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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Frage der Abänderung der Form der eidgenössischen Staatsrechnung.

(Vom 14. Februar 1879).

Tit.!

Anläßlich der Berathung des dießjährigen Budget hat der Nationalrath folgendes Postulat angenommen: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage zu prüfen ,,und Bericht und Antrag zu bringen, ob nicht Budget ,,und Rechnung derjenigen Verwaltungen, welche auf in,,dustriellem Betrieb beruhen, wie die Post- und Telegraphen,,verwaltung, die Pulver- und Münzverwaltung, sowie sämmt,,licher Speziai Verwaltungen des Militärdepartements, inklusive ,,diejenige bezüglich der Kavalleriepferde, in detaillirter Weise ,,dem Hauptbüdget und der Staatsrechnung als Anhang bei,,zugeben und in das Hauptbüdget und die Staatsrechnung ,,nur die Endrechnungsergebnisse aufzunehmen seien." (Postulat Nr. 174 vom 20. Dezember 1878.)

Werfen wir einen Rükblik auf das eidgenössische Staatsrechnungswesen, so werden wir finden, daß dasselbe eine feste Gestaltung erst seit dem Jahre 1860 angenommen hat, welche durch das nachstehende Postulat vom 19. Juli 1861 hervorgerufen worden ist :

813 ,,Der Bundesrath ist eingeladen, die Staatsrechnung fortan nach der für das Jahr 1860 gewählten Form stellen zu lassen und zur Vorlage zu bringen" (VÌI, 58).

Dem soeben zitirten Postulate waren die Berichte der ständeräthlichen Geschäftsprüfungskommission für die Jahre 1857 und 1859 vorausgegangen. Die erstere machte namentlich verschiedene Ausstellungen über die Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Generalrechnung und äußerte sich schließlich dahin, es würde die Klarstellung der Komptabilität wesentlich gefördert, wenn nur eine Hauptrechnung aufgestellt werde, welche sämmtliche Posten der bisherigen Verwaltungs- und der Generalrechnung zu umfassen hätte oder mit andern Worten : Verschmelzung der Kassa- und Vermögensrechnung.

Nach dieser Direktion hin erfolgte sodann die Aufstellung der eidgenössischen Staatsrechnung für das Jahr 1859: allein dieselbe erhielt den gehofften Beifall nicht, sondern gab vielmehr der hievor erwähnten Prüfungskommission Anlaß zu einer längern AuseinanderO O sezung über das Staatrechnungswesen; sie sagte u. A. : ,, Was die Bedeutung einer eigentlichen Venvaltungsrechnung für die Staatsadministration betrifft, so läßt sich dieselbe gewiß nicht verkennen. Es ist vor Allem für die Staatsverwaltung nicht allein von Bedeutung, wie groß der gesammte Vermögensbestand sei, und ob derselbe in einem Ogegebenen Zeitraum sich vermehrt oder verO mindert habe, sondern sie muß auch auf leichte Art sich jeder Zeit darüber Kenntniß verschaffen können, wie groß die wirklichen Einnahmen und Ausgaben an Geld in einem gegebenen Zeitraum sind, um von diesem Standpunkte aus die Berechnungen für die Zukunft zu machen. Die Richtigkeit und Bedeutung dieses Sazes wird klar, sobald man sich die Aufgabe des Staates in Bezug auf seine Finanzverwaltung vorhält. tt Ferner : ,,Wir glauben demnach, eine Verwaltungsrechnung, wie sie nach bisheriger Einrichtung bestanden hat oder wenigstens im Geiste der seit 1850 festgestellten Rechnungsform und des Réglementes von 1854 geführt werden sollte, lasse sich auch für die Zukunft nicht entbehren. Das Aufgeben derselben ist aber um so ungerechtfertigter, als das, was durch die neue Staatsrechnung erzielt werden sollte, auch bei dem bisherigen System, nur in etwas anderer Weise, erreichbar war, indem auch bisher der Vermögensvor- und Rükschlag theils durch die Addition resp. Subtraktion der Saldi der Verwaltungs- und der Generalrechnung, theils durch die Vergleichung

814 der Saldi des Eingangs- und Ausgangsbilanzes leicht ausgemittelt werden konnte. a Die Kommission schloß mit folgenden zwei Postulaten: ,,10. Die vorgelegte eidgenössische Staatsrechnung für dasJahr 1859 wird materiell richtig befunden, " und es sind ihre Abschlüsse nach den angegebenen formellen Abänderungen, welcheeinen Rükschlag auf der Verwaltungsrechnung von Fr. 169,322. 11 und einen solchen auf der Generalrechnung von ,, 529,375. 16und demnach einen RükschlagO auf dem Staatsvermögen von Fr. 698,697. 27 herausstellen, genehmigt.

,,11. Der Bundesrath wird eingeladen, die Form, in welcher die eidgenössische Staatsrechnung in Zukunft dei- Bundesversammlung vorgelegt werden soll, einer neuen Prüfung zu unterstellen und zu untersuchen, in wiefern in Festhaltung der in den bezüglichen Artikeln des Réglementes vom 4. Dezember 1854 niedergelegten Gründsäze als Bestandtheil der eidgenössischen Staatsrechnung eine besondere Verwaltungsrechnung, weiche nur Kasseverhandlungen beschlägt und deren Saldo mit demjenigen der Generalrechnung den jeweiligen Vor- und Rükschlag im Staatsvermögen repräsentirt, forterhalten werdenkann. 4 Hierin lag für den Bundesrath der gemessene Auftrag, an dem frühern Rechnungssystem grundsäzlich festzuhalten, und derselbe hatte sodann die Revision des Reglements vom 4. Dezember 1854 zur Folge, an dessen Stelle bekanntlich dasjenige vom 31. Dezember 1861 trat, in welchem einige veränderte Vorschriften bezüglich der Staatsrechnung aufgestellt wurden. Dieselben fanden zum ersten Male Anwendung bei Aufstellung der Staatsrechnung pro 1860 und das hievor erwähnte Postulat bezwekte lediglich, die reglementirte Neuerung auf die Dauer zu sanktioniren.

Von dieser Zeit an blieb die Form der eidgenössischen StaatsO rechnung, welche bekanntlich auf dem System der Bruttodarstellung beruht, unbeanstandet. Neu hinzukommende Verwaltungen, wie z. B. die Regiepferdeanstalt, die Konstruktionswerkstätte und das Laboratorium, wurden nach dem gleichen Prinzip behandelt. Daß die hohe Bundesversammlung mit dem angenommenen System vollkommen einverstanden war und dasselbe konsequent durchgeführt wissen wollte, ergibt sich aus einem vom 3. Juli 1876 datirten Postulate (Nr. 84) : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, in den künftigen Rechnungen die aus dem Verkauf von Pferden erzielten Einnahmen gleichfalls erscheinen zu lassen."

815 Weil der Ankauf von Kavalleriepferden einen großen Ausgabeposten in der Staatsrechnung bildet, so war der Erlös aus den abgegebenen Pferden lediglich von den Ausgabeposten abgezogen worden, wie dieß mit den auf einzelne Büdgetkredite jeweilen erfolgenden Rükerstattungen jezt noch so prktizirt wird, mit alleiniger Ausnahme derjenigen für Kavalleriepferde infolge des oben zitirten Postulates.

Soll nun eine Aenderung im Sinne des den Gegenstand der gegenwärtigen Botschaft bildenden Postulates stattfinden , so wird dann zunächst zu untersuchen sein, ob dabei Resultate zu Tage gefördert werden, welche bei der bestehenden Einrichtung nicht wahrnehmbar sind. Das Postulat verlangt, daß die auf industriellem Betrieb beruhenden Administrationen nur mit ihren Reinerträgnissen im Budget und in der Staatsrechnung kompariren und alle ihre übrigen Rechnungsverhandlungen in einem Anhang erscheinen sollen.

Die Anregung ist leicht durchführbar; sie enthält aber keine eigentliche Neuerung und tragt auch zu keiner Verdeutlichung bei, da die Reinergebnisse der einzelnen Verwaltungszweige künftighin in den Rekapitulationen der Einnahmen dargestellt würden, während sie gegenwärtig auf einer besondern Abtheilung der Staatsrechnung -- auf dem Rechnungsabschluß -- sich aufgeführt finden, was auch i m Budget selbst der Fall ist.

Um sich von der postulirten Neugestaltung der künftigen Staatsrechnungen ein klares Bild macheu zu können, hat der Bundesrath unter Zugrundlegung des dießjährigen Budget eine Staatsrechnung fingirt*) und glaubt erläuterungswei bemerken zu sollen, daß auch die Zollverwaltung unter die Administrationszweige mit industriellem Betriebe rubrizirt wurde. Eine ausnahmsweise Behandlung jener Verwaltung schiene dem Bundesrath nicht korrekt; übrigens ist sie ihrer Natur nach mit der Post- und der Telegraphen Verwaltung identisch. Daß diese beiden leztern ihr Inventar verzinsen müssen, wie die eigentlichen industriellen Etablissemente des Bundes, während die Zollverwaltung davon enthoben ist, ist in den Augen des Bundesrathes eine Ungleichheit ; denn die Post- und die TelegraphenVerwaltung haben nach hierseitiger Anschauung ebensowenig die Eigenschaft eines Industriezweiges, als die Zollverwaltung.

Endlich glaubt der Bundesrath noch hervorheben zu sollen, daß durch Annahme der postulirten Rechnungsform
die eidgenössischen Budgets und Staatsrechnungen an Uebersichtlichkeit nichts gewinnen würden. Beide Systeme divergiren zwar nur in der Art der Darstellung; dagegen verdient, nach hierseitigem Dafürhalten, *) Den Akten beigelegt.

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die bestehende Einrichtung den Vorzug, weil die einzelnen Departemente nebst den unter ihnen stehenden Verwaltungszweigen in gesezlicher Reihenfolge aufeinanderfolgen und also ein Ganzes bilden, während die im Entwurf liegende Neuerung eine störende Trennung bedingt, wie z. B. in der Weise, daß das Eisenbahnwesen von der Post- und Telegraphenverwaltung ausgeschieden werden muß.' Der Bundesbeschluß vom 21. August 1878 über die Organisation und ·den Geschäftsgang des Bundesrathes (III, 480) weist jedem Departement seinen Wirkungskreis an , und wenn es auch nicht gerade ein Erforderniß ist, so erscheint es doch zvvekmäßig, daß derselbe ·aup dem Gebiete der Komptabilität einigermaßen Ausdruk finde.

Auch ist immerhin eine stabile Rechnungstellung von nicht zu unterschäzendem Werth; was seit einer Reihe von Jahren als zwekentsprechend erkannt worden, sollte nicht aus bloßer Vorliebe für eine andere Form geändert werden.

Der Bundesrath schließt deshalb, unter Hinweisung auf die Beilage, diesen Bericht mit dem Antrage*) : es möchte dem Postulate des Nationalrath.es vom 20. Dezember 1878 keine Folge gegeben werden.

Genehmigen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. Februar 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schiess.

*) Angeuommen : Ständerath 21., Nationalrath 28. März 1879.«

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Frage der Abänderung der Form der eidgenössischen Staatsrechnung. (Vom 14. Februar 1879).

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