13.479 Parlamentarische Initiative Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 13. April 2015

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

Eine Minderheit der Kommission (Leutenegger Oberholzer, Birrer-Heimo, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten.

13. April 2015

Im Namen der Kommission Der Präsident: Ruedi Noser

2015-1302

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Übersicht Im Bereich von Dividendenausschüttungen im Konzernverhältnis kann dem Steuerpflichtigen gestattet werden, seine Steuerpflicht durch Meldung zu erfüllen, wenn die Entrichtung der Verrechnungssteuer zu unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte führen würde. Erfüllt der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen nach Artikel 24 ff. der Verrechnungssteuerverordnung (VStV)1 für die Gewährung des Meldeverfahrens, so hat er den steuerbaren Ertrag innerhalb von 30 Tagen seit Entstehung der Steuerforderung zu deklarieren und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zu melden. Nach unbenutztem Ablauf dieser Frist verwirkt das Recht, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen. Die Steuerforderung wird in der Folge im ordentlichen Verfahren erhoben, wonach die Verrechnungssteuer vom Leistungsschuldner nachträglich zu deklarieren, zu entrichten und auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Damit fallen in der Regel zusätzlich Verzugszinsen von aktuell 5 Prozent an.

Die Mehrheit der Kommission beurteilt die Konsequenz für das Nichteinhalten der 30-tägigen Deklarationsfrist als unverhältnismässig. Nebst der Bezahlung hoher Verzugszinsen führt die ordentliche Entrichtung der Verrechnungssteuer bei den betroffenen Unternehmen zu einem vorübergehenden Liquiditätsabfluss, obschon sie die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllen und damit die Verrechnungssteuer grundsätzlich nicht zu entrichten hätten.

Mit dem vorliegenden Entwurf beantragt die Mehrheit der Kommission aus diesen Gründen eine neue Regelung, wonach sowohl die Deklaration der Verrechnungssteuer als auch die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen möglich sein soll, ohne dass das Recht, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen, verwirkt. Die Deklarationsfrist stellt damit neu eine Ordnungsfrist dar. Diese Regelung kommt nur dann zur Anwendung, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllt sind. In diesen Fällen wird die Verrechnungssteuer weder nachträglich im ordentlichen Verfahren erhoben, noch fällt ein Verzugszins an. Stattdessen kann eine Ordnungsbusse erhoben werden.

Eine Kommissionsminderheit beantragt eine abweichende Regelung, die die Verrechnungssteuersystematik und die Natur der
Deklarationsfrist nicht infrage stellt.

Eine Verlängerung der Deklarationsfrist auf neu 90 Tage sowie eine Verlängerung der Frist für die Einreichung des Gesuchs um Meldung auf neu ein Jahr soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die aktuelle Frist von 30 Tagen sehr kurz ist. Beide Fristen sollen allerdings weiterhin Verwirkungsfristen darstellen und folglich nach unbenutztem Ablauf dazu führen, dass der Anspruch auf ein Meldeverfahren verwirkt und die Steuerforderung im ordentlichen Verfahren erhoben wird, wobei zusätzlich Verzugszinsen anfallen können.

1

SR 642.211

5332

Die Kommissionsmehrheit beantragt eine Inkraftsetzung der neuen Regelung mit einer Rückwirkung, wonach die neue Regelung auch auf Sachverhalte anwendbar sein soll, die vor dem Inkrafttreten der Änderungsbestimmungen eingetreten sind, sofern die Steuer- oder Verzugszinsforderung nicht verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt wurde. Damit soll sichergestellt werden, dass die neue Regelung auch auf jene Fälle Anwendung findet, die im Zuge des Bundesgerichtsentscheids vom 19. Januar 2011 (vgl. Ziff. 2.3) eine rechtskräftige Festsetzung von Verrechnungssteuer und Verzugszins erfahren haben. Eine Minderheit erachtet eine Rückwirkungsbestimmung im Hinblick auf die Rechtssicherheit und das Rechtsstaatsprinzip als problematisch. Gleichzeitig sollen die auf CHF 600 Millionen geschätzten finanziellen Auswirkungen einer Rückwirkung im Sinne der Mehrheit verhindert werden. Die Kommissionsminderheit beantragt aus diesen Gründen, auf eine Rückwirkung zu verzichten.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Die parlamentarische Initiative 13.479 «Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer» wurde am 13. Dezember 2013 von Nationalrat Gasche eingereicht. Mit ihr wird gefordert, das Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz; VStG)2 dahingehend anzupassen, dass eine verspätet eingereichte Meldung einer steuerbaren Leistung nicht mehr dazu führt, dass das Recht auf eine Überprüfung eines Meldeverfahrens verwirkt, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllt sind. Die geänderten gesetzlichen Grundlagen sollen ausserdem die Möglichkeit geben, die Verletzung der gesetzlichen Frist mit einer Ordnungsbusse anstatt wie bisher mit Verzugszinsen ahnden zu können. Zudem sollen rechtskräftig verfügte Verzugszinszahlungen rückgängig gemacht und zurückerstattet werden können.

Gleichzeitig wurde im Ständerat eine parlamentarische Initiative mit einem ähnlichen Anliegen eingereicht (parlamentarische Initiative Niederberger, 13.471 «Abbau von bürokratischen Hürden beim Meldeverfahren. Änderung des Verrechnungssteuergesetzes»).

Im Mai 2014 hat die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) mit 15 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen der parlamentarischen Initiative Gasche Folge gegeben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) hat dem Beschluss ihrer Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 1. Juli 2014 mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt und gleichzeitig mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung der parlamentarischen Initiative Niederberger Folge gegeben. Damit wurde die WAK-N nach Artikel 111 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes (ParlG) vom 13. Dezember 20023 beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten. Die WAK-N gab dazu der Verwaltung den Auftrag, einen Vorentwurf mit möglichen Umsetzungsvarianten sowie den zugehörigen erläuternden Bericht auszuarbeiten. An ihrer Sitzung vom 10. November 2014 hat die WAK-N mit 17 zu 7 Stimmen einen Vorentwurf verabschiedet und beschlossen, eine Vernehmlassung zu eröffnen.

Am 12. Dezember 2014 wurde die Vernehmlassung zum Vorentwurf mit dem erläuternden Bericht eröffnet. Sie endete am 6. März 2015. An ihrer Sitzung vom 13. April 2015 hat die WAK-N von den Vernehmlassungsergebnissen (vgl. Ziff. 2.8) Kenntnis genommen und den beiliegenden Entwurf mit 14 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden des Nationalrates verabschiedet.

2 3

SR 642.21 SR 171.10

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2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Geltendes Recht

2.1.1

Grundsätze der Verrechnungssteuer

Gemäss Artikel 132 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)4 und Artikel 1 Absatz 1 VStG kann der Bund auf dem Ertrag von beweglichem Kapitalvermögen, auf Lotteriegewinnen und auf Versicherungsleistungen eine Verrechnungssteuer erheben.

Diese sichert im inländischen Verhältnis im Rahmen der direkten Steuern die korrekte Deklaration des Einkommens und des Vermögens (sog. Sicherungsfunktion der Verrechnungssteuer). Gegenüber ausländischen Begünstigten verfolgt die Verrechnungssteuer bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ebenfalls einen Sicherungszweck, in den anderen Fällen stellt sie eine definitive Belastung dar.

Nachfolgend wird auf Ausführungen zu den Lotteriegewinnen und Versicherungsleistungen verzichtet und einzig Bezug auf das Meldeverfahren für Dividenden im Konzernverhältnis genommen.

Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem Ertrag von beweglichem Kapitalvermögen sind die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Obligationen, Serienschuldbriefe, Seriengülten und Schuldbuchguthaben sowie Aktien, Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und Genussscheine, der von einem Inländer oder von einem Ausländer in Verbindung mit einem Inländer ausgegebenen Anteile an einer kollektiven Kapitalanlage sowie Kundenguthaben bei inländischen Banken und Sparkassen (vgl. Art. 4 Abs. 1 VStG).

Der steuerbare Ertrag von Aktien, Stammanteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaftsanteilen ist dabei jede geldwerte Leistung der Gesellschaft oder Genossenschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder an ihnen nahestehende Dritte, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- oder Stammkapital darstellt. Unter diesen Begriff fallen unter anderem auch Dividenden, Boni, Gratis-aktien, Gratis-Partizipationsscheine und Liquidationsüberschüsse (vgl.

Art. 20 Abs. 1 der VStV).

Die Steuerforderung entsteht im Zeitpunkt, in dem die steuerbare Leistung fällig wird (vgl. Art. 12 Abs. 1 VStG). Die Verrechnungssteuer wird im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c VStG 30 Tage nach Entstehen der Steuerforderung fällig. Auf Steuerbeträgen, die nach Ablauf dieses Fälligkeitstermins noch ausstehen, ist ohne Mahnung
ein Verzugszins geschuldet. Der Zinssatz wird vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) bestimmt und beträgt zurzeit 5 Prozent (vgl.

Art. 16 Abs. 2 VStG i.V.m. Art. 1 der Verordnung vom 29. November 19965 über die Verzinsung ausstehender Verrechnungssteuern).

Das Verrechnungssteuerrecht wird vom sogenannten Selbstveranlagungsprinzip beherrscht. Der Steuerpflichtige hat sich unaufgefordert bei der ESTV anzumelden, bei Fälligkeit der Steuer unaufgefordert die vorgeschriebene Abrechnung mit den Belegen einzureichen und gleichzeitig die Steuer zu entrichten oder unaufgefordert 4 5

SR 101 SR 642.212

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die an ihre Stelle tretende Meldung zu erstatten (vgl. Art. 38 VStG). Der Steuerpflichtige hat folglich die Steuerforderung selbst festzustellen und den Betrag der nach seiner Ansicht geschuldeten Steuer unter Beifügung einer Abrechnung fristgerecht einzubezahlen.

Steuerpflichtig ist nach Artikel 10 Absatz 1 VStG der Schuldner der steuerbaren Leistung. Letztere ist bei der Auszahlung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht auf die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen, bei Kapitalerträgen um 35 Prozent (vgl. Art. 13 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 14 Abs. 1 VStG). Inländer ist, wer im Inland unter anderem statutarischen Sitz hat oder als Unternehmen im inländischen Handelsregister eingetragen ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 VStG).

Das System des Verrechnungssteuerrechts zeichnet sich dadurch aus, dass die Erhebung der Verrechnungssteuer anonym erfolgt und erst mit der Stellung des Rückerstattungsantrages durch den Antragssteller dessen Identität den Steuerbehörden offengelegt wird. Damit wird den Steuerbehörden ermöglicht, zu prüfen, ob dieser zu Recht die Rückerstattung der Verrechnungssteuer geltend macht, ihm also unter anderem das Recht zur Nutzung des vorgängig deklarierten Vermögensertrages zukommt, oder ob der geltend gemachte Anspruch verneint werden muss und sich die ­ bereits anonym erhobene ­ Verrechnungssteuer für den Antragssteller als definitive Belastung erweist. Ohne eine nachträgliche Offenlegung der Identität der die Rückerstattung beantragenden juristischen oder natürlichen Person bestünde die Gefahr einer Rückerstattung einer nie erhaltenen Verrechnungssteuer. Die Stellung eines Rückerstattungsantrags wiederum setzt voraus, dass auch die dem Rückerstattungsantrag zugrundeliegende, die Verrechnungssteuer auslösende Leistung ordnungsgemäss deklariert wurde. Andernfalls wird den Steuerbehörden die notwendige Überprüfung verunmöglicht. Der Anspruch auf Rückerstattung erlischt, wenn der entsprechende Antrag nicht innert drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die steuerbare Leistung fällig geworden ist, gestellt wird (vgl. Art. 32 Abs. 1 VStG).

2.1.2

Rolle der Eidgenössischen Steuerverwaltung

Gemäss Artikel 40 VStG hat die ESTV u.a. die Aufgabe zu überprüfen, ob das Steuersubstrat im Selbstveranlagungsverfahren korrekt deklariert wird. Wie die Zahlen unter Ziffer 2.2.3 verdeutlichen, handelt es sich bei der Erhebung der Verrechnungssteuer um ein Massenverfahren. Angesichts dessen, kann die ESTV in der Praxis keine systematische und flächendeckende Prüfung aller potentiellen und tatsächlichen Verrechnungssteuer-Subjekte, sondern lediglich eine Stichprobenprüfung durchführen. Dieser Umstand unterstreicht die Wichtigkeit der Selbstdeklarationspflicht im Verrechnungssteuerrecht. Werden in Folge einer Verrechnungssteuerkontrolle Verzugszinsen in Rechnung gestellt, so handelt es sich dabei um einen Nebeneffekt des Umstandes, dass das Steuersubstrat nicht ordnungsgemäss deklariert worden ist. Die Verzugszinsen machen im Durchschnitt 0.15 Prozent aller Bareinnahmen aus.

5336

2.1.3

Grundsätze des Meldeverfahrens

Seit der Einführung der Verrechnungssteuer 1944 hat der Bundesrat in der VStV ein Meldeverfahren eingeführt (Art. 24­26 VStV). Wo die Steuerentrichtung zu unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte führen würde, kann dem Steuerpflichtigen damit gestattet werden, seine Steuerpflicht durch Meldung der steuerbaren Leistung zu erfüllen. Dem Meldeverfahren liegen die Artikel 11 (Art der Erfüllung), 19 resp. 20 (Meldung statt Steuerentrichtung bei Versicherungsleistungen resp.

Kapitalerträgen) und 38 (Anmeldung als Steuerpflichtiger; Selbstveranlagung) des VStG zu Grunde.

Im Zuge der Verhandlungen mit der EU zum Zinsbesteuerungsabkommen (ZBStA)6 schlug die ESTV vor, zur Förderung des Finanz- und Werkplatzes das Meldeverfahren für Dividenden auf den internationalen Bereich auszuweiten. Demnach sollten die in den DBA und die in Artikel 15 des ZBStA vorgesehenen Entlastungen bei Dividendenzahlungen von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften mit einem Gesuch auf ein Meldeverfahren erledigt werden können. Die entsprechende Verordnung über die Steuerentlastung schweizerischer Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaften (Steuerentlastungsverordnung)7 und die Änderungen der Verordnungen mit Deutschland8 und den USA9 traten am 1. Januar 2005 in Kraft.

Das Meldeverfahren stellt in Anwendung von Artikel 11 Absatz 1 VStG eine Modalität der Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht des Schuldners der steuerbaren Leistung dar. Das Meldeverfahren setzt ein Gesuch der steuerpflichtigen Gesellschaft und die Bewilligung der ESTV voraus. Der Steuerpflichtige kann die Steuerentrichtung folglich nicht eigenmächtig durch eine Meldung ersetzen.

Die Erfüllung der Steuerpflicht muss im Sinne der Selbstveranlagung auch im Meldeverfahren stets von einer bewussten Handlung des Steuerpflichtigen eingeleitet werden. Da das Meldeverfahren materiell nur zulässig ist, wenn feststeht, dass der Leistungsempfänger Anspruch auf Rückerstattung der Steuer hat (vgl. Art. 20 VStG, Art. 24 Abs. 2 VStV), hat der Steuerpflichtige in einem ersten Schritt den steuerbaren Ertrag mittels amtlichem Deklarationsformular zu deklarieren. In einem zweiten Schritt und unter gegebenen Voraussetzungen hat die Einreichung des Meldeformulars zu erfolgen. Damit wird den Steuerbehörden der Leistungsempfänger nachträglich
offengelegt, was die Überprüfung des Rückerstattungsanspruchs erlaubt.

Beide Formulare sind innert 30 Tagen seit Entstehung der Verrechnungssteuerforderung der ESTV unaufgefordert einzureichen (vgl. Art. 21 Abs. 2 VStV). Bei den Einreichungsfristen handelt es sich nach Auslegung und Rechtsanwendung der ESTV (vgl. dazu auch Ziff. 2.3) jeweils um eine gesetzliche Frist, deren unbenutzter Ablauf einen definitiven Rechtsverlust bewirkt. Diese Frist stellt somit eine Verwirkungsfrist dar. Nach Ablauf dieser Frist wird ein gesetzlicher Verzugszins in der Höhe von 5 Prozent per annum geschuldet. Dieser soll der rechtsgleichen Behandlung jener Steuerpflichtigen dienen, die ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachkamen im Verhältnis zu jenen, welche durch Nichtbeachtung fälliger Verrechnungs6 7 8 9

SR 0.641.926.81 SR 672.203 Verordnung vom 30. April 2003 zum schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Vo DBA-D), SR 672.913.610 Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 (Vo DBA-USA), SR 672.933.61

5337

steuerforderungen einen Zinsvorteil durch verspätete Entrichtung der Verrechnungssteuerforderung zu erlangen versuchten.

2.2

Meldeverfahren in der Praxis

2.2.1

Im schweizerischen Konzernverhältnis

Jede inländische Aktiengesellschaft hat der ESTV grundsätzlich unaufgefordert innert 30 Tagen nach Genehmigung der Jahresrechnung den Geschäftsbericht oder eine unterzeichnete Abschrift der Jahresrechnung sowie eine Aufstellung nach amtlichem Deklarationsformular 103 «Verrechnungssteuer auf dem Ertrag inländischer Aktien, Partizipations- und Genussscheine» einzureichen, woraus der Kapitalbestand am Ende des Geschäftsjahres, das Datum der Generalversammlung, die beschlossene Gewinnverteilung und ihre Fälligkeit ersichtlich sind.10 Die Muttergesellschaft, welche zu mindestens 20 Prozent am Grund- oder Stammkapital einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, kann damit ihre Tochtergesellschaft anweisen, dass diese ihr die Dividende ohne Abzug der Verrechnungssteuer auszurichten hat. Die Anweisung hat mittels des amtlichen Formulars 106 «Gesuch um Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer für Dividenden auf Beteiligungen von mindestens 20 Prozent (Art. 26a VStV)» zu erfolgen, auf welchem die Muttergesellschaft zuerst den Teil betreffend «Angaben der Empfängerin der Dividende» auszufüllen hat. Die Tochtergesellschaft trifft sodann die nötigen Vorkehrungen für die Erfüllung der Steuerpflicht durch Meldung statt Entrichtung. Diese bestehen darin, dass die steuerpflichtige Gesellschaft ihrerseits das Formular 106 im Formularteil «Angaben der Schuldnerin der Dividende» vervollständigt und dieses anschliessend der ESTV innert 30 Tagen nach Fälligkeit der Dividende zusammen mit dem amtlichen Deklarationsformular 103 und der Jahresrechnung unaufgefordert einreicht.

Dabei findet Artikel 21 VStV, wonach eine Jahresrechnung der ESTV u.a. dann einzureichen ist, wenn mit der beschlossenen Gewinnverteilung eine steuerbare Leistung vorliegt, Anwendung.

Das Einreichen beider Formulare kommt damit der Entrichtung der Verrechnungssteuer gleich und führt, falls die Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens allesamt erfüllt sind, dazu, dass der Steuerpflichtige seine Steuerpflicht erfüllt hat. Vorbehalten bleibt die nachträgliche Verweigerung des Meldeverfahrens gestützt auf Artikel 26a Absatz 4 VStV.

Das Nichteinhalten der Frist von 30 Tagen führt nach Auslegung und Rechtsanwendung der ESTV (vgl. dazu auch Ziff. 2.3) zum Verlust der Möglichkeit, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen. Die
Verrechnungssteuer ist dann zwingend im ordentlichen Verfahren zu erheben, womit in der Regel zusätzlich Verzugszinsen anfallen (vgl. Art. 16 Abs. 2 VStG). Ein Gesuch um Rückerstattung der Verrechnungssteuer bleibt diesfalls weiterhin möglich.

Um Dividenden im schweizerischen Konzernverhältnis ohne Abzug der Verrechnungssteuer überweisen zu können, bedarf es keiner förmlichen Zustimmung der ESTV. Die ESTV greift nur dann ein, wenn sie im Rahmen der Nachprüfung fest10

Bei einer GmbH findet analog das Formular 110 «Verrechnungssteuer auf Erträgen von Gesellschaftsanteilen, Partizipations- und Genussscheinen inländischer GmbH» Anwendung.

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stellt, dass vom Meldeverfahren zu Unrecht Gebrauch gemacht wurde (Art. 26a Abs. 4 VStV).

Beispiel Die X AG ist eine 100-prozentige Tochter der Y Holding. Beide haben ihren Sitz im Inland. Die X AG beschliesst an ihrer ordentlichen Generalversammlung vom 20. April 2014 die Ausschüttung einer ordentlichen Dividende für das Geschäftsjahr 2013. Die Fälligkeit der Dividende wird auf den 1. Mai 2014 festgesetzt. Die Y Holding weist ihre Tochter am 5. Mai 2014 mittels amtlichem Formular 106 an, ihr die Dividende für das Geschäftsjahr 2013 ohne Abzug der Verrechnungssteuer auszurichten. Die X AG muss nun das Formular 106 vervollständigen, die Dividendenausschüttung auf dem Formular 103 deklarieren und beide Formulare, zusammen mit der genehmigten Jahresrechnung 2013, der ESTV bis zum 1. Juni 2014 einreichen.

2.2.2

Im internationalen Konzernverhältnis

Das Meldeverfahren im internationalen Konzernverhältnis ist ­ anders als im nationalen Kontext ­ abhängig von einem Gesuch um vorgängige Bewilligung des Meldeverfahrens, welche sodann während drei Jahren Gültigkeit hat (Art. 4 Abs. 2 Vo DBA-USA, Art. 3 Abs. 2 Vo DBA-D, Art. 3 Abs. 1 Steuerentlastungsverordnung). Die schweizerische Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, welche die Dividenden ausschütten möchte, unterbreitet der ESTV auf dem jeweiligem Formular11 ­ vor Fälligkeit der Dividenden ­ ein Gesuch um Bewilligung, um vom Meldeverfahren profitieren zu können. Aufgrund der Bewilligungsgesuche wird es der ESTV ermöglicht, das Vorliegen der jeweiligen materiellen Voraussetzungen gestützt auf Artikel 15 des ZBStA bzw. eines DBA überprüfen zu können. Wenn die Bewilligung von der ESTV erteilt wurde, ist während der Gültigkeitsdauer von drei Jahren keine weitere Bewilligung mehr notwendig und es darf während dieser Zeit direkt mittels Formular 108 «Meldung statt Entrichtung der schweizerischen Verrechnungssteuer auf Dividenden aus wesentlicher Beteiligung einer ausländischen Kapitalgesellschaft» Meldung gemacht werden (vgl. Art. 3 der Steuerentlastungsverordnung).

Die die Dividenden zahlende schweizerische Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft muss der ESTV trotz erteilter Bewilligung zum Meldeverfahren gleichwohl die entsprechenden Dividenden unaufgefordert und innert 30 Tagen seit Fälligkeit der steuerbaren Leistung deklarieren. Dies hat mittels dem Formular 108 «Meldung statt Entrichtung der schweizerischen Verrechnungssteuer auf Dividenden aus wesentlicher Beteiligung einer ausländischen Kapitalgesellschaft», sowie unter Einreichung des Formulars 103 «Verrechnungssteuer auf dem Ertrag inländischer Aktien, Partizipations- und Genussscheine» zu erfolgen (Art. 5 Abs. 1 Steuerent-

11

Formular 823 für Beteiligungskonstellationen CH-USA; 823B für Beteiligungskonstellationen CH-Doppelbesteuerungsabkommensland; 823C für Beteiligungskonstellationen CH-Zinsbesteuerungsabkommensland

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lastungsverordnung; Art. 4a Abs. 1 Vo DBA-USA; Art. 3 Abs. 1 Vo DBA-D).12 Dabei findet Artikel 21 VStV, wonach eine Jahresrechnung der ESTV u.a. dann einzureichen ist, wenn mit der beschlossenen Gewinnverteilung eine steuerbare Leistung vorliegt, Anwendung.

Die Pflicht zur Entrichtung der Verrechnungssteuer auf den durch die schweizerischen Tochter- an die ausländischen Muttergesellschaften ausgeschütteten Dividenden wird durch die Meldung erfüllt (anstelle der Entrichtung). Die Deklaration stellt daher eine Erfüllungsmodalität der Steuerpflicht dar und das Einreichen der Formulare kommt der Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht gleich. Wenn die entsprechende Deklarationsfrist nicht eingehalten wird, so müssen die Verrechnungssteuer sowie die allfälligen Verzugszinsen erhoben werden.

Die ESTV ist durch den Antragsteller unverzüglich zu benachrichtigen, falls wesentliche, der Bewilligung zu Grunde liegende Tatsachen ändern sollten bzw. falls die Voraussetzungen für die Beanspruchung des Meldeverfahrens nicht mehr erfüllt sind (Art. 4 Steuerentlastungsverordnung). Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer besteht die Möglichkeit, die Bewilligung für eine erneute Dauer von drei Jahren bei der ESTV durch Einreichung eines neuen Gesuches verlängern zu lassen.

Beispiel Die X AG ist eine 100-prozentige Tochter der Y Holding. Die X AG hat ihren Sitz in der Schweiz, Die Y Holding in Frankreich. Die X AG beschliesst an ihrer ordentlichen Generalversammlung vom 20. April 2014 die Ausschüttung einer ordentlichen Dividende für das Geschäftsjahr 2013. Die Fälligkeit der Dividende wird auf den 1. Mai 2014 festgesetzt. Die Y Holding hatte bereits im Jahre 2012 mittels Formular 823C bei der ESTV die schriftliche Bewilligung zur Durchführung eines Meldeverfahrens eingeholt. Sie hält die Beteiligung an der X AG bereits seit vier Jahren. Die Y Holding weist ihre Tochter X AG am 5. Mai 2014 mittels amtlichem Formular 108 an, dass diese ihr die Dividende pro 2013 ohne Abzug der Verrechnungssteuer auszurichten habe. Die X AG muss nun das Formular 108 vervollständigen, die Dividendenausschüttung auf dem Formular 103 deklarieren und beide Formulare, zusammen mit der genehmigten Jahresrechnung 2013, der ESTV bis zum 1. Juni 2014 einreichen.

2.2.3

Zahlen und Fakten

2.2.3.1

Allgemeines

Es gibt rund 400`000 mögliche Verrechnungssteuersubjekte. Von diesen deklarieren ca. 60`000-70`000 jährlich von sich aus mittels eines amtlichen Erhebungsformulars der Verrechnungssteuer unterliegende Erträge (Total aller bei der ESTV eingegangener Selbstdeklarationen/Verrechnungssteuer-Erhebungsformulare):

12

Für Beschlüsse der ordentlichen Generalversammlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung kommt analog das Formular 110 bzw. für Dividenden und Ausschüttungen die anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen werden das Formular 102 zur Anwendung.

5340

2010: 2011: 2012: 2013:

56 764 62 622 65 524 72 669

2.2.3.2

Zahlen zum Meldeverfahren insgesamt

Die rund 60 000­70 000 jährlichen Selbstdeklarationen mittels VerrechnungssteuerErhebungsformularen umfassen auch die Deklarationsformulare betreffend das Meldeverfahren. Aus welchem Grund die restlichen 330 000­340 000 potentiellen Steuersubjekte keine spontane Selbstdeklaration einreichen (beispielsweise weil keine Dividende ausgerichtet wird), ist der Verwaltung aufgrund des im Verrechnungssteuerrecht geltenden Prinzips der Selbstveranlagung nicht bekannt.

Von den rund 60 000­70 000 jährlichen Selbstdeklarationen mittels Verrechnungssteuer-Erhebungsformularen entfallen insgesamt folgende Anzahl Deklarationsformulare auf das Meldeverfahren: 2010: 2011: 2012: 2013:

13 430 14 921 15 827 18 017

Keine Statistik wird von der ESTV darüber geführt, wie viele der eingereichten Deklarationsformulare betreffend Meldung rechtzeitig erfolgten. Aussagen betreffend die Verteilung rechtzeitig bzw. verspätet eingereichter Formulare in diesem Zusammenhang sind deshalb nicht möglich. Aufgrund der Erfahrung im Kalenderjahr 2014 schätzt die ESTV, dass die Anzahl verspätet eingereichter Formulare betreffend das Meldeverfahren keine 5 Prozent ausmacht.

Diese Anzahl der bei der ESTV eingereichten Deklarationsformulare betreffend das Meldeverfahren lässt sich sodann noch weiter aufteilen auf Konstellationen betreffend das nationale resp. das internationale Meldeverfahren.

2.2.3.3

Zahlen zum Meldeverfahren im internationalen Konzernverhältnis

Seit Einführung des Meldeverfahrens im internationalen Konzernverhältnis im Jahr 2005 sind bis dato gesamthaft 12 100 Gesuche (Formulare 823, 823B, 823C) eingegangen. Die 12 100 Gesuche beinhalten sowohl erstmalige Gesuche, wie auch die Verlängerungsanträge. Die Verteilung der Formulare 823, 823B und 823C (neue Gesuche, keine Verlängerungsanträge) in den Jahren 2010­2013 präsentiert sich dabei wie folgt:

5341

Formular 823

2010: 2011: 2012: 2013:

Formular 823B

Formular 823C

(DBA-USA)

(DBA übrige Länder ohne USA)

(ZBStA)

76 49 46 68

558 853 827 782

486 491 553 698

Dies führt zu einem Total eingegangener Gesuche um Meldeverfahren betreffend das Ausland von 1120 im Jahr 2010, 1393 im Jahr 2011, 1426 im Jahr 2012 und 1548 im Jahr 2013. Jedes einzelne bewilligte Gesuch weist jeweils eine Gültigkeit von drei Jahren aus. Nicht mit verhältnismässigem Aufwand eruierbar sind jedoch Aussagen dazu, wie viele Bewilligungen pro Jahr aktuell gültig sind; die ESTV führt hierzu denn auch keine Statistiken.

Da mit der Bewilligung der ESTV im Nachgang an ein Formular 823, 823B oder 823C jeweils eine dreijährige Gültigkeit zu laufen beginnt, nach Ablauf dieser Initialbewilligung aber immer auch Verlängerungsgesuche eingehen können, welche dann wiederum drei Jahre Gültigkeit haben, besteht eine Divergenz zwischen den Gesuchsformularen betreffend die Bewilligung und den in der Folge eingereichten Formularen 108. Deshalb präsentieren sich die Zahlen zur Anzahl der effektiv eingereichten Formulare 108 denn auch in Abweichung zu jenen betreffend der Gesuche mittels Formulare 823, 823B und 823C mit deutlich höheren Werten: Formular 108

2010: 2011: 2012: 2013:

2594 2808 2870 3176

2.2.3.4

Relation Meldeverfahren zu den Bareinnahmen

Den insgesamt 18 017 Deklarationsformularen betreffend das Meldeverfahren im Jahr 2013 liegen CHF 83.8 Milliarden Verrechnungssteuern zu Grunde. Zum Vergleich lagen die Bareinnahmen bei der Verrechnungssteuer im gleichen Zeitraum bei CHF 23.5 Milliarden, wovon alleine CHF 15.8 Milliarden auf Ausschüttungen aus aktienrechtlichen Beteiligungsrechten entfallen. Für die Jahre 2010­2013 ergibt sich folgendes Bild:

2010: 2011: 2012: 2013:

5342

Deklarationsformulare betreffend Meldeverfahren

Meldeverfahren zugrunde liegende Verrechnungssteuern

Bareinnahmen bei der Verrechnungssteuer

13 430 14 921 15 827 18 017

84.8 Mia.

104.5 Mia 121.7 Mia 83.8 Mia

26.7 Mia 24.3 Mia 23.1 Mia 23.5 Mia

2.2.3.5

Bussen und Verzugszinsen im Bereich Verrechnungssteuer

Während die ESTV im Jahr 2010 bei 6.9 Prozent aller eingereichten Formulare, d.h.

nicht nur jener betreffend Meldeverfahren, sondern sämtlicher Deklarationsformulare betreffend die Erhebung der Verrechnungssteuer, eine Verzugszinsforderung in Rechnung stellen musste, belaufen sich die entsprechenden Zahlen für das Jahr 2011 auf 7.5 Prozent, für das Jahr 2012 auf 7.0 Prozent und sanken im Jahr 2013 auf 6.8 Prozent. Im Jahr 2013 entspricht dies 4923 gestellten Verzugszinsforderungsrechnungen. Im Jahre 2010 nahm die ESTV insgesamt CHF 21 Millionen an Bussen und Verzugszinsen im Bereich der Verrechnungsteuer ein. Im Jahr 2011 erhöhte sich dieser Betrag auf CHF 39 Millionen und sank im Jahre 2012 auf CHF 32 Millionen. Im Jahr 2013 stiegen die in Rechnung gestellten Bussen und Verzugszinsen auf CHF 323 Millionen. Davon beläuft sich allein ein Rechnungsbetrag von CHF 266.4 Millionen auf nur gerade 36 Verzugszinsforderungs-Rechnungen, welche somit bloss 2 Promille (36 Rechnungen auf 18 017 Deklarationsformulare im Bereich der Meldeverfahren im Jahr 2013) sämtlicher Meldeverfahren ausmachen.

Diese 36 Verzugszinsforderungs-Rechnungen basieren auf nicht oder zu spät deklarierten Verrechnungssteuerforderungen in einem Umfang von mehr als CHF 3.1 Milliarden.

2.3

Bundesgerichtsentscheid vom 19. Januar 2011 und hängige Urteile vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Anliegen der vorliegenden parlamentarischen Initiative geht zurück auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 201113 Das Bundesgericht hatte betreffend eines Meldeverfahrens im internationalen Konzernverhältnis die Frage zu klären, welches die Folgen des Nichteinhaltens der beim Meldeverfahren anwendbaren Fristen sind. Es hat bestätigt, dass die Deklarationsfrist von 30 Tagen nach Fälligkeit der Dividende eine gesetzliche Frist ist und die ebenfalls 30-tägige gesetzliche Frist zur Einreichung des amtlichen Erhebungsformulars eine Verwirkungsfrist darstellt. Das Bundesgericht kommt, wie zuvor schon das Bundesverwaltungsgericht, zum Schluss, dass das Meldeverfahren allgemein nur zulässig ist, wenn feststeht, dass der Leistungsempfänger Anspruch auf Rückerstattung der Steuer hat.

Dennoch ist ein Anspruch auf das Meldeverfahren nur gegeben, wenn auch die weiteren Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Dazu gehört auch die fristgerechte Einreichung des Meldeformulars (Formular 108). Bei der 30-tägigen Einreichungsfrist des Gesuchs um Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer handelt es sich um eine gesetzliche Frist, welche ihrer Natur nach eine Verwirkungsfrist darstellt.

Im Anschluss an die Publikation des Bundesgerichtsurteils wurden von einer Vielzahl von Steuerpflichtigen nachträglich Dividenden von teilweise mehreren Jahren gleichzeitig deklariert. Da sämtliche dieser Deklarationen nach Ablauf der Frist von 30 Tagen erfolgten, hatten die Steuerpflichtigen ihren Anspruch, vom Meldeverfahren als Modalität der Entrichtung der Verrechnungssteuer Gebrauch zu machen, verwirkt. Als Folge wurde die Verrechnungssteuer gemäss der gesetzlichen Konzep13

Urteil 2C_756/2010

5343

tion des VStG im ordentlichen Verfahren erhoben, wodurch zusätzlich gesetzliche Verzugszinsen anfielen. Dieses Vorgehen der ESTV wurde von einigen der betroffenen Steuerpflichtigen als Praxisänderung wahrgenommen. Einige der Steuerpflichtigen wählten sodann den Rechtsmittelweg gegen die, ihrer Ansicht nach, zu Unrecht erhobenen Verzugszinsen. Sechs dieser Fälle sind zurzeit vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig. Sie allein betreffen Verzugszinsforderungen in der Höhe von rund CHF 170 Millionen aufgrund zugrundeliegender Verrechnungssteuerforderungen von CHF 1.95 Milliarden. Die Mehrheit der anderen über 194 hängigen Verfahren ist bei der ESTV bis zum Vorliegen der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheide in den Fällen sistiert.

2.4

Zahlstellenprinzip und automatischer Informationsaustausch

Bei einer (schnellen) Umsetzung des Wechsels zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer und Einführung des automatischen Informationsaustauschs mit dem Ausland (AIA) wird sich der Deklarationsprozess im Verrechnungssteuerrecht voraussichtlich grundlegend ändern und, zumindest in einigen Bereichen, auch wesentlich vereinfachen. Im Inland soll am Grundsatz der Erhebung einer Sicherungssteuer festgehalten werden.

2.4.1

Zahlstellenprinzip

Der Bundesrat hat am 2. Juli 2014 die Stärkung des Kapitalmarkts Schweiz durch eine Reform der Verrechnungssteuer beschlossen. Die Verrechnungssteuer wird heute beim Schuldner der steuerbaren Leistung nach dem Schuldnerprinzip erhoben.

Schuldner kann beispielsweise eine Gesellschaft sein, die eine inländische Obligation ausgibt. Fallen darauf Zinsen an, so überweist die Gesellschaft den Nettoertrag von 65 Prozent dem Leistungsbegünstigten und den Steuerabzug von 35 Prozent der ESTV. Beim Zahlstellenprinzip hingegen überweist der Schuldner den gesamten Bruttoertrag der Zahlstelle. Die Zahlstelle entscheidet in Abhängigkeit von der Person des Investors darüber, ob im konkreten Fall eine Verrechnungssteuer zu erheben ist. Die Steuer wird in erster Linie dann erhoben, wenn es sich beim Gläubiger um eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Schweiz handelt, um die Einkommens- und Vermögenssteuern zu sichern.

Explizit offen gelassen hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 2. Juli 2014, ob der Wechsel vom Schuldner- hin zum Zahlstellenprinzip auch für Erträge aus inländischen Beteiligungsrechten erfolgen soll. Bliebe es im Bereich der Erträge aus inländischen Beteiligungsrechten beim geltenden Schuldnerprinzip, würde sich auch mit Bezug auf das in diesem Bereich geltende Recht zum Meldeverfahren nichts ändern.

5344

2.4.2

Automatischer Informationsaustausch

Im Zentrum des AIA stehen Bankinformationen von natürlichen Personen. Hat beispielsweise eine natürliche Person mit Wohnsitz in Deutschland ein Depot bei einer Bank in der Schweiz, erhält der deutsche Fiskus Meldungen über die auf diesem Depot angefallenen Einkünfte sowie über den Stand der Vermögenswerte.

Dividenden, die innerhalb eines Konzerns ausgerichtet werden, sind grundsätzlich ausserhalb des Anwendungsbereichs des AIA. Die Einführung des AIA stellt daher keinen Grund dar, am diesbezüglichen Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer Änderungen vorzunehmen.

2.4.3

Weitere Abkommen

Das ZBStA mit der EG sowie die internationalen Quellensteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich und mit Österreich bauen auf dem Koexistenzmodell auf, d.h. die Zahlstelle erhebt die Steuer und nur durch ausdrückliche Ermächtigung des Bankkunden nimmt die Zahlstelle stattdessen eine Meldung vor. Auch bei den drei erwähnten Abkommen sind die mittels Meldeverfahren deklarierten Dividendenausschüttungen im Konzernverhältnis grundsätzlich nicht Gegenstand der vorgenommenen Meldungen.

2.5

Handlungsbedarf: Erwägungen der Kommission

2.5.1

Argumente der Mehrheit

Die Mehrheit der Kommission sieht Handlungsbedarf im Sinne der vorliegenden parlamentarischen Initiative. Sie ist der Auffassung, dass die Auslegung und Rechtsanwendung, wie sie heute von der ESTV vorgenommen werden, unverhältnismässige Konsequenzen nach sich ziehen und im Vergleich zur Zeit vor dem Bundesgerichtsentscheid (vgl. Ziff. 2.3) eine Änderung der Praxis darstellen. Die ordentliche Entrichtung der Verrechnungssteuer führe bei den betroffenen Unternehmen zu einem vorübergehenden Liquiditätsabfluss sowie einem Zinsverlust auf dem einbezahlten Betrag, und das obwohl sie die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllen und die Verrechnungssteuer deshalb grundsätzlich nicht zu entrichten hätten. Dass auf den eigentlich nicht geschuldeten Verrechnungssteuerbeträgen zudem namhafte Verzugszinsen erhoben werden, erachtet die Kommissionsmehrheit als schädlich für den Unternehmensstandort Schweiz. Die aktuelle Praxis widerspreche dem gesetzgeberischen Willen, wonach im konzerninternen Verhältnis eine unbürokratische und wirtschaftsfreundliche Lösung umgesetzt werden soll.

Weiter argumentiert die Kommissionsmehrheit, dass die Rechtsfolgen für den Fall, dass die Meldung erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist erfolgt, heute weder im VStG noch in der VStV explizit genannt würden. Die Kommissionsmehrheit verweist in ihrer Argumentation auch auf entsprechende Fachliteratur.14 14

Vgl. Daniel Schär (2012), Verrechnungssteuer ­ Meldefrist bei inländischen Konzerndividenden, Kein Verzugszins mangels Fälligkeit der Steuer, in: Der Schweizer Treuhänder, Ausgabe 3, S. 171 ff.

5345

Im Sinne der Rechtssicherheit und einer Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz hält die Kommissionsmehrheit eine Klarstellung der Praxis des Meldeverfahrens für angezeigt.

2.5.2

Argumente der Minderheit (Nichteintreten)

Eine Minderheit (Leutenegger Oberholzer, Birrer-Heimo, Jans, Maire JacquesAndré, Pardini, Schelbert) ist der Ansicht, dass es sich bei der 30-tägigen Deklarationsfrist schon immer um eine Verwirkungsfrist gehandelt habe und somit keine Praxisänderung vorgenommen wurde. Dies sei im Sinne der Verrechnungssteuersystematik auch entsprechend beizubehalten. Durch die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Neuregelung würde erreicht, dass sich die 30-tägige Deklarationsfrist in Fällen, in denen ein Meldeverfahren grundsätzlich greifen könnte, als beliebig erstreckbare Frist erweist. Damit würde die Deklarationspflicht ausgehebelt und eine nachträgliche Deklaration bzw. Geltendmachung des Meldeverfahrens bliebe unbegrenzt möglich. In diesem Fall müsse faktisch vom Begriff der Nichtdeklaration Abschied genommen und in Zukunft einzig von einer verspäteten Deklaration gesprochen werden. Für die ESTV wäre damit über Jahre hinweg nicht bekannt und vorhersehbar, ob von einem Unternehmen ein Gesuch um Meldung eintreffen wird oder nicht. Der Umstand, dass gemäss dem Antrag der Kommissionsmehrheit keine Meldung mehr erforderlich sei, widerspreche ausserdem dem heute geltenden Selbstveranlagungsprinzip.

Die Kommissionsminderheit kritisiert weiter die Ungleichbehandlung von Unternehmen mit und ohne grundsätzlichen Anspruch auf ein Meldeverfahren. So würde die Deklarationsfrist gemäss dem Antrag der Mehrheit lediglich im Anwendungsbereich des Meldeverfahrens eine Ordnungsfrist darstellen, in Fällen der Barentrichtung hingegen, wäre die Deklarationsfrist weiterhin als Verwirkungsfrist auszulegen.

Aus diesen Gründen beantragt die Minderheit der Kommission, auf die Vorlage nicht einzutreten.

2.6

Entwurf der Kommission

2.6.1

Neue Regelung

2.6.1.1

Antrag der Mehrheit

Die Mehrheit der Kommission erachtet es als wichtig, dass die Liquidität zukünftig bei den Unternehmen bleibt und ihr administrativer Aufwand nicht unnötig erhöht wird. Sie beantragt deshalb, dass das Nichteinhalten der Deklarationsfrist in Zukunft nicht mehr zu einer Verfahrensänderung vom Meldeverfahren ins ordentliche Verfahren führt. Unternehmen, die melden dürfen und die Deklarationsfrist oder die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren verpassen, sollen ihre Steuerpflicht weiterhin durch Meldung erfüllen können. Die Anwendung des Meldeverfahrens soll somit in jedem Fall, auch nach Ablauf der Frist von 30 Tagen, möglich sein, sofern die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllt sind. Auf das Erfordernis der Meldung im Anwendungsbereich von Artikel 16 Absatz 2bis VStG soll verzichtet werden. Das Nichteinhalten der 30-tägigen Deklarationsfrist soll aber weiterhin sanktioniert werden können. Neu 5346

soll das Verpassen der Frist mit einer Ordnungsbusse anstatt wie bisher mit Verzugszinsen und allenfalls einer Ordnungsbusse geahndet werden können.

Der Antrag der Mehrheit der Kommission sieht im Detail folgendermassen aus:15 Das amtliche Deklarationsformular muss unverändert innert einer Frist von 30 Tagen nach Entstehung der Steuerforderung eingereicht werden. Auch die Frist für die Einreichung des amtlichen Formulars für die Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren bleibt grundsätzlich unverändert bei 30 Tagen. Dabei ist neu zu unterscheiden, ob die Voraussetzungen für ein Verfahren der Meldung anstelle der Entrichtung ­ trotz verspäteter Geltendmachung des Anspruchs ­ grundsätzlich erfüllt sind oder nicht.

Sind die Voraussetzungen für ein Verfahren der Meldung anstelle der Entrichtung nicht erfüllt, bleibt es bei der Regelung gemäss dem heutigen Recht, wonach die nicht fristgerechte Deklaration dazu führt, dass die Verrechnungssteuer zwingend im ordentlichen Verfahren zu erheben ist, wobei ab dem 31. Tag zusätzlich Verzugszinsen anfallen (Verwirkungsfrist). Ein Gesuch um Rückerstattung der Verrechnungssteuer bleibt möglich.

Sind die Voraussetzungen für ein Verfahren der Meldung jedoch grundsätzlich gegeben, sollen sowohl die Deklaration der Verrechnungssteuer als auch die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen weiterhin möglich sein (Ordnungsfrist). In diesen Fällen wird die Verrechnungssteuer weder nachträglich im ordentlichen Verfahren, noch ein Verzugszins erhoben. Bei verspäteter Meldung oder Deklaration kann jedoch eine Ordnungsbusse erhoben werden, um das Fehlverhalten, die zu späte Einreichung des amtlichen Formulars, zu ahnden.

Beispiele Nichtdeklaration ohne grundsätzlichen Anspruch auf das Meldeverfahren Bei der Erhebung der Verrechnungssteuer, welche dem Selbstveranlagungsprinzip verhaftet ist, handelt es sich um ein Massenverfahren. Dabei führt die ESTV periodische Kontrollen im Sinne von Stichproben durch. Stösst sie dabei auf ein Unternehmen, das offensichtlich Dividenden ausschüttet, diese aber nicht mit amtlichem Deklarationsformular deklariert hat und überdies die gesetzliche 30-Tage Frist für die Deklaration bereits verstrichen ist, so wird ein Verfahren gestützt auf den 4. Abschnitt, Strafbestimmungen,
des VStG eingeleitet. Dies hat zur Folge, dass die Verrechnungssteuer vom Leistungsschuldner nachträglich zu deklarieren, zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Es ist ein Verzugszins geschuldet und es kann eine Busse ausgesprochen und ­ falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind ­ die Strafverfolgung eingeleitet werden.

Nichtdeklaration mit grundsätzlichem Anspruch auf das Meldeverfahren Stösst die ESTV auf ein Unternehmen, das offensichtlich Dividenden ausschüttete, diese aber nicht mit amtlichem Deklarationsformular innert 30 Tagen deklariert hat, so wird das Unternehmen von der ESTV schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass die Verrechnungssteuer vom Leistungsschuldner nachträglich zu deklarieren, 15

Mit 12 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen für den Antrag der Mehrheit und gegen den Antrag der Minderheit

5347

zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Soweit jedoch der grundsätzliche Anspruch auf das Meldeverfahren gleichwohl gegeben wäre, sollen sowohl die Deklaration als auch die Geltendmachung des Anspruchs auf das Meldeverfahren neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen weiterhin möglich sein, ohne dass eine nachträgliche Entrichtung der Verrechnungssteuer stattfinden muss oder ein Verzugszins erhoben wird. Es kann aber eine Ordnungsbusse erhoben werden.

Verspätete Deklaration ohne grundsätzlichen Anspruch auf das Meldeverfahren Wird nach der 30-tägigen Deklarationsfrist deklariert ­ sei dies nun am Tag 31 nach Entstehung der Steuerforderung oder später ­, hat dies zur Folge, dass die zu spät deklarierte Verrechnungssteuer zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Es ist ein Verzugszins ab dem 31. Tag nach Entstehung der Steuerforderung geschuldet und es kann eine Ordnungsbusse erhoben werden.

Verspätete Deklaration mit grundsätzlichem Anspruch auf das Meldeverfahren Wird nach der 30-tägigen Deklarationsfrist deklariert, würde das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens der Verrechnungssteuer eigentlich verwirken. Soweit jedoch der grundsätzliche Anspruch auf das Meldeverfahren gleichwohl gegeben wäre, bleiben sowohl die Deklaration als auch die Geltendmachung des Anspruchs auf das Meldeverfahren neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen weiterhin möglich, ohne dass eine nachträgliche Entrichtung der Verrechnungssteuer stattfinden muss oder ein Verzugszins erhoben wird. Was bleibt, ist die Möglichkeit, eine Ordnungsbusse auszusprechen.

Fristgerechte Deklaration, verspätete Meldung mit grundsätzlichem Anspruch auf das Meldeverfahren Das amtliche Deklarationsformular ist innerhalb einer gesetzlichen Frist von 30 Tagen nach Entstehung der Steuerforderung einzureichen. Eine identische Frist ist für die Geltendmachung des Anspruchs auf das Meldeverfahren vorgesehen.

Soweit jedoch der grundsätzliche Anspruch auf das Meldeverfahren gleichwohl gegeben wäre, bleibt die Geltendmachung des Anspruchs auf das Meldeverfahren neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen weiterhin möglich, ohne dass hinsichtlich des Meldeverfahrens eine Rechtsverwirkung eintritt, eine nachträgliche Entrichtung der Verrechnungssteuer stattfinden muss oder ein Verzugszins erhoben wird. Was bleibt, ist die Möglichkeit, eine Ordnungsbusse auszusprechen.

2.6.1.2

Antrag der Minderheit

Sollte auf die Vorlage eingetreten werden, beantragt eine Minderheit (Leutenegger Oberholzer, Birrer-Heimo, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) eine neue Regelung, die die Natur der Frist nicht infrage stellt. Sie anerkennt, dass die Frist mit aktuell 30 Tagen kurz bemessen ist und in der Praxis dazu führen kann, dass Unternehmen die Fristen nicht einhalten können. Die Kommissionsminderheit beantragt deshalb eine Verlängerung sowohl der Deklarationsfrist als auch der Frist für die Geltendmachung des Anspruchs auf das Meldeverfahren. Im Sinne einer rechtsgleichen Behandlung soll die neue Regelung nicht nur auf Unternehmen mit grund5348

sätzlichem Anspruch auf ein Verfahren der Meldung anwendbar sein, sondern auch in Fällen der Barentrichtung zum Tragen kommen.

Der Antrag der Minderheit der Kommission sieht im Detail folgendermassen aus: Das amtliche Deklarationsformular kann neu innerhalb einer Verwirkungsfrist von 90 Tagen nach Entstehung der Steuerforderung eingereicht werden. Dies stellt im Vergleich zum bisherigen Recht, wonach das amtliche Deklarationsformular innert einer Verwirkungsfrist von 30 Tagen eingereicht werden muss, einen ausgeweiteten zeitlichen Handlungsspielraum dar. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen soll die Ausweitung der Fälligkeit der Steuerforderung sowohl für die Anwendungsbereiche des Meldeverfahrens, als aber gleichzeitig auch für die Fälle der Barentrichtung, d.h. in Konstellationen in denen kein Anspruch auf ein Meldeverfahren besteht, Anwendung finden.

Gleichzeitig mit der neuen Regelung hinsichtlich Fälligkeit der Steuerforderung wird auch die Verwirkungsfrist für die Einreichung des amtlichen Formulars hinsichtlich der Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren ausgeweitet und zwar von 30 Tagen auf neu ein Jahr.

Damit wird den betroffenen Unternehmen einerseits mehr Zeit eingeräumt für die Einreichung des amtlichen Deklarationsformulars und andererseits ein zeitlicher Spielraum von einem Jahr zugestanden, um anschliessend das amtliche Formular hinsichtlich der Meldung fristgerecht einzureichen.

Auf ausstehenden Steuerbeträgen ist in der Folge auch kein Verzugszins geschuldet, sofern das amtliche Deklarationsformular innerhalb von 90 Tagen eingereicht wurde. Dies im Unterschied zur Situation von heute, wo ab dem 31. Tag Verzugszinsen zu laufen beginnen.

Die gesetzliche Deklarationsfrist von 90 Tagen muss unverändert eingehalten werden, da sonst das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer verwirkt. Wird die steuerbare Leistung somit innerhalb der gesetzlichen Frist von neu 90 Tagen nicht deklariert, ist die Verrechnungssteuer vom Leistungsschuldner nachträglich zu deklarieren, zu entrichten und auf den Leistungsbegünstigten zwingend zu überwälzen. Es ist in der Folge ab dem 91. Tag wiederum, wie bereits im alten Recht, ein Verzugszins geschuldet.

Beispiele Nichtdeklaration Bei der Erhebung der
Verrechnungssteuer, welche dem Selbstveranlagungsprinzip verhaftet ist, handelt es sich um ein Massenverfahren. Dabei führt die ESTV periodische Kontrollen im Sinne von Stichproben durch. Stösst sie dabei auf ein Unternehmen, das offensichtlich Dividenden ausschüttete, diese aber nicht mit amtlichem Deklarationsformular innert 90 Tagen deklariert hat und überdies die gesetzliche 90Tage Frist für die Deklaration bereits verstrichen ist, so wird ein Verfahren gestützt auf den 4. Abschnitt, Strafbestimmungen, des VStG eingeleitet. Dies hat zur Folge, dass die Verrechnungssteuer vom Leistungsschuldner nachträglich zu deklarieren, zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Es ist ab dem 91. Tag ein Verzugszins geschuldet und es kann eine Busse ausgesprochen und ­ falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind ­ die Strafverfolgung eingeleitet werden. Das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Melde5349

verfahrens anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer verwirkt ein Jahr nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung.

Verspätete Deklaration Das amtliche Deklarationsformular ist innerhalb einer Verwirkungsfrist von 90 Tagen nach Entstehung der Steuerforderung einzureichen. Wird nach dieser Frist deklariert, so verwirkt das Recht auf Meldung aufgrund verspäteter Deklaration.

Dies hat zur Folge, dass die zu spät deklarierte Verrechnungssteuer zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen ist. Es ist ab dem 91.

Tag ein Verzugszins geschuldet und es kann eine Busse ausgesprochen und ­ falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind ­ die Strafverfolgung eingeleitet werden. Das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer verwirkt ein Jahr nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung.

Fristgerechte Deklaration, verspätete Meldung Hat das Unternehmen innerhalb der gesetzlichen Frist von 90 Tagen die steuerbare Leistung zwar ordnungsgemäss deklariert, aber das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer noch nicht beantragt, kann dies grundsätzlich bis zu einem Jahr nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung nachgeholt werden. Kann das Meldeverfahren gewährt werden, so führt dies zu keinen Verzugszinsfolgen. Kann einem Meldeverfahren hingegen nicht stattgegeben werden, ist die Verrechnungssteuer zu entrichten und zwingend auf den Leistungsbegünstigten zu überwälzen. Es ist ab dem 91. Tag ein Verzugszins geschuldet und es kann eine Busse ausgesprochen und ­ falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind ­ die Strafverfolgung eingeleitet werden.

Das Recht auf die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer verwirkt ein Jahr nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung.

2.6.2

Inkraftsetzung mit Rückwirkung

2.6.2.1

Antrag der Mehrheit

Die Kommission beantragt mit 13 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen, dass die neue Regelung gemäss dem Antrag der Mehrheit (vgl. Ziff. 2.6.1.1) auch auf Sachverhalte anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten der Änderungsbestimmungen eingetreten sind, ausser die Steuer- oder Verzugszinsforderung sei verjährt oder mittels einer rechtsgültigen Verfügung bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden.

Damit sollen sämtliche Fälle (bekannte sowie noch nicht aufgegriffene) von einer nachträglichen Korrektur ihrer Besteuerung (vollumfängliche Eliminierung der Verzugszinsforderungen) profitieren können, sofern ein grundsätzlicher Anspruch auf das Meldeverfahren gegeben ist. Es werden somit auch Steuer- und Verzugszinsforderungen berücksichtigt, die weiter zurückgehen als bis ins Kalenderjahr 2011, es sei denn, die Steuer- oder Verzugszinsforderungen seien verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden.

5350

2.6.2.2

Antrag der Minderheit

Eine Minderheit (Leutenegger Oberholzer, Birrer-Heimo, Jans, Maire Jaques-André, Pardini, Schelbert) erachtet Rückwirkungsbestimmungen nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich als problematisch.

Zudem ist sie überzeugt, dass bei der ESTV keine Praxisänderung stattgefunden hat und eine rückwirkende Bestimmung demnach nicht notwendig ist.

Weiter will die Kommissionsminderheit verhindern, dass die neue Regelung zu finanziellen Auswirkungen auf Stufe Bund (vgl. Ziff. 4.1) und einem administrativen Mehraufwand bei der ESTV führt. Aus diesen Gründen beantragt sie, dass auf eine Rückwirkung verzichtet wird.

2.7

Antrag der Kommission für den Vollzug

Heute muss der Zustellbeweis von eingereichten Deklarations- und Meldeformularen ausschliesslich durch die Steuerpflichtigen erbracht werden. Da sich dies in der Praxis schwierig gestaltet, hat die Kommission mit 16 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Kommissionsmotion 15.3379 «Einführung einer Eingangsbestätigung im Bereich des Meldeverfahrens bei der Verrechnungssteuer» angenommen. Mit ihr wird der Bundesrat beauftragt, dafür zu sorgen, dass die ESTV im Bereich des Meldeverfahrens bei der Verrechnungssteuer die Ausstellung einer Eingangsbestätigung der eingegangenen Formulare einführt.

2.8

Vernehmlassungsverfahren16

Der Vorentwurf der Kommission bildete vom 12. Dezember 2014 bis 6. März 2015 Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens.

Zur Vernehmlassung wurden die Regierungen der 26 Kantone, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK), 12 politische Parteien, drei gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, acht gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft sowie sieben weitere Interessenten eingeladen.

Von 57 angeschriebenen Stellen haben 25 Kantone und die FDK, sechs Parteien, der Schweizerische Städteverband, vier gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft und fünf weitere Interessenten Stellung genommen. Zusätzlich haben 11 nicht angeschriebene Teilnehmer eine Stellungnahme eingereicht.

2.8.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Eine Mehrheit von 31 Vernehmlassungsteilnehmenden (10 Kantone, 5 Parteien, 16 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) ist der Ansicht, dass im Bereich des Meldeverfahrens bei der Verrechnungssteuer Gesetzgebungsbedarf besteht.

18 Vernehmlassungsteilnehmende (14 Kantone und die FDK, 1 Partei und 2 Orga16

Der Vorentwurf, der erläuternde Bericht und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter: www.parlament.ch > Dokumentation > Berichte > Vernehmlassungen > 2014

5351

nisationen / Verbände / Gesellschaften) sind hingegen der Meinung, dass sich eine Änderung des VStG nicht aufdrängt.

Hinsichtlich der Regelung befürworten 16 Vernehmlassungsteilnehmende (4 Kantone, 4 Parteien, 8 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) eine neue Regelung gemäss dem Antrag der Kommissionsmehrheit (vgl. Vorentwurf), wonach sowohl die Deklaration der Verrechnungssteuer als auch die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen möglich sein sollen, ohne dass das Recht, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen, verwirkt. 20 Vernehmlassungsteilnehmende (15 Kantone und die FDK, 1 Partei, 3 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) begrüssen hingegen eine neue Regelung gemäss dem Antrag der Kommissionsminderheit (vgl. Vorentwurf), der eine Verlängerung der Deklarationsfrist sowie der Frist für die Einreichung des Gesuchs um Meldung vorsieht. Weitere 13 Vernehmlassungsteilnehmende (5 Kantone, 1 Partei, 7 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) schlagen Änderungen vor, die sich grossmehrheitlich an der Regelung der Kommissionsmehrheit (vgl. Vorentwurf) orientieren.

Eine Mehrheit von 29 Vernehmlassungsteilnehmenden (22 Kantone und die FDK, 1 Partei, 5 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) lehnt eine rückwirkende Inkraftsetzung der neuen Regelung klar ab. 23 Vernehmlassungsteilnehmende (3 Kantone, 5 Parteien und 15 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) unterstützen eine Inkraftsetzung der neuen Regelung mit Rückwirkung.

Sollte eine Inkraftsetzung mit Rückwirkung beschlossen werden, spricht sich eine Mehrheit von 29 Vernehmlassungsteilnehmenden (19 Kantone und die FDK, 2 Parteien, 7 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) für eine Rückwirkung gemäss dem Antrag der Kommissionsmehrheit (vgl. Vorentwurf) aus, wonach die neue Regelung auch auf Steuerforderungen anwendbar sein soll, die ab dem Kalenderjahr 2011 fällig wurden. Der Antrag der Kommissionsminderheit I (vgl. Vorentwurf), wonach die neue Regelung auch auf Sachverhalte anwendbar sein soll, die vor dem Inkrafttreten der Änderungsbestimmungen eingetreten sind, sofern die Steuer- oder Verzugszinsforderung nicht verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2013 rechtskräftig festgesetzt wurde, wird von acht Vernehmlassungsteilnehmenden (1 Kanton, 4 Parteien, 3 Organisationen
/ Verbände / Gesellschaften) befürwortet.

Weitere 10 Vernehmlassungsteilnehmende (2 Kantone, 8 Organisationen / Verbände / Gesellschaften) schlagen eine Änderung vor.

2.8.2

Neuerungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

Gestützt auf die Vernehmlassung wurden gegenüber dem Vorentwurf die folgenden wesentlichen materiellen Änderungen vorgenommen: ­

5352

Der Kritik, die neue Regelung liesse einen zu grossen Interpretationsspielraum offen, wurde Rechnung getragen, indem Artikel 16 Absatz 2bis Buchstabe b des Vorentwurfs (gem. Antrag der Kommissionsmehrheit) gestrichen wurde. Die Gewährung des Meldeverfahrens erfordert somit für den Anwendungsbereich von Artikel 16 Absatz 2bis VStG faktisch keine Erstattung der Meldung der steuerbaren Leistung mehr. Ausserdem wurde der Wortlaut

dahingehend präzisiert, dass sichergestellt ist, dass die neue Regelung ebenso auf Meldeverfahren im grenzüberschreitenden Konzernverhältnis, denen ein internationales Abkommen zugrunde liegt, Anwendung findet.

­

Aus dem gleichen Grund wurde Artikel 20 des Vorentwurfs (gem. Antrag der Kommissionsmehrheit) ergänzt. Neu wird explizit festgehalten, dass das Meldeverfahren insbesondere bei Dividendenausschüttungen und geldwerten Leistungen im inländischen und grenzüberschreitenden Konzernverhältnis zuzulassen ist. Zudem hat Artikel 20 mit Absatz 3 eine Präzisierung erfahren, die zum Ausdruck bringt, dass das Recht, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen, auch in denjenigen Fällen Anwendung findet, in denen die Deklaration der steuerbaren Leistung, das Gesuch um Meldung oder die Meldung nicht innerhalb der 30-tägigen Frist erfolgt sind.

­

Zur Sicherstellung einer rechtsgleichen Behandlung aller Steuerpflichtigen, die ein Meldeverfahren geltend machen können, wurde Artikel 70c dahingehend modifiziert, dass die neue Regelung auch auf Sachverhalte anwendbar sein soll, die vor dem Inkrafttreten der Änderungsbestimmungen eingetreten sind, sofern die Steuer- oder Verzugszinsforderung nicht verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt wurde. Damit wurde der Kritik Rechnung getragen, dass von einer Übergangsbestimmung im Sinne des Vorentwurfs (gem. dem Antrag der Kommissionsmehrheit) nur diejenigen Steuerpflichtigen hätten profitieren können, die vom Bundesgerichtsentscheid hätten Kenntnis haben können. Mit dem modifizierten Wortlaut soll sichergestellt werden, dass die neue Regelung auch auf jene Fälle Anwendung findet, die im Zuge des Bundesgerichtsentscheids eine rechtskräftige Festsetzung von Verrechnungssteuer und Verzugszins erfahren haben. Die Rückwirkung ist somit weitreichender als dies mit dem Vorentwurf vorgesehen war. Um den bürokratischen Mehraufwand des Rückerstattungsverfahrens zu minimieren, wurde ausserdem auf die vormals vorgesehene Neufestsetzung bereits bezahlter Verzugszinsen verzichtet und es genügt nun, wenn das Gesuch um Rückvergütung der bereits bezahlten Verzugszinsen innert eines Jahres erfolgt.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Artikel 16 gemäss dem Antrag der Mehrheit Art. 16 Abs. 2bis Dieser Absatz wird neu eingefügt. Er präzisiert den bestehenden Absatz 2, indem explizit festgehalten wird, dass im Bereich der Erfüllung der Steuerpflicht durch Meldung statt durch Steuerentrichtung sowohl in nationalen als auch in internationalen Verhältnissen kein Verzugszins geschuldet ist, soweit die materiellen Voraussetzungen zur Geltendmachung des Anspruchs auf Meldung statt Steuerentrichtung grundsätzlich erfüllt sind. Für die Anwendung von Artikel 16 Absatz 2bis ist nicht entscheidend, ob das amtliche Formular «Meldung statt Entrichtung» eingereicht wurde oder nicht.

5353

Artikel 16 gemäss dem Antrag der Minderheit (Leutenegger Oberholzer, BirrerHeimo, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) Art. 16 Abs. 1 Bst. c Buchstabe c wird insofern angepasst, als dass die bisherigen 30 Tage auf neu 90 Tage erweitert werden. Es findet mithin eine zeitliche Ausdehnung um 60 Tage statt. Die Ausdehnung findet sowohl auf Fälle der Barentrichtung als auch auf Fälle der Meldung statt Steuerentrichtung Anwendung.

Artikel 20 gemäss dem Antrag der Mehrheit Art. 20 Absatz 1 trägt der geschlechterneutralen Formulierung Rechnung und wurde sprachlich, nicht aber inhaltlich, angepasst.

Absatz 2 wird neu eingefügt. Der erste Satz entspricht inhaltlich dem bisherigen Satz 2 von Artikel 20. Neu wird aber auf den Bundesrat und nicht mehr die Verordnung Bezug genommen. Die neue Formulierung «der Bundesrat» knüpft besser an Artikel 16 Absatz 2bis an und ist zudem eine klarere Formulierung für die hier vorgesehene Kompetenzdelegation. Der zweite Satz von Absatz 2 wurde neu hinzugefügt. Er soll zusätzlich verdeutlichen, wann die Erfüllung der Steuerpflicht durch Meldung statt durch Steuerentrichtung greifen kann und schränkt das Regelungsermessen des Bundesrates ein.

Absatz 3 wird neu eingefügt. Er bezieht sich auf die im neu eingefügten Absatz 2bis des Artikels 16 gemäss dem Antrag der Mehrheit dargelegten Voraussetzungen.

Absatz 3 behält die Erhebung einer Ordnungsbusse gemäss dem unveränderten Artikel 64 VStG vor, wenn die Deklaration der steuerbaren Leistung, die Geltendmachung des Anspruchs auf Meldung statt Steuerentrichtung oder die Einreichung des amtlichen Formulars «Meldung statt Entrichtung» nicht innert der vom Gesetz vorgegebenen Frist erfolgt. Der neue Wortlaut soll die gesetzgeberische Intention verdeutlichen, dass das Meldeverfahren unter gegebenen Voraussetzungen auch in denjenigen Fällen zur Anwendung gelangen soll, in denen die Deklaration und/oder die Einreichung des amtlichen Formulars «Meldung statt Entrichtung» nicht innerhalb der 30-tägigen Frist erfolgt sind.

Artikel 20 gemäss dem Antrag der Minderheit (Leutenegger Oberholzer, BirrerHeimo, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) Art. 20 Artikel 20 Absatz 1 in der überarbeiteten Form gemäss dem Antrag der Minderheit statuiert, dass, sofern die steuerbare Leistung innerhalb der neuen Frist von 90 statt
bisher 30 Tagen gemäss dem von der Minderheit vorgeschlagenen Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c VStG deklariert wurde, die Geltendmachung des Anspruchs auf Meldung statt Steuerentrichtung neu innerhalb eines Jahres statt bisher 30 Tagen nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung geltend gemacht werden kann. Absatz 1 wurde ferner sprachlich angepasst.

Absatz 2 wird neu eingefügt. Er behält den bisher durch Semikolon abgetrennten Nebensatz von Absatz 1 bei und verweist unverändert auf die Verordnung. Zur sprachlichen Klarstellung wird neu auf «das Meldeverfahren» und nicht mehr nur auf «das Verfahren» Bezug genommen.

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Artikel 70c gemäss dem Antrag der Mehrheit Art. 70c Dieser Artikel wird neu eingefügt.

Absatz 1 hält fest, dass die neue Regelung gemäss den Artikeln 16 Absatz 2bis sowie 20 VStG auf alle Sachverhalte im Bereich der Meldung statt Steuerentrichtung Anwendung findet, bei denen die Fälligkeit der steuerbaren Leistung vor Inkrafttreten der vorliegenden Bestimmung eingetreten ist. Einzige Ausnahme dazu bilden Steuerforderungen oder Verzugszinsforderungen die verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden sind.

Absatz 2 regelt, dass bei gegebenem grundsätzlichen Anspruch auf das Meldeverfahren gemäss Artikel 16 Absatz 2bis VStG auf Gesuch hin bereits bezahlte Verzugszinsen, ohne Vergütungszins zurückerstattet werden.

Absatz 3 stellt klar, dass das Gesuch auf Rückerstattung von Verzugszinsen innert Jahresfrist seit Inkrafttreten der vorgeschlagenen Änderung bei der ESTV eingehen muss.

Der Wortlaut von Artikel 70c soll gewährleisten, dass alle Sachverhalte, die nicht bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden sind oder in diesem Zeitpunkt bereits verjährt waren, in den Genuss der neuen gesetzlichen Regelung kommen. Damit soll die Rechtsprechung des Bundesgerichts vom 19. Januar 2011 rückgängig gemacht werden.

Artikel 70c gemäss dem Antrag der Minderheit (Leutenegger Oberholzer, BirrerHeimo, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) Art. 70c Es wird darauf verzichtet, die neue Regelung gemäss Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 20 VStG, bereits rückwirkend anzuwenden. Damit entfällt auch die Notwendigkeit einer expliziten Regelung in einem neuen Artikel 70c VStG. Die neue Regelung findet erst auf zukünftige Sachverhalte ab Inkrafttreten der geänderten gesetzlichen Bestimmungen Anwendung.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle Auswirkungen

4.1.1

Einleitende Bemerkungen

Einleitend ist festzuhalten, dass sich die Diskussion um die Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer am Ende einzig um die Entwicklungstendenzen der Verzugszinsen dreht. Das heisst, dass hinsichtlich der Einnahmenhöhe der eigentlichen Verrechnungssteuer keine Änderungen zu erwarten sind, da die Anträge der Kommission nicht primär die Zukunft und damit die Einnahmenhöhe von künftigem Verrechnungssteuersubstrat betreffen, sondern vor allem Rückwirkung betreffend die Verzugszinsen. Ungeachtet der unterschiedlichen Anträge wird die Verrechnungssteuer erhoben, wenn kein Meldeverfahren Anwendung findet. Die Kontrollhandlungen der Verwaltung richten sich in erster

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Linie auf das Steuersubstrat, die Verzugszinsen bilden einzig eine Nebenfolge davon.

Es ist weiter darauf hinzuweisen, dass die nachfolgenden Schätzungen nur mit extremer Vorsicht vorgenommen und gelesen werden können, da selbst die Ausschüttung von Dividenden nicht als sicherer Parameter angenommen werden darf.

Bekannte Parameter sind einzig der Zinssatz, die jeweiligen Steuerperioden und das (heute) bestehende Kapital. Zudem ist jeweils auch mit einiger Verspätung immer noch mit einer nachträglichen Deklaration zu rechnen. Gerade der Umstand, dass nachträglich plötzlich ein neuer, bisher unbekannter Fall auftauchen kann oder ein sehr grosser Fall aufgedeckt wird, macht die vorgenommenen Schätzungen noch unsicherer, da sich diese dann als nicht zutreffend erweisen würden und entsprechend korrigiert werden müssten.

4.1.2

Finanzielle Auswirkungen des Antrags der Mehrheit

Neue Regelung gemäss dem Antrag der Mehrheit (vgl. Ziff. 2.6.1.1) mit einer Rückwirkung gemäss dem Antrag der Mehrheit (vgl. Ziff. 2.6.2.1) Nach den Schätzungen der ESTV sind durch die Umsetzung der Gesetzesänderung gemäss Antrag der Mehrheit betreffend Rückerstattung erhobener Verzugszinsen bisher finanzielle Auswirkungen von CHF 600 Millionen zu erwarten. Die Schätzung basiert auf den hängigen und rechtskräftigen Fällen vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2015. Je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der gewünschten Änderungen ist in Zukunft aufgrund neuer Fälle, die unter das bisherige Recht fallen, voraussichtlich noch mit höheren finanziellen Auswirkungen zu rechnen.

Neue Regelung gemäss dem Antrag der Mehrheit (vgl. Ziff. 2.6.1.1) mit einer Rückwirkung gemäss dem Antrag der Minderheit (vgl. Ziff. 2.6.2.2) Es ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen, da der Vorschlag der Minderheit rein zukunftsorientiert ist und Rückwirkungen betreffend Verzugszinsen explizit ausschliesst. Hinsichtlich der Einnahmenhöhe der Verrechnungssteuer sind keine Änderungen zu erwarten.

4.1.3

Finanzielle Auswirkungen des Antrags der Minderheit

Neue Regelung gemäss dem Antrag der Minderheit (vgl. Ziff. 2.6.1.2) mit einer Rückwirkung gemäss dem Antrag der Mehrheit (vgl. Ziff. 2.6.2.1) Die finanziellen Auswirkungen für den Staat werden sich schätzungsweise in der Höhe von rund CHF 80 Millionen bewegen. Es handelt sich dabei um Verzugszinsen in dieser Grössenordnung, die zurückerstattet werden müssten. Bereits erhobene Verzugszinsen basierend auf Verzugszinsrechnungen betreffend 1­60 Tage Verspätung gemäss altem Recht auf steuerbaren Leistungen, welche per 1. Januar 2011 noch nicht rechtskräftig festgesetzt oder verjährt waren, müssten ohne Vergütungszins zurückerstattet werden. Bereits erhobene Verzugszinsen basierend auf Verzugszinsrechnungen betreffend mehr als 60 Tage Verspätung gemäss altem Recht könn-

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ten neu von einer Korrektur ohne Vergütungszins von 60 Tagen (Differenz von den bisherigen 30 Tagen zu den neu vorgesehenen 90 Tagen) profitieren.

Neue Regelung gemäss dem Antrag der Minderheit (vgl. Ziff. 2.6.1.2) mit einer Rückwirkung gemäss dem Antrag der Minderheit (vgl. Ziff. 2.6.2.2) Es ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen, da der Vorschlag der Minderheit rein zukunftsorientiert ist und Rückwirkungen betreffend Verzugszinsen explizit ausschliesst. Hinsichtlich der Einnahmenhöhe der Verrechnungssteuer sind keine Änderungen zu erwarten.

4.1.4

Übersicht der finanziellen Auswirkungen

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die finanziellen Auswirkungen des Antrags der Mehrheit sowie des Antrags der Minderheit mit den jeweiligen Rückwirkungen gemäss dem Antrag der Mehrheit und der Minderheit.

Neue Regelung Rückwirkung

Mehrheit

Minderheit

Mehrheit

CHF 600 Mio.

CHF 80 Mio.

Minderheit

Keine

Keine

4.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat vorderhand keine personellen Auswirkungen. Sollte allerdings die Kommissionsmotion 15.3379 «Einführung einer Eingangsbestätigung im Bereich des Meldeverfahrens bei der Verrechnungssteuer» angenommen und ungeachtet des Zeitpunkts bzw. der Verfügbarkeit von Automatisierungsprozessen umgesetzt werden, hat dies personelle Auswirkungen in folgendem Umfang zur Folge: Jährlich müssten rund 20 000­22 000 Bestätigungsbriefe manuell erstellt werden.

Dabei würde es sich um reine Eingangsbestätigungen handeln, welche eine spätere formelle Überprüfung der Zulässigkeitsfrage nicht vorwegnehmen und auch nicht ersetzen würden. Einzig für die Ausstellung entsprechender Bestätigungsbriefe muss von einem zusätzlichen personellen Bedarf in der Höhe von mindestens 2 Vollzeitstellen gerechnet werden. Werden geschätzte Kosten für die Bereitstellung dieser zusätzlichen Arbeitsplätze sowie den Versand der rund 20 000­22 000 Bestätigungsbriefe miteinbezogen, werden sich die jährlich zu erwartenden personellen resp. damit zusammenhängenden finanziellen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Schaffung von mindestens 2 Vollzeitstellen auf zusätzliche rund CHF 750 000 belaufen. Es bliebe zu prüfen, ob die Verwaltung für die Erstellung der Eingangsbestätigungen eine Gebühr erheben kann.

5357

4.3

Auswirkungen auf die Kantone

Unabhängig von der Wahl der oben aufgezeigten möglichen Umsetzungsvarianten werden keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kantone feststellbar sein. Das Meldeverfahren wird bei einer Umsetzung gemäss dem Antrag der Mehrheit sowie bei einer Umsetzung gemäss dem Antrag der Minderheit weiterhin vorab im Konzernverhältnis zur Anwendung gelangen. Hinsichtlich juristischen Personen ist nach wie vor die ESTV die zuständige Erhebungs- und Rückerstattungsbehörde. Die Auswirkungen der Änderungen werden deshalb nicht vorranging bei den Kantonen sondern vorab bei der ESTV feststellbar sein.

4.4

Vollzugstauglichkeit

Der Vollzug wird sich insbesondere bei der Umsetzung gemäss dem Antrag der Mehrheit schwieriger gestalten, da damit über Jahre hinaus nicht bekannt und vorhersehbar ist, ob allenfalls noch ein Gesuch um Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer eintreffen wird. Im Gegensatz dazu ist bei einer Umsetzung gemäss dem Antrag der Minderheit zwar der Zeitraum zwischen Fälligkeit einer Dividende und Frist zur Einreichung des amtlichen Meldeformulars erheblich länger, aber dennoch noch klar abschätzbar. Nach 90 Tagen resp. einem Jahr wird für die Verwaltung grundsätzlich Klarheit hinsichtlich des Vollzugs bestehen.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Sowohl Artikel 15 ZBStA als auch einzelne DBA Bestimmungen sehen eine Ausweitung des innerstaatlichen Meldeverfahrens im Konzern auch auf internationale Fälle vor. Damit können nicht nur die Muttergesellschaften in der Schweiz, sondern auch jene in allen EU-Staaten ­ unter gegebenen Voraussetzungen ­ vom Meldeverfahren profitieren. Artikel 15 ZBStA regelt betreffend Zahlungen von Dividenden Folgendes: Unbeschadet der Anwendung der innerstaatlichen oder auf Abkommen beruhenden Vorschriften in der Schweiz und in den Mitgliedstaaten zur Verhütung von Betrug und Missbrauch werden Dividendenzahlungen von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften im Quellenstaat nicht besteuert, wenn (­) die Muttergesellschaft mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens 25 Prozent am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hält und (­) die eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft und die andere Gesellschaft in der Schweiz steuerlich ansässig ist und (­) nach den Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten keine der beiden Gesellschaften in diesem Drittstaat steuerlich ansässig ist und (­) beide Gesellschaften ohne Befreiung der Körperschaftssteuer unterliegen und beide die Form einer Kapitalgesellschaft aufweisen.

Die meisten von der Schweiz ausgehandelten DBA sehen in aller Regel eine Beteiligung von mindestens 20 Prozent am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft vor. Die Steuerentlastungsverordnung regelt das Meldeverfahren, mit dem die im ZBStA oder einem DBA für wesentliche Beteiligungen vorgesehene Steuerentlastung von Dividenden an der Quelle erfolgt. Der Vorschlag, das Bundesgesetz über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung

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der Doppelbesteuerung17 durch einen Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe abis ­ wonach in der Verordnung enthaltene Fristen für die Einreichung der Meldung bei der Ausrichtung einer Dividende bei Anwendung des Meldeverfahrens bei der ESTV Ordnungsfristen darstellen ­ zu ergänzen, erweist sich nicht als geeignetes Mittel. Erstens regelt dieses Gesetz die Zuständigkeit des Bundesrates und eignet sich daher nicht, spezifische verfahrensrechtliche Fristen in einzelnen Bereichen zu bestimmen.

Zweitens übernehmen sowohl die Steuerentlastungsverordnung, aber auch die Verordnungen zu den DBA-D und DBA-USA die gesetzlichen Fristen des VStG. Es können demnach in diesen Verordnungen keine abweichenden Fristen zum Gesetz bestimmt werden.

6

Verfassungsmässigkeit

Gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 BV kommt dem Bund die Kompetenz zu, unter anderem auf dem Ertrag von beweglichem Kapitalvermögen eine Verrechnungssteuer zu erheben. Der Bund macht von dieser Kompetenz mit dem Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer Gebrauch.

Der Bund ist in seinem Handeln unter anderem an den verfassungsmässigen Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Artikel 8 BV gebunden. Die Meinungen zum Grundsatz der Rechtsgleichheit gehen in der Kommission auseinander (vgl.

Ziff. 2.5).

17

SR 672.2

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