15.071 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Norwegen vom 28. Oktober 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Norwegen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Oktober 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht Mit einem Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 7. September 1987 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wurden am 31. August 2009 namentlich eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach OECD-Standard sowie eine Meistbegünstigungsklausel zugunsten der Schweiz eingeführt für den Fall, dass Norwegen mit einem anderen Vertragspartner eine Schiedsklausel vereinbart.

Das vorliegende Änderungsprotokoll setzt nun die Meistbegünstigungsklausel durch Einführung einer Schiedsklausel nach dem Musterabkommen der OECD sowie der schweizerischen Abkommenspolitik um. Auf Antrag Norwegens wurde ausserdem eine Anpassung von Artikel 26 über den Informationsaustausch vereinbart.

Das Protokoll wurde am 4. September 2015 in Oslo unterzeichnet.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Protokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz schon immer den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Norwegen besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.959.81, nachfolgend «DBA-NO»). Dieses wurde am 7. September 1987 unterzeichnet und zwei Mal ­ 2005 und 2009 ­ revidiert. Mit dem Änderungsprotokoll vom 31. August 2009 wurden namentlich eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach OECD-Standard sowie eine Meistbegünstigungsklausel zugunsten der Schweiz eingeführt für den Fall, dass Norwegen mit einem anderen Vertragspartner eine Schiedsklausel vereinbart.

Da Norwegen in der Folge mit den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich eine Schiedsklausel vereinbarte, wurden Verhandlungen im Hinblick auf die Umsetzung der genannten Meistbegünstigungsklausel, durch Einführung einer Schiedsklausel nach dem Musterabkommen der OECD (nachfolgend «OECD-Musterabkommen»), sowie der schweizerischen Abkommenspolitik im DBA-NO aufgenommen. Auf Antrag Norwegens wurde ausserdem eine Anpassung von Artikel 26 zum Informationsaustausch auf die Tagesordnung gesetzt.

Nach zwei Verhandlungsrunden konnte ein Protokoll zur Änderung des DBA-NO (nachfolgend «Änderungsprotokoll») paraphiert werden. Dieses wurde am 4. September 2015 in Oslo unterzeichnet.

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Würdigung

Im Zuge der Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel konnte eine Schiedsklausel im DBA-NO verankert und damit ein Ziel der schweizerischen Abkommenspolitik erreicht werden. Die neue Bestimmung stellt sicher, dass Doppelbesteuerungen vermieden werden, und erhöht damit die Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen.

Bei dieser Gelegenheit wurde auf Antrag Norwegens der Informationsaustausch gemäss OECD-Musterabkommen auf alle Arten von Steuern ausgeweitet.

Die im vorliegenden Änderungsprotokoll verankerten Lösungen stellen eine Verbesserung des Abkommens dar und werden zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll ändert und ergänzt einige Bestimmungen des DBA-NO. Es entspricht sowohl in formeller wie materieller Hinsicht den Empfehlungen des OECD-Musterabkommens sowie der schweizerischen Abkommenspraxis. Die wichtigsten Abweichungen werden nachfolgend erläutert.

Art. II Änderungsprotokoll zu Art. 25 DBA-NO (Verständigungsverfahren) Diese Bestimmung sieht die Aufnahme einer Schiedsklausel auf der Basis des OECD-Musterabkommens ins DBA-NO vor. Dies entspricht der Abkommenspolitik der Schweiz. Für Einzelheiten hinsichtlich des Schiedsverfahrens als solches wird auf die Botschaft vom 5. September 20071 über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Südafrika verwiesen.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Verständigungsverfahren, insbesondere in Verrechnungspreisfällen, oftmals nicht innerhalb der nach OECD-Musterabkommen vorgesehenen zwei Jahre abgeschlossen werden können. Es wurde daher vereinbart, diese Frist zur Einigung im Verständigungsverfahren auf drei Jahre zu verlängern.

Das Schiedsverfahren wird auf Verlangen der betroffenen Steuerpflichtigen eingeleitet, sofern sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten nicht innert drei Jahren nach Vorlage des Falls gütlich einigen können. Der Entscheid der Schiedsstelle ist im Einzelfall für die Vertragsstaaten verbindlich, sofern keine der direkt betroffenen steuerpflichtigen Personen den Entscheid ablehnt oder die zuständigen Behörden sich nicht innert sechs Monaten nach dem Entscheid auf eine andere Lösung einigen. Die Verfahrensfragen müssen noch von den zuständigen Behörden vereinbart werden.

In Absatz 6 werden diejenigen Einzelfälle vom Schiedsverfahren ausgeschlossen, die sich nach gemeinsamer Auffassung der zuständigen Behörden nicht für ein solches Verfahren eignen. Ebenso ausgeschlossen sind die Fälle von missbräuchlichen Transaktionen mit der Absicht der Erlangung von Abkommensvorteilen, auf die innerstaatliche Missbrauchsvorschriften Anwendung finden.

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BBl 2007 6589

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Art. III Änderungsprotokoll zu Art. IV Änderungsprotokoll vom 31. August 2009 Da mit dem vorliegenden Änderungsprotokoll eine Schiedsklausel in das DBA-NO aufgenommen wird, ist damit die Meistbegünstigungsklausel nach Artikel IV des Änderungsprotokolls vom 31. August 2009 (AS 2011 197, hier 198) umgesetzt.

Diese kann aufgehoben werden.

Art. IV, V und VI Änderungsprotokoll zu Art. 26 DBA-NO (Informationsaustausch) Auf Anfrage Norwegens wurde die Bestimmung über den Informationsaustausch der Fassung von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens angepasst. Die Bestimmung gilt neu für alle Steuern und nicht nur für diejenigen, die unter das Abkommen fallen. Sie entspricht somit der Lösung, die in zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz vereinbart wurden.

Anlässlich der Revision des DBA-NO im Jahre 2009 wünschte die Schweiz eine Protokollbestimmung zur Präzisierung des neuen Artikels 26, während Norwegen sich für den Abschluss einer technischen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden aussprach. Die gewählte Lösung entsprach zwar dem Wortlaut der Bestimmung, die die Schweiz im Änderungsprotokoll zum DBA-NO verankern wollte, doch sie wurde in die Briefwechsel zwischen den Regierungen vom 31. August 2009 integriert und dem am selben Tag unterzeichneten Änderungsprotokoll angefügt (AS 2011 197, hier 201). 2012 wurde das DBA-NO gestützt auf den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 2011 über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Norwegen (SR 672.959.80) mit dem Briefwechsel vom 15. Mai/13. Juni 2012 ergänzt, um die Anwendung und Auslegung von Artikel 26 DBA-NO den Anforderungen des Global Forums über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen anzupassen. Diese Briefwechsel sind integrierender Bestandteil des DBA-NO und besitzen infolgedessen denselben materiellen Stellenwert wie eine Bestimmung des Protokolls zum DBA-NO.

Neu sollen die Bestimmungen von Artikel 26 nicht mehr in Briefwechseln, sondern gemäss schweizerischer Abkommenspolitik in Absatz 5 des Protokolls zum DBANO präzisiert werden. Da die betreffende Bestimmung weitgehend den Inhalt des Briefwechsels übernimmt, handelt es sich im Wesentlichen um eine formelle Änderung, die im Bemühen um mehr Klarheit erfolgt. Die Briefwechsel vom 31. August 2009 und vom 15. Mai/13. Juni 2012 werden deshalb
aufgehoben.

Artikel 26 DBA-NO sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor. Im heutigen Schweizer Recht besteht keine genügende Rechtsgrundlage für diese Formen des Informationsaustausches. Sollten die Schweiz und Norwegen ihre Zusammenarbeit im Steuerbereich ausweiten wollen, müssten zusätzliche Instrumente vereinbart werden, die der Bundesversammlung zur Genehmigung zu unterbreiten wären.

Artikel VII Änderungsprotokoll (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden grundsätzlich ab dessen Inkrafttreten Anwendung. Hinsichtlich des Schiedsverfahrens und der neuen Bestimmung über den Informationsaustausch findet das Änderungsprotokoll Anwendung auf Fälle respektive Informationen, die Steuerjahre betreffen, die am oder nach dem 1. Januar des Folgejahres nach dem Inkrafttreten des Änderungsprotokolls beginnen.

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Finanzielle Auswirkungen

Weder die Schiedsklausel noch die Ausweitung der Bestimmung über den Informationsaustausch auf alle Steuern haben eine direkte Verminderung der Steuereinnahmen zur Folge. Das Änderungsprotokoll kann im Rahmen der vorhandenen Personalressourcen umgesetzt werden.

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Verfassungsmässigkeit und Erlassform

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung2 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV unterzeichnet der Bundesrat die Verträge.

Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Das Änderungsprotokoll ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber zusammen mit dem DBA-NO jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Gemäss Änderungsprotokoll wird die Amtshilfe nach dem internationalen Standard im erweiterten Umfang gewährt, wie dies der jüngeren Abkommenspolitik der Schweiz auf diesem Gebiet entspricht. Das Änderungsprotokoll enthält damit eine neue Verpflichtung für die Schweiz. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Norwegen ist daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

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SR 101 SR 171.10

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