923.

(Vom 20. Juni 1927.)

I.

Notwendigkeit einer internationalen Regelung des privaten Schiedswesens.

Die Erledigung auf dem Schiedswege von Streitfällen zwischen Personen, die in verschiedenen Staaten Wohnsitz haben, liegt offensichtlich im Zuge der heutigen Zeit. Dies hat seinen Grund in der grösseren Easchheit und den geringeren Kosten des Schiedsverfahrens im Vergleiche mit den Verfahren vor gewöhnlichen Gerichten sowie in der Möglichkeit, Sachverständige zu Eichtern zu bestellen. Vor allem aber ist ausschlaggebend der gegenwärtig auf internationalem Gebiete leider noch bestehende Mangel an allgemein anerkannten Eegeln bezüglich Gerichtsstand und die Tatsache, dass die Angehörigen aller Staaten eine bald mehr bald weniger begründete Abneigung gegen die Gerichte fremder Länder hegen.

Jede Erleichterung der Eechtsverfolgung wirkt fördernd auf das Geschäftsleben ein, und so kann die Entwicklung des internationalen privaten Schiedswesens im Interesse des zwischenstaatlichen Handels nur begrüsst werden, dies um so mehr, als die Gefahr, dass durch den Abschluss von Schiedsabreden und -klausein ^ eine geschäftsunkundige Partei der Möglichkeit einer wirksamen Eechtsverfolgung beraubt werden könnte, im internationalen Verkehr unvergleichlich viel geringer ist als bei derartigen Vereinbarungen zwischen 1 ) Unter Sohiedsabrede ist eine Vereinbarung zu verstehen, gemäss welcher ein bereits entstandener Streiteinem Schiedsorgane zu unterbreiten ist. Eine Schiedsklausel dagegen ist ein Bestandteil eines Vertrages, durch den bestimmt wird, dass sämtliche oder einzelne aus dem Vertrage künftig entstehenden Streitfälle schiedsgerichtlich zu erledigen seien. International nennen wir in dieser Botschaft Schiedsklauseln und -abreden dann, wenn sie zwischen Personen abgeschlossen werden, die der Gerichtsbarkeit verschiedener Staaten unterstehen, oder wenn das Schiedsverfahren in einem andern Staate stattzufinden hat als dem, dessen Gerichtsbarkeit jede der Parteien untersteht.

827 Bewohnern deselben Landes. Denn im zwischenstaatlichen Verkehre sind die Kontrahenten gewöhnlich Kaufleute, welche die Tragweite eine? Verzichts auf die ordentliche Gerichtsbarkeit genau kennen: ausserdem stehen dem internationalen Handel Schiedsgerichte zur Verfügung, die in jeder Hinsicht Gewähr bieten für eine sachliche Beurteilung der ihnen unterbreiteten Angelegenheiten; es sei z. B. an das Schiedsgericht der internationalen Handelskammer erinnert.

Wenn sich nun auch das private Schiedswesen auf internationalem Gebiet in jüngster Zeit ziemlich entwickelt hat, so geschah dies doch bei weitem nicht in dem Masse, das den mit ihm verbundenen Vorteilen und den Wünschen der beteiligten Kreise entsprechen würde. Der Grund hierfür ist der, dass die Gesetzgebungen der einzelnen Staaten in diesen pingen vielfach noch lückenhaft sind und dort, wo sie Eegeln aufstellen, gegenseitig zu sehr voneinander abweichen.

Eine der Hauptschwierigkeiten besteht darin, dass die Gerichte die Schiedsklauseln und -abreden nicht unter allen Umständen anerkennen.

Nichtanerkennung derartiger Abkommen durch die Gerichte bedeutet, dass sich diese auf den Streitfall einlassen, trotzdem die Litiganten vereinbart haben, ihn einem Schiedsgerichte zu unterbreiten, und dass sie nicht bei der Ernennung der Schiedsrichter mitwirken, wenn sich eine der Parteien in vertragswidriger Weise weigert, dies zu tun; Schiedsklauseln und -abreden sind somit, wenn sie von den Gerichten nicht anerkannt werden, tatsächlich wertlos, sobald einer der Kontrahenten nicht gewillt ist, sich dem Schiedsverfahren zu unterziehen.

Die Eechtsprechung neigt vielfach dahin, internationalen Schiedsklauseln und -abreden die Anerkennung zürn vornherein zu versagen. Einheitlichkeit besteht freilich in dieser Hinsicht nicht. Die Gerichte, die nicht diese grundsätzlich ablehnende Haltung einnehmen, sehen sich der Schwierigkeit gegenübergestellt zu entscheiden, welches Recht sie anzuwenden haben, um festzusetzen, ob eine Klausel oder Abrede gültig sei (eigenes Recht, Recht des Verfragsschlussortes oder des Ortes, an dem das Schiedsverfahren stattfinden soll, Recht, nach dem der Hauptvertrag zu beurteilen ist). Die Präge nach dem anzuwendenden Recht ist deshalb von grosser Bedeutung, weil die einzelnen nationalen Gesetzgebungen zum Teile stark auäeinandergehen
in bezug auf die Bedingungen, von deren Erfüllung sie die Rechtskraft von Schiedsklauseln und -abreden abhängig machen.

In England und Deutschland besitzen solche Vereinbarungen ohne weiteres Gültigkeit, sofern sie nicht etwa Streitfälle zum Gegenstande haben, die ihrer Natur nach vor die staatlichen Gerichte gehören (Arbitration Act, 1889: Deutsche Zrvilprozessordmmg, §§ 1025--1027). In Österreich ist die schriftliche Form vorgeschrieben (österreichische Zivilprozessordnung, § 577).

In Italien wird nicht nur Schriftlichkeit verlangt, sondern, wenn es sich um Schiedsabreden handelt, müssen diese ausserdem, um gültig zu sein, Namen

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und Vornamen der Parteien und Schiedsrichter enthalten (Codice di Procedura civile, Art. Il und 12). In Frankreich verweigert die Bechtsprechung (gestützt auf Art. 1006 des Code de procédure civile) vollständig die Anerkennung der Schiedsklauseln, ausgenommen, wenn sie in einem von einem Franzosen im Ausland abgeschlossenen Vertrag enthalten sind 1). Schiedsabreden werden anerkannt, sofern sie die Namen der Schiedsrichter enthalten (Art. 1006, leg. cit.). Im weitem wird entweder urkundliche oder schriftliche Form verlangt; auch sind Schiedsabreden dann gültig, wenn ein bezügliches in Gegenwart der Schiedsrichter verfasstes Protokoll besteht (Art. 1005, leg. cit.). -- Was die Schweiz betrifft, so liegt die Eegelung des privaten Schiedswesens, weil in das Gebiet der Zivilprozessordnung gehörig, den Kantonen ob. Grundsätzlich werden Schiedsabreden und -klausein überall anerkannt; aber die Bedingungen, unter denen dies geschieht, sind verschieden. Während in gewissen Kantonen derartige Abkommen ohne jede Bücksicht auf die Form gültig sind, wird in andern, -- und zwar in den meisten -- Schriftlichkeit oder auch (bei Schiedsklauseln) die für den Hauptvertrag vorgeschriebene Form verlangt. Es gibt Kantonsgesetzgebungen, die ausserdem, wenn es sich um Schiedsabreden handelt, fordern, dass der Vertrag die Namen oder gar die Unterschriften der Schiedsrichter enthalte.

Diese Beschränkungen mögen im innerstaatlichen Verkehre zum Teil ihre Berechtigung haben; bei den internationalen privaten Schiedsabkommen dagegen ist das viel weniger der Fall, weil hier, wie bereits dargelegt, das Schutzbedürfnis, dem sie ihren Ursprung verdanken, wesentlich geringer ist als dort. Dazu kommt, dass es für die Parteien ungemein schwer halten mag, sich in dem internationalen Formenwirrwarr zurechtzufinden.

Ein anderer grosser Übelstand -- wir beschränken uns hier auf die wichtigsten Mängel -- besteht im Fehlen von international gültigen Vorschriften über die Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche. In dem Staate, auf dessen Gebiete sie gefällt werden, sind die Schiedssprüche zwar im allgemeinen vollstreckbar. Doch müssen erstens vielfach gewisse Vorschriften formaler Natur erfüllt sein. Es wird z. B. häufig verlangt, dass der Spruch mit einer Begründung versehen sei (so insbesondere in Deutschland und Frankreich); und zweitens
bestehen je nach den Ländern verschiedene Möglichkeiten, den Schiedsspruch durch staatliche Organe überprüfen zu lassen. Am weitesten gehen in dieser Hinsicht die Bestimmungen der französischen Gesetze: In Frankreich ist ein Schiedsspruch erst vollstreckbar, wenn ihn der Gerichtspräsident genehmigt hat; dieser ist völlig frei, seine Zustimmung zu geben oder zu verweigern.

In den meisten übrigen Staaten, so auch in vielen Schweizerkantonen, besitzen die Parteien das Becht, den Schiedsspruch auf dem Berufungs-, Bekurs- oder Kassationswege anzufechten. Gewisse Gesetzgebungen kennen allerdings nur 1 ) Gemäss dem neuen Code de commerce vom 31. Dezember 1925 (Art. 631) sind allerdings Schiedsklauseln zulässig in bezug auf Streitigkeiten, die sonst in den Kompetenzbereich der Handelsgerichte fallen.

829 eine sehr beschränkte Anzahl von Gründen, gestützt auf die der Spruch aufgehoben bzw. geändert -werden kann.

Was die Schiedsurteile betrifft, die nicht in dem Lande vollstreckt werden sollen, in dem sie gefällt werden, so ist zu sagen, dass hier im allgemeinen die Schwierigkeiten, die sich der Vollstreckbarkeit entgegenstellen, noch grösser sind als jene, denen die Vollstreckbarkeit von Gerichtsurteilen begegnet, obwohl es hier schon schlimm genug bestellt ist. In der Schweiz werden in vielen Kantonen die ausländischen Schiedssprüche ausländischen Gerichtsurteilen gleichgestellt ; in andern Kantonen wird die Vollstreckbarkeit besonderen Bedingungen unterworfen ; wieder andere Kantone haben in ihrer Gesetzgebung keine bezüglichen Bestimmungen; endlich gibt es Kantone, in denen fremde Schiedssprüche überhaupt nicht vollstreckt werden können.

II.

Entstehung und Inhalt des Protokolls über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923.

Bereits im Jahre 1921 wandte das Wirtschaftskomitee des Völkerbundes seine Aufmerksamkeit der Frage der privaten Schiedsklauseln und -abreden zu, und zwar hielt es für wichtig, eine Beseitigung der oben dargelegten Mängel, soweit eine solche einstweilen durchführbar erschien, zu erreichen. Dag Wirtschaftskomitee fand hierbei Unterstützung bei der Genueser Konferenz (1922), sowie bei der dritten Völkerbundsversammlung, die sich beide in Eesolutionen zugunsten seiner bezüglichen Bestrebungen aussprachen. Auf den Bericht eines von ihm ernannten Juristenausschusses abstellend, arbeitete das Wirtschaftskomitee den Entwurf zu einem Protokoll über das private Schiedswesen aus. Der Entwurf wurde im Mai 1923 auf Weisung des Völkerbundsrates den Regierungen der Völkerbundsstaaten zur Vernehmlassung zugestellt. Die zweite Kommission der vierten Völkerbundsversammlung besprach die von jenen gemachten Abänderungsvorschläge und setzte den endgültigen Wortlaut des Protokolls fest, das am 24. September 1923 von der Vollversammlung gutgeheissen und darauf zur Unterzeichnung aufgelegt wurde1).

Folgende Staaten haben bisher unterschrieben (jene, die auch ratifiziert haben, sind mit einem * bezeichnet) : Albanien *, Belgien *, Brasilien, Britisches Eeich *, Chile, Dänemark *, Deutschland *, Finnland *, Frankreich, Griechenland *, Italien *, Japan, Lettland, Litauen, Monaco *, Neuseeland *, Niederlande *, Norwegen, Österreich, Panama, Paraguay, Polen, Eumänien *, Salvador, Siam, Schweiz, Spanien *, Uruguay.

Was nun den Inhalt des Protokolls betrifft, so ist in erster Linie festzustellen, einerseits, dass es sich nicht nur, wie sein Titel anzudeuten scheint, auf Schiedsklauseln, sondern auch auf Schiedsabreden bezieht (Art. 1), anderseits, dass es ausschliesslich i n t e r n a t i o n a l e private Schiedsklauseln und *) Text des Protokolls: s. Anhang.

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-abreden zum Gegenstande hat. Schiedsabkommen zwischen Bewohnern desselben Landes werden somit durch das Protokoll in keiner Weise berührt.

Die dem Protokoll beitretenden Staaten verpflichten sich, jede private internationale Schiedsklausel und -abrede anzuerkennen. Ausgenommen sind jene Schiedsabkommen, die sich auf mit der öffentlichen Ordnung eng zusammenhängende Gegenstände beziehen und darum nur von den staatlichen Gerichten behandelt werden dürfen; jedes Land besitzt in dieser Hinsicht Vorschriften; doch handelt es sich meist um Bhescheidungs- und -trennungssachen, sowie um Streitfälle betreffend Zivilstand. Sodann hat jeder Staat das Eecht, die Anerkennungspflicht auf Streitfragen zu beschränken, die aus Verträgen entstehen, welche seine eigene Gesetzgebung als Handelsgeschäfte bezeichnet.

Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen ist die Anerkennungspflicht bedin-' gungslos. Insbesondere wird ausdrücklich vorgesehen, dass die Anerkennung nicht etwa versagt werden darf, wenn das Schiedsverfahren in einem andern Staate als dem, dessen Gerichtsbarkeit jede der Parteien unterworfen ist, stattfinden soll (Art. 1). Auch ist es einem Staate nicht gestattet, sich darauf zu berufen, dass das Schiedsabkommen nicht jenen Bedingungen formaler Natur entspricht, die er sonst für die Gültigkeit von Schiedsklauseln und -abreden aufgestellt hat (vgl. insbesondere Art. 4, wo sowenig wie in Art. l Vorbehalte gemacht werden zugunsten der von den nationalen Gesetzgebungen für die Gültigkeit derartiger Abkommen aufgestellten Bedingungen). Mit andern Worten: Für die internationalen privaten Schiedsklauseln und -abreden gilt der Grundsatz der Formlosigkeit.

Die Verfasser des Protokolls haben es für gut befunden, besonders zu sagen, dass die Anerkennung der privaten internationalen Schiedsklauseln und -abreden vor allem zur Folge hat, dass sich sämtliche Gerichte der Vertragsstaaten für unzuständig erklären müssen, sobald ihnen eine Angelegenheit unterbreitet wird, in bezug auf welche zwei Bewohner verschiedener Vertragsstaaten vereinbart haben, sie vor ein Schiedsgericht zu bringen, möge das Schiedsurteil bereits ergangen sein oder nicht. Immernin hat die Inkompetenzerklärung nicht von Amtes wegen zu erfolgen, sondern nur auf Verlangen einer der Parteien (Art. 4, Abs. 1). Natürlich hindert die Tatsache, dass sich
ein Gericht zufolge Bestehens einer Schiedsklausel oder -abrede geweigert hat, sich auf einen Streitfall einzulassen, in keiner Weise, dass das Gericht für dessen Beurteilung zuständig wird, sobald die Klausel oder Abrede aus irgendeinem Grunde dahinfällt (Art. 4, Abs. 2). Als Beispiel einer nachträglich ungültig werdenden derartigen Vereinbarung sei die Tatsache erwähnt, dass nach der Praxis des Schweizerischen Bundesgerichts bei Konkurs einer Partei die anstelle der letztern tretende Masse und die Gegenpartei von der aus der Schiedsklausel oder -abrede sich ergebenden Verpflichtung gegenseitig entbunden sind.

Im weitern ergibt sich aus der Anerkennungspflicht, dass ein Vertragsstaat nicht etwa die Anwendbarkeit seiner auf das private Schiedswesen bezüglichen Gesetze auf ein in seinem Gebiete stattfindendes Schiedsverfahren deshalb ver-

831 weigern darf, weil nur eine oder keine der Parteien seiner Gerichtsbarkeit untersteht. Insbesondere gilt dies auch in bezug auf die Vorschriften des botreffenden Staates über die Mitwirkung seiner Organe bei der Bestellung des Schiedsgerichtes, sowie über die Erleichterung der inneihalb seiner Grenzen vorzunehmenden Yerfahrenshandlungen (Art. 2).

Sodann behandelt das Protokoll auch die Frage der Vollstreckbarkeit der gestützt auf internationale private Schiedsabmachungen ergangenen Schiedsurteile. Es setzt fest, dass jeder Vertragsstaat dafür zu sorgen hat, dass solche Urteile von seinen Organen nach Massgabe der Bestimmungen seiner Landesgesetzgebung durchzuführen seien, vorausgesetzt, dass sie auf seinem Boden gefällt wurden (Art. 3).

Man kann sich wohl fragen, ob der Grundsatz der Formlosigkeit, der, wie dargetan, für die Schiedsklauseln und -abreden gilt, auch gegenüber den Schiedssprüchen anzuwenden sei. mit andern Worten: ob nach dem Protokoll ein Staat auch jene auf seinem Gebiete gestützt auf internationale private Schiedsklauseln und -abreden gefällten Schiedssprüche zu vollstrecken habe, die nicht den von ihm für die Gültigkeit der Schiedssprüche aufgestellten Formvorschriften entsprechen. Hingegen dürfte es wohl sicher sein, dass die in den meisten Gesetzgebungen vorgesehene Möglichkeit, gegen einen Schiedsspruch Berufung, Rekurs oder Kassation einzulegen, nicht etwa beseitigt ist. Ware eine derart einschneidende Massnahme beabsichtigt gewesen, so hätte man dies zweifellos deutlich im Protokolle zum Ausdrucke gebracht. Auch geben die Verhandlungsprotokolle und Kommissionsberichte nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Urheber des Protokolls soweit gehen und damit die Parteien des Schutzes gegen Willkür von Seiten der Schiedsgerichte berauben wollten.

In formaler Hinsicht ist zu bemerken, dass das Protokoll der Eatifikation bedarf (Art. 5). Für sein Inkrafttreten ist die Hinterlegung von zwei Eatifikationsurkunden erforderlich (Art. 6). Diese Bedingung war bereits am 28. Juli 1924 erfüllt. Für die später ratifizierenden Staaten wird der Beitritt einen Monat nach der Mitteilung des Generalsekretariats des Völkerbundes über die Niedeiiegung ihrer Eatifikationsurkunde wirksam. Das Protokoll kann von jedem vertragschliessenden Staate zu einem beliebigen Zeitpunkte mit einer Frist von einem Jahre gekündigt werden (Art. 7).

III.

Bewertung des Protokolls über die Schiedsklauseln.

Gewiss, das vorliegende Protokoll ist weit davon entfernt, eine vollständige Behebung der Schwierigkeiten zu bringen, welche die Entwicklung des internationalen privaten Schiedswesens heute noch hemmen. Insbesondere wird es in Handelskreisen als Lücke empfunden, dass das Protokoll ' den vertragschliessenden Staaten nicht auch die Pflicht auferlegt, Schiedssprüche, die im Aus-

832 lande gefällt wurden, auf ihrem Gebiete zu vollstrecken. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen einer bezüglichen Bestimmung dadurch in seinen Folgen wesentlich gemildert wird, dass sich die Gerichte keines der Vertragsstaaten mehr auf einen Streit einlassen, dessen schiedsgerichtliche Erledigung die Parteien vereinbart haben oder in dem bereits ein gültiges Schiedsurteil ergangen ist. Ferner ist zu sagen, dass selbst ohne staatliche Hilfe manches Druckmittel gegen solche zur Verfügung steht, die sich einem Schiedssprüche nicht unterwerfen wollen, wie z. B. Veröffentlichung in Fachblättern, Boykott usw.

Sodann möchte man namentlich auch das Vorhandensein von Vorschriften wünschen, die bestimmt wären, anstelle des in diesem oder jenem Punkte fehlenden Parteiwillens zu treten: Vorschriften über die Bestellung des Schiedsgerichts, über den Ort, an dem es zu tagen hat, über das Verfahren und das anzuwendende materielle Eecht. Auch würde es vielerorts sehr begrüsst werden, wenn sich die Staaten verpflichten würden, die Wahl der Schiedsrichter dadurch zu erleichtern, dass sie Listen von für dieses Amt empfehlenswerten Personen aufstellen würden.

Nebstdem soll auch nicht verhehlt werden, dass das Protokoll nicht in allen Teilen genügend klar abgefasst ist.

Trotzdem ist die praktische Tragweite dieses Abkommens nicht zu unterschätzen. Die Tatsache, dass internationale private Schiedsabkommen, sofern beide Parteien Angehörige von Ländern sind, die das Protokoll ratifiziert haben, in allen Vertragsstaaten anerkannt werden, ohne jede Büeksicht auf alle die von Staat zu Staat verschiedenen Bedingungen, von denen bisher die Gültigkeit solcher Abkommen abhing, stellt sicher einen ansehnlichen Fortschritt dar. Sie bedeutet Befreiung des internationalen privaten Schiedswesens von hemmenden Formvorschriften und von sonstigen, zum Teil aus weitgehendem Nationalismus entsprungenen Beschränkungen. Dabei ist vor allem wichtig, dass nunmehr die interessierten Kreise mit der restlosen Anerkennung internationaler privater Schiedsabkommen die Möglichkeit besitzen, die meisten der noch bestehenden Mängel in der rechtlichen Regelung dieses Gebietes bis zu einem gewissen Grade dadurch zu beseitigen, dass sie das Aufkommen von ständigen Schiedsklauseln, sogenannten «clauses de style» fördern, die einfach auf
z. B. von Handelskammern ausgearbeitete Schiedsordnungen Bezug nehmen.

Es darf übrigens nicht vergessen werden, dass das vorliegende Protokoll nur ein erster Schritt ist und auch nichts anderes sein will. Die Organe des Völkerbundes hielten es für angezeigt, sich vorläufig mit dem unter den gegenwärtigen Umständen sicher Erreichbaren zu begnügen. Sobald Aussicht auf Erfolg besteht, sollen weitere Schritte unternommen werden. Das Wirtschaftskomitee des Völkerbundes prüft denn auch bereits die Möglichkeit, eine Zusatzakte zum Protokoll vom 24. September 1928 auszuarbeiten, welche die Vollstreckung von im Auslande gefällten Schiedssprüchen vorsehen würde.

833 Angesichts des Gesagten dürfte es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Beteiligung der Schweiz am Protokoll über die Schiedsklauseln grundsätzlich wünschbar ist.

* IV.

Verfassungsrechtliche Befugnis des Bundes, dem Protokoll beizntreten.

Besteht nun aber nicht ein verfassungsrechtliches Hindernis für den Beitritt der Eidgenossenschaft zum Abkommen über die Schiedsklauseln darin,'dass die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Zivilprozessrechts, wozu die Schiedsgerichtsbarkeit gehört, nicht dem Bunde, sondern den Kantonen zusteht ? Der Bundesrat ist der Ansicht, dass derartige Bedenken ungerechtfertigt wären. Gemass ständiger Praxis ist Artikel 8 der Bundesverfassung dahin auszulegen, dass der Bund befugt ist, Staatsverträge in bezug auf ßechtsmaterien abzuschliessen, über die er selber nicht legiferieren darf 1 ).

Von den zahlreichen Fällen, in denen die Eidgenossenschaft Verträge über Gegenstände einging, auf die sich ihre Gesetzgebungskompetenz nicht erstreckte, seien als Beispiele folgende, ebenfalls das Zivilprozessrecht betreffende Abkommen erwähnt : Der Gerichtsstandvertrag mit Frankreich, der Vollstreckungsvertrag mit Spanien und die Haager Zivilprozessübereinkunft. Die mangelnde Gesetzgebungsbefugnis des Bundes äussert sich lediglich darin, dass er allfällig notwendige Ausführungsbestimmungen nicht selbst erlassen könnte, sondern in dieser Hinsicht auf die Kantone angewiesen wäre. Das Protokoll über die Schiedsklauseln erfordert nun aber keine Ausfuhrungsgesetze irgendwelcher Art, weder eidgenössische noch kantonale. Es enthalt selbst die zu befolgenden Eechtssätze und verlangt nicht, dass die Vertragsparteien gewisse Gesetzesvorschriften erlassen, wie dies z.1 B. beim Opiumabkommen von 1912 der Fall war. Die Vertragsbestimmungen werden ohne weiteres Bundesrecht und gehen jeder entgegenstehenden kantonalen Rechtsregel vor. Auch zu den eben angeführten Verträgen wurden keinerlei Ausführungsgesetze erlassen.

Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement seinerzeit sämtliche Kantone anfrug, ob sie Bedenken gegen das Unterzeichnen des Protokolls hegten. Zwanzig Kantone, beziehungsweise Halbkantone liessen ihren Bericht dem genannten Departement zukommen; kein einziger sprach sich gegen die Unterzeichnung aus. Was die übrigen fünf
Kantone betrifft, so darf aus ihrem Schweigen geschlossen werden, dass sie keinerlei Einwendungen zu machen hatten; denn es war in der Anfrage ausdrücklich bemerkt worden, dass das Ausbleiben einer Antwort nach Ablauf einer bestimmten Frist als Zustimmung ausgelegt würde.

J

) Eingehende Kechtfertigung' dieser Praxis: s. Burckhardt, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 2. Auflage, S. 115--123.

834 V.

Beitritt mit oder ohne Beschränkung auf Handelsgeschäfte P Da sich der Beitritt der Schweiz zum Protokoll über die Schiedsklauseln als "wünschbar und verfassungsrechtlich zulässig erwiesen hat, bleibt nur noch die Frage offen, ob die Schweiz von dem in Art. l, Abs. 2, des Protokolls vorgesehenen Eechte, die Anerkennungspflicht auf Schiedsklauseln in Handelsangelegenheiten zu beschränken, Gebrauch machen soll. Die Antwort kann wohl nur verneinend lauten. Erstens ist es im Interesse der Entwicklung des internationalen Verkehrs gelegen, class möglichst alle internationalen privaten Schiedsklauseln und -abreden anerkannt werden. Die öffentliche Ordnung ist genügend durch die Bestimmung des Art. l, Abs. l, gewahrt, gemäss welcher nur solche Schiedsabkommen gültig sind, die sich auf Streitigkeiten beziehen, deren Eegelung durch Schiedsspruch zulässig ist. Namentlich aber ist zu bemerken, dass das Bundesrecht --im Gegensatze zu den meisten andern Rechtsordnungen -- den Begriff des Handelsgeschäftes gar nicht kennt.

Einzelne Kantone haben zwar diesen Begriff in ihre Gesetzgebung eingeführt, um die Zuständigkeit der Handelsgerichte gegenüber jener der Zivilgerichte abzugrenzen; aber sein Inhalt wechselt von Kanton zu Kanton. "Unter diesen Umständen würde eine Beschränkung unserer Anerkennungspflicht auf Schiedsklauseln in Handelsangelegenheiten grossen praktischen Schwierigkeiten begegnen.

Im Hinblick auf obige Ausführungen stellt der Bundesrat den Antrag, das Protokoll über die Schiedsklauseln vom 24. September 1928 durch Annahme des beigefügten Bundesbeschlussentwurfes vorbehaltlos zu genehmigen.

Wir benützen den Anlass, um Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, erneut unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 20. Juni 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der

Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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(Entwurf.)

B mules Insellili ss betreffend

die Genehmigung des Protokolls über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 20. Juni 1927, bes'chliesst : 1. Das Protokoll über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923 wird genehmigt.

2. Der Bundesrat M irci mit der Durchführung des vorliegenden Bundesbeschlusses betraut.

836 Beilage.

Protokoll über die Schiedsklauseln.

Die unterzeichneten gehörig bevollmächtigten Vertreter erklären, dass sie im Namen der von ihnen vertretenen Länder die folgenden Bestimmungen annehmen : 1. Jeder der vertragschliessenden Staaten erkennt Schiedsabreden und Schiedsklauseln, durch welche sich in Handelssachen und anderen Angelegenheiten, bei denen eine Eegelung durch vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren zulässig ist, die Parteien eines Vertrages verpflichten, Streitfragen aus diesem Vertrage ganz oder zum Teil einem Schiedsverfahren zu unterwerfen, zwischen Personen, die der Gerichtsbarkeit verschiedener vertragschliessender Staaten unterworfen sind, als gültig an, und zwar auch dann, wenn das Schiedsverfahren in einem anderen Staate stattfindet als dem, dessen Gerichtsbarkeit jede der Parteien unterworfen ist.

Jeder vertragschließende Staat behält sich die Freiheit vor, die oben genannte Verpflichtung auf diejenigen Verträge zu beschränken, die durch seine Landesgesetzgebung als Handelsangelegenheiten behandelt werden.

Wenn einer der vertragschliessenden Teile von dieser Befugnis Gebrauch macht, so wird er hiervon dem Generalsekretär des Völkerbundes zum Zwecke der Benachrichtigung der anderen vertragschliessenden Staaten Mitteilung machen.

2. Für das Verfahren in. Schiedssachen, einschliesslich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ist der Parteiwille und die Gesetzgebung des Landes massgebend, auf dessen Gebiet das Schiedsverfahren stattfindet.

Die vertragschliessenden Staaten verpflichten sich, die Verfahrensverhandlungen, die auf ihrem Gebiete vorgenornmfn werden müssen, nach Massgabe der Bestimmungen zu erleichtern, die nach ihrer Gesetzgebung für das Verfahren in Schiedssachen kraft Vereinbarung massgebend sind.

3. Jeder vertragschliessende Staat übernimmt die Verpflichtung, dass die Vollstreckung der auf seinem Gebiete gemäss den vorstehenden Artikeln erlassenen Schiedssprüche durch seine Behörden und nach Massgabe der Bestimmungen seiner Landesgesetzgebung gewährleistet wird.

4. Wenn den Gerichten der vertragschliessenden Staaten ein Bechtsstreit aus einem Vertrage zwischen den unter Artikel l erwähnten Personen unterbreitet wird, und der Vertrag eine Schiedsabrede oder eine Schiedsklausel enthält, die nach dem genannten Artikel gültig ist und zur Ausführung gebracht werden
kann, so werden sie die Beteiligten auf Antrag eines von ihnen zwecks Entscheidung des Rechtsstreites vor die Schiedsrichter verweisen.

Diese Verweisung hat keine bindende Wirkung hinsichtlich der Zuständigkeit der Gerichte in dem Falle, dass aus irgendeinem Grunde die Schieds-

837

abrede, die Schiedsklausel oder das Schiedsverfahren hinfällig oder unausführbar geworden sind.

5. Das gegenwärtige Protokoll, dessen Zeichnung allen Staaten freisteht, soll ratifiziert werden.

Die Eatifikationsurkunden sollen sobald als möglich bei dem Generalsekretär des Völkerbundes hinterlegt werden, der die, Hinterlegung allen Vertragsstaaten mitteilen wird.

6. Das gegenwärtige Protokoll soll in Kraft treten, sobald zwei Eatifikationsurkunden hinterlegt sind. Späterhin soll das Protokoll für jeden vertragschliessenden Staat einen Monat nach der Mitteilung des Generalsekretärs des Völkerbundes über die Mederlegung seiner Ratifikationsurkunde in Kraft treten.

7. Das gegenwärtige Protokoll kann von jedem der vertragschliessenden Staaten mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. Die Kündigung soll durch eine schriftliche Mitteilung an den Generalsekretär des Völkerbundes erfolgen. Letzterer wird diese Mitteilung sofort allen anderen Vertragsstaaten in Abschrift unter Angabe des Tages des Eingangs mitteilen. Die Kündigung soll ein Jahr nach dem Tage der Mitteilung an den Generalsekretär wirksam werden. Sie soll nur für denjenigen vertragschliessenden Staat gelten, der sie vorgenommen hat.

8. Den vertragschliessenden Staaten steht es frei, zu erklären, dass von der durch sie erfolgten Annahme des gegenwartigen Protokolls die nachstehenden Gebiete, und zwar insgesamt oder zum Teil, ausgeschlossen sind, nämlich: Kolonien, überseeische Besitzungen oder Gebiete, Protektorate oder Gebiete, über die sie ein Mandat ausüben.

Diese Staaten können später dem Protokoll besonders für jedes der auf diese Weise ausgeschlossenen Gebiete beitreten. Die Beitrittserklärung soll sobald als möglich dem Generalsekretär des Volkerbundes übermittelt werden, der sie allen Vertragsstaaten mitteilen wird, und sie soll einen Monat nach ihrer Mitteilung durch den Generalsekretär an alle Vertragsstaaten in Kraft treten.

Die vertragschliessenden Staaten können in gleicher Weise das Protokoll besonders für jedes der vorbezeichneten Gebiete kündigen. Der Artikel 7 findet auf diese Kündigung Anwendung.

Eine beglaubigte Abschrift des gegenwärtigen Protokolls soll durch den Generalsekretär allen vertragschliessenden Staaten übersandt werden.

Geschehen in Genf, den vierundzwanzigsten September neunzehnhundertdreiundzwanzig
in einem einzigen Exemplar, dessen englischer und französischer Text in gleicher Weise authentisch ist und das in den Archiven des Völkerbundes niedergelegt bleibt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Protokolls über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923. (Vom 20. Juni 1927.)

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22.06.1927

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