zu 10.426 Parlamentarische Initiative «Aufhebung der zolltariflichen Begünstigung der Importe von gewürztem Fleisch» Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 11. Mai 2015 Stellungnahme des Bundesrates vom 12. August 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 11. Mai 20151 betreffend die parlamentarische Initiative 10.426 «Aufhebung der zolltariflichen Begünstigung der Importe von gewürztem Fleisch» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. August 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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BBl 2015 5663

2015-1902

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Entstehungsgeschichte der parlamentarischen Initiative

Am 18. März 2010 wurde die parlamentarische Initiative 10.426 «Aufhebung der zolltariflichen Begünstigung der Importe von gewürztem Fleisch» eingereicht. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) beschloss am 18. April 2011, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) stimmte dem Entscheid der WAK-N am 27. August 2013 zu.

Gemäss Auftrag der WAK-N erstellte die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) den Bericht vom 23. Juli 2014, in welchem die Möglichkeiten und die Konsequenzen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative aufgezeigt wurden. In der Folge sprach sich die WAK-N am 18. August 2014 mehrheitlich dafür aus, die parlamentarische Initiative durch Schaffung von neuen Schweizerischen Anmerkungen in den Kapiteln 2 und 16 des Zolltarifs umzusetzen. Danach sollen gewürzte Fleischprodukte neu in das Kapitel 2 des Zolltarifs eingereiht werden und somit einer höheren Zollbelastung unterliegen. Gleichentags erteilte sie ihrem Sekretariat den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Verwaltung einen Vorentwurf und einen erläuternden Bericht zu verfassen. Am 10. November 2014 stimmte die WAK-N dem Vorentwurf mehrheitlich zu und eröffnete das Vernehmlassungsverfahren2. Im Vernehmlassungsverfahren sprach sich die Mehrheit der Teilnehmenden für die Vorlage aus.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2015 lud die WAK-N den Bundesrat ein, nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 bis zum 13. August 2015 zur Vorlage Stellung zu nehmen.

1.2

Gegenstand der Vorlage

Mit der parlamentarischen Initiative soll der Schweizerische Zolltarif4 mit gesetzlichen Anmerkungen so ergänzt werden, dass gewürztes, nicht weiter zubereitetes Fleisch immer im Kapitel 2 eingereiht werden muss.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Importe im Jahr 2014

Im Bericht der Kommission sind nur die Zahlen bis 2013 enthalten. Gegenüber 2013 ist die Menge 2014 um knapp 10 Prozent gestiegen, von 1474 Tonnen auf 1608 Tonnen. Diese Menge ist aber immer noch tiefer als in den Jahren 2010­2012. Die 2 3 4

BBl 2014 9181 SR 171.10 Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10), Generaltarif, Anhang 1 (Schweizerischer Zolltarif), Teil 1a (Einfuhrtarif)

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Steigerung ist vor allem auf die zusätzlichen Importe von gewürztem Fleisch für die Trockenfleischherstellung zurückzuführen (+ ca. 75 Tonnen). Die Menge an Kalbfleisch ist gegenüber dem Vorjahr etwas tiefer (ca. 250 Tonnen).

2.2

Bisherige Regelungen zur Einreihung von gewürztem Fleisch im Zolltarif

Gewürztes Fleisch gilt als zubereitet und wird grundsätzlich im Kapitel 16 des Zolltarifs eingereiht. Wie im Bericht der Kommission ausführlich dargelegt, kommt den Erläuterungen zum Zolltarif in diesem Zusammenhang eine grosse Bedeutung zu. Darin ist unter anderem festgehalten, dass gewürztes Fleisch vom Kapitel 2 ausgeschlossen ist, wenn die Würzung charakterbestimmend ist. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes A-5216/2014 vom 13. April 2015. Das Gericht stellt darin die von der EZV geschaffenen Schweizerischen Erläuterungen zum Zolltarif5 nicht in Frage. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da eine Beschwerde beim Bundesgericht hängig ist. Diese Beschwerde betrifft allerdings nicht die Erläuterungen.

2.3

Anliegen der Initiative

Mit der Vorlage soll auf Gesetzesstufe eine Regelung geschaffen werden, damit gewürztes, nicht weiter zubereitetes Fleisch immer im Kapitel 2 des Zolltarifs eingereiht werden muss. Die gesetzliche Bestimmung wäre im Beschwerdefall auch für die Gerichte verbindlich.

Im Ergebnis würde dies beispielsweise dazu führen, dass auf diese Weise zubereitetes Rindfleisch bei einer Einfuhr ausserhalb des Zollkontingentes anstatt einem Zollansatz von 638 Franken je 100 kg brutto neu Zollansätzen von über 2000 Franken je 100 kg brutto unterliegen würde. Die Zuschlagspreise bei der Versteigerung der Zollkontingente für Fleisch des Kapitels 2 wären ebenfalls höher als der Zollansatz von 638 Franken je 100 kg brutto. Damit würden die Importe erheblich verteuert. Es muss davon ausgegangen werden, dass unter diesen Bedingungen auf solche Importe weitgehend verzichtet würde. Bezweckt wird somit ein stärkerer Marktschutz sowohl für das im Inland produzierte als auch für das im Rahmen von anderen Regelungen (Zollkontingente) importierte Fleisch. Ferner wird eine Verbindung mit Anliegen des Tierschutzes hergestellt.

Gleiche Wirkungen hätten die vorgeschlagenen Anmerkungen auch bei anderen Fleischsorten, insbesondere beim Schweinefleisch.

2.4

Argumente gegen die parlamentarische Initiative

Es trifft zu, dass der geltende Zollansatz von 638 Franken je 100 kg brutto für gewürztes Rindfleisch (Tarifnummer 1602.5099) im Vergleich zu den Ansätzen für Fleisch des Kapitels 2 des Zolltarifs verhältnismässig tief ist. Er entspricht jedoch dem gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) gebundenen maximalen Zoll5

Vgl. Ziff. 2.1.2.3 des Berichts der Kommission

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ansatz. Aus den folgenden Gründen kann sich der Bundesrat den Argumenten der Kommissionsmehrheit nicht anschliessen:

2.4.1

Inlandproduktion und Produzentenpreise

In seinen Preiserhebungen konnte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) bisher keinen negativen Einfluss auf die inländischen Produzentenpreise für Schlachtvieh durch Importe von gewürztem Fleisch feststellen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass im Fleischhandel durch diese Importmöglichkeit ein gewisser Preisdruck entstanden ist. Für den Bundesrat lässt sich mit dieser Entwicklung eine Einschränkung der Importmöglichkeiten nicht rechtfertigen.

Es trifft auch keineswegs zu, dass gewürztes Fleisch «unkontrolliert» importiert werden kann. Selbstverständlich unterliegt es den gleichen Massnahmen und Kontrollen an der Grenze wie alle anderen Fleischwaren auch. Der wesentliche Unterschied besteht einzig darin, dass es keine mengenmässigen Beschränkungen gibt, da die Importe ausserhalb eines Zollkontingentes stattfinden.

Ferner ist darauf hinzuwiesen, dass der Anteil des importierten gewürzten Fleisches am Inlandkonsum weiterhin gering ist. Bezogen auf den gesamten Konsum von 119 418 Tonnen Fleisch von Tieren der Rindviehgattung machte der Anteil des eingeführten gewürzten Rindfleisches der Tarifnummer 1602.5099 (1600 Tonnen) 2014 etwas über 1,3 % aus6. Von den gesamten Rindfleischimporten waren rund 6,7 % gewürztes Fleisch. Der Inlandanteil (Selbstversorgungsgrad) am gesamten Konsum von Fleisch von Tieren der Rindviehgattung war 2014 etwas höher als im Jahr 2013 (84 % bzw. 83,8 %). Beim Kalbfleisch ging er ganz leicht von 97,6 % auf 97,5 % zurück. Im Vergleich mit den anderen Fleischarten weist das Kalbfleisch nach wie vor den höchsten Selbstversorgungsgrad auf.

Beim Schweinefleisch stieg der Inlandanteil von 93,5 % (2013) auf 94,3 % (2014).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das unter der Tarifnummer 1602.5099 eingeführte, gewürzte Rindfleisch keine feststellbar negativen Auswirkungen auf die inländischen Produzentenpreise oder den Inlandanteil (Selbstversorgungsgrad) von Rindfleisch hatte.

2.4.2

Marktordnung Fleisch

Bis 2014 wurden die Anteile am Zollkontingent im Bereich der Marktordnung Fleisch den Importeuren überwiegend durch Versteigerung zugeteilt. Über die letzten sechs Jahre (2009­2014) sind sowohl die zum Import freigegebenen Mengen Frischfleisch wie auch die Zuschlagspreise kontinuierlich angestiegen. Gerade beim Rindfleisch war diese Entwicklung besonders ausgeprägt. So erhöhte das BLW auf Antrag der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft Proviande die Freigabemengen in der Kategorie «Nierstücke und High-Quality Beef» von 4365 Tonnen im Jahr 2009 auf 4815 Tonnen im Jahr 2014 und ermöglichte somit höhere Importe im Rahmen des Zollkontingents. Trotzdem stieg der durchschnittliche 6

Quelle für alle Zahlen zum Inlandkonsum und zu den Gesamtimporten: Branchenorganisation Proviande.

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Zuschlagspreis für Kontingentsanteile in der Kategorie «Nierstücke und HighQuality Beef» von Fr. 7.65 pro kg im Jahr 2009 auf Fr. 13.56 pro kg im Jahr 2014.

Ganz offensichtlich hatten die Importe von gewürztem Fleisch keinen Einfluss auf die Höhe der Zuschlagspreise bei der Versteigerung von Frischfleisch oder auf die Freigabemengen des BLW. Allenfalls liesse sich sogar ein Umkehrschluss ziehen: Gerade weil die Versteigerungspreise für frisches Rindfleisch, insbesondere in der wichtigsten Kategorie «Nierstücke und High-Quality Beef» seit 2009 sehr stark angestiegen sind, wurde der Import von gewürztem Rindfleisch zu einem Zollansatz von 638 Franken je 100 kg brutto überhaupt erst attraktiv. Inwiefern das BLW mit noch höheren Freigabemengen für frisches Rindfleisch diesem Umstand hätte entgegenwirken können, ist rückwirkend schwierig zu beurteilen. Diese Fakten zeigen jedoch, dass von einer Störung oder gar einer Aushebelung der Marktordnung Fleisch durch die Einfuhr von gewürztem Fleisch zwischen 2009 und 2014 keine Rede sein kann.

2.4.3

Tierschutz

In der Schweiz bestehen beim Tierschutz teilweise strengere Vorschriften als im Ausland. Wie im Bericht der Kommission dargelegt, haben die schweizerischen Tierschutzbestimmungen keinen Einfluss auf die Einreihung von Fleisch und Fleischwaren im Zolltarif und damit auf die Höhe des Zollansatzes. Es besteht mit anderen Worten kein Zusammenhang zwischen der Unterscheidung von gewürztem und ungewürztem Fleisch im Zolltarif und den Tierschutzbestimmungen. Mit einer unterschiedlichen Einreihung von Fleisch im Zolltarif kann folglich keine Wirkung im Sinne des Tierschutzes erzielt werden.

2.5

Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht

2.5.1

Internationales Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren

Wie von der Kommissionsminderheit aufgeführt, sind die vorgeschlagenen Anmerkungen zum Zolltarif nicht vereinbar mit der Nomenklatur nach dem internationalen Übereinkommen vom 14. Juni 19837 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS-Übereinkommen). Diese Nomenklatur, einschliesslich der Erläuterungen, stellt verbindliches internationales Recht dar8.

Die Schweiz ist verpflichtet, ihren Zolltarif in Übereinstimmung mit der Nomenklatur des Harmonisierten Systems (HS) zu halten. Hält sich eine der heute 150 HSVertragsparteien nicht an die Verpflichtungen, enthält das HS-Übereinkommen Bestimmungen über die Beilegung von Streitigkeiten. Bei Streitigkeiten steht es jeder HS-Vertragspartei frei, die Angelegenheit vor den Ausschuss für das HS zu bringen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Schweiz in einem Verfahren vor dem HS-Ausschuss durchsetzen könnte. Der Entscheid des Ausschusses würde voraus7 8

SR 0.632.11 Vgl. z.B. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes A-5216/2014 vom 13. April 2015, Ziff. 2.7.2

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sichtlich in Form eines sogenannten Avis de classement publiziert. Die Schweiz müsste die Gesetzesänderung rückgängig machen oder, wenn dies nicht erfolgt, dem Ausschuss notifizieren, dass sie das Avis wegen der bestehenden gesetzlichen schweizerischen Anmerkungen nicht anwenden kann. Dies allein hätte noch keine direkten rechtlichen Auswirkungen.

2.5.2

WTO

Die vorgeschlagenen Anmerkungen zum Zolltarif bewirken, dass gewürztes Fleisch anstatt im Kapitel 16 neu im Kapitel 2 eingereiht wird. Damit würde die Schweiz Artikel II:1 Buchstaben a und b des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) vom 30. Oktober 19479 verletzen, weil im Kapitel 2 höhere Zollansätze gelten10. Diese übersteigen die in der Verpflichtungsliste der Schweiz gebundenen Zollansätze für zubereitetes Fleisch des Kapitels 16. Die Schweiz umginge somit die in der WTO eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen11.

Artikel X:2 GATT verpflichtet die Schweiz, staatliche Massnahmen, die zu einer Erhöhung von Zöllen führen oder sich erschwerend auf den Import von Waren auswirken, amtlich zu veröffentlichen, bevor sie umgesetzt werden12. Das WTOSekretariat fordert zudem gestützt auf die bestehenden Transparenzpflichten der WTO die Mitgliedsländer zweimal jährlich auf, staatliche Massnahmen mit Auswirkungen auf den Handel mitzuteilen.

Um eine Vertragsverletzung zu vermeiden, müsste die Schweiz formell eine Tariferhöhung im Kapitel 16 vorsehen und dazu vorgängig zur Änderung des Zolltarifs mit den Hauptlieferländern von gewürztem Fleisch im Rahmen eines Dekonsolidierungsverfahrens gestützt auf Artikel XXVIII GATT Verhandlungen aufnehmen und Kompensationen bei anderen Zollansätzen oder Zollkontingenten aushandeln. Wenn diese scheitern, kann der Verhandlungspartner seinerseits Zollzugeständnisse ­ auch unter anderen Tariflinien ­ aussetzen.

Ohne rechtskonforme Dekonsolidierung gemäss vorgenanntem Verfahren geht die Schweiz mit den vorgesehenen Anmerkungen und der daraus resultierenden Erhöhung der Zollansätze für gewürztes Fleisch das Risiko ein, beim Streitschlichtungsorgan der WTO eingeklagt zu werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die Schweiz sich gegen eine solche Klage erfolgreich verteidigen könnte. Folglich würde sie 9 10

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12

SR 0.632.21 WTO-Mitglieder dürfen über Bedingungen und Erläuterungen in den GATTVerpflichtungslisten zwar Verpflichtungen gegenüber anderen WTO-Mitgliedern ausweiten, nicht aber vermindern. European Communities ­ Bananas III, WT/DS 27, AB Report vom 9. September 1997, insbesondere §§ 154­158. Dies gilt umso mehr, wenn ­ gemäss dem Anliegen der parlamentarischen Initiative ­ die Verminderung von Verpflichtungen nicht durch Bedingungen auf staatsvertraglicher Ebene, sondern auf innerstaatlicher Ebene erfolgt.

Die Bedeutung der HS-Nomenklatur in Bezug auf die Auslegung von zolltarifarischen Verpflichtungen in der WTO wurde bereits in mehreren WTO-Streitfällen bestätigt: European Communities ­ Customs Classification of Frozen Boneless Chicken Cuts, (WT/DS 269, 286, 2005); European Communities ­ Tariff Treatment of Certain Information Technology Products (WT/DS 375­377, 2008).

Diese Verpflichtung zur rechtzeitigen und wirksamen (aber nicht amtlichen) Publikation von Erläuterungen zur HS-Nomenklatur ergibt sich bereits aufgrund von Artikel X.1 GATT und Artikel 1 des Abkommens für Handelserleichterungen (unterzeichnet, aber noch nicht in Kraft).

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gezwungen, die neuen Anmerkungen zu streichen oder den Klägern Kompensationen anzubieten. Hierzu kämen Zollsenkungen bei anderen Agrarprodukten oder die Ausweitung von Zollkontingenten für Fleisch in Frage.

Die bisherigen Importe von gewürztem Fleisch stammen hauptsächlich aus der EU.

Ob die EU die Schweiz bei der WTO einklagen würde, kann nicht vorhergesagt werden. Jedoch bedeutet die Möglichkeit einer aussichtsreichen WTO-Klage ein neues Verhandlungspfand zugunsten der EU auch im bilateralen Verhältnis mit der Schweiz.

Der Bundesrat geht daher davon aus, dass in jedem Fall durch die neuen Anmerkungen zum Zolltarif und der damit verbundenen Verletzung der WTO-Verpflichtungen ein wirtschaftlicher Schaden für die Landwirtschaft erwartet werden muss.

2.6

Europapolitische Erwägungen

Die Schweiz und die Europäische Gemeinschaft haben am 21. Juni 199913 das Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrarabkommen) abgeschlossen. In Anhang 1 des Abkommens sind die Zollzugeständnisse aufgeführt, welche die Schweiz der EU im Rahmen des Abkommens gewährt. Für Fleischzubereitungen der Tarifnummer 1602.5099 ist keine präferenzielle Zollbehandlung vorgesehen. Sie unterliegen somit bei der Einfuhr aus der EU dem Normalansatz.

Gemäss Artikel 1 hat das Abkommen zum Ziel, die Freihandelsbeziehungen zwischen den Parteien durch Verbesserung des Marktzugangs für landwirtschaftliche Erzeugnisse der jeweils anderen Partei zu stärken. Zudem werden die vom Abkommen erfassten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gestützt auf das HS-Übereinkommen definiert. Da die Neueinreihung den Marktzugang für Fleischprodukte erschwert, kann dies als Verstoss gegen den Geist des Abkommens interpretiert werden.

Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die EU aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen einer erhöhten Zollbelastung von gewürztem Fleisch auf EUUnternehmen entsprechende neue Anmerkungen in den Kapiteln 2 und 16 des Zolltarifs handelsrechtlich genau prüfen und in den dafür zuständigen bilateralen Gremien aufbringen würde.

Eine Umsetzung der parlamentarischen Initiative gemäss dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit dürfte daher das Verhältnis Schweiz­EU zusätzlich belasten. Die Völkerrechtstreue und damit die Glaubwürdigkeit der Schweiz wären in Frage gestellt. Die EU könnte gegenüber der Schweiz letztlich auch ausserhalb der WTO reagieren. Die Risiken für die schweizerische Wirtschaft ­ über die unter das Agrarabkommen fallenden Sektoren hinaus ­ dürften erheblich sein.

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SR 0.916.026.81

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2.7

Schlussfolgerung

Auch wenn der Import von jährlich rund 1600 Tonnen gewürztem Rindfleisch ausserhalb des Kontingents zum Zollansatz von 638 Franken je 100 kg brutto eine Tatsache ist (Stand 2014), lässt sich ein Einfluss auf die Produzentenpreise für Schlachtvieh, auf den Inlandanteil an Rindfleisch (Selbstversorgungsgrad) oder auf die Funktionsweise der Marktordnung Fleisch nicht erhärten. Der Bundesrat teilt daher die Auffassung der Kommissionsminderheit. Mit den von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen neuen Anmerkungen zum Zolltarif werden die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz verletzt und die Schweiz muss mit Gegenmassnahmen der Handelspartner rechnen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet dürften die potenziellen Vorteile für die Fleischbranche die negativen Folgen für andere Bereiche der schweizerischen Wirtschaft (inkl. der Landwirtschaft) kaum kompensieren.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zum Vorschlag der Minderheit der WAK-N und damit Nichteintreten auf die Vorlage.

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