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Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Gemeinde Scuol/Schuls

Zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Gemeinde Scuol/Schuls wird zur Erweiterung des schweizerischen Nationalparkes folgender Vertrag privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Inhalts (Parkvertrag genannt) abgeschlossen.

Art. l Die Gemeinde Scuol/Schuls als Eigentümerin der Täler Mingèr und Foraz sowie des Osthanges des Piz Pisoc stellt der Eidgenossenschaft diese Gebiete zur Erweiterung des Nationalparkes gemäss den nachstehenden Bedingungen und Vorbehalten zur Verfügung.

Parkgebiet und Zweck

Art. 2 .

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Die Grenzen dieses Gebietes werden auf einer Karte l : 50 000 eingetragen, welche Bestandteil des Vertrages bildet. Der Karte ist eine Beschreibung der Grenzen beizufügen. Diese Dokumente sind von beiden Parteien zu unterzeichnen und öffentlich zu beurkunden.

2 Der Verlauf der Grenze ist als Servitutslinie in die Grundbuchpläne einzutragen. Nach durchgeführter Vermessung sind die Grundbuchpläne für den genauen Grenz verlauf massgebend.

3 Die Parkgrenzen sind im Gelände, im Einvernehmen mit der Gemeinde, durch geeignete Markierungen eindeutig kenntlich zu machen, soweit sie nicht durch natürliche Grenzen zweifelsfrei erkennbar sind.

Längs der Clemgia verläuft die Grenze auf der linken Uferseite;, sie wird vermarkt.

4 Die Kosten für die öffentliche Beurkundung, die Markierung, die Feldaufnahmen und den Eintrag in die Grundbuchpläne trägt die Eidgenossenschaft.

Art. 3 1

Die Gemeinde räumt der Eidgenossenschaft das Eecht ein, die auf dem erwähnten Gebiete bestehende S-charlreservation als Naturreservat zu erhalten und dem Nationalpark einzugliedern, in dem die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ganz ihrer freien, natürlichen Entwicklung überBundesblatt. 114. Jahrg. Bd. I.

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Grenzen

Rechte und Pflichten im allgemeinen

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lassen und der vor jedem nicht im Zwecke des Parkes liegenden menschlichen Einfluss geschützt und wissenschaftlich erforscht werden soll.

2 Die Gemeinde verpflichtet sich, zu diesem Zwecke gegen volle Entschädigung gemäss Artikel 9 jede Nutzung ihres Grundeigentums, insbesondere von Wald und Weide, zu unterlassen, und räumt der Eidgenossenschaft ein dingliches Eecht dieses Inhalts ein. Vorbehalten bleiben die unter den Artikeln 4 bis 8 erwähnten Kechte und Pflichten.

3 Die Eechte der Eidgenossenschaft bleiben ausschliesslich auf jene Befugnisse beschränkt, welche die Benützung des Gebietes als Naturreservat erforderlich macht und die ihr durch diesen Vertrag ausdrücklich eingeräumt werden. Das Eigentum an. Grund und Boden verbleibt der Gemeinde.

4 Die Eidgenossenschaft ist berechtigt, im Parkgebiet die erforderlichen Wege, Hütten und Quellfassungen zu erstellen und zu unterhalten.

Die hiefür nötigen Materialien wie Holz, Sand, Kies und Steine kann sie unentgeltlich aus dem Reservationsgebiet beziehen. Die Art und der Umfang der Materialgewinnung werden im Einvernehmen mit der Gemeinde festgesetzt.

Art. 4 Bodenschätze

Wasserkräfte

Jagd und Fischerei

1

Die Gemeinde verzichtet für das Parkgebiet auf die Erteilung und Ausübung von Prospektions- und Schürfrechten sowie unter Vorbehalt der folgenden Bestimmungen, auf die Ausnutzung von bergrechtlichen Bodenschätzen jeder Art.

2 Sollten sich gleichwohl abbauwürdige Bodenschätze finden, so verständigen sich die Eidgenossenschaft und die Gemeinde darüber, in welcher Weise der Abbau erfolgen kann oder die Gemeinde für den Verzicht zu entschädigen ist.

Art. 5 Die Gemeinde wird während der ganzen Dauer des Vertrages die Wasserkraft der im Eeservationsgebiet befindlichen Gewässer weder selbst nutzen noch durch andere nutzen lassen. Sie verzichtet hiebei auf eine Entschädigung für die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus dieser Unterlassung der Nutzung ergeben.

2 Vorbehalten bleiben Bau und Betrieb der Anlagen zur Nutzung der Wasserkraft des Inn und seiner Seitenbäche, einschliesslich Spöl und Clemgia, gemäss dem Projekt EKW März 1957 für die obere Innstufe (S-chanf-Ova Spin-Pradella) und einem entsprechenden, den geologischen Verhältnissen angepassten Bauprojekt.

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Art. 6 Die Gemeinde unterstützt bei den zuständigen kantonalen Behörden den Erlass eines allgemeinen und während der ganzen Vertragsdauer 1

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geltenden Jagdverbotes für das Parkgebiet und eines entsprechenden Fischereiverbotes für das Parkgebiet.

2 Die Gemeinde verzichtet auf die Ausnutzung der Jagdhoheit, soweit sie ihr durch eine Änderung des Jagdsystems künftig zugestanden werden sollte und sie voll schadlos gehalten wird.

Art. 7 Die Ausübung der Gebietshoheit der Gemeinde ist, abgesehen von Gebietshoheit den in den Artikeln 4, 5 und 6, Absatz 2 erwähnten Verzichten, nicht eingeschränkt.

2 Die Polizeibefugnisse werden von der Gemeinde im Parkgebiet wie im übrigen Gemeindegebiet ausgeübt. Dies gilt auch für Gastbetriebe, Unterkünfte u.a. innerhalb der Parkgrenzen. In Brandfällen ist die Gemeindefeuerwehr zuständig; sie zieht nötigenfalls andere Gemeindefeuerwehren bei. Die notwendigen Kosten gehen zu Lasten der Eidgenossenschaft.

3 Die Gemeinde erlässt im Einvernehmen mit der Nationalparkkommission die nötigen Verbote und Strafbestimmungen zum Schütze des Parkes, soweit sie hiefür zuständig ist.

4 Sie unterstützt den Erlass von Verboten, einschliesslich Strafbestimmungen, durch Kreis- und Kantonsbehörden. ' 8 Die Gemeinde leistet die erforderliche Hilfe zum Schütze des Parkes, namentlich gegen Holz-, Wild-, Flur- und Pflanzenfrevel.

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Art. 8 Der Gemeinde wird das Eecht vorbehalten, die Strasse durch die Val S-charl von der rechten auf die linke. Talseite zu verlegen, zu unterhalten und auszubauen, unter möglichster" Schonung des Reservationsgebietes. .

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Art. 9 Die Eidgenossenschaft entrichtet der Gemeinde jeweilen praenumerando auf den l. Januar als Entschädigung für die der Eidgenossenschaft eingeräumten dinglichen Eechte und für den Verzicht der Gemeinde auf jede Nutzung ihres Grundeigentums, unter Vorbehalt von Artikel 4, Absatz 2 den Betrag von 10 000 Franken.

2 Die festgesetzte Entschädigung gilt für die ersten zehn Jahre. Von diesem Zeitpunkt an ist sie auf Begehren einer Partei jeweilen für eine Periode von zehn Jahren auf Grund der dannzumaligen Verhältnisse und nach dem Grundsatz der vollen Schadloshaltung neu festzusetzen.

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Verkehrs-, wesen

Entschädigungen

48 Art. 10 1 Wildschäden Die Eidgenossenschaft verpflichtet sich, den gesamten Wildschaden "schaden" jeder Art, mit Einschluss des Schadens an Wald und Weide zu vergüten, welcher ausserhalb des Parkes im Gemeindegebiet entsteht. Es ist Sache der Eidgenossenschaft, sich mit dem Kanton darüber zu verständigen, inwieweit Wildschäden, welche nicht dem Park zuzurechnen sind, gemäss bestehender Gesetzgebung vom Kanton übernommen werden müssen.

Sie übernimmt die Kosten für die nötigen Abwehrmassnahmen und die Flurwacht.

2 Anspruchsberechtigt ist der geschädigte Nutzungsberechtigte (Eigentümer, Pächter, Nutzniesser usw.) ohne Bücksicht darauf, ob er eine natürliche Person ist oder eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Eechts (z.B. Gemeinde). Die Eidgenossenschaft vergütet den Anspruchsberechtigten den Schaden durch Vermittlung des Kantons.

3

Das Verfahren zur Schadensermittlung wird im Einvernehmen zwischen Eidgenossenschaft, Kanton und Gemeinden geregelt. Die Kosten des Schatzungsverfahrens einschliesslich jener, welche durch die Mitwirkung von Kanton und Gemeinden entstehen, gehen zu Lasten der Eidgenossenschaft.

4 Werden durch den Umstand, dass im ganzen Parkgebiet die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ganz ihrer freien natürlichen Entwicklung überlassen bleiben, 'in Gebieten ausserhalb des Parkes andere Schäden als Wildschäden verursacht (z.B Insektenschäden), so verständigt sich die Eidgenossenschaft mit der Gemeinde und dem Kanton über die zu treffenden Massnahmen, wobei die Kosten der Begutachtung und der Massnahmen zu Lasten der Eidgenossenschaft gehen. Die Eidgenossenschaft vergütet Drittpersonen Schäden dieser Art, die ihnen im Gebiet der Gemeinde aus dem Bestehen des Parkes erwachsen.

Der Gemeinde sind nur erhebliche Schäden zu vergüten. .

5 Eine Verminderung der Waldbestände im Parkgebiet durch Feuersbrünste berechtigt die Eidgenossenschaft nicht zu einer Reduktion der Entschädigung und ist im Zeitpunkt der Auflösung des Vertrages von der Eidgenossenschaft zu entschädigen.

Art. 11 1

Dauer, Dieser Vertrag gilt auf unbestimmte Zeit. Die Eidgenossenschaft und6 Auflösung ist jedoch berechtigt, ihn auf Ende des Jahres 1983, nachher in Perioden des Vertrages von jeweils 25 Jahren einseitig unter Beachtung einer Kündigungsfrist von zwei Jahren aufzulösen.

2 Der Gemeinde steht das Recht zur einseitigen, sofortigen Auflösung des Vertrages zu, sofern die Eidgenossenschaft den Vertrag nicht einhält. Sie hat dieses Recht auch, wenn die Nichterfüllung des Vertrages

49 auf gesetzgeberische Massnahmen der Eidgenossenschaft zurückzuführen ist oder wenn durch solche Massnahmen ein Eingriff in das Eigen· turn oder die Gebietshoheit der Gemeinde erfolgt.

3 Eine Übertragung des Vertrages ist ausgeschlossen.

Art. 12 Nach Beendigung des Vertrages gehen die im Park errichteten Anlagen (wie Unterkünfte, Schutzhütten, Wege, Quellfassungen) auf die Gemeinde über. Ein Entgelt ist von ihr nur zu leisten, soweit diese Anlagen für sie vorteilhaft verwendbar sind.

Folgen der beendigung

Art. 13 Für die Entscheidung aller Streitigkeiten aus diesem Vertrag, die Gerichtsstand nicht ohnehin von gesetzeswegen vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen sind, werden die Parteien dieses Gericht als einzige Instanz anrufen, soweit das gesetzlich zulässig ist.

Art. 14 "Dieser Vertrag ist in das Kaufprotokoll der Gemeinde Scuol Schuls und nach Einführung des Grundbuches auch in dieses einzutragen.

Schlussbestimmung Dieser Vertrag tritt in Eechtskraft, sobald er von den Parteien unterzeichnet, vom Kleinen Eat genehmigt, von den eidgenössischen Eäten ratifiziert worden ist und nachdem der zwischen der Bürgergemeinde Scuol/Schuls und dem Schweizerischen Bund für Naturschutz bestehende Vertrag vom 20. Januar 1987 ausser Kraft getreten ist.

2 Dieser Vertrag ist in 7 gleichlautenden Exemplaren ausgefertigt und unterzeichnet. Die Parteien erhalten je zwei Exemplare, der Kanton Graubünden, das Staatsarchiv und das Grundbuchamt je ein Exemplar.

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Bern, den 20.März 1959.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Grundbucheintrag

50 Scuol/Schuls, den 24.November 1958.

Namens der politischen Gemeinde Scuol/Schuls, Der Präsident: Dr. J.A,Campell Der Aktuar: J.Klaas Scuol/Schuls, den 24.November 1958.

Namens der Bürgergemeinde Scuol/Schuls, Der Präsident : A. Tall-Thöny Der Aktuar: V.Hartmann Die Versammlung der politischen Gemeinde Scuol/Schuls hat diesen Vertrag durch Beschluss vom 24. November 1958, unter den von der Versammlung beschlossenen Voraussetzungen, genehmigt.

S c u o l / S c h u l s , den 24. November 1958.

Namens der Gemeindeversammlung der Präsident: Dr. J.A. Campell

der Aktuar: J. Klaas

Die Versammlung der Bürgergemeinde Scuol/Schuls hat diesen Vertrag durch Beschluss vom 24. November 1958, unter den von der Versammlung beschlossenen Voraussetzungen, genehmigt.

Scuol/Schuls, den24.November 1958.

Namens der Bürgergemeindeversammlung, Der Präsident: A. Tall-Tliöny Der Aktuar V.Hartmann 6209

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft der Gemeinde Scuol/Schuls

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Jahr

1962

Année Anno Band

1

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02

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.01.1962

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45-50

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