1102

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, über den Rekurs des Staatsrathes des Kantons Wallis gegen den Bundesrathsbeschluss vom 15. Juli 1879, betreuend Erhöhung der Taxen auf der Simplonbahn.

(Vom 4. Dezember 1879.)

Tit.

Artikel 24, Alinea 3 des Bundesbeschlusses betreffend eine neue Konzession für die Ligne d'Italie lautet: ,, Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals zu deken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifsäze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen. tt Mit Verweisung auf diese Bestimmung stellte die Direktion der Simplonbahn beim Bundesrathe das Gesuch um Gewährung einer Taxerhöhung für die Dauer von 10 Jahren, und zwar für den Personentransport von 30 °/o und für die Waarenbeförderung von 15 °/o, in der Meinung, daß eine allfällig frühere Eröffnung des Tunnels durch den Simplon ohne Weiteres die Wiedereinführung der normalen Taxen in sich schließen würde.

Die über dieses Begehren angeordneten Erhebungen ergaben Folgendes :

1103

I. Allgemeines.

Die ehemalige Ligne d'Italie, in deren Besiz die neu konstituirte Simpkmbahngesellschaft am 1. Juni 1874 trat, umfaßte die Linie Bouveret-St. Maurice-Siders, mit einer Gesammtlänge von 80 Kilometern. Von den laut Artikel 6 der Konzession weiter zu bauenden Linien wurden dem Betriebe übergeben : Siders-Leuk (9,414 Meter) am 1. Juni 1877 und Leuk-Visp-Brig (27,643 Meter) am 1. Juli 1878. Damit erreichte das Gesammtnez eine Ausdehnung von 117 Kilometern. Das Gesellschaftskapital wurde für einmal auf Fr. 5,000,000, wovon 4 Millionen einbezahlt sind, flxirt. Ein Obligationenanleihen im Betrage von 3 Millionen Franken, wofür das Pfandrecht auf die ganze Linie bereits im Juni 1877 zur Bestellung gelangte, hat zu annehmbaren Bedingungen noch nicht definitiv placirt werden können ; doch ist gegen Hinterlage der Titel der Gesellschaft ein provisorisches Anleihen von Fr. 2,200,000 gemacht worden.

Ueber den Gang und die Lage der Unternehmung geben die bei den Begleitakten dieser Botschaft liegenden Geschäftsberichte der Verwaltung, speziell die Bilanz per Ende 1878, alle wünschenswerthen Aufschlüsse, und wir nehmen deßwegen davon Umgang, hier deren Details zu besprechen. Die entscheidenden Zahlen finden sich immerhin auch an geeigneter Stelle der Botschaft selber eingefügt.

II. Betrieb.

a. E i n n a h m e n .

Dieselben haben betragen : 1875 1876 1877 1878

Kilometer im Betrieb.

Im Durschschnitt.

Total.

Fr.

Per Kilometer.

Fr.

80 80 85 106

632,556 620,376 651,448 647,623

7907 7755 7664 6110

Diesen Zahlen ist zu entnehmen, daß die kilometrischen Einnahmen sich mit der Eröffnung der neuen Streken, namentlich derjenigen von Leuk bis Brig, nicht nur nicht vermehrt, sondern erheblich vermindert haben. Ein solches Resultat war vorauszusehen, weil an den neuen Linien noch weniger Elemente als an den alten liegen, welche die Betriebsergebnisse der Bahn zu ver-

1104 bessern im Stande wären. Andere Faktoren, die eine Schraälerung der Einnahmen bewirkten, sind : a. die auf den 31. Dezember 1877 erfolgte Aufhebung der Spielbank in Saxon; der hieraus entstehende jährliche Ausfall wird von der Direktion auf Fr. 70,000--85,000 geschäzt ; b. die auf Grund der neuen Konzession seit 1. Januar 1876 durchgeführte Neuberechnung der Gütertarife.

Bezüglich des Verkehrs von Saxon ist die einzige Thatsache zu konstatiren, daß die Einnahmen aus dem Personenverkehr im Jahr 1878 Fr. 845 per Kilometer weniger betragen haben als im Jahre 1877.

Was den zweiten Faktor betrifft, ist ebenfalls zuzugeben, daß der neue Gütertarif für die Gesellschaft erheblich ungünstiger ist als der frühere. Der leztere betrug: Pro Tonne und Kilometer.

Eilgut. I.

II. HI. A.

B.

C.

B. auf 30 K. B. 60 K. UT). 60 K.

Cts. 36 18 16 14

12 11

9 Expeditionsgebühr p. Tonne ,, 300 200 200 200 200 -- 80 Die Taxen des neuen Tarifes .

sind . . . ,, 40 20 16 12 11 10 Expeditionsgebühr . . . Keine.

8

7

80

80 ,

9

Abgesehen also davon, daß die Strekentaxen im Durchschnitt billiger wurden, ist im neuen Tarif die Expeditionsgebühr vollständig weggefallen und mußte demnach eine erhebliche Mindereinnahme aus dem Gütertransport selbst bei gleicher Frequenz unter allen Umständen eintreten.

b. A u s g a b e n .

Die Betriebsausgaben basiren hauptsächlich auf dem zwischen der Suisse Occidentale und der Société financière vaudoise zum Zweke des Ankaufs der Ligne d'Italie am 15. Februar 1874 abgeschlossenen, bei den Akten liegenden Vertrage, wonach sich die Suisse Occidentale zur Uebernahme des Betriebes gegen nachstehende Entschädigungen verpflichtete :

1105 a. eine Pauschalsumme von jährlich Fr. 4000 per betriebenen Kilometer; b. ein jährliches Betreffniß von 25 °/o der gesammten direkten und indirekten Bruttoeinnahmen, so lange sie den Ertrag von Fr. 10,000 nicht erreichen. Uebersteigen dieselben diesen Betrag, so erhält sie für jede weitern Fr. 200 l °/o mehr, ohne daß jedoch das Total 30 % übersteigen dürfte. Extrazüge außerhalb der konzessionsmäßig vorgeschriebenen drei täglichen Züge und eines vierten Zuges auf der Linie St. Maurice-Siders während der Sommersaison sind besonders zu bezahlen.

Zu diesen, dem Betriebsübernehmer zu zahlenden Summen kommen, soweit sie überhaupt den Betrieb angehen, die eigenen Verwaltungskosten der Simplonbahngesellschaft, sowie die Nebenausgaben für Assekuranz und Publikationen.

DieJZusammenstellung der Betriebsausgaben zeigt:

1875

Z-ammen.

Per Kilometer.

Fr.

Fr.

Fr.

158,139

478,139

5977

a.

Fr. 4000 per Kilometer.

SZ2Ä

Fr.

320,000

verkaufte Grundstllke.

1876

320,000

155,074

475,074

5939

1877

341,000

162,832

503,832

5928

1878

412,640

161,786

574,246

5417

Per l .Extrazuge.

* Eigene verwaltungskosten Kilo= 16% der Gesamintkosten.

,, meter, à Assekuranz etc.

Fr.

Fr.

Fr.

1. 2,817 -- 13,097 2.

164

3.

1.

2.

3.

1.

2.

3.

1.

2.

3.

co o

Fr. 141,320 ,, 131,859 132,538 ,, 58,021

Per Kilometer.

Fr.

Fr.

491,236

6141

10,280 -- 11,861 1,582 2,448 10,892 1,738 2,448 10,532 2,376

13,443

168

488,517

6107

15,078

177

518,910

6105

15,356

145

589,602

5562

f

Die Einnahmenüberschüsse betragen :

1875 1876 1877 1878

Total.

Per Kilometer.

Fr. 1766

,, 1648 ,, 1559 ,, 548

1107 Hiebei ist zu bemerken, daß zwischen der Simplongesellschaft und der Betriebspächterin Differenzen darüber entstanden sind, ob in der Pachtsumme die Kosten für Erneuerung des Oberbaues und für Beuuzung des fremden Rollmaterials Inbegriffen seien. Die Pächterin verneinte dies und stellte der Simplonbahn über diese Kosten besondere Rechnung. Die Forderung aus dem ersten Titel betrug pro 1875 laut Geschäftsbericht der Simplonbahn über das Jahr 1877 Fr. 91,099, jene aus dem zweiten für die Jahre 1877 und 1878 allein circa Fr. 93,000. Es kam zum Prozeß. Der Streit betreffend die Oberbauerneuerung wurde grundsäzlich zu Gunsten der Simplonbahn entschieden; jener bezüglich des Rollmaterials ist noch schwebend. Je nach dem Urtheile des angerufenen Schiedsgerichtes läuft sonach die Simplonbahn Gefahr, nur mehr unerhebliche Betriebsüberschüsse zu erlangen. Eine Rechnung der Suisse Occidentale über die effektiven Betriebskosten der Simplonbahn liegt nicht vor, und es können deßhalb auch die Pauschalentschädigungen, die sie dafür bezieht, einer detaillirten Kritik nicht unterworfen werden ; immerhin wird es nicht ohne Interesse sein, zu erfahren, wie sich diese Pauschalbeträge zu den effektiven Betriebskosten anderer Bahnen verhalten.

Es kostet der Zugskilometer: Simplonbahn 1878 .

.

.

Emmenthalbahn 1877 .

.

Suisse Occidentale 1877 .

.

Vereinigte Schweizerbahnen 1877 Nordostbahn 1877 .

.

.

Mit dem 1. Januar 1881 der Bahn selbst übernehmen.

waltung mit Rüksicht hierauf betragen : Verwaltung, Centraldienst Expeditionsdienst Zugkraftdienst Bahndienst

. Fr. 2. 43 . ,, 2. 30 ,, 2. 50 . ,, 2. 85 . ,, 2. 83

wird die Simplonbahn den Betrieb Nach dem Budget, das deren Vererstellt hat, würden die Ausgaben und Kontrole

. Fr.

,, ,, ,,

70,000 160,000 280,000 140,000

Total Fr. 650,000 oder Fr. 5556 per Bahnkilometer, nicht Inbegriffen die Kosten für Erneuerung des Oberbaues.

Die nämliche Quote betrug unter der alten Verwaltung der Ligne d'Italie im Jahre 1872 Fr. 5764, also Fr. 208 per Kilometer mehr als heute veranschlagt wird. Die Erneuerungskosten des Oberbaues sind zu Fr. 130,000 per Jahr devisirt. Angenommen,

1108 daß die kilometrischen Erträgnisse mindestens eben so hoch bleiben, wie im Jahre 1878, so ergäbe sich eine Totaleinnahme von circa Fr. 714,000. Diesen stehen gegenüber:

fl

930,000

Fr. 650,000 eigentliche Betriebsausgaben, ,, 130,000 für den Erneuerungsfond, ,, 150,000 ,, Obligationenzinse, = einem Ausfall von circa

Fr. 216,000.

Diese Zahlen ließen die nächste Zukunft der Simplonbahnunternehmung keineswegs als gesichert erscheinen, und es ist darum die Direktion gewiß nicht zu tadeln, wenn sie rechtzeitig zur Sicherung der ihr anvertrauten Interessen die ihr zu Gebote stehenden Mittel ergriffen hat. Wie schon angedeutet, konnte sie ihrer Gesellschaft eine wesentliche Steigerung der Einnahmen aus vermehrter Frequenz vorläufig nicht in Aussicht stellen, und es blieb ihr daher nur übrig, zu der in der Konzession vorgesehenen Erhöhung der Taxen Zuflucht zu nehmen.

Hinsichtlich des gewünschten Maßes der Erhöhung hat unser Eisenbahndepartement gefunden, ein Zuschlag von 30 % sei namentlich für den Personentransport zu hoch und der Entwiklung des Verkehrs schädlich. Es wollte also der Direktion belieben, ihr Begehren dahin zu modifiziren, daß die Erhöhung eine für Personen und Güter gleichmäßige sein und 20 °/o nicht überschreiten solle.

Die Direktion glaubte auf diesen Vorschlag nur insoweit eintreten zu können, als der einheitliche Prozentsaz auf 25 °/o fixirt werde.

Dieser Mittelsaz, der allerdings bezüglich des Gütertransportes den ursprünglichen Antrag überschreitet, durfte nicht mehr zurükgewiesen werden, da einerseits eben nicht zu verkennen war, daß der am 1. Januar 1876 in Kraft getretene, nach Maßgabe der neuen Konzession erstellte Gütertarif für die Gesellschaft bedeutend ungünstiger sich gestaltet hatte, als der früher bestandene, und weil andererseits von irgend welcher Erhöhung ausdrüklich ausgeschlossen bleiben die Tarife für den Transport der wichtigsten Rohartikel, wie : Salz, Holz in allen rohen Formen, Gyps, Anthrazit, Pyrit, sowie Bau- und Hausteine. Als muthmaßliches Resultat einer derartigen Majoration wurden folgende Zahlen gefunden : a. Personen- und Gepäkverkehr von Fr. 460,000 b. Güterverkehr von ,, 100,000

25 °/o = Fr. 115,000 25 % = Fr. 25,000 zusammen Fr. 140,000

1109 Die Gesamintjahreseinnahmen würden sich hienach stellen auf Fr. 714,000 + 140,000 = Fr. 854,000 Die Ausgaben betragen, wie oben angegeben .

. ,, 930,000 und der verbleibende Ausfall Fr. 76,000 Dessen Dekung wäre zu suchen durch die Zinsen der dem Bunde geleisteten Kaution von Fr. 250,000, durch vorübergehende Reduktion der Einlagen in den Erneuerungsfond und eventuell durch Ersparnisse im Betrieb.

Rüksichtlich der Dauer der Erhöhung mußte der von der Direktion vorgeschlagene Termin von 10 Jahren als zu weit gehend betrachtet werden ; denn die Möglichkeit ist keineswegs ausgeschlossen, daß nach Beginn der Tunnelarbeiten einerseits und nach erfolgtem Anschlüsse an das französische Nez bei St. Gingolph andererseits die Verhältnisse sich derart günstig gestalten werden, um wieder zu den normalen Taxen zurükkehren zu können. Gestüzt auf die vorstehenden Erörterungen hat der Bundesrath am 15. Juli dieses Jahres folgenden Beschluß gefaßt, welcher den Gegenstand des heutigen Rekurses bildet : \.

,,Der Gesellschaft der Simplonbahn wird gestattet, mit Wirkung vom 20. August 1879 an und auf die Dauer von vorläufig fünf Jahren die gegenwärtig bestehenden Tarife für den Personen-, Gepäk-, Vieh- und Waarenverkehr um 25 °/o (in welchem Sinne die Direktion ihr ursprüngliches Begehren nachträglich modiflzirt hat) zu erhöhen. Von der Erhöhung sind jedoch ausgeschlossen die Tarife für den Transport von Salz, Bau- und Brennholz, Eisenbahnschwellen, Gyps, Anthrazit, Pyrit und rohen Bausteinen aller Art.

2. Dieser Beschluß ist im Geschäftsbericht für das Jahr 1879 der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen."

Zur Behandlung des Rekurses selbst übergehend, beginnen wir mit Widerlegung der Behauptung des Staatsrathes des Kantons Wallis, daß die Bestimmungen vom Artikel 24 der Konzession erst von dem Augenblike an in Rechtskraft treten, wo das gesammte konzessionirte Nez von der französischen bis zur italienischen Grenze gebaut und dem Betriebe übergeben sein werde. Diese Ansicht muß formell und materiell als eine unrichtige bezeichnet werden.

In formeller Beziehung, weil die Konzession selbst die Bahn in verschiedene, zu verschiedenen Zeiten zu bauende und zu eröffnende Sektionen eintheilt und Art. 6, lit. c bezüglich der einzig noch nicht im Betrieb stehenden Sektion von Brigue bis zur italienischen Grenze kategorisch erklärt: ,,Was die Sektion Visp-Brigue bis zur italieniBundesblatt. 31. Jahrg. Bd. IH.

78

1110 sehen Grenze betrifft, so ist den Konzessionären erlaubt, bei Visp innezuhalten und die Arbeiten dieser Sektion erst zu beginnen, wenn der Simplonübergang auf schweizerischem und italienischem Gebiete gesichert ist. Immerhin hat, wenn die Arbeiten auf dieser Sektion und bezüglich des Simplonüberganges nicht vor dem I.Mai 1880 begonnen werden, der Bund und eventuell der Kanton Wallis das Recht, sich wieder in den Besiz der Eisenbahn der Ligne d'Italie zu sezen, indem der Gesellschaft der ursprüngliche Ankaufspreis gemäß der Steigerung und alle für Bauten, Betriebsmaterial und Zubehörden gemachten Auslagen sammt Zins zu 5 °/o, jedoch unter Abzug der den Aktionären ausbezahlten Zinsen und Dividenden,, vergütet werden.tt Diejenigen Linien, die durch Art. 6, litt, a und b bestimmt tevminirt wurden, sind im Betriebe, ebenso die StrekeVisp - Brig. Eine weitere Bauverpflichtung ruht also gegenwärtig auf der Bahngesellschaft nicht, und ihre Unternehmung hat den vorläufigen Abschluß gefunden. Wäre dies nicht im Sinne der Konzession gelegen, so hätte sie wohl nicht für die Linie Bouveret-Viège, resp. Brigue, ein schon zwei Jahre nach Eröffnung, der lezten Sektion perfekt werdendes Rükkaufsrecht für Bund und Kanton etablirt.

In materieller Richtung kann es ebensowenig im Sinne der Konzession, welche den seküonsweisen Bau und Betrieb ausdrüklich vorgesehen hat, liegen, der den Kanton Wallis nunmehr auf eine Länge von 117 Kilometern durchfahrenden Eisenbahn den Boden unter den Schienen wegzuziehen und dadurch eine neue Kalamität herbeizuführen, die den endlichen Ausbau des gesammten Werkes abermals in verderblicher Weise hindern müßte.

Nicht besser zu bestehen vermag die eventuelle Berufung auf Artikel 24, Absaz l der Konzession, aus welchem der Staatsrath folgert, daß, gleich wie eine Ermäßigung erst nach drei Jahren durchführbar sei, die nämliche Frist auch auf den im Absaz 3 vorgesehenen Fall der Taxerhöhung zutreffe.

Wir haben uns über diese Frage und gegen die Ansieht des Staatsrathes einläßlich im Geschäftsberichte für das Jahr 1876 (Bundesblatt 1877, Bd. II, Seite 203) ausgesprochen.

Die dort aufgestellten Säze, auf die wir heute verweisen, sind weder von der Geschäftsprüfungskommission, noch sonstwie von den eidg. Räthen angefochten und auch seither vom Bundesrathe in ähnlichen Fällen praktizirt
worden.

Es ist ferner unrichtig, wenn der Staatsrath erklärt, daß die Anwendung von Absaz 3 des Artikel 24 nicht auf gemachte Erfahrungen , sondern auf bloße Muthmaßungen über die künftigen Einnahmen und Ausgaben der Simplongesellschaft hin Plaz gegriffen

lili habe. Nach der von ihrer Verwaltung erstellten und genau verifizirten Rechnung beträgt der Einuahmenüberschuß pro 1878 Fr. 58,021, die Zinsen des provisorischen Anleihens machen aber Fr. 155,000 aus, und es liegt somit ein Defizit von Fr. 96,979 vor. Die Rechnungsstellung der Suisse Occidentale dagegen weist einen Ueberschuß von bloß Fr. 13,813 auf, und es würde also, wenn die Suisse Occidentale den anhängig gemachten Prozeß gewinnen sollte, das Defizit auf Fr. 141,187 ansteigen. Außer diesen thatsächlichen Verhältnissen sind dann allerdings noch die Aussichten auf die Zukunft in Anschlag zu bringen, und diese sind leider keineswegs befriedigend. Darüber liefern wohl die kilo metrisch en Erträgnisse der ersten Monate des laufenden Jahres den besten Beweis.

Gegenüber denen des Vorjahres betrugen sie laut einer bei den Akten liegenden detaillirten Verkehrstabelle der Jahre 1877/79:

1878.

1879.

Januar .

. Fr. 266. 69 Fr. 239. 99 Februar .

. ,, 281. 85 ,, 279. 69 März .

.

. ,, 501. 84 ,, 396. 82 April . ., 465. 96 _, 407. 29 Mai .

.

. ., 518. 47 ,, 420. 54 Juni . ,, 526. 46 ,, 471. 93 Juli .

.

. ,, 659. 18 ,, 554. 70 Angesichts solcher Zahlen dürfte es dann auch nicht befremden, wenn unser Eisenbahndepartement in einem Schreiben an den Staatsrath bemerkte, daß der Ausgang des wiederholt erwähnten Prozesses von einer wesentlichen Bedeutung für die Frage der Taxerhöhung nicht mehr sein könne.

In der Ausgabenrechnung bemängelt der Staatsrath die für den Oberbauerneuerungsfond und Obligationenzins ausgeworfenen Summen von Fr. 130,000 und Fr. 150,000. Hierauf ist zu erwidern: a. E r n e u e r u n g s f o n d . Ueber die Zwekmäßigkeit, ja sogar Nothwendigkeit der Anlage und Speisung von derartigen Fonds ist nicht zu diskutiren. Was die jährlichen Einlagen anbetrifft, so berechnen sie sich nach einem anerkannten Erfahrungssaze wie folgt : Die mittlere Dauer einer Schiene auf der Ligne d'Italie beträgt 20 Jahre und einer Lärchenschwelle 9 Jahre. Auf den Kilometer kommen 1143 Schwellen. Die mittlere Kompensation per Jahr ist demnach per Kilometer -Q Fr. 539. 75 y - = 127 à Fr. 4. 25 = 1000 Meter _ g() Meter ]aufend _ 100 Meter Schienen 20 Jahre von 32 Kilogramm = 3,2 Tonnen à Fr. 140 (abzüglich des Werthes des alten Materials) ,, 448. -- Total Fr. 987. 75

1112 oder aufgerundet Fr. 1000 per Kilometer, für 130 Kilometer (117 Kilometer direktes Geleise und 13 Kilometer Kreuzungs- und Nebengeleise} demnach Fr. 130,000.

Ob nun diese Erneuerungskosten jährlich gleichmäßig oder aber in mehr oder minder größerem Belange erst nach zwei oder mehr Jahren wiederkehren, bleibt gleichgültig; die Hauptsache ist, daß Vorsorge getroffen wird , die Mittel dazu jeweilen disponibel zu haben.

b. O b l i g a t i o n e n z i n s . Wir haben schon gezeigt, daß Seitens der Verwaltung der Simplonbahn alle Bedingungen zur Placirung eines definitiven Anlehens erfüllt worden sind, daß es aber trozdem nicht möglich war, dasselbe zu annehmbaren Bedingungen unterzubringen. Dieser Fall wird frühestens dann eintreffen, wenn entweder der Durchstich des Tunnels gesichert ist, oder die Betriebsergebnisse der Linie Bouveret-Brigue derart sich gebessert haben werden, daß einige Garantien für die regelmäßige Verzinsung des Kapitals geboten werden können. Inzwischen wird die Gesellschaft sich eben die strengern Bedingungen eines provisorischen Anleihens gefallen lassen müssen.

Aber auch die Meinung des Staatsrathes von Wallis über die Nothwendigkeit eines Anleihens und über die Berechtigung, dessen Kosten zu Lasten des im Betriebe stehenden Nezes zu schreiben, ist eine irrige.

Es darf nicht bestritten werden, daß das Aktienkapital von 4 Millionen Franken nicht bloß zu dem Zweke zusammengebracht worden ist, um daraus einzig und allein den Ausbau der Linie Bouveret-Siders und den Neubau Siders-Visp, beziehungsweise Brigue zu bewerkstelligen, sondern ein Theil davon war von Anfang an dazu bestimmt, die Vorbereitungskosten für den Tunneldurchstich zu deken. Wer hieran zweifeln wollte, ist auf litt, e der Statuten der Simplongesellschaft zu verweisen, der zu den Zweken derselben auch zählt: ,,L'étude du percement d'un tunnel entre Brigue et la frontière italienne par le Simplona. Art. 4 der nämlichen Statuten beziffert das Gesellschaftskapital mit Rüksicht auf das ganze Programm derselben mit 5 Millionen Franken. Wie hoch diese Studien schließlich sich belaufen werden, das festzustellen ist zur Stunde eine Sache der Unmöglichkeit; so viel aber scheint elementar zu sein, daß dafür ein Obligationenkapital nicht erhältlich gewesen wäre und nachträglich auch dafür nicht in Anspruch genommen werden darf. Nun sind pro Ende 1878 von der Simplonbahngesellschaft verwendet worden :

1113 1) 2) 3) 4) 5)

Auslagen für Konstituirung der Gesellschaft Kaution laut Konzession .

.

.

.

Bau neuer Streken Ausbau der alten Linie .

.

.

.

Konstruktionsmaterial und Betriebsinventar ; diverse Kosten 6) Vorarbeiten und Studien für den Tunneldurchstich

Fr. 336,656. 65 ,, 250,000. --· ,, 3,814,609. 61 ,, 563,402.24 ,,

880,155. 44

,,

242,804. 29

Total Fr. 6,087,628. 23 Hiezu kommen weitere Ausbauarbeiten des alten Nezes, Vollendung der neuen Streken und Ergänzung des Betriebsmaterials, wofür pro 1879 büdgetirt worden sind: 1) Allgemeine Verwaltungskosten .

.

. Fr. 50,000 2) Ausbau der Linie Bouveret-Loëche .

. ,, 115,500 3) Vollendungsarbeiten auf der Linie Loëche-Brigue ,, 50,435 4) Betriebsmaterial ,, 66,300 5) Vorarbeiten für den Tunnelbau . ,, 10,000 Total Fr.

292,235

Der Bau des Verbindungsstükes Bouveret-St. Gingolph wird ferner miodestens Fr. 1,000,000 in Anspruch nehmen, so daß dadurch die Gesammtlast derj.Unternehmung -- weiter erforderliche Ausbauarbeiten abgerechnet ·-- auf rund 8 Millionen Franken zu stehen kommt, wovon die bisherigen Vorarbeiten und Studien für den Tunnel mit Fr. 242,804. 29 und Fr. 10,000, zusammen mit Fr. 252,804. 29 abgezogen, auf die Linie St. Gingolph-Brigue rund 73/4 Millionen Franken fallen werden. Es kann daher nach billigem Erachten nicht behauptet werden, das Obligationenkapital von nominell 3 Millionen Franken stehe in einem zu bemängelnden Verhältniß zum Aktienkapital, und es sei die Emission des erstem nicht nöthig gewesen, um der Gesellschaft die Bewältigung der vorerst übernommenen Aufgabe der Vollendung und des Ausbaues |der Linie Bouveret, beziehungsweise St. Gingolph-Brigue, zu ermöglichen.

Wir hoffen, diese Darlegungen werden es rechtfertigen, wenn wir auf die weitern Auslassungen des Staatsrathes, die übrigens meistens Wiederholungen von bereits Angebrachtem enthalten, nicht näher eintreten, und eben so wenig auf die Renditeberechnungen. Nur eine Bemerkung wollen wir nicht unterlassen. Der Staatsrath findet etwas Auffallendes darin, daß die pro 1881 büdgetirten Ausgaben um Fr. 131,091 höher seien als im Jahr 1877, und um Fr. 60,398,

1114 als im Jahre 1878. Es ist dies leicht erklärlich. Im Jahre 1877 waren durchschnittlich im Betrieb 85 Kilometer und im Jahre 1878 106 Kilometer, während vom Jahre 1879 ab die Betriebslänge 117 Kilometer beträgt. Zudem ist weiter oben gezeigt worden, daß die von der Direktion der Simplonbahn büdgetirten eigentlichen Betriebsausgaben um Fr. 208 per Kilometer niedriger sind, als die gleichen Auslagen der frühern Verwaltung im Jahre 1872.

Der Staatsrath des Kantons Wallis legt dem dritten Saz vom Artikel 24 der Konzession im Fernern auch den Sinn unter, daß ein die Taxerhöhung gestattender Bundesrathsbeschluß erst dann rechtskräftig werde, wenn derselbe die Sanktion der hohen Bundesversammlung erhalten habe. Der Bundesrath ist nicht im Falle, dieser Interpretation sich anschließen zu können, und zwar aus folgenden Gründen: Der Text der genannten Bestimmung an sich selbst schon widerlegt die Ansicht des Staatsrathes. Es lautet derselbe: ,,Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin etc., so k a n n der Bundesrath eine angemessene Erhöhung g e s t a t t e n . Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.a Der Bundesrath also ist es, der zur Bewilligung höherer Taxen kompetent ist, sobald die Bedingungen des Artikels 24 erfüllt sind, die hohe Bundesversammlung dagegen ist berechtigt, die Fortdauer der Erhebung zu verbieten, nachdem ihr durch den Bundesrath Kenntniß von seiner Schlußnahme geworden ist. Die Bundesgesezgebung kennt eine analoge Bestimmung im Artikel 34 des Gesezes über das Zollwesen : ,,Insbesondere ist der Bundesrath befugt, unter außerordentlichen Umständen, namentlich im Falle von Theurung der Lebensmittel, bei größerer Beschränkung des Verkehrs der Schweizer von Seite des Auslandes u. s. w., besondere Maßregeln zu treffen und vorübergehend die zwekmäßig erscheinenden Abänderungen im Tarife vorzunehmen. Er hat indessen der Bundesversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft von solchen Verfügungen Kenntniß zu geben, und dieselben können nur fortdauern, wenn die Bundesversammlung ihre Genehmigung ertheilt.tt Art. 24 der Simplonkonzession sezt dem Bundesrath keinen Termin an zur Berichterstattung an die eidgenössischen Räthe; er wird also jeweilen den geeigneten Zeitpunkt hiefür selber zu bestimmen in der Lage sein, mit andern Worten, es scheint im
natürlichen Gange der administrativen Organisation zu liegen, dafür das Mittel des Geschäftsberichtes zu benuzen. Hinsichtlich der Kompetenz des Bundesrathes zur verbindlichen Schlußnahme in solchen Angelegenheiten mag nur noch bemerkt werden, daß, wenn

1115

dies nur der hohen Bundesversammlung zustände, der den Bundesrath erwähnende Passus durchaus sinnlos wäre.

Durch diese Betrachtung wird auch der am Schlüsse des Rekurses dem Bundesrathe gemachte Vorwurf wegen Nichtbeachtung der im Artikel 35, Ziffer 5, Absaz 3 des Eisenbahngesezes vorgeschriebenen Publikationsfristen hinfällig. Die Taxerhöhung um 25 °/o ist von der Direktion der Simplonbahn am 19. Mai 1879 in gesezlicher Weise angekündigt worden, um, vorbehaltlich der Genehmigung der zuständigen Bundesbehörden, am 20. August 1879 in Kraft gesezt zu werden. Dasselbe Verfahren ist von jeher auch von andern Bahnverwaltungen praktizirt worden, ohne den mindesten Anlaß zu Schwierigkeiten gegeben zu haben, wie dann auch zu konstatiren ist, daß im vorliegenden Falle weder dem Eisenbahndeparternent noch dem Bundesrathe Beschwerden von Seiten des Publikums angegangen sind, woraus zu schließen ist, daß Inkonvenienzen in der Durchführung der neuen Tarife sich nicht ergeben haben.

Wir beantragen Ihnen, Tit., den Rekurs des Staatsrathes des Kantons Wallis als formell und materiell unbegründet abzuweisen, und benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Dezember 1879.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundesprjäsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

1116

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Grossherzogthum Baden über den "Wasserverkehr auf dem Rheine von Neuhausen bis unterhalb Basel.

(Vom 4. Dezember 1879.)

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen eine Uebereinkunft mit dem Großherzogthum Baden, betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein, zur Genehmigung vorzulegen, und dieselbe mit den folgenden Bemerkungen zu begleiten : Die Verhandlungen mit der Regierung des Großherzogthums Baden und mit den Regierungen der bei den Rechtsverhältnissen der Rheinschiffahrt betheiligten Kantone Zürich, Aargau, BaselStadt und Basel-Landschaft dauern seit 1874. Ueber die Veranlaßung und den Gang der Verhandlungen haben wir Ihnen jeweilen in den Geschäftsberichten Kenntniß gegeben, und wir glauben, der Kürze halber auf dieselben hier verweisen und das dort Gesagte nicht wiederholen zu sollen (siehe Bundesblatt von den Jahren 1875, Bd. II, S. 552; 1876, Bd. n, S. 603; 1877, Bd. II, S. 257; 1878, Bd. n, S. 88 und 1879, Bd. II, S. 463).

Es bleibt uns deßhalb nur übrig, Ihnen über die diesjährigen Verhandlungen und über die Konvention selbst, welche das Ergebniß derselben ist, noch einige Mittheilungen zu machen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, über den Rekurs des Staatsrathes des Kantons Wallis gegen den Bundesrathsbeschluss vom 15. Juli 1879, betreuend Erhöhung der Taxen auf der Simplonbahn. (Vom 4. Dezember 1879.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1879

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

55

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.12.1879

Date Data Seite

1102-1116

Page Pagina Ref. No

10 010 529

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.