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Bericht der

Mehrheit der nationalräthlichen Kommission zur Vorberathung der Motion v. Buren und Häberlin, betreffend Militärpflichtersaz bei Dienstversäumnissen.

(Vom 20. März 1879.)

Tit.

.

S

Die Herren Nationalräthe v. Buren und Häberlin stellten unterm 4. Dezember vorigen Jahres die nachfolgende Motion: ,,Der Nationalrath, ,,in E r w ä g u n g : ,,1) daß Art. l der Vollziehungsverordnung des Bundesrathes zum Bundesgesez betreffend Militärpflichtersaz ü b e r die Bestimmungen desselben hinausgeht, indem das Bundesgesez, vom 28. Juni 1878 im Art. l festsezt.

,,,,Jeder im dienstpflichtigen Alter befindliche, innerhalb ,,,,oder außerhalb des Gebietes der Eidgenossenschaft woh,,,,nende Schweizerbürger, welcher keinen persönlichen Mili,,tärdienst leistet, hat dafür einen jährlichen Ersaz in Geld ,,,,zu entrichten."

,,während Art. l der Vollziehungsverordnung hingegen nebst den ganz oder theilweise befreiten Personen auch eing e t h e i l t e Pflichtige, welche den Dienst in einem Jahre versäumt haben, der Steuer unterwirft;

'

82.1 ,,2) daß in der Berathung des Gesezes betreffend den Militärpflichtersaz eine in der ersten vom Volke verworfenen Gesezesvorlage, sowie -- bereits etwas gemildert -- in dem bundesräthlichen Entwurfe zur zweiten Gesezesvorlage enthaltene ähnliche Bestimmung über Besteuerung Solcher, welche den Dienst versäumen, vom Nationalrathe verworfen und aus der Gesezesvorlage entfernt worden ist, ,,wolle beschließen:

,,Der Bundesrath ist eingeladen , die Vollziehungsverordriung 7Aim Geseze betreffend den Militärpflichtersaz mit diesem in Einklang zu bringen.u Sie haben diese Motion in Ihrer Sizung vom 6. Dezember abhin, erheblich erklärt und dieselbe dem Bundesrath zur Berichterstattung, überwiesen, welcher Ihnen nun mit Botschaft vom 1. dieß den Antrag stellt, die Motion in ablehnendem Sinne zu erledigen.

Die Mehrheit Ihrer Kommission beantragt Ihnen dagegen Annahme der Motion und geht dabei von folgenden Erwägungen aus: Es handelt sich um die Frage: ist der Grundsaz, daß e i n g e t h e i l t e Dienstpflichtige wegen Dienstversäumnissen zur Steuerzahlung können angehalten werden, in Uebereinstimmung mit dem Gesez über den Militärpflichtersaz oder nicht? Hat der Bundesrath sich innerhalb den Schranken dieses Gesezes gehalten, indem er jenen Grundsaz in seine Vollziehungsverordnung aufnahm, oder ist er dabei über das Gesez hinausgegangen?

Um diese Frage zu beantworten, genügt es unseres Erachtens, das Schiksal zu verfolgen, welches dieser Grundsaz in den Verhandlungen der eidgenössischen Räthe über das Militärpflichtersazgesez gehabt hat. Der Grundsaz, daß e i n g e t h e i l t e W e h r p f l i c h t i g e wegen Dienstversäumnissen zur Militärsteuer können: herbeigezogen werden, war in dem ersten Entwurf des Bundesrathes und auch in der ersten Gesezesvorlage enthalten, welche vom Volk verworfen wurde. Er war ferner enthalten in dem z w e i t e n bundesräthlichen Entwurfe und zwar in folgender Fassung : ,,Wehrpflichtige, welche im Laufe eines Jahres den gesezlieh vorgeschriebenen Unterrichtskursen oder den dafür angeordneten Nachkursen nicht beiwohnen, oder sonst einem Aufgebot nicht Folge1 leisten, haben die Steuer ebenfalls zu entrichten. Erstrekt sich diese Versäumniß auf höchstens die Hälfte der den Einzelnen betref-

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fenden Diensttage, so ist nur die halbe Steuer zu bezahlen. Wenn ein Wehrpflichtiger im folgenden Jahre den versäumten Dienst nachholt, so hat er das Recht, die für denselben bezahlte Steuer zurükzufordern."

Allein in Ihrer Sizung vom 9. März "1878 haben Sie diese Bestimmung gestrichen, und was dieser Streichung für unsere heutige Frage eine ganz charakteristische Bedeutung gibt, ist der Umstand, daß sie auf Antrag. des Herrn H a b e , rli n beschlossen wurde.

An die Stelle der gestrichenen Bestimmung kam folgender Âbsaz: ,,Wehrpflichtige, welche nach persönlicher Dienstleistung während mindestens acht Jahren für den Rest des militärpflichtigen Alters dienstuntauglich oder nach Artikel 2 des Gesezes über die Militärorganisation temporär befreit werden, haben die Hälfte der für die betreffende Altersklasse festgesezten Steuer zu entrichten, sofern leztere nicht nach den Bestimmungen des Art. 2 ganz erlassen werden muß."

Sowohl die Streichung als die vorstehende Bestimmung wurden vom Ständerath genehmigt und die leztere wurde daher ein Bestandtheil der zweiten Gesezesvorlage welche vom Volk verworfen worden ist. Allein es springt in die Augen, daß dieselbe den Grundsaz, daß eingetheilt Wehrpflichtige wegen Dienstversäum nissen zur Militärsteuer können verhalten werden, n i c h t enthält. Uebrigens findet auch sie sich in der dritten, vom Volke stillschweigend angenommenen Gesezesvorlage n i c h t m e h r vor.

Ebenso wenig enthält das Gesez aber die ursprüngliche, auf Antrag des Herrn Häberlin gestrichene Bestimmung, welche den erwähnten Grundsaz, um den sich unsere Frage dreht, aufstellte.

Nun sagt aber der Bundesrath in seiner Botschaft, daß diese Bestimmung lediglich deßhalb gestrichen worden sei, weil sie ihrem Wesen nach schon im ersten Lemma des Artikels l des Gesezes enthalten sei und daher ü b e r f l ü s s i g war. Das trifft jedoch nach Ansicht der Mehrheit Ihrer Kommission keineswegs zu.

Das erste Lemma des Artikels \ des Militärsteuergesezes sagt einfach , daß diejenigen Wehrpflichtigen Militärsteuer zu bezahlen haben, die k e i n e n Militärdienst leisten. Dieser Saz hat aber offenbar die ganz allgemeine Bedeutung, daß diejenigen Steuer bezahlen müssen, welche ü b e r h a u p t k e i n e n Militärdienst leisten, und kann sich unmöglich auch auf diejenigen beziehen, die einen einzelnen
Dienst versäumen. Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß der Grundsaz der Besteuerung eingeteilter Wehrpflichtiger schon im ersten Lemma des Artikels l enthalten sei.

823 Wenn nun aber der doppelte Nachweis geleistet ist, daß die Bestimmung, um die es sich handelt, von der Bundesversammlung gestrichen wurde, ohne durch eine andere ähnlichen Inhaltes ersezt zu werden, und daß sie grundsäzlich auch nicht in einer andern Bestimmung des Gesezes enthalten ist, so darf wohl angenommen werden, daß die eidgenössischen Räthe sie gestrichen haben, weil sie eben nichts von ihr wissen wollten. Wenn dieß aber der Fall ist, so durfte auch der Bundesrath diese Bestimmung nicht wieder in seine Vollziehungsverordnung aufnehmen.

Soviel vom prinzipiellen Standpunkte aus. Es ließe sich auch vom praktischen Gesichtspunkte aus Manches gegen die erwähnte Bestimmung anführen. Es geht dies namentlich aus den Beschlüssen hervor, welche eine Anzahl kantonaler Militärdirektoren dieser Tage in Zürich gefaßt haben. Dieselben halten es namentlich für 'ungerecht, daß ein eingetheilter Wehrpflichtiger, welcher Jahre lang seinen Dienst gethan hat, wegen Nichtleistung eines vielleicht ganz untergeordneten und geringfügigen Dienstes Militärsteuer bezahlen müsse. Allein ich begebe mich nicht auf diesen Boden, da es meiner Ansicht nach vollkommen genügt, den Nachweis geleistet zu haben, daß die fragliche Bestimmung in der Vollziehungsverordnung prinzipiell unzuläßig ist, weil sie vom Gesezgeber absichtlich und mit allem Vorbedacht aus dem Geseze entfernt worden ist.

Ebenso irrelevant ist in meinen Augen die Thatsache, daß in 23 Kantonen die Praxis der bundesräthlichen Auffassung entspricht.

Diese Thatsache beweist nur, daß diese Praxis nach den früheren Gesezgebungen dieser Kantone zuläßig war, sie beweist aber durchaus nicht, daß das eidgenössische Gesez sie gestattet.

Ich resumire mich da^iin : 1) Lemma l des Artikels l des Militärsteuergesezes stellt nur den allgemeinen Grundsaz auf, daß diejenigen Wehrpflichtigen der Militärsteuer unterliegen, welche überhaupt keinen Dienst thun.

2) Die Bestimmung, welche der Bundesrath in seiner Vollziehungsverordnung aufgenommen hat, nach welcher auch eingetheilte Wehrpflichtige der Steuer unterworfen werden können, wenn sie einen einzelnen Dienst versäumen, wurde von den Räthen im Gt'seze ausdrüklich gestrichen, sie ist im Gesez auch in keiner andern Form aufgenommen worden und kann daher auch in der Vollziehungsverordnung keine Aufnahme finden.

Aus diesen Gründen stellt Ihnen die Mehrheit der Kommission «n Uebereinstimmung mit den Motionsstellern den Antrag, Sie wollen Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. I.

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824 den Bundesrath einladen, die Vollziehungsverordnung zum Gesez über den Militärpflichtersaz in Einklang mit diesem Gesez zu bringen.

B e r n , den 20. März 1879.

Namens der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission :

E. Frei.

Mitglieder der Kommission: HH. Frei.

v. Buren. .

Dürr er.

de Gingins.

Stößel

Bundesbeschluss (Nationalrath 20., Ständerath 22. März 1879): Es wird auf die Motion der HH. Nationalräthe von Buren und Häberlin in vorliegender Passung nicht eingetreten, dagegen der Bundesrath eingeladen, anläßlich der Umarbeitung der Vollziehungsverordnung zum Bundesgeseze über Militärpflichtersaz zu untersuchen, ob sich für gewisse Kategorien der einjährigen Dienstversäumnisse nicht eine reduzirte Steuer empfehle, so namentlich bei Versäumnissen wegen Krankheit oder in solchen Fällen, in denen der Versäumende einen wesentlich reduzirten Dienst zu leisten gehabt hätte.

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Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission zur Vorberathung der Motion v.

Büren und Häberlin, betreffend Militärpflichtersaz bei Dienstversäumnissen. (Vom 20.

März 1879.)

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12.04.1879

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