14.094 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Adoption) vom 28. November 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Adoption) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2011

M 09.3026

Adoption ab dem zurückgelegten 30. Lebensjahr (N 12.6.09, Prelicz-Huber; S 10.3.11; N 15.12.11)

2011

M 09.4107

Adoptionsgeheimnis (N 19.3.10, Fehr Jacqueline; S 10.3.11)

2013

M 11.4046

Adoptionsrecht. Gleiche Chance für alle Familien (S 14.3.12, Kommission für Rechtsfragen SR; N 13.12.12; S 4.3.13)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. November 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1874

877

Übersicht Das schweizerische Adoptionsrecht wurde in den 1970er-Jahren umfassend revidiert. Seither haben sich verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen zugetragen, die mit der vorliegenden Revision berücksichtigt werden sollen.

Ausgangslage Seit 2007 können gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft eintragen lassen.

Sie verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, die in mancherlei Hinsicht mit der Ehe vergleichbar sind. Auch die Zahl faktischer Lebensgemeinschaften nimmt kontinuierlich zu. Schliesslich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den letzten Jahren verschiedene wegweisende Urteile zum Adoptionsrecht gefällt. Dies alles macht deutlich, dass das geltende Adoptionsrecht, das nach wie vor davon ausgeht, dass grundsätzlich nur verheiratete Personen ein Kind adoptieren können, den Anforderungen unserer Zeit nicht mehr entspricht.

Inhalt der Vorlage Mit der vorliegenden Revision wird das Anliegen, das Kindeswohl ins Zentrum der Adoptionsentscheidung zu stellen, weiter gestärkt: Die Ermessensspielräume werden erweitert, indem die Möglichkeit eingeräumt wird, von gewissen Adoptionsvoraussetzungen abweichen zu können, wenn dies im Interesse des Kindeswohls geboten erscheint. So werden bisher nicht zulässige Abweichungen möglich, beispielsweise das Abweichen vom Mindestalter für Adoptiveltern, das zusätzlich von 35 auf 28 Jahre gesenkt wird, oder das Abweichen vom maximalen oder minimalen Altersunterschied zwischen dem Adoptivkind und den Adoptiveltern. Damit kann eine Beurteilung dem Einzelfall noch besser gerecht werden.

Aus der Sicht des Kindeswohls von zentraler Bedeutung ist ausserdem die Öffnung der Stiefkindadoption: Während eine solche bislang nur einem Ehepaar möglich ist, schlägt der Bundesrat vor, die Stiefkindadoption neu auch Paaren in eingetragenen Partnerschaften und Paaren in faktischen, verschieden- wie gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu öffnen. Auf diese Weise können Ungleichbehandlungen beseitigt und bestehende faktische Beziehungen zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil rechtlich anerkannt werden. In allen Fällen wird vorausgesetzt, dass die Paare seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen, bevor sie das Adoptionsgesuch einreichen können; Abweichungen sind hier nicht möglich.
Um die Position des Kindes bei der Adoption zusätzlich zu stärken, schlägt der Bundesrat ausserdem vor, ausdrücklich die Pflicht ins Gesetz aufzunehmen, das Kind vor der Adoption anzuhören. Dies unabhängig davon, ob es urteilsfähig ist oder nicht.

Der Bundesrat schlägt ferner vor, das Adoptionsgeheimnis zu konkretisieren und teilweise zu lockern: So sollen Eltern, die ihr Kind einst zur Adoption freigegeben haben, sowie ihre direkten Nachkommen Auskunft über die Identität des volljährigen

878

Adoptivkindes erhalten, sofern dieses zugestimmt hat. Zusätzlich sollen die Adoptiveltern und die leiblichen Eltern auch einen persönlichen Verkehr zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern vereinbaren können.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

878

1

883

2

880

Ausgangslage 1.1 Die Adoption in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) 1.2 Die Adoption im ZGB von 1907 1.3 Die grosse Revision von 1972 1.4 Revisionen des Adoptionsrechts seit 1972 1.5 Das geltende Adoptionsrecht 1.5.1 Massgebliche Bestimmungen des schweizerischen Rechts 1.5.2 Staatsvertragsrecht 1.5.2.1 Europäisches Übereinkommen über die Adoption von Kindern 1.5.2.2 Haager Adoptionsübereinkommen 1.5.2.3 UNO-Kinderrechtskonvention 1.5.2.4 Europäische Menschenrechtskonvention 1.5.3 Adoptionsformen und Adoptionsvoraussetzungen im ZGB 1.5.4 Von der Adoption ausgeschlossene Personen 1.5.4.1 Personen in einer eingetragenen Partnerschaft 1.5.4.2 Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft 1.6 Statistische Zahlen zur Adoption 1.7 Die Kritik am geltenden Recht 1.7.1 Parlamentarische Vorstösse 1.7.1.1 Adoptionsvoraussetzungen 1.7.1.2 Adoptionsgeheimnis 1.7.2 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 1.7.2.1 Adoptionsvoraussetzungen 1.7.2.2 Adoptionsgeheimnis 1.8 Ergebnisse der Vernehmlassung Die Grundzüge der beantragten Neuregelung 2.1 Ziele der vorliegenden Revision 2.1.1 Allgemein 2.1.2 Flexibilisierung gewisser Adoptionsvoraussetzungen 2.2 Adoptionsvoraussetzungen 2.2.1 Die Beziehungsdauer 2.2.2 Herabsetzung des Mindestalters 2.2.3 Minimaler Altersunterschied 2.2.4 Maximaler Altersunterschied 2.3 Die Adoptionsformen im Lichte der Revision 2.3.1 Gemeinschaftliche Adoption: Nur für Ehegatten 2.3.2 Einzeladoption: Auch für Personen in eingetragener Partnerschaft

883 883 884 885 885 885 886 886 887 887 888 888 890 890 891 891 891 891 892 893 894 894 897 898 899 899 899 900 901 901 903 904 905 906 906 906

Stiefkindadoption 2.3.3.1 Die Problematik der Stiefkindadoption 2.3.3.2 Einzelfallprüfung und Aufhebung von Artikel 265c Ziffer 2 ZGB 2.3.3.3 Senkung der Beziehungsdauer von fünf auf drei Jahre 2.3.3.4 Personen in einer eingetragenen Partnerschaft 2.3.3.5 Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft Förderung der Mitbeteiligung des Kindes Erleichterung der Erwachsenenadoption Lockerung des Adoptionsgeheimnisses 2.6.1 Grundsatz 2.6.2 Auskunftsanspruch der leiblichen Eltern sowie allfälliger direkter Nachkommen 2.6.3 Auskunftsanspruch des adoptierten Kindes 2.6.4 Kantonale Auskunftsstelle 2.6.5 Offene Adoptionsform Nicht berücksichtigte Revisionsanliegen 2.7.1 Keine gemeinschaftliche Adoption für Paare in eingetragener Partnerschaft 2.7.2 Keine gemeinschaftliche Adoption für faktische Lebensgemeinschaften 2.7.3 Keine zivilstandsunabhängige Einzeladoption Rechtsvergleich 2.8.1 Adoptionsvoraussetzungen 2.8.1.1 Mindest- und Höchstalter sowie Altersunterschied zwischen Kind und adoptionswilliger Person 2.8.1.2 Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare 2.8.1.3 Stiefkindadoption in faktischen Lebensgemeinschaften 2.8.2 Adoptionsgeheimnis 2.8.2.1 Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung 2.8.2.2 Anspruch der leiblichen Eltern auf Informationen im Rahmen einer InkognitoAdoption 2.8.2.3 Offene und halboffene Adoption Erledigung parlamentarischer Vorstösse 2.3.3

2.4 2.5 2.6

2.7

2.8

2.9 3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 3.1 Zivilgesetzbuch (ZGB) 3.2 Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 2004 3.3 Zivilprozessordnung 3.4 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

907 907 908 908 909 910 911 912 912 912 913 914 915 915 916 916 917 918 918 918 918 919 919 919 920 920 922 923 923 923 936 937 937 881

3.5

Familienzulagengesetz vom 24. März 2006

938

4

Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf den Bund 4.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 4.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft

938 938 938 939

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

939

6

Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 6.1.1 Rechtliche Grundlagen 6.1.2 Verfassungsmässigkeit der Adoptionsvoraussetzungen 6.1.2.1 Verhältnis zu den Artikeln 10 Absatz 2, 13 Absatz 1 und 14 BV 6.1.2.2 Verhältnis zu Artikel 8 Absatz 2 BV 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 6.2.1 Staatsvertragsrecht im Allgemeinen 6.2.2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) im Besonderen 6.3 Kündigung des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 6.4 Erlassform 6.5 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 6.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 6.7 Datenschutz

940 940 940 940 940 941 942 942 942 943 943 943 944 944

Anhang: Zitierte Literatur

945

Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Adoption) (Entwurf)

949

882

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Die Adoption in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB)

Der Gedanke, dass ein Kindesverhältnis nicht bloss durch leibliche Abstammung, sondern auch «künstlich», d.h. durch Rechtsakt begründet werden kann, findet sich bereits im römischen Recht.1 Allerdings ergab sich im Lauf der Jahrhunderte eine grundlegende Änderung bezüglich des Zwecks, der mit der Adoption verfolgt wurde: Ging es ursprünglich darum, kinderlosen Personen die Fortsetzung des Ahnenkultes zu sichern und ihr Geschlecht vor dem Aussterben zu bewahren, so trat später der Zweck, einen Erben zu erhalten, in den Vordergrund.

Für das heutige Recht besonders bedeutsam ist die Ausbildung der adoptio minus quam plena (einfache oder schwache Adoption) und der adoptio plena (Volladoption) im spätrömischen Recht. Sie kennzeichnen die beiden Phasen, in denen sich die Entwicklung des im Mittelalter fast völlig vergessenen Institutes der Adoption im Recht der Neuzeit vollzieht. Die adoptio minus quam plena, welche das Kind aus seiner leiblichen Familie nicht völlig löst und nur teilweise mit der Adoptivfamilie verbindet, findet Eingang in die Kodifikationen der Aufklärung, ins Allgemeine Preussische Landrecht von 1794, in den französischen Code civil von 1804, ins österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811, aber auch in spätere Gesetzbücher des 19. Jahrhunderts wie namentlich den italienischen Codice civile von 1865 und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch von 1896.2 In der Schweiz fasste die Adoption dagegen nur langsam Fuss. Bis zum Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches3 (ZGB) am 1. Januar 1912 fand sich nur in einer Handvoll Kantone eine gesetzliche Regelung der Adoption.4

1.2

Die Adoption im ZGB von 1907

Das ZGB von 1907 liess die Adoption («sog. Kindesannahme») nur unter strengen Voraussetzungen zu: So mussten die Adoptiveltern mindestens vierzig Jahre alt sein und sie durften keine ehelichen Nachkommen haben. Vorausgesetzt war überdies ein Altersunterschied von mindestens 18 Jahren zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind. Eine gemeinschaftliche Adoption war nur durch ein verheiratetes Paar zulässig. Auch hinsichtlich der Wirkungen der Adoption war das ZGB zurückhaltend: Möglich war nur die einfache Adoption, was unter anderem bedeutete, dass die adoptierte Person nur gegenüber den Adoptiveltern erbberechtigt wurde, nicht jedoch gegenüber ihren Verwandten. Zudem verlor die adoptierte Person die Erbberechtigung gegenüber den bisherigen Verwandten nicht. Trotz der Adoption blieb auch das ursprüngliche Kindesverhältnis zu den leiblichen Eltern bestehen, sodass 1 2 3 4

Vgl. dazu Schwenzer/Bachofner, 77 ff.

Vgl. dazu Schwenzer/Bachofner, 81 ff.

SR 210 Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1207; zum Ganzen auch Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 19 f.

883

insbesondere das Besuchsrecht und die Unterstützungspflicht gegenüber diesen mit der Adoption nicht wegfielen. Die Adoption konnte zudem mit beidseitiger Zustimmung jederzeit wieder aufgehoben werden.

In der Folge konnte sich das Institut der Adoption im Schweizer Recht gut etablieren. Im Laufe der Zeit zeigte sich aber auch, dass die ursprüngliche Regelung revisionsbedürftig geworden war. So empfand man vor allem die Voraussetzungen der Adoption als zu streng, und es wurde als unbefriedigend angesehen, dass die adoptierte Person wegen der Fortdauer der Beziehungen zur früheren Familie einerseits und der Beschränkung der Wirkungen der Adoption andererseits nur unvollkommen in die Adoptivfamilie integriert werden konnte. Schliesslich wurde das Adoptionsverfahren auch wegen seiner Unklarheit und Kompliziertheit als mangelhaft angesehen.5 Zentral war aber vor allem der Funktionswandel, den das Institut im Laufe der Jahrzehnte durchgemacht hatte: Ging es ursprünglich hauptsächlich darum, die Interessen der adoptierenden Person zu befriedigen, so zeigte sich rasch, dass minderjährigen Kindern, die zuvor familienlos oder in unvollständigen Familien gelebt hatten, in der Familie der Adoptiveltern «ein bergendes Heim» verschafft werden konnte.6 Auf diese Weise rückten immer mehr die Interessen der adoptierten Person in den Vordergrund, und die Berücksichtigung des Kindeswohls wurde zum erklärten Ziel des modernen Gesetzgebers.

1.3

Die grosse Revision von 1972

Der schweizerische Gesetzgeber reagierte vergleichsweise spät auf diese Entwicklungen. Erst Ende der 1950er-Jahre entstand der Plan einer etappenweisen Revision des Familienrechts.7 Die Revision des Adoptionsrechts (1957­1973) bildete dabei die erste Etappe, gefolgt vom Kindesrecht (1957­1978), dem Eherecht (1968­1988), dem Scheidungsrecht (1976­2000) und schliesslich dem Vormundschaftsrecht (1993­2013).8 Eine im Jahr 1957 eingesetzte Studienkommission verfasste in den Jahren 1962 und 1965 zwei Berichte zur Revision des Familienrechts, die 1971 in eine Botschaft zur Revision des Adoptionsrechts mündeten. Am 1. April 1973 trat das revidierte Adoptionsrecht schliesslich in Kraft.9 Die bedeutendste Änderung bestand darin, die Adoption als Volladoption auszugestalten mit der Folge, dass die adoptierte Person vollständig aus den bestehenden Familienbanden herausgelöst und wie ein leibliches Kind in die adoptierende Familie eingegliedert wurde. Darüber hinaus wurde den Interessen der adoptierten Person, namentlich dem Kindeswohl, ein grösseres Gewicht zugemessen. Als Folge der Volladoption wurde ausserdem das Adoptionsgeheimnis eingeführt, um die mit der Adoption verbundene Herauslösung des Kindes aus der ursprünglichen und die Eingliederung in eine neue Familie zu festigen.

5 6 7 8 9

884

Vgl. Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1212 ff.

Vgl. Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1213.

Vgl. Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1205.

Die Jahreszahlen bezeichnen jeweils den Zeitraum vom Beginn der Revisionsarbeiten bis zum Inkrafttreten der Revision.

AS 1972 2819

1.4

Revisionen des Adoptionsrechts seit 1972

Das geltende Recht basiert weitgehend auf der Revision von 1972. Neben einigen redaktionellen Anpassungen im Zuge der Revision des Kindesrechts von 197610 sowie des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts im Jahr 200811 wurden im Jahr 1998 im Zuge der Scheidungsrechtsrevision die Voraussetzungen der Stiefkindadoption vereinfacht und gleichzeitig die für eine Stiefkindadoption vorausgesetzte Ehedauer von zwei auf fünf Jahre erhöht12. Im Jahr 2001 hat der Gesetzgeber ausserdem die Vorgaben des Haager Adoptionsübereinkommens umgesetzt13; dies führte dazu, dass die Mindestdauer des Pflegeverhältnisses, das der Adoption einer minderjährigen Person vorangehen muss, von zwei Jahren auf ein Jahr herabgesetzt wurde (Art. 264 ZGB). Aufgenommen wurde ausserdem ein neuer Artikel 268c ZGB, mit dem das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung im Gesetz verankert wurde.

1.5

Das geltende Adoptionsrecht

1.5.1

Massgebliche Bestimmungen des schweizerischen Rechts

Die Verfassungsgrundlage für den Erlass des Adoptionsrechts bildet Artikel 122 der Bundesverfassung14 (BV). Das materielle Adoptionsrecht ist in den Artikeln 264­ 269c ZGB geregelt, wo es als Teil des Familienrechts in der zweiten Abteilung (Die Verwandtschaft) eingeordnet und dort als vierter Abschnitt des siebten Titels der Entstehung des Kindesverhältnisses untergeordnet ist. Für die internationalen Adoptionen sind ausserdem die Artikel 75­78 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198715 über das Internationale Privatrecht (IPRG), das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 199316 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoptionen (im Folgenden zitiert als Haager Adoptionsübereinkommen bzw. HAÜ) sowie das Bundesgesetz vom 22. Juni 200117 zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen (BG-HAÜ) zu beachten. Von massgeblicher Bedeutung sind zudem das Übereinkommen vom 20. November 198918 über die Rechte des Kindes (im Folgenden zitiert als UNO-Kinderrechtskonvention bzw. UN-KRK) sowie die Konvention vom 4. November 195019 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden zitiert als Europäische Menschenrechtskonvention bzw. EMRK); zu dieser hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) in den vergangenen Jahren verschiedene Urteile gefällt, die für das Adoptionsrecht von wegweisender Bedeutung sind.20 Das materielle Adoptions10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

AS 1977 237 AS 2011 725 AS 1999 1118 AS 2002 3988; dazu Ziff. 1.5.2.

SR 101 SR 291 Haager Adoptionsübereinkommen, SR 0.211.221.311.

SR 211.221.31 UNO-Kinderrechtskonvention, SR 0.107; dazu nachfolgend Ziff. 1.5.2.

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101.

Siehe dazu Ziff. 1.7.2.

885

recht ist somit in erster Linie auf Gesetzesstufe und im Staatsvertragsrecht geregelt.

Auf Verordnungsstufe von Bedeutung sind einerseits die Adoptionsverordnung vom 29. Juni 201121 (AdoV) ­ diese ist seit dem 1. Januar 2012 in Kraft und enthält Ausführungsbestimmungen zum Verfahren für die Aufnahme von Kindern zur Adoption, über die Bewilligung zur Adoptionsvermittlung und die Aufsicht darüber sowie über die Gebühren des Bundes bei internationalen Adoptionen ­ und andererseits die Zivilstandsverordnung vom 28. April 200422 (ZStV).

1.5.2

Staatsvertragsrecht

Zu den massgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts kommen verschiedene internationale Übereinkommen hinzu, denen auch die Schweiz beigetreten ist und in denen sich unmittelbare Vorgaben für das Adoptionsrecht finden.23 Dazu gehören die nachfolgend aufgeführten Übereinkommen:

1.5.2.1

Europäisches Übereinkommen über die Adoption von Kindern

Gleichzeitig mit der Botschaft zur Revision des Adoptionsrechts verabschiedete der Bundesrat im Jahr 1971 auch die Botschaft über die Genehmigung des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 196724 über die Adoption von Kindern. Mit Abschluss der Revision von 1972 entsprach das Schweizer Recht den Vorgaben des Staatsvertrags, sodass dieser am 29. Dezember 1972 von der Schweiz ratifiziert werden und am 1. April 1973 gemeinsam mit dem revidierten Adoptionsrecht in Kraft treten konnte. Die Konvention wurde allerdings nur von 18 Staaten ratifiziert.25 Das Übereinkommen stellt in erster Linie eine Reihe materiellrechtlicher Grundsätze auf, zu deren Einhaltung sich die Vertragsstaaten für ihre nationale Gesetzgebung verpflichten. Das Wohl des Adoptivkindes bildet den gemeinsamen Nenner dieser Grundsätze und ganz allgemein des Übereinkommens.

Am 27. November 2008 verabschiedeten die Mitglieder des Europarates eine revidierte Fassung des Übereinkommens.26 Mit der Revision sollte den sozialen und rechtlichen Entwicklungen Rechnung getragen und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) seit der ursprünglichen Konvention berücksichtigt werden. Neu aufgenommen wurden unter anderem die folgenden Grundsätze: ­

21 22 23 24 25 26

886

Die Zustimmung beider leiblichen Eltern wird für eine Adoption grundsätzlich immer vorausgesetzt. Dies betrifft insbesondere auch die Zustimmung des Vaters eines ausserehelichen Kindes (Art. 5 Abs. 1 Bst. a).

SR 211.221.36.

SR 211.112.2 Für eine umfassende Zusammenstellung des für die Adoption relevanten Staatsvertragsrechts vgl. Vité/Boéchat, 7 ff.; Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 45 ff.

SR 0.211.221.310, Botschaft in BBl 1971 I 1186 Stand 4. September 2013.

Siehe www.conventions.coe.int > Verträge > SEV Nr. 202.

­

Auch die Zustimmung des Kindes selbst ist für eine Adoption notwendig, sofern das Kind die Tragweite seiner Zustimmung erkennen kann. Ausserdem ist das Kind grundsätzlich anzuhören, und zwar auch dann, wenn dessen Zustimmung für die Adoption keine formelle Voraussetzung bildet (Art. 5 Abs. 1 Bst. b).

­

Den Vertragsstaaten wird ermöglicht, die Konvention auch für gleichgeschlechtliche Paare, die miteinander verheiratet sind oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, zur Anwendung zu bringen, vorausgesetzt, der betroffene Staat anerkennt eine solche Partnerschaft. Entsprechendes gilt auch für faktische Partnerschaften verschieden- oder gleichgeschlechtlicher Paare (Art. 7 Abs. 2).

­

Das Mindestalter der Adoptiveltern muss neu zwischen 18 und 30 Jahren liegen, als optimaler Mindestaltersunterschied werden 16 Jahre vorgeschlagen (Art. 9 Abs. 1).

Die revidierte Fassung des Übereinkommens liegt momentan zur Zeichnung auf.

Bisher haben 17 Mitgliedstaaten des Europarats27 die revidierte Fassung des Übereinkommens unterzeichnet, sieben davon (Dänemark, Finnland, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Spanien und die Ukraine) haben es ratifiziert. Damit ist das Übereinkommen, das von der Schweiz nicht ratifiziert worden ist, am 1. September 2011 völkerrechtlich in Kraft getreten.

1.5.2.2

Haager Adoptionsübereinkommen

Das am 1. Januar 2003 für die Schweiz in Kraft getretene Haager Adoptionsübereinkommen ist in erster Linie ein Rechtshilfeabkommen, mit dem Probleme bei grenzüberschreitenden Adoptionen ausgeräumt werden sollen. Es zählt gegenwärtig 93 Vertragsstaaten (Stand 18. März 2014). Das neue Haager Adoptionsübereinkommen regelt die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden im Herkunftsland der Kinder und im Aufnahmestaat und enthält Schutzvorschriften zum Wohl der betroffenen Kinder. Es enthält insbesondere Vorgaben, was die inländischen Behörden bei Aufnahmeverfahren von Kindern aus dem Ausland zu beachten haben (Art. 5, 15 und 18 ff. HAÜ) und was inländische Behörden tun müssen, wenn inländische Kinder von Gesuchstellenden aus dem Ausland aufgenommen werden sollen (Art. 4, 16 und 17 HAÜ). Jede Adoption, die in einem Vertragsstaat nach dem Übereinkommen ausgesprochen wird, ist gemäss Artikel 23 Absatz 1 des Übereinkommens in allen anderen Vertragsstaaten automatisch anzuerkennen.

1.5.2.3

UNO-Kinderrechtskonvention

Die Generalversammlung der UNO verabschiedete am 20. November 1989 die UNO-Kinderrechtskonvention. Dieses Übereinkommen verankert Rechte und Pflichten für alle Lebensbereiche des Kindes und geht vom Grundsatz aus, dass bei allen das Kind betreffenden Massnahmen primär das Wohl des Kindes zu berück27

Armenien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Island, Mazedonien, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Portugal, Rumänien, Serbien, Spanien, Ukraine, Ungarn und das Vereinigte Königreich (Stand 9. Juli 2014).

887

sichtigen ist (Art. 3 UN-KRK). Bisher sind der Konvention mit Ausnahme der USA, von Somalia und des Südsudans (Stand Juli 2014) alle Länder beigetreten. Für die Schweiz trat das Übereinkommen am 26. März 1997 in Kraft.

Auf globaler Ebene wurden damit erstmals Voraussetzungen für eine Adoption festgelegt. In erster Linie verpflichtet Artikel 21 der Konvention die Vertragsstaaten, dem Kindeswohl bei der Adoption «höchste Bedeutung» zuzumessen.

Die Konvention hält in Artikel 7 Absatz 1 ausserdem fest, dass das Kind soweit möglich das Recht hat, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden. Das Bundesgericht hat im Jahr 2002 die Justiziabilität dieser Garantie anerkannt.28

1.5.2.4

Europäische Menschenrechtskonvention

Von zentraler Bedeutung für das Adoptionsrecht ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Für die Adoption von besonderer Relevanz sind dabei Artikel 8 (Schutz des Privat- und Familienlebens) sowie Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention, zu denen in jüngerer Zeit verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mit direktem Bezug zum Adoptionsrecht ergangen sind.29 Diesen Urteilen kommt für das Adoptionsrecht richtungsweisende Funktion zu.30 Als wichtigen Grundsatz hat der EGMR festgehalten, dass «l'adoption consiste à donner une famille à un enfant et non un enfant à une famille».31 Der EGMR hat ausserdem wiederholt hervorgehoben, dass die EMRK kein Recht auf Adoption beinhaltet. Wenn ein Staat die Adoption vorsieht, hat er sich allerdings an das Diskriminierungsverbot zu halten.32

1.5.3

Adoptionsformen und Adoptionsvoraussetzungen im ZGB

Das geltende Recht sieht drei unterschiedliche Adoptionsformen vor; diese gehen auf die grosse Revision von 1972 zurück: ­

Die gemeinschaftliche Adoption (Art. 264a Abs. 1 und 2 ZGB): Die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes ist nach geltendem Recht nur verheirateten Personen gestattet. Die Ehegatten müssen fünf Jahre miteinander verheiratet sein oder das 35. Altersjahr zurückgelegt haben.

­

Die Stiefkindadoption (Art. 264a Abs. 3 ZGB): Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten adoptieren kann, sofern die Ehegatten seit mindestens fünf Jahren miteinander verheiratet sind. Auch die Stiefkindadoption steht nach geltendem Recht nur verheirateten Paaren offen.

28 29 30 31 32

888

BGE 128 I 63 71 Vgl. zur Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf das Kindschaftsrecht ausführlich Meier, 255 ff.

Ausführlich dazu Ziff. 1.7.2.

Pini und andere gegen Rumänien (Beschwerden Nr. 78028/01 und 78030/01), § 156.

Emonet und andere gegen die Schweiz (Beschwerde Nr. 39051/03), § 66; E.B. gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 43546/02), § 42; zum Ganzen Meier, 274 ff.

­

Die Einzeladoption (Art. 264b ZGB): Die dritte Adoptionsform erlaubt die Adoption eines fremden Kindes durch einen Ehegatten alleine (wenn eine gemeinschaftliche Adoption nicht möglich ist, etwa wenn der andere Ehegatte wegen dauernder Urteilsunfähigkeit nicht adoptieren kann) oder durch eine unverheiratete Person, wobei die adoptierende Person auch hier mindestens 35 Jahre alt sein muss.

Die Adoption einer minderjährigen Person setzt voraus, dass diese von den künftigen Adoptiveltern während mindestens eines Jahres Pflege und Erziehung genossen hat (Art. 264 ZGB). Das Kind muss ausserdem mindestens 16 Jahre jünger sein als seine Adoptiveltern und es muss ­ sofern es urteilsfähig ist ­ der Adoption zustimmen (Art. 265 ZGB). Auch müssen die leiblichen Eltern grundsätzlich ihre Zustimmung zur Adoption erteilen (Art. 265a ZGB).

Unabhängig von dieser Voraussetzung ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob aufgrund der Umstände zu erwarten ist, dass die Adoption dem Kindeswohl dient, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen (Art. 264 ZGB; vgl. auch Art. 3 AdoV; Art. 4 HAÜ; Art. 21 UN-KRK33). Das Bundesgericht hat hierzu festgehalten, dass es nicht einfach sei, diese zentrale Voraussetzung der Adoption zu überprüfen: Die Behörde müsse sich fragen, ob die vorgesehene Adoption tatsächlich geeignet sei, die bestmögliche Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu gewährleisten und dessen Situation zu verbessern. Diese Frage müsse unter sämtlichen Gesichtspunkten (seelisch, intellektuell und körperlich) geprüft werden.34 Und gemäss der Adoptionsverordnung müssen die Adoptiveltern ausserdem «nach Persönlichkeit, Gesundheit, zeitlichen Ressourcen, wirtschaftlicher Lage und erzieherischer Eignung sowie nach den Wohnverhältnissen für gute Pflege, Erziehung und Ausbildung des Kindes Gewähr bieten» können (Art. 5 Abs. 2 Bst. d Ziff. 1 AdoV).

Die Adoption einer volljährigen Person setzt dagegen voraus, dass die adoptierende Person keine Nachkommen hat (Art. 266 Abs. 1 ZGB). Ausserdem muss einer der drei in Artikel 266 Absatz 2 ZGB aufgezählten Gründe gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn: ­

die zu adoptierende Person infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd hilfsbedürftig ist und die Adoptiveltern ihr während wenigstens fünf Jahren Pflege erwiesen haben;

­

die Adoptiveltern der zu adoptierenden Person während deren Minderjährigkeit wenigstens fünf Jahre lang Pflege und Erziehung erwiesen haben;

­

andere wichtige Gründe vorliegen und die zu adoptierende Person während wenigstens fünf Jahren mit den Adoptiveltern in Hausgemeinschaft gelebt hat.

Im Übrigen gelten für die Adoption einer volljährigen Person die Bestimmungen über die Adoption Minderjähriger sinngemäss (Art. 266 Abs. 3 ZGB).

33 34

Zum Begriff des Kindeswohls im Kontext der Adoption ausführlich Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 75 ff.

BGE 125 III 161 163.

889

1.5.4

Von der Adoption ausgeschlossene Personen

1.5.4.1

Personen in einer eingetragenen Partnerschaft

Artikel 28 des am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 200435 (PartG) schliesst Personen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, von der Adoption aus. Dies betrifft alle drei Formen der Adoption: die gemeinschaftliche Adoption, die Einzeladoption und auch die Stiefkindadoption.

Verheirateten Personen stehen demgegenüber grundsätzlich alle drei Adoptionsformen offen. Einer gleichgeschlechtlich orientierten Person, die nicht in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, ist es nach geltendem Recht hingegen erlaubt, ein Kind im Rahmen einer Einzeladoption (Art. 264b ZGB) zu adoptieren. Das Bundesgericht hat es in einem jüngeren Urteil offengelassen, ob das Adoptionsverbot von Artikel 28 PartG mit der Bundesverfassung und dem Völkerrecht vereinbar ist.36 Dieser Ausschluss vom Adoptionsrecht wurde historisch betrachtet unter anderem deshalb in das Partnerschaftsgesetz aufgenommen, um die allgemeine Akzeptanz des Gesetzes zu erhöhen und das Risiko eines Scheiterns der Gesetzesvorlage im Falle eines allfälligen Referendums zu minimieren. Als das Referendum tatsächlich ergriffen wurde, ist denn auch im Abstimmungskampf die Frage der Adoption thematisiert worden. Ob allerdings der Verzicht auf das Adoptionsrecht tatsächlich dazu beigetragen hat, dass sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 für das Partnerschaftsgesetz ausgesprochen haben, kann nur vermutet werden; einen Beweis dafür gibt es nicht. Durch Umfragen belegt ist jedoch, dass die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der allgemeinen Wahrnehmung in den letzten Jahren zugenommen hat; gleichzeitig ist eine Zunahme offen gelebter gleichgeschlechtlicher Partnerschaften festzustellen, die teilweise auch gemeinsam Kinder grossziehen, was wiederum das Bild solcher Partnerschaften positiv prägt.

Gemäss einer neueren Umfrage des Instituts GALLUP TELEOmnibus vom Juni 2010 in der Schweizer Bevölkerung befürwortet die Mehrheit der Befragten die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare: Konkret sind 86,3 % der Befragten dafür, dass Kinder, die in einer aus gleichgeschlechtlichen Partnerinnen oder Partnern bestehenden Familie leben, die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen erhalten wie Kinder in anderen Familien. Wird explizit nach der Ansicht über die Zulassung
der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Partnerinnen und Partner gefragt, liegt die Zustimmung bei 65,8 % (dagegen: 30,0 %). Am geringsten ist die Zustimmung bei der gemeinschaftlichen Adoption; sie liegt bei 53,0 % (dagegen: 44,3 %). Mit anderen Worten: Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sollen zwar dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen haben wie alle anderen Kinder; geht es jedoch konkret um die Ausgestaltung dieser Bedingungen, sinkt die Zustimmung der Befragten teilweise markant. Demgegenüber weist die Tendenz mit Blick auf die Entwicklung in Ländern, die Partnerschaftsinstitute für gleichgeschlechtliche Paare kennen oder gar die Ehe für diese Paare geöffnet haben, eindeutig in Richtung einer zumindest teilweisen Öffnung der Adoption für eingetragene Paare.37 35 36 37

890

SR 211.231 BGE 137 III 241, 242 f.

Pressecommuniqué der Lesbenorganisation Schweiz LOS und PINK CROSS vom 14. Juni 2010.

Angesichts dieser rasanten Entwicklung der öffentlichen Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in der Schweiz stellt sich die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber darauf reagieren soll.

1.5.4.2

Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft

Während Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft die Einzeladoption offensteht, stehen ihnen die beiden anderen Adoptionsformen, die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes und die Stiefkindadoption, nicht zur Verfügung.

Diese Rechtslage ist darauf zurückzuführen, dass man traditionellerweise davon ausging, dass nur die Ehe als Garantin für die notwendige Stabilität einer Beziehung dienen kann. Diese Ansicht hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert.

Dies zeigt sich auch in der Rechtsprechung des EGMR, wonach die Institution der Ehe einer adoptierten Person heutzutage kein Mehr an Stabilität im Vergleich zu unverheirateten Paaren bietet («[...] aux yeux de la Cour, l'argument du Gouvernement [suisse] selon lequel l'institution du mariage garantit à la personne adoptée une stabilité accrue par rapport à l'adoption par un couple de concubins n'est plus forcément pertinent de nos jours»).38 Im Zentrum könnte deshalb anstelle des formalen Kriteriums der Ehe der Adoptiveltern ebenfalls eine Prüfung des Kindeswohls im Einzelfall stehen: Ergibt sich bei der Eignungsabklärung, dass ein Paar aufgrund der Gesamtsituation für eine Adoption geeignet ist und diese auch im Interesse des Kindes liegt, sollte die Adoption auch möglich sein.

1.6

Statistische Zahlen zur Adoption

In der Schweiz ist die Zahl der Adoptionen seit Jahren rückläufig. Wurden im Jahr 1980 noch 1583 Adoptionen ausgesprochen, so gab es im Jahr 2000 noch 808 und im Jahr 2013 noch 425 Adoptionen. Von Letzteren waren im Jahr 2013 192 Stiefkindadoptionen (45 %), 217 gemeinschaftliche Adoptionen durch ein Ehepaar (51 %) und 16 Einzeladoptionen (4 %). Bemerkenswert ist auch die Verschiebung in der Herkunft der adoptierten Personen: Stammten im Jahr 1980 noch 67 % der adoptierten Personen aus der Schweiz, so waren es im Jahr 2013 noch 39,8 %.

Anteilsmässig zugenommen haben im gleichen Zeitraum die Adoptionen von Personen aus Afrika (von 1 % auf 25,2 %), aus Amerika (von 6,4 % auf 8,2 %) und aus Asien (von 11 % auf 13,4 %).

1.7

Die Kritik am geltenden Recht

1.7.1

Parlamentarische Vorstösse

In den vergangenen Jahren sind verschiedene parlamentarische Vorstösse zum Adoptionsrecht eingereicht worden. Mehrheitlich befassen sich diese Vorstösse mit den Adoptionsvoraussetzungen. Ziel von zwei weiteren Vorstössen sind das Adoptionsgeheimnis und damit die Adoptionswirkungen.

38

Emonet und andere gegen die Schweiz (Beschwerde Nr. 39051/03), § 81.

891

1.7.1.1

Adoptionsvoraussetzungen

­

Die Motion Hubmann (05.3135) «Herabsetzung des vorgeschriebenen Alters für adoptionswillige Eltern und Reduktion der verlangten Ehedauer» aus dem Jahr 2005, gemäss welcher das Adoptionsalter für Eltern herabgesetzt und nach oben begrenzt sowie die Ehedauer zum Zeitpunkt der Adoption reduziert werden sollten und die zudem eine Prüfung verlangte, wie das Zusammenleben eines Paares in einer festen Partnerschaft (Konkubinat) entsprechend berücksichtigt werden könnte, wurde ­ nachdem der Bundesrat die Ablehnung beantragt hatte ­ gestützt auf Artikel 119 Absatz 5 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200239 (ParlG) abgeschrieben, weil sie vom Parlament nicht innert zweier Jahre behandelt worden war.

­

Die im Jahr 2009 eingereichte parlamentarische Initiative Roth-Bernasconi (09.427) «Verbesserungen bei internationalen Adoptionen» wurde von der Initiantin zurückgezogen, nachdem die Anliegen weitgehend in der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Adoptionsverordnung40 berücksichtigt werden konnten.

­

Die Motion Prelicz-Huber (09.3026) «Adoption ab dem zurückgelegten 30. Lebensjahr» vom 3. März 2009, die der Bundesrat zur Annahme empfohlen hatte, verlangte, dass dem Parlament eine Änderung von Artikel 264a Absatz 2 ZGB unterbreitet werden sollte, sodass die Adoption eines Kindes bereits ab dem zurückgelegten 30. Lebensjahr möglich würde. Begründet wurde die Motion damit, dass das in der Schweiz vorgesehene Mindestalter weltweit unüblich (hoch) sei und dass deshalb eine Adoption bei vielen geeigneten Personen scheitern würde.

Nachdem der Nationalrat die Motion angenommen hatte41, verabschiedete der Ständerat auf Antrag seiner Kommission einen modifizierten Motionstext, gemäss dem das Mindestalter für Adoptiveltern herabzusetzen sei und die Adoption auch für Paare in einer stabilen faktischen Lebensgemeinschaft geöffnet werden sollte, und zwar insbesondere mit Blick auf die Stiefkindadoption. Schliesslich sollte die Dauer der Ehe oder der faktischen Lebensgemeinschaft vor der Adoption als Kriterium zur Beurteilung der Stabilität einer Beziehung neu nicht länger als drei Jahre betragen.42 Der Nationalrat stimmte dieser Neufassung in der Folge zu.43

­

39 40 41 42 43

892

Die parlamentarische Initiative John-Calame (09.520) «Adoption. Lockerung der Voraussetzungen», mit der verlangt wurde, dass die Adoptionsvoraussetzungen in der Schweiz nicht einschränkender ausgestaltet werden sollten als die entsprechenden Voraussetzungen in Frankreich, wurde von der Initiantin zurückgezogen, nachdem dieses Anliegen in der modifizierten Fassung der Motion Prelicz-Huber aufgenommen worden war.

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung, Parlamentsgesetz, SR 171.10.

SR 211.221.36 AB 2009 N 1281 AB 2011 S 196 AB 2011 N 2092

­

Am 15. November 2011 reichte die Rechtskommission des Ständerates die Motion (11.4046) «Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien» ein.

Darin verlangte sie, dass «alle Erwachsenen, ungeachtet ihres Zivilstandes und ihrer Lebensform, ein Kind, insbesondere das Kind des Partners oder der Partnerin, adoptieren können, wenn eine Adoption für das Kindeswohl die beste Lösung darstellt». Gemäss der Begründung ging es dabei insbesondere um die Gleichbehandlung eingetragener Paare mit Ehepaaren in Bezug auf Elternrechte und die Adoption. Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Ablehnung der Motion, da seiner Ansicht nach die darin verlangte uneingeschränkte Öffnung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare nicht opportun sei. Er berief sich dabei insbesondere auf die als Folge eines Referendums am 5. Juni 2005 durchgeführte Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz, das damals mit 58 % Ja-Stimmen angenommen worden war. Die breite Akzeptanz des Partnerschaftsgesetzes habe ­ so stellte der Bundesrat fest ­ wesentlich damit zu tun, dass mit ihm zwar die Diskriminierung gleichgeschlechtlich veranlagter Personen beseitigt werden konnte, ohne jedoch eingetragenen Paaren gleichzeitig den Weg zur Adoption und zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung zu öffnen. Dagegen erachtete es der Bundesrat für angebracht, im Interesse des Kindes die Stiefkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, um Kinder in eingetragenen Partnerschaften und Kinder in ehelichen Gemeinschaften rechtlich einander gleichzustellen. Nachdem der Ständerat die Motion mit 21 zu 19 Stimmen angenommen hatte, änderte der Nationalrat den Motionstext und beschränkte das Anliegen der Motion auf die Stiefkindadoption: Kinder sollten durch diejenige Person adoptiert werden können, die mit der Mutter oder dem Vater des Kindes in einer eingetragenen Partnerschaft, in einer faktischen hetero- oder homosexuellen Lebensgemeinschaft oder, wie bisher, in einer Ehe leben. Dieser umformulierten Fassung der Motion stimmte am 4. März 2013 auch der Ständerat zu.

­

Die beiden früher eingereichten Motionen Prelicz-Huber (10.3444) «Aufhebung des Adoptionsverbotes für Personen in eingetragener Partnerschaft» und Fehr (10.3436) «Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare», die beide eine Aufhebung des Adoptionsverbots von Artikel 28 PartG verlangt und damit ein Teilanliegen der Kommissionsmotion vertreten hatten, wurden nach einer abschlägigen Stellungnahme des Bundesrats gestützt auf Artikel 119 Absatz 5 Buchstabe a ParlG abgeschrieben. In der Wintersession 2012 von der Motionärin zurückgezogen wurde ausserdem die Motion Amherd (11.3372) «Totalrevision des Adoptionsrechts».

1.7.1.2

Adoptionsgeheimnis

Neben den eigentlichen Adoptionsvoraussetzungen war auch das Adoptionsgeheimnis und dabei insbesondere die Berücksichtigung des Wunsches der leiblichen Eltern nach Informationen über das einst zur Adoption freigegebene Kind Gegenstand zweier parlamentarischer Vorstösse: Während die Motion Zapfl (06.3268) «Adoptionsgeheimnis» vom Bundesrat noch zur Ablehnung empfohlen und in der Folge gestützt auf Artikel 119 Absatz 5 Buchstabe a ParlG am 20. März 2009 abgeschrieben worden war, wurde die am 893

9. Dezember 2009 eingereichte Motion Fehr (09.4107) «Adoptionsgeheimnis» am 24. Februar 2010 vom Bundesrat zur Annahme empfohlen und von beiden Räten ohne Gegenantrag angenommen.44 Beide Vorstösse verlangen, dass den leiblichen Eltern ein Anspruch auf Kenntnis der Personalien der von ihnen einst zur Adoption freigegebenen Kinder zuerkannt werde, sobald diese volljährig sind und ihr Einverständnis zur Kontaktaufnahme gegeben haben. Der Vorstoss Fehr wurde damit begründet, dass viele Frauen bis 1982 aufgrund einer vorehelichen Schwangerschaft administrativ versorgt wurden und ihre Kinder aufgrund des Aufenthalts in der Anstalt zur Adoption freigeben mussten. Diesen Müttern sollte die Möglichkeit gegeben werden, Identität und Aufenthalt ihrer Kinder herauszufinden.

1.7.2

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Anstösse für eine Revision von Bestimmungen des Adoptionsrechts kamen nicht nur aus dem Parlament, sondern insbesondere auch von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Der EGMR hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Entscheiden gefällt, denen für das Adoptionsrecht richtungsweisende Bedeutung zukommt.

1.7.2.1 ­

Adoptionsvoraussetzungen Am 13. Dezember 2007 hatte der EGMR im Fall Emonet und andere gegen die Schweiz45 über eine Beschwerde gegen ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts zu entscheiden. Dabei ging es um eine Frau, die eine Tochter aus erster geschiedener Ehe hatte. In der Folge lebte sie gemeinsam mit ihrer Tochter in einem Haushalt mit Herrn Emonet. Die Tochter wurde aufgrund einer schweren Krankheit querschnittsgelähmt und wurde von ihrer Mutter sowie von Herrn Emonet gepflegt. Im März 2001 bewilligte das Genfer Kantonalgericht den Antrag von Herrn Emonet, die Tochter seiner Partnerin zu adoptieren. Nachdem die Adoption bewilligt worden war, wurde die leibliche Mutter darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Kindesverhältnis zu ihrer Tochter als Folge der Einzeladoption gestützt auf Artikel 267 ZGB erloschen sei. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden abgewiesen.

Der EGMR hielt fest, dass die aus der Adoption resultierende Auflösung des Kindesverhältnisses zu den bisherigen Eltern für diesen besonderen Fall ­ der Adoption einer minderjährigen Person, die mit den beiden anderen Personen eine gemeinsame Familie bilden wollte ­ unpassend sei. Vor allem verwarf der EGMR ausdrücklich das von der Schweizer Regierung vorgebrachte Argument, dass eine Stiefkindadoption in einem solchen Fall nicht in Betracht komme, da das Paar nicht verheiratet sei und ein verheiratetes Paar der adoptierten Person eine stabilere Beziehung zu garantieren imstande sei als ein unverheiratetes Paar, das lediglich zusammenlebe. Der EGMR sah deshalb in der Tatsache, dass die Adoption zu einer Aufhebung des Kindesverhältnisses zur leiblichen Mutter geführt hatte, einen nicht zu rechtfer-

44 45

894

AB 2010 N 551; AB 2011 S 197 Beschwerde Nr. 39051/03.

tigenden Eingriff in das Familienleben der Beteiligten und damit eine Verletzung von Artikel 8 EMRK.

46 47 48

­

Im Entscheid Schwizgebel gegen die Schweiz46 hat der EGMR im Jahr 2010 eine Klage gegen die Schweiz abgewiesen. Es ging dabei um eine 1957 geborene Frau, die im Jahr 2002 durch Alleinadoption Mutter eines Kindes geworden war. Im Alter von 47 Jahren beantragte sie die Adoption eines weiteren Kindes. Der Antrag wurde unter Hinweis auf ihr Alter abgewiesen.

Die Frau erhob Beschwerde, weil sie sich gegenüber jüngeren Frauen diskriminiert fühlte. Der EGMR hielt fest, dass den Staaten ­ mangels eines europäischen Konsenses im Bereich der Adoption durch eine Einzelperson ­ bei der Festsetzung der dafür zu erfüllenden Voraussetzungen ein beachtlicher Ermessensspielraum zukomme. Auf den Fall bezogen unterstrich der Gerichtshof, die innerstaatlichen Stellen hätten das Landesrecht nicht mechanisch, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angewandt. Dabei sei sowohl den übergeordneten Interessen des Kindes als auch jenen des bereits adoptierten Kindes eine zentrale Bedeutung beigemessen worden. Das Argument des Altersunterschieds zwischen Adoptierender und Adoptivkind sei differenziert begründet und nicht willkürlich, was auch für die anderen gegen die Adoption vorgebrachten Argumente gelte. Die Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin gegenüber jüngeren Frauen sei somit nicht diskriminierend, sodass keine Konventionsverletzung festgestellt werden konnte.

­

Der EGMR hat sich bislang nur punktuell zur Frage geäussert, ob auch gleichgeschlechtlichen Paaren ein Recht zur Adoption zustehe: Im Fall Fretté gegen Frankreich47 aus dem Jahr 2002 wurde einem Mann die Einzeladoption aufgrund seiner sexuellen Orientierung verweigert, obwohl die zuständigen Behörden seine grundsätzliche Eignung zur Adoption eines Kindes bejaht hatten. Der EGMR sah darin keinen Verstoss gegen die EMRK: Zwar habe eine Ungleichbehandlung basierend auf der sexuellen Orientierung stattgefunden; weil es aber nach Ansicht des Gerichts in der Wissenschaft damals noch umstritten war, welche Auswirkungen der Umstand, dass ein Kind bei einem oder zwei homosexuellen Eltern aufwachse, auf das Kind haben könne, beliess der Gerichtshof den nationalen Rechtsordnungen einen grossen Ermessensspielraum und hob den Entscheid der französischen Gerichte nicht auf.

­

Zum gegenteiligen Ergebnis kam dann aber die grosse Kammer des Gerichtshofs am 22. Januar 2008 im Urteil E.B. gegen Frankreich48: Die Beschwerdeführerin lebte mit ihrer Partnerin in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Ihr wurde eine Einzeladoption mit dem Hinweis auf die fehlende Vaterfigur verweigert. Zudem sei unklar, welchen Platz ihre Lebenspartnerin im Leben des zu adoptierenden Kindes einnehmen würde. Der EGMR führte dagegen ins Feld, dass die gleichen Argumente ebenso bei Einzeladoptionen durch heterosexuelle Personen relevant wären. Indem diese Umstände aber nur bei homosexuellen Paaren in Betracht gezogen worden seien, habe die Vorinstanz aufgrund der sexuellen Orientierung des Paares eine unzulässige Beschwerde Nr. 25762/07.

Beschwerde Nr. 36515/97.

Beschwerde Nr. 43546/02.

895

Differenzierung vorgenommen; dies wurde im Sinne von Artikel 14 i.V.m.

Artikel 8 EMRK als diskriminierend qualifiziert.

­

Schliesslich hat der EGMR am 15. März 2012 den Fall Gas und Dubois gegen Frankreich entschieden49. Dabei ging es um zwei Frauen, die seit 1989 als Paar zusammenlebten. Im Jahr 2000 brachte die eine nach einer in Belgien durchgeführten anonymen Samenspende ein Kind zur Welt. 2002 schlossen die beiden Frauen eine eingetragene Partnerschaft nach französischem Recht (pacte civil de solidarité, PACS). Zwei Jahre später beantragte die Partnerin der Mutter die einfache Adoption des Kindes (adoption simple), um eine Eltern-Kind-Beziehung zu begründen und damit das gemeinsame Sorgerecht über das Kind zu erhalten. Die Adoption wurde von den zuständigen französischen Gerichten im Jahr 2006 mit der Begründung abgelehnt, dass die formellen Voraussetzungen einer Adoption zwar grundsätzlich erfüllt seien, eine solche aber nicht im Interesse des Kindes liege, da im Falle einer Adoption die rechtliche Verwandtschaftsbeziehung zur leiblichen Mutter beendet würde. Der EGMR bestätigte diesen Entscheid und führte aus, dass keine Analogie zu verheirateten Paaren gezogen werden könne, da keine mit der Ehe vergleichbare Situation vorliege. Insbesondere seien gemäss der Rechtsprechung des EGMR die Mitgliedstaaten nicht zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verpflichtet. Wenn in einem Staat ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen würde, bestehe ausserdem ein gewisser Spielraum bei der Ausgestaltung der damit verbundenen Rechte. Deshalb sei es zulässig, wenn nach französischem Recht nur verheiratete Paare ein gemeinsames Sorgerecht erhalten können. Der Gerichtshof stellte deshalb fest, dass keine Verletzung der EMRK vorlag.

­

Der jüngste Entscheid X gegen Österreich50 datiert vom 19. Februar 2013.

Dabei ging es um ein lesbisches Paar aus Österreich, das seit Längerem in einer stabilen Beziehung lebte. Eine der Frauen wollte den leiblichen Sohn ihrer Partnerin auf dem Weg einer Stiefkindadoption adoptieren. Die österreichischen Behörden lehnten dies ab, obwohl die beiden Frauen den Jungen gemeinsam aufzogen. Im Urteil hielt die Grosse Kammer des Strassburger Gerichtshofs fest, dass für die nationalen Gesetzgeber grundsätzlich keine Pflicht bestehe, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zu ermöglichen.

Wenn gleichgeschlechtlichen Paaren anstelle der Ehe die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft eingeräumt werde, bestehe für den Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum, welche Rechte und Pflichten mit dieser Partnerschaft verbunden seien. Der Gerichtshof sah deshalb keine Diskriminierung gegenüber verheirateten Paaren, wenn gleichgeschlechtliche Paare nicht zur Stiefkindadoption zugelassen würden.51 Dagegen stellte der Gerichtshof eine Diskriminierung des Paares gegenüber unverheirateten heterosexuellen Paaren fest: Sofern eine Rechtsordnung unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren die Stiefkindadoption ermögliche (und das ist in Österreich der Fall), müsse diese ­ damit keine Diskriminierung basierend auf der sexuellen Orientierung vorliege ­ auch

49 50 51

896

Beschwerde Nr. 25951/07.

Beschwerde 19010/07.

X gegen Österreich (Beschwerde 19010/07), § 106.

gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen. Es war deshalb nach Ansicht des Gerichtshofs unzulässig, in diesem Fall gleichgeschlechtliche Paare von der Stiefkindadoption auszuschliessen. Als Folge dieses Entscheids hat Österreich sein Adoptionsrecht per 1. August 2013 angepasst.52

1.7.2.2

Adoptionsgeheimnis

Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Artikel 8 EMRK einen grundsätzlichen Anspruch auf Kenntnis der eigenen Herkunft abgeleitet.

52 53 54 55

­

Im Fall Jäggi gegen die Schweiz53 hat der Gerichtshof am 13. Juli 2006 eine Beschwerde gegen ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts gutgeheissen54: Das Bundesgericht hatte dem Beschwerdeführer im Alter von 60 Jahren eine postmortale DNS-Untersuchung zur Feststellung der genetischen Vaterschaft eines Mannes verweigert, der sich Jahrzehnte lang erfolgreich gegen eine Vaterschaftsklage zur Wehr gesetzt hatte. Nachdem der Gerichtshof die eigene Rechtsprechung bestätigt hatte, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung Teil der durch Artikel 8 EMRK geschützten Privatsphäre sei, wurde im Urteil präzisiert, dass sich aus Artikel 8 EMRK zwar kein absoluter Anspruch des Kindes auf Kenntnis der Abstammung ableiten lasse. Vielmehr seien stets auch die Interessen der weiteren beteiligten Personen in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Gleichzeitig hob der EGMR die grundsätzliche Bedeutung der Kenntnis der genetischen Abstammung für die Identität einer Person aber ausdrücklich hervor. Festgehalten wurde zudem der Grundsatz, wonach das fortgeschrittene Alter einer Person deren Interesse an der Kenntnis der eigenen Abstammung in keiner Weise verringere.

­

In einem neueren Fall Godelli gegen Italien55 vom 25. September 2012 wurde die Beschwerdeführerin, die von ihrer Mutter nach der Geburt verlassen worden war, in einem Waisenhaus untergebracht und später adoptiert (einfache Adoption). Im Alter von zehn Jahren erfuhr sie, dass sie nicht die leibliche Tochter ihrer Adoptiveltern war. Trotz beharrlicher Fragen erhielt sie von diesen keine Auskunft über ihre Herkunft. Im Alter von 63 Jahren versuchte die Beschwerdeführerin erneut, Auskunft über ihre Herkunft zu erhalten. Die leibliche Mutter hatte jedoch in der Geburtsurkunde explizit angemerkt, sie wolle nicht, dass ihre Identität preisgegeben werde. Da das italienische Recht das Interesse der Mutter an der Nichtpreisgabe der Identität schützte, waren die Anstrengungen der Beschwerdeführerin vergeblich.

Der Gerichtshof hielt im Rahmen von Artikel 8 EMRK fest, dass kein gerechter Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen getroffen wurde, da die italienische Gesetzgebung überhaupt keinen Zugang zu Informationen über leibliche Eltern gewährt, wenn diese damit nicht einverstanden sind.

Der Gerichtshof stellte deshalb fest, dass eine Verletzung von Artikel 8 EMRK vorlag.

BGBl. I Nr. 179/2013.

Beschwerde Nr. 58757/00; auszugsweise abgedruckt in VPB 2006, Nr. 116.

Vgl. zur früheren Rechtsprechung Reusser/Schweizer, 614 f.

Beschwerde Nr. 33783/09.

897

­

In dem etwas anders gelagerten Fall Odièvre gegen Frankreich56 vom 13. Februar 2003 hatte die Grosse Kammer zu entscheiden, ob die aufgrund der in Frankreich bestehenden Option der anonymen Geburt fehlende Möglichkeit, die Identität der leiblichen Eltern zu erfahren, Artikel 8 EMRK verletze. Sie verneinte eine Verletzung, weil ein gerechter Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen getroffen wurde, indem die Beschwerdeführerin gewisse Informationen über ihre Geburt und ihre leiblichen Eltern erhalten hatte, während die Identität der Eltern nicht preisgegeben wurde.

­

Im Urteil I.S. gegen Deutschland57 vom 5. Juni 2014 hatte der EGMR zu entscheiden, ob Artikel 8 EMRK verletzt ist, wenn einer Mutter, die ihre Kinder nach der Geburt nur gut zwei Wochen selbst betreut und wissentlich zur Adoption freigegeben hatte, der Kontakt zu den adoptierten Kindern und Informationen über diese verweigert werden. Der EGMR berücksichtigte, dass die Mutter die Kinder im Wissen um die faktischen und rechtlichen Konsequenzen zur Adoption freigegeben hatte. Nach Ansicht des EGMR überwog das Interesse der Adoptivfamilie, ungestört ein Familienleben aufzubauen, da die Kinder als Neugeborene adoptiert wurden und zum Zeitpunkt der innerstaatlichen Verfahren noch sehr jung waren, gegenüber den geltend gemachten Interessen der Mutter. Der EGMR stellte deshalb fest, dass keine Verletzung von Artikel 8 EMRK vorlag.

1.8

Ergebnisse der Vernehmlassung

Ende 2013 wurde die Vernehmlassung zum Vorentwurf zur Revision des Adoptionsrechts eröffnet. Insgesamt gingen 91 Stellungnahmen ein. Ablehnend äusserten sich vier Parteien und ebenso viele Organisationen; ausschlaggebend für die ablehnende Haltung war die Öffnung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare. Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsste hingegen die Stossrichtung der Revision, und zwar insbesondere mit dem Hinweis auf die gewandelten gesellschaftlichen Wertvorstellungen, auf den gewandelten Familienbegriff und damit einhergehend auf die Etablierung alternativer Familienformen. Durch die Revision würden diese rechtlich abgesichert, und bestimmten Personen oder Personengruppen, die nach geltendem Recht kein Kind adoptieren dürften, sei die Adoption nicht mehr länger verschlossen. Damit würden die wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen im ZGB abgebildet. Zudem würde dadurch das Adoptionsrecht zeitgemäss ausgestaltet und verstärkt an den vielfältigen Lebensrealitäten ausgerichtet.

Besonders begrüsst wurde das Bestreben, das Kindeswohl verstärkt ins Zentrum des Adoptionsentscheids zu stellen und mittels Flexibilisierung gewisser Adoptionsvoraussetzungen die dafür notwendigen Ermessensspielräume zu schaffen. Positiv vermerkt wurde überdies, dass in den Vernehmlassungsentwurf auch die grundrechtlichen Anforderungen seitens der Rechtsprechung des EGMR aufgenommen worden waren. Auch der bessere Einbezug des zu adoptierenden Kindes in den Adoptionsprozess, insbesondere die vorgesehenen Zustimmungsrechte, fand ein positives Echo.

56 57

898

Beschwerde Nr. 42326/98.

Beschwerde Nr. 31021/08.

Hinsichtlich der einzelnen Adoptionsformen stimmten die Vernehmlassungsteilnehmenden grossmehrheitlich der Öffnung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare zu, während deren Öffnung für faktische Lebensgemeinschaften äusserst kontrovers kommentiert wurde. Der Vorschlag, die Einzeladoption zivilstandsunabhängig auszugestalten, stiess auf grosse Ablehnung. Hingegen wurden die Anpassungen im Bereich der Erwachsenenadoption durchwegs positiv aufgenommen.

Obwohl die Öffnung der gemeinschaftlichen Adoption für eingetragene Paare und für Paare in faktischen Lebensgemeinschaften aufgrund des dafür nicht vorhandenen Auftrags aus dem Parlament im Vorentwurf nicht enthalten war, äusserten sich viele Vernehmlassungsteilnehmende ungefragt dazu. Dabei zeigte sich ein ähnliches Ergebnis wie bei der Stiefkindadoption: Eine grössere Anzahl von Vernehmlassungsteilnehmenden würde es begrüssen, wenn eingetragenen Paaren die gemeinschaftliche Adoption eines fremdes Kindes ebenfalls offenstehen würde; demgegenüber befürwortet kein einziger Kanton die gemeinschaftliche Adoption durch Paare in faktischen Lebensgemeinschaften.

Kritisch vermerkt wurde, dass der Entwurf nicht in allen Aspekten den Interessen der zu adoptierenden Kinder verpflichtet sei, sondern eher denjenigen der adoptionswilligen Personen dienen würde. Diese Kritik betraf hauptsächlich die negative Formulierung des Kindeswohls. Aufgrund der Problematik, die der Stiefkindadoption innewohnt, äusserten sich zudem viele Vernehmlassungsteilnehmende kritisch zu dieser Adoptionsform, und zwar unabhängig davon, in welcher Konstellation sie auftritt. Keine einhellige Zustimmung fand auch die Lockerung des Adoptionsgeheimnisses zugunsten der leiblichen Eltern: Von einer Mehrheit begrüsst wurde lediglich die Möglichkeit der Bekanntgabe identifizierender Informationen, wenn das adoptierte Kind der Bekanntgabe seiner Personalien vorgängig zugestimmt hat.

Dem unbegrenzten Anspruch auf nicht identifizierende Informationen standen hingegen viele Vernehmlassungsteilnehmende ablehnend gegenüber, weil ein solcher Anspruch in der Realität einerseits nicht umsetzbar sei und das Kind sich andererseits keinerlei Weitergabe von Informationen, der es nicht zugestimmt habe, gefallen lassen müsse. Abgelehnt wurde auch die Kostenfolge im Rahmen von Suchaufträgen; für Kosten,
die bei der Suche nach Kindern anfallen, die von administrativ versorgten Frauen zur Adoption freigegeben wurden, solle im Rahmen der Gespräche des Runden Tisches für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen eine Lösung ausgearbeitet werden. Aber selbst die Möglichkeit, dass zukünftige Adoptiveltern und abgebende leibliche Eltern eine offene Form der Adoption vereinbaren können, wurde teilweise sehr kritisch kommentiert.

2

Die Grundzüge der beantragten Neuregelung

2.1

Ziele der vorliegenden Revision

2.1.1

Allgemein

Das geltende Recht zeichnet sich vor allem durch seine fehlende Flexibilität aus; Ermessensspielräume für eine den Umständen des Einzelfalls und insbesondere der Berücksichtigung des Kindeswohls angemessene Lösung sind nicht überall vorhanden.58 Mit der beantragten Neuregelung, die sowohl mit den Forderungen aus den 58

Vgl. Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 71.

899

angenommenen parlamentarischen Vorstössen als auch mit den Ergebnissen der Vernehmlassung im Einklang steht, wird das Anliegen weiter gestärkt, das Kindeswohl ins Zentrum der Adoptionsentscheidung zu stellen, indem das revidierte Recht Abweichungen von gewissen Adoptionsvoraussetzungen zulässt, wenn dies im Interesse des Kindeswohls geboten erscheint. Noch mehr als bisher soll zudem im Einzelfall abgeklärt werden, ob die beantragte Adoption aufgrund aller Umstände dem Wohl der zu adoptierenden Person wirklich entspricht. Insbesondere soll bei den Voraussetzungen der Adoption ein Schematismus so weit wie möglich vermieden werden. Damit wird auch der Vorgabe von Artikel 21 UN-KRK umfassend Rechnung getragen. Wie die Verurteilung der Schweiz durch den EGMR im Fall Emonet gezeigt hat, können starre Regeln ­ im betreffenden Fall der Grundsatz, dass bei einer Adoption, welche die Voraussetzungen für eine Stiefkindadoption nicht erfüllt, das Kindesverhältnis zu den leiblichen Eltern erlischt ­ den Anforderungen an die Grundrechte der betroffenen Personen nicht in jedem Fall gerecht werden.

Entsprechendes muss auch in Bezug auf die weiteren Adoptionsvoraussetzungen gelten. Letztlich besteht in all diesen Situationen die Gefahr, dass die Schweiz durch ein Festhalten an starren Prinzipien erneut verurteilt wird.59 Mit der vorliegenden Revision soll zudem erreicht werden, dass bestimmte Personen oder Personengruppen nicht mehr grundsätzlich von der Adoption ausgeschlossen werden.

2.1.2

Flexibilisierung gewisser Adoptionsvoraussetzungen

Aus diesen Überlegungen heraus würde sich eine Lösung anbieten, die grundsätzlich jeder volljährigen Person unabhängig von ihrem Alter und unabhängig vom Altersunterschied zum Kind den Zugang zur Adoption öffnet. Ob die betreffende Person tatsächlich adoptieren darf, müsste von der zuständigen Bewilligungsbehörde im Einzelfall umfassend abgeklärt werden, wobei das Gesetz vorschreiben könnte, welche Kriterien im Rahmen dieser Eignungsprüfung zu berücksichtigen sind (Alter der adoptierenden Person, Altersunterschied zur adoptierten Person, persönliche Verhältnisse und Lebensumstände der betroffenen Personen etc.). Eine solche Lösung wäre auf Stufe der Gesetzgebung relativ einfach zu realisieren; den zuständigen Behörden würde damit aber die umfassende Pflicht zur Begründung des Gutheissens oder der Ablehnung eines Gesuchs übertragen. Es wäre auch nicht auszuschliessen, dass hier die persönliche Haltung der entscheidenden Personen die Bewilligungspraxis massgeblich beeinflussen würde, was zu einer unterschiedlichen Handhabung der Kriterien in der Praxis und damit zu einer unerwünschten Ungleichbehandlung der Gesuche führen würde. Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, erscheint es angemessen, der gesetzlichen Regelung ein anderes Konzept zugrunde zu legen: Das Gesetz soll nach wie vor formelle Voraussetzungen enthalten (etwa ein Mindestalter und einen maximalen Altersunterschied). Mit diesen gesetzlichen Vorgaben wird aber lediglich eine Vermutung aufgestellt, wonach eine Adoption in der Regel nicht dem Kindeswohl dient, wenn die betreffenden Bedingungen nicht erfüllt sind. Aufgrund einer Prüfung des Einzelfalls und zur Wahrung des Kindeswohls soll es aber in gewissen Fällen möglich sein, von diesen Vorgaben abzuweichen und eine Adoption dennoch zuzulassen. Adoptions59

900

In diesem Sinne bereits Schürmann, 265.

willige Personen, die sich darauf berufen, dass bei ihnen eine Ausnahme gemacht und von einer Voraussetzung abgewichen werden soll, haben zu begründen, dass diese Abweichung im Einzelfall dem Wohl des Kindes dient. Durch dieses Konzept werden die Bewilligungsbehörden massgeblich entlastet. Gleichzeitig wird eine gewisse Uniformität der Rechtsanwendung erreicht und an die bestehende Konzeption des Adoptionsrechts angeknüpft.

2.2

Adoptionsvoraussetzungen

2.2.1

Die Beziehungsdauer

Gemäss der vom Parlament überwiesenen Motion Prelicz-Huber (09.3026) soll «die Dauer der Ehe oder der faktischen Lebensgemeinschaft vor der Adoption neu nicht länger als drei Jahre betragen». Bisher galt die Dauer der Ehe als ein Indiz für die Stabilität einer Beziehung, die wiederum eine Prognose über die Dauerhaftigkeit der Ehe zuliess und damit eine gewisse Sicherheit für das Wohl des zu adoptierenden Kindes gewährleisten konnte.60 Mit der Festsetzung einer Mindestdauer der Ehe der Adoptiveltern gab der Gesetzgeber den Adoptionsbehörden ein objektives Kriterium in die Hand, um die geforderte Stabilität und Dauerhaftigkeit festzustellen. Auch unter neuem Recht bildet die Dauer der Beziehung ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung über die Bewilligung einer Adoption: Sie soll weiterhin Aufschluss über die Stabilität der Beziehung und damit auf die Frage geben, ob diese für die Zukunft als dauerhaft eingestuft werden kann. Die Beantwortung dieser Frage ist für ein Adoptivkind von grosser Wichtigkeit; es soll nicht per Rechtsakt Teil einer Familie werden, die kurz vor dem Scheitern steht. Die Dauerhaftigkeit ist eine Prognose, die aufgrund der gesamten Umstände gestellt wird, insbesondere aufgrund der bisherigen Dauer der Beziehung und ihrer daraus abgeleiteten Stabilität. Dieser Aspekt wird bei der Eignungsabklärung der adoptionswilligen Personen zwar unabhängig von einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdauer der Beziehung berücksichtigt. Die Anforderung, dass die Beziehung über einen gewissen Zeitraum bereits bestanden und sich damit bewährt haben muss, ist aber nach wie vor ein wichtiger Indikator für die erforderliche Stabilität.

Mit Blick darauf, dass zur Stiefkindadoption nicht nur wie bis anhin die Ehefrau oder der Ehemann, sondern neu auch die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner61 oder eine Person, die mit der Mutter oder dem Vater des Kindes eine faktische Lebensgemeinschaft führt, zugelassen werden sollen62, sind weitere Fragen zu klären: ­

60 61 62

Einerseits muss der Gesetzgeber festlegen, wie lange eine faktische Lebensgemeinschaft bestanden haben muss, damit sie hinsichtlich der Stabilität einer Ehe gleichgestellt werden kann. Diese Frage hat das Parlament im Grundsatz bereits entschieden: Gemäss der vom Parlament überwiesenen Motion 09.3026 Prelicz-Huber soll «die Dauer [...] der faktischen Lebensgemeinschaft vor der Adoption neu nicht länger als drei Jahre betragen». Es soll damit eine Gleichstellung mit der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft stattfinden.

Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1221.

Vgl. dazu Ziff. 2.3.3.

Vgl. dazu Ziff. 2.3.3.

901

­

Andererseits ­ und das ist die schwierigere Aufgabe ­ ist zu definieren, welche inhaltlichen Anforderungen eine faktische Lebensgemeinschaft erfüllen muss, damit sie hinsichtlich ihrer Stabilität einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft gleichgestellt werden kann. Das Eingehen einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft stellt eine nach aussen erkennbare Manifestation des Willens zweier Personen dar, dass sie ihr Leben gemeinsam verbringen möchten. Aus dieser objektiven Statusänderung kann auch geschlossen werden, dass die adoptionswilligen Personen von einer gewissen Beziehungsstabilität ausgehen. Dagegen fehlt es bei einem Paar in einer faktischen Lebensgemeinschaft an einem solchen nach aussen erkennbaren formalen Akt. Als Indiz für die Stabilität einer Beziehung könnte auch hier auf deren Dauer abgestellt werden. Dieses Kriterium ist freilich sehr unscharf und von der subjektiven Wahrnehmung des gesuchstellenden Paares abhängig. Es erscheint kaum praktikabel, von einer Adoptionsbehörde zu verlangen, dass sie bei der Prüfung des Gesuchs rückwirkend feststellen muss, wie lange eine Beziehung zwischen zwei Menschen bereits gedauert hat, nicht zuletzt auch deswegen, weil sich die Aussagen der betroffenen Adoptionswilligen nur schwer nach objektiven Kriterien verifizieren lassen würden. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, statt auf die Dauer der Beziehung auf die objektiv feststellbare Dauer des Zusammenlebens abzustellen. Dieses lässt sich in der Regel durch Mietverträge, Steuererklärungen oder Wohnsitzbescheinigungen nachweisen. Da die künftigen Adoptiveltern nach der Adoption regelmässig gemeinsam mit dem adoptierten Kind in einem gemeinsamen Haushalt wohnen werden, eignet sich die Dauer des Zusammenlebens zudem besser als Indikator für die hier relevante Stabilität der Beziehung als die Dauer der Beziehung an sich. Im Sinne der Vorgaben des Parlaments verlangt der Entwurf deshalb, dass das Paar seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt geführt hat.

Stellt man für die Beurteilung der erforderlichen Stabilität der Beziehung bei faktischen Lebensgemeinschaften auf die Dauer des Bestehens eines gemeinsamen Haushalts ab, so stellt sich gleichzeitig die Frage, wie die erforderliche Stabilität der Beziehung in Zukunft bei Ehepaaren und eingetragenen Paaren nachgewiesen werden soll, namentlich, ob bei Ehepaaren weiterhin auf den Zeitpunkt der Heirat und bei eingetragenen Paaren auf den Zeitpunkt der Eintragung der Partnerschaft abgestellt werden soll oder ob auch hier ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt ausreicht. Die Frage ist vor allem deswegen von grosser Bedeutung, weil heute viele Paare vor der Heirat oder der Eintragung der Partnerschaft bereits während längerer Zeit zusammengelebt haben. Würde man bei Ehepaaren weiterhin auf die Ehedauer, bei faktischen Lebensgemeinschaften jedoch auf die Dauer des gemeinsamen Haushalts abstellen, wären Ehepaare unter Umständen nicht nur benachteiligt, sondern es ergäben sich auch schwierige Anrechnungsprobleme, beispielsweise wenn ein Paar nach zwei Jahren des Zusammenlebens heiratet und der Ehemann zwei Jahre später das Kind der Ehefrau adoptieren will. In einem solchen Fall erschiene es sachfremd, dem Ehepaar die Stiefkindadoption zu verweigern, obwohl diese durchgeführt werden könnte, wenn das Paar nicht geheiratet hätte. Aus diesem Grund ist es naheliegend, bei der Stiefkindadoption nicht auf den Zivilstand, sondern ausschliesslich auf die Dauer des gemeinsamen Haushalts abzustellen und dabei für alle drei Paarkonstellationen dieselbe Dauer vorzusehen.

902

Mit dieser Lösung lassen sich nicht nur die erwähnten komplizierten Anrechnungsprobleme vermeiden, sondern auch eine gemeinsame Basis sowohl für alle drei Arten der Stiefkindadoption als auch für die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes durch Ehegatten63 schaffen. Es wäre nicht nachvollziehbar, würde bei Letzterer weiterhin auf die Dauer der Ehe abgestellt. Der gemeinsame Haushalt eines Paares ist dabei mehr als eine gelebte Hausgemeinschaft von zwei (oder mehreren) Personen. Bei Letzterer kann es sich um das Zusammenleben von nicht verheirateten Geschwistern oder von Freunden handeln, während man unter einem gemeinsamen Haushalt das Zusammenleben eines Paares in einer eheähnlichen Gemeinschaft versteht.

Der Bundesrat schlägt daher vor, bei allen Paarbeziehungen (Ehepaare, eingetragene Paare und faktische Lebensgemeinschaften) ein ununterbrochenes Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt während drei Jahren64 zu verlangen, bevor das Adoptionsverfahren mit dem Gesuch um Abklärung der Adoptionseignung eingeleitet werden kann. Mit diesem Vorschlag folgt der Bundesrat der Ansicht einer grossen Zahl von Vernehmlassungsteilnehmenden, für die sich die Stabilität einer Beziehung nicht so sehr aus der Dauer einer Institution wie der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft ableiten lässt, sondern vielmehr aus der Dauer eines Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt.

2.2.2

Herabsetzung des Mindestalters

Nach geltendem Recht ist eine gemeinschaftliche Adoption nur möglich, wenn die Ehegatten mindestens fünf Jahre miteinander verheiratet sind oder das 35. Altersjahr zurückgelegt haben (Art. 264a Abs. 2 ZGB). Die Altersgrenze von 35 Jahren, die wie die Beziehungsdauer die Stabilität der Verhältnisse indizieren soll, muss dabei von beiden Ehegatten erfüllt sein.65 Auch eine Einzeladoption oder eine Erwachsenenadoption ist nur zulässig, wenn die adoptierende Person das 35. Altersjahr zurückgelegt hat (Art. 264b Abs. 1 und Abs. 2 bzw. Art. 266 Abs. 3 ZGB66).

Die Motion Prelicz-Huber (09.3026), die mit dem vorliegenden Entwurf umgesetzt werden soll, verlangte in der ursprünglichen Fassung eine Senkung des Mindestalters auf 30 Jahre. In der vom Parlament geänderten und an den Bundesrat überwiesenen Fassung der Motion findet sich allerdings keine konkrete Altersgrenze mehr.

Es wird lediglich verlangt, dass das Mindestalter für Adoptiveltern herabgesetzt werden soll, was unter anderem auf die (schliesslich zurückgezogene) parlamentarische Initiative John-Calame (09.520) zurückgeht, die ihrerseits eine Senkung des Mindestalters auf «höchstens 28 Jahre» forderte. In beiden Vorstössen wurde explizit darauf aufmerksam gemacht, dass die geltende Regelung des Schweizer Rechts im Vergleich mit dem Ausland äusserst streng sei und viele adoptionswillige Paare von der Adoption ausschliesse. Wie der rechtsvergleichende Überblick gezeigt hat, ist die Altersgrenze von 35 Jahren tatsächlich aussergewöhnlich hoch und hält einem internationalen Vergleich nicht mehr stand.67

63 64 65 66 67

Vgl. dazu auch Ziff. 2.3.1.

Zur Beziehungsdauer bei der Stiefkindadoption vgl. Ziff. 2.3.3.

Basler Kommentar-Breitschmid, Art. 264a N 5.

Basler Kommentar-Breitschmid, Art. 266 N 14.

Basler Kommentar-Breitschmid, Art. 264a N 5; KuKo-Pfaffinger, Art. 264a N 5.

903

Bei den Arbeiten an der Revision des Adoptionsrechts stellte sich die Frage, ob in Zukunft überhaupt noch ein Mindestalter vorgeschrieben werden soll oder ob ­ entsprechend der Regelung beim Zugang zum Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ­ nicht jeder volljährigen Person grundsätzlich die Adoption ermöglicht werden und ein allfälliger Ausschluss im Einzelfall allein auf der Grundlage einer ungenügenden Gewährleistung des Kindeswohls erfolgen müsste.

Nach Ansicht des Bundesrats erscheint es allerdings nach wie vor sachgerecht, weiterhin ein Mindestalter für die Adoption zu verlangen, und zwar aus verschiedenen Gründen: Die Betreuung eines Kindes setzt eine gewisse Stabilität der Lebensumstände voraus, die in der Regel bei älteren Personen eher vorhanden ist als bei jüngeren. Auch wenn eine natürliche Elternschaft bereits in jungem Alter der Eltern entstehen kann, soll das Adoptionsrecht dafür sorgen, dass die «künstliche» Schaffung eines Kindesverhältnisses mittels Adoption auf für das Kind optimalen Voraussetzungen basiert. Zudem stellt die Adoption eines Kindes die Adoptiveltern vor besondere Herausforderungen, mit denen erfahrenere Personen tendenziell besser umgehen können als ganz junge Eltern. Darin unterscheidet sich die Adoptionssituation auch von den Fällen, in denen ein Kind mit Hilfe medizinisch unterstützter Fortpflanzungsmethoden gezeugt wird, denn hier ist davon auszugehen, dass sich das Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern nicht anders gestalten wird als bei natürlich gezeugten Kindern.68 Der Bundesrat schlägt deshalb vor, das Mindestalter für adoptionswillige Personen sowohl für die gemeinschaftliche Adoption als auch für die Einzeladoption bei 28 Jahren festzusetzen. Es kann angenommen werden, dass in diesem Alter die erforderliche persönliche Reife in der Regel vorliegt. Um Härtefälle zu vermeiden, wird zudem vorgeschlagen, dass aus Gründen des Kindeswohls das vorgesehene Mindestalter im Einzelfall unterschritten werden darf.

Für die Stiefkindadoption wird wie bis anhin kein Mindestalter vorgeschrieben. Dies hängt damit zusammen, dass bei dieser Adoptionsform das Kind bereits mit dem Stiefelternteil zusammenlebt und nicht als fremdes Kind «von aussen» in eine Beziehung (gemeinschaftliche Adoption) oder zu einer Einzelperson (Einzeladoption) kommt.

2.2.3

Minimaler Altersunterschied

Die geltende Fassung von Artikel 265 Absatz 1 ZGB bestimmt, dass zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind ein Altersunterschied von mindestens 16 Jahren bestehen muss. Dabei handelt es sich um eine starre Regelung, die keine Ausnahme zulässt.

An diesem minimalen Altersunterschied von 16 Jahren soll grundsätzlich festgehalten werden. Bei Vorliegen wichtiger Gründe sollen unter neuem Recht jedoch Ausnahmen zugelassen werden können, um im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine im Einzelfall angemessene Lösung zu ermöglichen und damit insbesondere dem Kindeswohl gerecht zu werden. Zu denken ist etwa an die Adoption mehrerer Stiefkinder: Während ein oder mehrere Geschwister von einem Stiefelternteil adoptiert werden können, scheitert die Adoption möglicherweise bei einem Geschwister daran, dass zwischen ihm und dem Stiefelternteil kein ausreichender Altersunter68

904

Vgl. dazu die Botschaft vom 26. Juni 1996 zum Fortpflanzungsmedizingesetz, BBl 1996 III, hier 233 m.w.Nachw.

schied besteht. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung der Stiefkinder innerhalb der Familie und kann dem Kindeswohl (Art. 3 UN-KRK) widersprechen. Eine solche Situation gilt es mit Blick auf die UNO-Kinderrechtskonvention zu vermeiden, die im Grundsatz eine Gleichbehandlung von Geschwistern vorsieht (Art. 2 UN-KRK).

2.2.4

Maximaler Altersunterschied

Das schweizerische Recht kennt aktuell kein Höchstalter für Adoptiveltern. Dagegen sieht die am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Adoptionsverordnung in Artikel 5 Absatz 4 einen maximalen Altersunterschied zwischen Kind und Adoptiveltern von 45 Jahren vor, wobei Ausnahmen ausdrücklich zugelassen werden. Das Höchstalter der Adoptiveltern hängt damit vom Alter der zu adoptierenden Person ab; es liegt bei einem Baby beispielsweise in der Nähe von 45 Jahren, bei einem zehnjährigen Kind bei 55 Jahren.

Der vorliegende Entwurf verzichtet auch weiterhin auf die Festsetzung eines Höchstalters für Adoptiveltern: Mit dem bestehenden maximalen Altersunterschied zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind wird der Fokus auf das Kind gerichtet (sein Alter bestimmt das Höchstalter der Adoptiveltern) und nicht auf die Adoptiveltern, wie dies bei der Festlegung eines Höchstalters für Adoptiveltern der Fall wäre.

Dies erscheint sachgerecht, ist es doch bei einem älteren Kind oder sogar bei einer erwachsenen Person viel weniger problematisch, wenn die Adoptiveltern bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht haben, als bei einem Kleinkind. Bereits in der Botschaft zur Revision von 1972 hat der Bundesrat unterstrichen, der Sinn der Erziehungsadoption erheische es, dass das Alter der Adoptiveltern ungefähr dem Alter natürlicher Eltern entspreche.69 Auch das Bundesgericht hat die bestehende Lösung als angemessen bezeichnet: Die Adoptiveltern müssen die für die Adoption erforderlichen Fähigkeiten nicht nur im Moment der Adoption selbst aufweisen, sondern, soweit vorhersehbar, während der ganzen Zeit bis zur Volljährigkeit des adoptierten Kindes.70 Dieser Grundsatz findet sich heute in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b des Fortpflanzungsmedizingesetzes vom 18. Dezember 199871 (FMedG) und soll neu auch im Zivilgesetzbuch ausdrücklich festgehalten werden (vgl. Art. 264 Abs. 2 E-ZGB).

Wie erwähnt findet sich die Angabe des maximalen Altersunterschieds lediglich in Artikel 5 Absatz 4 AdoV; das geltende ZGB enthält keinen maximalen Altersunterschied zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind. Der Text der Verordnung gibt nicht eindeutig vor, ob beide künftigen Adoptiveltern oder nur einer von ihnen den maximalen Altersunterschied überschritten haben muss, bevor die Eignung der Adoptionswilligen verneint wird. Die Regelung lässt den
Bewilligungsbehörden vielmehr genügend Spielraum, dem Einzelfall gerecht zu werden, setzt aber auch klare Schranken: Überschreiten beide Eheleute die maximale Altersdifferenz von 45 Jahren, so ist in aller Regel eine negative Prognose zu stellen. Überschreitet nur die Ehefrau oder der Ehemann die Altersdifferenz, so sind an die Eignung erhöhte Anforderungen zu stellen. Im Vordergrund steht der Gedanke, dass einem Kind, das bereits einen Beziehungsabbruch erleben musste, eine möglichst dauerhafte Famili69 70 71

Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200 1220.

BGE 125 III 161 167 f.; zustimmend CHK-Biderbost, Art. 264 N 16.

SR 810.11

905

enbindung ermöglicht werden soll.72 Im Fall einer gemeinschaftlichen Adoption baut ein Kind eine Beziehung zu beiden Elternteilen auf. Daher sollen auch beide das Kind möglichst lange, d.h. voraussichtlich bis zum Erwachsenenalter des Adoptivkindes und darüber hinaus, aktiv begleiten können.

Im Hinblick auf die Bedeutung des maximalen Altersunterschieds als einer unter mehreren Adoptionsvoraussetzungen erscheint es sachgerecht, diesen nicht nur auf Verordnungsstufe, sondern im ZGB festzulegen, wird damit doch der Zugang zur Adoption materiell beschränkt. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass zur Wahrung des Kindeswohls unter besonderen Umständen eine Adoption im Einzelfall auch dann möglich ist, wenn die maximale Altersdifferenz bei einem Adoptivelternteil oder bei beiden Adoptiveltern überschritten worden ist, beispielsweise wenn zwischen den künftigen Adoptiveltern und dem zu adoptierenden Kind aufgrund eines vorangegangenen Pflegeverhältnisses bereits eine vertraute Beziehung besteht (vgl. auch Art. 5 Abs. 4 AdoV).

2.3

Die Adoptionsformen im Lichte der Revision

2.3.1

Gemeinschaftliche Adoption: Nur für Ehegatten

Wie oben ausgeführt73, wird bei der gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes nicht mehr auf die Dauer der Ehe abgestellt, sondern auf die Dauer des Bestehens eines gemeinsamen Haushalts; zudem wird das Mindestalter des adoptionswilligen Paares auf 28 Jahre gesenkt. Nach wie vor bildet jedoch das Bestehen einer Ehe eine formelle Voraussetzung, ohne die eine gemeinschaftliche Adoption nicht möglich ist. Der Bundesrat hält sich damit an die Vorgabe des Parlaments, wonach die gemeinschaftliche Adoption auch in Zukunft ausschliesslich Ehepaaren vorbehalten bleiben soll.74

2.3.2

Einzeladoption: Auch für Personen in eingetragener Partnerschaft

Nach geltendem Recht ist eine Einzeladoption durch eine gleichgeschlechtlich orientierte Person grundsätzlich möglich, solange sie nicht in einer eingetragenen Partnerschaft lebt. Sobald hingegen eine eingetragene Partnerschaft besteht, untersagt Artikel 28 PartG die Einzeladoption ausdrücklich. Einer verheirateten Person steht diese Möglichkeit hingegen offen, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

Diese Einschränkung erscheint heute nicht mehr haltbar, führt das Verbot doch zu einer Diskriminierung von Personen in einer eingetragenen Partnerschaft gegenüber einer verheirateten Person allein aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Entsprechend hat der EGMR im Urteil E.B. gegen Frankreich75 festgehalten, dass homosexuelle Personen nicht allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von der Einzeladoption ausgeschlossen werden dürfen.76 Dies entspricht auch der Empfehlung des Minister72 73 74 75 76

906

Urwyler, 2011, 361 ff.

Vgl. dazu Ziff. 2.2.1 und 2.2.2.

Motion der Rechtskommission des Ständerates 11.4046 «Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien» vgl. dazu auch Ziff. 1.7.1.

Vgl. dazu Ziff. 1.7.1.

So ausdrücklich auch Sandoz, Adoption et couples de même sexe, RZ. 9.

komitees des Europarats.77 Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat vor, auch Personen in einer eingetragenen Partnerschaft die Einzeladoption zu ermöglichen.

Ob eine solche Einzeladoption tatsächlich dem Kindeswohl entspricht, ist im Einzelfall anlässlich des Bewilligungsverfahrens zu prüfen, und zwar bei verheirateten Personen, Personen in eingetragener Partnerschaft und ledigen Personen in gleicher Weise.

2.3.3

Stiefkindadoption

2.3.3.1

Die Problematik der Stiefkindadoption

Der Stiefkindadoption kam während langer Zeit ein Sonderstatus in der Rechtsordnung zu. Bis zur Jahrtausendwende wurde sie privilegiert, um die rasche Integration des Kindes in die neue Familie zu fördern. So genügte eine bloss zweijährige Ehedauer (statt wie sonst eine fünfjährige), bevor beispielsweise der Ehemann das Kind seiner Ehefrau adoptieren durfte. Aufgrund verschiedener Vorbehalte gegenüber der Stiefkindadoption wurde die minimale Ehedauer für die Stiefkindadoption per 1. Januar 2000 von zwei auf fünf Jahre erhöht.

Die Problematik der Stiefkindadoption besteht in der Praxis darin, dass es in den meisten Fällen um die Adoption eines Scheidungskindes geht. Mit der Stiefkindadoption erlischt das Kindesverhältnis zu einem der beiden leiblichen Elternteile. Das Kind muss somit zweimal eine «Scheidung» erleben: Auf die Scheidung der Eltern folgt mit der Adoption die definitive Trennung von einem leiblichen Elternteil. Die Stiefkindadoption hat für das Scheidungskind in der Regel auch einschneidendere sozialpsychische Folgen als für das Kind bei der Fremdadoption, bei der eine nähere Beziehung zu den leiblichen Eltern oft fehlt: So verliert es mit der Stiefkindadoption zusätzlich Grosseltern, Tanten, Onkel und weitere Verwandte des Elternteils, zu dem das Kindesverhältnis erlischt. Bei der Stiefkindadoption besteht zudem die Gefahr, dass der eine Elternteil diese benutzt, um den anderen Elternteil aus dem Leben des Kindes zu verdrängen.78 Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass das Stiefkind nicht stärker, sondern wesentlich weniger auf die Adoption angewiesen ist als ein fremdes Kind, weil es eine bessere familienrechtliche Ausgangsposition hat: Das Stiefkind ist leibliches Kind des einen Ehegatten und mit dem anderen verschwägert (Art. 21 ZGB). Dieser hat dem leiblichen Elternteil in der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Stiefkind in angemessener Weise beizustehen (Art. 278 Abs. 2 ZGB). Gleiches gilt für die Ausübung der elterlichen Sorge (Art. 299 ZGB). Dagegen hat das Kind vor der Fremdadoption lediglich die schwächere familienrechtliche Stellung eines Pflegekindes (Art. 300 ZGB).

77

78

Empfehlung CM/Rec(2010)5 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über Massnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität vom 31. März 2010, Art. 27.

Vgl. zum Ganzen ausführlich die Botschaft vom 15. November 1995 zum Scheidungsrecht, BBl 1996 I 1 156; Frank, 1695; Schwenzer, Gutachten, 39 m.w.Nachw.

907

2.3.3.2

Einzelfallprüfung und Aufhebung von Artikel 265c Ziffer 2 ZGB

Den genannten Bedenken gegenüber der Stiefkindadoption soll im Rahmen der vorliegenden Revision insbesondere dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Stiefkindadoption durch die zuständigen Behörden nicht privilegiert behandelt wird.

Vielmehr wird wie bei einer gemeinschaftlichen Adoption oder einer Einzeladoption im Einzelfall geprüft, ob die Adoption tatsächlich dem Kindeswohl dient, wobei die erwähnten Bedenken zu berücksichtigen sind. Aufgrund der besonderen Situation bei der Stiefkindadoption ist zudem stets zu prüfen, ob dem Kind eine persönliche Vertretung zu bestellen ist.79 Gleichzeitig wird die Ausnahmebestimmung von Artikel 265c Ziffer 2 ZGB aufgehoben, wonach auf die Zustimmung eines Elternteils zur Adoption verzichtet werden kann, wenn sich dieser um das Kind nicht ernstlich gekümmert hat.80 Die Aufhebung erfolgt auch mit Blick auf die neuen Bestimmungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge, die am 1. Juli 2014 in Kraft getreten sind und unter anderem verhindern sollen, dass Elternteile aus dem Leben eines Kindes gedrängt werden und ihre Beziehung zum Kind abbricht.

2.3.3.3

Senkung der Beziehungsdauer von fünf auf drei Jahre

Der Bundesrat hat in der Botschaft zur Revision des Scheidungsrechts im Jahr 1995 seine Bedenken gegenüber der Stiefkindadoption ausführlich dargelegt, sich schliesslich jedoch für deren Beibehaltung entschieden. Gleichzeitig hat er indessen festgehalten, dass die bestehende Privilegierung der Stiefkindadoption gegenüber der Fremdadoption nicht mehr gerechtfertigt sei. Er schlug deshalb vor, auch bei der Stiefkindadoption eine minimale Ehedauer von fünf Jahren vorzuschreiben, sofern die adoptierende Person nicht mindestens 35 Jahre alt ist81. Damit wollte der Bundesrat verhindern, dass die Rechtsstellung des leiblichen Elternteils ohne elterliche Sorge zu rasch verändert werden konnte. Habe eine Ehe fünf Jahre gedauert, so sei es auch möglich, «ihre Bewährung einigermassen [zu] beurteilen»82. Das Parlament ist diesem Vorschlag gefolgt; die neue Regelung konnte am 1. Januar 2000 in Kraft treten.

Diese relativ junge Regelung der Stiefkindadoption soll mit der vorliegenden Revision im Grundsatz zwar nicht bereits wieder in Frage gestellt werden; die Stiefkindadoption soll aber gegenüber der gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes auch nicht schlechter gestellt werden. Dies nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass das Parlament den Bundesrat mit der Überweisung der Motion «Adoptionsrecht. Gleiche Chance für alle Familien» (11.4046) beauftragt hat, den Anwendungsbereich der Stiefkindadoption sogar noch zu erweitern.83 Zu berücksichtigen ist auch, dass die vorgebrachten Bedenken zumindest in denjenigen Fällen nicht 79 80 81

82 83

908

Dazu Ziff. 2.4.

Frank, 1695: Insbesondere bei einer Stiefkindadoption sollte diese Bestimmung ohnehin nur mit äusserster Zurückhaltung Anwendung finden.

Botschaft Scheidungsrecht, 157; die betreffenden Bedenken haben dagegen dazu geführt, dass der Model Family Code die Stiefkindadoption nicht mehr vorsieht, vgl. Schwenzer, Model Family Code, 115 sowie 123.

Botschaft Scheidungsrecht, 155 ff.; Schwenzer/Bachofner, 89 f. m.w.Nachw.

Vgl. dazu Ziff. 2.3.3.

angebracht sind, in denen das Kind vor der Stiefkindadoption tatsächlich nur einen Elternteil hatte, beispielsweise weil der andere Elternteil verstorben oder unbekannt ist oder weil ein Partner das Kind vorher allein adoptiert hat. Zu denken ist auch an die Fälle der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, bei der der Vater als Samenspender anonym geblieben ist: Zwar erhält ein gleichgeschlechtliches Paar nach Schweizer Recht keinen Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Leistungen; die schweizerischen Verbote können aber durch eine Inanspruchnahme solcher Leistungen im Ausland umgangen werden.84 Aus der Sicht des Kindes sind hier die Folgen einer Stiefkindadoption in der Regel positiv zu werten: Hat der Partner des leiblichen Elternteils Verantwortung für das Kind übernommen, entsteht bei der Auflösung der Partnerschaft oder beim Tod eines Partners eine unsichere Situation für das Kind. Hier ermöglicht es die Stiefkindadoption, stabilere rechtliche Verhältnisse zu schaffen. Ausserdem werden als Folge der Adoption auch ein Unterhalts- und Erbanspruch gegenüber dem Stiefelternteil sowie ein Anspruch auf eine Kinder- bzw.

Waisenrente erworben, was ebenfalls im Interesse des Kindes liegt.

Wie unter Ziffer 2.2.1 dargelegt, soll für die Beurteilung der Stabilität der Beziehung neu das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts während mindestens drei Jahren massgebend sein.

2.3.3.4

Personen in einer eingetragenen Partnerschaft

Das Parlament hat dem Bundesrat mit der Überweisung der Motion 11.4046 den Auftrag erteilt, die Stiefkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Paare in einer eingetragenen Partnerschaft zu öffnen. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2012 festgehalten, dass mit einer solchen Öffnung dem Umstand Rechnung getragen werden könne, dass bereits heute viele Kinder in solchen Partnerschaften aufwachsen. Die Tatsache, dass diese Kinder nach geltendem Recht nicht im gleichen Mass rechtlich abgesichert sind wie Kinder in ehelichen Gemeinschaften, erscheint stossend. Ein Kind darf keine rechtlichen und faktischen Nachteile durch den Umstand erleiden, dass seine Mutter mit einer Frau oder sein Vater mit einem Mann zusammenlebt (Art. 2 UN-KRK). Die Zulassung der Stiefkindadoption dient damit vor allem der Gleichbehandlung der Kinder und der Beseitigung unzulässiger Benachteiligungen.

Wie bei jeder anderen Adoption muss auch bei der Stiefkindadoption im Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft überprüft werden, ob sie im konkreten Fall dem Kindeswohl dient (Art. 264 Abs. 1 E-ZGB). Dabei ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Stiefkindadoption als solche teilweise sehr umstritten ist85 und im Einzelfall problematisch sein kann. Das vermag allerdings den Umstand nicht zu beseitigen, dass sie in vielen Fällen auch sinnvoll und im Interesse des Kindes geboten sein kann. Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass auch bei der Stiefkindadoption ­ wie bei jeder anderen Adoption ­ sowohl die leiblichen Eltern (Art. 265a Abs. 1 ZGB) als auch das zu adoptierende Kind, sofern es urteilsfähig ist (Art. 265 Abs. 2 ZGB), der Adoption zustimmen müssen. Es ist somit ausgeschlossen, dass beispielsweise die eingetragene Partnerin der Mutter deren Kind gegen den

84 85

Zum Ganzen Dethloff, 197.

Vgl. Ziff. 2.3.3.

909

Willen des leiblichen Vaters adoptiert, jedenfalls soweit die Voraussetzungen von Artikel 265c ZGB (Absehen von der Zustimmung) nicht erfüllt sind.

Anders als bei der gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes sind die immer wieder vorgebrachten Bedenken, dass für das Kind ein Aufwachsen bei einem gleichgeschlechtlichen Paar zu Schwierigkeiten in der Entwicklung führen könnte, bei der Stiefkindadoption nicht von Bedeutung: Das Kind lebt bereits in der Gemeinschaft und würde auch darin weiterleben, wenn es nicht von der Partnerin der Mutter oder vom Partner des Vaters adoptiert würde. Es geht lediglich um die rechtliche Absicherung des Verhältnisses zur Partnerin oder zum Partner des leiblichen Elternteils.86 Das Wohl des Kindes, das bereits bei einem gleichgeschlechtlichen Paar aufwächst, wird nicht dadurch gefährdet, dass es zu seiner rechtlichen Absicherung noch einen weiteren Vater oder eine weitere Mutter erhält.

Mit der Zulassung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare wird zudem eine weitere Ungleichbehandlung beseitigt: Wie dargestellt, sehen diverse ausländische Rechtsordnungen bereits heute die Möglichkeit einer Stiefkindadoption durch die gleichgeschlechtliche Partnerin oder den gleichgeschlechtlichen Partner des leiblichen Elternteils vor. Ein gleichgeschlechtliches Paar, das im Ausland ein Kind adoptiert hat, kann ­ wenn die betreffenden Bedingungen erfüllt sind ­ in der Schweiz die Anerkennung der gemeinsamen Elternschaft gegenüber dem Kind und die entsprechende Eintragung ins Zivilstandsregister verlangen (Art. 78 IPRG).

Darin wird gemäss geltender Praxis kein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public gesehen.87 Es gibt in der Schweiz deshalb bereits heute Fälle, in denen ein oder mehrere Kinder bei einem gleichgeschlechtlichen Paar aufwachsen und beide Partnerinnen oder Partner als Eltern dieser Kinder gelten.

2.3.3.5

Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft

Die vom Parlament angenommene Motion Prelicz-Huber (09.3026) verlangt in der an den Bundesrat überwiesenen Fassung, dass «die Adoption auch für Paare in einer stabilen faktischen Lebensgemeinschaft geöffnet werden [soll], insbesondere mit Blick auf die Stiefkindadoption». Auch die von beiden Räten überwiesene Motion (11.4046) «Adoptionsrecht. Gleiche Chance für alle Familien» beauftragt den Bundesrat zu ermöglichen, «dass alle Erwachsenen, ungeachtet ihres Zivilstandes und ihrer Lebensform, das Kind des Partners oder der Partnerin, adoptieren können».

Hat man sich dafür entschieden, an der Stiefkindadoption im Grundsatz festzuhalten, erscheint es konsequent, diese nicht nur bei verheirateten und eingetragenen Paaren, sondern bei allen «eheähnlichen» Partnerschaften von einer gewissen Stabilität zuzulassen. Wo sich das Stiefkind in die neue Familie eingefügt hat, ist eine faktische Familienbeziehung entstanden, die durch das Recht nicht behindert, sondern möglichst unterstützt werden soll. Dementsprechend ist die Möglichkeit zu schaffen, die faktische Familienbeziehung auch rechtlich anzuerkennen. Die Ungleichbehandlung im geltenden Recht, welches eine Stiefkindadoption nur zulässt, wenn der 86 87

910

Dethloff, 197.

Schreiben des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesen an die kantonalen Aufsichtsbehörden in Zivilstandswesen vom 20. Dezember 2006 («Gleichgeschlechtliche Paare; Anerkennung von ausländischen Adoptionen»), www.ejpd.admin.ch > Gesellschaft > Zivilstand >; Basler Kommentar-Urwyler/Hauser, Art. 78 IPRG N 17.

Elternteil mit der neuen Lebenspartnerin oder dem neuen Lebenspartner verheiratet ist, wird so beseitigt. Auch hier gilt, dass dem Kind keine Nachteile entstehen dürfen, nur weil seine neuen sozialen Eltern nicht (mehr) heiraten wollen (Art. 2 UN-KRK). Die Öffnung der Stiefkindadoption für nicht verheiratete Paare dient damit primär dem Kindeswohl.88 Der Auftrag des Parlaments sieht die Öffnung der Adoption, insbesondere der Stiefkindadoption, für alle Erwachsenen, ungeachtet ihres Zivilstandes und ihrer Lebensform, vor. Dies bedeutet, dass nicht nur verschieden-, sondern auch gleichgeschlechtliche Paare in faktischen Lebensgemeinschaften die Möglichkeit erhalten sollen, das Kind der jeweiligen Lebenspartnerin oder des jeweiligen Lebenspartners adoptieren zu können. Die Notwendigkeit einer Öffnung für alle Lebensgemeinschaften ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des EGMR: Im Fall X gegen Österreich hat der Gerichtshof festgehalten, dass für den Fall, dass Paaren in verschiedengeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaften die Stiefkindadoption ermöglicht wird, dies im Sinne einer Gleichstellung zwingend auch für Paare in gleichgeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaften erfolgen müsse, ansonsten eine unzulässige Diskriminierung vorliege.89 Die Öffnung der Stiefkindadoption erfolgt jedoch nicht für jede Form von Lebensoder Wohngemeinschaft, sondern sie ist zu beschränken auf stabile und enge Beziehungen zweier verschieden- oder gleichgeschlechtlicher Personen im Sinne einer eheähnlichen Gemeinschaft (Paarbeziehung). Mit der Stiefkindadoption soll eine Familie begründet werden, bei der die adoptierende Person die zweite Elternrolle übernimmt. Nicht möglich ist deshalb eine Stiefkindadoption beispielsweise durch eine Frau, die mit ihrer Schwester in einem Haushalt lebt und deren Kind adoptieren will.

2.4

Förderung der Mitbeteiligung des Kindes

Bereits das geltende Recht sieht vor, dass bei der Adoption eines urteilsfähigen Kindes dessen Zustimmung notwendig ist (Art. 265 Abs. 2 ZGB).90 Nach der Rechtsprechung liegt die Urteilsfähigkeit unter gewöhnlichen Umständen ab dem 14. Altersjahr sicher vor.91 Im Einzelfall kann sie aber bereits früher vorhanden sein92. Die Lehre ist sich ausserdem einig, dass auch jüngere Kinder angemessen ins Verfahren einzubeziehen sind, auch wenn ihre Zustimmung vom Gesetz nicht als Gültigkeitsvoraussetzung für eine Adoption vorgesehen ist.93 Dieser Grundsatz soll neu ausdrücklich im Gesetz verankert werden; er entspricht dem in Artikel 12 UN-KRK verankerten Recht auf Gehör.

88 89 90 91 92

93

Schwenzer/Bachofner, 95; Copur, 190 ff.; Dethloff, 197 f.

Vgl. dazu oben 1.5.2.

Vgl. zum Ganzen Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 252.

BGE 119 II 4; 107 II 22; entsprechend auch Art. 5 Abs. 1 Bst. b der revidierten Europäischen Übereinkommen vom 27. September 2008 über die Adoption von Kindern.

So hat der EGMR im Entscheid Pini und andere gegen Rumänien (Beschwerde Nr. 78028/01 und 78030/01), § 145, festgehalten, dass eine Bestimmung, wonach Kinder ab dem 10. Altersjahr einer Adoption zustimmen müssen, nicht als sachfremd anzusehen seien («pas déraisonnable»).

CHK-Biderbost, Art. 265 N 3; Basler Kommentar-Breitschmid, Art. 265 N 8.

911

Im Weiteren verlangt Artikel 12 UN-KRK, dass dem Kind zur Wahrung seiner Interessen bei Bedarf eine Vertretung bestellt wird.94 Dabei scheint es nicht notwendig, jedem Kind, das adoptiert werden soll, automatisch eine Vertreterin oder einen Vertreter zur Seite zu stellen, insbesondere dann nicht, wenn das Kind bei einer Auslandsadoption noch sehr jung ist. Dagegen besteht gerade bei Stiefkindadoptionen häufig eine erhebliche Konflikt- und Drucksituation zwischen den leiblichen Eltern sowie im Verhältnis zum Kind. Es erscheint deshalb richtig, dem Kind eine Vertreterin oder einen Vertreter zu bestellen. Zumindest besteht die Pflicht zu prüfen, ob die Bestellung einer Vertretung für die Wahrung des Kindeswohls notwendig ist.

2.5

Erleichterung der Erwachsenenadoption

Die Adoption volljähriger Personen gilt heute als Ausnahmefall und ist nach geltendem Recht nur unter sehr beschränkten Voraussetzungen möglich. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Adoptiveltern keine Nachkommen haben (Art. 266 Abs. 1 ZGB). Die Erwachsenenadoption kann namentlich dann von Bedeutung sein, wenn die leiblichen Eltern der Adoption während der Dauer der Minderjährigkeit des Kindes nicht zugestimmt haben und keine der Voraussetzungen für einen Verzicht auf die elterliche Zustimmung vorlag (Art. 265c ZGB). In diesen Fällen kann die Adoption erst mit Eintritt der Volljährigkeit durchgeführt werden, weil gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine solche Zustimmung bei der Erwachsenenadoption nicht mehr notwendig ist.95 Im Hinblick darauf, dass eigene Nachkommen der Adoption einer minderjährigen Person nicht entgegenstehen, solange andere Kinder der Adoptiveltern dadurch nicht in unbilliger Weise zurückgesetzt werden (Art. 264 ZGB), sollte dieser Grundsatz auch bei der Erwachsenenadoption gelten.

Aus diesem Grund ist inskünftig von der Voraussetzung des Fehlens von Nachkommen abzusehen. Als Ausgleich ist die Einstellung der von der Adoption betroffenen Personen, insbesondere anderer Kinder der Adoptiveltern, im Vorfeld der Adoption zu würdigen. Zudem wird die Zeit, während der die künftigen Adoptiveltern das nunmehr erwachsene Kind betreut haben müssen, in Anlehnung an die Vorgaben bei der Minderjährigenadoption von heute fünf auf ein Jahr gesenkt. Es gibt keinen Grund, bei einer Erwachsenenadoption eine längere Betreuungszeit zu verlangen als bei der Adoption einer minderjährigen Person.

2.6

Lockerung des Adoptionsgeheimnisses

2.6.1

Grundsatz

Anlässlich einer Adoption stellt sich stets die Frage, wie weit den individuellen Bedürfnissen der beteiligten Personen ­ adoptierte Person, leibliche Eltern, Adoptiveltern ­ Rechnung getragen werden kann und soll. Je nach Situation kommt es in diesem sogenannten Adoptionsdreieck zu Interessengegensätzen, und es ist zu

94 95

912

Vgl. dazu Committee on the Rights of the Child, General Comment No. 12 (2009), The right of the child to be heard, 20. Juli 2009.

BGE 137 III 1 ff.

entscheiden, ob dem Geheimhaltungsinteresse einer Partei Vorrang vor dem Auskunftsinteresse der anderen Partei einzuräumen ist.

Das schweizerische Adoptionsrecht regelte diese Fragen während langer Zeit nicht explizit. Es blieb damit Aufgabe der Praxis, hier für eine gewisse Klarheit zu sorgen, was allerdings während langer Zeit nicht wirklich gelang.96 Erst mit der Einführung von Artikel 268b ZGB im Jahr 1972 und von Artikel 268c ZGB im Jahr 2001 sind die wichtigsten Grundsätze in Bezug auf das Adoptionsgeheimnis ins ZGB aufgenommen worden. Nach wie vor bestehen aber gewisse Lücken. Zudem werden diese gesetzlichen Grundsätze heute teilweise bereits wieder in Frage gestellt.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung der Lockerung des Adoptionsgeheimnisses entspricht dem Standard, wie er heute in vielen Ländern Europas zu finden ist.97

2.6.2

Auskunftsanspruch der leiblichen Eltern sowie allfälliger direkter Nachkommen

Der geltende Artikel 268b ZGB verbietet, dass den leiblichen Eltern die Identität der Adoptiveltern bekannt gegeben wird, solange diese ihre Zustimmung dazu nicht erteilt haben. Diese Regelung des Adoptionsgeheimnisses in Artikel 268b ZGB ist lückenhaft98, denn sie legt das Adoptionsgeheimnis nur bezüglich der leiblichen Eltern fest. Aus dem Zweck der Bestimmung wird allerdings abgeleitet, dass das Adoptionsgeheimnis nicht nur gegenüber den leiblichen Eltern, sondern auch gegenüber Dritten gilt.99 Der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz unter dem Titel «Adoptionsgeheimnis» anlässlich der grossen Revision von 1972 ins Gesetz aufgenommen, um dem Anliegen der Volladoption ­ der vollständigen Integration des adoptierten Kindes in die Adoptivfamilie, indem alle Verbindungen zu den leiblichen Eltern gekappt werden ­ zum Durchbruch zu verhelfen und eine Einmischung der leiblichen Eltern in die Beziehung des Kindes zu seinen Adoptiveltern zu unterbinden. Man befürchtete damals, dass durch den Kontakt der leiblichen Eltern mit dem Kind und seinen Adoptiveltern das soziale Gelingen der Adoption gefährdet oder zumindest beeinträchtigt werde.100 Diese Regelung entspricht auch den Vorgaben von Artikel 20 Ziffer 1 des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern. In jüngerer Zeit ist in vielen Rechtsordnungen eine Diskussion über eine Abschaffung oder zumindest eine Lockerung der absoluten Natur der Volladoption und damit gleichzeitig über das Adoptionsgeheimnis entbrannt. So wurde insbesondere vorgebracht, es sei für das Kindeswohl unter Umständen besser, den Kontakt zu den leiblichen Eltern oder anderen einstigen Verwandten (beispielsweise den leiblichen Grosseltern) trotz der Adoption aufrechtzuerhalten.

96 97 98 99 100

Vgl. zu diesen Unsicherheiten Werro, 359 ff.

Vgl. dazu Lowe, 24 ff.

KuKo-Pfaffinger, Art. 268b N 3.

Cottier, 33; Werro, 359; BK-Hegnauer, Art. 268b N 4.

Botschaft vom 12. Mai 1971 zum Adoptionsrecht, BBl 1971 I 1200, 1238; grundsätzlich dazu Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 102 ff mit ausführlich begründeter Kritik an der Argumentation des Bundesrats in Rz. 118 ff.

913

Der Entwurf sieht in Umsetzung des Postulats Fehr (09.4107) «Adoptionsgeheimnis» vor, dass es den leiblichen Eltern in Zukunft ermöglicht werden soll, ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit des Adoptivkinds und mit dessen Einverständnis zu Informationen über seine Personalien zu gelangen. Zusätzlich sollen neu auch allfällige direkte Nachkommen der leiblichen Eltern zu den entsprechenden Informationen gelangen können, wenn das Adoptivkind sein Einverständnis dazu erteilt hat.

Die Praxis zeigt immer wieder, dass auch diese Personen ein Interesse an ihren zur Adoption freigegebenen Schwestern und Brüdern haben können und sich nach deren Verbleib erkundigen. Sind die leiblichen Eltern verstorben, haben diese Personen keinen rechtlichen Anspruch und damit keine Chance mehr, die Gesuchten über die gemeinsamen leiblichen Eltern ausfindig zu machen oder etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Oftmals ist eine Kontaktaufnahme zu ehemaligen Geschwistern auch für das Adoptivkind einfacher, weil sie nicht durch die Frage belastet ist, warum die leiblichen Eltern das Kind einst zur Adoption freigegeben haben.

Dagegen soll ­ trotz eines gewissen Wertungswiderspruchs zur soeben skizzierten Lösung101 ­ an der bestehenden Regelung von Artikel 268c ZGB festgehalten werden, d.h. es ist dem volljährigen Kind ein unbedingter Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung zu belassen102, während die leiblichen Eltern zwar einen verstärkten, aber nach wie vor nur beschränkten Anspruch auf Kenntnis der Identität des adoptierten Kindes erhalten. Die Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung liegt einerseits im Primat des Kindeswohls begründet sowie andererseits darin, dass den leiblichen Eltern ­ anders als dem adoptierten Kind ­ kein verfassungsmässiges Recht auf Kenntnis der für eine Kontaktaufnahme erforderlichen Daten zusteht. Die in der Lehre geäusserte Kritik an der Unbedingtheit des Anspruchs des volljährigen Adoptivkinds, insbesondere der Einwand, der geltende Artikel 268c ZGB beeinträchtige die Interessen der leiblichen Eltern in übermässiger Weise103, kann deshalb nicht in den vorliegenden Entwurf einfliessen. Auch Artikel 21 UN-KRK ­ wonach dem Wohl des Kindes bei der Adoption die höchste Bedeutung zugemessen werden muss ­ spricht für die vorgeschlagene Lösung.

2.6.3

Auskunftsanspruch des adoptierten Kindes

Das geltende Recht enthält einen explizit formulierten Auskunftsanspruch des adoptierten Kindes: Der im Rahmen der Revision von 2001 ins ZGB eingefügte Artikel 268c ZGB vermittelt einen direkten Anspruch des Adoptivkindes auf Auskunft über die Personalien der leiblichen Eltern.104 Dieser Anspruch fusst auf dem aus der Bundesverfassung abgeleiteten Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Art. 10 Abs. 2 BV105). Damit erhält das Adoptivkind mit Erreichen der Volljährigkeit einen unbedingten Anspruch auf Auskunft, unabhängig davon, ob die leiblichen Eltern einen persönlichen Kontakt wünschen oder einen solchen ablehnen.106 Das ZGB sieht lediglich vor, dass die leiblichen Eltern vor der Bekanntgabe informiert 101 102 103 104 105

Cottier, 49.

Vgl. dazu Ziff. 2.6.3.

Leukart, 595.

Vgl. dazu Premand, 21.

BGE 128 I 69 ff.; ein analoger Anspruch steht Kindern zu, die mittels eines Verfahrens der künstlichen Fortpflanzung gezeugt worden sind, vgl. Art. 119 Abs. 2 Bst. g BV bzw.

Art. 27 FMedG); zum Ganzen auch Reusser/Schweizer, 619 f.; Cottier, 43 f.

106 Vgl. zum Ganzen Büchler, 11; Premand, 33; Meier/Stettler, Rz. 373, 397.

914

werden müssen und dass das Kind darüber in Kenntnis gesetzt wird, wenn diese den persönlichen Kontakt ablehnen (Art. 268c Abs. 2 ZGB).107 Auf diese Weise vermeidet das Gesetz explizit eine Interessenabwägung im Einzelfall: Die Interessen des Kindes gehen denjenigen der leiblichen Eltern und der Adoptivfamilie im Konfliktfall zwingend vor.108 Vor dem Erreichen der Volljährigkeit ist dagegen ein schutzwürdiges Interesse des Adoptivkindes nachzuweisen, damit es Auskunft über seine leiblichen Eltern erhalten kann.

Aus der Formulierung von Artikel 268c ZGB, die den betreffenden Auskunftsanspruch ausdrücklich nur dem adoptierten Kind zugesteht, wird ausserdem der Umkehrschluss gezogen, dass weder seine leiblichen Eltern oder allfälligen (auch leiblichen) Geschwister noch seine Adoptiveltern oder Nachkommen einen entsprechenden Anspruch haben.109

2.6.4

Kantonale Auskunftsstelle

Damit die Ansprüche auf Kenntnis der eigenen Abstammung und auf Bekanntgabe der Personalien nach den Artikeln 268b und 268c E-ZGB überhaupt befriedigt werden können, müssen entsprechende gesetzliche Regelungen die Umsetzung dieser Ansprüche gewährleisten. Der Entwurf enthält daher Bestimmungen über die kantonale Auskunftsstelle in Sachen Adoption sowie den Anspruch der antragstellenden Personen auf beratende Unterstützung.

2.6.5

Offene Adoptionsform

In der Lehre wird teilweise gefordert, das bestehende System der geheimen Adoption durch eine halboffene oder sogar offene Adoption zu ersetzen.110 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es bereits nach geltendem Recht möglich ist, eine offene Adoption durchzuführen, sofern die Beteiligten dazu ihre Zustimmung erklären.111 Der Entwurf sieht neu vor, dass Adoptiveltern und leibliche Eltern einen angemessenen persönlichen Verkehr zwischen den leiblichen Eltern und dem Adoptivkind vereinbaren können, der nicht mehr einseitig abgeändert werden kann und der Genehmigung durch die Kindesschutzbehörde untersteht. Diese entscheidet auch, wenn Probleme bei der Umsetzung der Vereinbarung auftreten.

Trotz Bestehens einer solchen Vereinbarung ist das minderjährige Kind jedoch nicht verpflichtet, gegen seinen Willen einen persönlichen Kontakt zu seinen leiblichen Eltern zu dulden.

107

108 109 110 111

Vgl. zum Verfahren im Einzelnen das Kreisschreiben vom 21. März 2003 des Eidgenössischen Amtes für das Zivilstandswesen an die kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen.

Zur Begründung vgl. im Einzelnen Reusser, 139 f.

CHK-Biderbost, Art. 268c N 4.

Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 230; Pfaffinger, Geheime und (halb-)offene Adoptionen, 20 f. m.w.Nachw.

Ausführlich dazu Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 181 ff.

915

2.7

Nicht berücksichtigte Revisionsanliegen

2.7.1

Keine gemeinschaftliche Adoption für Paare in eingetragener Partnerschaft

Verschiedene ausländische Rechtsordnungen haben in den letzten Jahren Personen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, die gemeinschaftliche Adoption ermöglicht und damit im Bereich der Adoption eine weitgehende Gleichbehandlung mit verheirateten Paaren eingeführt.

Nach wie vor bestehen aber in gewissen Teilen der Bevölkerung erhebliche Vorbehalte gegen eine derart weitgehende Öffnung der Adoption. So wird teilweise geltend gemacht, im Leben des adoptierten Kindes sei das jeweils andere Geschlecht nicht vertreten; im Rahmen der Erziehung des Kindes sei es wichtig, beide Geschlechter in der unmittelbaren Familie präsent zu haben. Zu berücksichtigen ist hier einerseits, dass bereits das geltende Recht die Einzeladoption anerkennt und damit das Fehlen des jeweils anderen Geschlechts im nächsten Umfeld des Kindes in Kauf nimmt.112 Vor allem aber ist in keiner Weise nachgewiesen, dass Kinder, die nicht bei Vater und Mutter aufwachsen, dadurch in irgendeiner Weise negativ beeinflusst würden oder sonst wie auffällig wären: In Deutschland wurde in den Jahren 2007 und 2008 in einer grossen rechtstatsächlichen Studie zur Situation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften untersucht, wie Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien aufwachsen und ob das Kindeswohl in diesen Lebensgemeinschaften gleichermassen gewahrt ist wie im Fall von heterosexuellen Eltern.

Die Studie kam zu folgendem Fazit: «Insgesamt unterscheiden sich Kinder und Jugendliche aus gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in ihrer Entwicklung nur wenig ­ und wenn, dann eher in positiver Weise ­ von Kindern und Jugendlichen, die in anderen Familienformen aufwachsen. Für die untersuchten Entwicklungsdimensionen erwies sich somit nicht die Familienkonstellation als bedeutsam, sondern die Beziehungsqualität in der Familie.»113 Daraus kann gefolgert werden, dass dem Kindeswohl auch bei einer gemeinschaftlichen Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar entsprochen werden kann. Obschon sich anderslautende Vorurteile nach wie vor hartnäckig halten, fehlt diesen doch jegliche wissenschaftliche Grundlage.114 Im selben Kontext wird häufig das Argument vorgebracht, dass viele ausländische Staaten, aus denen Kinder in die Schweiz adoptiert werden, die eingetragene Partnerschaft nicht kennen und gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaften generell ablehnend gegenüberstünden. Die Adoption eines ausländischen Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar sei deshalb in vielen Fällen gar nicht möglich, weil die zuständigen Instanzen des Herkunftsstaates des Kindes ihre Zustimmung zur Adoption verweigern würden.115 Auch hier darf der Gesetzgeber nicht dem Irrtum verfallen, wegen faktischer Schwierigkeiten bei der Beseitigung einer Diskriminierung die Diskriminierung selbst aufrechtzuerhalten.

Obwohl somit gute Gründe für die vollständige Öffnung der Adoption für sämtliche Lebensformen bestehen würden, erachtet es der Bundesrat zurzeit nicht für opportun, dem Parlament einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Dies nicht 112 113 114 115

916

Vgl. auch E.B. gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 43546/02), § 49 und 94.

Rupp, 306.

Dethloff, 199 m.w.Nachw. sowie Nay, 1 ff.

Botschaft vom 29. November 2002 zum Partnerschaftsgesetz, BBl 2003 1288 1320.

zuletzt auch angesichts der nach wie vor bestehenden Vorbehalte in der Bevölkerung, der anlässlich der Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz gemachten Aussagen, wonach die eingetragene Partnerschaft aufgrund des Ausschlusses von Adoption und medizinisch unterstützter Fortpflanzung kein Institut zur Gründung einer Familie sei, sowie des Auftrags des Parlaments für die vorliegende Revision.116

2.7.2

Keine gemeinschaftliche Adoption für faktische Lebensgemeinschaften

Schon die Motion (11.4046) «Adoptionsrecht. Gleiche Chance für alle Familien» hat in ihrer ursprünglichen Fassung die Frage aufgeworfen, ob nicht nur die Stiefkindadoption, sondern auch die gemeinschaftliche Adoption für faktische Lebensgemeinschaften geöffnet werden soll. Die Frage drängt sich auch angesichts der bereits zitierten Rechtsprechung des EGMR auf, wonach die Ehe, der nach geltendem Recht die gemeinschaftliche Adoption vorbehalten ist (Art. 264a Abs. 2 ZGB), im Vergleich zur faktischen Lebensgemeinschaft heute keine bessere Stabilität mehr zu gewährleisten vermag.117 Aus dieser Aussage liesse sich ohne Weiteres die Konsequenz ziehen, dass auch unverheiratete Paare, deren Beziehung sich durch eine gewisse Stabilität auszeichnet, gemeinsam adoptieren dürfen.

Freilich ist zu bedenken, dass für eine solche Fortentwicklung des Adoptionsrechts kein unmittelbarer Auftrag des Parlaments besteht, nachdem der Nationalrat die Motion abgeändert und die gemeinschaftliche Adoption vom Auftrag an den Bundesrat ausgenommen hat. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass dann, wenn verschiedengeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaften die gemeinschaftliche Adoption ermöglicht würde, die gleiche Regelung auch für gleichgeschlechtliche faktische Lebensgemeinschaften gelten müsste. Wie der EGMR im Urteil X gegen Österreich festgehalten hat, ist es zwar zulässig, Ehepaaren besondere Privilegien zukommen zu lassen. Werden solche Vorrechte den nicht verheirateten Personen vorenthalten, ist darin aufgrund der Sonderstellung der Ehe in der Rechtsordnung keine unzulässige Ungleichbehandlung zu sehen.118 Dagegen ist es diskriminierend, faktische Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Personen anders zu behandeln als faktische Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen, wenn diese Ungleichbehandlung nur mit der sexuellen Ausrichtung des Paares begründet wird.119 Der Bundesrat ist sich bewusst, dass eine Öffnung der gemeinschaftlichen Adoption für gleichgeschlechtliche faktische Lebensgemeinschaften politisch äusserst umstritten wäre. Wie er in seiner Antwort vom 22. Februar 2012 auf die oben erwähnte Motion dargelegt hat, erachtet er die uneingeschränkte Öffnung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare zum heutigen Zeitpunkt nicht als opportun. Aus diesem Grund enthält der vorliegende
Entwurf keinen entsprechenden Vorschlag. Im Übrigen haben sich auch die Vernehmlassungsteilnehmenden sehr kritisch zu einer solchen Öffnung der gemeinschaftlichen Adoption geäussert.

116 117 118 119

Vgl. Ziff. 1.7.1 zu Motion 11.4046.

Vgl. Ziff. 1.5.4.

X gegen Österreich (Beschwerde Nr. 19010/07), § 106.

X gegen Österreich (Beschwerde Nr. 19010/07), § 130.

917

2.7.3

Keine zivilstandsunabhängige Einzeladoption

Vom Bundesrat nicht weiterverfolgt wird die im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagene zivilstandsunabhängige Einzeladoption, nachdem sich eine grosse Zahl von Vernehmlassungsteilnehmenden dezidiert gegen eine derart weitgehende Öffnung der Einzeladoption ausgesprochen hat. Die unklare Stellung des nicht adoptionswilligen Ehegatten oder der nicht adoptionswilligen eingetragenen Partnerin bzw. des nicht adoptionswilligen eingetragenen Partners gegenüber dem Adoptivkind bringe dieses in eine unzumutbare Situation; eine derart ausgestaltete Einzeladoption, der ohnehin Ausnahmecharakter zukomme, liege regelmässig nicht im Interesse des Kindes und sei abzulehnen.

Somit wird inskünftig eine Einzeladoption durch verheiratete Personen oder Personen in einer eingetragenen Partnerschaft nur möglich sein, wenn die Voraussetzungen von Artikel 264b E-ZGB vorliegen.120

2.8

Rechtsvergleich

2.8.1

Adoptionsvoraussetzungen

2.8.1.1

Mindest- und Höchstalter sowie Altersunterschied zwischen Kind und adoptionswilliger Person

Manche Staaten in Europa kennen überhaupt kein Mindestalter für die Adoption eines Kindes. In England liegt das Mindestalter bei 21 Jahren.121 In Deutschland beträgt das Mindestalter für Adoptiveltern 25 Jahre, wobei bei Ehepaaren einer der Ehegatten dieses Alter unterschreiten darf, jedoch mindestens 21 Jahre alt sein muss.122 In Österreich muss der Adoptivvater mindestens 30, die Adoptivmutter mindestens 28 Jahre alt sein. Bei einer gemeinschaftlichen Adoption durch Ehegatten sowie bei einer Stiefkindadoption können diese Altersgrenze unterschritten werden, wenn zwischen dem Adoptivkind und den Adoptiveltern «bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht».123 Frankreich erlaubt eine Adoption ab 28 Jahren.124 Verschiedene Staaten wie beispielsweise Deutschland, Österreich, Schweden oder Norwegen125 kennen auch ein Höchstalter für Adoptiveltern, das in der Regel bei 40 oder 45 Jahren festgelegt wird. Andere Rechtsordnungen sehen dagegen einen minimalen Altersunterschied und teilweise auch einen maximalen Altersunterschied zwischen den Adoptiveltern und dem Adoptivkind vor, wobei der minimale Altersunterschied zwischen 14 und 18 Jahren und der maximale Altersunterschied zwischen 40 und 45 Jahren liegt.126

120 121 122 123 124 125 126

918

Vgl. dazu Ziff. 2.3.2.

sec. 50 und 51 Adoption and Children Act 2002 § 1743 BGB § 180 AGBG Art. 343 und 343-1 Code Civil Vgl. dazu den Bericht des Bundesrates über die Adoptionen in der Schweiz, 8.

Vgl. dazu die Übersicht im Bericht des Bundesrates über die Adoptionen in der Schweiz, 8.

2.8.1.2

Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare

Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats hat im Jahr 2011 eine umfassende Studie zur Situation gleichgeschlechtlich orientierter Personen in Europa veröffentlicht, in der auch die Adoption thematisiert wird.127 Erlaubt sind gleichgeschlechtlichen Paaren die Stiefkindadoption und die gemeinschaftliche Adoption zurzeit in Belgien, Dänemark, Island, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden und Grossbritannien, nur die Stiefkindadoption sodann in Finnland und in Deutschland.

Der Deutsche Bundestag hat das Adoptionsrecht Ende Mai 2014 erweitert, indem Personen in eingetragenen Lebenspartnerschaften das bereits adoptierte Kind ihrer Partnerin oder ihres Partners ebenfalls adoptieren dürfen (Sukzessivadoption).

Belgien hat Anfang Mai 2014 die Mitelternschaft für lesbische Paare eingeführt: Künftig besteht die Elternschaft von Gesetzes wegen bei Kindern, die in eine solche Beziehung hineingeboren werden, sowie für nichteheliche Kinder nach einer Anerkennung durch die lesbische Partnerin der Mutter; in diesen Fällen ist eine Adoption nicht mehr notwendig, setzt aber voraus, dass keine anerkannte Vaterschaft existiert.

In Österreich wurde als Folge der Verurteilung durch den EGMR zumindest die Stiefkindadoption auch den gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht, während die gemeinschaftliche Adoption nach wie vor nicht möglich ist. In Frankreich hat das französische Parlament 2013 ein Gesetz verabschiedet, das es gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, eine Ehe einzugehen; damit werden sie auch im Hinblick auf die Adoption den Ehepaaren gleichgestellt.

2.8.1.3

Stiefkindadoption in faktischen Lebensgemeinschaften

Die Mehrheit der europäischen Staaten beschränkt die Möglichkeit der Stiefkindadoption auf verheiratete Paare. Mindestens zehn Rechtsordnungen lassen eine Stiefkindadoption aber auch bei unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften, sogenannten faktischen Lebensgemeinschaften, zu. Dies betrifft Belgien, Island, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Russland, Slowenien, Spanien, die Ukraine sowie das Vereinigte Königreich.128

2.8.2

Adoptionsgeheimnis

Das Adoptionsgeheimnis wirkt sich sowohl auf adoptierte Kinder als auch auf ihre leiblichen Eltern aus. Während jedoch der Anspruch der Kinder, Auskunft über ihre Herkunft zu erhalten, von den meisten Rechtsordnungen grundsätzlich bejaht, wenn auch in unterschiedlicher Art umgesetzt wird, besteht gegenüber einem allfälligen Anspruch der leiblichen Eltern auf Informationen über das zur Adoption freigegebene Kind eine grosse Zurückhaltung.

127

La discrimination fondée sur l'orientation sexuelle et l'identité de genre en Europe, Strasbourg 2011.

128 Die vorliegende Information stammt aus einer Zusammenstellung, die der EGMR im Hinblick auf das Urteil X gegen Österreich (Beschwerde 19010/07), § 56 f., hat erstellen lassen.

919

2.8.2.1

Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung

Hinsichtlich der Regelung der Frage, ob ein Kind einen Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat, bestehen grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen.129 Auf der einen Seite stehen Länder wie beispielsweise Serbien, die dem Kind unabhängig von seinem Alter einen Anspruch auf Kenntnisgabe seiner Eltern einräumen, oder Schweden, das den gleichen Anspruch dem ausreichend reifen Kind zugesteht. Auch in den Niederlanden hat das Kind einen entsprechenden Anspruch, das dem Recht der leiblichen Eltern auf Erhaltung des Adoptionsgeheimnisses vorgeht. Dagegen wird beispielsweise in Deutschland der Anspruch des Kindes im Rahmen einer Interessenabwägung dem Persönlichkeitsrecht der Eltern gegenübergestellt. Auf der anderen Seite steht etwa Russland, das dem Kind keinen Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung einräumt. Auch Frankreich kennt nach wie vor die Möglichkeit der anonymen Geburt («accouchement sous X»); anonym geborene Kinder haben keinen Anspruch darauf, die Identität ihrer Eltern zu erfahren.130 Bei Adoptionen gehen viele europäische Rechtsordnungen (beispielsweise Belgien, Bulgarien, Dänemark, England und Wales, Finnland, Griechenland, Malta, die Niederlande, die Slowakei und Spanien) davon aus, dass das Adoptivkind mit Erreichen der Volljährigkeit Informationen über seine leiblichen Eltern erhalten kann.131

2.8.2.2

Anspruch der leiblichen Eltern auf Informationen im Rahmen einer Inkognito-Adoption

Dass leibliche Eltern grosse Mühe haben, Informationen über die einst von ihnen zur Adoption freigegebenen Kinder zu erhalten, ist vorwiegend eine Folge der im europäischen Raum dominierenden Inkognito-Adoption. Demgegenüber bieten halboffene oder offene Adoptionsformen132 Möglichkeiten, den Informationsbedarf leiblicher Eltern von vornherein ganz oder zumindest bis zu einem gewissen Grad zu befriedigen.133 Was einen allfälligen Anspruch der leiblichen Eltern anbelangt, Informationen über das von ihnen zur Adoption freigegebene Kind zu erhalten, so hat eine informelle Umfrage des Bundesamtes für Justiz bei den Zentralbehörden für Adoption in den europäischen Ländern Anfang 2014 ergeben, dass leibliche Eltern in keinem dieser Länder einen eigentlichen Rechtsanspruch auf Information haben, und zwar weder bezüglich allgemeiner Informationen über die Entwicklung des Kindes noch über Angaben zu seiner neuen Identität oder derjenigen seiner Adoptiveltern. Die Bestimmung über das Adoptionsgeheimnis legt meist klar fest, dass ohne die Zustimmung der Adoptiveltern beziehungsweise des Adoptivkindes keine Informationen weitergegeben oder ausgeforscht werden dürfen (stellvertretend für andere Länder: Deutschland134). In Österreich haben die leiblichen Eltern bei einer Inkognito129 130

131 132 133 134

920

Vgl. zum Ganzen ausführlich Lowe, 24 ff.

Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat die Anonymität der Mutter in einem Entscheid aus dem Jahr 2003 ausdrücklich geschützt, Odièvre gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 42326/98).

Lowe, 25.

Siehe Ziff. 2.8.2.

Zum Ganzen auch Schwenzer, Gutachten, 38.

§ 1758 BGB (Offenbarungs- und Ausforschungsverbot)

Adoption lediglich im Zeitpunkt der Adoption einen Anspruch, über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Adoptiveltern in allgemeiner Weise informiert zu werden.135 Aber viele dieser Länder (Ausnahmen: Belgien, Italien, die Niederlande, Norwegen) nehmen entsprechende Anfragen seitens der leiblichen Eltern entgegen und bemühen sich, die gewünschten Informationen, sofern vorhanden, zu bekommen, und zwar entweder aus den Akten oder durch das Einholen der notwendigen Genehmigungen bei Adoptiveltern oder Adoptivkindern; insbesondere identifizierende Informationen werden jedoch nur dann weitergegeben, wenn die Adoptiveltern zugestimmt haben. Ist das Kind urteilsfähig, so verlangen die Behörden teilweise auch seine Zustimmung (Luxemburg). Ist das Kind bereits volljährig, so genügt in allen Ländern seine alleinige Zustimmung. Dänemark sieht in einem solchen Fall jedoch vor, dass die zuständige Behörde auch die Adoptiveltern über die Anfrage der leiblichen Eltern informiert, und zwar noch bevor das Adoptivkind davon erfährt; dieses Vorgehen soll den Adoptiveltern die Möglichkeit geben, das volljährige Kind allenfalls darauf vorzubereiten, dass die Behörde mit ihm Kontakt aufnehmen wird, weil eine Anfrage seiner leiblichen Eltern vorliegt. Nach litauischem Recht hat das adoptierte Kind zwar ab dem 14. Altersjahr Zugang zu Informationen über seine Herkunft; leiblichen Eltern oder anderen nahen Angehörigen des Kindes werden Informationen jedoch nur dann erteilt, wenn das zuständige Gericht die Erlaubnis dazu gibt; eine allfällige Zustimmung des Adoptivkindes oder der Adoptiveltern genügt nicht. In Italien wird das Thema des Zugangs zu Informationen für leibliche Eltern diskutiert, während die irischen Bestimmungen die Möglichkeit vorsehen, dass Adoptiveltern und Adoptivkinder im Voraus ein gerichtliches Kontaktverbot gegenüber den leiblichen Eltern erwirken können.

In Kanada ist der Zugang zu Informationen über das adoptierte Kind auf Provinzebene geregelt. Dabei gewähren einige Provinzen offenen Zugang136 zu den Adoptionsunterlagen sowohl für Adoptierte als auch für deren leibliche Eltern, sobald das Adoptivkind volljährig geworden ist. Die Behörden der übrigen Provinzen137 bieten demgegenüber keinen offenen Zugang an, nehmen jedoch Suchanfragen entgegen und behandeln diese auch. In Provinzen
mit offenem Zugang zu den Adoptionsunterlagen können Adoptivkinder, deren Adoption unter altem Recht erfolgt ist, sowie ihre leiblichen Eltern schriftlich ihr Veto gegen eine Weitergabe von Informationen über ihre Identität einlegen. Unabhängig vom Zeitpunkt der Adoption ist es zudem beiden Personengruppen möglich, eine «No-Contact Declaration» abzugeben: Die anfragende Person erhält dann zwar entsprechend Auskunft, muss sich aber verpflichten, keinen Kontakt mit der gesuchten Person aufzunehmen; tut sie es dennoch, drohen Gefängnis oder Busse138. Die leiblichen Eltern können das «Veto» und die «No-Contact Declaration» jederzeit abgeben; dem Adoptivkind ist dies mit Erreichen der Volljährigkeit möglich.

135 136

§ 88 (2) des Ausserstreitgesetzes Dazu gehören: Alberta, British Columbia, New Foundland und Labrador, Ontario und das Yukon Territory.

137 Dazu gehören: Manitoba, Northwest Territories, Nova Scotia, Nunavut, Prince Edward Island.

138 British Columbia sieht Haft bis 6 Monate oder Busse bis 10 000 CAD vor (https://www.vs.gov.bc.ca > Adoptios > Release of Adoption Records in British Columbia), Ontario eine Busse bis zu 50 000 CAD (www.ontario.ca/ > Search for Adoption Records > Information about «How to request information about an adoption you were involved in»).

921

In den USA139, sind die Bestimmungen uneinheitlicher. Bezüglich identifizierender Informationen erlauben nahezu alle Gliedstaaten deren Herausgabe, sofern die gesuchte Person zugestimmt hat. Geht die Zustimmung nicht aus den Akten hervor, werden diese Informationen nur auf Gerichtsbeschluss und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes herausgegeben. In 37 Gliedstaaten ist die Herausgabe identifizierender Informationen nicht auf Adoptivkinder und leibliche Eltern beschränkt, sondern steht auch anderen Kindern der leiblichen Eltern offen, wenn das volljährige Adoptivkind und die leiblichen Eltern der Herausgabe zugestimmt haben. 31 Gliedstaaten haben dafür Register geschaffen, in denen festgehalten ist, wie sich die an einer Adoption beteiligten Personen zu einer Weitergabe von Informationen und zu einem allfälligen Kontakt stellen. Gliedstaaten, die keine solchen Register eingeführt haben, bieten andere Wege an, um zu identifizierenden Informationen zu gelangen.

Dieser Weg führt meist über öffentliche oder private Institutionen, bei denen die Zustimmung der gesuchten Person entweder schon vorliegt oder die sich um deren Zustimmung bemühen. In einigen Staaten haben gewisse anerkannte Organisationen Zugang zu den sonst verschlossenen Adoptionsunterlagen.

2.8.2.3

Offene und halboffene Adoption

Anders als bei einer Inkognito- oder geheimen Adoption haben leibliche Eltern bei halboffenen oder offenen Adoptionen von Anfang an Zugang zu bestimmten Informationen über das von ihnen zur Adoption freigegebene Kind. Insbesondere die offene Adoption ermöglicht den leiblichen Eltern in manchen Fällen einen direkten Kontakt zu den Adoptiveltern und über diese zum Adoptivkind, sodass sich die Frage nach Informationsrechten dort nicht oder nicht in demselben Umfang wie bei einer Inkognito-Adoption stellt.

In den europäischen Rechtsordnungen gilt die geheime Adoption als Regelfall, wobei in der Praxis zunehmend offenere Adoptionsformen anzutreffen sind, die jedoch gesetzlich meist nicht geregelt sind. Daher sind häufig selbst vertraglich zwischen Adoptiveltern und leiblichen Eltern vereinbarte Kontaktrechte rechtlich nicht durchsetzbar.140 Eine Ausnahme ist Österreich, wo sich die leiblichen Eltern selbst bei einer von der Behörde vermittelten Adoption die Form der Adoption aussuchen können. Anzutreffen sind solche offenen oder halboffenen Adoptionsformen insbesondere zumeist dort, wo ältere Kinder adoptiert werden, die im Rahmen von Kindesschutzmassnahmen aus dem angestammten Familienverband ausscheiden. Das ist beispielsweise in England bei Kindern mit «special needs» der Fall. In Finnland können reine Inlandadoptionen in einer offenen Form gestaltet: Wenn leibliche Eltern und Adoptiveltern sich über einen gegenseitigen Kontakt geeinigt haben, genehmigt das Gericht, welches auch die Adoption ausspricht, diese Vereinbarung (während des Adoptionsvorgangs oder danach), sofern das Wohl des Kindes dadurch nicht gefährdet wird. In diesen Fällen haben die leiblichen Eltern ein Anrecht auf sämtliche Informationen über das adoptierte Kind, die aus den Akten hervorgehen. Sofern die mit den Adoptiveltern geschlossene Vereinbarung dies vorsieht, können leibliche Eltern sogar Kontakt zum adoptierten Kind unterhalten.

139

Vgl. dazu: Child Welfare Information Gateway. (2012). Access to adoption records.

Washington, DC: U.S. Department of Health and Human Services, Children's Bureau.

140 Vgl. Pfaffinger, Geheime und (halb-)offene Adoptionen, N 199.

922

In Europa nehmen (halb)offene Adoptionen zwar zu, stellen aber nicht den Regelfall dar und sind vor allem rechtlich kaum geregelt, da die Öffnung des Inkognitos von den Adoptiveltern abhängt und auf Freiwilligkeit beruht. In den USA hingegen haben leibliche Eltern im Bereich der privaten freiwilligen Adoptionen ­ d.h. solchen, die nicht aus Gründen des Kindesschutzes und unter Entzug der elterlichen Sorge durchgeführt werden ­ aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit den Adoptiveltern Zugang zu Informationen über ihre zur Adoption freigegebenen Kinder oder sogar eine regelmässige Kontaktmöglichkeit. Solche Vereinbarungen sind in den Gliedstaaten, in denen sie vorgesehen sind (26 Gliedstaaten sowie District of Columbia), auch durchsetzbar, wenn die dafür vorgesehenen Formvorschriften (meist eine Anerkennung durch ein Gericht oder eine Behörde) eingehalten worden sind.141 Bereits 95 % der privaten nationalen Adoptionen sind in den USA als offene Adoptionen ausgestaltet. In den USA ist generell ein Trend hin zu offenen Adoptionsformen erkennbar, sodass sich die Frage nach Informationsrechten leiblicher Eltern weniger stellt.142

2.9

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung werden die Aufträge der eingangs zur Abschreibung beantragten parlamentarischen Vorstösse143 erfüllt.

3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

3.1

Zivilgesetzbuch (ZGB)

Vorbemerkung: Die Bezeichnungen «Adoptiveltern» bzw. «Adoptivkind» erfahren eine Klarstellung, denn zu «Adoptiveltern» bzw. zu «Adoptivkindern» werden die betroffenen Personen erst, wenn die Adoption ausgesprochen worden ist. Zudem wird unter «Adoptiveltern» ein Paar verstanden, was der Situation bei Einzel- bzw.

Stiefkindadoptionen nicht Rechnung trägt. Neu wird der Begriff «Adoptiveltern» in den entsprechenden Bestimmungen durch «adoptionswillige Person(en)» oder «adoptierende Person(en)» ersetzt, was den Zustand vor einer Adoption deutlich zum Ausdruck bringt. Der Begriff «Adoptivkind» erscheint nur noch in Bestimmungen, welche sich auf eine erfolgte Adoption beziehen. Bei der Erwachsenenadoption wird die Bezeichnung «zu adoptierende Person» verwendet.

141

Child Welfare Information Gateway. (2011). Postadoption contract agreements between birth and adoptive families. Washington, DC: U.S. Department of Health and Human Services, Children's Bureau 142 Child Welfare Information Gateway. (2013). Openness in adoption: Building relationships between adoptive and birth families. Washington, DC: U.S. Department of Health and Human Services, Children's Bureau.

143 Motionen: 09.3026 Prelicz «Adoption ab dem zurückgelegten 30. Lebensjahr»; 09.4107 Fehr Jacqueline «Adoptionsgeheimnis»; 11.4046 Kommission für Rechtsfragen SR «Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien».

923

Art. 264

Adoption Minderjähriger. Allgemeine Voraussetzungen

Absatz 1: In Absatz 1 wird zur Verdeutlichung festgehalten, dass es sich um die Adoption Minderjähriger handelt.

Absatz 2: Im Hinblick auf die Diskussion um das Höchstalter der Adoptiveltern bzw.

den maximalen Altersunterschied zwischen Adoptivkind und Adoptiveltern144 erscheint es angebracht, die Voraussetzung gemäss Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b FMedG, wonach die Eltern voraussichtlich bis zur Volljährigkeit des Kindes für dessen Pflege und Erziehung sorgen können, auch für das Adoptionsrecht vorzusehen und ausdrücklich ins ZGB aufzunehmen. Obwohl das ZGB auch in Zukunft keine absolute Altersgrenze enthalten soll, kommt dem Alter der Adoptiveltern beim Adoptionsentscheid eine wichtige Bedeutung zu.

Art. 264a

Gemeinschaftliche Adoption

Absatz 1: Der Entwurf hält grundsätzlich daran fest, dass nur Ehegatten gemeinschaftlich adoptieren können. Für eine gemeinschaftliche Adoption verlangt der Entwurf einerseits ein Mindestalter der Adoptiveltern, andererseits eine gewisse Stabilität der Beziehung. Im Unterschied zur geltenden Regelung, die entweder das Erreichen des Mindestalters oder eine Ehe von mindestens fünf Jahren Dauer verlangt (Art. 264a Abs. 2 ZGB), müssen die beiden Adoptionsvoraussetzungen ­ Mindestalter und Mindestdauer der Beziehung ­ neu kumulativ erfüllt sein. Aus der Sicht des Kindeswohls handelt es sich bei der persönlichen Reife der Adoptiveltern, welche durch das Mindestalter indiziert wird, und der Stabilität der Beziehung, die sich neu im Bestehen eines gemeinsamen Haushalts während mindestens drei Jahren manifestiert, um zwei selbstständig zu erfüllende Voraussetzungen. Zu beachten ist, dass die Voraussetzung einer dreijährigen Beziehungsdauer grunsätzlich nur dann erfüllt ist, wenn das Paar während dieser Zeit ununterbrochen in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt hat. Dies schliesst kürzere Unterbrüche des Zusammenlebens beispielsweise infolge beruflich bedingter Auslandsaufenthalte oder eines Sprachaufenthaltes von wenigen Wochen Dauer nicht generell aus. Anders zu beurteilen sind hingegen Beziehungsunterbrüche (kürzere oder längere Trennungen des Paares), weil diese die Stabilität der Beziehung grundsätzlich in Frage stellen.

Absatz 2: Wenn das Kindeswohl es gebietet, darf vom Mindestalter abgewichen werden. Das bedeutete nicht, dass das Kindeswohl durch die Abweichung gewahrt bleibt oder nicht gefährdet wird. Es geht vielmehr darum, dass Gründe vorliegen müssen, die eine Abweichung notwendig machen, wie beispielsweise eine bereits bestehende enge Bindung zum Kind. Die adoptionswilligen Ehegatten müssen die Notwendigkeit der Abweichung hinreichend begründen und darlegen, warum diese im konkreten Fall im Interesse des Kindeswohls geboten ist.

Während vom vorausgesetzten Mindestalter aus Gründen des Kindeswohls im Einzelfall abgewichen werden kann, soll von der vorausgesetzten Beziehungsdauer nicht abgewichen werden können. Die Stabilität der Beziehung lässt sich letztlich auf keine andere vergleichbare Art und Weise darlegen, d.h. eine Adoption ist ausgeschlossen, wenn und solange die betreffende Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Adoption wird im Einzelfall allerdings nicht generell ausgeschlossen, sondern allenfalls hinausgeschoben.

144

924

Dazu oben 2.2.4.

Schliesslich soll die Stiefkindadoption, die heute in Artikel 264a Absatz 3 ZGB geregelt ist, neu in einen separaten Artikel 264c ZGB aufgenommen werden, denn es handelt sich in der Sache nicht um eine gemeinschaftliche Adoption.145 Die Begründung der bisherigen Platzierung bei der gemeinschaftlichen Adoption ­ dass die Stiefkindadoption ein gemeinschaftliches eheliches Kindesverhältnis schafft146 ­ überzeugt aus heutiger Sicht nicht mehr.

Art. 264b

Einzeladoption

Absatz 1: Nach geltendem Recht ist eine Einzeladoption grundsätzlich nur möglich, wenn die adoptierende Person unverheiratet ist und nicht in einer eingetragenen Partnerschaft lebt (vgl. Art. 28 PartG). Dies soll auch weiterhin so bleiben; der Absatz bekräftigt damit den Ausnahmecharakter der Einzeladoption, die einem Kind nur einen Elternteil gibt. Das Mindestalter wird, wie bei der gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes (Art. 264a E-ZGB), auf 28 Jahre herabgesetzt.

Absatz 2: Ausnahmsweise darf auch eine verheiratete Person alleine adoptieren, wenn sich die gemeinschaftliche Adoption als unmöglich erweist. Die Voraussetzungen entsprechen dem bisherigen Recht (Art. 264b Abs. 2 ZGB).

Absatz 3: Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Einzeladoption neu auch für Personen in einer eingetragenen Partnerschaft möglich sein, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese entsprechen grundsätzlich denjenigen, die auch für verheiratete Personen gelten. Ausgenommen ist die Trennung nach Artikel 117 ZGB, zu der es in der eingetragenen Partnerschaft keine Entsprechung gibt.

Absatz 4: Auch bei der Einzeladoption soll vom Mindestalter abgewichen werden können, wenn das Kindeswohl dies verlangt. Es gibt keinen Grund, die Einzeladoption in diesem Punkt anders und damit weniger flexibel auszugestalten als die gemeinschaftliche Adoption. Nähere Angaben dazu finden sich in den Erläuterungen zu Artikel 264a Absatz 2 E-ZGB.

Art. 264c

Stiefkindadoption

Die Stiefkindadoption soll als besonderer Fall der Adoption neu in einem separaten Artikel geregelt werden. Auch für die Stiefkindadoption ist eine gewisse Reife der adoptionswilligen Person Voraussetzung. Diese wird jedoch wie bis anhin im Rahmen der Untersuchung gemäss Artikel 268a geprüft. Auch die neue Bestimmung verzichtet ganz bewusst auf eine Alterslimite, denn bei der Stiefkindadoption geht es nicht darum, auf dem Rechtsweg Kindesverhältnisse zwischen einander fremden Personen zu schaffen, sondern die gelebte Realität in einer Patchwork-Familie rechtlich abzusichern.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Stiefkindadoption ebenso gewissenhaft zu prüfen ist, ob sie dem Wohl des betroffenen Kindes dient, wie bei allen anderen Adoptionsformen auch. Artikel 264 gilt für die Stiefkindadoption in gleicher Weise.

Absatz 1: Mit der Überweisung der Motion 11.4046 hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, die Stiefkindadoption für alle eheähnlichen Lebensgemeinschaften zu öffnen. Damit sollen sowohl Personen in einer eingetragenen Partnerschaft als auch 145 146

CHK-Biderbost, Art. 264a N 4; Pfaffinger, Adoption durch eine Einzelperson, 152.

BK-Hegnauer, Art. 264a N 9.

925

Personen in einer verschieden- oder gleichgeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit erhalten, das Kind der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bzw. der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners zu adoptieren. Bei einer faktischen Lebensgemeinschaft stellt sich jedoch die Frage, woran man erkennen kann, ob sie stabil genug ist, um eine erfolgreiche Stiefkindadoption zu gewährleisten. Bei einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft sind es die zivilstandsamtlichen Akte, die das entsprechende Zeichen setzen. Bei den faktischen Lebensgemeinschaften liegt es nahe, aus dem andauernden Bestehen eines gemeinsamen Haushalts auf die Stabilität der Beziehung zu schliessen. Wie unter Ziffer 2.2.1 dargelegt, soll neu bei allen drei Paarkonstellationen auf das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts während mindestens drei Jahren abgestellt werden. Für den Begriff des gemeinsamen Haushalts kann auf die bereits gemachten Ausführungen verwiesen werden.147 Aufgrund des Abstellens auf einen gemeinsamen Haushalt kann ein Ehepaar auch dann ein Adoptionsverfahren einleiten, wenn es erst ein Jahr verheiratet ist, vor der Heirat aber bereits seit mehreren Jahren zusammengelebt hat.

Im Übrigen ist an der bisherigen Praxis zu Artikel 264a Absatz 3 ZGB festzuhalten.

Absatz 2: Das Paar muss nachweisen, dass seine Beziehung eine gewisse Stabilität aufweist, indem es formell seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt. Ein Mindestalter ist nicht vorausgesetzt. Wie bei der gemeinschaftlichen Adoption wird dabei ein ununterbrochenes Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt vorausgesetzt (vgl. dazu den Kommentar zu Art. 264a Abs. 1 E-ZGB).

Absatz 3: Eine weitere Voraussetzung für die Stiefkindadoption besteht darin, dass im Falle einer faktischen Lebensgemeinschaft weder die adoptierende Person noch der leibliche Elternteil durch eine Ehe oder eine eingetragenen Partnerschaft mit einer Drittperson gebunden sein darf. Bei der Stiefkindadoption wird nicht ein natürliches Kindesverhältnis zu einem leiblichen Elternteil hergestellt. Vielmehr übernimmt eine Person freiwillig die Rolle eines Elternteils gegenüber einem Kind, das ihr eigentlich fremd ist. Es macht keinen Sinn und würde wohl auch nicht dem Kindeswohl entsprechen, eine solche Bindung einzugehen, wenn der zukünftige Adoptivelternteil bzw. der leibliche Elternteil in einer anderen Paarbeziehung (Ehe oder eingetragene Partnerschaft) engagiert ist.

Art. 264d

Altersunterschied

Die bestehenden Regeln zum Altersunterschied (Art. 265 ZGB und Art. 5 Abs. 4 AdoV) werden neu in einer einzigen Bestimmung zusammengefasst und von der Regelung über die Zustimmung des Kindes getrennt. Zudem wird klargestellt, dass sowohl vom minimalen als auch vom maximalen Altersunterschied abgewichen werden kann, wenn die Abweichung im Interesse des Kindeswohls geboten ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn mehrere Stiefkinder durch einen Stiefelternteil adoptiert werden sollen, der Altersunterschied zwischen einem der Kinder und dem Stiefelternteil aber entweder mehr als 45 oder weniger als 16 Jahre beträgt. Damit auch ein solches Kind in die neue Familie integriert und mit seinen Geschwistern vom Stiefelternteil adoptiert werden kann, darf im konkreten Fall vom gesetzlichen minimalen bzw. maximalen Altersunterschied abgewichen werden. Zusätzliche Ausführungen dazu finden sich in den Erläuterungen zu Artikel 264a Absatz 2 E-ZGB. Die Begrenzungen des zulässigen Altersunterschieds sollen sicherstellen, 147

926

Dazu oben Ziff. 2.2.1.

dass zwischen Adoptivelternteil und Adoptivkind eine dem natürlichen Kindesverhältnis nachgebildete Situation entsteht. In der Regel liegen mindestens 16 Jahre zwischen einem Elternteil und seinem Kind, meist ist der Altersunterschied grösser.

Auch die obere Grenze von 45 Jahren, die ebenfalls heute schon gilt, entspricht der Mehrheit der Kindesverhältnisse, auch wenn es Fälle gibt, bei denen der Altersunterschied grösser ist. Die Bestimmung schliesst einen solchen Fall auch bei einem durch Adoption entstehenden Kindesverhältnis nicht gänzlich aus. Sie will jedoch sicherstellen, dass ein Adoptivkind wenn immer möglich seine Adoptiveltern nicht bereits vor seiner Volljährigkeit verliert. Ist der Altersunterschied grösser, so rückt er nicht nur in die Nähe eines Enkelkind-Grosseltern-Verhältnisses, sondern es vergrössert sich auch das Risiko, dass ein Adoptivelternteil verstirbt, ehe das Kind erwachsen ist.

Art. 265

Zustimmung des Kindes und der Kindesschutzbehörde

Absatz 1: Dass das Kind der Adoption zustimmen muss, wenn es urteilsfähig ist, findet sich neu in Absatz 1 von Artikel 265 (ehemals Abs. 2).

Absatz 2: Das Zustimmungserfordernis seitens der Kindesschutzbehörde findet sich neu in Absatz 2 (ehemals Abs. 3). Neu ist die Zustimmung der Kindesschutzbehörde (KESB) nicht nur dann erforderlich, wenn das Kind bevormundet, sondern auch, wenn es verbeiständet ist.

Art. 265a Randtitel und Abs. 3 Im Randtitel wird lediglich die Nummerierung an die neue Gliederung angepasst.

In Absatz 3 wird der Begriff «Adoptiveltern» durch «adoptionswillige Personen» ersetzt (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB).

Art. 265c

Absehen von der Zustimmung. Voraussetzungen

In Artikel 265c wird Ziffer 2 gestrichen, wonach von der Zustimmung eines Elternteils abgesehen werden kann, wenn er sich nicht ernstlich um das Kind gekümmert hat. Eine solche Entwicklung liegt meist nicht im Verhältnis zum Kind begründet, sondern im Verhältnis zwischen den Eltern. Gerade mit Blick auf die Problematik der Stiefkindadoption ist dieser Grund für das Absehen von der Zustimmung eines Elternteils besonders heikel. Im Übrigen kann die Neuregelung des Sorgerechts und damit verbunden die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall dazu beitragen, dass es nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern nicht zu einer völligen Entfremdung zwischen dem Kind und einem Elternteil kommt. Daher hat eine solche Bestimmung heute keine Berechtigung mehr.

Art. 265d Abs. 1 und 3 In Absatz 1 wird der Begriff «Adoptiveltern» durch «adoptionswillige Personen» ersetzt (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB). Zudem kann neu auch die mit der Vormundschaft oder der Beistandschaft betraute Person ein Gesuch stellen, mit dem verlangt wird, von der Zustimmung eines Elternteils abzusehen. Zusätzlich wurde die Formulierung geändert. Neu spricht der Gesetzestext nicht mehr davon, dass ein Kind zum Zweck der späteren 927

Adoption untergebracht wird, sondern dass es zu diesem Zweck adoptionswilligen Personen anvertraut wird. Die Unterbringung wird im ZGB primär in anderen Zusammenhängen ­ so etwa bei der fürsorgerischen Unterbringung ­ verwendet und passt nicht für eine Situation, bei der ein Kind aufgenommen wird, um in der Folge adoptiert zu werden. Diese Umformulierung bedingt weitere Anpassungen von Absatz 1.

Absatz 3: Mit Blick auf die Streichung von Artikel 265c Ziffer 2 muss Absatz 3 von Artikel 265d aufgehoben werden.

Art. 266

Adoption einer volljährigen Person

Absatz 1: Auch nach neuem Recht soll es grundsätzlich möglich sein, volljährige Personen zu adoptieren. Die Erwachsenenadoption soll zukünftig aber auch dann möglich sein, wenn die adoptierenden Personen bereits eigene Nachkommen haben, immer vorausgesetzt, dass die übrigen Voraussetzungen von Artikel 266 ZGB erfüllt sind. Die Zeit, während der die zukünftigen Adoptiveltern die zu adoptierende Person betreut oder mit ihr im gleichen Haushalt gelebt haben müssen, wird von aktuell fünf auf ein Jahr gesenkt; es gibt keinen Grund, warum diese Betreuungszeit fünfmal so lange dauern soll wie bei einer Minderjährigenadoption. Zudem werden die teilweise etwas antiquiert wirkenden Formulierungen in den Ziffern 1­3 dem heutigen Sprachgebrauch angepasst.

Absatz 2: Die Bestimmung von Absatz 3, wonach auf die Adoption volljähriger Personen die Bestimmungen über die Adoption Minderjähriger sinngemäss Anwendung finden, steht neu in Absatz 2. Sie hat indessen eine Präzisierung erfahren, indem nun erstmals im Gesetz selbst festgehalten ist, dass der Verweis die Bestimmung über die Zustimmung der leiblichen Eltern nicht mitumfasst.

Die ehemalige Bestimmung von Absatz 2 wird aufgehoben: Neu braucht es die Zustimmung des Ehegatten nicht mehr, wenn eine erwachsene Person adoptiert wird. Ein solches Zustimmungsrecht greift zu sehr in das Persönlichkeitsrecht der zu adoptierenden Person ein. Hingegen soll die Einstellung von Personen des nahen Umfelds sowohl auf Seiten der adoptionswilligen Personen als auch auf Seiten der zu adoptierenden Person gewürdigt werden (siehe dazu Art. 268aquater E-ZGB).

Art. 267

Wirkungen. Im Allgemeinen

Absatz 1: Hier wird der Begriff «Adoptiveltern» durch «adoptierende Person» ersetzt (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB).

Absatz 2: Da die Stiefkindadoption neu auch Personen in einer eingetragenen Partnerschaft sowie Personen in faktischen Lebensgemeinschaften zugänglich ist, muss Artikel 267 Absatz 2 ZGB entsprechend angepasst werden.148 Neu werden der Grundsatz, wonach das bisherige Kindesverhältnis erlischt, und die Ausnahme im Falle einer Stiefkindadoption getrennt voneinander in zwei Absätzen geregelt.

Absatz 2 enthält nur mehr den Grundsatz.

148

928

Vgl. auch den entsprechenden Vorschlag von Sandoz, Adoption d'un majeur, 1489.

Absatz 3: In diesem Absatz wird neu die Ausnahme geregelt, wonach bei der Stiefkindadoption das Kindesverhältnis zum Elternteil nicht erlischt, der mit der adoptierenden Person verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt.

Eine angepasste Fassung der aktuell geltenden Regelung in Absatz 3 über die Änderung des Vornamens des Adoptivkindes findet sich neu in Absatz 1 von Artikel 267a E-ZGB.

Art. 267a

Name

Neu wird die Frage der Änderung des Vornamens und des Namens (Namensführung) in einem eigenen Artikel geregelt.

Absatz 1: Es soll klargestellt werden, dass die (heute in Art. 267 Abs. 3 ZGB vorgesehene) Möglichkeit, dem Kind einen neuen Vornamen zu geben, nur bei der gemeinschaftlichen Adoption und der Einzeladoption, nicht aber bei der Stiefkindadoption und der Erwachsenenadoption besteht, und auch dort nur dann, wenn achtenswerte Gründe vorliegen. Damit steht die Änderung des Vornamens bei der Adoption in Einklang mir dem neuen Wortlaut von Artikel 30 ZGB. In Anlehnung an die Bestimmung in Artikel 270b ZGB, wonach das Kind, welches das 12. Altersjahr zurückgelegt hat, der Änderung seines Namens zustimmen muss, wird auch bei der Änderung des Vornamens die Zustimmung des urteilsfähigen Kindes verlangt, wenn es mindestens zwölf Jahre alt ist. Ist das Kind noch nicht urteilsfähig, so ist es zumindest anzuhören.

Absatz 2: Dieser Absatz verweist bezüglich der Namensführung ausdrücklich auf die Anwendung der Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses und erklärt die Artikel 270­270b ZGB auf die Frage für anwendbar, welchen Namen das adoptierte Kind tragen wird. Auf die Namensführung eines Kindes, das durch die faktische Lebenspartnerin oder den faktischen Lebenspartner der Mutter oder des Vater adoptiert wird, ist beispielsweise Artikel 270a anwendbar. Bezüglich des Namens eines Kindes, das von der eingetragenen Partnerin seiner Mutter oder vom eingetragenen Partner seines Vaters adoptiert wird, erklärt Absatz 2 die Artikel 270 und 270b für sinngemäss anwendbar.

Absatz 3: Inskünftig soll die erwachsene Person, die adoptiert wird, erklären können, ob sie ihren bisherigen Namen beibehalten will oder den Namen der Adoptiveltern annehmen möchte. Diese Regelung steht im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Erwachsenenadoption149, wonach der Wunsch, nach der Adoption den bisherigen Namen weiterzuführen, die enge Verbindung zwischen dem Namen und der Persönlichkeit zum Ausdruck bringt und als achtenswerter Grund im Sinne von Artikel 30 Absatz 1 ZGB genügt. Das separate Verfahren nach Artikel 30 Absatz 1 ZGB, für das eine andere Behörde zuständig ist, erscheint im Falle der Erwachsenenadoption nicht sachgerecht.

Art. 267b

Bürgerrecht

Die Bestimmung entspricht Artikel 267a des geltenden Rechts. In Absatz 1 wird der Begriff «Adoptivelternteil» durch «adoptierende Person» ersetzt (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB).

149

BGE 137 III 97

929

Art. 268

Verfahren. Im Allgemeinen

Absatz 1: Absatz 1 nimmt Bezug auf Artikel 316 Absatz 1bis ZGB, wonach eine einzige kantonale Behörde zuständig ist, wenn ein Kind zum Zweck der späteren Adoption aufgenommen wird. Diese Behörde am Wohnsitz der adoptierenden Person ist somit für das Adoptionsverfahren zuständig. Ersetzt wird zudem der Begriff «Adoptiveltern» durch «adoptierende Person» (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB).

Absatz 2: Die Praxis zeigt, dass adoptionswillige Personen mit Blick auf die zu erwartende Dauer des gesamten Adoptionsverfahrens ein Gesuch einreichen möchten, noch bevor sie sämtliche Adoptionsvoraussetzungen erfüllen. Absatz 2 stellt nun klar, dass die Adoptionsvoraussetzungen bereits zum Zeitpunkt des Einreichens des Adoptionsgesuchs erfüllt sein müssen. Darunter wird nicht das Gesuch am Ende der einjährigen Pflegezeit verstanden, sondern der Verfahrensschritt, der zur Eignungsabklärung adoptionswilliger Personen und bei positivem Ausgang zur Ausstellung der Einigungsbescheinigung führt, die wiederum zur Aufnahme eines Kindes zum Zweck der späteren Adoption berechtigt.

Absatz 3: Diese Bestimmung entspricht Artikel 268 Absatz 2 des geltenden Rechts.

Absatz 4: Diese Bestimmung entspricht Artikel 268 Absatz 3 des geltenden Rechts.

Absatz 5: Absatz 5 bestimmt, dass alle für die Eintragung in das Personenstandsregister erforderlichen Angaben im Adoptionsentscheid enthalten sein müssen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Wirkungen der Adoption auf den Vornamen, den Namen und das Bürgerrecht des adoptierten Kindes. Die bisherigen Adoptionsentscheide äussern sich dazu häufig nicht, was bei der Eintragung in das Personenstandsregister zu Unklarheiten oder gar Streitigkeiten führen kann. Der Entscheid hat somit zumindest folgende für die registerrechtliche Behandlung erforderlichen persönlichen Angaben zu enthalten: Name und Vorname(n) der zu adoptierenden Person vor und nach der Adoption sowie das mit der Adoption erworbene Bürgerrecht; Name und Bürgerrecht derjenigen adoptierenden Person, deren Namen das adoptierte Kind tragen wird; den Vorbehalt des Fortbestehens des Kindesverhältnisses zu einem Elternteil bei einer Stiefkindadoption.

Art. 268a Abs. 2 und 3 In Absatz 2 werden die Begriffe «Adoptiveltern» und «Adoptivkind» durch «adoptionswillige Personen»
bzw. «Kind» ersetzt (vgl. dazu die Vorbemerkung zu den Erläuterungen der einzelnen Artikel des ZGB).

Absatz 3 wird formal aufgehoben, sein Inhalt aus Gründen der Systematik nach Artikel 268aquater Absatz 1 verschoben.

Art. 268abis

Anhörung des Kindes

Absatz 1: Wie in Ziffer 2.4 ausgeführt, soll im Gesetz ausdrücklich verankert werden, dass das Kind vor der Adoption anzuhören ist, und zwar auch dann, wenn es in Bezug auf die Adoption noch nicht als urteilsfähig anzusehen ist und deshalb der Adoption nicht formell zustimmen muss. Die Formulierung entspricht Artikel 298

930

Absatz 1 der Zivilprozessordnung150, der den gleichen Grundsatz für die eherechtlichen Verfahren festhält.

Absatz 2: Über die Anhörung ist ein Protokoll zu führen.

Absatz 3: Wird die Anhörung verweigert, so kann das urteilsfähige Kind die Verweigerung selbstständig mit Beschwerde anfechten.

Art. 268ater

Vertretung des Kindes

Absatz 1: Entsprechend den Vorgaben von Artikel 12 UN-KRK ist dem Kind ausserdem immer dann, wenn dies erforderlich erscheint, eine Vertretung zu bestellen.

Dies kann insbesondere bei einer Stiefkindadoption der Fall sein, wenn deutlich wird, dass die Interessen des Kindes durch die Eltern nicht ausreichend gewahrt werden.

Absatz 2: Das urteilsfähige Kind kann auch von sich aus verlangen, dass ihm eine Vertretung bestellt wird.

Absatz 3: Wird die vom urteilsfähigen Kind verlangte Vertretung nicht angeordnet, so kann das Kind die Nichtanordnung selbstständig mit Beschwerde anfechten.

Art. 268aquater

Würdigung der Einstellung von Angehörigen

Neu wird in einem eigenen Artikel zusammengefasst, wessen Einstellung zu einer Adoption zu würdigen ist.

Absatz 1: Die Bestimmung entspricht dem geltenden Artikel 268a Absatz 3 ZGB.

Unabhängig von der Art der Adoption und dem Alter der zu adoptierenden Person ist die Einstellung der Nachkommen der adoptionswilligen Personen in Erfahrung zu bringen und entsprechend zu würdigen.

Absatz 2: Diese Bestimmung bezieht sich auf die Erwachsenenadoption und zählt auf, welche Angehörigen berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht, ihre Einstellung zur Adoption in Erfahrung zu bringen und zu würdigen.

Absatz 3: Der Adoptionsentscheid ist den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen zudem mitzuteilen, wenn dies möglich ist. Oftmals erfahren insbesondere die leiblichen Eltern gar nicht, dass ihr Kind inzwischen adoptiert worden ist, was beispielsweise eine Nachlassregelung verunmöglicht, welche die geänderten Umstände berücksichtigt. Nicht möglich ist eine Mitteilung dann, wenn der Aufenthaltsort, insbesondere der leiblichen Eltern, nicht bekannt ist. In einem solchen Fall kann es aber dennoch möglich sein, deren Einstellung zu einer Adoption ihres Kindes zu würdigen, wenn diese Einstellung beispielsweise aus Dokumenten hervorgeht, die dem Adoptionsgesuch beigelegt sind. Im Übrigen besteht bei der Adoption einer volljährigen Person kein grosses Bedürfnis nach Einhaltung des Adoptionsgeheimnisses.

150

SR 272

931

Art. 268b

Adoptionsgeheimnis

Absatz 1: Die gesetzliche Regelung des Adoptionsgeheimnisses wird durch eine grundsätzliche Bestimmung über dessen Inhalt und Tragweite ergänzt. Danach haben sowohl das Adoptivkind als auch die Adoptiveltern Anspruch auf Wahrung des Adoptionsgeheimnisses.

Absatz 2: Solange das Kind minderjährig ist, sollen neu aber nicht ausschliesslich die Adoptiveltern einer Bekanntgabe identifizierender Informationen an die leiblichen Eltern zustimmen können, sondern auch das urteilsfähige Kind. Dies bedeutet, dass solche Informationen nicht weitergegeben werden dürfen, bevor das Kind urteilsfähig ist und der Weitergabe auch tatsächlich zugestimmt hat. Fehlt es zudem an der Zustimmung auch nur eines Adoptivelternteils, so dürfen keine Informationen bekannt gegeben werden. Unter identifizierenden Informationen sind Informationen zu verstehen, die direkte Rückschlüsse auf die Person zulassen, über die Informationen nachgefragt werden. Das können ihre Personalien sein, aber auch Angaben, mit denen auf einfache Art herausgefunden werden kann, um wen es sich handelt. Ist beispielsweise der Adoptivvater Arzt in einem Dorf und wird der Name des Dorfes und die Berufsbezeichnung der gesuchstellenden Person bekannt gegeben, so kann die Identität unschwer ermittelt werden.

Absatz 3: In Umsetzung der Motion Fehr (09.4107) soll den leiblichen Eltern des adoptierten Kindes die Möglichkeit eingeräumt werden, zum einst zur Adoption freigegebenen Kind Kontakt aufnehmen zu können. Voraussetzung dafür ist, dass das Kind volljährig ist und in die Weitergabe der dafür notwendigen Information eingewilligt hat. Die Motion wie auch der vorliegende Entwurf sind im Vergleich zum bestehenden Auskunftsanspruch des adoptierten Kindes (Art. 268c ZGB) jedoch restriktiver formuliert: So wird keine Ausnahme vorgesehen, wenn die Auskunft verlangt wird, bevor das Kind volljährig ist, und die Auskunft soll auch nur dann erteilt werden, wenn das adoptierte Kind auf entsprechende Anfrage der zuständigen Adoptionsstelle hin der Weitergabe identifizierender Informationen zugestimmt hat. Eine solche Lösung wird auch in der Lehre als sachgerecht angesehen.151 Zusätzlich zu den leiblichen Eltern können neu auch allfällige andere Nachkommen der leiblichen Eltern ein Gesuch um Bekanntgabe identifizierender Informationen stellen. Diese Erweiterung erfolgt
im Hinblick darauf, dass nicht selten ein gegenseitiges Interesse an Informationen besteht, direkte Nachkommen der leiblichen Eltern jedoch bisher keine Chance haben, ein einst zur Adoption freigegebenes Kind ihrer Eltern oder eines Elternteils zu finden, wenn die leiblichen Eltern entweder sich nicht um Informationen bemühen oder bereits verstorben sind.

Art. 268c

Auskunft über die Adoption und die leiblichen Eltern

Absatz 1: In Absatz 1 findet sich neu das Recht des Kindes zu erfahren, dass es adoptiert worden ist. Dieser Anspruch ist Teil seines Rechts auf Kenntnis seiner Abstammung (Art. 10 Abs. 2 BV). Die Adoptiveltern können den Zeitpunkt und die Art, wie sie das Adoptivkind darüber informieren wollen, frei wählen. Sie sind jedoch verpflichtet, das Kind zu informieren, und dürfen ihm diese Informationen nicht vorenthalten. Wie Studien zeigen, gibt es keinen idealen Zeitpunkt für die Aufklärung des Kindes. Erfahrungen legen jedoch nahe, schon sehr früh damit zu beginnen, da Kleinkinder aufgrund ihres Alters die Aufklärung noch positiv erleben 151

932

Cottier, 49; Werro, 368; Pfaffinger, Formen der Adoption, Rz. 324.

und so eine natürliche Verbindung zum Thema «Adoption» aufbauen können.152 Die Bestimmung knüpft keine Rechtsfolge an eine allfällige Unterlassung seitens der Adoptiveltern. Vielmehr appelliert die Norm an ihre Verantwortung gegenüber dem adoptierten Kind, das nicht erst anlässlich einer bevorstehenden Hochzeit oder der Eintragung seiner Partnerschaft durch die Zivilstandsdokumente Kenntnis von der Adoption erhalten sollte.

Absatz 2: Der bestehende Artikel 268c Absatz 1 ZGB wird unterteilt und ergänzt mit einem zusätzlichen Anspruch des minderjährigen Kindes auf Bekanntgabe von Informationen über die leiblichen Eltern, die keine Rückschlüsse auf deren Identität zulassen. Damit kann dem grundsätzlichen Informationsbedürfnis des minderjährigen Kindes entsprochen werden. Wie nach geltendem Recht kann das minderjährige Kind Auskunft über die Personalien seiner leiblichen Eltern verlangen, wenn es ein schutzwürdiges Interesse daran nachweisen kann.

Absatz 3: Dieser Absatz enthält den absoluten Anspruch des volljährigen Kindes auf Auskunft über die Personalien seiner leiblichen Eltern. Das Kind hat neu einen zusätzlichen Anspruch darauf, allfällig vorhandene weitere Informationen über seine leiblichen Eltern zu erhalten. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung umfasst die Personalien der leiblichen Eltern im Zeitpunkt der Geburt. Diese sind dem adoptierten volljährigen Kind auf Anfrage durch die zuständige Behörde bekannt zu geben.

Vor Bekanntgabe der Personalien nimmt die Behörde nach Möglichkeit Kontakt mit den leiblichen Eltern auf. Gemäss Artikel 28 ZGB haben die leiblichen Eltern im Rahmen ihrer Persönlichkeitsrechte jedoch den Anspruch, dass die Bekanntgabe ihrer aktuellen Personalien verweigert wird, wenn sie keine Kontaktaufnahme wünschen.

Die ursprünglich in Absatz 2 enthaltene Anweisung an die Auskunft erteilende Behörde, wonach das Kind entsprechend informiert werden muss, falls die leiblichen Eltern den Kontakt ablehnen, findet sich neu in Artikel 268d Absatz 3 E-ZGB.

Die einstige Regelung von Absatz 3 findet sich neu in Artikel 268d Absatz 4 E-ZGB.

Art. 268d

Kantonale Auskunftsstelle

Absatz 1: Um suchenden Personen den Zugang zu Informationen über eine Adoption zu erleichtern, ist es sinnvoll, eine einzige kantonale Anlaufstelle zu benennen, die über die Adoptionsunterlagen verfügt. Für die ihr zugedachte Aufgabe eignet sich die einzige kantonale Behörde, die gemäss Artikel 268 Absatz 1 E-ZGB für das Adoptionsverfahren zuständig ist, am besten. Sie verfügt im Übrigen über Mitarbeitende, welche mit der schwierigen seelischen Situation vertraut sind, in der sich Adoptivkinder oder leibliche Eltern zuweilen befinden, wenn sie um Informationen nachsuchen. Gesuche in Sachen Adoption an andere Behörden der Kantone sind von diesen an die zuständige kantonale Behörde weiterzuleiten. Die gesuchstellenden Personen sind entsprechend zu informieren.

Absatz 2: Die Bestimmung gibt an, wie die Auskunftsstelle vorzugehen hat, wenn sie ein Auskunftsbegehren erhält. Es wird nicht immer möglich sein, die gesuchte Person zu kontaktieren, weil diese beispielsweise weggezogen ist, ohne weitere Angaben zu hinterlassen, oder weil es sich um eine internationale Adoption handelt, 152

Siehe dazu: www.hallo-eltern.de/m_kinderwunsch/adoptieren-adoption-kind_3.htm

933

bei der es tendenziell schwieriger ist, die gesuchten Personen ­ insbesondere leibliche Eltern, die im Ausland leben ­ zu finden und zu kontaktieren.

Absatz 3: Dieser Absatz entspricht geltendem Recht (Art. 268c Abs. 2 ZGB). Hier ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das adoptierte Kind einen absoluten Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung hat (Art. 10 Abs. 2 BV). Selbst wenn die leiblichen Eltern keinen Kontakt wünschen, hat das Kind das Recht, Auskunft über die Personalien der leiblichen Eltern im Zeitpunkt der Geburt zu erhalten. Lehnt hingegen das Kind auf entsprechende Anfrage seiner leiblichen Eltern hin die Bekanntgabe identifizierender Informationen ab, so dürfen keine Informationen weitergegeben werden (vgl. Art. 268b Abs. 2 und 3 E-ZGB).

Absatz 4: Diese Bestimmung entspricht geltendem Recht (Art. 268c Abs. 3 ZGB).

Ihr Inhalt wurde lediglich in eine neue Bestimmung überführt. Dadurch soll sowohl Adoptivkindern auf der Suche nach ihren Wurzeln als auch leiblichen Eltern auf der Suche nach Informationen über die zur Adoption freigegebenen Kinder beratende Unterstützung gegeben werden können.

Art. 268e

Persönlicher Verkehr mit den leiblichen Eltern

Absatz 1: Diese Bestimmung regelt neu den Fall, dass sich die leiblichen Eltern und die Adoptiveltern kennen und bereit sind, eine mehr oder weniger offene Form der Adoption zu vereinbaren. Die Vereinbarung sowie allfällige Änderungen unterliegen der Genehmigung durch die KESB; damit kann die Vereinbarung nicht einseitig geändert oder gar aufgehoben werden. Da eine solche Vereinbarung einen besonders komplexen Sachverhalt mit grossem Konfliktpotenzial betrifft, das Adoptionsdreieck «Adoptiveltern ­ Adoptivkind ­ leibliche Eltern» erfahrungsgemäss viel emotionalen Zündstoff enthält und die Erwartungen der beteiligten Personen an die offene Adoption stark divergieren können, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, hat die KESB sicherzustellen, dass sich die an der Vereinbarung beteiligten Personen der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind, bevor sie die Vereinbarung oder deren Änderung genehmigt.

Vor der Genehmigung ist das Kind anzuhören; ist es urteilsfähig, so ist auch seine Zustimmung erforderlich.

Absatz 2: Sind die Adoptiveltern der Meinung, das Wohl des Adoptivkindes werde durch den persönlichen Kontakt zu den leiblichen Eltern gefährdet, oder sind umgekehrt die leiblichen Eltern der Ansicht, die mit den Adoptiveltern eingegangene Vereinbarung werde nicht eingehalten oder falsch umgesetzt, so haben sie die KESB darüber zu informieren. Diese entscheidet unter Berücksichtigung des Kindeswohls, ob und in welcher Form die Vereinbarung weiterhin Bestand haben soll.

Absatz 3: Diese Bestimmung stellt klar, dass das Adoptivkind trotz bestehender Vereinbarung nicht verpflichtet ist, einen Kontakt zu seinen leiblichen Eltern zu dulden, wenn es diesen ablehnt. Gegen seinen Willen muss es auch nicht hinnehmen, dass die Adoptiveltern Informationen wie beispielsweise Schulzeugnisse oder auch persönliche Fotos an die leiblichen Eltern weitergeben.

934

Art. 298e

Veränderung der Verhältnisse nach Stiefkindadoption in faktischen Lebensgemeinschaften

Die Stiefkindadoption in faktischen Lebensgemeinschaften führt zur Elternschaft eines Paares, das einen gemeinsamen Haushalt führt, jedoch nicht miteinander verheiratet ist und auch nicht in einer eingetragenen Partnerschaft lebt. Ändern sich in der Folge die Verhältnisse, so muss unter Umständen die elterliche Sorge entsprechend angepasst werden. Um diese Anpassung sicherzustellen, ist ein Verweis auf Artikel 298d ZGB nötig. Diese Bestimmung richtet sich an die Eltern eines leiblichen Kindes, die nicht miteinander verheiratet sind und es auch nie waren bzw. an das leibliche Kind solcher Eltern.

Art. 299 Randtitel und Art. 300 Randtitel Bei den Artikeln 299 und 300 ZGB ist aufgrund des neu hinzugekommenen Artikels 298e E-ZGB lediglich die Nummerierung der Randtitel anzupassen.

Schlusstitel Art. 12b

Hängige Verfahren

Der bisherige Artikel 12b SchlT ZGB kann aufgehoben werden, da ihm keine Funktion mehr zukommt. Neu wird in diesem Artikel festgehalten, dass auf Adoptionsverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Adoptionsbestimmungen hängig sind, das neue Recht Anwendung findet.

Art. 12c

Unterstellung unter das neue Recht

Die Informationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Adoptionsgeheimnis (Art. 268b­268d E-ZGB) sowie die Möglichkeit der Vereinbarung eines persönlichen Verkehrs zwischen leiblichen Eltern und adoptierten Kindern (Art. 268e E-ZGB) sollen auch bei altrechtlichen Adoptionen zur Verfügung stehen.

Die ursprüngliche Bestimmung von Artikel 12c SchlT ZGB wird aufgehoben, denn ein Gesuch um nachträgliche Adoption mündiger oder entmündigter Personen kann wegen Ablaufs der Frist nicht mehr gestellt werden (Art. 12c Abs. 3 SchlT ZGB).

Daher kommt dem bisherigen Artikel 12c SchlT ZGB heute keine Bedeutung mehr zu.

Art. 12cbis

Adoptionsvermittlung

Dem bisherigen Artikel 12cbis kommt heute keine Bedeutung mehr zu, sodass auch er aufgehoben werden kann.

935

3.2

Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 2004

Mit der Öffnung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare werden auch Anpassungen des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004153 (PartG) notwendig.

Art. 13 Abs. 1 zweiter Satz Die eingetragene Partnerschaft wurde ursprünglich auf zwei Personen ausgerichtet, die mit der Eintragung ihr ursprüngliches Leben fortsetzen. Die eingetragene Partnerschaft wurde jedoch nicht als Institut des Familienrechts konzipiert, ist es doch einem eingetragenen Paar bisher nicht möglich gewesen, gemeinsame Elternschaft nach schweizerischem Recht zu begründen (vgl. dazu Art. 28 PartG). Mit der Öffnung der Stiefkindadoption ändert sich dies. Werden Personen in eingetragener Partnerschaft zu Eltern eines gemeinsamen Kindes, so haben sie sich inskünftig über ihre Rolle in der Gemeinschaft zu verständigen, wie dies auch Ehegatten mit Kindern machen müssen. Der Verweis auf die entsprechenden Artikel des ZGB soll dies sicherstellen.

Art. 17 Abs. 3bis Artikel 17 entspricht in seiner Konzeption Artikel 176 ZGB ­ jedoch ohne dessen Absatz 3 über die minderjährigen Kinder des Paares. Dass das Partnerschaftsgesetz keinen Bezug darauf nahm oder keine eigene Regelung aufstellte, lag im Umstand begründet, dass die eingetragene Partnerschaft nicht das Zusammenleben einer Familie regeln musste, sondern das Zusammenleben zweier erwachsener Personen ohne gemeinsame Kinder. Mit der Öffnung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare ist jedoch eine Bestimmung erforderlich, die es im Falle der Regelung des Getrenntlebens ermöglicht, auch die Beziehung zu einem oder mehreren gemeinsamen Kindern zu regeln. Absatz 3bis entspricht daher der analogen Bestimmung des Eherechts (Art. 176 Abs. 3 ZGB).

Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz Der Satz wurde lediglich im Hinblick auf eine einheitliche Handhabung von Verweisen auf andere Erlasse angepasst.

Art. 27a

Stiefkindadoption

Ausserhalb der Artikel 27 und 28 PartG sind Kinder kein Thema des geltenden Partnerschaftsgesetzes. Artikel 27a E-PartG stellt daher sicher, dass auf die Kinder, deren Eltern in eingetragener Partnerschaft leben, die entsprechenden Bestimmungen des Kindesrechts des ZGB analog anwendbar sind.

Art. 28

Adoption und Fortpflanzungsmedizin

Wie bereits dargelegt, soll das bestehende umfassende Adoptionsverbot für Personen, die in eingetragener Partnerschaft leben, aufgehoben werden. Weiterhin verschlossen bleibt eingetragenen Paaren lediglich der Zugang zur gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes.

153

936

SR 211.231

Art. 34 Abs. 4 Mit der Aufhebung des umfassenden Adoptionsverbots für Personen in eingetragener Partnerschaft wird eine Erweiterung des Verweises auf Bestimmungen des ZGB notwendig. Diese ermöglicht es im Falle der gerichtlichen Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft, bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen auch gemeinsame Kinder zu berücksichtigen. Der Verweis umfasst daher zusätzlich die Artikel 133 und 134 ZGB.

3.3

Zivilprozessordnung

Auch in der Zivilprozessordnung154 (ZPO) gilt es nachzuvollziehen, dass die eingetragene Partnerschaft nicht mehr nur ein Institut ist, das die Beziehung zweier erwachsener Personen regelt, sondern dass mit der Öffnung der Stiefkindadoption neu eine allfällige Elternschaft eingetragener Paare mitzuberücksichtigen ist. Daher wird im 8. Titel, Verfahren bei eingetragener Partnerschaft, ein weiteres Kapitel (3. Kapitel: Kinderbelange in Verfahren bei eingetragener Partnerschaft) mit dem einzigen Artikel 307a hinzugefügt.

Art. 307a Artikel 307a stellt mittels Verweis sicher, dass die Bestimmungen der ZPO über die Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten auch Anwendung in partnerschaftlichen Verfahren finden, wenn gemeinsame Kinder davon betroffen sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine eingetragene Partnerschaft aufgelöst werden soll und gemeinsame Kinder mitbetroffen sind.

3.4

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

Art. 19a

Überlebende eingetragene Partnerin, überlebender eingetragener Partner

Die Revision von Artikel 19a des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982155 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Revision, die notwendige Anpassung der BVG-Bestimmung im Zuge der Adoptionsrechtsrevision erweist sich jedoch als sinnvoll, weil sie in direktem Zusammenhang mit dem ohnehin zu revidierenden Partnerschaftsgesetz steht.

Um allfällige Hinterlassenenleistungen beim Tod einer Partnerin oder eines Partners beziehen zu können, braucht es eine spezielle Bestimmung darüber, wer Anspruch auf eine Hinterlassenenrente hat. Der geltende Artikel 19a bezieht sich auf eine Regelung, die es so nicht mehr gibt. Seit dem 1. Januar 2005 gewährt das BVG sowohl der Witwe als auch dem Witwer eine Hinterlassenenrente, wenn die entspre154 155

SR 272 SR 831.40

937

chenden Voraussetzungen erfüllt sind. Diese sind für beide Geschlechter gleich. Das BVG kennt somit keine unterschiedlichen Voraussetzungen für Witwen- und Witwerrenten (mehr). Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Partnerschaftsgesetzes gewährte das BVG nur der Witwe eine Rente beim Tod des Ehegatten. Die damalige Bestimmung konnte auf eingetragene Partnerinnen nicht für anwendbar erklärt werden, weil dies zu einer Ungleichbehandlung gegenüber eingetragenen Partnern geführt hätte. Die neue Situation macht heute jedoch eine Anpassung von Artikel 19a notwendig. Neu wird auf die Bestimmung von Artikel 19 verwiesen, der allgemein und ohne Unterscheidung nach Geschlecht den Anspruch auf Hinterlassenenleistungen überlebender Ehegatten regelt. Dieser Anspruch steht unter denselben Bedingungen auch einer überlebenden eingetragenen Partnerin bzw. einem überlebenden eingetragenen Partner zu.

3.5

Familienzulagengesetz vom 24. März 2006

Art. 3 Abs. 3 vierter Satz Die Bestimmung im Familienzulagengesetz vom 24. März 2006156 regelt die Arten von Familienzulagen. Bei der Stiefkindadoption soll hingegen kein Anspruch auf eine Adoptionszulage entstehen. Nach geltendem Recht wird somit der Zulagenanspruch für die Adoption des Kindes der Ehefrau oder des Ehemannes ausgeschlossen. Mit Blick auf die Öffnung der Stiefkindadoption für eingetragene Paare und Paare in einer faktischen Lebensgemeinschaft muss Artikel 3 Absatz 3 entsprechend angepasst werden.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Revision des Adoptionsrechts, des Partnerschaftsgesetzes und damit zusammenhängend weiterer Gesetze hat für den Bund keine finanziellen, personellen oder anderen Auswirkungen.

4.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Es ist davon auszugehen, dass die Öffnung der Stiefkindadoption für Paare in eingetragener Partnerschaft und für Paare in faktischen Lebensgemeinschaften zu einer Zunahme der Gesuche um Stiefkindadoption und in der Folge zu einem erhöhten Abklärungsbedarf der zuständigen kantonalen Behörde führen wird. Dies umso mehr, als im Rahmen der Revision nochmals klar festgehalten wird, dass die zuständige Behörde Anträge für eine Stiefkindadoption nicht privilegiert behandeln darf, sondern die notwendigen Abklärungen ebenso sorgfältig durchführen muss, wie dies bei der gemeinschaftlichen Adoption eines fremden Kindes zu geschehen hat. Insbesondere muss ebenso sorgfältig geprüft werden, ob die Adoption dem Wohl des Stiefkindes dient. Zu einem grösseren Aufwand dürfte zudem die Flexibilisierung 156

938

SR 836.2

gewisser Adoptionsvoraussetzungen führen. Die Behandlung von Gesuchen um Abklärung der Adoptionseignung sowie der Entscheid darüber, ob ein Kind zwecks Adoption aufgenommen werden darf, sind jedoch kostenpflichtig; die Kosten können den gesuchstellenden Personen weitgehend überbunden werden. Damit ist in den Kantonen nicht mit finanziellen Auswirkungen in grösserem Umfang zu rechnen.

4.3

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Öffnung der Stiefkindadoption für Paare in eingetragener Partnerschaft sowie für faktische Lebensgemeinschaften erlaubt es, Kinder in die bestehende Gemeinschaft eines Paares zu integrieren, und zwar unabhängig davon, für welche Lebensform sich dieses entschieden hat. Damit wird die heute bestehende Diskriminierung gegenüber Kindern in ehelichen Gemeinschaften aufgehoben. Die Vorlage bietet durch die Vereinfachung der Adoption erwachsener Personen zudem eine Chance für inzwischen volljährige Kinder in Patchworkfamilien und solchen, die ihr Leben lang in Pflegefamilien aufgewachsen sind; ihrer Adoption stehen eigene Nachkommen der Adoptiveltern oder des Stiefelternteils nicht mehr entgegen.

Des Weiteren eröffnet die Lockerung des Adoptionsgeheimnisses auch leiblichen Eltern die Möglichkeit, mehr über das einst zur Adoption freigegebene Kind zu erfahren und unter bestimmten Voraussetzungen mit diesem in Kontakt zu treten.

Hingegen bleibt die gemeinschaftliche Adoption sowohl Paaren in eingetragener Partnerschaft als auch faktischen Lebensgemeinschaften nach wie vor verschlossen.

In dieser Hinsicht sind sie den Ehepaaren weiterhin nicht gleichgestellt. Die Gründe dafür sind unter den Ziffern 2.7.1 und 2.7.2 dargelegt.

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 2012157 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012158 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Die Revision des Zivilgesetzbuches ist dennoch angezeigt, weil verschiedene parlamentarische Vorstösse den Bundesrat dazu aufgefordert haben, das Adoptionsrecht den Vorgaben des Parlaments entsprechend anzupassen. Zudem lässt es die Entwicklung der Gesellschaft und insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angezeigt erschienen, die Entwicklungen der vergangenen Jahre im Adoptionsrecht abzubilden.

157 158

BBl 2012 481 BBl 2012 7155

939

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

6.1.1

Rechtliche Grundlagen

Die Revision des Adoptionsrechts stützt sich auf die Zivilrechtskompetenz des Bundes nach Artikel 122 BV159. Dieser Kompetenz unterstehen neben den Adoptionsbestimmungen des ZGB auch die Zivilprozessordnung und das Partnerschaftsgesetz.

Die Revision des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982160 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge stützt sich auf Artikel 113 BV und diejenige des Familienzulagengesetzes vom 24. März 2006161 auf Artikel 116 Absätze 2 und 4 BV.

6.1.2

Verfassungsmässigkeit der Adoptionsvoraussetzungen

6.1.2.1

Verhältnis zu den Artikeln 10 Absatz 2, 13 Absatz 1 und 14 BV

Artikel 10 Absatz 2 BV garantiert den Schutz der individuellen Selbstbestimmung, Artikel 13 Absatz 1 BV statuiert die Achtung des Familienlebens, und Artikel 14 BV gewährleistet das Recht auf Familie innerhalb einer Ehe. Alle drei Verfassungsbestimmungen schützen die private Lebensgestaltung und dabei die Entscheidung, sich für Kinder als Teil dieser Lebensgestaltung auszusprechen und eine Familie zu gründen, sei es im Rahmen einer Ehe, in einer faktischen Lebensgemeinschaft oder in einer eingetragenen Partnerschaft. Aus keiner der drei Verfassungsbestimmungen kann jedoch ein Recht auf Adoption eines Kindes im Einzelfall abgeleitet werden.162 Bei der Adoption geht es ohnehin nicht darum, die Wünsche adoptionswilliger Personen zu befriedigen und diesen zu einem Kind zu verhelfen, sondern vielmehr darum, einem elternlosen Kind zu Eltern zu verhelfen. Es ist der Blickwinkel des Kindes, es ist sein Wohl, das massgeblich ist; seine Interessen haben Vorrang.

Dieser Ansatz vermag die wesentlichen Einschränkungen zu rechtfertigen, die das geltende wie auch das revidierte Adoptionsrecht kennzeichnen. Wie das geltende Recht sieht daher auch der Entwurf vor, dass einerseits die Adoption als solche und andererseits die Adoptionsformen nicht uneingeschränkt allen adoptionswilligen Personen offenstehen. Zudem bilden die Adoptionsvoraussetzungen und dabei insbesondere das Alter der adoptionswilligen Personen oder deren Altersunterschied zum Kind eine weitere Hürde, die dazu führt, dass nicht jede Person, die den Wunsch hat, ein Kind zu adoptieren, dies auch tatsächlich tun kann.

Anders als bei einem natürlichen Kindesverhältnis wird mit der Adoption per Rechtsakt ein Kindesverhältnis geschaffen, das nicht auf einer leiblichen Abstammung beruht. Damit wird bei der gemeinschaftlichen Adoption wie auch bei der Einzeladoption ein fremdes Kind in eine neue Familie aufgenommen, während bei der Stiefkindadoption das Kind anstelle eines bisherigen einen anderen Elternteil 159 160 161 162

940

SR 101 SR 831.40 SR 836.2 Vgl. Reusser, Art. 14, Rz. 28.

bekommt oder überhaupt erst einen zweiten Elternteil erhält, wenn bisher kein Kindesverhältnis zu einem zweiten Elternteil bestanden hat. Die Adoptionsvoraussetzungen sollen dabei einen optimalen Start für das adoptierte Kind sicherstellen.

So sind das Mindestalter von 28 Jahren und die Begrenzung des Altersunterschieds auf höchstens 45 Jahre grundsätzlich taugliche Kriterien, um einem solchen Kind das erforderliche und auch auf lange Sicht stabile Umfeld zu bieten: Die Altersbegrenzungen nach unten und nach oben bieten einerseits Gewähr für eine gewisse Reife der adoptierenden Personen; andererseits soll der maximale Altersunterschied sicherstellen, dass das adoptierte Kind bis zu seiner Volljährigkeit auf dieses stabile Umfeld zählen kann. Durch die Möglichkeit, von solchen Adoptionsvoraussetzungen abweichen zu können, wenn dies im Interesse des Kindeswohls geboten erscheint, ist das Recht jedoch nicht starr, sondern erlaubt es, dem Einzelfall und damit dem Wohl des einzelnen betroffenen Kindes gerecht zu werden. Dass demgegenüber für die Stiefkindadoption kein Mindestalter vorgeschrieben ist, hängt damit zusammen, dass sich die Ausgangslage hier anders präsentiert: Es soll nicht ein Kindesverhältnis zwischen fremden Personen geschaffen, sondern eine bereits bestehende Situation, nämlich das gelebte Stiefkindverhältnis, rechtlich abgesichert werden. Ob der Stiefelternteil die Voraussetzungen erfüllt, um Adoptivelternteil zu werden, muss im Rahmen der Prüfung des Gesuchs um Abklärung der Adoptionseignung ermittelt werden. Das gilt im Übrigen auch für Adoptionswillige mit Bezug auf die beiden anderen Adoptionsformen. Was die verlangte Beziehungsdauer von mindestens drei Jahren betrifft, so gilt diese für beide Adoptionsformen, die im Rahmen einer Beziehung erfolgen: die gemeinschaftliche Adoption und die Stiefkindadoption. Auch diese Anforderung ist, wie schon die verschiedenen Altersvoraussetzungen, dafür geeignet, dass nach objektiven Kriterien abgeschätzt werden kann, ob die Beziehung stabil genug ist für eine Adoption.

Die genannten Adoptionsvoraussetzungen (Mindestalter, maximaler Altersunterschied, Dauer der Beziehung) sind geeignete, verhältnismässige und nicht durch mildere Massnahmen ersetzbare Mittel, um die grundsätzliche Eignung einer adoptionswilligen Person abschätzen zu können. Sie
beruhen überdies auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage (Gesetz im formellen Sinn). Sie vermögen jedoch nur die widerlegbare Vermutung zu begründen, dass eine Beziehung aufgrund ihrer Dauer genügend trägt und dass die verschiedenen Altersvorgaben die notwendige Reife und ausreichend lange Perspektive bis zur Volljährigkeit des Kindes gewährleisten, um ein fremdes Kind in die Familie aufnehmen oder die Rolle eines Elternteils übernehmen zu können. Für die anwendenden Behörden sind diese Adoptionsvoraussetzungen Richtwerte ­ erst die Abklärung im Einzelfall kann jeweils zeigen, ob die Eignung adoptionswilliger Personen tatsächlich gegeben ist.

6.1.2.2

Verhältnis zu Artikel 8 Absatz 2 BV

Wie das geltende Adoptionsrecht trifft auch der vorliegende Entwurf bezüglich der verschiedenen Paarkonstellationen Unterschiede: Ehepaaren, Paaren in eingetragener Partnerschaft und faktischen Lebensgemeinschaften stehen die drei Adoptionsformen in unterschiedlicher Weise offen: ­

Gemeinschaftliche Adoption: Gemäss Entwurf können auch weiterhin nur Ehepaare gemeinschaftlich ein Kind adoptieren.

941

­

Einzeladoption: Einer verheirateten Person steht die Einzeladoption wie bis anhin zur Verfügung. Neu soll jedoch auch eine Person in einer eingetragenen Partnerschaft, der nach geltendem Recht die Einzeladoption verwehrt ist, ein Kind allein adoptieren können, und zwar unter denselben Voraussetzungen wie eine verheiratete Person. Personen in faktischen Lebensgemeinschaften steht die Einzeladoption wie bisher ebenfalls zur Verfügung.

­

Stiefkindadoption: Neben Ehepaaren soll die Stiefkindadoption neu auch Paaren in eingetragener Partnerschaft und Paaren in faktischen Lebensgemeinschaften möglich sein. Die Voraussetzungen sind für alle Paarkonstellationen die gleichen.

Im Bereich der gemeinschaftlichen Adoption besteht somit weiterhin eine Ungleichbehandlung von Paaren in eingetragener Partnerschaft und faktischen Lebensgemeinschaften im Vergleich zu Ehepaaren. Diese Ungleichbehandlung ist unter dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbots von Artikel 8 Absatz 2 BV zu würdigen.

Diese Bestimmung verbietet eine Diskriminierung unter anderem wegen der Lebensform, worunter sowohl das Zusammenleben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft als auch in einer faktischen Lebensgemeinschaft zu verstehen ist. Dass die gemeinschaftliche Adoption sowohl gleichgeschlechtlichen Paaren als auch faktischen Lebensgemeinschaften verschlossen bleibt, zielt jedoch nicht darauf ab, diese Paare rechtlich zu benachteiligen oder sie auszugrenzen. Die Unterschiede zwischen der Ehe einerseits und der eingetragenen Partnerschaft oder der faktischen Lebensgemeinschaft andererseits liegen im Bereich des Adoptionsrechts vielmehr im Umstand begründet, dass das Rechtsinstitut der Ehe einen besonderen Schutz geniesst163 und dass mit dem Diskriminierungsverbot keine Verpflichtung an den Gesetzgeber verbunden ist, andere Lebensformen gleich auszugestalten wie die Ehe.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

6.2.1

Staatsvertragsrecht im Allgemeinen

Die Vorlage hält die in Ziffer 1.5.2 genannten Grundsätze und staatsvertraglichen Verpflichtungen ein.

6.2.2

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) im Besonderen

Insbesondere steht der Entwurf nicht im Widerspruch zu den Entscheiden des EGMR (vgl. dazu Ziff. 1.7.2): Der Gerichtshof hat im Entscheid E.B. gegen Frankreich164 klar betont, dass Artikel 8 EMRK kein Recht auf Adoption vermittle. Auch sind die Mitgliedstaaten nicht zur Öffnung und damit zu einer absoluten Gleichstellung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare verpflichtet, sodass den Staaten ein gewisser Spielraum bei der Ausgestaltung von Rechtsinstituten für gleichge163

Vgl. Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 154; AB 1998 (Separatdruck Reform der Bundesverfassung) S 41, 157 und 209 (Inderkum zu Art. 12).

164 Beschwerde Nr. 43546/02.

942

schlechtliche Paare und den damit verbundenen Rechten verbleibt.165 Wenn somit eigene Rechtsinstitute für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen werden, müssen diese nicht in allen Bereichen die gleichen Rechte vermitteln wie eine Ehe. Das gilt ebenso für faktische Lebensgemeinschaften ohne eigentlichen rechtlichen Rahmen.

Damit lässt sich sagen, dass der Entwurf und dabei insbesondere die Regelung, wonach die gemeinschaftliche Adoption lediglich Ehepaaren vorbehalten bleibt, dem Staatsvertragsrecht im Allgemeinen und der EMRK wie auch der Rechtsprechung des EGMR im Besonderen nicht widerspricht.

Was die Öffnung der Stiefkindadoption für andere Lebensformen betrifft, so steht die Vorlage auch in diesem Bereich im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, denn der Entwurf sieht diese Öffnung sowohl für heterosexuelle Paare als auch für gleichgeschlechtliche Paare in faktischen Lebensgemeinschaften vor. Zwar verpflichtet die Konvention die Mitgliedstaaten nicht, unverheirateten Paaren das Recht auf Stiefkindadoption einzuräumen; lediglich wenn nur unverheirateten heterosexuellen Paaren die Stiefkindadoption ermöglicht würde, verstiesse eine solche Regelung gegen Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 EMRK, weil dann allein aufgrund der sexuellen Orientierung gleichgeschlechtlichen Paaren diese Möglichkeit verwehrt bliebe.166

6.3

Kündigung des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967

Das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1967 entspricht nicht mehr dem heutigen Standard; in verschiedenen Punkten widerspricht es auch der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Interpretation des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wie dies in der Präambel zum revidierten Adoptionsübereinkommen ausdrücklich festgehalten wird («einige Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens von 1967 über die Adoption von Kindern [sind] nicht mehr zeitgemäss und [stehen] im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte»). Aus diesem Grund ist es angebracht, das Abkommen auf den nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

6.4

Erlassform

Die Änderung des Zivilgesetzbuches erfordert den Erlass eines Bundesgesetzes.

6.5

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

165 166

Gas und Dubois gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 25951/07).

X und andere gegen Österreich (Beschwerde 19010/07).

943

6.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf delegiert keine Rechtsetzungskompetenzen an den Bundesrat.

6.7

Datenschutz

Die revidierte Bestimmung über das Adoptionsgeheimnis, das zugunsten der leiblichen Eltern sowie von allfälligen direkten Nachkommen dieser Personen gelockert wird, tangiert die Datenschutzbestimmungen nicht, denn insbesondere identifizierende Informationen über die Adoptiveltern und das adoptierte Kind werden nur erteilt, wenn beide vorgängig zugestimmt haben (vgl. dazu Ziff. 2.6.2).

Umgekehrt hat das adoptierte Kind jedoch einen verfassungsmässig garantierten unbedingten Anspruch auf Kenntnisgabe seiner Abstammung, und zwar auch ohne vorgängige Zustimmung der leiblichen Eltern (vgl. dazu Ziff. 2.6.2 und 2.6.3 sowie Ziff. 3.1, Erläuterungen zu den Artikeln 268b und 268c E-ZGB).

944

Anhang

Zitierte Literatur Bericht des Bundesrats über die Adoptionen in der Schweiz (Antwort auf das Postulat Hubmann «Bericht über die Adoptionen») vom 1. Februar 2006.

Biderbost Yvo, Kommentar zu Art. 264­269c ZGB, in: Breitschmid Peter et al.

(Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Personen- und Familienrecht inkl. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 2. Aufl., Zürich 2012.

Botschaft des Bundesrats über die Volksinitiative «zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie (Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung, FMF)» und zu einem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG) vom 26. Juni 1996, BBl 1996 205 ff.

Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung über die Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption und Art. 321 ZGB) vom 12. Mai 1971, BBl 1971 II 1200 ff.

(zit. Botschaft Adoptionsrecht).

Botschaft des Bundesrats über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, Kindesrecht, Verwandtenunterstützungspflicht, Heimstätten, Vormundschaft und Ehevermittlung) vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1 ff. (zit. Botschaft Scheidungsrecht).

Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare vom 29. November 2002, BBl 2003 1330 ff. (zit.

Botschaft PartG).

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