15.025 Botschaft zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes vom 25. Februar 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Mehrwertsteuergesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2011 M 11.3185

Mehrwertsteuergesetz. Artikel 89 Absatz 5 ersatzlos streichen

2012 M 12.4197

Das Mehrwertsteuergesetz darf nicht toter Buchstabe bleiben. Eindämmung des unlauteren Wettbewerbs in den Grenzregionen

2013 M 13.3362

Anpassungen des Mehrwertsteuergesetzes

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. Februar 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0673

2615

Übersicht Die Vorlage umfasst zahlreiche Änderungen in unterschiedlichen Bereichen der Mehrwertsteuer und erfüllt damit die Motion 13.3362 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N). Die wichtigsten Änderungen sind der Abbau mehrwertsteuerbedingter Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen, der reduzierte Steuersatz für elektronische Zeitungen und Zeitschriften, die Ausdehnung der Steuerausnahme im Bereich der Sozialversicherung auf die Präventionstätigkeit, Vereinfachungen bei der Steuerpflicht gemeinnütziger Organisationen, eine neue Steuerausnahme für bestimmte Formen der Gönnerschaft, steuerliche Erleichterungen für die Zusammenarbeit der Gemeinwesen einerseits und Aufhebung der Steuerausnahme für Parkplätze im Gemeingebrauch andererseits, die Margenbesteuerung für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten und schliesslich die Angleichung der 10-jährigen absoluten Verjährungsfrist an die im Steuerrecht üblichen 15 Jahre.

Ausgangslage Auf den 1. Januar 2010 trat das totalrevidierte Mehrwertsteuergesetz in Kraft. In der Praxis hat sich gezeigt, dass einige Regelungen der Anpassung bedürfen. Der Bundesrat nahm diese Punkte in die Zusatzbotschaft 08.053 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer vom 30. Januar 2013 (Vorlage Zwei-Satz-Modell) auf. Das Konsultativgremium seinerseits machte mit Stellungnahmen vom 5. März und 18. April 2013 zuhanden der WAK-N Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zur Vorlage Zwei-Satz-Modell.

Am 23. September 2013 trat das Parlament auf die Vorlage Zwei-Satz-Modell zwar nicht ein, beauftragte aber gleichzeitig den Bundesrat mit der Motion 13.3362, dem Parlament Vorschläge zu einer Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes zu unterbreiten.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage umfasst verschiedene Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes, namentlich in den Bereichen der Steuerpflicht, der Steuersätze und -ausnahmen, des Verfahrens und des Datenschutzes. Insbesondere wird für die obligatorische Steuerpflicht nicht mehr bloss auf den Umsatz im Inland, sondern auf den weltweiten Umsatz eines Unternehmens abgestellt. Die Befreiung von der Steuerpflicht für ausländische Unternehmen, die ausschliesslich nicht der Einfuhrsteuer unterliegende Lieferungen ­ mit Ausnahme von Elektrizität, Gas und Fernwärme ­ erbringen, wird aufgehoben. Ausländische
Online-Händlerinnen und -Händler werden abhängig von ihrem Umsatz im Inland obligatorisch steuerpflichtig. Kostenpflichtige Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften werden neu wie die gedruckten Ausgaben zum reduzierten Satz besteuert. Für die Steuerpflicht müssen gemeinnützige Organisationen künftig nicht mehr mindestens 25 Prozent ihres Aufwandes mit Entgelten decken. Wie vom Parlament verlangt, wird einerseits die Steuerausnahme im Bereich der Sozialversicherung auf die Präventionstätigkeit

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ausgedehnt und anderseits eine neue Steuerausnahme für bestimmte Formen von Gönnerschaft vorgelegt. Der Abzug fiktiver Vorsteuern wird für Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke durch eine neu konzipierte Margenbesteuerung ersetzt, da solche Gegenstände in der Regel nicht mehrwertsteuerbelastet auf den Markt kommen. Die Steuerpflicht von Gemeinwesen wird vereinfacht und die Zusammenarbeit von Gemeinwesen wird steuerlich entlastet. Hingegen soll die Steuerausnahme für Parkplätze im Gemeingebrauch aufgehoben werden. Die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren wird an die im Steuerrecht üblichen 15 Jahre angeglichen. Die solidarische Haftung bei der Gruppenbesteuerung wird für Vorsorgeeinrichtungen aufgehoben. Take-away-Leistungen werden zum Normalsatz besteuert, wenn keine Massnahmen zur Abgrenzung von gastgewerblichen Leistungen getroffen werden. Die gesetzlichen Grundlagen für die Datenbearbeitung werden besser an die Anforderungen des Datenschutzes angepasst. Die Verfolgungsverjährung wird besser mit der Schwere der Straftat in Übereinstimmung gebracht.

Und schliesslich wird verhindert, dass steuerpflichtige Personen durch Untätigkeit eine Steuerveranlagung erzwingen können.

Die Vorlage umfasst einerseits, wie von der Motion WAK-N verlangt, die Änderungen aus der Vorlage Zwei-Satz-Modell, die Änderungsvorschläge des Konsultativgremiums vom März und April 2013 sowie die Anliegen der parlamentarischen Initiativen Triponez (02.413) und Frick (11.440) und andererseits weitere Änderungen, die sich seither als notwendig erwiesen haben.

Die Vorlage führt per Saldo zu jährlichen Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer von rund 68 Millionen Franken. Die grössten finanziellen Auswirkungen hat dabei die Neuregelung der Steuerpflicht mit Mehreinnahmen von 40 Millionen Franken.

Rund 30 Millionen Franken Mehreinnahmen entfallen zudem auf die Margenbesteuerung für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten.

Auf die Kantone und Gemeinden wirken sich die Neuregelung der Steuerpflicht für Gemeinwesen und die steuerliche Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinwesen positiv aus. Bei der Aufhebung der Steuerausnahme für Parkplätze im Gemeingebrauch ist die finanzielle Auswirkung davon abhängig, ob die Mehrwertsteuer auf die Kundschaft überwälzt werden kann.

Die privaten Haushalte sind
von der Vorlage nur wenig betroffen. Auf die Volkswirtschaft als Ganzes hat die Vorlage keine Auswirkungen. Profitieren würden jedoch die KMU der Baubranche in den Grenzregionen der Schweiz sowie der Schweizer Versandhandel, da sie keine mehrwertsteuerlich bedingten Nachteile gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten mehr hätten.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

2619 2619 2619 2621 2624 2625 2626

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2627

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Personen 3.1.1 Auswirkungen der Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG 3.1.2 Auswirkungen der Neuregelung der Steuerpflicht und der Ausdehnung der Steuerausnahmen auf die steuerpflichtigen Gemeinwesen 3.2 Auswirkungen auf den Bund 3.2.1 Finanzielle Auswirkungen 3.2.2 Personelle Auswirkungen 3.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.4 Auswirkungen auf die Sozialversicherungen 3.5 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.6 Auswirkungen auf die privaten Haushalte 3.7 Auswirkungen auf die Umwelt

2670 2670

4

5

2670 2671 2672 2672 2674 2675 2676 2676 2676 2677

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

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Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) (Entwurf)

2618

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Auf den 1. Januar 2010 trat das totalrevidierte Mehrwertsteuergesetz in Kraft. In der Praxis hat sich dann gezeigt, dass einige Regelungen der Anpassung bedürfen. Der Bundesrat nahm diese Punkte in die Zusatzbotschaft 08.053 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer vom 30. Januar 20131 (Vorlage Zwei-Satz-Modell) auf. Das Konsultativgremium seinerseits machte mit Stellungnahmen vom 5. März und 18. April 2013 zuhanden der WAK-N Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zur Vorlage Zwei-Satz-Modell.

Nachdem am 22. April 2013 die WAK-N dem Nationalrat empfohlen hatte, auf die Vorlage Zwei-Satz-Modell nicht einzutreten, reichte sie tags darauf die Motion 13.3362 ein, die verlangt, dem Parlament Vorschläge zu einer Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes zu unterbreiten, und zwar in folgenden Bereichen: 1.

Punkte, die der Bundesrat im Rahmen der Botschaft über das Zweisatzmodell thematisiert hat (Praxisnachvollzug usw.);

2.

Punkte, die vom Mehrwertsteuer-Konsultativgremium in seinen Stellungnahmen vom 5. März 2013 und 18. April 2013 aufgegriffen worden sind;

3.

Anliegen der parlamentarischen Initiativen Triponez 02.413 und Frick 11.440.

Der Bundesrat beantragte am 29. Mai 2013 die Annahme der Motion. Der Nationalrat stimmte der Motion am 18. Juni 2013 zu, mit Zustimmung des Ständerats am 23. September 2013 wurde sie an den Bundesrat überwiesen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Mit der Vorlage wird im Wesentlichen die Motion 13.3362 umgesetzt. Diese umfasst die Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes, die der Bundesrat bereits in der Vorlage Zwei-Satz-Modell vorgeschlagen hat, jedoch ohne Änderungen bei den Steuersätzen und ohne die Aufhebung der Steuerausnahmen für die reservierten Dienste der Post, den Wertzeichenverkauf und die Schiedsgerichtsbarkeit, die sich aus dem Rückweisungsauftrag ergeben hatten. Weiter umfasst die Vorlage auftragsgemäss die Vorschläge des Konsultativgremiums, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern der steuerpflichtigen Personen, der Kantone, der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Steuerpraxis und der Konsumenten zusammensetzt und beratende Funktion hat. Bei diesen Vorschlägen handelt es sich teilweise um Gegenanträge zu Änderungsvorschlägen des Bundesrates. Diese sind in der Vorlage als Variante Konsultativgremium gekennzeichnet. Ausserdem umfasst die Vorlage teilweise zusätzliche Änderungsvorschläge. Wo diesen nicht zugestimmt werden konnte, beantragt der Bundesrat, das geltende Recht beizubehalten. Und schliesslich umfasst die Vorlage wie vom Parlament verlangt die Anliegen der sistierten parlamentari1

BBl 2013 1481

2619

schen Initiative Frick (11.440) wie auch der sistierten parlamentarischen Initiative Triponez (02.413).

Die wichtigsten Änderungsvorschläge zur Umsetzung der in der Motion 13.3362 genannten Themen sind: ­

Für die obligatorische Steuerpflicht eines Unternehmens ist nicht mehr bloss der Umsatz im Inland, sondern der Umsatz im In- und Ausland massgebend (Art. 10 Abs. 2 Bst. a E-MWSTG).

­

Die Befreiung von der Steuerpflicht für ausländische Unternehmen, die ausschliesslich nicht der Einfuhrsteuer unterliegende Lieferungen erbringen, wird aufgehoben. Beibehalten bleibt die Befreiung für Unternehmen, die ausschliesslich Elektrizität, Gas und Fernwärme liefern (Art. 10 Abs. 2 Bst. b E-MWSTG).

­

Für Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke wird der Abzug fiktiver Vorsteuern durch eine neu konzipierte Margenbesteuerung ersetzt, da solche Gegenstände nicht mehrwertsteuerbelastet auf den Markt kommen.

Neu wird die Verlustverrechnung möglich sein (Art. 24a und Art. 115a E-MWSTG).

­

Die Steuerpflicht von Gemeinwesen wird vereinfacht und die Zusammenarbeit von Gemeinwesen wird steuerlich entlastet. Hingegen soll die Steuerausnahme für Parkplätze im Gemeingebrauch aufgehoben werden (Art. 12 und Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 Bst. c, 28 und 28bis und Abs. 6 E-MWSTG).

­

Die Steuerausnahme im Bereich der Sozialversicherung wird ­ wo dies bisher noch nicht der Fall war ­ auf die Präventionstätigkeit ausgedehnt (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 18 E-MWSTG).

­

Eine neue Steuerausnahme für Leistungen gemeinnütziger Organisationen an ihre Gönnerinnen und Gönner wird vorgelegt (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 31 E-MWSTG).

­

Die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren wird an die im Steuerrecht üblichen 15 Jahre angeglichen (Art. 42 Abs. 6 E-MWSTG).

­

Die gesetzlichen Grundlagen für die Datenbearbeitung werden an die Anforderungen des Datenschutzes angepasst (Art. 76­76d E-MWSTG).

­

In Zwangsvollstreckungsverfahren sind Mehrwertsteuerforderungen der ESTV neu in öffentliche Register und auf Rechnungsrufe einzugeben (Art. 89 Abs. 5 E-MWSTG).

Zwischenzeitlich hat sich gezeigt, dass auch in weiteren Bereichen Anpassungsbedarf besteht. Der Bundesrat schlägt deshalb zusätzlich folgende Änderungen vor: ­

Kostenpflichtige Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften werden neu wie die gedruckten Ausgaben zum reduzierten Satz besteuert (Art. 25 Abs. 2 Bst. abis E-MWSTG).

­

Ausländische Online-Händlerinnen und -Händler werden ab einem Umsatz im Inland von 100 000 Franken pro Jahr obligatorisch steuerpflichtig (Art. 7 Abs. 3 E-MWSTG).

­

Dadurch, dass ein Zufluss von Nicht-Entgelten neu keinen Einfluss mehr auf die Unternehmenseigenschaft hat, müssen gemeinnützige Organisationen künftig nicht mehr mindestens 25 Prozent ihres Aufwandes mit Entgelten

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decken, damit sie als unternehmerisch tätig gelten und steuerpflichtig werden können (Art. 10 Abs. 1bis Bst. a E-MWSTG).

­

Take-away-Leistungen werden zum Normalsatz besteuert, wenn keine Massnahmen zur Abgrenzung von gastgewerblichen Leistungen getroffen werden (Art. 25 Abs. 3 E-MWSTG).

­

Die solidarische Haftung bei der Gruppenbesteuerung wird für Vorsorgeeinrichtungen aufgehoben (Art. 15 Abs. 1 Bst. c E-MWSTG).

­

Bei Untätigkeit der steuerpflichtigen Person gelten künftig mit Ablauf der Festsetzungsverjährung die von der ESTV provisorisch festgesetzten Steuerbeträge als Steuerforderungen (Art. 86 Abs. 7 E-MWSTG).

­

Die Verfolgungsverjährung wird besser mit der Schwere der jeweiligen Straftat in Übereinstimmung gebracht (Art. 105 Abs. 1 E-MWSTG).

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

In der Vernehmlassung2 wurde ganz überwiegend anerkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Die vorliegende Teilrevision des MWSTG wurde folglich mehrheitlich befürwortet. Da die Vorlage aus Änderungsvorschlägen zu einer Vielzahl verschiedener unabhängiger Themengebiete besteht, werden im Folgenden die wesentlichsten Ergebnisse der Vernehmlassung nach diesen Themengebieten gegliedert dargestellt.

Praktisch sämtliche Massnahmen, die zugunsten der inländischen Unternehmen den Abbau mehrwertsteuerbedingter Wettbewerbsverzerrungen zum Ziel haben (vgl.

Art. 7 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 2 E-MWSTG), wurden durchwegs positiv aufgenommen, auch wenn einige kritische Stimmen an der Wirksamkeit der Massnahmen zweifeln. Die Durchsetzung der Steuerpflicht der im Ausland ansässigen Unternehmen stellt tatsächlich eine zentrale Herausforderung dar. Diese ist nur in enger Zusammenarbeit mit den ausländischen Steuerverwaltungen möglich, weshalb die bi- und multinationalen Abkommen im Anwendungsbereich der MWST, insbesondere mit den Nachbarstaaten, von besonderer Wichtigkeit für die Schweiz sind.

Infrage gestellt wurde zudem, ob die subsidiäre Bezugsteuerpflicht für Lieferungen, die nicht der Einfuhrsteuer unterliegen (Art. 45 Abs. 1 Bst. c E-MWSTG), nicht zu unklaren Zuständigkeiten führe. Der Bundesrat ist jedoch der Meinung, dass die subsidiäre Bezugsteuer auf Lieferungen den leistungsempfangenden Unternehmen überall dort Rechtssicherheit verschafft, wo Lieferungen im Inland durch ausländische Unternehmen ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden. Zudem wird dadurch das Risiko von Steuerausfällen minimiert. Er hält deshalb an dieser Bestimmung fest.

Wenn das Konsultativgremium einen Gegenentwurf zum Änderungsentwurf des Bundesrates vorgeschlagen hat, ist dieser in der Regel besser aufgenommen worden als der Entwurf des Bundesrates. Zumindest teilweise ausschlaggebend dürfte aber 2

Für die Ergebnisse der Vernehmlassung vgl. Ergebnisbericht vom 25. Februar 2015 zum Vernehmlassungsverfahren zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes; Quelle: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > EFD

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gewesen sein, dass sich die Ablehnung bloss auf einzelne Teilaspekte stützt. So wurde beispielsweise betreffend Option der Variante Konsultativgremium, die in jedem Fall eine freiwillige Versteuerung lediglich durch Abrechnung der ausgenommenen Umsätze zulassen möchte, der Vorzug gegeben, ohne jedoch zur Frage Stellung zu nehmen, ob die Kundschaft nicht ein Anrecht auf die Information hat, ob ihr Mehrwertsteuer überwälzt wurde (Art. 22 Abs. 1 E-MWSTG). Oder es wurde der Einbezug von Stiftungen und Vereinen in die Definition eng verbundener Personen wegen Rechtssicherheitsbedenken abgelehnt, ohne sich zur Frage der Rechtsformneutralität der Mehrwertsteuer zu äussern (Art. 3 Bst. h E-MWSTG). Der Bundesrat hält deshalb weitgehend an seinen Änderungsvorschlägen fest. Bei der Regelung des Beginns der Steuerpflicht ausländischer Unternehmen schlägt er hingegen neu einen Kompromiss zwischen seiner ursprünglichen Variante und derjenigen des Konsultativgremiums vor (Art. 14 Abs. 2bis E-MWSTG). Wie vom Parlament verlangt, bleiben auch die Vorschläge des Konsultativgremiums als Varianten im Entwurf der Vorlage.

Verschiedentlich wurde vorgebracht, dass mit der vorliegenden Teilrevision nicht Errungenschaften der MWST-Reform 2010 rückgängig gemacht werden dürften.

Dieses Anliegen nimmt der Bundesrat sehr ernst. Es lässt sich aber nicht in jedem Fall vermeiden, dass es in einzelnen Bereichen, in denen Schwierigkeiten festgestellt wurden, zu gewissen Einschränkungen kommt. Der Bundesrat hat versucht, die betroffenen Bereiche möglichst eng zu umgrenzen und die vorgeschlagenen Einschränkungen möglichst klein zu halten. So wird beispielsweise mit dem Ersatz des Abzugs fiktiver Vorsteuern durch die Margenbesteuerung für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten eine branchenspezifische Unterbesteuerung regelmässig ursprünglich nicht mehrwertsteuerbelasteter Gegenstände vermieden.

Um negative finanzielle Folgen für die Branche zu vermeiden, wird jedoch gleichzeitig die Verlustverrechnung ermöglicht (Art. 24a E-MWSTG). Oder mit der Besteuerung von Take-away-Leistungen zum Normalsatz, wenn keine Massnahmen zur Abgrenzung von gastgewerblichen Leistungen getroffen werden (vgl. Art. 25 Abs. 3 E-MWSTG), soll sichergestellt werden, dass nicht dasjenige Unternehmen, das sämtliche Anforderungen erfüllt, am Ende
schlechter gestellt ist als dasjenige Unternehmen, das sich nicht an die Vorgaben hält. Alle Unternehmen, die sich regelkonform verhalten, sind davon nicht betroffen. Auch die vorgeschlagene Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist wird teilweise als Rückgängigmachen einer Errungenschaft der Reform 2010 kritisiert, obwohl deren Nachteile deutlich benannt wurden: In ihren Stellungnahmen haben sowohl das Bundesgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht einen übermässigen Druck durch die im Steuerrecht unüblich kurze absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren beklagt, dem eigentlich nur mit einer Priorisierung der Mehrwertsteuerfälle gegenüber den übrigen Fällen begegnet werden könnte, was aber eine Verletzung des verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgebots darstellen würde. In all den genannten Gebieten wurden seit der Reform 2010 punktuell Schwierigkeiten festgestellt, weshalb der Bundesrat an seinen diesbezüglichen Änderungsvorschlägen festhält.

Die Aufhebung der Einschränkungen für das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit bei gemeinnützigen Organisationen wurde in der Vernehmlassung im Grundsatz begrüsst, die Formulierung von Artikel 10 Absatz 1quater VE-MWSTG aber als nicht geeignet befunden. Da dem Bundesrat eine parlamentarische Klärung dieser umstrittenen Frage wichtig scheint, ist er einem Vorschlag der Treuhand-

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kammer gefolgt und hat in Artikel 10 Absatz 1bis Buchstabe a E-MWSTG eine entsprechende Ergänzung aufgenommen.

Trotz Ablehnung durch den Grossteil der direkt betroffenen Gemeinwesen und ihrer Verbände hält der Bundesrat an der Aufhebung der Steuerausnahme für Parkplätze im Gemeingebrauch fest (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 Bst. c E-MWSTG). Für bestehende Parkplätze führt dies zwar zu Umstellungsaufwand und unter Umständen zu finanzieller Mehrbelastung der Gemeinwesen, mittelfristig wird dadurch aber die Bewirtschaftung von Parkplätzen erheblich vereinfacht, wenn auf die Unterscheidung zwischen steuerbarer und steuerausgenommener Vermietung von Parkplätzen verzichtet werden kann. Die weiter im Bereich Gemeinwesen vorgeschlagene Vereinfachung der Steuerpflicht und die steuerliche Entlastung der Zusammenarbeit von Gemeinwesen wurden weitgehend positiv aufgenommen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 und 28bis und Abs. 6 E-MWSTG). Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende warnen jedoch vor möglichen neuen Wettbewerbsverzerrungen, wenn Dienststellen erst ab einem Umsatz von 100 000 Franken aus Leistungen gegenüber Nichtgemeinwesen steuerpflichtig werden (Art. 12 E-MWSTG), oder vor Wettbewerbsverzerrungen im Strommarkt, wenn Gemeinwesen, die gemeinsam ein Energieversorgungsunternehmen halten, den Strom ohne Mehrwertsteuerbelastung beziehen können. Der Bundesrat gewichtet aber die mit den Änderungen verbundenen Vorteile für die Gemeinwesen höher als die befürchteten Nachteile, weshalb er an seinen Vorschlägen festhält.

Die neu formulierte Steuerausnahme für Versicherungsleistungen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 18 E-MWSTG) wurde in der Vernehmlassung ausdrücklich begrüsst. Der Bundesrat setzt damit ein Anliegen um, das ursprünglich mit Teil B der MWSTReform 2010 hätte umgesetzt werden sollen, aber dem Nichteintreten des Parlaments auf die Vorlage zum Opfer gefallen war. Hingegen legt der Bundesrat aufgrund des parlamentarischen Auftrags eine Steuerausnahme für Leistungen gemeinnütziger Organisationen an ihre Gönnerinnen und Gönner vor. Die sistierte parlamentarische Initiative Frick (11.440) verlangte, dass bei Gönnerbeiträgen unerheblich sein soll, ob diesen ein Leistungsverhältnis zugrunde liege oder nicht, indem sie Gönnerbeiträge mittels einer unumstösslichen gesetzlichen Vermutung den Spenden gleichgestellt hätte. Nachdem feststeht,
dass bei den Kostenübernahmeversprechen, die für den Erhalt von Gönnerbeiträgen abgeben werden, ein Leistungsverhältnis vorliegt, kommt für den Bundesrat nur eine Steuerausnahme in Frage, wenn solche Gönnerbeiträge unbesteuert bleiben sollen.

Für weitere Ausführungen zu den einzelnen Änderungen wird auf Ziffer 2 verwiesen.

Verworfene Vorschläge Auf die vorgeschlagene Aufhebung der Steuerausnahme für Bekanntmachungsleistungen von und an gemeinnützige Organisationen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 27 VE-MWSTG) verzichtet der Bundesrat, da Steuerausnahmen im Gemeinnützigkeitsbereich eher gerechtfertigt sind als in anderen Bereichen, die vorliegend nicht zur Diskussion stehen. Zudem konnte durch die klarere Abgrenzung auf Praxisebene der Steuerausnahme für Bekanntmachungsleistungen von den steuerbaren Werbeleistungen eine der bisherigen Schwächen der Steuerausnahme befriedigend behoben werden.

2623

Verschiedentlich wurde verlangt, die Ausnahme für Heilberufe nicht mehr an das Vorliegen einer kantonalen Bewilligung zu koppeln. Dadurch sollten kantonale Unterschiede bei der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Berufen im Gesundheitswesen vermieden werden. Wie sich gezeigt hat, würde ein Verzicht auf das Anknüpfen an kantonale Berufsausübungsbewilligungen jedoch einen generellen Systemwechsel bei der Steuerausnahme für Berufe im Gesundheitswesen mit sich bringen. Deshalb wurden Vorschläge wie das Abstellen auf eidgenössische Fähigkeitsausweise verworfen. Als in der Praxis nicht umsetzbar erwiesen hat sich auch der Vorschlag, Heil- und Pflegeberufe, für die in mindestens einem Kanton eine Berufsausübungsbewilligung erteilt wurde, auch in allen andern Kantonen zuzulassen, da diesfalls die ESTV für alle übrigen Kantone das Vorliegen der entsprechenden Kriterien prüfen müsste. Neben der Frage, auf welche Kriterien abzustellen wäre, wenn sich diese für die Berufsausübungsbewilligung in verschiedenen Kantonen unterscheiden, kann die ESTV als fachlich nicht kompetente Behörde solche Überprüfungen für die übrigen Kantone nicht übernehmen. Zudem bestünde die Gefahr, dass aus Sicht der Mehrwertsteuer das Vorliegen einer Berufsausübungsbewilligung bejaht würde für Berufe, die nach dem jeweiligen kantonalen Recht keine Berufsausübungsbewilligung erhielten. Vor allem Fragen der Abgrenzung der Steuerausnahmen und der reduzierten Sätze werden bei der Beratung dieser Vorlage in den Räten wieder aktuell. In der Vernehmlassung gefordert wurde, dass für die Abgrenzung der steuerausgenommenen von der steuerbaren Lieferung einer Liegenschaft auf den Übergang von Nutzen und Gefahr abgestellt werden sollte. Mit der aktuellen Praxis der ESTV bestehen die anfänglichen Rechtsunsicherheiten nicht mehr, weshalb der Bundesrat hier keinen Handlungsbedarf sieht. Ebenfalls vorgebracht wurde die Ausweitung der Steuerausnahme auf die Pflege zu Hause durch private Unternehmen. Da dem Bundesrat eine Steuerausnahme für gemeinnützige Unternehmen eher gerechtfertigt scheint als eine für kommerzielle Unternehmen, sieht er hier keinen Handlungsbedarf. Ein weiteres vorgebrachtes Anliegen ist die Definition des Subventionsbegriffs in der Mehrwertsteuer. Gefordert wird eine Angleichung an den Begriff des Subventionsrechts. Da sich aus den
Subventionsgesetzen für Mehrwertsteuerbelange nicht ableiten lässt, ob ein Leistungsverhältnis vorliegt oder nicht, käme ein starrer Verweis auf die Subventionsgesetze einer unumstösslichen gesetzlichen Vermutung zugunsten der Subventionen gleich, was zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung mit anderen Leistungsverhältnissen führen würde. Der Bundesrat sieht hier deshalb keinen Handlungsbedarf.

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzesänderungen haben keine grossen Auswirkungen auf die Mehrheit der steuerpflichtigen Personen. Die Margenbesteuerung bei Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten behebt eine systembedingte Unterbesteuerung, die entsteht, wenn ein Gegenstand bei seinem Markteintritt nicht mit Mehrwertsteuer belastet war.

Die Aufhebung der steuerlichen Bevorzugung ausländischer Unternehmen, die in der Schweiz Arbeiten ausführen, gegenüber ihren inländischen Konkurrenten ist nur mit einem grossen administrativen Aufwand der Verwaltung möglich. Das Abstellen auf die im In- und Ausland erzielten Umsätze anstelle der Inlandumsätze für die obligatorische Steuerpflicht eines Unternehmens schneidet hinsichtlich der Kosten und der Handhabbarkeit des Verfahrens zufriedenstellend ab: Die bisher steuer2624

pflichtigen Personen sind nicht betroffen. Einen deutlich höheren administrativen Aufwand hätten hingegen all jene ausländischen Unternehmen, die bisher in der Schweiz nicht steuerpflichtig waren und sich neu ins Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eintragen lassen müssen. Für den Bund ergäben sich zum einen Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer von jährlich rund 40 Millionen Franken. Zum anderen wäre die Schaffung von bis zu 38 zusätzlichen Vollzeitstellen bei der ESTV notwendig. Da die Schätzung der Anzahl zusätzlicher Steuerpflichtiger und des damit verbundenen Aufwands mit grossen Unsicherheiten verbunden sind und kein Personal auf Vorrat angestellt werden soll, wird jedoch nur mit 30 zusätzlichen Vollzeitstellen gerechnet, was jährliche Kosten von rund 4,2 Millionen Franken zur Folge hätte.

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 20063 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, MwStSystRL) stellt für die Steuerpflicht der Unternehmen auf die im jeweiligen Mitgliedstaat erzielten Umsätze ab.

Unternehmer, die in der EU Leistungen im steuerbaren oder steuerbefreiten Bereich erbringen, sind grundsätzlich steuerpflichtig. Nach den Artikeln 281­294 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten aber das Recht, für Kleinunternehmen eine Befreiung von der Steuerpflicht vorzusehen. Die meisten Mitgliedstaaten kennen eine derartige Kleinunternehmer-Regelung. So sind zum Beispiel nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht die Unternehmen von der Steuerpflicht befreit, wenn sie in Deutschland im vorangegangen Kalenderjahr nicht mehr als 17 500 Euro und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50 000 Euro Umsatz aus steuerbaren oder steuerbefreiten Leistungen erzielen (§ 19 Umsatzsteuergesetz; UStG). In den meisten EU-Ländern liegt die Umsatzgrenze für die Befreiung von der Steuerpflicht deutlich unter den in der Schweiz geltenden 100 000 Franken.

Einzig Frankreich, Irland und das Vereinigte Königreich haben ähnlich hohe Grenzwerte wie die Schweiz, wenn auch teilweise nur für bestimmte Arten von Leistungen.

Die Kleinunternehmer-Regelung gilt nach Artikel 283 Absatz 1 Buchstabe c MwStSystRL nur für diejenigen Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird. Unternehmen ohne Sitz und ohne Betriebsstätte im Mitgliedstaat werden somit ab dem ersten Euro Umsatz in diesem Mitgliedstaat steuerpflichtig. Nur Bulgarien und Zypern wenden die für inländische Unternehmen geltende Umsatzgrenze auch auf ausländische Unternehmen an.

In der Schweiz sind gegenwärtig nur die im Inland erzielten Umsätze massgebend für die Steuerpflicht. Indem nun auf die im In- und Ausland erzielten nicht von der Steuer ausgenommenen Umsätze abgestellt wird, werden ausländische Unternehmen in der Schweiz gleich behandelt wie schweizerische Unternehmen in der EU. Die Neuregelung der Steuerpflicht gilt für inländische und ausländische Unternehmen in gleicher Weise und beseitigt somit die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen.

3

ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

2625

Zudem werden dadurch weder die Bilateralen Verträge mit der EU noch die WTOVerpflichtungen der Schweiz verletzt (vgl. auch Ziff. 5.2) Mit der Steuerpflicht für ausländische Online-Händlerinnen und -Händler, die mit dem einfuhrsteuerfreien Versand von Paketen an Endkonsumentinnen und -konsumenten im Inland jährlich mehr als 100 000 Franken Umsatz erzielen, kommt der Schweiz eine Pionierrolle zu, die insbesondere von der OECD mit Interesse verfolgt wird. Im Rahmen des BEPS-Massnahmenplans will die OECD das Problem des Nutzens von Steuerbefreiungen als Geschäftsmodell ebenfalls angehen. Erste Empfehlungen, die in die gleiche Richtung weisen wie die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung, finden sich in den im September 2014 von der OEDC zu BEPS veröffentlichten Berichten4.

Im Bereich Gemeinwesen enthält Artikel 13 MwStSystRL Sonderregelungen für öffentliche Einrichtungen, soweit diese Einrichtungen Umsätze aus hoheitlichen Tätigkeiten erzielen. Für diese Tätigkeiten sind öffentliche Einrichtungen grundsätzlich nicht mehrwertsteuerpflichtig. Daher fallen Leistungen, die von einer öffentlichen Einrichtung in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger erbracht werden, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL). Von dieser Regel wird nur dann abgewichen, wenn die Behandlung der öffentlichen Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige zu «größeren Wettbewerbsverzerrungen» führen würde (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) oder sich die betreffenden Tätigkeiten auf einen in Anhang I der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie angeführten Bereich beziehen und der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL). Dieser Anhang deckt sich weitgehend mit den in Artikel 14 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 20095 (MWSTV) genannten unternehmerischen Leistungen von Gemeinwesen. Darüber hinaus können Mitgliedstaaten bestimmte, von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübte, von der Steuer ausgenommene Tätigkeiten als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, und damit als solche, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen (Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL). Eine generelle Steuerausnahme für Leistungen unter Gemeinwesen ist aber auch in der EU- Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht vorgesehen.

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch diese Vorlage wird einerseits die Motion WAK-N (13.3362) «Anpassungen des Mehrwertsteuergesetzes» erfüllt, die Anlass für diese Vorlage war. Weiter wird die Motion Cassis (12.4197) «Das Mehrwertsteuergesetz darf nicht toter Buchstabe bleiben. Eindämmung des unlauteren Wettbewerbs in den Grenzregionen» erfüllt, indem die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um mehrwertsteuerbedingte Wettbewerbsverzerrungen in den Grenzregionen weiter zu reduzieren (vgl. Erläuterungen zu Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a und 45 E-MWSTG). Wesentliche Forderungen der Motion Cassis werden bereits seit Anfang 2015 erfüllt, indem die Daten

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OECD (2014), Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing. Quelle: www.oecd-ilibrary.org > Catalogue > Books > OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project > Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy SR 641.201

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aus dem gestützt auf Artikel 6 des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 19996 (EntsG) betriebenen Online-Meldeverfahrens und des Zentralen Migrationsinformationssystems (ZEMIS) benutzt werden, um die Steuerpflicht ausländischer Unternehmen besser durchzusetzen. Ebenfalls erfüllt wird die Motion Hess (11.3185) «Artikel 89 Absatz 5 MWSTG ersatzlos streichen», die verlangt, dass die ESTV künftig Mehrwertsteuerforderungen in Zwangsvollstreckungsverfahren in öffentliche Register und auf Rechnungsrufe eingibt. Der Absatz soll jedoch nicht gestrichen, sondern der Sachverhalt positivrechtlich geregelt werden.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 3 Bst. g Diese Präzisierung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Gemäss langjähriger Praxis der ESTV können hoheitliche Tätigkeiten von Gemeinwesen auch auf Nichtgemeinwesen übertragen werden, ohne dass dadurch die Tätigkeit ihren hoheitlichen Charakter verliert, wenn folgende Voraussetzungen geben sind: Das delegierende Gemeinwesen ist rechtlich befugt, die Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Gewalt zu erbringen, die Ermächtigung zu deren Delegation (Beleihung) an übrige Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Personen oder private Organisationen ist gesetzlich geregelt und die Beliehenen sind ermächtigt, in Form einer Verfügung im Sinne von Artikel 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 19687 (VwVG) oder gleich lautender kantonaler verfahrensrechtlicher Bestimmungen im eigenen Namen nicht nur die notwendigen Massnahmen, sondern auch das dafür vom Verfügungsadressaten geschuldete Entgelt (Gebühr oder Beitrag) einzufordern. Als Beispiel ist etwa der Sachwalter oder die Sachwalterin im Zwangsvollstreckungsverfahren zu nennen.

Variante Bundesrat Art. 3 Bst. h Durch die Definition des Begriffs der eng verbundenen Person sollte im Rahmen der MWST-Reform 2010 Rechtssicherheit geschaffen werden. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass dieser Artikel zu eng gefasst ist, da als eng verbundene Personen bloss Inhaber und Inhaberinnen von massgebenden Beteiligungen am Kapital eines Unternehmens oder einer Personengesellschaft gelten. Die Definition im geltenden Recht schliesst im Grunde willkürlich aus, dass Stiftungen und Vereine eng verbundene Personen sein können. Mehrwertsteuerliche Regelungen sollten aber nicht an bestimmte Rechtsformen anknüpfen, sondern für alle Unternehmensformen identisch sein (Neutralitätsprinzip). Führt beispielsweise ein Unternehmen mit seinem Personal die Geschäfte einer von ihm gegründeten Stiftung, so sind diese Leistungen an die Stiftung grundsätzlich mit Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen.

Werden diese Geschäftsführungsleistungen unentgeltlich oder zu einem zu tiefen Preis erbracht, fällt auch die Mehrwertsteuer zu tief aus. Handelt es sich dabei um nahestehende Personen, kann die Bemessungsgrundlage anhand eines Drittvergleichs korrigiert werden («dealing at arm`s length»). Weshalb dies nur im Zusam6 7

SR 823.20 SR 172.021

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menhang mit Kapital- und Personengesellschaften, nicht aber bei Stiftungen und Vereinen geprüft werden können soll, ist nicht ersichtlich. Ob eine besonders enge wirtschaftliche, vertragliche oder personelle Beziehung vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden. Eine solche Prüfung erübrigt sich aber zum Vornherein, wenn die in Frage stehenden Leistungen zu marktüblichen Bedingungen erbracht werden.

Damit Unternehmen Leistungen ohne Taxe occulte an ihre beruflichen Vorsorgeeinrichtungen erbringen können, wird neu die Aufnahme von Vorsorgeeinrichtungen in eine Mehrwertsteuergruppe ermöglicht (vgl. Art. 15 Abs. 1 Bst. c E-MWSTG).

Die Beteiligung eng verbundener Personen oder diesen nahestehender Personen an einem Leistungsverhältnis ist Voraussetzung, um die Bemessungsgrundlage der Steuer einem Drittvergleich unterziehen zu können (Art. 24 Abs. 2 MWSTG) oder für Steuerbeträge unter 10 000 Franken das Meldeverfahren vorzuschreiben (Art. 38 Abs. 1 MWSTG).

Variante Konsultativgremium Art. 3 Bst. h Das Konsultativgremium schlägt vor, einen Schwellenwert beizubehalten und diesen für das Mehrwertsteuerrecht eigenständig zu definieren. Im Rahmen der Beratungen der Mehrwertsteuerreform 2010 hat das Parlament bewusst einen Schwellenwert eingeführt. Aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung tat es dies durch einen Verweis auf Artikel 69 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19908 über die direkten Steuern (DBG), der damals 20 Prozent betrug. Zwischenzeitlich wurde dieser Wert auf 10 Prozent reduziert. Sinn und Zweck dieser vom Parlament eingeführten Bestimmung war, eine Safe-Haven-Regel einzuführen und damit den Unternehmen Rechtssicherheit zu verschaffen. Erst wenn die Beteiligung eine bestimmte Grösse annimmt, soll untersucht werden, ob allenfalls der Preis anzupassen ist. Bei Leistungsempfängern und Leistungsempfängerinnen, deren Beteiligung am Leistungserbringer oder an der Leistungserbringerin diese Grösse nicht erreicht, soll auf den unter den Parteien vereinbarten Preis abgestellt werden können.

Art. 4 Abs. 2 und 3 Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die politischen Gemeinden Ramosch und Tschlin schlossen sich auf den 1. Januar 2013 nach Artikel 87 des Gemeindegesetzes des Kantons Graubünden (BR 175.050) zu der neuen Gemeinde Valsot zusammen. Valsot trat in die Rechtsverhältnisse
der bisherigen Gemeinden ein. Die Fusion hat keine Auswirkungen auf das Territorium des Zollausschlussgebiets, das die beiden Talschaften Samnaun und Sampuoir umfasst. Die Steuerbefreiung der Lieferungen nach Artikel 4 Absatz 1 MWSTG wird durch die Fusion somit nicht auf ein zusätzliches Gebiet ausgeweitet. Als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Tschlin leistet Valsot seit dem 1. Januar 2013 die Kompensation der auf ihrem Teil des Zollausschlussgebiets ausgeführten steuerfreien Lieferungen an den Bund.

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Art. 7 Abs. 2 und 3 Absatz 2: Diese Änderung entspricht der geltenden Praxis. Die bisherige Formulierung war im Wortlaut zu eng, da mit dem «Wohnort oder dem Ort, von dem aus er oder sie tätig wird» diejenigen Fälle nicht abgedeckt sind, wo weder ein Wohnort gegeben ist noch ein Ort, von dem aus eine Tätigkeit ausgeübt wird, wie dies beispielsweise bei Ferienwohnungen der Fall ist. Neu wird generell auf den Ort abgestellt, an dem die Energielieferung tatsächlich genutzt oder verbraucht wird. Aufgrund teleologischer Auslegung wurde das in der bisherigen Praxis bereits so gehandhabt. Keine Änderung erfolgt bezüglich des Orts der Energielieferung an Unternehmen mit Sitz oder Betriebstätte im Inland. Ergänzt wurde, dass diese Bestimmung auch für die Lieferung von Fernwärme gilt. Zudem wurde der zu enge Begriff Erdgas durch Gas ersetzt, damit nicht andere Formen von Gas wie beispielsweise Biogas willkürlich nicht erfasst sind. Es muss sich aber um Gas handeln, das anstelle von Erdgas verwendet wird und deshalb über das Erdgasverteilnetz geliefert wird. Eine vergleichbare Einschränkung findet sich auch in der europäischen Mehrwertsteuersystem-Richtlinie.

Absatz 3 Buchstabe a: Die sogenannte Unterstellungserklärung war bisher bloss in Artikel 3 MWSTV geregelt. Durch diese Ergänzung werden die Grundzüge der Unterstellungserklärung im Gesetz selbst genannt, die Details verbleiben auf Verordnungsstufe. Ausländische und inländische Unternehmen, die eine Bewilligung der ESTV haben, können Einfuhren in eigenem Namen vornehmen. Diesfalls sind sie selbst Importeur oder Importeurin und nicht der Lieferungsempfänger oder die Lieferungsempfängerin im Inland. Dies setzt voraus, dass diese Unternehmen im Inland steuerpflichtig sind und sie die Lieferungen ihrerseits mit Mehrwertsteuer weiterfakturieren. Dafür können sie die bezahlte Einfuhrsteuer grundsätzlich als Vorsteuer abziehen. Auf den Gebrauch der Unterstellungserklärung für einzelne Einfuhren kann bereits unter geltendem Recht verzichtet werden. Neu wird präzisiert, dass der Verzicht im Zeitpunkt der Einfuhr bekanntgegeben werden muss.

Denn laut Zollrecht sind allein die Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt der Einfuhr für die Bestimmung der importierenden Person und die Veranlagung der Einfuhrsteuer massgebend.

Absatz 3 Buchstabe b: Gegenstände, bei deren
Einfuhr ins Inland ein Steuerbetrag von maximal 5 Franken anfällt (Art. 53 Abs. 1 Bst. a MWSTG i.V.m. Art. 1 Bst. c der Verordnung des EFD vom 2. April 20149 über die steuerbefreite Einfuhr von Gegenständen in kleinen Mengen, von unbedeutendem Wert oder mit geringfügigem Steuerbetrag), können abgabenfrei eingeführt werden. Mit diesem Minimalsteuerbetrag wird sichergestellt, dass die administrativen Kosten für die Steuererhebung den Steuerertrag nicht übersteigen. Aufgrund der relativ niedrigen Steuersätze in der Schweiz können so aber in erheblichem Umfang Waren ohne Mehrwertsteuerbelastung auf den inländischen Markt gelangen: Bei zum reduzierten Satz von heute 2,5 Prozent steuerbaren Büchern und Zeitschriften beispielsweise bis zu einem Preis (inklusive Versandkosten) von 200 Franken, bei Gütern, die zum Normalsatz von 8 Prozent besteuert werden bis zu einem Preis (inklusive Versandkosten) von 62,50 Franken. Dies führt zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die inländischen Unternehmen. Um diese mehrwertsteuerbedingten Wettbewerbsverzerrungen weitgehend zu eliminieren, sollen deshalb Unternehmen, die in einem erheblichen Umfang solche Umsätze erzielen, diese Lieferungen im Inland versteuern müssen.

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Dies geschieht durch die Verlagerung des Ortes der Lieferungen ins Inland. Dadurch erbringen solche Unternehmen Leistungen im Inland und werden wie ein inländisches Unternehmen grundsätzlich steuerpflichtig.

Die Verlagerung des Leistungsortes ins Inland findet nur Anwendung auf Einfuhren, denen eine Lieferung mit Warenbewegung zugrunde liegt. Eine Lieferung mit Warenbewegung liegt der Einfuhr dann zugrunde, wenn eine Beförderung oder Versendung des Gegenstands zum Abnehmer oder der Abnehmerin oder in dessen oder deren Auftrag zu einer Drittperson erfolgt (Art. 7 Abs. 1 Bst. b MWSTG).

Folglich fällt die Abhollieferung nicht unter diese Regelung. Ebenfalls nicht betroffen ist die steuerfreie Einfuhr im Reiseverkehr, da in diesen Fällen der Abnehmer oder die Abnehmerin die Gegenstände persönlich am Ort der Lieferung in Empfang nimmt und danach selbst über die Zollgrenze ins Inland verbringt. Die steuerfreie Einfuhr von Geschenksendungen fällt schon deshalb nicht unter diese Bestimmung, weil bei Geschenksendungen die Beteiligten Privatpersonen sein müssen. Durch den Verweis auf Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe a MWSTG sind zudem alle steuerfreien Einfuhren explizit ausgeschlossen, die in anderen Buchstaben dieser Bestimmung geregelt sind. Durch die Bezugnahme auf den geringfügigen Betrag ist zudem klargestellt, dass alle anderen in der Verordnung des EFD vom 2. April 201410 über die steuerbefreite Einfuhr von Gegenständen in kleinen Mengen, von unbedeutendem Wert oder mit geringfügigem Steuerbetrag genannten Steuerbefreiungen ausgeschlossen sind.

Wettbewerbsverzerrungen treten in erster Linie bei Lieferungen an nicht steuerpflichtige Personen auf. Es wird aber darauf verzichtet, nur diesen Sachverhalt zu erfassen. Das ausländische Unternehmen muss somit nicht abklären, ob der Empfänger oder die Empfängerin steuerpflichtig ist. Details wie der Zeitpunkt, in dem sich der Leistungsort ins Inland verlagert, werden vom Bundesrat in der MWSTV geregelt.

Art. 10 Abs. 1, 1bis, 1ter, 2 und 2bis Absatz 1: Diese Änderung entspricht der geltenden Praxis. Der Verzicht auf die Befreiung von der Steuerpflicht nach Artikel 11 MWSTG ist grundsätzlich auch ohne die Erzielung eines Umsatzes möglich, sofern ein Unternehmen betrieben wird, wie dies beispielsweise bei im Aufbau befindlichen Unternehmen der Fall ist. Um
jedoch in der Schweiz steuerpflichtig und ins Mehrwertsteuerregister eingetragen zu werden, braucht es einen minimalen Bezug zum Inland. Der Inlandbezug war bis anhin lediglich in Artikel 8 MWSTV geregelt. Der neu eingefügte Artikel 10 Absatz 1 E-MWSTG definiert diesen Bezug zum Inland nun ausdrücklich auf Gesetzesstufe. Der Inlandbezug ist demnach gegeben, wenn ein Unternehmen Leistungen im Inland erbringt oder sich im Inland der Wohnsitz, von dem aus eine Person tätig wird, der Geschäftssitz oder eine Betriebsstätte befindet. Die im bisherigen Artikel 8 MWSTV zusätzlich genannte Anknüpfung an den Ort, von dem aus eine Person tätig wird, wird nicht ins Gesetz übernommen und in der Verordnung gelöscht, weil durch diese lose Anknüpfung der geforderte Inlandbezug eines Unternehmens unterminiert würde. Fehlt es hingegen an diesen Voraussetzungen, was beispielsweise bei Unternehmen mit Sitz im Ausland der Fall ist, die in der Schweiz weder eine Betriebsstätte haben noch Leistungen erbringen, ist eine Eintragung als 10

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steuerpflichtige Person nicht möglich. Im Inland anfallende Vorsteuern sind diesfalls auf dem Weg des Vergütungsverfahrens nach Artikel 107 Absatz 1 Buchstabe b MWSTG zurückzufordern.

Neu wird präzisiert, dass steuerpflichtig ist, wer die Leistungen mit seinem Unternehmen erbringt. Denn auch natürliche Personen, die als Einzelunternehmen steuerpflichtig sind, können nach wie vor Leistungen ausserhalb ihrer unternehmerischen Tätigkeit erbringen und müssen diese ­ wie jede andere Privatperson ­ nicht versteuern. Beispielsweise ist gemäss langjähriger Praxis der ESTV die Vermietung einer Ferienwohnung oder der Verkauf des Privatautos durch ein Einzelunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen nicht Teil der unternehmerischen Tätigkeit.

Aus gesetzesredaktionellen Gründen wurde der Vorbehalt zugunsten von Absatz 2 gestrichen. Der Artikel ist als eine Regelungseinheit zu verstehen, wobei sich Absätze 1 und 2 ergänzen und nicht ausschliessen.

Absatz 1bis: Dieser Absatz enthält den Regelungsgehalt des bisherigen Artikels 10 Absatz 1 zweiter Satz MWSTG und wurde aus gesetzessystematischen Gründen geschaffen, damit der Artikel nach Einfügung des Inlandbezugs (vgl. Abs. 1) übersichtlich gegliedert bleibt. Neu eingefügt wurde hingegen Buchstabe a zweiter Teilsatz, mit dem klargestellt wird, dass nicht als Entgelt geltende Mittelflüsse nach Artikel 18 Absatz 2 MWSTG auf das Betreiben eines Unternehmens keinen Einfluss haben. Damit erübrigt sich die bisherige 25/75 Prozent-Praxis der ESTV. Nach dieser Praxis fehlte es an der Ausrichtung auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen (vgl. Art. 10 Abs. 1 MWSTG) und somit an der Steuerpflicht, sofern die Aufwendungen für eine Tätigkeit dauerhaft nicht mindestens zu 25 Prozent durch Einnahmen aus Leistungen unternehmerischer Natur (exkl. Kapital- und Zinserträge), sondern zu mehr als zu 75 Prozent durch Nichtentgelte wie Subventionen, Spenden, Querfinanzierungen, Kapitaleinlagen gedeckt wurden, ohne dass hierfür ein konkreter unternehmerischer Grund bestand.

Die unternehmerische Tätigkeit und damit die Steuerpflicht ist auch dann gegeben, wenn die Finanzierung zu mehr als drei Viertel durch Nichtentgelte erfolgt. Ein Museum beispielsweise, das ganz überwiegend durch Spenden finanziert wird und nur zu einem kleinen Teil steuerbare Entgelte
(z. B. freiwillig versteuerte Eintritte) erwirtschaftet, hätte dieser Bestimmung zufolge bloss diese Entgelte zu versteuern, könnte aber auf der anderen Seite ­ beispielsweise für die Erstellung von Bauten ­ die entsprechenden Vorsteuern geltend machen, da das Betreiben eines Museums insgesamt als unternehmerische Tätigkeit anzuschauen ist und ­ bei freiwilliger Versteuerung der Eintritte ­ auch zur Steuerpflicht führt. Allerdings muss auch das Kriterium der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus Entgelt erfüllt sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Höhe des einzelnen Eintrittspreises sich im üblichen Rahmen bewegt, wenn es sich insbesondere nicht um bloss symbolische Eintrittspreise handelt. Auch für die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Entgelt ist jedoch unerheblich, welcher Anteil der Kosten des Unternehmens damit gedeckt werden kann.

Im Rahmen der MWST-Reform 2010 hatte der Gesetzgeber geregelt, dass Nichtentgelte ­ abgesehen von Subventionen der öffentlichen Hand ­ keinen Einfluss auf das Vorsteuerabzugsrecht eines Unternehmens haben (Art. 33 MWSTG). Hingegen wurde nicht festgelegt, was der Empfang von Nichtentgelten für die Qualifikation als unternehmerische oder nicht-unternehmerische Tätigkeit und somit für die Steu-

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erpflicht bedeutet. Dies führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, weshalb die ESTV die 25/75-Prozent-Regel festlegte.

Die Frage, ob ein Unternehmen, das überwiegend durch Nichtentgelte finanziert wird, durch jegliches Erbringen von Leistungen gegen Entgelt ­ insbesondere in sehr geringem Umfang ­ steuerpflichtig und damit vollumfänglich vorsteuerabzugsberechtigt wird, war vor der Reform 2010 von untergeordneter Bedeutung, da der Erhalt sämtlicher Nichtentgelte zu einer entsprechenden Kürzung des Vorsteuerabzugs führte. Unter dem geltenden Recht ist eine Kürzung des Vorsteuerabzugs lediglich beim Erhalt von Subventionen der öffentlichen Hand vorzunehmen (Art. 33 Abs. 2 MWSTG), nicht jedoch beispielsweise beim Erhalt von Spenden.

Unverändert bleibt die Praxis bezüglich karitativ tätiger Organisationen, die im Wesentlichen Spenden vereinnahmen. Durch das Vereinnahmen von Spenden und deren Weiterleitung zur Finanzierung von Hilfsprojekten werden keine Leistungen gegen Entgelt erbracht. Ist eine Tätigkeit einzig auf die Erzielung von NichtEntgelten ausgerichtet, ist gemäss Wortlaut des Gesetzes klar (Art. 3 Bst. c i.V.m.

Art. 10 Abs. 1 MWSTG), dass eine solche Tätigkeit die Steuerpflicht nicht auslösen kann, da kein Unternehmen betrieben wird (Urteil des BVGer A-5534/2013 vom 5. November 2014, E. 2.3.5). Somit fehlt es diesbezüglich an einer unternehmerischen Tätigkeit und infolgedessen auch an der Steuerpflicht. Es besteht keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug für Aufwendungen im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit.

Auch die Abgrenzung zwischen Liebhaberei und unternehmerischer Tätigkeit ist nach wie vor unter Einbezug aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Können und sollen mit einer Tätigkeit dauerhaft keine Überschüsse erwirtschaftet werden und steht dabei der öffentliche Nutzen nicht im Vordergrund, so ist von einer Liebhaberei auszugehen, die weder zur Steuerpflicht führt noch das Recht auf Vorsteuerabzug mit sich bringt. Mit in Betracht zu ziehen ist ebenfalls, ob die fragliche Tätigkeit wie eine vergleichbare berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Ein Besitzer von Oldtimern beispielsweise, der mit diesen gelegentlich entgeltlich Hochzeitsfahrten durchführt, erbringt zwar auch Leistungen gegen Entgelt, handelt dadurch aber nicht wie jemand, der dies beruflich oder gewerblich
tut. Kann der Gegenstand seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Zu diesem Zweck kann ein Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Gegenstand tatsächlich genutzt wird, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, vorgenommen werden. Auch wenn allein anhand der vom Nutzer erzielten Ergebnisse nicht ermittelt werden kann, ob die nachhaltige Erzielung von Einnahmen angestrebt wird, ist es angebracht, z. B.

die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen zu berücksichtigen (vgl. Urteil des EuGH vom 26. September 1996, Enkler, C230/94, Slg. 1996, I4517).

Absatz 1ter Die Regelung schreibt den bisher in Artikel 9 MWSTV enthaltenen Grundsatz unverändert auf Stufe Gesetz fest, wonach das Erwerben, Halten und Veräussern von qualifizierten Beteiligungen im Sinn von Artikel 29 Absätze 2 und 3 MWSTG eine unternehmerische Tätigkeit darstellt.

Absatz 2 Buchstabe a: Bisher war von der Steuerpflicht befreit, wer im Inland weniger als 100 000 Franken Umsatz aus steuerbaren Leistungen erzielt. Diese Regelung ist vor allem gegenüber ausländischen Unternehmen sehr grosszügig, da Leistungen 2632

im Inland bis 100 000 Franken jährlich mehrwertsteuerfrei erbracht werden dürfen.

Unternehmen mit Sitz im Ausland kann zudem kaum nachgewiesen werden, dass sie diese Umsatzgrenze überschreiten und in der Schweiz steuerpflichtig wären, was zu zusätzlichen Wettbewerbsverzerrungen führt. Die mit der MWST-Reform 2010 eingeführte Bezugsteuer auf Lieferungen im Inland, die nicht der Einfuhrsteuer unterliegen, hat sich im Vollzug als sehr schwierig erwiesen und hat die Wettbewerbsverzerrungen auch nicht zu reduzieren vermocht (vgl. Erläuterungen zu Art. 45 E-MWSTG).

Neu sollen deshalb Unternehmen, die im Inland Leistungen erbringen oder im Inland ansässig sind, nur noch dann von der Steuerpflicht befreit sein, wenn sie im In- und Ausland bzw. weltweit weniger als 100 000 Franken Umsatz mit nicht von der Steuer ausgenommenen Leistungen erzielen. Handelt es sich um ein ausländisches Unternehmen, sind dessen Umsätze nach dem schweizerischen Mehrwertsteuerrecht zu qualifizieren, also so, als ob sie im Inland erbracht worden wären. In der Praxis werden jedoch nur sehr wenige Unternehmen vertiefte Abklärungen vornehmen müssen: Dann nämlich, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das einerseits im steuerausgenommenen Bereich tätig ist und andererseits steuerbare Umsätze im Umfang von ungefähr 100 000 Franken aufweist. Diese Regelung gilt gleichermassen für inländische wie ausländische Unternehmen. Jedes Unternehmen, das im Inland Leistungen erbringt oder im Inland ansässig ist, wird somit grundsätzlich steuerpflichtig, sofern es nicht nachweist, dass es weltweit weniger als 100 000 Franken Umsatz aus nicht von der Steuer ausgenommenen Leistungen erzielt.

Das Abkommen vom 21. Juni 199911 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) sieht einen Rechtsanspruch auf die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen im anderen Vertragsstaat während höchstens 90 Tagen pro Kalenderjahr vor. EU/EFTA-Staatsangehörige können als selbstständig Erwerbende Leistungen erbringen und Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, zur Erbringung einer Leistung in einen anderen Vertragsstaat entsenden. Sie müssen ihren Einsatz
nach Artikel 6 EntsG in Verbindung mit Artikel 9 Abs. 1bis der Verordnung vom 22. Mai 200212 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP) vorgängig im Rahmen des Online-Meldeverfahrens anmelden. Diese Daten werden im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) gespeichert. Seit Dezember 2014 werden Leistungserbringer aus der EU/EFTA im Rahmen des Online-Meldeverfahrens über eine allfällige Mehrwertsteuerpflicht informiert und für weitere Abklärungen direkt auf die entsprechenden Internetseiten der Eidgenössischen Steuerverwaltung weitergeleitet (siehe Motion Cassis 12.4197). Unternehmen, die noch keine schweizerische Mehrwertsteuernummer haben, werden dort aufgefordert, in einer Liste den entsprechenden Grund anzuklicken und sich gegebenenfalls online als mehrwertsteuerpflichtig anzumelden.

Gestützt auf diese Angaben trifft die ESTV weitere Abklärungen. Ergeben die Abklärungen, dass sich ein in der Schweiz tätiges ausländisches Unternehmen nicht als mehrwertsteuerpflichtig angemeldet hat, obwohl es die Voraussetzungen dazu erfüllt, werden auf dem Amts- oder Rechtshilfeweg die erforderlichen weiteren Massnahmen in die Wege geleitet, um die Steuerpflicht durchzusetzen.

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SR 0.142.112.681 SR 142.203

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Das Abkommen vom 26. Oktober 200413 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (Betrugsbekämpfungsabkommen) ist noch nicht in Kraft getreten. Die Schweiz hat das Abkommen am 23. Oktober 2008 ratifiziert und wendet es seit Januar 2009 vorzeitig gegenüber denjenigen EU-Mitgliedstaaten an, die das Abkommen ebenfalls ratifiziert und eine Erklärung über eine vorzeitige Anwendung abgegeben haben. Bei der Amts- und Rechtshilfe ist daher entscheidend, ob das Land, in dem die steuerpflichtige Person ihren Sitz hat, das Abkommen bereits ratifiziert hat und provisorisch anwendet. Ratifiziert und provisorisch angewandt wird das Abkommen beispielsweise von Deutschland und Frankreich. Somit können dort auf dem Amtshilfeweg nicht nur Beweismittel beschafft, sondern es kann auch die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmassnahmen verlangt werden, wenn der Betrag der hinterzogenen Steuern 25 000 Euro übersteigt. In Italien und Österreich hingegen, wo das Betrugsbekämpfungsabkommen zwar ratifiziert ist, aber nicht provisorisch angewandt wird, können dort ansässige Personen bloss im Rahmen eines Strafverfahrens auf dem Rechtshilfeweg gestützt auf die Schengen-Assoziierungsabkommen belangt werden.

Absatz 2 Buchstabe b Ziffer 1: Damit wird eine Inkongruenz innerhalb des geltenden Rechts beseitigt. Die Vergütung der Vorsteuern auf dem Weg des Vergütungsverfahrens setzt unter anderem voraus, dass die anspruchstellende Person nicht im Inland steuerpflichtig ist, weshalb sie im Inland auch keine Leistungen erbringen darf (vgl. Art. 151 Abs. 1 MWSTV). In Artikel 151 Absatz 2 Buchstabe a MWSTV wird jedoch ausdrücklich gesagt, dass Beförderungen im Inland, die nach Artikel 23 Absatz 2 Ziffern 5­7 MWSTG von der Steuer befreit sind, dem nicht entgegenstehen. Diese Regelung kommt unter bisherigem Recht nur zur Anwendung, wenn mit solchen Beförderungsleistungen die Umsatzgrenze für die Befreiung von der Steuerpflicht nicht überschritten wird. Andernfalls löst dies die Steuerpflicht im Inland aus und die Vergütung der Vorsteuer im Vergütungsverfahren ist nicht mehr möglich.

Neu sollen aus verwaltungsökonomischen
Gründen nicht nur steuerfreie Beförderungsleistungen, sondern sämtliche von der Steuer befreiten Leistungen das Vergütungsverfahren nicht ausschliessen. Damit Unternehmen jedoch nicht wegen Überschreitens der Umsatzgrenze von 100 000 Franken steuerpflichtig werden und somit das Vergütungsverfahren wieder ausgeschlossen würde, wurde die vorliegende neue Befreiung von der Steuerpflicht ins Gesetz aufgenommen. Solche Unternehmen haben aber nach Artikel 11 MWSTG nach wie vor die Möglichkeit, auf die Befreiung von der Steuerpflicht zu verzichten, um die Vorsteuerguthaben in den ordentlichen Abrechnungen geltend zu machen.

Absatz 2 Buchstabe b Ziffer 2: Nach dem geltenden Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b MWSTG sind Unternehmen mit Sitz im Ausland von der Steuerpflicht befreit, wenn sie ausschliesslich der Bezugsteuer unterliegende Leistungen erbringen. Nach dem bisherigen Artikel 45 Absatz 1 MWSTG findet die Bezugsteuer Anwendung auf Dienstleistungen, die nach Artikel 8 Absatz 1 MWSTG am Empfängerort zu versteuern sind. Erbringen Unternehmen mit Sitz im Ausland ausschliesslich solche Leistungen, werden sie folglich auch bei Erreichen der Umsatzgrenze von 100 000 Franken nicht steuerpflichtig. Stattdessen ist die Mehrwertsteuer auf diesen Leistun13

SR 0.351.926.81

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gen durch die leistungsempfangende Person im Inland mittels der Bezugsteuer abzurechnen.

Die grosse Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten ist sich nicht bewusst, dass auch sie infolge des Bezugs von Lieferungen, die nicht der Einfuhrsteuer unterliegen mehrwertsteuerpflichtig werden können. Damit sie keine bösen Überraschungen erleben, hatte der Gesetzgeber die ESTV verpflichtet, bezugsteuerpflichtige Personen vorgängig über ihre Bezugsteuerpflicht zu informieren (Art. 45 Abs. 2 Bst. b MWSTG). In der Praxis hat sich gezeigt, dass die ESTV auch mit Unterstützung der Grenzzollstellen praktisch nie an die erforderlichen Informationen gelangt, um bezugsteuerpflichtige Personen vorgängig zu informieren. Weiter erschwerend kommt hinzu, dass nicht bereits steuerpflichtige Personen erst ab einem Leistungsbezug von mehr als 10 000 Franken pro Jahr die Bezugsteuer abrechnen müssen. In der Praxis ist die Bezugsteuer auf Lieferungen im Inland deshalb weitgehend wirkungslos geblieben. Aus diesem Grund drängt es sich auf, die Steuerpflicht auf Unternehmen mit Sitz im Ausland auszudehnen. Durch die Anwendung der 100 000 Franken-Umsatzgrenze auf die in- und ausländischen Umsätze eines Unternehmens entschärft sich die bisherige Vollzugsproblematik insofern, als Unternehmen, die im Inland Lieferungen erbringen, grundsätzlich wie schweizerische Unternehmen steuerpflichtig werden und nicht mehr darauf spekulieren können, dass das Überschreiten der 100 000 Franken Umsatzgrenze im Inland mangels Möglichkeit von Kontrollen am ausländischen Sitz des Unternehmens kaum nachweisbar ist (vgl.

Art. 10 Abs. 2 Bst. a MWSTG).

Nur noch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die ausschliesslich am Empfängerort im Inland zu versteuernde Dienstleistungen erbringen, sind weiterhin unabhängig von der Umsatzgrenze von 100 000 Franken von der Steuerpflicht befreit. Von dieser Befreiung von der Steuerpflicht nicht umfasst sind wie bisher Unternehmen, die Telekommunikations- und elektronische Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Personen erbringen. Andernfalls würden Dienstleistungen wie das entgeltliche Zurverfügungstellen von Inhalten via Internet gegenüber der Endkundschaft nie von der Mehrwertsteuer erfasst, da wohl die wenigsten Personen für mehr als 10 000 Franken jährlich solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen und somit
die Bezugsteuer abzurechnen hätten.

Absatz 2 Buchstabe b Ziffer 3: Damit die Schweiz als Standort für den internationalen Stromhandel keinen Nachteil erleidet, lösen Stromlieferungen von ausländischen Unternehmen an steuerpflichtige Personen im Inland nicht die Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens aus, sondern unterliegen wie bisher der Bezugsteuer.

Sie werden neu aber in Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe d E-MWSTG geregelt.

Stromlieferungen an nicht steuerpflichtige Personen im Inland hingegen führen wie bis anhin zur Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens, damit inländische Stromlieferanten keinen mehrwertsteuerbedingten Wettbewerbsnachteil erleiden.

In Absatz 2 Buchstabe c wurde ebenfalls klargestellt, dass für die Umsatzgrenze von 150 000 Franken für ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine sowie für gemeinnützige Organisationen nicht bloss die Umsätze im Inland, sondern wie bei Buchstabe a auch jene im Ausland massgeblich sind.

Absatz 2bis: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die Art der Umsatzberechnung war bisher in den Buchstaben a und c mit identischem Wortlaut enthalten. Um diese Wiederholung zu vermeiden, wird diese Regelung in einen eigenen Absatz ausgegliedert.

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Art. 12 Abs. 3 Bisher wurden Gemeinwesen obligatorisch steuerpflichtig, wenn sie mindestens 25 000 Franken Umsatz aus Leistungen an Nichtgemeinwesen und zudem insgesamt mehr als 100 000 Franken Umsatz aus Leistungen an Gemeinwesen und Nichtgemeinwesen erzielten. Die zusätzliche, tiefere Limite wurde bisher damit begründet, dass nicht die Gemeinwesen als Ganzes, sondern bloss ihre einzelnen, unternehmerisch tätigen Dienststellen steuerpflichtig werden, was bei Leistungen gegenüber Nichtgemeinwesen eine tiefere Umsatzgrenze für die Steuerpflicht rechtfertige. Die Beachtung der beiden Umsatzgrenzen für die Steuerpflicht durch Dienststellen, die (auch) unternehmerische Leistungen erbringen, ist administrativ aufwendig und lässt sich sachlich nur bedingt rechtfertigen, da Gemeinwesen aufgrund der rechtlichen und politischen Vorgaben kaum die Möglichkeit zur steuerplanerischen Ausgestaltung von Dienststellen haben. Aus Vereinfachungsgründen wird deshalb die bisherige zusätzliche Limite von 25 000 Franken aufgehoben. Folglich wird ein Gemeinwesen erst obligatorisch steuerpflichtig, wenn der Umsatz aus Leistungen an Nichtgemeinwesen mindestens 100 000 Franken beträgt. Erbringt ein Gemeinwesen für weniger als 100 000 Franken Leistungen an Nichtgemeinwesen, sind alle Leistungen an andere Gemeinwesen unabhängig von der Höhe des damit erzielten Umsatzes mangels subjektiver Steuerpflicht nicht zu versteuern.

Wie bisher findet diese Regelung nur auf Gemeinwesen beziehungsweise ihre Dienststellen und die übrigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts Anwendung.

Als übrige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten die dem öffentlichen Recht unterstellten Organisationsformen wie in- und ausländische öffentlich-rechtliche Körperschaften (z. B. Zweckverbände), öffentlich-rechtliche Anstalten und Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit und als Auffangtatbestand einfache Gesellschaften von Gemeinwesen (vgl. Art. 12 MWSTV). Bei Letzteren handelt es sich um die analoge Anwendung von Privatrecht als ergänzendes öffentliches Recht.

Dem Privatrecht unterstehende Organisationseinheiten der Gemeinwesen (z. B. ausgelagerte Betriebe in Form von Aktiengesellschaften, Zusammenschlüsse von Gemeinwesen in Form von Vereinen) sind mangels öffentlich-rechtlicher Regelung keine übrigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts
und fallen deshalb nicht unter diese Bestimmung. Das heisst, dass privatrechtlich organisierte Organisationseinheiten der Gemeinwesen wie bisher auch für Leistungen steuerpflichtig werden, die sie ausschliesslich an Gemeinwesen erbringen, sofern nicht die Steuerausnahme nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 E-MWSTG greift.

Art. 14 Abs. 1 und 2 Artikel 14 Absatz 1 regelt neu, in welchem Zeitpunkt sich ein ausländisches Unternehmen in der Schweiz als steuerpflichtige Person registrieren lassen muss und darf.

Im Unterschied zu im Inland ansässigen Unternehmen, bei denen die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit hinreichend ist, müssen Unternehmen ohne Ansässigkeit im Inland abgesehen von ihrer unternehmerischen Tätigkeit zudem Leistungen im Inland erbringen. Fehlt es an Leistungen im Inland, können solche Unternehmen die sie im Inland belastende Mehrwertsteuer bloss mittels des Vergütungsverfahrens zurückfordern. Ausländische Unternehmen müssen sich in der Schweiz als steuerpflichtige Personen registrieren, wenn sie erstmals Leistungen in der Schweiz erbringen. Die Registrierung erfolgt nicht rückwirkend auf den Beginn des Kalenderjahres, sondern auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung. Als Zeitpunkt der Leistungserbringung wird in erster Line auf das Rechnungsdatum abgestellt. Soll die 2636

Eintragung bereits vorher erfolgen, kann der Zeitpunkt der Leistungserbringung mit geeigneten Beweismitteln wie Verträgen nachgewiesen werden. Bis zum Zeitpunkt der Eintragung steht den Unternehmen das Vergütungsverfahren offen.

Artikel 14 Absatz 2 regelt das Ende der Steuerpflicht ausländischer Unternehmen.

Eine Löschung kann auf Ende des Kalenderjahres erfolgen, in dem letztmals eine Leistung im Inland erbracht wurde. Steuerpflichtige Personen müssen sich spätestens mit der Finalisierung der letzten Steuerperiode abmelden, in der sie noch Leistungen im Inland erbracht haben. Meldet sich eine steuerpflichtige Person nicht ab und stellt sich heraus, dass in der folgenden Steuerperiode keine Leistungen mehr im Inland erbracht wurden, so erfolgt eine Löschung rückwirkend auf das Ende des Kalenderjahres, in dem letztmals Leistungen erbracht wurden. Insbesondere gegenüber steuerpflichtigen Personen, die mangels Gegenrecht das Vergütungsverfahren nicht anwenden können, führt dies zur Rückforderung zwischenzeitlich geltend gemachter Vorsteuern.

Art. 15 Abs. 1 Bst. c und 4 Absatz 1 Buchstabe c: Bei der Gruppenbesteuerung sollen Vorsorgeeinrichtungen und die Einrichtungen, die nach ihrem Zweck der beruflichen Vorsorge dienen, wie Freizügigkeitseinrichtungen und Einrichtungen für anerkannte Vorsorgeformen nach Artikel 82 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198214 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) (Vorsorgeeinrichtungen) neu nicht mehr der solidarischen Haftung für sämtliche von der Gruppe geschuldeten Steuern unterliegen.

Bei Inkrafttreten der MWST-Reform 2010 schloss Artikel 16 Absatz 3 MWSTV Vorsorgeeinrichtungen noch generell von der Gruppenbesteuerung aus. Mit Urteil vom 16. August 201315 kam das Bundesgericht zum Schluss, dass sich diese Verordnungsbestimmung auf keine genügende gesetzliche Grundlage stützt. Insbesondere wenn die Vorsorgeeinrichtung die übrigen Unternehmen in der Mehrwertsteuergruppe beherrscht und diese gegenüber Dritten keine Leistungen erbringen, stehe die solidarische Haftung für die Mehrwertsteuerschulden der Gruppe nicht in Konflikt mit der vorsorgerechtlichen Vorschrift, wonach das Vermögen einer Vorsorgeeinrichtung dauerhaft dem Vorsorgezweck gewidmet und dem Zugriff Dritter, insbesondere des Arbeitgebers, wirksam entzogen sein muss
(Verselbständigungspflicht, Art. 11 und 48 BVG). Aufgrund dieses Urteils wurde Artikel 16 Absatz 3 MWSTV per 1. Januar 2015 aufgehoben und die Anwendung der Gruppenbesteuerung auf Vorsorgeeinrichtungen entsprechend dem Urteil des Bundesgerichts zugelassen.

Wegen der Verselbständigungspflicht dürfen Vorsorgeeinrichtungen auch künftig bloss als leitendes und nicht als geleitetes Unternehmen auftreten, was insbesondere die Aufnahme von Vorsorgeeinrichtungen in die Mehrwertsteuergruppe des stiftenden Unternehmens ausschliessen würde.

Absatz 4: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Da der Begriff Eidgenössische Steuerverwaltung nun bereits in Artikel 7 Absatz 3 MWSTG eingeführt wird, ist in diesem Artikel die Abkürzung ESTV ausreichend.

14 15

SR 831.40 2C_153/2013

2637

Variante Bundesrat Art. 19 Abs. 2 zweiter Satz Diese Ergänzung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Der Bundesrat schlägt vor, die bisher bloss in Artikel 32 MWSTV enthaltene Bestimmung auf Gesetzesstufe festzuschreiben, wonach die 70/30-Prozent-Regel ausschliesslich auf Leistungskombinationen von ausgenommenen und steuerbaren Leistungen sowie auf die Kombinationen von Leistungen mit verschiedenen Steuersätzen anwendbar ist, wenn diese im Inland erbracht werden. Werden innerhalb einer Leistungskombination Leistungen zu mehr als 70 Prozent im Ausland erbracht, führt dies somit nicht auch zu einer Steuerbefreiung der in der Kombination enthaltenen Inlandleistungen. Bloss die im Ausland erbrachten Leistungen sind von der Steuer befreit. Gleiches gilt im umgekehrten Fall: Werden die Leistungen zu mehr als 70 Prozent im Inland erbracht, bleiben die restlichen, im Ausland erbrachten Leistungen von der Steuer befreit. Dadurch können Doppelbesteuerungen und doppelte Nichtbesteuerungen sowie eine Verletzung des Territorialitätsprinzips durch Besteuerung von Leistungen im Ausland verhindert werden.

Variante Konsultativgremium Art. 19 Abs. 2 zweiter Satz Das Konsultativgremium schlägt vor, diese Änderung zu streichen, da kein dogmatisch nachvollziehbarer Grund besteht, weshalb die Vereinfachungsregelung von Artikel 19 Absatz 2 MWSTG hinsichtlich der Festlegung des Ortes der Leistung eingeschränkt werden soll.

Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2, 3, 8, 11, 14, 16, 17, 18, 21 Bst. c, 25, 28, 28bis, 30 und 31, Abs. 6 und 7 Die Ziffern 2 und 3 betreffen nur den französischen Text (sprachliche Präzisierung).

Ziffer 8: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Es handelt sich um eine rein redaktionelle Korrektur.

Ziffer 11: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der bisherigen Beurteilung durch die ESTV. Die Gegenausnahme für gastgewerbliche und Beherbergungsleistungen, die im Rahmen von Leistungen im Bereich der Bildung und Erziehung erbracht werden, steht im Konflikt mit der in Artikel 19 Absatz 2 MWSTG enthaltenen allgemeinen Regelung für Leistungskombinationen: Sofern Leistungskombinationen zu einem Gesamtentgelt erbracht werden und die überwiegende Leistung wertmässig mindestens 70 Prozent des Gesamtentgeltes ausmacht, kann die gesamte Leistungskombination steuerlich einheitlich nach der überwiegenden
Leistung behandelt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese im Rahmen der MWST-Reform 2010 ins Gesetz eingefügte neuere Regelung aufgrund des Vereinfachungsgedankens für alle Leistungskombinationen im Inland gelten. Es wurde allerdings unterlassen, gleichzeitig die vorliegende Bestimmung anzupassen. Bei der in Ziffer 11 enthaltenen Regelung für gastgewerbliche und Beherbergungsleistungen, die in Kombination mit Bildungs- und Erziehungsleistungen erbracht werden, handelt es sich somit nicht um eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Regelung von Artikel 19 Absatz 2 MWSTG. Die ESTV hat Ziffer 11 seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits in diesem Sinn ausgelegt.

2638

Ziffer 14 Einleitungssatz: Diese Streichung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Der Vorbehalt in Ziffer 14, wonach dem Publikum unmittelbar erbrachte kulturelle Dienstleistungen nur von der Steuer ausgenommen sein sollen, wenn für diese ein besonderes Entgelt verlangt wird, schliesst die Anwendung der in Artikel 19 Absatz 2 MWSTG enthaltenen Regelung für Leistungskombinationen aus, da diese nur angewendet werden kann, wenn die Leistungskombination zu einem Gesamtentgelt angeboten wird. Dieser in Ziffer 14 enthaltene Vorbehalt des besonderen Entgelts sollte jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die allgemeine Regelung für Leistungskombinationen ausschliessen. Die ESTV hat Ziffer 14 seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits in diesem Sinn ausgelegt.

Ziffer 14 Buchstabe b: Mit diesen Ergänzungen wird der Regelungsgehalt von Artikel 36 Absatz 1 MWSTV ohne Änderung der Rechtslage ins Gesetz überführt.

Unter die Steuerausnahme fallen nicht nur die Darbietungen von Künstlern und Künstlerinnen selbst, sondern ebenso die Leistungen von Personen, die an diesen Darbietungen künstlerisch mitwirken, ohne vor dem Publikum aufzutreten. Dabei handelt es sich beispielsweise um Regie, Choreographie, Bühnen-, Kostüm- und Maskenbild, Licht- und Tongestaltung und Ähnliches. Dies wird zum Ausdruck gebracht, indem nicht bloss von «unmittelbar erbrachten», sondern neu auch von «unmittelbar wahrnehmbaren» Leistungen die Rede ist. Nicht darunter fallen hingegen Leistungen, bei denen das Künstlerische nicht im Vordergrund steht wie die Regieassistenz, das Moderieren, Soufflieren, Beleuchten und dergleichen. In Artikel 36 Absatz 1 MWSTV waren diese Leistungen bisher mittels eines Verweises auf Artikel 33 Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 199216 (URG) in die Ausnahmebestimmung integriert worden. Auf die Übernahme dieses Verweises wird verzichtet, um keine Wertungswidersprüche zum URG zu schaffen. Beispielsweise sind wie bereits unter geltender Praxis die Discjockeys, Zirkusartisten, Dompteure und Zauberer den ausübenden Künstlern gemäss dieser Ausnahmebestimmung gleichgestellt, obwohl diese in der Regel nicht als ausübende Künstler im Sinne des URG gelten.

Ziffer 16: Mit dieser Ergänzung wird der Regelungsgehalt von Artikel 36 Absatz 2 MWSTV ins Gesetz überführt. Sie stellt klar, dass nicht
nur die Werke kultureller Natur der unmittelbaren Urheber und Urheberinnen von der Steuer ausgenommen sind, sondern ebenso die Werke kultureller Natur der Urheber und Urheberinnen zweiter Hand nach Artikel 3 URG. Kulturelle Werke zweiter Hand sind geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter, die unter Verwendung von bereits bestehenden Werken kultureller Natur vom mittelbaren Urheber oder von der mittelbaren Urheberin so geschaffen werden, dass die bereits bestehenden verwendeten Werke kultureller Natur in ihrer Individualität erkennbar bleiben. Solche Werke sind insbesondere Übersetzungen sowie audiovisuelle und andere Bearbeitungen (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 URG). Wie bisher fallen jedoch nicht alle vom URG umfassten Werke auch unter diese Steuerausnahme, da sich die Steuerausnahme ausschliesslich auf Werke kultureller Natur beschränkt. Deshalb sind beispielsweise Computerprogramme wie System- und Anwendungssoftware oder auch Übersetzungen von Gebrauchstexten nicht von dieser Steuerausnahme erfasst, selbst wenn sie nach URG urheberrechtlich geschützt sind.

Ziffer 17: Diese Ergänzung führt zu keiner Änderung der Rechtslage gemäss geltender Praxis, sondern stellt klar, dass auch Leistungen im Rahmen von Veranstaltun16

SR 231.1

2639

gen des nichtgewinnstrebigen Kulturschaffens von der Steuer ausgenommen sind.

Gemäss geltender Praxis der ESTV betrifft dies insbesondere kleine Lotterien und Tombolas: Da es sich bei derartigen Lotterien und Tombolas ausschliesslich um Glücksspiele im Rahmen einer geselligen Veranstaltung handelt, fallen sie ebenfalls unter die Steuerausnahme für Leistungen im Rahmen von Veranstaltungen von Einrichtungen, die im Übrigen nicht steuerbare Leistungen erbringen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 17 MWSTG).

Ziffer 18 Buchstabe a: Diese Änderungen führen zu keiner Änderung der Rechtslage und sind rein terminologischer Natur.

Ziffer 18 Buchstabe b: Der Begriff der Sozialversicherungen ist weit zu verstehen und umfasst die fünf Bereiche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Dreisäulensystem), Schutz vor Folgen einer Krankheit und eines Unfalls, Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, Arbeitslosenversicherung sowie Familienzulagen. Auf die beispielhafte Nennung einiger Versicherungszweige im Gesetz wurde deshalb verzichtet. Neu fallen auch bisher unter Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 8 MWSTG subsumierte Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), der Invalidenversicherung (IV), der Arbeitslosenversicherung (ALV) und der Erwerbsersatzordnung (EO) unter diese Ausnahmeziffer, was gesetzessystematisch klarer ist. Dadurch wird auch Artikel 37 MWSTV überflüssig, der festhält, dass Umsätze von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge unter Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 18 E-MWSTG fallen.

Ziffer 18 Buchstabe c: Ebenfalls abgelöst werden Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 25 MWSTG sowie die Übergangsbestimmung vom 19. März 201017, mit denen Leistungen von AHV-Ausgleichskassen und Leistungen der Durchführungsorgane der Arbeitslosenversicherungen untereinander sowie Leistungen aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Aufgaben im Bereich der Prävention der Steuerausnahme unterstellt wurden. Neu sind die Leistungen aller Einrichtungen der Sozialversicherung untereinander, die Leistungen von sogenannten Durchführungsorganen aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Aufgaben im Bereich der Prävention sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung von der Steuer ausgenommen. Damit wird die Gleichbehandlung aller Sozialversicherungsträger gewährleistet und die Zusammenarbeit der Einrichtungen der Sozialversicherung
erleichtert. Da gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung18 Organisationen, die sich mit Prävention befassen, nicht als Einrichtung der sozialen Sicherheit gelten, müssen neben diesen Einrichtungen auch die sogenannten Durchführungsorgane im Bereich der Sozialversicherung ausdrücklich genannt werden, um von der Ausnahmebestimmung umfasst zu werden. Um ein Durchführungsorgan handelt es sich, wenn einer Organisation die Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Präventionsaufgaben übertragen wurde und zudem gesetzlich ausdrücklich geregelt ist, wie diese Präventionsarbeit finanziert wird. In der Praxis findet diese erweiterte Steuerausnahme hauptsächlich Anwendung im Berufsunfallbereich, im Nichtberufsunfallbereich und im Gesundheitsbereich.

­

17 18 19 20

Im Berufsunfallbereich profitiert davon die Präventionstätigkeit der Durchführungsorgane des Arbeitsgesetzes vom 13. März 196419 (ArG) und des Bundesgesetzes vom 20. März 198120 über die Unfallversicherung (UVG).

AS 2011 1167; BBl 2008 7733 Urteil des Bundesgerichts vom 30. September 2003, 2A.405/2002 SR 822.11 SR 832.20

2640

Konkret handelt es sich nach geltendem Recht um die SUVA, die kantonalen Arbeitnehmerschutzbehörden und Arbeitsinspektorate, das SECO und die folgenden sechs Fachorganisationen: Eidgenössisches Starkstrominspektorat ESTI, Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW, Schweizerischer Verein für Schweisstechnik SVS, Schweizerischer Verein für technische Inspektionen SVTI, Stiftung Agriss sowie die Beratungsstelle für Arbeitssicherheit BfA (vgl. Art. 85 und 87 UVG).

­

Im Nichtberufsunfallbereich findet die Steuerausnahme Anwendung auf die Präventionstätigkeit der Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU sowie auf die Präventionstätigkeit des Schweizerischen Versicherungsverbandes SSV, sofern diese aus den gesetzlich vorgesehenen Prämienzuschlägen finanziert ist (vgl. Art. 88 UVG).

­

Im Gesundheitsbereich findet die Steuerausnahme Anwendung auf die Präventionstätigkeit der Gesundheitsförderung Schweiz sowie auf die Präventionstätigkeit nach kantonalen Gesetzen, sofern diese aus den gesetzlich vorgesehenen Prämienzuschlägen finanziert ist (vgl. Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 18. März 199421 über die Krankenversicherung; KVG).

Alle diese Präventionstätigkeiten werden über gesetzlich vorgeschriebene Zuschläge auf den Prämien der entsprechenden Versicherungen finanziert. Damit ist auch das Anliegen der parlamentarischen Initiative Triponez (02.413) erfüllt, die Massnahmen zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten seitens der Durchführungsorgane des Arbeitsgesetzes und der SUVA von der Steuer ausnehmen will.

Ziffer 18 Buchstabe d: Der geltenden Praxis entsprechend ist die Steuerausnahme für Versicherungsvertreter oder Versicherungsvertreterinnen beziehungsweise für Versicherungsmakler oder Versicherungsmaklerinnen nicht auf den Bereich der Privatversicherungen beschränkt, sondern findet auch im Bereich der Sozialversicherungen Anwendung.

Ziffer 21 Buchstabe c: Mit dieser Änderung wird die mehrwertsteuerliche Behandlung der Vermietung von Parkplätzen vereinfacht, indem das Abgrenzungskriterium des Gemeingebrauchs gestrichen wird. Neu stellt jede Bewirtschaftung von Parkplätzen eine steuerbare Leistung dar. Insbesondere für gebührenpflichtige Parkplätze im Strassenraum entfällt dadurch die Steuerausnahme. Diese werden nun steuerlich gleich behandelt wie die Vermietung von Parkplätzen in Parkhäusern oder auf Parkplätzen von Einkaufszentren, Verwaltungsgebäuden, Schulen, Spitälern und dgl.

und führt damit auch zum Abbau von Wettbewerbsverzerrungen. Keine Rolle spielt auch die Mietdauer: Sowohl das Kurzzeitparkieren für 30 Minuten als auch die mehrjährige Vermietung eines Einstellhallenplatzes unterliegen der Mehrwertsteuer.

Dies gilt ebenso für sämtliche Dauerparkbewilligungen für öffentliche und private Parkplätze. Unverändert bleibt die Steuerausnahme für Parkplätze, die nur gemeinsam mit einer von der Steuer ausgenommenen Vermietung einer Immobilie vermietet werden. Ebenfalls unverändert gelten als Plätze für das Abstellen von Fahrzeugen jegliche markierten und unmarkierten Plätze. Als solche Plätze kommen Einzelgaragen, offene oder abschliessbare Garagenboxen, Einstellhallenplätze (beispielsweise in Tiefgaragen oder Parkhäusern), Autounterstände und dergleichen in Frage, aber auch Boots- und Trockenplätze (beispielsweise auf Wiesen, Kies- und Sandplätzen und in Gebäuden). Als Fahrzeuge gelten hauptsächlich Automobile, Motorräder, 21

SR 832.10

2641

Motorfahrräder, Fahrräder, Anhänger, Bau- und landwirtschaftliche Maschinen, aber auch Boote und Flugzeuge.

Ziffer 25: Der Regelungsgehalt dieser Ziffer wurde vollumfänglich in Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 18 E-MWSTG überführt.

Ziffer 28 Buchstabe a entspricht im Wesentlichen dem bisher in Ziffer 28 enthaltenen Regelungsgehalt. Organisationseinheiten des gleichen Gemeinwesens werden in Anlehnung an die heute in Artikel 38 MWSTV enthaltene Regelung in Absatz 6 definiert. Diese Definition hat auch für die Buchstaben b und c Geltung.

Ziffer 28 Buchstaben b und c: Um die Zusammenarbeit unter verschiedenen Gemeinwesen mehrwertsteuerlich zu entlasten, sind neu auch Leistungen zwischen Gesellschaften, an denen nur Gemeinwesen beteiligt sind, und den beteiligten Gemeinwesen sowie zwischen Anstalten und Stiftungen, die ausschliesslich von Gemeinwesen gegründet wurden, und den an der Gründung beteiligten Gemeinwesen von der Steuer ausgenommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gemeinwesen als Ganzes oder eine seiner Organisationseinheiten die Leistung erbringt oder empfängt. Für Leistungen an nicht beteiligte Gemeinwesen gilt diese Steuerausnahme nicht.

Ziffer 28bis: Eine Erleichterung der Zusammenarbeit der Gemeinwesen bringt auch die Steuerausnahme für das Zurverfügungstellen von Personal unter Gemeinwesen, da das Zurverfügungstellen von Personal unabhängig des Einsatzzwecks eine unternehmerische Tätigkeit der Gemeinwesen darstellt. Der Anwendungsbereich der vorliegenden Steuerausnahme ist jedoch bloss auf bereits subjektiv steuerpflichtige Organisationseinheiten der Gemeinwesen beschränkt, da der Personalverleih unter Gemeinwesen durch eine nicht steuerpflichtige Organisationseinheit bereits unter geltendem Recht von der Steuer ausgenommen ist. Lediglich der Personalverleih an Nichtgemeinwesen ist steuerpflichtig und kann ­ bei Überschreiten der massgebenden Umsatzgrenze ­ zur subjektiven Steuerpflicht führen. Nicht von dieser Ausnahme erfasst sind hingegen diejenigen Fälle, in denen nicht nur das Personal, sondern auch Maschinen oder sonstige Infrastruktur mit zur Verfügung gestellt werden oder wo die gesamte Aufgabe ausgelagert wird.

Ziffer 30: Diese Normstufenbereinigung zieht keine Änderung des Regelungsgehalts nach sich. Die bisher nur in Artikel 13 Absatz 1 MWSTV geregelte Steuerausnahme für
Bildungs- und Forschungskooperationen wird mit identischem Regelungsgehalt ins Mehrwertsteuergesetz überführt. Die in Artikel 13 Absätze 2 und 3 MWSTV enthaltenen Definitionen der Bildungs- und Forschungsinstitutionen verbleiben unverändert in der Verordnung.

Ziffer 31: Mit dieser neuen Steuerausnahme kann die Forderung der parlamentarischen Initiative Frick (11.440) in Übereinstimmung mit der Systematik der Mehrwertsteuer umgesetzt werden. Die Problematik der Besteuerung von Gönnerbeiträgen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_202/2011 vom 24. Oktober 2011 i.S.

REGA) liesse sich alternativ ohne Gesetzesänderung durch die betroffenen Organisationen selber lösen, indem diese ihren Gönnerinnen und Gönnern keine Gegenleistungen wie beispielsweise die Übernahme von Kosten für Notfälle versprechen würden. Wäre dies der Fall könnte auf die Einführung einer neuen Steuerausnahme verzichtet werden.

Die parlamentarische Initiative Frick (11.440) verlangt, dass auf Gönnerbeiträgen an gemeinnützige Organisationen keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Um dieses Ziel 2642

zu erreichen, soll die im Mehrwertsteuergesetz enthaltene Definition der Spenden mit einer unumstösslichen gesetzlichen Vermutung ergänzt werden, wonach eine Kostenübernahme für das Erbringen von Leistungen im Rahmen des statutarischen Zwecks einer gemeinnützigen Organisation nicht als Gegenleistung im mehrwertsteuerlichen Sinne gelten soll.

Das geltende Recht bestimmt, dass Spenden nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.

Sie gelten nicht als Entgelt für eine Leistung und sind deshalb nicht zu versteuern.

Gemäss Definition handelt es sich dann um eine Spende, wenn eine freiwillige Zuwendung in der Absicht gewährt wird, den Empfänger oder die Empfängerin zu bereichern, ohne dass eine Gegenleistung dafür erwartet wird. Beiträge von Gönnern und Gönnerinnen sind unabhängig davon, ob sie im Rahmen einer Mitgliedschaft entrichtet werden, den Spenden gleichgestellt, sofern die Zuwendung der Gönner und Gönnerinnen ausschliesslich die Unterstützung der begünstigten Gesellschaft und nicht den Erhalt einer Gegenleistung bezweckt (vgl. Art. 3 Bst. i MWSTG).

Eine Gegenleistung gilt dann als erwartet, wenn die «Spende» oder der «Gönnerbeitrag» durch die Aussicht auf die Gegenleistung motiviert ist. In diesem Fall kann nicht mehr von einer Spende, sondern muss von einem Entgelt für eine steuerbare Leistung ausgegangen werden. Die Organisation, die Spenden vereinnahmen will, muss somit klar und deutlich darlegen, dass sie Spenden vereinnahmen und nicht Leistungen anbieten will. Wenn beispielsweise eine gemeinnützige Organisation ihren Gönnern und Gönnerinnen in Aussicht stellt, bei einem Notfall die entstandenen Kosten zu übernehmen, so wird bei der zahlenden Person die Erwartung einer Gegenleistung geweckt. Gegen Entrichtung eines jährlichen Beitrages steht dem Gönner oder der Gönnerin eben diese Kostenübernahme zu. Dabei spielt es keine Rolle, dass nur ein sehr kleiner Teil der Gönner und Gönnerinnen tatsächlich eine Rettungsleistung in Anspruch nimmt.

Die Übernahme solcher Kosten kann nicht als Verdankung für die Unterstützung gewertet werden, wie das beispielsweise bei Rabatten, Eintritten, Zeitschriften oder ­ wie im Gesetz ausdrücklich genannt ­ bei der Nennung des Spenders mit Logo, der Fall ist. Damit es sich um eine Verdankung einer Spende handelt, muss offensichtlich sein, dass die Spende nicht erfolgte,
um die Gegenleistung zu erhalten.

Beispielsweise spendet wohl niemand Geld einer Naturschutzorganisation, um deren Mitgliederzeitschrift zu erhalten. Hingegen ist das Versprechen der Übernahme von Kosten bei einem Notfall offensichtlich geeignet, um Gönnerinnen und Gönner zu finden. Dies zeigt sich auch in der Tatsache, dass die betroffenen Organisationen bisher nicht auf das Versprechen der Kostenübernahme verzichtet haben, um die Gönnerbeiträge nicht mehr versteuern zu müssen.

Die versprochenen Kostenübernahmen stellen keine von der Steuer ausgenommenen Versicherungsleistungen im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 18 MWSTG dar, da die Voraussetzungen für diese Steuerausnahme nicht erfüllt sind: Einerseits muss keine Steuerkumulation vermieden werden, weil solche Kostenübernahmen nicht mit Stempelabgaben belastet sind, andererseits stehen dabei nicht sozialpolitische Erwägungen im Vordergrund (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_202/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 3.3, 4.4). Auch fallen solche Gönnerbeiträge nicht unter die Steuerausnahme nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 13 MWSTG für Leistungen, die gegen einen statutarisch festgesetzten Mitgliederbeitrag allen Mitgliedern gleichermassen erbracht werden, da ein Gönner oder eine Gönnerin im Unterschied zu einem Mitglied keinerlei Mitbestimmungsrechte hat.

2643

Der von der parlamentarischen Initiative Frick (11.440) vorgeschlagene Weg zur Nichtbesteuerung der Gönnerbeiträge, die durch eine Gegenleistung motiviert sind, käme einer systemwidrigen Steuerbefreiung im Inland und mit vollem Vorsteuerabzugsrecht gleich. Durch die hier vorgeschlagene Steuerausnahme für solche Gönnerbeiträge ist der Vorsteuerabzug systemkonform entsprechend zu korrigieren.

Absatz 6 definiert in Anlehnung an den bisherigen Artikel 38 MWSTV, was als Organisationseinheit im Sinn von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 E-MWSTG gilt.

Leistungen innerhalb des gleichen Gemeinwesens sollen wie bisher von der Steuer ausgenommen sein, selbst wenn diese von steuerpflichtigen Organisationseinheiten erbracht werden. Aufgrund des Gebots der Rechtsformneutralität sind alle juristisch möglichen Organisationseinheiten erfasst, sofern nicht andere Gemeinwesen oder Nichtgemeinwesen daran beteiligt sind. Wäre dies der Fall, würde es sich nicht mehr um eigene, also ausschliesslich einem Gemeinwesen zugehörige Organisationseinheiten handeln. Ebenfalls aus Gründen der Rechtsformneutralität können im Vergleich zur bisherigen Regelung in Artikel 38 MWSTV neu auch Stiftungen und nicht bloss Anstalten Teil des gleichen Gemeinwesens sein. Zudem wurde das bisher verwendete Kriterium der Zugehörigkeit präzisierend ersetzt: Bei den Gesellschaften ist ausdrücklich die Beteiligung massgebend, wobei auch Inhaber und Inhaberinnen von Partizipationsscheinen und Genussscheinen als Beteiligte gelten. Bei Anstalten wird ebenfalls nicht mehr auf deren Zugehörigkeit abgestellt, sondern darauf, ob nur ein Gemeinwesen an deren Gründung beteiligt war. Dies gilt nun auch für Stiftungen. Dadurch wird deutlicher geregelt, unter welchen Bedingungen eine Anstalt oder Stiftung zum gleichen Gemeinwesen gehört, als dies bisher in Artikel 38 MWSTV der Fall war.

Absatz 7 delegiert die Kompetenz zur Definition der Bildungs- und Forschungsinstitutionen im Sinn von Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 30 E-MWSTG an den Bundesrat. Die heute in Artikel 13 Absätze 2 und 3 MWSTV enthaltenen Definitionen sollen beibehalten werden.

Variante Bundesrat Art. 22 Abs. 1 und 2 Bst. b Absatz 1: Durch den neu eingefügten Satz wird der Regelungsgehalt von Artikel 39 MWSTV ins Gesetz überführt. Danach kann in Ausnahmefällen die Option statt durch offenen Ausweis
der Steuer mittels Mitteilung an die ESTV erfolgen, wenn ein offener Ausweis in der Rechnung unmöglich ist: Einerseits bei absoluter Unmöglichkeit, wenn keine Rechnungen gestellt werden können, da noch gar keine Leistungen erbracht werden, die steuerpflichtige Person aber bereits Aufwendungen hinsichtlich künftiger, freiwillig zu versteuernder Leistungen hat. Dies ist beispielsweise der Fall beim Abzug der Vorsteuern auf den Baukosten im Zusammenhang mit der Erstellung einer Liegenschaft, die später mit Option vermietet oder verkauft werden soll oder beim Start-up-Unternehmen, das in der Aufbauphase noch keine Leistungen erbringt, später aber freiwillig versteuerte Leistungen erbringen wird.

Andererseits bei relativer Unmöglichkeit, wenn zwar eine Leistung erbracht, für diese aber in gewissen Branchen üblicherweise keine Rechnung ausgestellt wird und das Ausstellen einer Rechnung sehr ungewöhnlich wäre, wie beispielsweise beim Stempel auf dem Handrücken als Eintritt zu einer kulturellen Veranstaltung oder wenn beim Einkauf im unbedienten Hofladen der Kaufpreis in ein Kässeli eingeworfen wird. Die in solchen Fällen notwendige Mitteilung an die ESTV erfolgt durch 2644

die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in der Mehrwertsteuerabrechnung und ­ wo bereits Leistungen erzielt werden ­ durch die Deklaration des optierten Umsatzes in der Mehrwertsteuerabrechnung (aktuell unter den Ziffern 200 und 205 der Abrechnung). Eine separate schriftliche Mitteilung an die ESTV ist diesfalls nicht erforderlich.

Keine Anwendung findet diese Möglichkeit der Option, wenn aus sachfremden Motiven die Mehrwertsteuer auf einer Rechnung nicht ausgewiesen werden soll, beispielsweise weil die leistungserbringende Person aus Gründen der Akzeptanz nicht will, dass der Kunde oder die Kundin sieht, dass sie ihre Leistung freiwillig versteuert. Auch eine rückwirkende Anwendung ist nicht möglich. Wer im Zeitpunkt der Rechnungsstellung nicht durch offenes Ausweisen der Steuer optiert hat, kann das im Nachhinein nicht durch Mitteilung an die ESTV nachholen. Weil die Überwälzung der Steuer eine privatrechtliche Frage ist, hat die Kundschaft einen Anspruch darauf zu erfahren, ob sie die Steuer zahlt oder ob sie sich allenfalls auf eine Steuerausnahme berufen könnte. Ziel und Zweck einer Mehrheit der Steuerausnahmen ist denn auch die finanzielle Entlastung der ausgenommenen Leistungen zugunsten der Konsumierenden. Würde die Anwendung einer Steuerausnahme alleine dem Unternehmen überlassen, wäre eine Mehrzahl der Steuerausnahmen ihres Zweckes beraubt. Allerdings wird sich überall dort, wo der Markt funktioniert, dieses Problem nicht stellen, weil die leistungserbringende Person durch die Anwendung der Steuerausnahme gegenüber Endverbrauchenden einen günstigeren Preis anbieten kann und wird. Sobald aber die Marktmechanismen nicht oder nur eingeschränkt funktionieren, besteht bei Unternehmen mit steuerbaren und steuerausgenommenen Umsätzen der Anreiz, mittels Option den administrativen Aufwand zu senken und die Kundschaft dafür ­ ohne dass sie es weiss ­ bezahlen zu lassen.

Deshalb darf vom Grundsatz des offenen Ausweises der Steuer nur in den hier vorgeschlagenen Ausnahmefällen abgewichen werden.

Absatz 2 Buchstabe b: Indem «private Zwecke» durch «Wohnzwecke» ersetzt wird, werden seit der letzten Reform bestehende Unsicherheiten betreffend den Ausschluss der Option im Zusammenhang mit Liegenschaften geklärt. Im Sinn einer möglichst umfassenden Reduktion der Taxe occulte soll der Ausschluss der
Option lediglich für Wohnzwecke gelten. Mit dem Ausschluss der Option soll verhindert werden, dass Liegenschaftsverwaltungen für die Versteuerung optieren, um so volles Vorsteuerabzugsrecht zu erlangen, und sich dadurch die Wohnungsmieten oder -preise durch die Überwälzung der Mehrwertsteuer verteuern. Dieser Ausschluss gilt gemäss dem Schutzzweck der Norm lediglich für Wohnraum, der in erster Linie dem Wohnen dient, das heisst wo jemand seinen Wohnsitz begründet hat oder Wochenaufenthalter oder -aufenthalterin ist. Die Nutzung als Ferienwohnung fällt demzufolge nicht unter den Begriff der Wohnnutzung, weshalb für den Verkauf einer Ferienwohnung optiert werden kann, sofern sie vom Käufer tatsächlich auch als Ferienwohnung und nicht zu Wohnzwecken genutzt wird. Auch für die unabhängig von einer Wohnung vermieteten oder verkauften Hobby-Keller, Übungsräume und dergleichen ist die Option möglich.

Von dieser Änderung nicht betroffen ist die Vermietung von Ferienwohnungen, da es sich dabei um steuerbare Beherbergungsleistungen handelt. Selbst die Dauermiete einer Ferienwohnung gilt als steuerbare Beherbergungsleistung, sofern weder Wochenaufenthalt noch Wohnsitz begründet wird.

Die Anfügung «oder genutzt werden soll» am Ende des Absatzes führt zu keiner Änderung der Rechtslage nach geltender Praxis, sondern stellt lediglich klar, dass 2645

bereits die anfängliche Option ausgeschlossen ist, wenn der Gegenstand, für den die Leistung erbracht wird, inskünftig für Wohnzwecke genutzt werden soll. Da die Option für Wohnzecke gesetzlich ausgeschlossen ist, erschiene es in Anbetracht der Kenntnis der späteren Wohnnutzung widersprüchlich, erst Vorsteuern auszuzahlen, die später wieder zurückgefordert werden müssten. Wo hingegen die Art der Nutzung im Voraus noch nicht feststeht, werden die Vorsteuern wie bisher ausbezahlt.

Variante Konsultativgremium Art. 22 Abs. 1 und 2 Bst. b Absatz 1: In seiner Stellungnahme vom 5. März 2013 beantragte das Konsultativgremium die Beibehaltung der vom Parlament verabschiedeten Bestimmung. Aufgrund der in der Zwischenzeit erfolgten Entwicklungen erachtet es das Konsultativgremium jedoch als wichtig, dass das Parlament durch eine Anpassung des Gesetzestextes die ursprüngliche Idee verdeutlicht. Grundsätzlich will das Mehrwertsteuerrecht die aus der Erbringung von Leistungen erzielten Entgelte umfassend besteuern. Der Ausnahmekatalog von Artikel 21 Absatz 2 MWSTG schränkt dieses Besteuerungsrecht ein. Über die Option wird der eigentliche von der Gesetzessystematik her zu erzielende Zustand erreicht. Mit der Option liefert die steuerpflichtige Person mehr Steuern ab, als sie eigentlich müsste. Sie wählt diesen Weg in aller Regel, um die Kosten, die sich aus der Administration und Berechnung der Vorsteuerkorrekturen ergeben, zu vermeiden. Das Optieren zeigt einzig eine Auswirkung auf das Steuerrechtsverhältnis, das heisst auf die Beziehung zwischen der steuerpflichtigen Person und dem Fiskus. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Überwälzung. Diese ist zivilrechtlicher Natur. Die Mehrwertsteuer ist von der steuerpflichtigen Person geschuldet, unabhängig davon, ob sie an den Leistungsempfänger überwälzt werden konnte. Es macht steuersystematisch keinen Sinn, im Bereich der Option von diesem Grundsatz abzuweichen.

Als das Parlament die neue Formulierung eingeführt hatte, wollte es kaum eine zusätzliche administrative Hürde einbauen; dies wäre im Widerspruch zur allgemeinen Zielsetzung der damaligen Reform gestanden. Mit der Formulierung «durch offenen Ausweis» sollte die bewilligungsfreie Option erreicht werden. In vielen Fällen ist ein offener Ausweis nicht möglich, weil keine Belege abgegeben werden.
Die Tatsache, dass optiert wurde, kann hier nur nachvollzogen werden, indem auf dem Abrechnungsformular die optierten Leistungen auf einer gesonderten Zeile erfasst werden. Die Praxis der ESTV geht dahin, dass sie in vielen Fällen zwingend auf einer Offenlegung der Option gegenüber dem Leistungsempfänger besteht.

Dabei handelt es sich um einen nach Artikel 81 Absatz 3 MWSTG verpönten Formalismus.

Absatz 2 Buchstabe b: Das Konsultativgremium unterstützt die mit der Formulierung «für Wohnzwecke» angestrebte Klarstellung. Aus Sicht des Konsultativgremiums stellt jedoch die Ergänzung «oder genutzt werden soll» die Dogmatik des Vorsteuerabzugsrechts völlig auf den Kopf: Der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, den Artikel 29 Absatz 1 MWSTG vorsieht, ist erst vorzunehmen, wenn die von der Steuer ausgenommenen Leistungen effektiv erbracht werden. Hypothetische Zuordnungen für mögliche künftige Leistungen und die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten für beide Seiten sind mit dem neuen Konzept des Vorsteuerabzugsrechts ausgeschlossen. Die Bedenken des Bundesrates beziehen sich auf die Steuersicherung. Diesem Aspekt hat das Parlament jedoch bereits bei der MWST-Reform 2646

2010 Rechnung getragen und in Artikel 93 Absatz 2 MWSTG explizit eine entsprechende Sicherstellungsmöglichkeit vorgesehen. Falls die Bestimmung nicht ausreichen sollte, um dem berechtigten Anspruch des Staates auf die Vermeidung von Steuerausfällen Rechnung zu tragen, ist diese Rechtsnorm anzupassen und nicht das materielle Steuerrecht.

Art. 23 Abs. 2 Ziff. 2, 3, 3bis, 7 und 10 Ziffer 2: Der Regelungsgehalt von Artikel 40 MWSTV, wonach nur die letzte Lieferung im Inland unmittelbar vor der Ausfuhr steuerfrei erfolgen darf, wird in das Gesetz aufgenommen und präzisiert. Das Erfordernis der direkten Beförderung oder Versendung ins Ausland wird gestrichen, da bei der Überlassung zum Gebrauch oder zur Nutzung die Ingebrauchnahme des betreffenden Gegenstandes bereits im Inland erfolgt, was eine direkte Beförderung oder Versendung ins Ausland ­ zumindest im Sinn von Ziffer 1 ­ ausschliesst. Entscheidend ist vielmehr, dass der Lieferungsempfänger oder die Lieferungsempfängerin den zum Gebrauch oder zur Nutzung überlassenen Gegenstand selbst überwiegend im Ausland nutzt. Dieses Erfordernis wurde bisher in Artikel 40 MWSTV so umschrieben, dass keine weitere Lieferung im Inland erfolgen dürfe. Diese Umschreibung war unpräzise. Denn anstelle der ersten liefernden Person durfte nun ja die zweite liefernde Person die Steuerbefreiung geltend machen. Als Beispiel kann der Fall angeführt werden, in dem jemand mit einem inländischen Mietwagen über die Grenze fährt, um diesen überwiegend im Ausland zu nutzen.

Ziffer 3: Durch die Ergänzung wird klargestellt, dass der Nachweis der Zollüberwachung von Gegenständen für deren steuerbefreite Lieferung zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung darstellt. Bei der Einfuhr von Gegenständen nach dem Transitverfahren, dem Zolllagerverfahren für Massengüter oder dem Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung wird die Mehrwertsteuer nicht endgültig erhoben, sondern lediglich durch Hinterlage oder Bürgschaft sichergestellt (bedingte Zahlungspflicht), und zwar auf der bei Eröffnung des Zollverfahrens geltenden Bemessungsgrundlage. Beim offenen Zolllager wird auf Sicherstellung der Mehrwertsteuer verzichtet und beim Zollverfahren der aktiven Veredelung wird die Mehrwertsteuer bedingt nicht erhoben oder das Rückerstattungsverfahren angewendet. Eine steuerbefreite
Lieferung solcher Gegenstände im Inland ist daher nur dann zulässig, wenn das genannte Zollverfahren ordnungsgemäss oder mit nachträglicher Bewilligung der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) abgeschlossen wird, beispielsweise durch Wiederausfuhr oder durch Überführung des Gegenstands in den zollrechtlich freien Verkehr. Bei Letzterem wird die Mehrwertsteuer durch die EZV endgültig erhoben. Hierbei berechnet sich die Mehrwertsteuer auf der Bemessungsgrundlage, die im neuen Zeitpunkt der Überführung des Gegenstands in den zollrechtlich freien Verkehr gilt. Eine vorangegangene steuerbefreite Lieferung im Inland führt somit zu keiner Steuerlücke. Fehlt hingegen der ordnungsgemässe Verfahrensabschluss, so kann die EZV nur die bei Eröffnung des Zollverfahrens sichergestellte Mehrwertsteuer auf der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bemessungsgrundlage endgültig erheben. Würde die steuerbefreite Lieferung im Inland auch in diesen Fällen zugelassen, entstünden Steuerlücken. Die Lieferung im Inland bliebe endgültig unbesteuert, obwohl der Gegenstand im Inland verblieben ist und bei der EZV nie eine endgültige Besteuerung beantragt wurde (fehlende Zollanmeldung zur Überführung des Gegenstands in den zollrechtlich freien Verkehr). Diese Klarstellung entspricht der heutigen Praxis.

2647

Ziffer 3bis: Diese neue Ziffer stellt die Anforderungen an die steuerbefreite Lieferung von Gegenständen klar, die wegen Einlagerung in ein Zollfreilager im Inland unter Zollüberwachung stehen. Im Unterschied zu Ziffer 3 knüpft hier die steuerfreie Lieferung daran an, dass dem eingelagerten Gegenstand dieser Zollstatus nachträglich nicht entzogen wurde. Der nachträgliche Entzug dieses Zollstatus kann bei inländischen Gegenständen eintreten, die in ein Zollfreilager eingelagert wurden.

Solche Gegenstände werden bei der Einlagerung nach dem Ausfuhrverfahren veranlagt. Wenn die EZV das Ausfuhrverfahren nachträglich annulliert, z. B. weil die zollrechtlichen Bestimmungen für aus dem Inland eingelagerte Gegenstände missachtet wurden, so wird dem Gegenstand nachträglich sein zollrechtlicher Status als Lagerware unter Zollüberwachung wieder entzogen. Er ist dann mit inländischen Gegenständen gleichzusetzen, welche nie in ein Zollfreilager eingelagert wurden.

Deshalb kann auch die Befreiung von der Inlandsteuer nicht mehr zugestanden werden. Dies entspricht der heutigen Praxis.

Ziffer 7: Diese Neuformulierung führt zu keiner Änderung des Regelungsgehalts, sondern verdeutlicht den Inhalt der Bestimmung. Die bisherige Formulierung war missverständlich, da sie das Erbringen von Beförderungsleistungen und Nebentätigkeiten des Logistikgewerbes im Ausland von der Steuer befreien wollte. Leistungen, deren Leistungsort im Ausland liegt, können steuersystematisch nicht von der Steuer befreit werden, da solche Leistungen ausserhalb der territorialen Anwendung des Mehrwertsteuergesetzes liegen. Gemeint waren denn auch Leistungen, deren Leistungsort nach Artikel 8 Absatz 1 MWSTG im Inland liegt, die jedoch im Ausland bewirkt werden. Von der Steuer befreit ist demgemäss beispielsweise ein Gütertransport von Japan nach Brasilien im Auftrag einer Schweizer Firma, da ein solcher Transport nach Artikel 8 Absatz 1 MWSTG als am Sitz der Leistungsempfängerin in der Schweiz ausgeführt gilt, jedoch tatsächlich im Ausland bewirkt wird.

Ziffer 10 betrifft nur den französischen und den italienischen Text (sprachliche Präzisierung).

Art. 24 Betrifft nur den französischen Text (sprachliche Präzisierung der Sachüberschrift).

Art. 24a Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten für den Wiederverkauf werden vom Anwendungsbereich
des Abzugs fiktiver Vorsteuern ausgeschlossen und wieder der Margenbesteuerung unterstellt, wie dies bereits bis 31. Dezember 2009 der Fall war.

Der Abzug fiktiver Vorsteuern ersetzt per 1. Januar 2010 die zuvor für den Wiederverkauf von gebrauchten individualisierbaren Gegenständen anwendbare Margenbesteuerung. Der Abzug fiktiver Vorsteuern hat den grossen Vorteil, dass eine steuerpflichtige Person Einkauf und Verkauf von gebrauchten und neuen Gegenständen mehrwertsteuerlich einheitlich behandeln kann. So kann beispielsweise ein Autohändler beim Einkauf von Occasionen von nicht steuerpflichtigen Personen auf dem Kaufpreis eine fiktive Vorsteuer abziehen, die in der Regel der im Occasionswagen seit dem Neuwagen-Kauf noch enthaltenen Rest-Mehrwertsteuer entspricht.

Problematisch ist der Abzug fiktiver Vorsteuern, wenn ein Gegenstand bei seinem Eintritt in den Markt nicht mit Mehrwertsteuer belastet ist, wie dies bei Kunstgegen2648

ständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten regelmässig der Fall ist, da diese entweder vor der Einführung der Mehrwertsteuer im Jahre 1995 hergestellt und verkauft wurden oder ­ im Falle der Kunstgegenstände ­ diese vom Urheber oder von der Urheberin steuerausgenommen verkauft wurden. Wird beispielsweise ein Kunstwerk vom Urheber oder der Urheberin an eine Privatperson ohne Mehrwertsteuer verkauft und später von der Privatperson an eine Kunstgalerie weiterverkauft, kann die Kunstgalerie auf dem Ankaufspreis die fiktive Vorsteuer abziehen, obwohl ­ abgesehen von den vom Urheber oder der Urheberin getätigten mit Mehrwertsteuer belasteten Auslagen ­ das Werk selbst nicht mit Vorsteuer belastet ist. Verkauft die Kunstgalerie dieses Werk in der Schweiz mit Gewinn an eine Privatperson weiter, so versteuert sie im Ergebnis den von ihr erzielten Mehrwert, sie bezahlt also die Steuer auf ihrer Marge. Insofern besteht kein Unterschied zwischen dem Abzug fiktiver Vorsteuern und der neu einzuführenden Margenbesteuerung. Handelt es sich jedoch beim Käufer oder der Käuferin ebenfalls um eine steuerpflichtige Kunstgalerie, führt das System des Abzugs fiktiver Vorsteuern zu einem ungewollten Ergebnis: Da die Verkäuferin, nachdem sie den fiktiven Vorsteuerabzug vorgenommen hat, der Käuferin das Werk mit Mehrwertsteuer in Rechnung stellt, kann die steuerpflichtige Käuferin die überwälzte Steuer auf dem Kaufpreis als «normale» Vorsteuer abziehen. Verkauft sie nun das Werk systemkonform an eine zum Vorsteuerabzug berechtigte Person, die das Werk nicht für den Wiederverkauf bezieht (z. B. zur Ausstattung von Firmenräumen), oder ohne Mehrwertsteuer ins Ausland, verbleibt bei der ESTV keine Umsatzsteuer aus diesem Verkauf. Im Ergebnis wurde der ersten Kunstgalerie der Abzug von Vorsteuern gewährt, die nie als Umsatzsteuer eingezogen wurden.

Der grosse Vorteil des Systems der Margenbesteuerung besteht darin, dass die erste Kunstgalerie der zweiten Kunstgalerie das Werk verkauft, ohne die Mehrwertsteuer ausweisen zu dürfen. Die zweite Kunstgalerie kann dann wiederum die Margenbesteuerung anwenden, wenn sie das Werk weiterverkauft. Bei einem Weiterverkauf im Inland ist die Steuerlast bei beiden Kunstgalerien identisch wie im System des Abzugs fiktiver Vorsteuern. Beim Verkauf des Werks ins Ausland jedoch macht die Anwendung
der Margenbesteuerung keinen Sinn, da der Verkauf ins Ausland nicht zu versteuern ist. Im Gegenzug besteht aber, da keine Steuer offen überwälzt wurde, auch nicht das Recht auf Vorsteuerabzug auf dem Einkaufspreis. Somit kann die im Inland erzielte Marge systemkonform besteuert werden, ohne dass schlussendlich fiktive Vorsteuern ausbezahlt werden müssen, die nie zuvor als Steuer auf dem Umsatz bezahlt wurden. Aus diesem Grund ist die Margenbesteuerung für Gegenstände, die bei ihrem Markteintritt nicht mit Mehrwertsteuer belastet waren, die sachgerechtere Besteuerung als der Abzug fiktiver Vorsteuern. In allen übrigen Bereichen, namentlich für den Auto-Occasionshandel, kommt aber nach wie vor das System des Abzugs fiktiver Vorsteuern zur Anwendung.

Die Wiedereinführung der Margenbesteuerung für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten orientiert sich materiell an der Regelung, wie sie bis zum 31. Dezember 2009 für alle gebrauchten, individualisierbaren, beweglichen Gegenstände gegolten hat. Die früher damit einhergehenden Formvorschriften kommen hingegen nicht wieder zur Anwendung wegen des Grundsatzes der Beweismittelfreiheit im geltenden Recht. Ebenfalls wird die frühere Auktionatorenregelung nicht wieder eingeführt, da sich nach geltendem Recht eine Stellvertretung auch aus den Umständen ergeben kann und es somit keiner besonderen Reglung für Auktionshäuser bedarf, um die einliefernden Personen der Käuferschaft nicht bekannt geben zu 2649

müssen. Der Bundesrat wird gestützt auf die Delegation in Absatz 3 Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten in der MWSTV näher umschreiben und sich dabei am damaligen Artikel 11 der Verordnung vom 29. März 200022 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer orientieren. Neu sollen auch Veteranenfahrzeuge als Sammlungsstücke gelten.

Damit der Wechsel vom Abzug fiktiver Vorsteuern zur Margenbesteuerung keine finanziellen Nachteile für die Branche mit sich bringt, wird künftig auch bei der Margenbesteuerung die Verlustverrechnung zugelassen (Art. 24a Abs. 1 E-MWSTG). Neu kann zudem bei im Ausland erworbenen und selbst importierten Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten die bezahlte Einfuhrsteuer zum Ankaufspreises hinzugerechnet werden (Abs. 24a Abs. 2 E-MWSTG).

Art. 25 Abs. 2 Bst. abis Um gedruckte und elektronische Zeitungen und Zeitschriften mehrwertsteuerlich gleich zu behandeln, werden neu auch die kostenpflichtigen elektronischen Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften zum reduzierten Satz besteuert. Dabei ist unerheblich, ob die Zeitungen oder Zeitschriften ausschliesslich elektronisch erscheinen oder ob neben der elektronischen Ausgabe auch eine gedruckte Ausgabe erscheint. Da es sich bei elektronischen Zeitungen und Zeitschriften nicht um Lieferungen, sondern um Dienstleistungen handelt, wurde nicht Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 9 MWSTG ergänzt, sondern der Buchstabe abis eingefügt. Die teilweise heiklen Abgrenzungsfragen zu anderen kostenpflichtigen elektronischen Dienstleistungen werden gestützt auf die vorgesehene Delegationsnorm vom Bundesrat in der MWSTV geregelt. Dabei orientiert sich der Bundesrat an den in Artikel 50 MWSTV für die gedruckten Zeitungen und Zeitschriften aufgestellten Merkmalen.

Variante Bundesrat Art. 25 Abs. 3 Mit dieser Ergänzung wird nun im Gesetz selbst die Rechtsfolge genannt, die eintritt, wenn die steuerpflichtige Person keine geeigneten organisatorischen Massnahmen trifft, um die Umsätze der zum reduzierten Satz steuerbaren Take-awayLeistungen von den Umsätzen der zum Normalsatz steuerbaren gastgewerblichen Leistungen zu unterscheiden. Als geeignete organisatorische Massnahmen gelten nach Artikel 56 MWSTV und der Praxis der ESTV das getrennte Erfassen der Umsätze mittels einer Spartenkasse oder zwei getrennten Kassen sowie die
Abgabe eines Beleges an die Kundschaft, aus dem die Art der Leistung, der Preis und der massgebende Steuersatz ersichtlich sind. Fehlt es an einer entsprechend getrennten Erfassung der Umsätze, sind sämtliche Umsätze zum Normalsatz zu versteuern.

Diese Rechtsfolge ergibt sich auch aus der im Steuerrecht vorherrschenden Normentheorie, wonach steuermindernde Tatsachen ­ vorliegend der Umfang der zum reduzierten Satz steuerbaren Umsätze ­ von der steuerpflichtigen Person zu beweisen sind. Gelingt ihr dieser Beweis mangels getrennter Erfassung der Umsätze nicht, trägt sie die Folgen der Beweislosigkeit. Die Besteuerung zum Normalsatz bei fehlenden organisatorischen Massnahmen entspricht deshalb langjähriger Praxis der

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2650

ESTV. Im Urteil 2C_175/2012 vom 4. Oktober 201223 ist das Bundesgericht dieser Praxis der ESTV nicht gefolgt und hat von der ESTV die Vornahme einer Ermessenstaxation verlangt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine zuverlässige Ermessenstaxation mit verhältnismässigem Aufwand nicht zu bewerkstelligen ist, insbesondere wenn das Ergebnis der Ermessentaxation von der steuerpflichtigen Person angefochten wird. Neben der Schätzung des Anteils der zum reduzierten Satz steuerbaren Take-away-Leistungen am Gesamtumsatz, der je nach Jahreszeit, Wetter, besonderen Anlässen etc. stark variieren kann, spielt zudem eine Rolle, in welchem Umfang bei den Take-away-Umsätzen der reduzierte Satz auf den Kassenzetteln ausgewiesen wurde. Ist nämlich mangels getrennter Erfassung der Umsätze immer der Normalsatz auf dem Kassenzettel ausgewiesen worden, so ist dieser nur schon deshalb geschuldet, weil er in Rechnung gestellt wurde (vgl. Art. 27 Abs. 2 MWSTG). Hat es die steuerpflichtige Person unterlassen, die Umsätze getrennt zu erfassen, lässt sich für die Vergangenheit der Anteil der zum reduzierten Satz steuerbaren Umsätze nicht mehr ermitteln. Welche Methode auch zur Anwendung kommt, die steuerpflichtige Person kann diese in Zweifel ziehen. Unternehmen, die den administrativen Aufwand nicht auf sich nehmen und ihre Umsätze nicht getrennt erfassen, würden dafür belohnt, wenn im Rahmen einer Kontrolle die ESTV ihre zum reduzierten Satz steuerbaren Umsätze schätzen müsste. Um keine falschen Anreize zu schaffen, ist es in solchen Fällen deshalb nötig, sämtliche Umsätze im Nachhinein mit dem Normalsatz zu besteuern. Ansonsten würden steuerpflichtige Personen, die sich nicht gesetzeskonform verhalten, gegenüber ihren Konkurrentinnen und Konkurrenten, die sich an das Gesetz halten, im Ergebnis bevorzugt. Indem das Gesetz die Rechtsfolge fehlender organisatorischer Massnahmen nun ausdrücklich nennt, besteht auch der vom Bundesgericht bemängelte Widerspruch zur grundsätzlich unterschiedlichen Besteuerung von gastgewerblichen und Take-away-Leistungen nicht mehr. Von dieser Änderung nicht betroffen ist die Abgabe von Nahrungsmitteln mittels Verpflegungsautomaten.

Variante Konsultativgremium Art. 25 Abs. 3 Das Konsultativgremium möchte auf die vorgesehene Ergänzung ganz, oder eventualiter zumindest auf das Wort «geeignete»
verzichten. Würde zugelassen, dass die ESTV organisatorische Massnahmen als nicht geeignet bezeichnet und damit automatisch eine Besteuerung des gesamten Umsatzes zum Normalsatz erreichen könnte, entstünden Überbesteuerungen alleine gestützt auf formelle Kriterien. Im erläuternden Bericht wird dargestellt, dass die Steuerbehörden aufgrund des Urteils 2C_175/2012 des Bundesgerichts vom 4. Oktober 2012 ihrer Aufgabe, eine Ermessenseinschätzung vorzunehmen, nicht mit vertretbarem Aufwand nachkommen könnten. Diese Aussage muss ernsthaft bezweifelt werden. Die Vornahme von Ermessenseinschätzungen gehört seit jeher zur Aufgabe sämtlicher Steuerbehörden; sie betrifft nicht nur den Bereich der Take-away-Umsätze. Die Gerichte schützen in aller Regel die von den Behörden vorgenommenen Schätzungen. Im referenzierten Verfahren war dies nicht der Fall, weil die ESTV überhaupt keine Ermessenseinschätzung vornehmen wollte.

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ASA 81 657

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Art. 27 Abs. 3 Diese Ergänzung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Sie stellt lediglich klar, dass der Grundsatz «ausgewiesene Steuer ist geschuldete Steuer» nicht nur für Rechnungen, sondern auch für Gutschriften gilt. Der bisherige Wortlaut sprach ausschliesslich von einem zu hohen Steuerbetrag. Neu wird zusätzlich auch die unberechtigt ausgewiesene Steuer ausdrücklich erwähnt. Bereits bisher hat die ESTV in ihrer Praxis aufgrund teleologischer Auslegung auch die unberechtigt ausgewiesene Steuer als Ausweisen eines zu hohen Steuerbetrages behandelt.

Art. 28 Der Regelungsgehalt des bisherigen Absatzes 3 wurde in Artikel 28a E-MWSTG ausgegliedert. Deshalb wird der bisherige Absatz 3 gelöscht und der bisherige Absatz 4 zu Absatz 3.

Art. 28a Der einfacheren Verständlichkeit halber wurde der Regelungsgehalt des bisherigen Artikels 28 Absatz 3 MWSTG neu in Artikel 28a E-MWSTG verschoben und in drei Absätze gegliedert sowie einige sprachliche Vereinfachungen vorgenommen.

Der bisher verwendete Begriff «fiktiver Vorsteuerabzug» ist semantisch nicht präzise: Nicht der Abzug ist fiktiv, sondern die Vorsteuer, da ein steuerpflichtiger Leistungsempfänger oder eine steuerpflichtige Leistungsempfängerin sie abziehen kann, obwohl beim Kauf keine Mehrwertsteuer überwälzt wurde. Durch die neue Formulierung «fiktive Vorsteuern abziehen» wird dies nun sprachlich verdeutlicht und den lateinischen Sprachfassungen angepasst. Ebenfalls um eine sprachliche Präzisierung handelt es sich bei der neuen Formulierung, dass Gegenstände ohne «Überwälzung der Mehrwertsteuer» bezogen sein müssen anstelle eines Bezugs ohne «Mehrwertsteuerbelastung». Würde es tatsächlich an der Mehrwertsteuerbelastung fehlen, wäre der Abzug fiktiver Vorsteuern systemwidrig, da durch ihn die im Kaufpreis des Gegenstands enthaltene Rest-Mehrwertsteuer in Abzug gebracht wird.

Neu können keine fiktiven Vorsteuern mehr abgezogen werden beim Bezug von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten (vgl. Erläuterungen zu Art. 24a E-MWSTG). Aus diesem Grund kann auch auf die Einschränkung des Wiederverkaufs im Inland verzichtet werden. Bei gebrauchten Gegenständen, die bei ihrem Markteintritt mit Mehrwertsteuer belastet waren, kann der Abzug fiktiver Vorsteuern auch gemacht werden, wenn diese anschliessend ins Ausland verkauft werden. Zudem
liess sich diese Reglung bisher mit der Zwischenschaltung einer weiteren steuerpflichtigen Person einfach umgehen.

Art. 29 Abs. 1bis und 4 Absatz 1bis: Die Bestimmung schreibt die heute in Artikel 60 MWSTV enthaltene Regel auf Stufe Gesetz fest, wonach ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht auf Bezügen, die für von der Steuer ausgenommene Leistungen im Ausland verwendet werden. Wird die fragliche Leistung nämlich im Ausland erbracht, entzieht sie sich dem territorialen Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Somit entfällt auch die Anwendung der Steuerausnahmen nach Artikel 21 MWSTG. Demnach ist der Vorsteuerabzug auf Leistungen, die im Ausland erbracht werden, im selben Umfang möglich, wie wenn diese im Inland erbracht worden wären und nach Artikel 22 2652

MWSTG für deren Versteuerung optiert worden wäre. Ist jedoch ­ wie beispielsweise bei Finanzdienstleistungen ­ die freiwillige Versteuerung im Inland nicht möglich, besteht auch kein Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn solche Leistungen im Ausland erbracht werden.

Absatz 4: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die bisherige Formulierung führte zur Frage, wer zu entscheiden hat, wann es sachgerechter ist, auf die eigene Tätigkeit der Holdinggesellschaft statt auf die Tätigkeit der von ihr gehaltenen Unternehmen abzustellen. Mit der neuen Formulierung soll die bereits geltende Praxis im Sinn der Rechtssicherheit unmissverständlich im Gesetz festgehalten werden. Das Wahlrecht steht demnach nur den steuerpflichtigen Personen zu und kann ihnen von der ESTV nicht aufgezwungen werden.

Art. 37 Abs. 3 zweiter Satz Die Prüfung der Saldosteuersätze auf ihre Angemessenheit durch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), wie dies seit dem 1. Januar 2010 vom Gesetz vorgesehen ist, hat sich in der Praxis nicht bewährt, da es kaum möglich ist, zuverlässige Kriterien für die Prüfung der Angemessenheit festzulegen und es folglich auch der Gesetzgeber offen gelassen hat zu definieren, was er unter Angemessenheit versteht.

Die Saldosteuersatzmethode befindet sich im Spannungsfeld zwischen möglichst grosser Einfachheit und möglichst guter Übereinstimmung mit der effektiven Abrechnungsmethode. Je genauer die mit Hilfe der Saldosteuersätze berechnete Steuerschuld derjenigen Steuerschuld entsprechen soll, die bei der effektiven Abrechnungsmethode anfällt, desto komplizierter und aufwendiger wird die Methode für die steuerpflichtigen Personen und die ESTV. Sie wird nicht mehr handhabbar und kann ihren Zweck, eine administrative Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen. Beschränkt sich jedoch die Prüfung der Saldosteuersätze auf die Kontrolle der rechnerischen Richtigkeit, die Nachvollziehbarkeit und Willkürfreiheit ist eine spezialgesetzliche Bestimmung überflüssig. Die EFK kann solche Prüfungen auch gestützt auf die Kriterien von Artikel 5 des Finanzkontrollgesetzes vom 28. Juni 196724 durchführen.

Art. 38 Abs. 1 Bst. a Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung: Die beiden genannten
Artikel können nicht kumulativ, sondern lediglich alternativ zur Anwendung gelangen, weshalb «und» durch «oder» ersetzt wurde.

Art. 42 Abs. 4 Künftig soll der Stillstand der Verjährung unmittelbar eintreten, wenn ein Strafverfahren eröffnet wird. Auf das bisher zusätzliche für den Stillstand der Verjährung notwendige Erfordernis der Mitteilung an die zahlungspflichtige Person soll verzichtet werden. Ob auf die Information der beschuldigten Person über die Eröffnung eines Strafverfahrens verzichtet werden kann, richtet sich ausschliesslich nach Artikel 104 Absatz 4 MWSTG. Liegen die Voraussetzungen vor, so soll auch in diesen Fällen der Stillstand der Verjährung mit Eröffnung des Strafverfahrens eintre24

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ten und nicht erst in jenem Zeitpunkt, in dem die zahlungspflichtige Person informiert wurde (vgl. auch Art. 56 Abs. 4 E-MWSTG).

Variante Bundesrat Art. 42 Abs. 6 Die absolute Verjährungsfrist wird von heute 10 auf 15 Jahre verlängert, wie dies vor Inkrafttreten des neuen Mehrwertsteuergesetzes am 1. Januar 2010 der Fall war.

Im Bundessteuerrecht (vgl. Art. 120 Abs. 4 DBG25, Art 152 Abs. 3 DBG, Art. 47 Abs. 1 Bundesgesetz vom 14. Dezember 199026 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG]) sowie im Zollrecht (Art. 75 Abs. 4 Zollgesetz vom 18. März 200527 [ZG]) stellt die fünfzehnjährige absolute Verjährungsfrist einen Standard dar, der im Zuge der MWST-Reform 2010 einzig für die Mehrwertsteuer durchbrochen wurde, weil man sich davon eine Verfahrensbeschleunigung erhofft hatte. Mit diesem singulären Einschnitt in das System der Verjährungsfristen wird vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgericht implizit verlangt, die Mehrwertsteuerfälle gegenüber anderen Fällen zu priorisieren, um der Gefahr einer Verjährung laufender Verfahren entgegenzuwirken. Dies liesse sich jedoch mit den verfassungsmässigen Verfahrensgarantien, insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 29 Abs. 1 Bundesverfassung28 [BV]) nicht vereinbaren.

Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die auf 10 Jahre verkürzte absolute Verjährungsfrist unerwünschte Folgen hat: Bei Mehrwertsteuerkontrollen werden in der Regel fünf zurückliegende Steuerperioden geprüft, da für diese Steuerperioden die relative Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Kontrolle mittels einer Einschätzungsmitteilung sind aufgrund der von der ESTV abzuwartenden Finalisierungsfrist (Art. 72 Abs. 1 MWSTG) bereits mehr als viereinhalb Jahre der absoluten Verjährungsfrist des ersten kontrollierten Jahres vergangen.

Wird im Anschluss an die Einschätzungsmitteilung ein Rechtsmittelverfahren angestrengt, muss dieses unter dem geltenden Recht bis und mit Bundesgericht bezüglich der ersten kontrollierten Steuerperiode in den verbleibenden gut fünf Jahren abgeschlossen werden können, soll diese Steuerperiode nicht unter der Hand des Richters oder der Richterin verjähren. Wenn die Beschwerdeinstanz einen Entscheid zurückweist, statt selbst zu entscheiden, reicht die verbleibende Frist kaum aus,
um das Verfahren rechtzeitig zum Abschluss zu bringen. Dies hat weiter zur Folge, dass nach einer Steuerkontrolle im Unterschied zu früher kaum mehr Zeit bleibt, um die Ergebnisse mit der steuerpflichtigen Person zu besprechen und allenfalls formlose Korrekturen vorzunehmen. Das ist nicht im Interesse der steuerpflichtigen Personen und stellt eine Verschlechterung ihrer Position im Vergleich zur früheren fünfzehnjährigen Verjährungsfrist dar. Vor allem in aussichtslosen Fällen mit grossen Mehrwertsteuernachforderungen besteht für die steuerpflichtigen Personen ein Anreiz, durch Ergreifen sämtlicher zur Verfügung stehender Beschwerdemöglichkeiten und Rechtsmittel das Verfahren so zu verzögern, dass möglichst viele Steuerperioden verjähren. Durch die Verkürzung der relativen Verjährungsfrist auf zwei Jahre, wenn diese von der ESTV oder den Beschwerdeinstanzen unterbrochen wurde, ist 25 26 27 28

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dem berechtigten Anliegen nach schneller Verfahrenserledigung hinreichend entsprochen.

Die vom Konsultativgremium vorgeschlagene vermehrte Anwendung der Sprungbeschwerde würde die Arbeitslast sowohl bei der ESTV als auch beim Bundesverwaltungsgericht erheblich erhöhen.

Variante Konsultativgremium Art. 42 Abs. 6 Gemäss den im Konsultativgremium vertretenen Steuerpraktikern und Steuerpraktikerinnen stellt es vielmehr ein Problem dar, dass die in der MWST-Reform 2010 eingeführten Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung von der ESTV nicht angewendet oder sogar bewusst unterlaufen werden. So wurden bis zum Urteil des Bundesgerichts 2C_805/2013 vom 21. März 2014 beispielsweise die Einschätzungsmitteilungen ­ entgegen dem Konzept des Gesetzgebers ­ als Verfügung ausgestaltet, was die rasche Erledigung von Unstimmigkeiten in einem formlosen Verfahren verunmöglicht. Weiter wurden ­ trotz der Ausführungen zu Artikel 82 E-MWSTG in der Botschaft vom 25. Juni 200829 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer ­ die bisher mit einer Einschätzungsmitteilung verbundenen Verfügungen nicht so umfassend begründet, dass die Gerichte die dagegen eingereichten Sprungbeschwerden als zulässig erachten; die deswegen erfolgten Nichteintretensentscheide des Bundesverwaltungsgerichts führen dazu, dass die ESTV Einspracheverfahren durchführen muss. Darüber hinaus wird sogar dem Begehren der steuerpflichtigen Person, es sei eine Verfügung einlässlich zu begründen, nicht stattgegeben, weil angeblich darauf kein Rechtsanspruch bestehe. Nach Auffassung des Konsultativgremiums sind zunächst diese vom Parlament vorgesehenen Massnahmen umzusetzen, bevor zulasten der steuerpflichtigen Personen die absolute Verjährungsfrist verlängert wird.

Art. 44 Abs. 2 Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Sie hat lediglich redaktionellen Charakter: Die «Einrede der Schuldnerin» wurde durch «deren Einrede» ersetzt, da es sich um die Einrede der ESTV handelt.

Art. 45 Abs. 1 Bst. a, c, d und 2 Bst. b Abs. 1 Bst. a: Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage, sondern dient der besseren Verständlichkeit der Bestimmung und gleicht diese der neuen Formulierung von Artikel 45 Absatz 1 Buchstaben c E-MWSTG an. Die Kundschaft muss die Bezugsteuer nur abliefern, wenn das leistungserbringende Unternehmen nicht im Register der
steuerpflichtigen Personen eingetragen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen zu Recht oder zu Unrecht nicht eingetragen ist.

Wer hingegen ausschliesslich am inländischen Empfängerort zu versteuernde Dienstleistungen erbringt, der ist nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer 2 E-MWSTG unabhängig von der Höhe des Umsatzes von der Steuerpflicht befreit (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 45 Abs. 1 Bst. c E-MWSTG).

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BBl 2008 6885 7006

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Da mittels einer Gegenausnahme in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer 2 E-MWSTG steuerpflichtig wird, wer Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Empfänger und Empfängerinnen erbringt, müssen folgerichtig solche Leistungen von der Bezugsteuerpflicht ausgeschlossen werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass nicht steuerpflichtige Kunden und Kundinnen von Unternehmen, die sich in der Schweiz zu Unrecht nicht als Steuerpflichtige registrieren lassen, bei Überschreiten der Bezugslimite die Bezugsteuer abzurechnen hätten.

Abs. 1 Bst. c: Das Konsultativgremium schlägt vor, die Bezugsteuer für Lieferungen auf «Lieferungen von unbeweglichen Sachen (einschliesslich Boden)» zu beschränken. Diese Beschränkung der Bezugsteuer für Lieferungen entspricht im Grundsatz der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung dieser Bestimmung im Rahmen der MWST-Reform 2010, mehrwertsteuerbedingte Wettbewerbsverzerrungen in Grenzregionen zwischen in- und ausländischen Unternehmen, insbesondere im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, zu beseitigen. Die nicht gewollte Anwendung der Bezugsteuer auf Vermietungen und Verpachtungen sowie auf gewöhnliche Lieferungen, die nicht alternativ der Einfuhrsteuer unterliegen könnten, entfällt dadurch wieder.

Ausgehend vom Vorschlag des Konsultativgremiums, dessen Stossrichtung der Bundesrat teilt, wurde der Begriff «Sachen» durch den im MWSTG üblicherweise verwendeten Begriff «Gegenstände» ersetzt. Da nach schweizerischer Auffassung auch die Vermietung und Verpachtung als Lieferung von unbeweglichen Gegenständen gilt, wird klargestellt, dass die steuerbare Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichen Gegenständen nicht der Bezugsteuer, sondern ausschliesslich der Inlandsteuer unterliegt. Der Verkauf von Liegenschaften ist von der Steuer ausgenommen; deshalb unterliegt er nicht der Bezugsteuer. Bloss der ausländische Verkäufer der Liegenschaft könnte den Verkauf allfällig freiwillig versteuern (Option). Da er aber nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen ist, fällt eine Option ausser Betracht.

Als Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen gelten insbesondere die Leistungen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes, wie sie in Artikel 5 der Verordnung vom 21. Mai 200330 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer (EntsV) umschrieben werden. Nach dieser Verordnung sind dies Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bauten, namentlich: Aushub- und Erdarbeiten, eigentliche Bauarbeiten, Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltung (Maler- und Reinigungsarbeiten) und Sanierung. Solche Leistungen werden in dieser Verordnung, wie im allgemeinen Sprachgebrauch sowie den einschlägigen internationalen Abkommen (z. B. GATT-WTO, Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen) üblich, als Dienstleistungen bezeichnet. Aus Sicht des Schweizer Mehrwertsteuergesetzes handelt es sich dabei jedoch um Lieferungen (vgl. Art. 3 Bst. d MWSTG).

Auf den ersten Blick mag es tautologisch wirken, dass die Bezugsteuer auf «Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen im Inland, die nicht der Einfuhrsteuer unterliegen» angewendet wird. Diese Einschränkung ist jedoch nötig, um einen Besteuerungskonflikt mit der Einfuhrsteuer zu vermeiden: Wird beispielsweise im 30

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Zusammenhang mit baugewerblichen Leistungen Baumaterial über die Grenze gebracht, ist bei dessen Einfuhr nicht bloss der Wert des Materials, sondern der Wert der gesamten damit zu erbringenden Bauleistung zu versteuern. Die Übergabe der fertigen Baute an den Besteller wiederum stellt nach Artikel 3 Buchstabe d Ziffern 1 und 2 MWSTG eine Lieferung einer unbeweglichen Sache dar. Ohne den Ausschluss der Einfuhrsteuer würde die Bauleistung somit zweimal besteuert.

Weiter ergibt sich durch die Beschränkung der Bezugsteuer auf Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen künftig direkt aus dem Gesetz, dass die Lieferungen von Energie an nicht steuerpflichtige Kunden und Kundinnen im Inland nicht der Bezugsteuer unterliegen und solche Unternehmen bei Überschreiten der Umsatzgrenze für diese Energielieferungen im Inland steuerpflichtig werden. Artikel 109 Absatz 2 MWSTV kann somit aufgehoben werden.

Abs. 1 Bst. d: Energielieferungen an steuerpflichtige Personen im Inland sollen auch weiterhin der Bezugsteuer unterliegen und nicht zur Steuerpflicht der im Ausland ansässigen Unternehmen führen. Damit bleibt die Schweiz als Standort für den internationalen Stromhandel attraktiv. Stromlieferungen an nicht steuerpflichtige Personen im Inland hingegen führen zur Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens, damit inländische Stromlieferanten keinen mehrwertsteuerbedingten Wettbewerbsnachteil erleiden.

Abs. 2 Bst. b: Neu wird auf die Pflicht der ESTV verzichtet, nicht steuerpflichtige Personen vorgängig schriftlich über die Bezugsteuerpflicht zu informieren. Dieses Erfordernis wurde im Rahmen der parlamentarischen Debatte der MWST-Reform 2010 eingefügt. Man ging damals davon aus, dass in Zusammenarbeit mit den Grenzzollstellen die Leistungsbezüger ausfindig gemacht werden könnten. In der Praxis hat sich nun aber gezeigt, dass dies nur mit massivem Mehraufwand und zudem nur sehr lückenhaft möglich ist. Gründe dafür sind einerseits die knappen personellen Ressourcen der Grenzzollstellen sowie die Tatsache, dass die ESTV nicht auf blossen Verdacht hin jemanden zur Abrechnung der Bezugsteuer auffordern kann. Dies wiederum setzt voraus, dass die ESTV die leistungsbeziehende Person und den Preis für die bezogene Leistung mit Gewissheit kennen muss, um sicher zu gehen, dass die Jahreslimite von 10 000 Franken für die
Abrechnung der Bezugsteuer überschritten worden ist. Aufgrund dieser Vollzugsschwierigkeiten schlägt der Bundesrat deshalb vor, die Informationspflicht der ESTV zu streichen.

Dieser Vorschlag wird vom Konsultativgremium unterstützt. Beibehalten werden soll jedoch die 10 000 Franken-Umsatzgrenze für die Abrechnung der Bezugsteuer, insbesondere um Private in Bagatellfällen nicht zur Abrechnung der MWST zu verpflichten.

Art. 45a Im Rahmen der MWST-Reform 2010 wurde die Bezugsteuer gesetzessystematisch in einen eigenen Titel ausgegliedert. Sollen nun Bestimmungen wie die Steuerausnahmen und Steuerbefreiungen nicht nur für die Inlandsteuer, sondern auch für die Bezugsteuer gelten, muss ausdrücklich auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen verwiesen werden. Bisher war der Verweis auf die Steuerausnahmen und Steuerbefreiungen lediglich in Artikel 109 Absatz 1 MWSTV geregelt. Neu wird diese Regelung in das Gesetz selbst überführt.

2657

Art. 51 Abs. 2 Bst. b und 3 Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Da der Begriff «Zollverwaltung» neu bereits in Artikel 23 Absatz 2 Ziffer 3 E-MWSTG eingeführt wird, bedarf es hier nur noch der Abkürzung EZV.

Art. 52 Abs. 2 Mit dieser Ergänzung wird klargestellt, dass auch keine Bezugsteuer anfällt, wenn Datenträger ohne Marktwert von der Einfuhrsteuer befreit sind. Dies ergibt sich implizit bereits aus der Gesetzessystematik: Die Einfuhr eines Datenträgers unterliegt der Einfuhrsteuer, wenn nicht eine Steuerbefreiung nach Artikel 53 MWSTG zur Anwendung kommt. Kommt keine Steuerbefreiung zur Anwendung, ist in einem zweiten Schritt die Höhe der Einfuhrsteuer zu bemessen. Ist dies im Zeitpunkt der Einfuhr nicht möglich, weil der Datenträger keinen Marktwert aufweist, kommt die Bezugsteuer zur Anwendung, sobald der Wert bekannt ist. Als Beispiel ist die Einfuhr einer Kinofilmkopie auf einem physischen Datenträger zu nennen, wobei die Höhe des Entgelts von den Besucherzahlen abhängig ist und es deshalb erst nach der Einfuhr bestimmt und mit der Bezugsteuer abgerechnet werden kann.

Art. 53 Abs. 1 Bst. g Die bereits vorhandene Steuerbefreiung bei der Einfuhr von Elektrizität und Gas in Erdgasleitungen wird konsequenterweise auch auf Fernwärme ausgeweitet (vgl.

Erläuterungen zu Art. 7 Abs. 2 E-MWSTG). Diese Lieferungen werden nach Artikel 7 Absatz 2 E-MWSTG im Inland besteuert.

Art. 54 Diese Änderung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die bisherige Sachüberschrift «Berechnung der Steuer» wird durch «Bemessungsgrundlage» ersetzt und somit terminologisch an die analoge Bestimmung bei der Inlandsteuer (Art. 24 MWSTG) angepasst.

Art. 56 Abs.4 Künftig soll der Stillstand der Verjährung unmittelbar eintreten, wenn ein Strafverfahren eröffnet wird. Auf das bisher zusätzliche, für den Stillstand der Verjährung notwendige, Erfordernis der Mitteilung an die zahlungspflichtige Person soll verzichtet werden. Ob ausnahmsweise auf die Information der beschuldigten Person über die Eröffnung eines Strafverfahrens verzichtet werden kann, richtet sich ausschliesslich nach Artikel 104 Absatz 4 MWSTG. Liegen die Voraussetzungen vor, so soll auch in diesen Fällen der Stillstand der Verjährung mit Eröffnung des Strafverfahrens eintreten und nicht erst in jenem Zeitpunkt, in dem die zahlungspflichtige
Person informiert wurde (vgl. auch Art. 42 Abs. 4 E-MWSTG).

Art. 58 Bst. c, cbis und d Diese Änderung verdeutlicht die bereits heute von der EZV zugunsten der einfuhrsteuerpflichtigen Personen angewendete Praxis, wonach bei bedingt veranlagten Gegenständen, die unter Abschluss des Zollverfahrens wieder ausgeführt oder zu einem anderen Zollverfahren angemeldet worden sind, kein Verzugszins erhoben 2658

wird. Ebenso wird auf den Verzugszins verzichtet, wenn eine im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung im Inland steuerpflichtige Person Importeur oder Importeurin eines bedingt veranlagten Gegenstands ist, selbst wenn sie das Zollverfahren nicht ordnungsgemäss abschliesst. Buchstabe d wurde aufgehoben, weil er sich auf Gegenstände bezieht, die in ein offenes Zolllager oder Zollfreilager eingelagert werden. Bei beiden Lagerarten wird bei der Einlagerung die Einfuhrsteuer weder erhoben noch sichergestellt. Eine Verzugszinspflicht beziehungsweise eine Ausnahme von derselben ist somit unnötig.

Variante Bundesrat Art. 70 Abs. 2 Die Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist soll nicht dazu führen, dass auch die Aufbewahrungsfrist für Geschäftsbücher, Belege, Geschäftspapiere und sonstige Aufzeichnungen generell auf 15 Jahre verlängert wird. Aus diesem Grund wurde wie unter früherem Recht die Aufbewahrungsfrist von der absoluten Verjährungsfrist entkoppelt und auf 10 Jahre festgelegt. Nur wenn nach Ablauf von 10 Jahren seit Ende der fraglichen Steuerperiode die Steuerforderung noch nicht rechtskräftig ist, müssen die Geschäftsbücher, Belege, Geschäftspapiere und sonstige Aufzeichnungen weiterhin aufbewahrt werden, bis sie rechtskräftig ist. Eine Ausnahme gibt es allerdings für Geschäftsunterlagen, die mit unbeweglichen Gegenständen zusammenhängen. Da für die Ermittlung des Zeitwertes bei unbeweglichen Gegenständen pro Jahr nur 5 Prozent des Wertes abgeschrieben werden können, sind die damit zusammenhängenden Geschäftsunterlagen erst nach 20 Jahren mehrwertsteuerlich nicht mehr relevant. Sie sind demzufolge auch 20 Jahre lang aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf der Steuerperiode. Solange die Bestimmung, wonach das Geschäftsjahr als Steuerperiode herangezogen werden kann, noch nicht in Kraft gesetzt ist, beginnt die Verjährungsfrist anders als im Obligationenrecht vorgesehen mit Ablauf des Kalenderjahres. Die übrigen in Artikel 958f des Obligationenrechts31 (OR) enthaltenen Regelungen zur Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher bleiben jedoch anwendbar.

Variante Konsultativgremium Art. 70 Abs. 2 Seinem Antrag zu Artikel 42 Absatz 6 E-MWSTG folgend, beantragt das Konsultativgremium die Streichung dieser Änderung.

Art. 76 Absatz 1 erteilt der ESTV die Berechtigung, besonders
schützenswerte Personendaten zu bearbeiten. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die ESTV auch alle als nicht besonders schützenswert eingestuften Daten bearbeiten kann. Der Begriff «bearbeiten» umfasst jeden Umgang mit Personendaten, insbesondere auch das Erheben, Aufbewahren und Verwenden von Daten (Art. 3 Bst. e des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199232 über den Datenschutz; DSG). Aus Datenschutzgründen ist eine zweckbezogene Eingrenzung auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben notwen31 32

SR 220 SR 235.1

2659

dig (Art. 4 Abs. 3 DSG). Daraus ergibt sich ebenfalls, dass die Daten auch im Rahmen der Amtshilfe nach Artikel 75 MWSTG bekanntgegeben und entgegengenommen werden dürfen. Die gesetzlichen Aufgaben der ESTV beschränken sich nicht bloss auf das MWSTG, sondern können auch in anderen Gesetzen enthalten sein (beispielsweise Amtshilfebestimmungen). Aus Transparenzgründen werden die Bearbeitung von Persönlichkeitsprofilen und die Angaben über administrative und strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen ausdrücklich genannt.

Absatz 2: Nach Artikel 50e Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194633 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) bedarf die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer ausserhalb der Sozialversicherung ­ beispielsweise im Bereich der Steuern ­ einer entsprechenden Regelung in einem Bundesgesetz, das den Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt. Mit dieser Bestimmung wird die bereits geltende Befugnis der ESTV zur Verwendung der AHV-Versichertennummer in Artikel 131 Buchstabe a MWSTV auf Gesetzesstufe gehoben. Die ESTV ist berechtigt, die AHV-Versichertennummer für die Eintragung von steuerpflichtigen Personen ins UID-Register anstelle des Bundesamts für Statistik (BFS) systematisch zu verwenden. Vor allem Doppelerfassungen im UID-Register werden dadurch verhindert, die beispielsweise auf unterschiedliche Schreibweisen von Personennamen zurückzuführen sind. Kann im UIDRegister eine Mehrfacherfassung von natürlichen Personen verhindert werden, führt dies auch dazu, dass der ESTV sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten in der Form eines Einzelunternehmens einer Person bekannt sind, was die Steuererhebung und Kontrolle massgeblich vereinfacht. Da eine einfachere Erfassung und eine bessere Registerqualität im Vordergrund stehen, wird eine entsprechende gesetzliche Grundlage gleichzeitig auch für das UID-Register geschaffen (vgl. unten Erläuterung zur Änderung von Art. 6 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 201034 über die Unternehmens-Identifikationsnummer; UIDG). Andere Personenidentifikatoren wie ein sektorieller Identifikator für Steuerzwecke eignen sich nicht, da sich die Verwendung der AHV-Versichertennummer bloss mittelbar ­ durch eine bessere Datenqualität im UID-Register ­ auf die Mehrwertsteuer auswirkt. Zudem ist sichergestellt,
dass die AHV-Versichertennummer nur intern verwendet wird und insbesondere nicht ins Ausland gelangt.

Art. 76a Die Absätze 1 und 2 berechtigen die ESTV, zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben ein Informationssystem zur Bearbeitung von Personendaten zu betreiben, das insbesondere eingesetzt wird für das Feststellen der Steuerpflicht und der steuerbaren Leistungen, für das Erheben und Überprüfen der geschuldeten Steuern und der abziehbaren Vorsteuern, für die Kontrolle von Import- und Exportbelegen, für das Sicherstellen des Bezugs der geschuldeten Steuern, für das Verhängen und Vollstrecken von administrativen oder strafrechtlichen Sanktionen, für das effiziente und rationelle Behandeln der nationalen und internationalen Amts- und Rechtshilfegesuche, für die Deliktsbekämpfung im Steuerbereich, für das Führen der nötigen Statistiken und für das Erstellen von Risikoanalysen. Risikoanalysen sind die Grundlage für effiziente und zielgerichtete Kontrollen der steuerpflichtigen Personen. Neben Branchen und Regionen werden künftig auch die einzelnen steuerpflich33 34

SR 831.10 SR 431.03

2660

tigen Personen in Risikoprofilen erfasst. Das Risikoprofil beruht massgeblich auf den Erfahrungen der ESTV mit einer steuerpflichtigen Person. Die ESTV kann dadurch Steuerkontrollen zielgerichteter durchführen und zuverlässige Unternehmen von Mehrwertsteuerkontrollen entlasten.

Absatz 3 zählt die Bereiche auf, zu denen Daten im Informationssystem der ESTV enthalten sein können. Diese Aufzählung dient der vom DSG geforderten Erkennbarkeit, welche Daten bearbeitet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Angaben über die wirtschaftlichen Tätigkeiten einer natürlichen oder juristischen Person sowie sämtliche Angaben, die für die Erhebung und allenfalls für die zwangsweise Durchsetzung der Mehrwertsteuer, inklusive der Administrativ- und Strafmassnahmen, notwendig sind.

Art. 76b Absatz 1: Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass die EFK trotz des Steuergeheimnisses Zugang zum Informationssystem der ESTV hat, um ihre gesetzlichen Kontrollaufgaben wahrnehmen zu können.

Absatz 2: Im geltenden MWSTG und in der dazugehörigen Verordnung fehlt eine genügende gesetzliche Grundlage für die Datenbekanntgabe mittels Abrufverfahren von besonders schützenswerten Personendaten. Mit der vorliegenden Gesetzesrevision wird das Abrufverfahren für besonders schützenswerte Personendaten auf eine rechtsgenügliche Grundlage gestellt. Die Berechtigten können die benötigten Daten durch Zugriff auf das System direkt und selbstständig abrufen. Als einzige Behörde ausserhalb der ESTV hat die EZV einen direkten Zugriff auf die Mehrwertsteuerpflichtigen-Datenbank der ESTV, da die Vollzugszuständigkeit für die Erhebung der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr (Einfuhrsteuer) bei der EZV liegt (Art. 62 Abs. 1 MWSTG). So kann die EZV die zur Erhebung und zum Einzug der Steuer notwendigen Angaben unmittelbar und selbstständig abrufen, ohne jeweils eine spezielle Anfrage um entsprechende Auskunft an die ESTV richten zu müssen. Aus Gründen des Datenschutzes muss diese Befugnis in den gesetzlichen Grundlagen ausdrücklich erwähnt, und die ermächtigte Behörde muss genannt werden (Art. 19 Abs. 3 DSG). Ausserdem müssen beim Abrufverfahren, um die entsprechende Transparenz zu gewährleisten, zusätzlich die abrufbaren Datenkategorien im Gesetz selbst festgehalten werden, was vorliegend mit einem Verweis auf die Nennung des Inhalts des
Informationssystems gemacht wird. Die einzelnen Daten werden in der MWSTV aufgeführt.

Art. 76c Absatz 1: Mit dieser Bestimmung wird für die Mehrwertsteuer Artikel 7 DSG umgesetzt, wonach Daten durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten zu schützen sind.

Absatz 2 entspricht dem bisherigen Artikel 76 Absatz 4 MWSTG und stellt sicher, dass auch elektronisch gespeicherte Daten als Originaldokumente gelten, wo dies ein gesetzliches Erfordernis ist, wie beispielsweise in Zwangsvollstreckungs- oder Strafverfahren.

2661

Art. 76d Diese Bestimmung delegiert den Erlass der Ausführungsbestimmungen an den Bundesrat und zählt auf, was der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen mindestens regeln muss.

Art. 86 Abs. 7 Beim provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach Artikel 86 MWSTG handelt es sich um ein Sicherungsinstrument. Müsste die ESTV mit der Zwangsvollstreckung nicht bezahlter Steuern stets den Ablauf der Finalisierungsfrist abwarten, wäre das Inkasso-Risiko viel zu gross. Deshalb kann die ESTV aufgrund von Artikel 86 Absatz 2 MWSTG als Sicherungsinstrument provisorisch geschuldete Steuerbeträge geltend machen. Artikel 86 Absatz 7 erster Satz MWSTG stellte bereits bisher klar, dass das Geltendmachen des provisorischen Steuerbetrages von der materiellen Steuerforderung unabhängig ist. Das Gesetz geht somit im Grundsatz davon aus, dass immer eine Festsetzung der Steuerforderung erfolgt. Bei der Mehrwertsteuer als Selbstveranlagungssteuer ist die Festsetzung der Steuerforderung Aufgabe der steuerpflichtigen Person. Nur in Ausnahmefällen erfolgt die Festsetzung durch die ESTV. Deshalb sollen steuerpflichtige Personen, die untätig bleiben, mit ihrem unkooperativen und die Mitwirkungspflichten verletzenden Verhalten nicht eine Festsetzung der Steuerforderung durch die ESTV erwirken können. Unterbleibt jedoch die Festsetzung, besteht die Gefahr, dass die steuerpflichtige Person nach Ablauf der Festsetzungsverjährung mangels materieller Steuerforderung die bloss provisorisch geschuldeten Steuerbeträge zurückfordern kann. Mit der in Artikel 86 Absatz 7 MWSTG eingefügten gesetzlichen Fiktion, wonach mit Ablauf der Festsetzungsverjährung der nach Artikel 86 Absatz 2 MWSTG provisorisch geschuldete Steuerbetrag ebenfalls Teil der Steuerforderung wird, ist eine Rückforderung ausgeschlossen. Unkooperatives Verhalten steuerpflichtiger Personen wird dadurch weder gefördert noch belohnt und die ESTV kann auf ressourcenintensive Verfahren verzichten.

Als Untätigkeit gilt insbesondere, wenn eine steuerpflichtige Person die fragliche Steuerperiode nicht durch eine Finalisierung nach Artikel 72 MWSTG abschliesst und damit die Steuerforderung nicht selbst materiell festsetzt, nachdem sie die provisorisch geschuldeten Steuerbeträge nicht oder nicht korrekt abgerechnet hat oder nachdem sie diese zwar abgerechnet, aber nicht bezahlt hat,
und sie deshalb von der ESTV auf dem Weg der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden mussten. Das blosse Bezahlen eines von der ESTV geltend gemachten provisorisch geschuldeten Steuerbetrags stellt noch keine Anerkennung des materiellen Bestandes der Steuerforderung dar. Hingegen stellt der blosse Rechtsvorschlag gegen die Betreibung des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags noch keine Bestreitung der materiellen Steuerforderung dar, die ein Festsetzungsverfahren durch die ESTV nach sich ziehen würde, sondern stoppt bloss den Einzug des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags. Bringt die steuerpflichtige Person jedoch gleichzeitig mit dem Rechtsvorschlag zum Ausdruck, dass sie die materiellen Voraussetzungen für die Bezahlung der MWST nicht anerkennt, so eröffnet die ESTV ein Festsetzungsverfahren, in dem die Voraussetzungen geprüft und die materielle Steuerforderung festgesetzt wird. Ferner gilt als Untätigkeit, wenn die steuerpflichtige Person von sich aus nie ihren nach Artikel 82 MWSTG bestehenden Anspruch auf eine Verfügung geltend macht und folglich beispielsweise keine Anstalten trifft, damit die ESTV ausserhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens die Steuerforderung fest2662

setzt oder die Voraussetzungen für die Steuerpflicht prüft. Ob mit Eintritt der Festsetzungsverjährung bloss provisorisch geschuldete Steuerbeträge nach dieser Bestimmung neu als Teile der Steuerforderung behandelt werden, liegt somit allein in der Hand der steuerpflichtigen Person.

Indem bestimmt wird, dass auch die von der ESTV nach Absatz 2 geltend gemachten Steuerbeträge als Steuerforderung gelten, wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die Steuerforderung aus abgerechneten und geschätzten Steuerbeträgen zusammensetzen kann.

Nicht von dieser Bestimmung erfasst sind Beträge, die zur Vermeidung von Verzugszinsen unter Vorbehalt bezahlt wurden und für die ein Steuerjustizverfahren eingeleitet wurde. Ebenso wenig von dieser Bestimmung betroffen sind Einschätzungsmitteilungen nach Artikel 79 MWSTG, selbst nachdem das Bundesgericht mit Urteil vom 21. März 2014 (2C_805/2013) festgestellt hat, dass diese nicht mehr mit einer Verfügung verbunden werden dürfen. Bleibt nämlich die steuerpflichtige Person nach Erhalt einer Einschätzungsmitteilung untätig, so erwächst diese zwar nicht unmittelbar in Rechtskraft, wie dies bei einer vorbehaltlosen Zahlung oder schriftlichen Anerkennung der Fall ist, aber immerhin mit Ablauf der Festsetzungsverjährung. Denn im Unterschied zum provisorisch geschuldeten Steuerbetrag wird mit einer Einschätzungsmitteilung die materielle Steuerforderung von der ESTV mittels einer Kontrolle festgesetzt. Bei Nichtbezahlung einer Einschätzungsmitteilung wird diese nach Artikel 89 MWSTG betrieben, weshalb sie von Artikel 86 Absatz 7 MWSTG nicht erfasst wird.

Art. 87 Abs. 2 Damit auf einer Steuernachforderung kein Verzugszins erhoben wird, wird neu ausdrücklich geregelt, dass die steuerpflichtige Person den Nachweis erbringen muss, dass der ihr unterlaufene Fehler beim Bund zu keinem Steuerausfall geführt hat. Nach bisherigem Recht war unklar, ob aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes die ESTV von Amtes wegen zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Nichterhebung des Verzugszinses vorliegen oder ob auch diese Bestimmung unter die im Steuerrecht geltende Beweislastverteilung fällt. Danach hat die steuerpflichtige Person die Voraussetzungen für die abgabenmindernden Tatsachen zu beweisen.

Insbesondere wenn diese Bestimmung auch auf Fälle Anwendung finden soll, bei denen der
Nachweis, dass es nicht zu einem Steuerausfall gekommen ist, vom Verhalten und von Eigenschaften einer anderen steuerpflichtigen Person abhängt.

Denkbar wäre beispielsweise, dass ein Unternehmen Leistungen an ein anderes Unternehmen erbracht hat, sich aber irrtümlich nicht als steuerpflichtige Person hat registrieren lassen und deshalb die Leistungen ohne MWST in Rechnung gestellt wurden. Nur das Unternehmen, das sich irrtümlich nicht als steuerpflichtig hat registrieren lassen, kann nun nachweisen, dass es nicht zu einem Steuerausfall gekommen ist. Denn nur es kennt seine Kundinnen und Kunden und kann aufzeigen, ob diese alle zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt waren und es somit ­ selbst wenn die Leistungen mit Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden wären ­ wegen des Vorsteuerabzugs nicht zu einem Steuerausfall gekommen wäre. Die ESTV selbst ist nicht in der Lage, diese Voraussetzungen zu prüfen, weshalb die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes hier zu keinem Ergebnis führen würde.

Einfacher gestalten sich die Fälle, bei denen der Nachweis, dass der Fehler zu keinem Steuerausfall geführt hat, von nur einer steuerpflichtigen Person abhängt: Denkbar ist zum Beispiel, dass es eine steuerpflichtige Person unterlassen hat, einen 2663

Dienstleistungsbezug aus dem Ausland zu versteuern, hierfür aber gleichzeitig vollumfänglich zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Auch in diesem Fall macht es Sinn, dass die steuerpflichtige Person nachweist, dass kein Steuerausfall entstanden ist.

Die Streichung des Teils «der bei richtiger Abwicklung» führt zu keiner Änderung der Rechtslage gemäss geltender Praxis. Damit soll lediglich klarer gesagt werden, was gemeint war: Es ist der Fehler selbst und nicht seine «richtige Abwicklung», der nicht zu einem Steuerausfall führen durfte, damit kein Verzugszins geschuldet ist.

Denn bei richtiger ­ also genau dem Gesetz entsprechender ­ Abwicklung stellt sich die Frage eines Steuerausfalls nicht, da dieser ja vom Gesetz gewollt wäre. Folglich käme es nie zu einem ­ vom Gesetz nicht gewollten ­ Steuerausfall und Verzugszins wäre nie geschuldet, egal welcher Fehler gemacht worden wäre.

Art. 88 Abs. 3 Die Streichung des Adjektivs «festgesetzt» führt zu keiner Änderung der Rechtslage, sondern verdeutlicht lediglich das Konzept der Festsetzungsverjährung: Damit eine Steuerforderung in Rechtskraft erwächst, bedarf es nämlich nicht in jedem Fall einer eigentlichen Festsetzung, da schon der blosse Ablauf der Festsetzungsverjährung zur Rechtskraft und somit zur Unabänderlichkeit der Steuerforderung führt (vgl. Art. 43 Abs. 1 Bst. c MWSTG).

Art. 89 Abs. 2, 4 und 5 Absatz 2: Die Streichung des Partizips «festgesetzt» führt zu keiner Änderung der Rechtslage, sondern verdeutlicht lediglich das Konzept der Festsetzungsverjährung: Damit eine Steuerforderung in Rechtskraft erwächst, bedarf es nämlich nicht in jedem Fall einer eigentlichen Festsetzung, da schon der blosse Ablauf der Festsetzungsverjährung zur Rechtskraft und somit zur Unabänderlichkeit der Steuerforderung führt (vgl. Art. 43 Abs. 1 Bst. c MWSTG).

Absatz 4: Diese Streichung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Die Bestimmung ist unnötig, da bereits Artikel 80 Absatz 2 Ziffer 2 des Bundesgesetzes vom 11. April 188935 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden den vollstreckbaren gerichtlichen Entscheiden gleichstellt.

Absatz 5: Mit dieser Änderung wird die vom Parlament überwiesene Motion Hess (11.3185) «Artikel 89 Absatz 5 ersatzlos streichen» umgesetzt. Bisher hielt dieser Absatz rein
deklaratorisch fest, dass die Steuerforderung unabhängig davon besteht, ob sie in öffentliche Inventare oder auf Rechnungsrufe eingegeben wird oder nicht.

Denn die Folgen der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar nach den Artikeln 589 und 590 des Zivilgesetzbuchs36 sind nach Bundesgericht auf öffentlichrechtliche Forderungen nicht anwendbar, soweit nicht das öffentliche Recht deren Geltung ausdrücklich vorbehält (BGE 102 Ia 483). Eine Streichung dieser Bestimmung, wie sie die Motion verlangt, hätte somit zu keiner Änderung der Rechtslage geführt. Mit der neuen Formulierung wird dem Willen des Parlaments entsprochen und die ESTV verpflichtet, ihre Steuerforderungen im Konkurs oder in der Nach35 36

SR 281.1 SR 210

2664

lassstundung einer steuerpflichtigen Person ebenfalls in öffentliche Inventare oder auf Rechnungsrufe einzugeben. Die ESTV überprüft wie bisher regelmässig im Schweizerischen Handelsamtsblatt sowie in den kantonalen Amtsblättern, ob über eine bei ihr eingetragene steuerpflichtige Person (Einzelfirma, einfache Gesellschaft, Personengesellschaft) ein Rechnungsruf angekündigt worden ist. Wenn ja, meldet sie ihre Steuerforderungen bei der zuständigen Amtsstelle an.

Art. 92 Abs. 1 Einleitungssatz und Abs. 6 Absatz 1: Betrifft nur den italienischen Text (sprachliche Präzisierung).

Absatz 6: Diese Aufhebung führt zu keiner Änderung der Rechtslage. Der Bundesrat hat von dieser Delegationsnorm keinen Gebrauch gemacht, da es sich gezeigt hat, dass für die Voraussetzungen und das Verfahren für den Steuererlass keine weiteren Bestimmungen nötig sind. Folglich kann die Delegationsnorm aufgehoben werden.

Art. 93 Abs. 1 Einleitungssatz Betrifft nur den italienischen Text (sprachliche Präzisierung).

Art. 96 Abs. 4 Bst. b Betrifft nur den französischen Text (sprachliche Präzisierung).

Art. 105 Abs. 1 Bst. b und c Der Artikel wird neu gegliedert. Unverändert bezieht sich Buchstabe a auf die Inland-, Bezug- und Einfuhrsteuer. Neu werden hingegen in Buchstabe b alle Verfolgungsverjährungen bei der Inland- und Bezugsteuer und in Buchstabe c diejenigen für strafbare Handlungen bei der Einfuhrsteuer geregelt.

Buchstabe b bezieht sich auf die Inland- und Bezugsteuer. Neu wird in Ziffer 3 die qualifizierte Steuerhinterziehung nach Artikel 97 Absatz 2 MWSTG der siebenjährigen Verfolgungsverjährung unterstellt und somit die Dauer der Verfolgungsverjährung der Schwere des Delikts angepasst. Nach bisherigem Recht tritt die Verfolgungsverjährung für qualifizierte Steuerhinterziehung wie auch für einfache Steuerhinterziehung bereits sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der entsprechenden Steuerforderung ein (Art. 105 Abs. 1 Bst. b MWSTG). Dies, obwohl die einfache Steuerhinterziehung bloss mit Busse, die qualifizierte Steuerhinterziehung hingegen mit maximal 2 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. Deshalb wird die qualifizierte Steuerhinterziehung der siebenjährigen Verfolgungsverjährung unterstellt, gleich wie bereits nach geltendem Recht der Steuerbetrug und weitere mit Freiheitsstrafe bedrohte Delikte nach dem
Verwaltungsstrafrecht (vgl. Art. 14­17 Bundesgesetz vom 22. März 197437 über das Verwaltungsstrafrecht [VStrR]). Damit steht die Dauer der Verfolgungsverjährung für die qualifizierte Steuerhinterziehung auch im richtigen Verhältnis zu der bloss mit Busse bedrohten Steuerhinterziehung nach Artikel 96 Absatz 4 MWSTG, die bereits einer Verfolgungsverjährung von 2 Jahren unterliegt (Art. 105 Abs. 1 Bst. c MWSTG). Da Ziffer 3 bloss von Vergehen spricht, findet die siebenjährige Verfolgungsverjährung nicht Anwendung auf Artikel 14 Absatz 4 VStrR, bei dem es sich mit einer Strafdrohung von maximal 15 Jahren um 37

SR 313.0

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ein Verbrechen handelt. Nach Artikel 2 VStrR, der generell auf die Regelungen des Strafgesetzbuches verweist, wenn im Spezialgesetz nichts anderes vorgesehen ist, kommt dafür die 15-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung, wobei im Unterschied zum Mehrwertsteuergesetz nicht zwischen Verfolgungs- und Durchführungsverjährung unterschieden wird.

Buchstabe c bezieht sich ausschliesslich auf Einfuhrsteuerdelikte, bei denen die Verfolgungsverjährung im Unterschied zu Buchstabe b nicht vom Ende der Steuerperiode, sondern vom Zeitpunkt der strafbaren Handlung durch nicht oder nicht korrekte Anmeldung zur Einfuhr abhängig ist. Darunter fallen einerseits alle Vergehen und Übertretungen durch Hinterziehungen der Einfuhrsteuer nach Artikel 96 MWSTG und deren Qualifikationen nach Artikel 97 MWSTG sowie die in den Artikeln 14­17 VStrR genannten Vergehen betreffend die Einfuhrsteuer, nicht aber Verbrechen nach Artikel 14 Absatz 4 VStrR. Auf diese Verbrechen, die mit fünf Jahren Freiheitstrafe bedroht sind, finden über den Verweis in Artikel 2 VStrR die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches Anwendung, die in diesen Fällen eine Verjährungsfrist von insgesamt 15 Jahren vorsehen.

Art. 107 Abs. 1 Bst. c und 2 Absatz 1 Buchstabe c: Bei Leistungen an das Personal kann es sich gleichzeitig auch um Leistungen an eng verbundene oder nahestehende Personen handeln. Diese Delegationsnorm ermächtigt den Bundesrat, zwecks einer möglichst einfachen steuerlichen Handhabung der Leistungen an das Personal Regelungen zu erlassen, die von der nach Artikel 24 Absatz 2 MWSTG anwendbaren Regelung des Drittvergleichs zur Bestimmung des Entgelts abweichen können, also diesbezüglich eine lex specialis zu schaffen. Die bereits in Artikel 47 Absatz 5 MWSTV enthaltene Regelung wird damit auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt.

Absatz 2 betrifft nur den französischen und italienischen Text (sprachliche Präzisierung).

Art. 109 Abs. 1 Seit der Schaffung des Konsultativgremiums war jeweils der Chef oder die Chefin der Hauptabteilung Mehrwertsteuer der ESTV Präsident oder Präsidentin des Konsultativgremiums. Zwischenzeitlich wurde deutlich, dass sich diese Doppelrolle mit der heutigen Funktionsweise des Konsultativgremiums nicht mehr vereinbaren lässt.

Das Konsultativgremium nimmt Stellung zu Erlassentwürfen und Praxisfestlegungen
(Art. 109 Abs. 2 MWSTG). Diese Erlassentwürfe und Praxisfestlegungen werden von der Hauptabteilung MWST als der zuständigen Verwaltungseinheit unter der Verantwortung des Chefs oder der Chefin der Hauptabteilung ausgearbeitet. Der Chef oder die Chefin der Hauptabteilung MWST ist aber gleichzeitig in der Rolle als Präsident oder Präsidentin des Konsultativgremiums für die Stellungnahme des Konsultativgremiums mit Empfehlungen für Änderungen der Erlassentwürfe oder Praxisfestlegungen verantwortlich. Diese doppelte Verantwortlichkeit führt unweigerlich zu Interessenkonflikten, da nicht sowohl die Erlassentwürfe und Praxisfestlegungen als auch die abweichenden Empfehlungen des Konsultativgremiums befürwortet werden können. Nach aussen können zudem Unklarheiten über die Position und Rolle des Konsultativgremiums entstehen. Zur umfassenden Beurteilung der Empfehlungen des Konsultativgremiums muss jedoch klar sein, dass das Konsultativgremium die Sichtweise seiner Mitglieder (steuerpflichtige Personen, 2666

Kantone, Wissenschaft, Steuerpraxis, Konsumierende) vertritt, die von der Sichtweise der ESTV abweichen kann. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird keine Vertretung der Bundesverwaltung mehr offiziell im Konsultativgremium Einsitz nehmen. Die entsprechende Nennung in Artikel 109 Absatz 1 MWSTG wird gestrichen. Dies entspricht im Übrigen dem Regelfall für ausserparlamentarische Kommissionen, da nach Artikel 57e des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199738 (RVOG) Angehörige der Bundesverwaltung nur in begründeten Einzelfällen als Mitglieder einer Kommission gewählt werden dürfen.

Somit kann der Chef oder die Chefin der Hauptabteilung MWST nicht mehr Präsident oder Präsidentin des Konsultativgremiums sein. Die Verordnungsbestimmungen, insbesondere Artikel 158 MWSTV39, werden entsprechend anzupassen sein.

Nicht von dieser Änderung betroffen ist die beratende Teilnahme von Vertretenden der ESTV an den Sitzungen des Konsultativgremiums.

Variante Bundesrat Art. 115 Abs. 1 Nach Artikel 37 Absatz 4 MWSTG muss eine steuerpflichtige Person, die mit der Saldosteuersatzmethode abrechnet, diese Methode während mindestens einer Steuerperiode beibehalten. Entscheidet sie sich für die effektive Methode, kann sie frühestens nach drei Jahren zur Saldosteuersatzmethode wechseln. Wer gestützt auf Artikel 37 Absatz 5 MWSTG nach der Pauschalsteuersatzmethode abrechnen will, muss diese während mindestens 3 Steuerperioden anwenden. Entscheidet sich die steuerpflichtige Person für die effektive Methode, kann sie frühestens nach zehn Jahren zur Pauschalsteuersatzmethode wechseln (Art. 98 Abs. 2 MWSTV). Diese Unterstellungs- und Wartefristen wurden eingeführt, um der Steueroptimierung durch Wechsel der Abrechnungsmethode gewisse Schranken zu setzen. Ansonsten könnte die steuerpflichtige Person jeweils vor grösseren Investitionen zur effektiven Methode wechseln, den vollen Vorsteuerabzug vornehmen, um anschliessend durch Wechsel zur Saldo- oder Pauschalsteuersatzmethode ein zweites Mal vom Vorsteuerabzug zu profitieren.

Diese vom Gesetzgeber gesetzten Schranken würden ausgehebelt, wenn bei einer Steuersatzänderung die gleichen Übergangsbestimmungen gälten wie bei der Einführung des Mehrwertsteuergesetzes. Es besteht auch kein Grund für einen vorzeitigen Wechsel der Abrechnungsmethode,
denn die Saldo- und Pauschalsteuersätze werden im Rahmen einer Änderung der Steuersätze proportional angepasst.

Indem bei einer Änderung der Steuersätze nicht von den Wahlmöglichkeiten Gebrauch gemacht werden kann, wird sichergestellt, dass mit Saldo- oder Pauschalsteuersätzen abrechnende steuerpflichtige Personen gleich behandelt werden wie effektiv abrechnende Personen. Diese Regelung entspricht im Übrigen der von 20012009 geltenden Bestimmung (Art. 59 Abs. 3 dritter Satz des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 199940 [aMWSTG]).

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SR 172.010 SR 641.201 AS 2000 1300

2667

Variante Konsultativgremium Art. 115 Abs. 1 Solange die Überprüfungs- und die Einflussmöglichkeit von verwaltungsexternen Personen bezüglich der Höhe der Saldosteuersätze nicht besteht, macht diese Bestimmung zugunsten der steuerpflichtigen Personen Sinn.

Art. 115a Unternehmen, die mit Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten handeln und deshalb künftig der Margenbesteuerung unterliegen, müssen nach Inkrafttreten dieser Änderung den Abzug fiktiver Vorsteuern auf dem Warenlager nicht rückgängig machen, sofern beim Verkauf dieser Gegenstände die Mehrwertsteuer auf dem Umsatz und nicht bloss auf der Marge abgerechnet wird. Dadurch sollen Liquiditätsengpässe vermieden werden, die sich bloss aus der Umstellung der Abrechnungsart ergeben. Diese Ausnahmeregelung bleibt jedoch wie der zuvor anwendbare Abzug fiktiver Vorsteuern beschränkt auf Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten, die im Inland verkauft werden. Beim Verkauf der Gegenstände ins Ausland muss Eigenverbrauch abgerechnet werden.

Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196841 (VwVG) Art. 14 Abs. 1 Bst. f und Abs. 2 Mit Artikel 81 Absatz 1 MWSTG wurde im Rahmen der MWST-Reform 2010 der in allen anderen Steuerverfahren geltende Ausschluss des Zeugenbeweises aufgehoben, womit im Rahmen der Mehrwertsteuerverfahren grundsätzlich auch Zeugenbeweise zulässig sind. Artikel 14 VwVG sieht jedoch vor, dass Zeugenbeweise in Verwaltungsverfahren nur von den in Absatz 1 genannten Behörden vorgenommen werden dürfen. Nicht genannt war bisher die ESTV, weshalb im Fall einer Zeugeneinvernahme vorgängig der Entscheid des Departements eingeholt werden musste.

Durch diese Ergänzung ist es der ESTV neu möglich, Zeugeneinvernahmen ohne Bewilligung des Departements durchzuführen.

Bundesgesetz vom 11. April 188942 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) Art. 80 Abs. 2 Ziff. 5 Diese Ergänzung regelt eine Besonderheit, die sich aus dem Selbstveranlagungsverfahren bei der Mehrwertsteuer ergibt: Nicht bloss Verfügungen und Entscheide werden bei der Mehrwertsteuer rechtskräftig, sondern ­ dem Wesen der Selbstveranlagungssteuer entsprechend ­ mit Ablauf der Festsetzungsverjährung (Art. 43 Abs. 1 Bst. c i.V.m. Art. 42 Abs. 1 MWSTG) auch Steuerforderungen, die zuvor nie Gegenstand einer Verfügung waren. Eine Zwangsvollstreckung muss auch für solche rechtskräftigen Forderungen möglich sein. Voraussetzung für eine definitive Rechtsöffnung ist aber, dass sich die Steuerforderung aus einer Urkunde ergibt. Als 41 42

SR 172.021 SR 281.1

2668

solche Urkunden gelten ausser den Steuerabrechnungen der steuerpflichtigen Person auch die Einschätzungsmitteilungen der ESTV, da diese seit dem Urteil des Bundesgerichts 2C_805/2013 vom 21. März 2014 nicht mehr als Verfügungen ausgestaltet werden dürfen. Sie werden wie andere rechtskräftige Titel auf dem Weg der definitiven Rechtsöffnung vollstreckt, da dagegen lediglich noch die Einwendungen der Tilgung, Stundung und Verjährung vorgebracht werden können (vgl. Art. 81 Abs. 1 SchKG). Gleich verhält es sich mit Einschätzungsmitteilungen, die durch schriftliche Anerkennung der steuerpflichtigen Person rechtskräftig werden (Art. 43 Abs. 1 Bst. b MWSTG).

Bundesgesetz vom 18. Juni 201043 über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) Art. 6a und 11 Abs. 6 Nach Artikel 50e Absatz 1 AHVG kann die AHV-Versichertennummer ausserhalb der Sozialversicherung des Bundes nur dann systematisch verwendet werden, wenn ein Bundesgesetz dies vorsieht und der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sind. Die Verwendung der AHV-Versichertennummer gilt als «systematisch», wenn Personendaten in strukturierter Form gesammelt werden und diese Daten die neunstellige AHV-Versichertennummer enthalten.

Die Bestimmung unterscheidet zwischen der Verwendung der AHV-Versichertennummer (Abs. 1) und deren Bekanntgabe (Abs. 2). Absatz 1 schafft in Bezug auf die Verwendung eine formell-gesetzliche Grundlage. Der zulässige Verwendungszweck ist die Identifizierung von Personen. Im konkreten Fall kann das BFS zuverlässig überprüfen, ob die Person mit der bestimmten Unternehmung bereits im UIDRegister eingetragen ist. Auf diese Weise kann das Eintragungsverfahren wesentlich beschleunigt und unnötige Mehrfachregistrierungen können vermieden werden.

Damit wird der letzte Schritt der Registerharmonisierung vollzogen, die mit der Einführung der UID-Nummer bezweckt wurde. Diese Änderung im UIDG wird im Rahmen der Teilrevision des MWSTG vorgenommen, da die ESTV in all jenen Fällen die UID-Nummer vergibt, in denen jemand nicht zur Eintragung im Handelsregister verpflichtet ist, sich aber als mehrwertsteuerpflichtige Person registrieren will. Die ESTV selbst ist deshalb bereits heute befugt, die AHV-Versichertennummer zu verwenden (vgl. Art. 131 Bst. a MWSTV sowie oben Art. 76 Abs. 2 E-MWSTG). Andere Personenidentifikatoren, wie ein sektorieller Identifikator für Steuerzwecke sind vorliegend nicht sinnvoll, da die Verwendung der AHVVersichertennummer im Zusammenhang mit der UID-Nummer der Registerqualität und -harmonisierung dient und sich folglich bloss mittelbar auf die Mehrwertsteuer auswirkt. Da die AHV-Versichertennummer nur intern verwendet wird, kann sie auch nicht ins Ausland gelangen.

Nach Absatz 2 ist die Bekanntgabe der AHV-Versichertennummer durch das BFS nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig. Zum einen sind als Empfänger nur UID-Stellen (Art. 3 Abs. 1 Bst. d UIDG) vorgesehen, welche die AHV-Versichertennummer ebenfalls systematisch verwenden
dürfen. Zum andern muss die Bekanntgabe zur Identifizierung der natürlichen Person und zur richtigen Bearbeitung ihrer Daten im UID-Register erforderlich sein. Mit Absatz 2 wird klargestellt, 43

SR 431.03

2669

dass Artikel 6a die UID-Stellen nicht automatisch zur systematischen Verwendung der AHV-Versichertennummer berechtigt. Hierfür gelten die Bestimmungen nach AHVG. Mit anderen Worten müssen sie über eine Grundlage in einem Gesetz verfügen, die es ihnen erlaubt, die AHV-Versichertennummer zu einem bestimmten Zweck zu verwenden.

Die AHV-Versichertennummer darf nicht veröffentlicht werden, was in Artikel 11 Absatz 6 UIDG ausdrücklich festgehalten wird.

Finanzkontrollgesetz vom 28. Juni 196744 (FKG) Art. 6 Bst. k In Artikel 37 Absatz 3 E-MWSTG wird der letzte Teilsatz aufgehoben, der eine regelmässige Überprüfung der Angemessenheit der Saldosteuersätze durch die Eidgenössische Finanzkontrolle vorsah. Infolgedessen ist auch die entsprechende Bestimmung im Finanzkontrollgesetz zu streichen.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Personen

3.1.1

Auswirkungen der Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG

Inländische Unternehmen dürften nur in seltenen Fällen von der Neuregelung der Steuerpflicht betroffen sein, wonach der weltweite Umsatz für die Steuerpflicht massgeblich ist. Unternehmen, die wegen Nichterreichens der Umsatzgrenze von 100 000 Franken nicht im Register der Steuerpflichtigen eingetragen sind, erbringen nur in Ausnahmefällen auch noch Leistungen im Ausland. Typische Beispiele für solche Unternehmen sind die sogenannten «Badewannen-Coiffeusen» und die selbstständigen Taxifahrerinnen und -fahrer. Unternehmen mit Sitz im Inland wiederum, die ausschliesslich oder überwiegend Leistungen im Ausland erbringen, verzichten auf die Befreiung von der Steuerpflicht, da sie auf diese Weise die im Inland angefallene Vorsteuer in Abzug bringen können. Die Neuregelung der Steuerpflicht hätte somit für die inländischen Unternehmen kaum zusätzliche administrative Kosten zur Folge.

Für die Schätzung der neu obligatorisch steuerpflichtigen ausländischen Unternehmen bestehen grosse Unsicherheiten. Die Zahl der ausländischen Unternehmen, die sich im Einführungsjahr neu als steuerpflichtige Personen eintragen lassen müssten, wird auf mindestens 20 000 geschätzt. In den Folgejahren gäbe es ebenfalls Unternehmen, die neu als steuerpflichtige Personen eingetragen würden, aber auch solche, die mangels Erbringen von Leistungen wieder aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen gelöscht würden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Löschungen weniger schnell vorgenommen werden als Eintragungen, da jeweils abgewartet werden muss, ob im Folgejahr tatsächlich keine Leistungen im Inland mehr erbracht werden. Die Mehrzahl dieser ausländischen Unternehmen würde voraussichtlich 44

SR 614.0

2670

nicht nur in einem einzelnen Jahr Arbeiten in der Schweiz ausführen, sondern über mehrere Jahre hinweg. Im zweiten Jahr würden demzufolge schätzungsweise 5 000 bis 10 000 Unternehmen neu als steuerpflichtige Personen eingetragen, aber erst wenige Unternehmen wieder aus dem Register gelöscht. Auch im dritten Jahr dürften die Eintragungen die Löschungen noch leicht übertreffen. Ab dem vierten Jahr sollten sich die Eintragungen und Löschungen dann ungefähr die Waage halten.

Tabelle 1 Anzahl zusätzliche steuerpflichtige Personen Einführungsjahr

> 20 000

Zweites Jahr

5 000­10 000

Drittes Jahr

2 000

Ab dem vierten Jahr

geringfügige Zu- und Abnahmen

Insgesamt dürfte sich die Zahl der steuerpflichtigen Personen von aktuell rund 360 000 um etwa 30 000 erhöhen.

Für diese neu steuerpflichtigen Personen hat die Vorlage zusätzliche administrative Aufwendungen zur Folge. Die damit verbundenen Kosten dürften höher sein als bei einem vergleichbaren inländischen Unternehmen, da jeweils auch noch eine Steuervertreterin oder ein Steuervertreter in der Schweiz bezeichnet und bezahlt werden muss. Gemäss einer Studie der PricewaterhouseCoopers AG betragen die Kosten für die Bestimmung einer Steuervertreterin oder eines Steuervertreter zwischen 1000 und 1750 Franken.45 Die durchschnittlichen jährlichen Regulierungskosten pro effektiv abrechnende steuerpflichtige Person werden in dieser Studie auf mindestens 3500 Franken geschätzt (S. 30). Steuerpflichtige Personen, die sich für die Anwendung der Saldosteuersatzmethode entscheiden, haben hingegen nur Kosten von 1400 Franken pro Jahr (S. 31). Ob diese Kosten auf die inländische Kundschaft überwälzt werden können oder vom ausländischen Unternehmen getragen werden, ist offen.

3.1.2

Auswirkungen der Neuregelung der Steuerpflicht und der Ausdehnung der Steuerausnahmen auf die steuerpflichtigen Gemeinwesen

Die Aufhebung der Umsatzgrenze von 25 000 Franken für Leistungen an Nichtgemeinwesen nach Artikel 12 Absatz 3 MWSTG dürfte dazu führen, dass ein paar Hundert steuerpflichtige Dienststellen von Gemeinwesen nicht mehr obligatorisch steuerpflichtig wären und sich somit aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen löschen lassen könnten. So würde beispielsweise eine Dienststelle, die abgesehen von der Vermietung von Parkplätzen an die Beschäftigten ausschliesslich Leistungen an andere Gemeinwesen erbringt, dank der Aufhebung der Grenze von

45

PricewaterhouseCoopers AG (PwC), Messung der Regulierungskosten im Bereich Steuern, Schlussbericht vom 26. September 2013, S. 69; www.estv.admin.ch > Dokumentation > Zahlen und Fakten > Gutachten und Berichte > Messung der Regulierungskosten im Bereich Steuern

2671

25 000 Franken für Leistungen an Nichtgemeinwesen voraussichtlich wieder von der Steuerpflicht befreit.

Hingegen kann die Aufhebung der Steuerausnahme für die Vermietung von im Gemeingebrauch stehenden Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 21 Buchstabe c MWSTG dazu führen, dass diverse Dienststellen von Gemeinwesen neu steuerpflichtig werden.

Die Erweiterung der Steuerausnahme nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 Buchstaben b und c MWSTG dürfte zur Folge haben, dass einige bestehende Gesellschaften, an denen nur Gemeinwesen beteiligt sind, neu von der Steuerpflicht befreit wären.

Es ist weiter damit zu rechnen, dass durch diese Bestimmung die Zusammenarbeit von Gemeinwesen gefördert würde.

3.2

Auswirkungen auf den Bund

3.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Einige der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen haben finanzielle Auswirkungen auf den Bund.

­

46

Die Möglichkeit, beim Bezug von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten von nicht steuerpflichtigen Personen einen fiktiven Vorsteuerabzug vorzunehmen, hat möglicherweise grosse Steuermindereinnahmen für die Bundeskasse zur Folge gehabt. Auf einfache und legale Art können so nämlich Vorsteuern abgezogen werden, die gar nie in die Bundeskasse geflossen sind. In der Zusatzbotschaft vom 23. Juni 201046 zur Botschaft zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer wurden die mittelfristig möglichen jährlichen Mindereinnahmen auf bis zu 90 Millionen Franken geschätzt. Die Erfahrungen aus den 5 Jahren seit der Einführung des Abzugs fiktiver Vorsteuern lassen den Schluss zu, dass zumindest im Bereich des «klassischen» Kunsthandels bisher von diesen Optimierungsmöglichkeiten nicht oder allenfalls in geringem Umfang Gebrauch gemacht worden ist. Es sind nämlich aus den Mehrwertsteuerabrechnungen keine auffälligen Umsatzsteigerungen feststellbar. Geschäfte mit Kunstgegenständen können jedoch grundsätzlich von allen Unternehmen und Personen getätigt werden.

Inwiefern ausserhalb des «klassischen» Kunsthandels die Gelegenheit genutzt wurde, Geld aus der Bundeskasse zu entnehmen, das gar nie als Steuer in diese geflossen ist, ist aus den Mehrwertsteuerabrechnungen nicht ersichtlich. Das Potenzial für Handelsgeschäfte, in die zumeist das In- und Ausland involviert sind und die zu grossen Steuermindereinnahmen führen können, ist aber gegeben. Die daraus zu erwartenden jährlichen Mindereinnahmen lassen sich nicht verlässlich bestimmen. Sie dürften aber deutlich niedriger sein als die bisher geschätzten 90 Millionen Franken und kaum mehr als 30 Millionen Franken betragen. Um dieses Risiko für die Bundeskasse auszuschalten, ist vorgesehen, bei Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten den Abzug der fiktiven Vorsteuer nicht mehr zuzulassen und dafür die Margenbesteuerung wieder einzuführen (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 24a). Damit wird verhindert, dass jährlich rund BBl 2010 5397

2672

30 Millionen Franken Vorsteuern abgezogen werden, die gar nie als Steuer in die Bundeskasse geflossen sind.

­

Der Abzug der fiktiven Vorsteuer soll neu auch dann möglich sein, wenn die gebrauchten Gegenstände an einen Abnehmer oder eine Abnehmerin im Ausland geliefert werden (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 28a). Dies hätte Mindereinnahmen von jährlich rund 4 Millionen Franken zur Folge.

­

Die Neuregelung der Steuerpflicht (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 1 Bst. a, c und Abs. 2 Bst. b) dürfte gemäss Schätzungen Mehreinnahmen von jährlich rund 40 Millionen Franken zur Folge haben.

­

Für die Umsetzung der Neuregelung der Steuerpflicht (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 2) ist zusätzliches Personal bei der ESTV notwendig, was zu Mehrkosten von gut 4 Millionen Franken führen würde.

­

Wegen Unterschreitens des Mindeststeuerbetrags von 5 Franken von der Einfuhrsteuer befreite Sendungen an inländische Kunden und Kundinnen sollen ab einem jährlichen Umsatz von 100 000 Franken aus solchen Sendungen der Inlandsteuer unterstellt werden (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 7 Abs. 3 Bst. b). Dies dürfte jährliche Mehreinnahmen von mindestens 20 Millionen Franken zur Folge haben.

­

Weiter sollen die Steuerpflicht im Bereich der Gemeinwesen vereinfacht und die Zusammenarbeit zwischen Gemeinwesen mehrwertsteuerlich entlastet werden (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 12 Abs. 3 sowie Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 und 28bis und Abs. 6). Mit diesen Änderungen wären Mindereinnahmen von jährlich rund 10 Millionen Franken verbunden.

­

Sodann soll eine Finanzierung durch Nichtentgelte die Steuerpflicht nicht mehr ausschliessen (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 1bis). Die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen lassen sich kaum schätzen.

Die jährlich wiederkehrenden Mindereinnahmen dürften im Bereich von ungefähr 5 Millionen Franken liegen. Hinzu kämen allerdings noch einmalige Mindereinnahmen aus der Einlageentsteuerung im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

­

Die Neuregelung der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (vgl. Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 Bst. c) würde zu Mehreinnahmen von jährlich rund 8 Millionen Franken führen.

­

Mindereinnahmen von jährlich ungefähr 5 Millionen Franken wären zudem mit der Umsetzung der Parlamentarischen Initiativen Triponez und Frick verbunden.

­

Die Besteuerung von kostenpflichtigen elektronischen Zeitungen und Zeitschriften zum reduzierten Steuersatz führt zu Mindereinnahmen von jährlich rund 2 Millionen Franken.

Insgesamt würden sich die jährlichen Mehreinnahmen somit auf rund 68 Millionen Franken belaufen (Tabelle 2).

2673

Tabelle 2 Wiederkehrende finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt Mio. Franken

Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten: Ersatz des Abzugs fiktiver Vorsteuern durch die Margenbesteuerung Abzug der fiktiven Vorsteuer auch möglich, wenn der Gegenstand ins Ausland verkauft wird Weltweite Umsätze statt Inlandumsätze massgeblich für Steuerpflicht Kosten für zusätzliches Personal zur Umsetzung der Neuregelung der Steuerpflicht Unterstellung der Kleinsendungen aus dem Ausland unter die Inlandsteuer Vereinfachung der Steuerpflicht von Gemeinwesen Finanzierung der Unternehmen durch Nicht-Entgelte schliesst die Steuerpflicht nicht mehr aus Neuregelung der Besteuerung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen Umsetzung der parlamentarischen Initiativen 02.413 Triponez und 11.440 Frick Besteuerung elektronischer Zeitungen und Zeitschriften zum reduzierten Steuersatz Mehreinnahmen total

3.2.2

30 ­4 40 ­4 20 ­10 ­5 8 ­5 ­2 68

Personelle Auswirkungen

Auswirkungen auf den Personalbedarf hat einzig die Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG. Weil neu auf den weltweit erzielten Umsatz abgestellt wird, ist mit einer starken Zunahme der Anzahl Eintragungen und Löschungen von Unternehmen im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen zu rechnen. Auch die Anzahl der dauerhaft steuerpflichtigen Personen würde deutlich zunehmen (s. Ziff. 3.1.1).

Der Aufwand für die Eintragung und Löschung von ausländischen Unternehmen ist in aller Regel grösser als bei inländischen Unternehmen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass es schwierig ist, mit diesen Unternehmen in Kontakt zu treten. Zum anderen muss überprüft werden, ob eine Steuervertreterin oder ein Steuervertreter in der Schweiz (Art. 67 MWSTG) bestellt wird. Ausserdem sind teilweise auch Sicherstellungsmassnahmen nach Artikel 93 MWSTG zu treffen, damit die geschuldete Steuer auch abgeliefert wird. Besonders hoch wäre der Aufwand für die ESTV im Einführungsjahr der Neuregelung der Steuerpflicht. Aber auch später wären gegenüber dem Status quo pro Jahr zusätzlich rund 10 000 Eintragungen und Löschungen vorzunehmen.

Aktuell werden im MWST-Register pro Jahr rund 29 000 Eintragungen und 23 000 Löschungen vorgenommen. Mit diesen Arbeiten sind 53 Personen (Vollzeitäquiva2674

lente) beschäftigt. Um jährlich weitere 10 000 Eintragungen und 10 000 Löschungen vornehmen zu können, müsste der Personalbestand der ESTV demnach um rund 20 Vollzeitstellen aufgestockt werden. Mit der Eintragung als steuerpflichtige Person und der allfälligen späteren Löschung ist es jedoch nicht getan. Die rund 30 000 Unternehmen, um welche der Bestand der steuerpflichtigen Unternehmen zunehmen dürfte, müssten während ihrer Steuerpflicht auch betreut werden. Es wären Abrechnungsformulare zuzustellen, Abrechnungen zu kontrollieren, Zahlungseingänge zu überwachen, und in zahlreichen Fällen dürfte es notwendig sein, Ausstände zu mahnen und Inkassomassnahmen zu treffen. Aktuell werden rund 360 000 Steuerpflichtige durch 209 Personen (inklusive Führungspersonen, gemessen in Vollzeitäquivalenten) betreut. Für die Betreuung von zusätzlich 30 000 ausländischen Unternehmen, deren Betreuung in der Regel überdurchschnittlich aufwendig ist, ergäbe sich ein Mehrbedarf an Personal von 18 Vollzeitstellen.

Die Neuregelung der Steuerpflicht dürfte zudem zu einem deutlichen Anstieg der Gesuche um Rechts- und Amtshilfe ans Ausland und der Gesuche um Amtshilfe aus dem Ausland führen. Inwieweit hierfür ebenfalls zusätzliches Personal bei der ESTV notwendig wäre, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen.

Insgesamt wären somit nach diesen Berechnungen für diese neue Aufgabe in der ESTV 38 zusätzliche Vollzeitstellen notwendig. Die Schätzungen bezüglich der zu erwartenden zusätzlichen Steuerpflichtigen und damit auch der zusätzlich notwendigen Eintragungen und Löschungen sind jedoch mit grossen Unsicherheiten behaftet.

Ausserdem besteht Ungewissheit betreffend die Entwicklung der Gesuche um Amtsund Rechtshilfe. Es gilt zudem zu vermeiden, dass Personal auf Vorrat angestellt wird. Die Personalaufstockung soll deshalb auf 30 Vollzeitstellen begrenzt werden, was Kosten von rund 4 Millionen Franken zur Folge hat. Eine Evaluation nach 3 Jahren wird dann aufzeigen, ob diese Ressourcen für den laufenden Betrieb ausreichend sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die ESTV erst interne Massnahmen wie Schwerpunktsetzung oder Aufgabenverzichte prüfen, bevor sie einen weiteren Stellenantrag stellt.

Kein zusätzliches Personal ist hingegen vorgesehen für die Bewältigung des einmaligen Zusatzaufwandes im Einführungsjahr, in welchem mehr als 20 000 Eintragungen vorzunehmen wären.

3.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Kantone und Gemeinden wären zum einen insofern betroffen, als sie als Einheit oder als Dienststelle steuerpflichtig sind und infolge der Neuregelung der Steuerpflicht im Bereich der Gemeinwesen nach Artikel 12 E-MWSTG unter Umständen nicht mehr steuerpflichtig wären. Positive Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden hätte aber auch die Erweiterung der Steuerausnahme nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 E-MWSTG. Gründen mehrere Gemeinwesen eine Gesellschaft, um eine Aufgabe gemeinsam zu erbringen, so wären neu die Leistungen dieser Gesellschaft an die beteiligten Gemeinwesen und die Leistungen der beteiligten Gemeinwesen an die Gesellschaft von der Steuer ausgenommen. Solche Zusammenarbeiten sind zwischen Kantonen ebenso denkbar wie zwischen Gemeinden. So wäre es neu beispielsweise möglich, dass mehrere Kantone zusammen eine Fachhochschule gründen und die Leistungen dieser beteiligten Kantone an die Fachhochschule und die Leistungen der Fachhochschule an die beteiligten Kantone von der 2675

Steuer ausgenommen bleiben. Die Mehrwertsteuer würde somit keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Gestaltung solcher Zusammenarbeiten ausüben.

Entlastet würden die Kantone und Gemeinden zudem dadurch, dass das Zurverfügungstellen von Personal durch Gemeinwesen an andere Gemeinwesen neu nach Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28bis E-MWSTG von der Steuer ausgenommen wäre.

Eine Mehrbelastung würden die Gemeinden hingegen dadurch erfahren, dass die bisher von der Steuer ausgenommene Vermietung von im Gemeingebrauch stehenden Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen steuerbar wird. Allerdings steht es den Gemeinden frei, die anfallende Mehrwertsteuer auf die Kundinnen und Kunden zu überwälzen. Dadurch würden diverse Dienststellen neu steuerpflichtig.

Per Saldo ergäbe sich für die Kantone eine steuerliche Entlastung von rund 5 Millionen Franken und für die Gemeinden eine Mehrbelastung von einigen Millionen Franken. Falls die Mehrwertsteuer aus der Vermietung von Parkplätzen auf die Kunden überwälzt werden kann, was Anpassungen der Gebührenordnungen voraussetzt, würde auch für die Gemeinden eine Entlastung von rund 5 Millionen Franken resultieren.

3.4

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Von den jährlichen Mehreinnahmen von rund 68 Millionen Franken der Vorlage würden nebst der allgemeinen Bundeskasse auch die AHV und die IV profitieren.

Für den AHV-Fonds würden sich jährliche Mehreinnahmen von rund 6 Millionen Franken ergeben und für den IV-Fonds ­ befristet bis Ende 2017 ­ rund 3 Millionen Franken.

3.5

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hat von den einzelnen Gesetzesänderungen nur die Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG. Ausländische Unternehmen, die keinen Sitz und keine Betriebsstätte im Inland haben, werden neu bereits ab dem ersten Franken Umsatz aus Leistungen im Inland grundsätzlich steuerpflichtig. Damit werden Wettbewerbsnachteile der inländischen Unternehmen eliminiert und die Wertschöpfung im Inland vollumfänglich besteuert. Dies dürfte sich in erster Linie in den Grenzgebieten positiv auf die Wirtschaft im Allgemeinen und die inländischen Handwerksbetriebe im Besonderen auswirken.

3.6

Auswirkungen auf die privaten Haushalte

Die Haushalte sind von der Vorlage nur in geringem Ausmasse betroffen. Eine Mehrbelastung würde sich bei den Haushalten ergeben, die bisher steuerfreie Arbeiten von ausländischen Unternehmen beziehen konnten, da sich ihre derartigen Bezüge auf nicht mehr als 10 000 Franken im Jahr beliefen. Infolge der Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG müssten nun die ausländischen Unternehmen alle ihre Leistungen im Inland versteuern. Dadurch würde sich der Preis ihrer Leistungen um 8 Prozent erhöhen. Für die betroffenen Haushalte würden sich 2676

die bezogenen Leistungen somit um maximal 800 Franken verteuern. Zudem ergäbe sich eine geringfügige Mehrbelastung von durchschnittlich knapp 3 Franken pro Jahr für die Haushalte mit Autos, da die Vermietung von im Gemeingebrauch stehenden Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen neu steuerbar wird. Durch die Besteuerung elektronischer Zeitungen und Zeitschriften zum reduzierten Steuersatz ergäbe sich eine Entlastung für die Personen, die kostenpflichtige Online-Medien konsumieren.

3.7

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201247 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201248 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt, weil der Auftrag während der laufenden Legislatur ergangen ist.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Die vorgeschlagenen Änderungen der Vorlage führen per Saldo weder zu einer Vereinfachung noch zu einer Verkomplizierung des Mehrwertsteuersystems. Die Vorlage läuft somit der Strategie des Bundesrates, das Steuersystem möglichst einfach und attraktiv auszugestalten49, nicht entgegen, unterstützt sie aber auch nicht. Als Einzelmassnahme nicht mit dieser Strategie vereinbar ist insbesondere die von der Motion 13.3362 verlangte Steuerausnahme für Leistungen gemeinnütziger Organisationen im Rahmen ihres statuarischen Zwecks an ihre Gönner und Gönnerinnen.

Der Bundesrat setzt seine längerfristigen Bestrebungen zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer und damit zur Stärkung der Attraktivität des schweizerischen Steuersystems fort.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 130 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, eine Mehrwertsteuer zu erheben.

47 48 49

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 BBl 2012 481, hier 543

2677

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist und die in der EU anwendbare Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht übernommen hat, hat diese Richtlinie in der Schweiz keine Gültigkeit. Die Schweiz kann ihr Mehrwertsteuerrecht weiterhin autonom gestalten. Die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU berühren die Mehrwertsteuer nur im Rahmen der Amts- und Rechtshilfe. Diese Bestimmungen erfahren durch die Vorlage keine Änderungen. Es ist aber infolge der Neuregelung der Steuerpflicht mit einer deutlichen Zunahme der Amts- und Rechtshilfegesuche von der Schweiz an EU-Staaten und von EU-Staaten an die Schweiz zu rechnen.

Die Neuregelung der Steuerpflicht nach Artikel 10 E-MWSTG muss mit den WTOVerpflichtungen der Schweiz vereinbar sein. Dies ist dadurch gewährleistet, dass inländische und ausländische Unternehmen gleich behandelt werden.

Zu erwähnen ist weiter der am 28. Oktober 199450 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossene Staatsvertrag betreffend die Mehrwertsteuer im Fürstentum Liechtenstein. Mit diesem Vertrag übernimmt das Fürstentum Liechtenstein, das im Übrigen mit der Schweiz ein einziges Zollgebiet bildet, das in der Schweiz geltende Mehrwertsteuerrecht für sein Staatsgebiet. Ziel des Vertrags ist es, eine einheitliche Regelung, Auslegung und Durchsetzung der Mehrwertsteuer in beiden Ländern zu gewährleisten. Dieser Vertrag behält seine Gültigkeit, sofern er nicht von einer der beiden Vertragsparteien aufgekündigt wird. Entsprechend dem genannten Staatsvertrag wird das Fürstentum Liechtenstein sein Mehrwertsteuerrecht dem revidierten schweizerischen Mehrwertsteuergesetz anpassen müssen.

Ausserdem besteht ein am 23. November 196451 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossener Vertrag über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet. Nach diesem Staatsvertrag findet in der deutschen Gemeinde Büsingen das schweizerische Mehrwertsteuerrecht Anwendung. Dies heisst, dass die Schweiz auch auf dem Gebiet der Gemeinde Büsingen die Mehrwertsteuer auf der Einfuhr und den dort erbrachten Leistungen erhebt. Im Gegenzug beteiligt sich die Schweiz mit einem Anteil aus dem Mehrwertsteuerertrag an den Sonderlasten der Gemeinde Büsingen und ihrer Bevölkerung. Der Staatsvertrag behält seine Gültigkeit, sofern er nicht von einer der Vertragsparteien aufgekündigt wird.

5.3

Erlassform

Die Vorlage bereitet eine Revision des Mehrwertsteuergesetzes vor und betrifft damit wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe d BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den Erlass des Gesetzes ergibt sich aus Artikel 163 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz der Bundesversammlung). Der Erlass unterliegt dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

50 51

SR 0.641.295.142 SR 0.631.112.136

2678

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage erfordert keine Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Nach Artikel 182 Absatz 1 BV erlässt der Bundesrat rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung, soweit er durch Verfassung oder Gesetz dazu ermächtigt ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf verpflichtet den Bundesrat, Ausführungsbestimmungen zum Mehrwertsteuergesetz zu erlassen. Soweit weitere Vollzugsbestimmungen erforderlich sind, ergibt sich die Regelungskompetenz des Bundesrates aus seiner Vollzugskompetenz (Art. 182 Abs. 2 BV).

Bei den Rechtsetzungsbefugnissen, die an den Bundesrat delegiert werden, handelt es sich um Detailbestimmungen, deren Aufnahme in das Gesetz nicht normstufengerecht wäre. Namentlich handelt es sich um folgende Bereiche:

52

­

Artikel 4 Absatz 3: Regelung der Einzelheiten bezüglich Kompensation der Steuerausfälle durch die Gemeinden Samnaun und Valsot infolge des eingeschränkten Geltungsbereichs des Gesetzes in den Talschaften Samnaun und Sampuoir.

­

Artikel 21 Absatz 7: Aufgrund der Delegationsnorm wird der Bundesrat die Bildungs- und Forschungsinstitutionen näher umschreiben.

­

Artikel 24a Absatz 4: Der Bundesrat bestimmt, welche Gegenstände als Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten gelten. Dabei orientiert er sich an der bis 31. Dezember 2009 geltenden Umschreibung in Artikel 11 der Verordnung vom 29. März 200052 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (aMWSTGV).

­

Artikel 24a Absatz 5: Der Bundesrat erlässt die nötigen Regelungen, wann Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten zu einem Gesamtpreis bezogen werden. Dabei orientiert er sich an der bis 31. Dezember 2009 geltenden Umschreibung (Art. 13 aMWSTGV).

­

Artikel 76d: Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen, die aus legislatorischen Gründen nicht auf Gesetzesstufe geregelt werden müssen. Darunter fallen insbesondere Bestimmungen zum Informationssystem, die Aufbewahrungsdauer sowie die Löschung und Archivierung der Daten.

­

Artikel 107 Absatz 1 Buchstabe c und 2: Der Bundesrat regelt die mehrwertsteuerliche Behandlung von Leistungen an Personen, die zum Personal gehören und zugleich eng verbundene Personen sind.

AS 2000 1347

2679

2680