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Schweizerisches Bundesblatt.

33. Jahrgang. I.

Nr. 4.

29. Januar 1881.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Ëuchdrukerei in Bern.

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Bericht der

nationalräthlichen Commission über den Entwurf eines schweizerischen Obligationen- und Handelsrechtes.

(November 1880.)

Tit.

Die von Ihnen beauftragte Commission hat unter Mitwirkung des Vorstandes des eidgenössischen Justizdepartements und des Herrn Prof. Dr. Fick in Zürich, als Redaktors des umgearbeiteten Projektes von 1875, den vorliegenden Gesetzesentwurf eines schweizerischen Obligationen- und Handelsrechtes, sowie die von dem Ständerathe beschlossenen Abänderungen desselben in drei längeren Sessionen durchberathen und ihre Arbeit in ihrer Schlußsitzung vom 7. November 1880 mit einer Revision der angenommenen Abänderungsanträge beendet.

In Uebereinstimmung mit dem Verfahren des Ständerathes wurden nun die gefaßten Beschlüsse in zwei Kategorien ausgeschieden, einerseits in solche Anträge, welche die Bestimmungen des Entwurfes wesentlich modifiziren, und andererseits in Beschlüsse von bloß redaktioneller oder untergeordneter Bedeutung, welche direkt dem Bundesrath zur Berücksichtigung bei der Revision der Gesetzesvorlage übermittelt werden sollen.

Die Kürze der Zeit, welche dem Unterzeichneten für die Zusammenstellung und Ausscheidung der gefaßten Commissionsbeschlüsse und für die Ausarbeitung seines darauf bezüglichen Berichtes zur Verfügung stand, gestattete ihm nicht, sich so eingehend über die Sache zu verbreiten, wie es vielleicht wünschbar gewesen wäre.

Bundesblatt. 33. Jahrg. Bd. I.

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Was die Entstehungsgeschichte und die allgemeine Beleuchtung des vorliegenden Entwurfes anbetrifft, kann übrigens füglich auf die Botschaft des Bundesrathes und den Bericht der ständeräthlichen Commission verwiesen werden.

Das Eintreten auf die Gesetzesvorlage, ein Werk langjähriger Arbeit und bestmöglicher Vermittlung der oft entgegengesetzten Rechtsanschauungen der deutschen und der französischen Schweiz, noch besonders zu befürworten, glauben wir wirklich als überflüssig betrachten zu dürfen.

Es würde uns auch zu weit führen, die zahlreichen Abänderungsvorschläge zu erörtern, welche im Schooße Ihrer Commission gestellt, jedoch nicht zum Beschlüsse erhoben worden sind. Der nachfolgende Bericht beschränkt sich daher im Großen und Ganzen darauf, die Ihnen in besonderer Vorlage mitgetheilten Anträge in Kürze zu begründen und da, wo sich in wesentlichen Fragen abweichende Ansichten gegenüber standen, diese, soweit Zeit und Raum es erlauben, einer gedrängten Besprechung zu unterwerfen.

A. Allgemeiner Theil.

Die Anträge zum allgemeinen Theil des Gesetzes sind ziemlich zahlreich und verlangen eine eingehendere Beleuchtung.

Ad Art. 3 und 5. Die Mehrheit der Commission beantragt die Streichung des 2. Absatzes von Art. 3 , will dagegen die daselbst aufgestellte Vorschrift für den in Art. 5 erwähnten Fall gelten lassen. Wenn der Offerent zur Annahme seines Antrages eine bestimmte Frist angesetzt habe, so solle er nach fruchtlosem Ablaufe derselben j e d e r Verpflichtung enthoben sein und nicht noch auf seine Gefahr und Kosten von dem verspäteten Eintreffen der Annahmeerklärung Anzeige machen müssen; dagegen dürfe ihm diese Diligenz dann zugemuthet werden, wenn er seinen Antrag ohne Fristbestimrnung gestellt und dadurch dem Angefragten einen gewissen Spielraum gelassen habe.

Die Minderheit der Commission möchte keinen Unterschied machen, da die Verpflichtung , dem andern Theil von dem Rücktritte Kenntniß zu geben, in beiden Fällen zur Voraussetzung habe, daß die Annahmserklärung, wenn auch verspätet eingetroffen, doch (selbstverständlich in einer für den Antragsteller erkennbaren Weise) r e c h t z e i t i g abgesendet worden sei und es nicht angehe, daß der Offerent den andern Theil ruhig im Glauben lasse , es werde das proponirte Geschäft wirklich vollzogen werden. Sie befürwortet daher die unveränderte Beibehaltung der Art. 3 und 5.

155 Ad Art. 9. Durch diese Vorschrift wurde die Abschaffung aller derjenigen Bestimmungen der kantonalen Gesetze bezweckt, welche im Anschlüsse an das französische Recht den Zeugenbeweis zur Feststellung mündlicher Verträge ausschließen oder wesentlich beschränken. Streng genommen ließe sich zwar die Frage aufwerfen' ob der Wortlaut des Artikels eine solche Interpretation unabweislich erheische; denn wenn auch das französische Recht für Verträge, die einen gewissen Werth beschlagen, die schriftliche Beurkundung vorschreibt, so ist doch diese besondere Form weder für die Gültigkeit, noch auch nur für den Beweis des Geschäftes unerläßlich, vielmehr darf dieser, wenn nicht durch Zeugen, so doch auf andere Weise, z. B. durch die Eideszuschiebung erbracht werden.

Indessen kann über den wahren Sinn des Art. 9 ein ernstlicher Zweifel nicht obwalten. Es ist aber diese Bestimmung in der ganzen französischen Schweiz, welche dadurch angehalten würde, den dort als gefährlich erachteten Zeugenbeweis unumschränkt frei zu geben, auf starken Widerstand gestoßen.

Der Ständerath hat deßhalb einen Mittelweg eingeschlagen: er trägt der Anschauung des französischen Rechtes insoweit Rechnung, als er den Zeugenbeweis für Verträge von einem erheblichen Werthe ausschließen will ; indem er aber diesen Ausschluß nur für diejenigen Verträge, welche einen Geldwerth von mehr als Fr. 3000 beschlagen, ausspricht und denselben zudem auf die im kaufmännischen Verkehr und auf Märkten abgeschlossenen Geschäfte nicht ausdehnt, läßt er die Gestattung des Zeugenbeweises doch wohl als R e g e l bestehen.

Ihre Commission befürchtet nun, daß dieser Ausweg Niemanden recht befriedigen werde. Wenn man einmal den Zeugenbeweis als gefährlich verpönt, so sollte man ihn auch im Handelsverkehr ausschließen -- eine Konsequenz, die freilich der Code Napoléon nicht zu ziehen gewagt hat. Die auch vom Ständerathe acceptirte Unterscheidung zwischen den gewöhnlichen Verträgen des Civilrechtes und denjenigen des Handels- und Marktverkehrs würde wohl, wie in Frankreich, unzählige Incidente über die Zuläßigkeit des Zeugenbeweises hervorrufen, um so mehr, als unserm Entwurfe, der eben* Civil- und Handelsrecht nicht, wie der Code Napoléon, von einander ausscheidet, eine Définition des kaufmännischen Verkehrs fehlt.

Das französische Recht kennt auch wichtige
Ausnahmen von dem Verbote des Zeugenbeweises, welche der Ständerath nicht zulassen zu sollen glaubte, so die Fälle, wo ein Anfang eines schriftlichen Beweises vorhanden ist oder wo es dem Kläger unmöglich war, sich einen solchen zu sichern. (Art. 1347 und 1348, C. c.)

156 Ueberhaupt aber stehen im Code civil und in den ihm nachgebildeten Gesetzbüchern der französischen Schweiz die Beschränkuag- oder der Ausschluß des Zeugenbeweises in enger Verbindung mit dem ganzen Bcweisrechte, während nach dem Beschlüsse des Ständcrathes eine einzelne Vorschrift herausgenommen und ohne Rücksicht auf deren Wechselbeziehungen zu den übrigen Bestimmungen des betreffenden Gesetzes für sich allein uormirt würde.

Einheitliches Recht könnte zudem auch durch die Annahme der ständeräthlicheu Vorlage nur in beschränktem Maße geschaffen werden; denn wenn auch der Zeugenbeweis in der ganzen Schweiz grundsätzlich zugelassen werden müßte, so bliebe es doch den Kantonen vorbehalten, über die Unfähigkeit, Verwerflichkeit oder Verdächtigkeit der Zeugen, über die zur Vollständigkeit des Beweises erforderliche Zahl derselben und Anderes mehr die verschiedenartigsten Bestimmungen aufzustellen.

Nach dem Gesagten kommen wir zu dem Schlüsse, daß die Frage des Beweises und speziell des Zeugenbeweises im nothwendigen Zusammenhange mit dem ganzen Beweisrechte der kantonalen Gesetzgebung überlassen, oder dann die Lehre von deu Beweismitteln in einem besondern Titel unseres Obligationenrechts erschöpfend behandelt werden müsse.

Dieser letztern Alternative steht aber im Wege, daß das Beweisrecht , trotz seiner Einverleibung in die Civilgesetzbücher der französischen Schweiz, der Natur der Sache nach doch in den Bereich der Prozeßgesetzgebung fällt, und daß diese nach Maßgabe der gegenwärtigen Bundesverfassung Sache der Kantone geblieben ist.

So sahen wir uns denn schließlich gezwungen, die Frage des Beweises aus Art. 9 des Entwurfes gänzlich auszumerzen, wiewohl damit das Prinzip der Formlosigkeit der Verträge angesichts der Schwierigkeiten, welchen der B e w e i s derselben nach den verschiedenartigen kantonalen Rechten begegnen kann, eine erhebliche Beeinträchtigung erleiden wird.

Ad Art. 15. Die Tragweite der Bedingung: ,,wenn es der gute Glaube und bestehende Uebungen erfordern"1 leuchtet nicht recht ein. Wenn die schriftliche Form von den Parteien f r e i w i l i ig gewählt worden ist, so soll auch lediglich i h r Wille darüber entscheiden, inwieweit und wie lange dieselbe für ihre Vereinbarungen gelten soll. Die Frage des Beweises bleibt natürlich vorbehalten.

Wir beantragen daher die Streichung dieses Artikels.

157 Ad Art. 16. Diese Bestimmung geht jedenfalls zu weit, indem sie es, entgegen der französischen Jurisprudenz, nothwendig machen würde , auch bei Quittungen für ein beglaubigtes Datum besorgt zu sein. Indessen zieht die von uns beantragte Abänderung des Art. 9 auch die Streichung des Art. 16, als einer bloßen Vorschrift des Beweisrechtes, nach sich und können wir deshalb von der nähern Untersuchung der Konsequenzen desselben Umgang nehmen.

Ad Art. 18. Die Redaktion des Einganges dieses Artikels wurde beanstandet. Der Sinn desselben kann jedoch nicht wohl mißverstanden werden; es soll nicht nur bezüglich des Inhaltes eines Vertrages , sondern auch hinsichtlich der Frage, ob die zu dessen Gültigkeit erforderliche Form vorliege , auf das wirklich gewollte Geschäft ankommen.

Ad Art. 20 und 21. Diese Artikel, laut welchen die nähere Bestimmung der Leistung in das billige Ermessen eines Dritten oder eines der Kontrahenten selbst gestellt werden kann, sind vom Ständertithe gestrichen worden.

Bezüglich des Art. 20 sagt der Bericht der ständeräthlichen Commission , daß die Vorschrift in Lemma 2 wohl als selbstverständlich und der im Schlußsatze zugelassene Rekurs an den Richter als unzuläßig erscheine.

Daß indessen die erstgenannte Bestimmung wich keineswegs ganz von selber versteht, geht schon daraus hervor : daß z. B. das französische Civilgesetzbuch in Art. 1592 den Kaufvertrag schlechtweg dahiutallcii läßt, wenn die bezeichnete Drittperson den Kaufpreis nicht festsetzen will oder kann; daß im Fernern der sog.

Dresdener Entwurf, welcher unserer Gesetzesvorlage vielfach als Vorbild gedient hat, jeden Vertrag als nichtig erklärt, falls ein Dritter, dessen billiges Ermessen entscheiden soll, den Ausspruch, nicht abgibt, während umgekehrt nach Art. 22 und 23 unserer frühern Entwürfe i m m e r das richterliche Ermessen an die Stelle des von der Drittperson nicht ertheilten Ausspruches treten sollte.

Unsere jetzige Bestimmung nun trifft wohl, mindestens insofern, als sie den Vertrag weder unter allen Umständen aufrecht hält, noch ausnahmslos hinfällig werden läßt, das Richtige. Als Regel wird angenommen, daß die Kontrahenten einen bestimmten Dritten deßhalb bezeichnet haben, weil sie gerade auf s e i n U r t h e i l abstellen wollten; häufig ist es aber den Parteien nur um ein sachverständiges Urtheil
zu thun, ohne daß ihnen die Persönlichkeit des designirten Sachverständigen entscheidend wäre, und wenn sich dies als ihre Intention ergibt, so soll der Vertrag, trotz der Verhinderung oder Weigerung der genannten Drittperson, die gewünschte Be-

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Stimmung zu treffen, zu Recht bestehen und das billige Ermessen des Richters, nöthigenfalls auf Grundlage einer Expertise, entscheiden (vergi. Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts, Bd. 2, § 22, und Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, § 254, Anm. 4 und 5).

Auch der Rekurs an den Richter gegen einen offenbar unbilligen, d. h. auf grobem Irrthum beruhenden oder mit Treu und Glauben unvereinbaren, Ausspruch des Dritten ist durchaus in der Natur der Sache begründet. (Vergi. Dernburg und Windscheid, a. a. 0., Aubry et Rau, Cours de droit civil français, § 349, L).

Aehnlich verhält es sich mit der Bestimmung des Art. 21.

Auch hier muß eine Berufung an den Richter zuläßig sein, wenn der Mitkontrahent, dessen billigem Ermessen die nähere Bestimmung der Leistung überlassen worden ist, das, was nach den Umständen als recht und billig erscheint, nicht festsetzen will oder dabei, entgegen der Intention der Parteien, rein willkürlich verfährt. (Vergi.

Dernburg II, § 22 ; Windscheid, §§ 254 und 386 ; Dresdener Entwurf, Art. 35 und 36.) In einer Reihe von Artikeln (vergi.

Art. 278, 346, 373, 391, 399 und 484) sieht übrigens unser Entwurf den Fall, wo die Gegenleistung nicht näher bestimmt ist, noch besonders vor und es ist klar, daß auch hier wieder der Richter zu entscheiden hat, wenn die Parteien sich nicht einigen können.

Dessen ungeachtet stimmt die Mehrheit Ihrer Commission dem Beschlüsse des Ständerathes, die Art. 20 und 21 zu streichen, bei, in der Meinung, daß damit nichts präjudizirt sein soll, vielmehr der Richter im einzelnen Falle zu untersucheü habe, ob angesichts der unvollständigen Bestimmung der Leistung ein bindender Vertrag überhaupt vorliege, und was bejahenden Falles nach der Intention der Parteien und io Würdigung aller Umstände festzusetzen sei.

Ad Art. 24. Wenn die durch das Wort ,,beziehungsweise" mit einander verbundenen Satzglieder des 2. Alinea der Reihenfolge nach auf die Voraussetzungen des 1. Alinea bezogen werden, so ergibt sich folgende Interpretation : Wer irrthümlich eine theilbare Leistung von erheblich größertn Umfange versprochen hat, als es sein Wille war, muß den Vertrag doch gelten lassen, wenn der andere Kontrahent seine Gegenleistung entsprechend erhöht.

Aehnlich verhält es sich mit der andern Supposition. Der Irrende könnte bei seiner unrichtigen
Erklärung behaftet werden, falls der andere Theil seine Leistung entsprechend modifizirt ; dies scheint der Commission nicht zuläßig, und es wird deßhalb die Streichung des 2. Alinea beantragt.

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Indessen ist es möglich, daß die R e d a k t i o n des erwähnten Alinea 2 zu einem Mißverständnisse Anlaß gegeben hat und der wahre Sinn des Artikels, im Einklänge mit den frühem Entwürfen, der sein soll, daß der Irrende, wenn er den Vertrag so, wie er äußerlich abgeschlossen worden ist, nicht gelten lassen will, doch von dem andern Kontrahenten wenigstens bei d e m behaftet werden könne, was er w i r k l i c h g e w o l l t hat. Gegen eine solche Vorschrift ließe sich aber, namentlich vom Standpunkte der Billigkeit aus, kaum etwas einwenden, und es wäre nur eine klarere Redaktion zu wünschen.

Ad Art. 34. Die Mehrheit Ihrer Commission bat sich für die Streichung dieses Artikels ausgesprochen, und es bleibt somit dem Richter überlassen, im einzelnen B'alle zu untersuchen, ob eine unter dem Einflüsse von Betrug oder Furcht eingegangene N e b e n bestimmung für sich allein aufgehoben werden könne, ob dadurch die Verbindlichkeit des ganzen Vertrages affizirt werde, oder endlich ob derselbe sammt den beanstandeten Einzelbestimmungen, jedoch unter dem Vorbehalte des Schadenersatzes, zu Recht bestehen solle.

Ad Art. 63 und 69. Wir gehen von der Ansicht aus, daß auch eine in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkte Person, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Art. 56 und 57, für den von ihr gestifteten Schaden verantwortlich erklärt werden m ü s s e , sof e r n sie als z u r e c h n u n g s f ä h i g zu betrachten ist. Da nun der vorliegende Artikel, wenigstens in seiner jetzigen Redaktion, dem Richter f r e i e H a n d zu lassen scheint, so wird die Streichung desselben beantragt, in der Meinung, daß durch die in.

Art. 66 statuirte Ausnahme die Verantwortlichkeit eines Zurechnungsfähigen als Regel genügend ausgesprochen sei.

Immerhin sollte aber d a s positiv gesagt bleiben, daß die Frage, ob eine Person in Bezug auf das begangene Delikt c i v i l r e c h t l i c h als zurechnungsfähig zu betrachten sei, durch das r i c h t e r l i c h e E r m e s s e n bestimmt werden soll. (Vergleiche Art. 65.)

Es ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß durch die vorgeschlagene Redaktion des Art. 66 die exceptionelle Entschädigungspflicht eines Unzurechnungsfähigen leichter angenommen werden kann, als nach der Fassung des Entwurfes; es ist dies ein Zugeständniß gegenüber einem noch weiter gehenden Antrage, welcher
wenigstens civilrechtlich den gestifteten Schaden regelmäßig dem selbst unzurechnungsfähigen Thäter und nicht dem schuldlos betroffenen Dritten zur Last legen wollte.

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Ad Art. 70. Es würde hier wohl besser gesagt, daß dem nach Maßgabe der Art. 68 und 69 Ersatzpflichtigen das Regreßrecht gegen den Thäter zusteht, soweit dieser für seine Handlungen v e r a n t w o r t l i c h g e m a c h t w e r d e n k a n n , u m e s klar auszudrücken , daß unter Umständen und in Anwendung der Vorschrift des Art. 66 auch die für einen unzurechnungsfähigen Untergebenen verurtheilte Person und nicht nur der Geschädigte eine Klage gegen den wirklichen Thäter hat.

Ad Art. 76. Pis muß wohl -- was sich jedoch mangels einer gegenteiligen Bestimmung von selbst verstehen dürfte -- daran festgehalten werden, daß die Delikts-, wie die Kontraktschulden, sofern deren Natur es überhaupt gestattet, aktiv und passiv vererblich seien. Dagegen ist es unbestreitbarermaßen Sache der Kantonalgesetzgebung, die Bedingungen zu normiren, unter welchen die Erben sich der Haftung für einen allfälligen Passivenüberschuß entschlagen können , und es wird ihnen auch das gemeiniglich zugelassene beneficium inventarii genügenden Schutz gewähren. Wir können daher die Aufnahme der Bestimmung, daß die Verpflichtung zum Schadenersatz nur bis auf deu Betrag der Erbschaft auf die Erben des Schädigers übergehe, nicht befürworten, da sie zu sehr in das Erbrecht eingreift und die Durchführung derselben ohne Rücksichtnahme darauf, ob die Erbschaft auf Grund eines amtlichen Güterverzeichnisses oder unbedingt, mit oder ohne Kenntniß des zur Entschädigung verpflichtenden Deliktes angenommen worden sei, oft auf unüberwindliche Hindernisse stoßen und selbst die unbilligsten Resultate zur Folge haben müßte.

Ad Art. 91. Der gegenwärtige Entwurf läßt eine Beschränkung des vertraglichen Zinsfußes nur für grundversicherte Darlehen zu und stellt denselben im Uebrigen ganz in das Belieben der Parteien (Arg. aus Art. 345).

Gegen diese Aufhebung aller Wucherschranken wurde aber von verschiedenen Seiten opponirt, und da es andererseits schlechterdings als unthunlich und unannehmbar erschien, für die gesammte Schweiz ein einheitliches, allen Vorkommnissen Rechnung tragendes Zinsmaximum zu fixiren, so suchte die Commission den Ausweg, daß sie es den Kantonen anheimstellen will, für ihr Gebiet eine Beschränkung des vertragsmäßigen Zinsfußes vorzuschreiben.

Ad Art. 102. Die Minderheit der Commission wollte diesen Artikel unverändert
belassen , indem sie es für richtiger hält, daß auch der S c h u l d n e r an den vertraglich festgesetzten Verfalltag gebunden sein solle, wenn nicht er darihue, daß jener Termin lediglich in seinem Interesse bestimmt sei. Die Mehrheit der Commission zog es jedoch vor, im Anschlüsse an das französische Recht

161 eine gegenteilige Vermuthung zu Gunsten des Schuldners aufzustellen. Von der Verrückung der Beweislast, die indessen in unserm Vorschlage etwas gemildert ist, abgesehen, wird das materielle Resultat der beiden Redaktionen das nämliche sein.

Ad Art. 106. Die dem Gläubiger auferlegte Verpflichtung, Banknoten oder Papiergeld, die ihm au Geldesstatt zugeschickt werden, bestmöglich zu verwerthen, könnte unter Umständen, namentlich au abgelegeneren Plätzen, sehr lästig sein; überhaupt aber darf es füglich den Parteien überlassen bleiben, eintretenden Falles das Geeignete zu vereinbaren, und es wird deßhalb auf Streichung des 2. Alinea augetragen.

Ad Art. 109. Die Frage, auf welche von mehreren n i c h t fälligen Forderungen eine Zahlung, mangels besonderer Bestimmung, anzurechnen sei, kann verschieden beantwortet werden. Um auch diesfalls Prozesse möglichst abzuschneiden , schlagen wir den Zusatz vor, daß sie auf Rechnung derjenigen Schuld geschrieben werden solle, welche dem Gläubiger am wenigsten Sicherheit darbietet (vergl. code civil fribourgeois, Art. 1306).

Ad Art. 134. Diese Bestimmung, durch welche das französischrechtliche Institut der gesetzlichen Subrogation verallgemeinert wurde, spricht sich nicht darüber aus, unter welchen Bedingungen ein Dritter statt des Schuldners zahlen könne, sondern setzt stillschweigend voraus , daß von dem hier statuirteli Eintritte in die Rechte des Gläubigers nur dann die Rede sein dürfe, wenn dieser überhaupt gehalten ist, die Bezahlung anzunehmen oder dieselbe freiwillig acceptirt. Aber auch unter dieser Voraussetzung erscheint der Kommission die Fassung des Artikels als eine so dehnbare, daß die Frage nahe liegt, ob nicht die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellte Vorschrift, daß eine Cession zu ihrer Wirksamkeit gegen ti ber Dritten dur schriftlichen Beurkundung bedürfe , jeweilen durch die Annahme einer gesetzlichen Subrogation illusorisch gemacht werden könnte (cf. Art. 134 mit Art. 202 und folgenden). Die Commission möchte, daher diesen g e s e t z l i c h e n Rechtsübergang auf bestimmte Fälle beschränkt sehen und ihn dem Zahlenden nur gewähren : 1) wenn er selbst Gläubiger ist und einen andern Gläubiger bezahlt., der ihm wegen seiner Vorzugs- oder Pfandrechte vorgeht; 2) wenn er deßhalb, weil er mit Andern oder für Andere haftet, ein
Interesse an der Bezahlungo der Schuld hat:J 3) wenn er von dem auf Zahlung belangten Schuldner dazu bezeichnet wird , an die Stelle des bisherigen Gläubigers zu treten.

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Die unter Ziff. 2 gehörigen Hauptfälle sind zwar im Entwurfe, wenn auch an verschiedenen Stellen, bereits normirt (vergi. Art. 67, 87, 187, 505 und 514 über die Mitschuldnerschaft bei untheilbaren Leistungen, die Solidarschuldnerschaft und die Bürgschaft), doch fehlt etwa noch das Regreßverhältniß Desjenigen, welcher für eine fremde Schuld ein Pfand gegeben hat.

Der Fall unter Ziff. l sollte u. E. noch enger begrenzt werden; jedenfalls darf die Auffassung nicht Platz greifen, als ob der nachgehende Gläubiger den ihm vorgehenden in einem beliebigen Zeitpunkte, selbst zum Schaden desselben , zur Annahme der Zahlung zwingen könnte.

Die Ziff. 3 ist für den zahlenden Dritten, welchem der Gläubiger seine Forderung nicht freiwillig abtreten will, namentlich wegen der mit dieser verbundenen Vorzugs- und Nebenrechte von Bedeutung; selbstverständlich kann aber diese Einlösung der Forderung seitens des Dritten den Rechten, welche den Bürgen durch die Art. 511 und 512 zuerkannt sind, in keiner Weise präjudiziren.

Was den Art. 134Ms anbelangt, so dürfte derselbe wohl entbehrlich sein ; daß die Forderung auch bei der gesetzlichen Cession oder Subrogation mit allen Nebenrechten, also auch mit den Bürgschaftsverpflichtungen , auf den neuen Gläubiger übergeht, sofern nicht besondere Verhältnisse eine Ausnahme rechtfertigen, ist durch Art. 208 bereits bestimmt; deßgleichen enthält der Entwurf auch die Vorschrift, daß der Faustpfaudgläubiger nicht verpflichtet sei, einen Theil des Pfandes herauszugeben, so lange er nicht volle Befriedigung erhalten hat (Art. 237); ob es zweckmäßig und durchführbar sei, das Vorrecht des nur theilweise befriedigten Gläubigers gegenüber Dem , der die Theilzahlung geleistet hat, zu verallgemeinern, mag noch näher erwogen werden.

Wenn nun auch unsera Anträgen zu Art. 134 prinzipiell beigepflichtet wird, so können dieselben doch nicht einfach an die Stelle des Art. 134 gesetzt werden , weil die einschlagenden Verhältnisse zum Theil, wie schon gesagt, durch besondere Bestimmungen berücksichtigt sind. Es wird vielmehr der Art. 134 in seiner allgemeinen Fassung gestrichen und der Entwurf am geeigneten Orte durch einige Zusatzbestimmungen ergänzt werden müssen.

Ad Art. 136bis. Das Kapitel über die Beziehungen zu. dritten Personen sollte noch durch die Aufnahme der actio pauliana vervollständigt werden. Zwar ist diese Klage in den Konkursordnungen der Kantone wohl meistens anerkannt. Es muß indessen

163 berücksichtigt werden, daß namentlich die Kantone der französischen Schweiz die Fallite regelmäßig nur für die Handelsleute zulassen und sich die Anfechtung eines zur Beeinträchtigung eines oder mehrerer Gläubiger abgeschlosseneu Rechtsgeschäftes auch außerhalb des Konkurses des Schuldners als nothwendig und dringend herausstellen kann. Von den allgemeinen Rechtssätzen über die Verschuldung und die ungerechtfertigte Bereicherung ausgehend, könnte diese Anfechtungsklage dann gestattet werden, wenn der Dritte, mit welchem der Schuldner in fraudem creditorum verhandelt hat, um die rechtswidrige Absicht desselben wußte oder nach den Umständen wissen mußte, oder aber, wenn und soweit er durch das angefochtene Geschäft noch bereichert ist. (Vergi. Art. 1167 des Code civil français, Art. 1251 und 1252 des freiburgischen Civilgesetzbuches, Aubry und R a u , § 213 , und § 96 des Entwurfes eines Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.)

Die w e i t e r gehenden Bestimmungen der kantonalen Konkursordnungen wären vorzubehalten.

Ad Art. 139 ff. Bezüglich des Kapitels über die C o m p e n s a t i o n kann es sich fragen, ob nicht nach dem Vorgange anderer Ci vilgesetzbücher (vergi. Zürich, §§1050 u. 1051, Neuenburg Art, 1055, Ziff. 2, und im entgegengesetzten Sinne Waadt Art. 964) über die Verrechnung im Konkurse des Schuldners eine positive Bestimmung in das Obligationenrecht aufgenommen oder dann ein ausdrücklicher Vorbehalt gemacht werden soll, weil sonst die Controverse auftauchen wird, ob die Compensabilität einer erst infolge der Konkurseröffnung fällig gewordenen Forderung als eine Frage des m a t e r i e l l e n Rechtes nach Maßgabe dei- Art. 139 ff., oder aber als eine k o n k u r s r e c h t l i c h e Frage bis zum Erlaß des eidgenössischen Betreibungs- und Konkursgesetzes nach den allfalligen Bestimmungen der kantonalen Gesetze zu beurtheilen sei.

Entscheidet man sich für die erstere Alternative, so könnten einfach die §§ 93 u. 94 des Gesetzesentwurfes über Schuldbetreibung und Konkurs hinübergenommen werden, welche folgendermaßen lauten : ,,Art. X. Gläubiger des Gemeinschuldners sind berechtigt, ihre ausstehenden Forderungen mit allfälligen Gegenforderungen, die dem Gemeinschuldner ihnen gegenüber zustanden, zu kompensiren, falls dieses gegenseitige Verhältniß schon zur Zeit der
Konkurseröffnung begründet war.

,,Demgemäß ist die Kompensation ausgeschlossen : 1) wenn ein Schuldner des in Konkurs Gerathenen erst nach der Konkurseröffnung eine Forderung an denselben erwirbt, oder

164 2) wenn ein Gläubiger des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Masse wird.

,, Art. Y. Wenn ein Schuldner des in Konkurs Gerathenen selbst vor der Konkurseröffnung eine Forderung an denselben erworben hat, so kann die Kompensation mit dem Beweise angefochten werden, daß kein reelles Geschäft zu Grunde lag und derjenige, welcher die Kompensation geltend macht, in Kenntniß von der Zahlungsunfähigkeit seines Gläubigers sich oder einem Andern dadurch einen Vortheil zur Beeinträchtigung der Masse zuwenden wollte."

Ad Art. 152-- 180. Das Kapitel über die V e r j ä h r u n g wurde sowohl durch die Beschlüsse des Ständerathes, als durch die Anträge Ihrer Commission in mancher Beziehung wesentlich umgestaltet.

Wir sind vorerst mit dem Ständerathe einverstanden, daß man es bei zwei Abstufungen von o und 10 Jahren bewenden lassen könne; namentlich darf an der bloß zweijährigen Verjährung für die Forderungen des täglichen Verkehre nicht festgehalten werden, wenn nicht gleichzeitig die dem französischen Recht nachgebildete Deklaration im letzten Alinea von Art. 154 stehen bleiben soll.

Ob indessen der Eingang des Art. 154 nicht in dem Sinne beibehalten werden könnte, daß die daselbst aufgezählten Forderungen nur dann in 5 J a h r e n verjähren, wenn nicht eine schriftliche, die Schuldsumme bestimmende Anerkennung vorliegt, mag noch erwogen werden.

Es wird auch dem ständeräthlichen Abänderungsbeschlusse K u Art. 155 beigestimmt, der zwar der Fassung des Entwurfes gegenüber nur insofern eine materielle Modifikation involvirt, als er auch die vertragliche A b k ü r z u n g der zehnjährigen Verjährung ausschließt.

Nachdem in Art. 156 die Regel aufgestellt wurde, daß die Verjährung mit dem Zeitpunkte beginne, in welchem die Forderunggeltend gemacht werden kann, wird in den Art. 160- 162 den t h a t s ä c h l i e h e n Hindernissen, welche die r e c h t l i c h e Geltendmachung der Forderung verunmöglichen, die Kraft beigelegt, den Beginn der Verjährung zu hemmen oder das Ende derselben hinauszuschieben. Der Ständerath hat diese 3 Artikel gestrichen.

Den Art. 160 hält er, wenn er sich wenigstens auf den Boden des Commissionalberichtes gestellt hat, für überflüssig, weil selbstverständlich. Diese Ansicht könnte zwar eine Unterstützung darin finden, daß es in den frühern Entwürfen in Art. 156 hieß, die

1G5 Verjährung beginne mit dem Zeitpunkte, ia welchem die Forderung ,,rechtlich geltend gemacht werden kann", während in der jetzigen Vorlage das Wort ,,rechtlich", wohl ohne genügenden Grund, fehlt; allein schon der französische Text, der die Verjährung von deiF a l l i g k ei t der Forderung an datirt, würde eine solche Interpretation nach Streichung der in Art. 160--162 zugelassenen Ausnahmen nicht gestatten. Erwägt man sodann, daß solche t h a t s ä c l i li che Hemmnisse den Lauf der Verjährung wohl nach den meisten kantonaleil Gesetzen nicht hindern ( Anders Zürich, §§1067 -- 1069, Solothurn, § 1490, in beschränktem Maße auch Freiburg, § 2160), so wird es doch am Platze sein, diese Frage im einten oder andern Sinne unzweideutig zu entscheiden. Ihre Commission war diesfalls getheilter Ansicht. Von der einten Seite wurde die Streichung der Art. 160--162 in der Meinung beantragt, daß die Verjährung durch faktische Hindernisse nicht beeinflußt werden solle, weil sonst das ganze Institut auf einen unsichern Boden gestellt und der Willkür des Richters ein zu weiter Spielraum gewährt werde. Von der andern Seite dagegen sprach man sich prinzipiell, auch aus Gründen der Billigkeit und in Würdigung des Umstandes, daß die ordentliche Verjährung gegenüber der 30jährigen des französischen Rechts eine bedeutende Abkürzung erlitten hat, für die Beibehaltung der Art. 160--162 aus, wünschte dagegen eine noch schärfere Abgrenzung der zuzulassenden Entschuldigungsgründe, unter welchen aber mindestens die durch h ö h e r e Gew al t verunmöglichte Geltendmachung des Rechtes zu berüksichtigen wäre.

Wenn mau aber einmal den Gläubiger unter der faktischen Unmöglichkeit, sein Recht geltend zu machen, nicht leiden lassen will, so sollten dann, entgegen der Ansicht des ständeräthlichen Commissionsberichtes, nicht nur die beim Beginne der Verjährungsfrist vorhandenen Hinderungsgründe, sondern konsequenter Weise, ja sogar noch mit besserem Recht, auch die am Ende derselben eintretenden Hemmnisse berücksichtigt werden, wie denn auch /. B.

das freiburgische Civilgesetz, welches einzig die h ö h e r e G e w a l t den Lauf der Verjährung hemmen läßt, derselben nur dann Rechnung trägt, wenn sie auf oder gegen das E n d e der Frist fällt (Art. 2160).

Würde der Antrag, die Verjährung, ohne Rücksicht auf die physische
Unmöglichkeit der Klageerhebung, von der Fälligkeit der Forderung au laufen zu lassen, zum Beschlüsse erhoben, so müßte wohl bezüglich der für die Deliktsklagen vorgeschriebenen zweijährigen Verjährung (Art. 77, AI. 1) die Bestimmung getroffen werden, daß sie erst von dem Tage an zu berechnen sei, an welchem der Geschädigte Kenntniß von der S c h ä d i g u n g und

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der P e r s o n des T h ä t e r s erhalten habe (vergi. C. e. vaiidois, Art. 1677.)

Ad Art. 163. Daß die Ausnahmsbestimmungen der Artikel 1.60--162 auf die Verjährung der Wechselforderungen keine Anwendung finden dürfen, bedarf keiner nähern Begründung.

Ebenso wenig greifen dieselben da Platz, wo es sich nicht um eine eigentliche Verjährung handelt, sondern wo das Gesetz die G e w ä h r u n g eines Rechtes zum vorneherein von dessen Geltendmachung innerhalb einer festbestimmten Frist abhängig macht, was z. B. bezüglich der Vindication einer verlorenen oder gestohlenen Sache (Art. 223) der Fall ist.

Ad Art. 170--172. Die ständeräthliche Commission wollte auch diese Artikel eliminili wissen, den Art. 170 als selbstverständlich und die Art. 171 und 172 aus dem Grunde, weil die daselbst eingeräumten Zusatzfristen für den Fall fehlerhafter Klaganstellung als entbehrliche Belastung des Gesetzes erscheinen, und es hat der Ständerath deren Streichung beschlossen.

Bezüglich des Art. 170 ist jedoch zu erwägen, daß nach dem bisherigen Rechte vieler Cantone ein rechtlicher (oft selbst ein außergerichtlicher) Akt, z. B. eine Betreibungsvorkehr oder eine Ladung vor den Friedensrichter, die Verjährung unterbricht, ohne daß das Betreibungs- oder Proceßverfahren durchgeführt zu werden braucht (vergi, z. B. die Civilgesezbücher von Bern, § 1044 und § 116 des Gesezbuches über das gerichtliche Verfahren; Waadt, §§ 1656 und 1657; Freiburg, §§ 2154 und 2155; anders: z.B.Zürich, § 1070, und Graubünden, § 369).

Die Bestimmung des Art. 170, nach welcher die bewirkte Unterbrechung der Verjährung als nicht geschehen zu betrachten sei, wenn der Gläubiger die Klage (unter welchen Begriff auch schon die durch die Ladung vor den Friedensrichter e i n g e l e i t e t e Klage subsumirt werden muß), Einrede oder Schuldbetreibung wieder zurücknimmt oder ordnungsmäßig durchzuführen versäumt, sollte daher unter keinen Umständen einfach gestrichen werden.

Will man den darin niedergelegten Grundsatz festhalten, so muß man es unzweideutig aussprechen und deßhalb wohl die Ziffer l des Art. 170, vielleicht in etwas modifizirter Redaktion *). stehen *) Bezüglich der Ladung vor den Friedensrichter kann ein Zweifel bestehen : wo nämlich eine Frist, binnen welcher die eigentliche Klage dem fruchtlosen Aussöhnungsyersuch zu folgen habe,
nicht vorgeschrieben ist, könnte man behaupten, die Klage sei weder zurückgenommen, noch ordnungsmäßig durchzuführen versäumt worden, wenn auch auf die Keehtsöffnung; hin Jahre lang nichts geschehen ist.

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lassen. Entscheidet man sich für das entgegengesetzte Prinzip, so wäre auch dann eine positive Bestimmung der bloßen Streichung des Artikels vorzuziehen, weil sonst doch wieder eine verschiedenartige Interpretation der Art. 168 und 169, je nach den bisherigen kantonalen Anschauungen, vorauszusehen ist.

Die Vorschrift des Entwurfes hat unzweifelhaft den Vorzug, daß sie im Interesse der Rechtssicherheit auf die Abwickelung der streitigen Schuldverhältnisse hindrängt. (Vgl. auch C. c. Art. 2247.)

Die Mehrheit der Commission stimmt jedoch der Ansicht bei, daß die erwähnten Rechtsvorkehren, auch abgesehen von der Durchführung des eingeleiteten Verfahrens, zur Unterbrechung der Verjährung genügen sollen, und beantragt in d i e s e m Sinne die Streichung des Art. 170, Ziff. 1; der Gefahr, daß sich die Erledigung der Schuldfrage auf unbestimmte Zeiten hinaus verschleppen könnte, möge durch die (zur Zeit zwar nicht überall zugelassene) Provokation zur Klage begegnet werden.

In den Artikeln 171 und 172, in Verbindung mit Art. 170, Ziff. 2, sind gleichfalls Controversen entschieden, deren Lösung wieder im Gesetze selbst gegeben sein sollte.

Es fragt sich vorerst, ob die Belangung vor einer inkompetenten Behörde oder die unrichtige Geltendmachung der Forderung die Verjährung unterbreche, und wenn dieß bejaht wird, wie die neue Verjährungsfrist zu berechnen sei.

Hinsichtlich des ersten Punktes nimmt die herrschende Theorie des gemeinen Rechtes an, daß die Belangung vor einem inkompetenten Gericht keine Unterbrechung der Verjährung bewirke, während das französische Recht, allerdings aus ihm eigentümlichen Gründen, den umgekehrten Grundsatz aufstellt (vergi. Windscheid, § 108; Dernburg, I, §168; C. c., Art. 2246; Waadt, Art. 1656; Freiburg, Art. 2154). Unser Entwurf hat einen Mittelweg gewählt, indem er prinzipiell daran festhält, daß infolge der Abweisung der betreffenden Rechtsvorkehr wegen Inkompetenz die Unterbrechung der Verjährung als nicht geschehen betrachtet werden müsse, daß jedoch der Gläubiger die Unterbrechung dadurch aufrecht erhalten könne, daß er die Forderung innerhalb einer Frist von 60 Tagen vor der zuständigen Behörde von Neuem geltend macht. Eine analoge Nachfrist soll dem Gläubiger auch dann zu Statten kommen, wenn sein Anspruch vom Richter nicht definitiv aberkannt, sondern nur
angebrachter Maßen zurückgewiesen worden ist (Art. 171 und 172).

Diese Lösung der Frage, welche sich auch in andern Gesetzbüchern vorfindet (vergi. Dernburg, I, § 168, 3 ; Bürgerliches Gesetz-

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buch für das Königreich Sachsen, §§ 166 und 167; Dresdener Entwurf, Art. 414 und 415), hat gewiß Vieles für sich, da sie einerseits einer solchen unzulänglichen Rechtsverfolgung, durch welche der Schuldner immerhin von dein ernstlichen Willen des Gläubigers, den Anspruch festzuhalten, in Kenntniß gesetzt worden ist, nicht j e d e Wirksamkeit entzieht und andererseits derselben an und für sich doch nicht die Kraft verleiht, eine neue Verjährungsfrist in der ganzen ursprünglichen Dauer aufleben zu lassen. Ob die Frist, von 60 Tagen nicht zu kurz bemessen sei, wäre, falls man grundsätzlich am Entwurfe festhält, noch zu diskutiren. Uebrigens versteht es sich von selber, daß die Einhaltung dieser Frist nur dann erforderlich ist, wenn die Verjährung in Folge des Hinfalles der mangelhaften Unterbrechung vollendet sein würde.

Der ständeräthliche Commissionalbericht scheint sich auf den Boden zu stellen, daß eine solche fehlerhafte Geltendmachung des Forderungsrechtes überhaupt keine Unterbrechung der Verjährung zur Folge haben solle; aus welchen Motiven der Ständerath selbst die Streichung der Art. 170 und 171 beschlossen hat, ist in Ermangelung einer Abstimmung über dieselben nicht auszumitteln.

Die nationalräthliche Commission hat in ihrer Mehrheit der Streichung der fraglichen Artikel in d e r Meinung zugestimmt, daß jede nach Maßgabe von Art. 169 insinuirte Rechtsverkehr, möge nun das Verfahren zu Ende geführt werden oder nicht, möge die angesprochene Behörde wegen Inkompetenz oder aus anderen Gründen den Anspruch zurückweisen, zur Unterbrechung der Verjährung genügen solle, womit aber natürlich der Frage, ob die Forderung, a b g e s e h e n v o n d e r V e r j ä h r u n g , überhaupt v o n Neuem geltend gemacht werden könne, nicht präjudizirt wird.

Nach dem Gesagten wird es wohl angezeigt sein, nicht einfach darüber abzustimmen, ob die Art. 170---172 gemäß dem Beschlüsse des Ständerathes gestrichen werden sollen, sondern, unter dem Vorbehalte der genaueren Redaktion, prinzipiell zu beschließen: 1) ob jede vor der zuständigen Behörde eingeleitete, oder nur die ordnungsmäßig durchgeführte Geltendmachung der Forderung die Verjährung unterbrechen solle; 2) ob in Folge der Abweisung der Klage oder Einrede oder der Aufhebung der Schuldbetreibung: a. überhaupt keine Unterbrechung der Verjährung anzunehmen
sei ; b. ob umgekehrt, unter der Voraussetzung, daß die Forderung an und für sich von Neuem gestellt werden könne, von dem abweisenden Erkenntnisse, beziehungsweise dem letzten

169 Rechtsschritte an eine neue Verjährung mit der ursprünglichen Dauer zu beginnen habe; ·c. oder ob endlich die Unterbrechung der Verjährung nur in gewissen Fällen und unter der Bedingung, daß die Forderung binnen einer bestimmten Frist vor der zuständigen Behörde oder in verbesserter Form von Neuem gellend gemacht werde, als geschehen zu betrachten sei.

Ad Art. 174 und 176. Die Umgestaltung des Art. 174 und die Streichung der Ziff. l des Art. 176 ist eine Folge des von der Mehrheit Ihrer Commission gegenüber den Art. 170--172 eingenommenen Standpunktes. Ziff. 2 und 3 von Art. 1,76 könnten wohl stehen bleiben, namentlich wenn die Art. 160--162 gestrichen werden sollten.

Ad Art. 184. Nach dem zweiten Alinea dieses Artikels soll die Unterbrechung der Verjährung gegenüber einem Solidarschuldner nicht zum Nachtheile der Ucbrigen wirken. Daraus müssen sich wohl folgende Konsequenzen ergeben:" Ob der Solidarschuldner, welcher, von dem Gläubiger unmittelbar vor dem Ablaufe der Verjährungsfrist belangt, erst nach Beendigung derselben zu zahlen hätte, seinen Regreß gegen die Mitschuldner ausüben könnte, wäre zwar wohl unzweifelhaft zu bejahen.

Das Regreßrecht, welches nach Art. 187, AI. l des Entwurfes von den zwischen den Solidarschuldnern bestehenden Rechtsverhältnissen abhängt, würde erst mit der Zahlung entstehen und daher nicht veijährt soin, trotzdem der Gläubiger selber gegen die Mitverpflichteten des belangten Schuldners wegen der zu ihren Gunsten eingetretenen Verjährung nicht mehr vorgehen könnte. Allein nach Art. 187, AI. 2 sollen auf den zahlenden Solidarschuldner, i n s o weit e r einen R ü c k g r i f f a u f seine M i t s c h u l d n e r h a t , überdies auch die Rechte des Gläubigers übergehen; dies kann aber kaum geschehen , wenn Letzterer zur Zeit der Zahlung nur noch ein Forderungsrecht gegen den betriebeneu Schuldner, gegenüber welchem die Verjährung einzig unterbrochen worden war, nicht aber auch gegen dessen Mitverpflichtete besaß. Es könnte daher der allein belangte Schuldner einen Anspruch gegen seine Mitschuldner jedenfalls nur aus der Thatsache der Zahlung, mit der actio mandati, pro socio etc., nicht aber auch kraft der gesetzlichen Cession und der damit verknüpften Vorrechte des gläubigerischen Forderungstitels, erheben. Eine Einrede aus diesem Grunde könnte er aber dem Gläubiger schwerlich entgegensetzen, weil dies das Prinzip der Solidarität (Art. 182) zerstören würde.

Bundesblatt. 33. Jahrs,'- Bd. 1.

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Sowohl das gemeine Recht als die meisten neuern Gesetzbücher stellen sich auch auf den entgegengesetzten Standpunkt (so namentlich der französische Còde civil, Art. 1206, und die ihm nachgebildeten Civilgesetzbücher der französischen Schweiz ; ferner Zürich, § 1071, Graubünden, § 369, Solothurn, § 1497). Die Commission glaubte daher dem Grundsatz, daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber einem Solidarschuldner auch gegen die Uebrigen wirke, den Vorzug geben zu sollen; eventuell müßte zur Beseitigung von Mißverständnissen das Regreßrecht des zahlenden Solidarschuldners trotz der zu Gunsten seiner Mitverpflichteten eingetretenen Verjährung der gläubigerischen Forderung sowohl grundsätzlich als seinem Umfange nach positiv anerkannt werden.

Ad Art. 187. Nach der Fassung des 1. Alinea müßte der zahlende Solidarschuldner erst noch nachweisen, daß ihm nach dem iinterliegenden Rechtsverhältnisse ein Regreß gegen seine Mitverpflichteten zustehe. Es wäre der Billigkeit angemessener, ihm, wie in den frühern Entwürfen (Art. 17), von vorneherein einen Rückgriff für einen verhältnismäßigen Antheil zuzugestehen, sofern sieb nicht aus den Umständen etwas Anderes ergibt. (Vergi, auch Art. 505, AI. 2.)

Ad Art. 202. Wir können hier dem Ständerathe beistimmen, doch fällt die Verweisung auf Art. 16, dessen Streichung wir beantragt haben, weg.

Ad. Art. 204 und 205. Die von uns vorgeschlagene Redaktion bezweckt die möglichste Sicherstellung des Schuldners einer cedirten Forderung. Regelmäßig soll die Zahlung desselben an den frühern Glüubiger nur dann ungültig sein, wenn entweder der Cèdent oder der Cessionar ihm durch einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Akt die Abtretung bekannt gemacht hat; die auf anderm Wege, etwa zufällig erlangte Kenntniß soll jene Wirkung nur dann haben, wenn dem Schuldner nachgewiesen wird , daß er bei der Zahlungsleistung sich nicht in gutem Glauben befunden habe.

(Vergi. Code civil vaudois, Art. Ì194.)

Ad Art. 208, AI. 2. Die Frage, ob rückständige Zinse mit der cedirten Forderung auf den Erwerber übergehen sollen oder nicht, kann so oder anders entschieden werden; die Hauptsache bleibt wohl, daß das Gesetz eine Vermuthung im einten Sinne aufstelle, damit die Parteien sich danach einrichten können.

Ad Art. 210. Die Worte ,,oder nach der Natur des Geschäftes" wurden gestrichen, um nicht allzu leicht in jedem Falle einem Prozesse zu rufen.

171 Ad Art. 217 und 218. Das hier angenommene System der Eigenthumsübertragung hat in der Commission mannigfache Bedenken hervorgerufen.

Die frühern Entwürfe stellten sich auf den Boden des französischen Rechts. Ein Rechtsgeschäft, das auf die Uebertragung von Eigenthum an bestimmten beweglichen Sachen gerichtet ist, sollte das Eigenthum in Ermanglung einer abweichenden Vereinbarung sofort, auch ohne die Uebergabe der Sache oder die Bezahlung des Preises, übertragen; bei Sachen, die bloß der Gattung nach bestimmt sind, vollzog sich der Eigenthumsübergang mit der Zuzählung, Zumessung oder Zuwägung an den Erwerber oder dessen Stellvertreter, und es hatte dafür bei versendeten Waaren der Zeitpunkt der Einhändigung an den Speditor oder Frachtführer zu gelten. Mit dem Eigenthum der Sache sollten regelmäßig auch Nutzen und Gefahr übergehen.

Dieses System stieß indessen auf entschiedenen Widerstand ; dennoch glaubte man, das reine römische Recht nicht annehmen zu sollen , namentlich weil man es für unbillig hielt, speziell beim Kaufe die Gefahr schon mit. der Perfektion des Vertrages dem Erwerber zu überbinden und den Veräußerer bis zur Tradition doch noch als Eigenthümer anzuerkennen, so daß der Käufer den Kaufgegenstand selbst aus der Hand eines bösgläubigen nachgängigen Erwerbers nicht vindiziren könnte.

Der Entwurf stellte deßhalb ein eigenes System auf, das sich zwischen dem römischen und dem französischen Recht bewegt.

Nach Art. 217 soll zur Eigenthumsübertragung zwar, wie nach römischem Recht, die Besitzesübergabe, Tradition, erforderlieh sein ; wenn sodann aber Art. 218 bestimmt, daß die Besitzesübergabe geschehen sei, sobald die Sache ausgeschieden, d. h. individualisirt, und als Eigenthum des Erwerbers genügend bezeichnet ist, und daß sich bei einer der Gattung nach bestimmten Sache die Ausscheidung mit der Zählung, Messung oder Wägung vollziehe, so nähert man sich wieder bedeutend dem französischen Recht; ja man geräth sogar ganz in dasselbe hinein, wenn unter dem Worte ,,Bezeichnung", wie dies im Schooße der Commission auch geschehen ist, die bloße Benennung und Beschreibung der Sache im Veräußerungsvertrage selbst verstanden wird. Letztere Auffassung entspricht nun zwar der Intention des Entwurfes nicht, vielmehr muß zu dem Veräußerungsvertrage ein weiterer Akt hinzukommen, durch welchen
festgestellt wird, daß von einem gegebenen Zeitpunkte hinweg der Erwerber nicht bloß Gläubiger, sondern auch Eigenthümer der Sache sein solle; dies kann, wie nach dem römischem Recht, geschehen durch die wirkliche Uebergabe an den

172 Erwerber oder dessen Stellvertreter, oder auch durch die bloße Uebereinkunft der Parteien, daß der Erwerber, welcher die Sache, z. B. als Miether, schon im Besitz hatte, dieselbe fortan als Eigenthümer besitzen soll (traditio brevi manu), oder umgekehrt, daß der bisherige Besitzer die Sache von nun an , z. B. als Miether, für Denjenigen besitzen solle, welchem er sie veräußert hat (constitutum possessorium; vergi. Art. 219, AI. 1). Allein durch den Ar f . 218 wird der Begriff der reellen ßesitzesübergabe bedeutend erweitert; in Folge einer Fiktion soll dieselbe schon durch die Ausscheidung, d. h. Individualisirung und die dazu kommende Bez e i c h n u n g der Sache als Eigenthum des Erwerbers vollzogen sein, uud hiezu würde, wenigstens nach dem Wortlaut des Artikels, der e i n s e i t i g e , in Abwesenheit und ohne Vorwissen oder Weisung des Erwerbers vorgenommene Absonderungsakt des Veräußerers genügen.

Dieß dürfte nun aber unseres Erachtens doch zu weit führen ; wenn man auch an der erleichterten Besitzesübergabe des Entwurfes festhalten will, so muß doch wenigstens vorausgesetzt werden, daß der Erwerber sich mit der Uebertragung des Eigenthums durch die bloße Ausscheidung uud Kennzeichnung der Sache von vorneherein einverstanden erklärt habe ; es läge hierin wohl nur eine Erweiterung des constitutum possessorium Wenn also A. von B.

ohne besondere Bestimmung über den Eigenthumsübergang eine der Gattung nach oder selbst speziell bestimmte Sache kauft, so würde die Thatsache, daß B. in Abwesenheit und ohne Vorwissen des A. die Sache etwa verpackt und mit der Adresse des Letztern versieht oder in anderer Weise zu dessen Händen bei Seite legt, zum Eigenthumsübergange nicht genügen ; wohl aber wäre derselbe durch jene Handlungen als vollzogen zu betrachten, wenn A. den B. angewiesen hatte, die Sache auszuscheiden und für ihn bei Seite zu legen oder aufzubewahren. Demnach müßte in Art. 218 etwa gesagt werden: Die Besitzesübergabe ist geschehen, sobald die Sache ausgeschieden u n d i m E i n v e r s t ä n d n i s s e m i t d e m E r w e r b e r als dessen Eigenthum genügend bezeichnet ist.

Dieser Antrag des Unterzeichneten lag der Commission noch nicht vor ; im Schooße derselben machten sich die beiden entgegengesetzten Anschauungen des römischen und des französischen Rechts geltend, und konnte
man sich auf einen positiven Abänderungsantrag nicht einigen, so daß man schließlich trotz den geäußerten Bedenken bei der Fassung des Entwurfes verblieb.

Ad Art. 223. Wir stimmen dem Beschlüsse des Ständerathes, die Vindikationsfrist auf fünf Jahre auszudehnen, bei.

173 Ad Art. 227. Es standen sich hier zwei prinzipielle Anträge gegenüber: der eine wollte am Entwurfe festhalten, nach welchem zur Verpfandung von beweglichen Sachen oder Inhabei'papieren deren wirkliche Uebergabe an den Pfandgläubiger oder einen Stellvertreter desselben -genügt ; der andere verlangte als weiteres Erforderniß für die Gültigkeit der Verpfändung, von geringfügigeren Fällen abgesehen, die Schriftlichkeit des Pfand Vertrages; schließlich vereinigte ein Mittelantrag, die Schriftlichkeit, ähnlich wie bei der Cession, nur als Bedingung für die Wirksamkeit des Pfandrechts gegenüber dritten Personen, namentlich im Konkurse des Verpfänders, vorzuschreiben, die Mehrheit der Stimmen auf sich.

Diese Abänderung würde auch eine Umgestaltung des Art. 231 bedingen, der überhaupt mit den analogen Vorschriften über die Cession (Art. 202, 204 und 205) in besseren Einklang gebracht werden sollte.

Ad Art. 239. Nach Art. 238 soll sich die Art und Weise der Realisirung des Faustpfandes nach den Gesetzen des Ortes der gelegenen Sache richten. Artikel 239 erklärt nur den Verfallsvertrag als ungültig; per argumentant e contrario könnte hieraus gefolgert werden, daß andere bei dei1 Verpfandung stipulirte Vorbehalte, durch welche zum vornherein das gesetzliche Verfahren über die Realisirung des Pfandes zum Nachtheile des Schuldners umgangen würde, als gültig betrachtet werden müssen. Da die Kommission solche Vorbehalte nicht zulassen will, beantragt sie eine Einschaltung zu Art. 239.

B. Besonderer Theil.

K a u f u n d Tausch.

Ad Art. 28'1. Nach Art. 130 unseres Entwurfes, welcher sich, zwar mit wesentlichen Abweichungen, an den Art. 1184 des französischen Civilgesetzbuches anlehnt, kann bei zweiseitigen Verträgen der eine Kontrahent dem andern, falls dieser sich mit seiner Leistung im Verzüge befindet, eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung ansetzen oder durch eine zuständige Behörde ansetzen lassen, mit der Androhung, daß nach Ablauf dieser Frist der Vertrag aufgelöst sei.

Art. 281 will nun dieses Prinzip auch beim Kaufvertrage gegenüber dem mit der Zahlung säumigen Käufer anwenden. Wir halten jedoch dafür, daß hier eine Ausnahme gemacht werden müsse, zumal ein solches Rücktrittsrecht vom Kaufvertrage, so viel

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uns bekannt ist, bis jetzt in keinem Theile der Schweiz angenommen wird.

Der C o d e N a p o l é o n , welcher in Genf und im b e r n i schen J u r a gilt, gewährt dasselbe zwar in Art. 1654; jedoch ist nicht zu übersehen, daß der citirte Artikel nur eine Anwendung des Art. 1184 ist, so daß die Auflösung des Vertrags v o r G e r i c h t nachgesucht werden muß und dem Käufer immer noch ein Zahlungstermin gestattet werden darf (so auch Neuenburg, Art. 964, und Tessin); nach unserm Art. 281 in Verbindung mit Art. 130 dagegen könnte der Verkäufer von sich aus den Vertrag auflösen.

Das w a a d t l ä n d i s c h e (Art. 1187), sowie das f r e i b u r gisch e Civilgesetzbuch (Art. 1499) gestatten dem Verkäufer nach erfolgter Uebergabe des Kaufgegenstandes den Rücktritt vom Vertrage aus dem Grunde der Nichtbezahlung des Kaufpreises nicht, statuiren also hier eine, wie uns scheint wohlbegründete, Ausnahme von der allgemeinen, dem Code Napoléon entnommenen Regel.

Das W a l l i s e r Gesetz endlich läßt den Rücktritt des Verkäufers wegen Nichtbezahlung des Kaufpreises nach vollzogener Uebergabe nur z u , wenn dieses Recht ausdrücklich vorbehalten worden ist (Art. 1398 und 1399).

Den deutsch-schweizerischen Gesetzbüchern, welche uns vorliegen , ist der Rücktritt wegen Zahlungsverzuges oder Nichtbezahlung des Kaufpreises fremd, sofern wenigstens nicht ein a u s d r ü c k l i c h d a h i n z i e l e n d e r V o r b e h a l t gemacht worden ist. (Vergi, u. A. das Zürcher Civilgesetzbuch, Art. 1443, 1452--1455.)

Wir glauben uns auf den nämlichen Boden stellen zu sollen.

Die Sicherheit des Verkehrs verlangt es, daß der Verkäufer, welcher den Kaufpreis ohne Vorbehalt kreditirt hat, angewiesen werde, denselben nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Schuldbetreibung einzufordern, und daß es ihm nicht gestattet sei, den Vertrag wieder aufzulösen und die Rückgabe des Kaufgegenstandes oder, falls der Käufer z. B. die im Werth gestiegene Sache weiter veräußert hätte, Schadenersatz zu verlangen.

Wir beantragen deßhalb, daß der Verkäufer nach der Uebergabe des Kaufgegenstandes wegen Zahlungsverzuges nur dann vom Vertrage zurücktreten dürfe, wenn er sich ein solches Recht beim Abschlüsse desselben ausdrücklich vorbehalten hat. Andere Vorbehalte, z. B. denjenigen des Eigenthums (vergi. Art. 219, AI. 2) läßt unser Vorschlag unberührt; er beschränkt sich darauf, gegenüber dem allgemeinen Prinzip des Art. 130 eine Ausnahme zu statuiren.

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Miethe und Pacht.

Ad Art. 294. Der Eatvcurf entscheidet die Frage nicht, ob ·und inwieweit d e r Vermiether, s e l b s t g e g e n d e n W i l l e n des M i e t h e r s , an dem Miethgegenstande Reparaturen vornehmen dürfe, welche die Benutzung desselben beeinträchtigen.

In theilweisem Anschlüsse an das französische Recht (Art. 1724 ; vergi, auch Zürich, § 1492) beantragen wir einen Zusatzartikel, laut welchem der Miether , wenn während der Miethzeit die vermiethete Sache dringender, d. h. durchaus nothwendiger und unaufschiebbarer Ausbesserungen bedarf, sich dieselben gefallen lassen müsse. Die weitere Bestimmung des französischen Rechtes, daß eine verhältnißmäßige Herabsetzung des Miethzinses nur dann beansprucht werden dürfe , wenn jene Ausbesserungen länger als 40 Tage dauern, halten wir indessen für unbillig; wir möchten vielmehr auch hier die Grundsätze des Art. 294 zur Anwendung bringen, in dem Sinne, daß dem Miether für die Beschränkung im Gebrauche des Miethgegenstandes ein entsprechender Abzug vom Miethzinse und für den Fall, daß die Reparaturen seine Nutzungsrechte wesentlich beeinträchtigen und nicht in angemessener Frist beendigt werden können, der sofortige Rücktritt vom Vertrage gestattet sein soll.

Ad Art. 309. Bezüglich der Redaktion dieses Artikels sollte klarer ausgedrückt werden, daß hier nicht von solchen Kündigungsgründen die Rede ist, welche aus einem v e r t r a g s w i d r i g e n V e r h a l t e n d e s a n d e r n K o n t r a h e n t e n hergeleitet werden können.

Ad Art. 310. Streng genommen sollte die Miethe weder durch den Tod des Vermiethers noch durch denjenigen des Miethers aufgelöst werden. Für den letztern Fall macht indessen unser Entwurf eine Ausnahme und zwar nicht nur zu Gunsten der Erben des Miethers, sondern auch zum Vortheile des Vermiethers, indem er ihnen die Befugniß einräumt, auf einen gewissen Termin ohne Entschädigung zu künden. Wir möchten diese Ausnahme, unter dem Vorbehalte einer entgegenstehenden Vertragsbestimmung, für die Erben des Miethers, jedoch nur für sie, zulassen, da der Tod desselben für seine Familie eine wesentliche Veränderung in ihren Lebensverhältnissen bewirken kann und die Billigkeit entschieden dafür spricht, jenes unabweisbare Ereigniß zu berücksichtigen ; selbstverständlich kann dabei nur die Miethe eines G e s c h ä f t
s l o k a l s oder einer W o h n u n g , vielleicht noch des Mobiliars für eine solche (vergi. Art. 307), in Frage kommen, was aber ausdrücklich gesagt sein sollte. (Vergi, z. B. Art. 309 , der auch nur von der Miethe einer u n b e w e g l i c h e n S a c h e spricht.)

176 Es sollte im Fernern deutlicher ausgedrückt werden, daß unter der in Art. 307 bezeichneten Kündigungsfrist die g e s e t z l i c h festgestellte (di'eimonatliche, bezw. zweiwöchentliche) und nicht auch die etwa im Miethvertrage vorgesehene Frist (die z. B. sechs Monate betragen könnte) zu verstehen sei.

Der Entwurf gestattet sodann die Kündigung o h n e E n t s c h ä d i g u n g . In dieser Frage waren die Meinungen der Commission getheilt. Die Mehrheit entschied sich jedoch dafür, daß die Erben des Miethers dem Vermiether für die Umtriebe, welche ihm die Wiedervermiethung verursache, und für das Risiko, das Lokal möglicherweise während längerer Zeit leer stehen lassen zu müssen, über den betreffenden Miethzins hinaus eine mäßige Entschädigung zu bezahlen haben.

Es soll diese bei Geschäftslokalen und unmöblirten Wohnungen einem Miethzinse für drei Monate, und bei möblirten Wohnungen, (dem Mobiliar für eine Wohnung, falls auch hier die Kündigungzugelassen wird) oder einzelnen Zimmern (der französische Text spricht in Art. 307 von meubles garnissant une habitation ou une ou plusieurs chambres, also vom M o b i l i a r für einzelne Zimmer, was offenbar irrig ist) einem soleheu für zwei Wochen gleichkommen.

Schließlich wurde, namentlich für den Fall, daß die Kündigung ohne Entschädigung gestattet werden sollte, die Streichung der Worte ,,oder auf Ende eines halben Jahres nach dem Tode" beschlossen, weil die Kündigung auf diesen Zeitpunkt mitten zwischen zwei Ziele hineinfallen könnte, wo es dem Hauseigentümer schweifallen würde, einen neuen Miether zu finden.

Ad Art. 312. Nach diesem Artikel hat der Vermiether einer unbeweglichen Sache für seine aus dem Miethverhältnisse entspringenden Forderungen ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, welche sich in den vermietheten Räumen befinden und zu. deren Einrichtung oder Benutzung gehören. Laut Art. 240 ist dem Gläubiger das Retentionsrecht, von dem Konkurse oder der Zahlungseinstellung des Schuldners abgesehen, nur für seine f ä l l i g e n Forderungen eingeräumt. Wir nehmen nun an, daß der Art. 312 weiter geht, weil sonst der Miether vor dem Eintritte des Zinstermins mit seinem gesarnmten Mobiliar unbehelligt ausziehen könnte.

Es entsteht aber die fernere Frage, wie sich das Retentionsrecht des Vermiethers zu den Ansprüchen anderer Gläubiger
des Miethers, welche die eingebrachten Gegenstände pfänden möchten, verhalte; ob der Vermiether nicht auch in diesem Falle so viele Gegenstände zurückbehalten könne, als zu seiner Deckung erforderlich sind, und wenn ja, ob er dieses Recht auch für die zukünftig verfallenden Miethpreise ausüben könne.

177 Wenn es den andern Gläubigern gestattet wäre, vor dem Verfall des Miethzinses alles Mobiliar wegzupfänden und zu versilbern, so würden sich die dem Vermiether gebotenen Garantien auf ein Minimum reduziren; wenn aber umgekehrt der Vermiether sein Retentionsreoht für a l l e , selbst noch nicht verfallenen Miethzinse geltend machen dürfte, so könnten umgekehrt dio Rechte der übrigen Gläubiger des Miethers allzu sehr beeinträchtigt werden. Die Commission hat daher beschlossen, dem Vermiether das Retentionsrecht mit den Wirkungen eines Pfandrechtes sowohl außer als in dem Konkurse des Miethers nur für einen verfallenen und den laufenden Jahreszins, nebst den accessorischen Forderungen wegen Beschädigungen des Miethgegenstandes u. s. w., zu gewähren ; ob diese Beschränkung, z. B. für den Fall, wo der Miether nach Bezahlung des laufenden Jahresziuses, aber vor dem Auslaufe der Miethzeit wegziehen würde, nicht allzu eng sei, wäre indessen noch zu erwägen. Wir beantragen deßhalb, diesen Artikel behufs genauerer Umschreibung des Umfanges und der Wirkungen des dem Vermiether zustehenden Retentionsrechtes an den Bundesrath zurückzuweisen.

D i e n s t v e r t r a g.

Ad Art. 352 und 357. Die Mehrheit der Commission beantragt, die Gesetzgebung über das Gesindewesen den Kantonen vorzubehalten , weil dasselbe neben der rein obligatorischen vielfach auch eine familienrechtliche Seite aufweise und außerdem mit polizeilichen Vorschriften und lokalen Sitten und Gebräuchen zusammenhänge.

Werkvertrag.

Ad Art. 364. Das französische Recht, läßt in Art. 1792 die Baumeister und Unternehmer, welche um einen festen Preis eine Baute ausgeführt haben, ebenso sehr im Interesse der öffentlichen Sicherheit als im Privatinteresse des Eigenthümers, während 10 Jahren für deren gänzlichen oder theilweisen Untergang selbst dann haften , wenn dieser durch die fehlerhafte Beschaffenheit des Baugrundes verursacht worden ist. (Vergi. Aubry und Rau , § 374.)

Unser Entwurf enthält hierüber keine spezielle Bestimmung; es würden die allgemeinen Grundsätze über das kontraktliche oder außerkontraktliche Verschulden zur Anwendung kommen (Art. 56 u. ff. und Art. 118 u. ff.). Wir möchten aber durch unsere, irn Uebrigen vereinfachte Redaktion des Art. 364 die Verpflichtung des Unternehmers, den Besteller auf die zu Tage tretenden Mängel des angewiesenen B a u g r u n d e s aufmerksam zumachen, noch besonders betonen. Demgemäß wäre auch Art. 376 zu ergänzen.

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Verlagsvertrag.

In Uebereinstimmung mit dem Ständerathe beantragen wir die Aufnahme eines neuen Artikels, laut welchem ein oder mehrere Verfasser, die nach einem ihnen vom Verleger vorgelegten Plane die Bearbeitung eines Werkes übernehmen, nur auf das bedungene Honorar Anspruch haben, so daß dem Verleger in der Folge das freie Verlagsrecht zusteht. Im Grunde genommen liegt nämlich in einem solchen Falle kein eigentlicher Verlags vertrag, sondern ein Dienst- (Honorar-) oder Werkvertrag vor.

Wir stimmen auch dem Beschlüsse des Ständerathes, den Schlußsatz von Art. 396 zu streichen, bei.

Kreditbrief.

Ad Art. 424. Nach dieser Bestimmung soll der Adressat auch dann, wenn in dem Kreditbriefe kein Maximum angegeben ist, verpflichtet sein, bei u n g e w ö h n l i c h e n , den Verhältnissen der Personen o f f e n b a r nicht entsprechenden Anforderungen des Empfängers vor der Ausbezahlung der verlangten Summe die Weisung des Adressanten einzuholen. Die Minderheit der Commission war mit dieser im Wesentlichen dem Zürcher Gesetzbuche (§ 1191) entnommenen Vorschrift einverstanden, indem sie dafür hielt, daß ein entgegengesetztes Verfahren des Adressaten als Akt grober Fahrlässigkeit taxirt werden müßte und allfällige Anstände durch das Mittel des Telegraphen leicht beseitigt werden könnten.

Die Mehrheit beschloß jedoch die Streichung des Artikels, weil, wenigstens im Handelsverkehr, auch bei der Ausstellung eines illimitirten Kreditbriefes durch besonderes Schreiben ein Maximum bestimmt zu werden pflege, in Ermanglung jeder Beschränkung aber der A d r e s s a n t die volle Gefahr einer mißbräuchlichen Benutzung des Kredits tragen und der Adressat, sofern er sich wenigstens nicht in bösem Glauben befunden habe, nicht noch einer dem richterlichen Ermessen anheimgestellten Entschädigungspflicht ausgesetzt werden solle.

V o n d e n P r o k u r i s t e n etc.

Ad Art. 437. Im Gegensatz zu den frühern Entwürfen bestimmt der vorliegende Artikel, gemäß den eingeholten Gutachten der Handelskammern von Genf, Zürich, Basel und St. Gallen, daß Handelsreisende, welche Bestellungen aufnehmen oder Verkäufe abschließen, zum Bezüge des Kaufpreises einer besondern Ermächtigung bedürfen. In der Commission machtea sich verschiedene Ansichten geltend, je nachdem man sich mehr auf die Seite des

179 Verkäufers oder auf diejenige des Käufers stellte. Daß der Reisende, falls er die Waaren mit sich führt, für den Kaufpreis gültig solle quittiren können, unterlag keiner Bestreitung. Die Bestimmung des Zürcher Gesetzes, daß Handelsreisende überhaupt für ermächtigt gelten, im K l e i n v e r k e h r auch den Empfang von Zahlungen eu quittiren (§ 1292), beliebte nicht, weil die Abgrenzung zu schwierig und unsicher erfunden wurde. Ein Mittelantrag zwischen dem Prinzip des frühern und dem des gegenwärtigen Entwurfes, nämlich die Zahlung an den Reisenden dann als gültig zu erklären, wenn dieser durch besondere Ermächtigung o d e r d u r c h die Ums t a n d e zum Inkasso als autorisirt erscheine, blieb gleichfalls in Minderheit; die Mehrheit der Commission wollte den gutgläubigen Dritten, dem der Reisende die Zahlung abgefordert habe, unbedingt schützen, von der Ansicht ausgehend, daß der Prinzipal, wenn er die Zahlung an den Reisenden nicht zugeben wolle, seine Kunden bei Uebersendung der Waare oder sonst durch Avisbrief davon benachrichtigen könne und daß daher im Unterlassungsfälle er den Schaden tragen solle, den ihm die von ihm bestellte Mittelsperson durch Mißbrauch seines Vertrauens, d. h. durch die etwaige Veruntreuung der unbefugter Weise einkassirten Gelder, verursachen könnte.

Geschäftsführung

ohne Auftrag.

Ad Art. 478. Der Wortlaut des zweiten Alineas legt dem Geschäftsführer,) welcher entgegen dem ausgesprochenen oder sonst O O O i erkennbaren Willen des Geschäftsherrn gehandelt hat, eine zu weitgehende Verpflichtung auf; es sollte wohl heißen, daß unter der gedachten Voraussetzung der Geschäftsführer auch für den Z u f a l l hafte, sofern der Schaden nicht auch o h n e seine Einmischung eingetreten wäre. (Vergi, die analogen Bestimmungen der Artikel 126 und 485.)

Ad Art. 480. Nach den Civilgesetzen verschiedener Kantone hat der Geschäftsführer ohne Auftrag einen Anspruch auf den Ersatz seiner Auslagen, -- von einer etwaigen Bereicherung des Geschäftsherrn abgesehen -- nur dann, wenn er das Geschäft übernommen hat, um von dem Andern einen drohenden Schaden abzuwenden (vergi. Bern, Art. 796 ; Aargau, § 773; Solothurn, § 1302 ; Luzern, § 614). Wenn nun auch diese Vorschrift sich in zu engen Grenzen hält, so scheint es der Commission umgekehrt, daß unser Entwurf durch die Fassung des Art. 480 die Einmischung in die Geschäfte eines Dritten allzu sehr begünstige. Na,ch ihm sollen nämlich dem Geschäftsführer alle Verwendungen, welche (zur Zeit als sie gemacht wurden) nothwendig oder auch nur nüzlich und

180 den Umständen angemessen waren, selbst dann, wenn schließlich der beabsichtigte Erfolg nicht eingetreten ist, ersetzt werden, sofern nur die Geschäftsbesorgung mit Rücksicht auf daslnteresse des Geschäftsherrn unternommen wurde.

Wir möchten indessen dem Geschäftsherrn die in dem genannten Artikel normirten Verpflichtungen nur dann auferlegen, wenn die Geschäftsbesorgung durch sein Interesse g e b o t e n war, d. h. wenn mit Rücksicht auf das objektive Interesse und die besondere Lage desselben eine dringende Veranlassung zur Uebernahme des Geschäftes seitens eines Dritten vorlas;.

"O" Ad Art. 481. Diese Bestimmung, daß der Geschäftsführer, welcher einer dem Geschäftsherrn obliegenden Rechtspflicht, deren Erfüllung durch öffentliche Interessen oder Pietätsrüksichten geboten war, in angemessener Weise Genüge gethan hat, auch dann zur Ersatzforderung berechtigt sein soll, wenn der Geschäftsherr ihm zu handeln verboten hatte, findet sich auch in andern Civilgesetzeii (vergleiche Zürich, § 1213; Sachsen, § 1355; Dresdener-Entwurf, Art. 7H5), und steht auch mit dem gemeinen Recht ganz im Einklang (vergi. Windscheid, § 430). Die Minderheit der Commission sprach sich prinzipiell für die Beibehaltung einer solchen Vorschrift aus , welche namentlich in dem Falle , wo Jemand an der Stelle, aber entgegen dem Willen eines pflichtvergessenen Hausvaters die in der Noth zurückgelassene Familie desselben in angemessener Weise zu versorgen übernehme, von praktischem Nutzen sein könnte.

Die Mehrheit ging jedoch von der Ansicht aus , daß eine so weitgehende Einmischung in fremde Angelegenheiten gefährlich wäre und es in den von jener Bestimmung betroffenen Fällen wohl überall möglich sein werde, auf administrativem oder gerichtlichem Wege den Pflichtigen direkt zu Erfüllung seiner Obliegenheiten zu verhalten und in der Zwischenzeit die erforderlichen provisorischen Verfügungen treffen zu lassen ; es wurde daher die Streichung dieses Artikels beschlossen.

Bürgschaft.

Die ziemlich zahlreichen Abänderungsanträge zu diesem Titel scheinen uns einer eingehenden Begründung nicht zu bedürfen.

Bezüglich des Art. 501 pflichten wir dem Ständerathe bei, die Verbürgung einer für den Hauptschuldner wegen Betruges, Zwanges oder Furcht unverbindlichen Vertrages nicht als gültig zu erklären.

Art. 502 bestimmt u. A., daß der einfache Bürge schon vor dem Hauptschuldner zur Zahlung angehalten werden könne, wenn eine.Betreibung des Letztern wegen Veränderung seines Wohnortes

181 oder aus andern Gründen mit unverhältnißmäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre. Zur Vermeidung von Prozessen über die Frage, ob diese ziemlich unbestimmten Voraussetzungen zutreffen oder nicht, schlagen wir vor, dieselben genau zu umschreiben und im Anschlüsse an das Zürchergesetz (§ 1792) die sofortige Betreibung des Bürgen zuzulassen, wenn der Hauptschuldner die Schweiz oder, so lange das eidg. Betreibungs- und Konkursgesetz nicht in Kraft getreten sein wird, auch nur den Kanton, in welchem er (zur Zeit der Bürgschaftseingehung) seinen Wohnsitz hatte, verlassen hat.

Zu Art. 508, letztes Alinea, beantragen wir, den Bürgen, von den Verzugszinsen (Alinea 1) abgesehen, für zwei, statt nur für einen verfallenen Jahreszins, haften zu lassen.

Zu Art. 512, welcher das Kiindigungsrecht des Bürgen für den Fall normirt, wo bei Uebernahme der Bürgschaft lediglich für die Hauptschuld ein bestimmter Zahlungstermin besteht, hat der Ständerath einen Zusatzartikel beschlossen, welcher auch den Fall ins Auge faßt, in welchem auch für die Hauptschuld kein bestimmter Zahlungstermin festgesetzt wurde. Unser Vorschlag zu Art. 512 faßt diese beiden Fälle zusammen, will jedoch, daß der Bürge, welcher sich f ü r e i n e S c h u l d o h n e b e s t i m m t e n Z a h l u n g s t e r m i n verpflichtet hat, von dem Gläubiger die Auf kündung derselben erst nach Ablauf eines Jahres verlangen könne; wir glauben dies um so eher vorschreiben zu dürfen, als laut Artikel 521 der Bürge unter gewissen Voraussetzungen, welche seine Lage gefährden könnten, von dem Hauptschuldner jederzeit Sicherstellung zu verlangen berechtigt ist.

Den Art. 513 möchte die Mehrheit der Commission streichen, weil die daselbst vorgeschriebene Benachrichtigung der Erben des Bürgen besonders den Bankinstituten eine allzu schwere Verpflichtung auferlegt und die genannten Erben sich durch die Veranstaltung eines amtlichen Güterverzeichnisses von den allfälligen Bürgschaftsverpflichtungen des Erblassers leicht Kenntniß werden verschaffen können.

Bezüglich des Art. 520 wollen wir mit dem Ständerathe den Gläubiger verpflichten, im Konkurse des Hauptschuldners seine Forderung anzumelden, zumal er, als Inhaber der allfälligen Beweismittel, am besten in der Lage sein wird, es zu thun.

Kollektivgesellschaft.

Ad Art. 574--578. Bezüglich des Verhältnisses der Gläubiger einer Kollektivgesellschaft zu dieser selbst und den einzelnen Associés hat unser Entwurf im Großen und Ganzen das System

182 des deutschen Handelsgesetzbuches angenommen, jedoch mit zwei nicht unwesentlichen Modifikationen.

Auch nach unserer Vorlage haften vorerst die Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen ; sie sollen jedoch -- und wir sind hiermit völlig einverstanden -- für eine Gesellschaftsschuld nicht direkt, sondern erst dann persönlich belangt werden können, wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist, oder wenn eine Betreibung gegen sie mit unverhältnißmäßigen Schwierigkeiten verbunden sein würde (Art. 574).

Eine weitere Abweichung vom deutschen Handelsgesetzbuche statuirt der Art. 577, dessen Bestimmung analog auch auf die Kommanditgesellschaft Anwendung findet (Art. 618). Es sollen nämlich laut derselben mit den Gesellschaftsgläubigern im Konkurse der Gesellschaft auch die einzelnen Gesellschafter, beziehungsweise deren Privatmassen, nicht nur für ihre wirklichen Forderungen gegen die Gesellschaft, sondern selbst für ihre K a p i t a l e i n lagen, soweit diese nicht d u r c h Ver lustanth eile gem i n d e r t s i n d , zu Theil gehen. Der Ständerath versagt diese letztere Befugniß den Kollektivgesellschaftern, so gut als den Kommanditären, denen sie im Entwurfe nicht eingeräumt ist, und die Mehrheit Ihrer Commission findet keine zureichenden Gründe, um von dem Beschlüsse desselben, sowie von dem übereinstimmenden Verfahren des französischen und des deutschen Handelsrechtes abzugehen, zumal der fragliehen Vorschrift in den Motiven zu dem Entwurf eines schweizerischen Handelsrechtes und in der Botschaft des Bundesrathes zu dem gegenwärtigen Obligationenrechtsentwurfe eine verschiedene Tragweite beigelegt zu werden scheint und die Berechnung der den einzelnen Gesellschaftern zukommenden Quote eine sehr unsichere und komplizirte werden könnte. Daß die Privatgläubiger eines Kollektivgesellschafters, speziell die Ehefrau eines solchen bezüglich ihrer Weibergutsansprache, durch die Einwerfung des Vermögens in die Gesellschaft, in deren Konkurs die Gesellschaftsgläubiger vor den Sondergläubigern der einzelnen Gesellschafter befriedigt werden, eine Benachtheiligung erleiden können, läßt sich zwar nicht leugnen ; doch wird nach den meisten Gesetzen die Ehefrau für-den Fall, daß der Ehemann durch deu Eintritt in eine offene
Gesellschaft ihr Frauengut wirklich gefährdet, die Sicherstellung desselben verlangen können und ist den übrigen Privatgläubigern, falls ihnen gegenüber der etwaigen Gefährdung ihrer Ansprüche kein Rechtsmittel zur Seite stehen sollte, durch die Art. 579, 580 und 584 doch die Möglichkeit gegeben, wenigstens während der D a u e r der Gesellschaft auf das ihrem Schuldner in derselben zu-

183

kommende Guthaben Beschlagnahme auszuwirken und dadurch zur Zahlung zu gelangen.

Ko m m a n d i t g e s e l l s c h a f t .

Ad Art. 608. Unser Entwurf gestattet es, daß ein Kommanditär dem Geschäfte, an dem er sich mit einem Kapitale betheiligt hat, sein Talent und seinen Fleiß zuwende; doch soll er, da der Kommanditär als solcher begriffsmäßig von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, aus den von i h m vermittelten Verträgen gleich einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter verpflichtet sein, falls er nicht ausdrücklich erklärt hat, daß er nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter handle (vergi. Art. 167 des.

deutschen Handelsgesetzbuches) ; die bloße Eintragung dieser seiner Eigenschaft in das Handelsregister genügt nicht, um ihn von jener Haftbarkeit zu entbinden.

Die Mehrheit der Commission geht aber noch einen Schritt weiter : wenn der Kommanditär an der Geschäftsführung der Gesellschaft regelmäßigen Antheil nimmt, so könnte es leicht geschehen, daß dritte Personen, aus dem Grunde, weil sie denselben als Kollektivgesellschafter betheiligt glauben, mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung treten, und in einem solchen Falle soll er den getäuschten Dritten für die Handelsschulden unbeschränkt einstehen müssen, selbst wenn dieselben nicht mit ihm, sondern mit dem offenen Gesellschafter kontrahirt haben.

Die Minderheit lehnt diesen Zusatz ab , da derselbe es dem Kommanditär doch wieder unmöglich machen würde, sich an der Geschäftsführung zu betheiligen.

Aktiengesellschaft.

Ad Art. 623. Es wurde in der Commission der Antrag gestellt , auf Anstalten (Banken, Versicherungsanstalten u. s. w.), welche durch besondere kantonale Gesetze gegründet und unter Mitwirkung öffentlicher Behörden verwaltet werden, die Vorschriften dieses Titels über die Aktien- und Kommanditaktiengesellschaften nicht zur Anwendung zu bringen, wenn auch das erforderliche Kapital ganz oder theilweise in Aktien zerlegt und durch Betheiligung von Privatpersonen aufgebracht wird.

Die Commission erklärte sich damit einverstanden, der kantonalen Gesetzgebung auch in Zukunft diejenigen dieser Anstalten zu überlassen, für deren Schulden der Kanton die s u b s i d i ä r e H a f t b a r k e i t übernimmt, und die bereits bestehenden, selbst ohne Garantie des Staates errichteten Anstalten in den Uebergangsbestimmungen angemessen zu berücksichtigen. Eine weitere Aus-

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dehnung der vorerwähnten Ausnahme hielt dagegen die Mehrheit der Commission nicht für gerechtfertigt, da die bloße Mitwirkung des Staates bei der Gründung und Verwaltung der Anstalt die zum Schütze der Aktionäre wie der Gläubiger aufgestellten Bestimmungen dieses Titels keineswegs als überflüssig erscheinen lasse.

Ad Art. 629. Die Commission beantragt einen Zusatz, nach welchem nicht nur jeder zu Gunsten eines Aktionärs, sondern auch jeder zum Vortheile einer a n d e r n bei der G r ü n d u n g d e r G e s e l l s c h a f t b e t h e i l i g t e n P e r s o n bedungene besondere Vortheil im Gesellschaftsvertrage festzusetzen und sodann von der Generalversammlung der Aktionäre noch zu genehmigen sei , weil sonst jene schützende Vorschrift des Gesetzes dadurch umgangen werden könnte, daß der Bedachte keine Aktien zeichnen würde.

Im zweiten Alinea soll dann ausdrücklich gesagt werden, daß ein Aktienzeichner in der erwähnten Generalversammlung seine Stimme persönlich o d e r d u r c h e i n e n B e v o l l m ä c h t i g t e n abgeben kann.

Ad Art. 646. Während es die früheren Entwürfe, im Anschlüsse an das deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 222), das ZürcherCivilgesetz (§ 1346) und das bernische Gesetz über Aktiengesellschaften (Art. 23), zuließen, daß die Zeichner der auf Inhaber lautenden Aktien nach Einzahlung eines gewissen Prozentsatzes von der Haftung für weitere Einzahlungen befreit werden können, werden dieselben in der gegenwärtigen Vorlage bis zur Einzahlung des v o l l e n Nominalbetrages der Aktien gleich einem N a m e n a k t i o n ä r als haftbar erklärt; der Zeichner würde daher laut Art. 647 durch die Uebertraguiig seiaes Anrechtes von der Verbindlichkeit zur Zahlung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschaft ihn entließe und den neuen Erwerber an seiner Stelle als Schuldner annähme. Und selbst unter dieser Voraussetzung müßte er noch subsidiär bis zum vollen Nominalbetrag haften, wenn die Gesellschaft innerhalb zweier Jahre -- oder, nach unserem Antrage zu Art. 647, innerhalb e i n e s Jahres -- seit seiner Entlassung in Konkurs gerathen würde.

Wegen dieses Risikos und wegen der bei großartigeren Unternehmungen, deren Aktien in vielen Ländern zerstreut sind und erst in längeren Zwischenräumen zur vollständigen Einzahlung gelangen sollen, eintretenden Schwierigkeit oder
Umständlichkeit der jeweiligen Entlassung des alten und Annahme des neuen Aktionärs würde aber unseres Erachtens der Aktienverkehr und damit auch die Aktienzeichnung selbst allzu sehr gehemmt.

185 Wir stellen uns daher im Wesentlichen auf den Boden der oben angeführten Gesetzgebungen : Nach unserem Antrage sollen vor der Einzahlung von 50 % des Nominalbetrages der Aktien weder Aktien, noch Promessen oder Interimsscheine, die auf den Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen und die ursprünglichen Zeichner bis auf die 50 °/o unbedingt haftbar bleiben, auch wenn sie ihr Anrecht auf einen Andern übertragen haben, nach der Entrichtung jenes Prozentsatzes dagegen von der Haftbarkeit für den Rückstand befreit werden können.

Diese, gegenüber dem deutschen Handelsgesetzbuche noch verschärfte Verpflichtung in Verbindung mit der Bestimmung, daß die Aktiengesellschaft vor Einbezahlung von 20 °/o des von jedem Aktionäre gezeichneten Betrages überhaupt keine rechtliche Existenz erlangen kann (Art. 628 und 632), wird regelmässig genügen, um einerseits schwindelhafte Zeichnungen zu verhindern und andererseits den Zeichner oder späteren Inhaber des Papieres zu den weitern Einzahlungen zu veranlassen. Es muß nur noch dafür gesorgt werden, daß das Publikum über die Größe des wirklichen Aktienkapitals nicht getäuscht werde. Deßhalb sollte die Entlastung der Zeichner nach Einbezahlung von 50 % des Nominalbetrages der Aktien nur dann zuläßig sein, wenn sie schon in den ursprünglichen Statuten vorgesehen war, und wird im Ferneren als Art. 647 bia die Vorschrift beantragt, daß, so lange Aktien, seien es Inhaberoder Namenaktien, nicht voll einbezahlt sind, auf jedem Titel der wirklich einbezahlte Betrag deutlich angegeben und auch bei allen Publikationen der Gesellschaft, in welchen auf das Aktienkapital hingewiesen wird, klar hervorgehoben werden muß, wie viel von demselben wirklich einbezahlt ist.

Ad Art. 647. Wir stimmen dem Beschlüsse des Ständerathes bei, daß der ursprüngliche Zeichner einer Namenaktie subsidiär für den ganzen Rückstand haften soll, wenn die Gesellschaft innerhalb · e i n e s Jahres seit seiner Entlassung iu Konkurs geräth. (Vergi.

Art. 223 des deutschen Handelsgesetzbuches.)

Ad Art. 651 u. ff. Was die Organe der Aktiengesellschaft anbetrifft, so verlangt das deutsche Handelsgesetzbuch in der durch die Novelle vom 11. Juni 1870 veränderten Fassung, von der Generalversammlung abgesehen, einen aus einem oder mehrern Mitgliedern bestehenden Vorstand, welcher die Gesellschaft gerichtlich
und außergerichtlich vertritt, und einen Aufsichtsrath, dem ausschließlich die fortlaufende Kontrole über die gesammte Geschäftsführung obliegt.

ßnndesblatt 33. Jahrg. Bd. I.

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186 Unser Entwurf ist nun im Titel über die Aktiengesellschaften im Großen und Ganzen dem deutschen Handelsgesetzbuch mit der genannten Novelle gefolgt, hat jedoch die Stellung des Aufsichtsrath.es dadurch verrückt, daß er demselben neben der bloßen K o n t r o l le der Geschäftsführung auch noch die Befugniß der T h e i l n a h m e an derselben einräumt. Nun erscheint zwar ein reines Kontrollorgan der Commission um so nothwendiger, als künftighin die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung der Aktiengesellschaften wegfällt; dagegen muß auf der andern Seite berücksichtigt werden, daß bei uns die Befugnisse des Aufsichtsrathes faktisch allerdings nicht so streng abgegrenzt werden , wie dies nach dem deutschen Gesetze der Fall ist, und daß sich derselbe in vielen, ja wohl den meisten Aktiengesellschaften, namentlich der deutschen Schweiz, durch andere Kontrollorgane ersetzt findet. Um nun den gewünschten Zweck zu erreichen und doch den bestehenden Verhältnissen möglichst Rechnung zu tragen, schlagen wir eine Umänderung und Vereinfachung des dritten Kapitels und der damit im Zusammenhange stehenden Bestimmungen im Sinne folgender Grundsätze vor: Jede Aktiengesellschaft muß außer der Generalversammlung der Aktionäre mindestens folgende Organe haben: 1) eine aus einem oder mehreren Mitgliedern, Aktionären oder Nichtaktionären, bestehende -Direktion, welche die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt; 2) einen Verwaltungs- oder einen Aufsichtsrath oder Rechnungsrevisoren als Kontrollorgan ; falls der Verwaltungs- oder der Aufsichtsrath an der Geschäftsführung der Direktion Theil nimmt, müssen neben demselben besondere Rechnungsrevisoren bestellt werden.

Tm Uebrigen soll die nähere Organisation den Statuten vorbehalten bleiben.

Von den weiteren, die Organisation der Aktiengesellschaft betreffenden Anträgen ist noch hervorzuheben, daß wir die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsrathes, um sie an der gehörigen Geschäftsführung mehr zu interessiren, verpflichten möchten, eine durch die Statuten zu bestimmende Anzahl unveräußerlicher Aktien der betreffenden Gesellschaft zu besitzen.

Was die Aufstellung der Bilanz der Gesellschaft anbetrifft, so beantragen wir zu Ziffer II, 2 eine genauere Redaktion, laut welcher die von der Gesellschaft emittirten Obligationen nicht zu ihrem vollen
N o m i n a l werthe, sondern zu dem vollen Betrage, zu welchem sie z u r ü c k b e z a h l t werden müssen, unter die Passiven aufzunehmen sind, weil dieser letztere Betrag, der oft nicht der

187 nominelle Werth der Titel ist, maßgebend sein muß. Auch soll nicht der K u r s v e r l u s t bei der E m i s s i o n , sondern die zu amorlisirende D i f f e r e n z zwischen dem E m i s s i o n s k u r s e und jenem R ü c k z a h l u n g s b e t r a g e unter die Aktiven aufgenommen werden können ; denn diese Differenz, die durch die Art und Weise der Verzinsung und Herausloosung der Titel meistens mehr als ausgeglichen wird, könnte nicht als Kursverlust bezeichnet werden.

Ad Art. 684 u. ff. Die Art. 684 und 685, deren Verschmelzung und Ausdehnung auf die Rechnungsrevisoren wir beantragen (vergi, unsern obigen Antrag über die Organisation der Aktiengesellschaft), behandeln die Verantwortlichkeit der Organe der Gesellschaft gegenüber ihr selbst; es soll dieselbe nach den Bestimmungen über das kontraktliche Verschulden (Art. 121--124) beurtheilt werden.

Der Artikel 686 sodann normirt die Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane gegenüber den einzelnen Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern, mit welchen jene in keinem Vertragsverhältnisse stehen. Die früheren Entwürfe machten die Gesellschaftsorgane in dieser Beziehung für jede a r g l i s t i g e , beziehungsweise a b s i c h t l i c h e oder g r o b f a . h r l ä s s i g e Verletzung der ihnen obliegenden Verwaltungs- oder Aufsichtspflichten haftbar. Die gegenwärtige Vorlage beschränkt die Verantwortlichkeit gegenüber Dritten auf die a b s i c h t l i c h e n Pflichtverletzungen. Der CommissionalAntrag geht wieder etwas weiter, da er die Schadenersatzpflicht einfach davon abhängig macht, ob eine Obliegenheit w i s s e n t l i c h , wenn auch nicht gerade a b s i c h t l i c h verletzt worden sei. Unser Entwurf legt nämlich den Organen der Gesellschaft verschiedene Verpflichtungen im direkten Interesse der einzelnen Aktionäre und namentlich auch in demjenigen der Gläubiger auf; wir verweisen in letzterer Hinsicht auf die schützenden Bestimmungen über die Aufstellung der Bilanz (Art. 664), die Ausrichtung von Zinsen oder Dividenden und die Vertheilung, theilweise Zurückzahlung oder Herabsetzung des Grundkapitals (Art. 638, 640 und 671). Auf die genaue Beobachtung dieser speziellen Vorschriften sollte um so strenger hingewirkt werden, als die Autorisation der Aktiengesellschaften und die Beaufsichtigung derselben seitens der Staatsbehörden
in Zukunft wegfällt. Vielleicht würde man noch bosser thun, die Verletzung dieser im allgemeinen Interesse normirten Obliegenheiten besonders zu behandeln, da die gegenüber der Gesellschaft begangenen Pflichtverletzungen, selbst wenn dadurch i n d i r e k t die einzelnen Aktionäre oder Gläubiger geschädigt werden, nicht wohl auf die gleiche Linie gestellt werden können und deßhalb, wenn keine Ausscheidung stattfindet, die Verantwortlichkeit der Ge-

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sellschaftsorgane überhaupt leicht zu streng oder dann umgekehrt zu mild normirt wird.

Im Fernern fassen wir in dem Zusatzartikel 686 bis auch die Fälle besonders ins Auge, wo eine bereits konstituirte Aktiengesellschaft eine Emission von Aktien oder Obligationen, sei es für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, vornimmt (vergi. Art. 683).

Wenn in den Artikeln 684--686 die Mitglieder der Gesellschaftsorgane persönlich und solidarisch für allen durch die Verletzung ihrer Pflichten verursachten Schaden verantwortlich erklärt werden, so wird dabei unzweifelhaft vorausgesetzt, daß dem belangten Mitgliede ein e i g e n e s Verschulden zur Last falle.

Wechsel- und O r d r e p a p i e r e .

Ad Art. 733. Unser Entwurf erklärt in Uebereinstimmung mit dem deutschen Handelsgesetzbuche und dem Entwurfe einer schweizerischen Wechselordnung von Burkardt-Fürstenberger Jeden als wechselfähig, welcher sich durch Verträge verpflichten kann.

In der Commission machten sieh verschiedene Meinungen geltend, doch stimmte die Mehrheit derselben zu der unveränderten Annahme des Entwurfes, da es nicht angehe, die Wechselfähigkeit und damit auch die Möglichkeit, sich leichter Kredit zu verschaffen, auf gewisse Volksklassen einzuschränken und demzufolge überdieß die Sicherheit des Wechselverkehrs zu beeinträchtigen. Zur näheren Begründung dieser Ansicht kann füglich auf die Motive von BurkardtFürstenberger zum Entwurfe einer schweizerischen Wechselordnung und diejenigen Munzinger's zu dem Entwurfe eines schweizerischen Handelsrechts verwiesen werden. Die Befürchtungen, die auch heute noch in vorzugsweise agrikolen Kantonen vor der allgemeinen Wechselfähigkeit laut werden, beschwichtigt Burkardt-Fürstenberger mit Hinweisung auf die Erfahrungen Zürichs und St. Grauens folgendermaßen : ,,In der ersten Zeit der allgemeinen Wechselfähigkeit wurde die Unerfahrenheit und Bedrängniß Einzelner ausgebeutet, mannigfache Klagen erhoben sich und drangen auf eine Beschränkung der bedenklichen Freiheit. Ehe man sich jedoch über das Maß des Schutzes einigen konnte, waren die Beschwerden verstummt, die Krisis überstanden und die Bevölkerung mit dem neuen Rechte vertraut, so daß zur Stunde in diesem Gebiete der Wechselstrenge nicht mehr Opfer fallen als anderwärts bei allen vormundschaftlichen Sicherheitsmaßregeln. Und doch zeichnet sich der Kanton Zürich, sowie die Stadt St. Gallen gerade durch die energische Exekution der Wechselschulden aus. Wir entnehmen dieser That-

189 sache, daß bei einer durchgreifenden schonungslosen Vollstreckung jeder Unberufene sich zwei und drei Mal besinnt, seine Unterschrift herzugeben, während bei einem laxen, der gewöhnlichen Rechtsbetreibung nachgebildeten Verfahren, das dem säumigen Zahler noch wochen- und monatelange Trölereien gestattet, Niemand von Wechselgeschäften zurückgeschreckt wird.

,,Schließlich darf wohl noch in die Wagschale gelegt werden, daß alle Ausnahmen und Beschränkungen mit der Einheit des Rechts und der Gleichheit Aller vor dem Gesetze unvereinbar sind, und nicht allein Zweifel und Controversen in die Rechtspflege bringen, sondern auch den Kredit des Wechselverkehrs beeinträchtigen. Die Sicherheit aller Wechseloperationen, die Negociabilität des Papiers beruht einmal auf der Voraussetzung, daß alle auf dem Wechsel figurirenden Unterschriften wechselfähig sind und hierüber keine Ungewißheit herrsche. Ragionenbücher und sonstige Surrogate können in dieser Beziehung höchstens dem Platzverkehr Be-.

ruhigung gewähren, für den großen Markt, für den Wechselverkehr mit dem Auslande sind derartige Nothbehelfe unbrauchbar. ct Der Ständerath hat nun zwar, was die materielle Wechselstrenge anbetrifft, die allgemeine Wechselfähigkeit beibehalten, jedoch die Vorschrift aufgenommen, daß die Bestimmung des Art. 824 über die vorläufige Exekution der Wechselforderungen und alle jeweiligen auf prozessualische Wechselstrenge bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen beschränkt bleiben sollen auf: 1. diejenigen einzelnen Geschäfts-inhaber und Befufsleute, welche nach Art. 870 zur Eintragung ihrer Geschäftsfirma in das Handelsregister berechtigt sind und von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht haben; 2. die.Collektiv- und Commandite-Gesellschaften, welche der Eintragung in das Handelsregister unterworfen sind, und andere · Gesellschaften, welche sich freiwillig als Collektiv- oder Commandite Gesellschaften in dasselbe eintragen lassen. (Art. 562 und 600); 3. die Aktiengesellschaften (Art. 623) und Commandite-AktienGesellschaften (Art. 689), sowie die Genossenschaften (Art. 691).

Wenn eine derartige Beschränkung statuirt werden wollte, so würde, es sich wohl empfehlen, die prozessualische Wechselstrenge schlechthin gegenüber denjenigen Personen und Gesellschaften eintreten zu lassen, welche im Handelsregister eingetragen s i n d ,
und dann in Abänderung des Art. 870 Jedem das Recht zur Eintragung in das Ragionenbuch einzuräumen, damit einerseits Prozesse über die Frage, ob die wechselrechtliche oder die gewöhnliche Betreibung

190 stattzufinden habe, abgeschnitten werden, und andererseits Jedem ohne Unterschied die Möglichkeit gegeben sei, die volle Wechselfähigkeit zu erlangen.

Die Mehrheit der Commission will jedoch auch von dieser Beschränkung Umgang nehmen, weil die m a t e r i e l l e ohne die p r o z e s s u a l i s c h e Wechselstrenge doch nur eine Illusion wäre, indem der Kredit des Wechsels nicht nur auf der Gewißheit, daß alle auf demselben figurirenden Unterschriften materiell eine W e c h s e l f o r d e r u n g erzeugen, sondern auch auf der Sicherheit L und Raschheit der Realisiruna; 'Ö derselben beruht.

Ad Art. 735. Unser Entwurf überläßt es, im Anschlüsse an die deutsche Wechselordnung, dem Belieben des Ausstellers, die Wechselsumme in B u c h s t a b e n oder in Z i f f e r n , oder auf beiderlei Weise zugleich auszudrücken. Es wird jedoch nicht bestritten werden können, daß die in Z i f f e r n geschriebene Summe viel zu ' leicht sich verändern läßt. ,,Der Wechsel ist aber einmal1', wie Burkhardt-Fürstenberger in seinen Motiven zum Entwurf einer schweizerischen Wechselordnung zutreffend ausführt, ,,ein strenges Formalgeschäft, welches sich lediglich in der Schrift bewegt, und die Gesetzgebung hat dafür Sorge zu tragen, daß diese Form einen unzweideutigen, gegen Irrthümer und Verfälschungen verbürgten Ausdruck erhalte, und der maßgebende Handelsgebrauch hat die größere Sicherheit, entgegen den meisten bisherigen positiven Satzungen, nur in der im Contexte des Wechsels mit Buchstaben ausgeschriebenen Summe gefunden."

Wir glauben daher, zumal bei der Annahme der allgemeinen Wechselfähigkeit, dieses verschärfte Requisit auch in unserm Gesetze Sanktioniren und demgemäß die Art. 735, Ziffer 2, 736 und 838, Ziffer 2 modifiziren zu sollen.

Ad Art. 747, 750 und 763. Nach Art. 750, Alinea 2 soll ein Wechsel, welcher auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lautet, binnen 2 Jahren nach der Ausstellung zur A n n a h m e , und nach Art. 763, Alinea 2 ein auf Sicht gestellter Wechsel binnen der nämlichen Frist zur Z a h l u n g präsentirt werden. Innerhalb welchen Zeitraumes ein Wechsel, welcher nach Ablauf der für die Proteslerhebung mangels Zahlung bestimmten Frist indossili wurde, zur Zahlung präsentirt werden soll, ist in der deutschen Wechselordnung nicht entschieden. Unser Entwurf bestimmt dafür im Alinea 2 des Art. 747 analog der für Sichtwechsel geltenden Vorschrift eine Frist von 2 Jahren, vom Datum des ersten Nachindossements an gerechnet.

191 Die Commission hält jedoch dafür, daß die genannte Frist zu lang sei und in den citirten drei Artikeln füglich auf ein Jahr herabgesetzt werden dürfte, wiewohl damit in einem nicht unwesentlichen Punkte von der deutschen Wechselordnung abgewichen wird.

Ad Art. 749. Wir stimmen dem Beschlüsse des Ständerathes ·aus den im Berichte seiner Commission angegebenen Gründen bei.

Ad Art. 768--772. Der Abschnitt über die Zahlung sollte durch folgende Bestimmungen vervollständigt werden : 1. Nach Art. 102, namentlich in der von der Commissionsmehrheit beantragten Fassung, kann ein Schuldner, wenn der Verfalltag nicht auch im Interesse des Gläubigers bestimmt ist, schon vor dem Eintritte desselben seine Verpflichtungen erfüllen. Diese Bestimmung darf auf den Wechsel keine Anwendung finden ; unser Entwurf schweigt aber hierüber, wiewohl Zahlungen vor Verfall zur Benutzung günstiger Kurse oder wegen bevorstehender Münzveränderungen u. s. w. öfter vorkommen sollen: ,,Nun sind bei dem Wechsel, wie Burkardt-Fürstenberger ia seinen Motiven zürn § 40 des Entwurfes einer schweizerischen Wechselordnung richtig ausführt, noch andere Personen außer dem Präsentanten und den Trassaten betheiligt und diese haben ein Interesse, daß die Zahlung genau zu der im Wechsel vorgeschriebenen Zeit stattfinde und nicht zu einer andern. Die Zahlung vor Verfall läuft daher stets auf Gefahr des Zahlers. Ist der Wechsel abhanden gekommen, ist ein Irrthum mit Prima oder Sekunda vorgegangen, so wird der Bezogene oder Intervenient durch eine vor Verfall an den unredlichen Inhaber geleistete Zahlung nicht liberirt, sondern bleibt aus seinem Accepte verbindlich, oder, insofern er nicht acceptirt hatte, kann er dem Aussteller die Deckung nicht in Rechnung bringen."

Wir beantragen daher in Uebereinstimmung mit dem genannten Entwurfe und den Art. 144 und 146 des französischen Code de Li ·commerce die Aufnahme der Bestimmung: o· ,,Vor dem Verfalltage ist kein Wechselinhaber verpflichtet, Zahlung anzunehmen; insofern eine solche stattfindet, ist die Zahlung auf Gefahr des Zahlenden geleistet."1 2. Auch über die Folgen der Prolongation der Verfallzeit, die ·namentlich beim eigenen Wechsel häufig vorkommt, enthält unser Entwurf keine Bestimmung. Wir schließen uns dem Entwürfe «einer schweizerischen Wechselordnung und den Motiven BurkardtFürsten bergers an:

192 ,,Vereinigt sich der Wechselinhaber, ohne rechtzeitig Mangel» Zahlung Protest erhoben zu haben, einseitig mit dem Acceptanten, beziehungsweise mit dem Aussteller eines eigenen Wechsels, über eine andere als die im Wechsel bezeichnete Verfallzeit, so bewirkt diese Prolongation eine Novation ; es entsteht eine neue Wechselschuld zwischen dem Inhaber und dem Acceptanten, deren Rechte und Pflichten sich auf die neuen Contrahenten beschränken, auf Dritte aber, wie auf die regreßpflichtigen Vorrnänner, keinen Einfluß, haben, da denselben eine Gewährleistung für eine hinter ihrem Rücken konstituirte Verbindlichkeit nicht aufgebürdet werden kann. EineVoraussetzung der Einwilligung sämmtlicher bisheriger Wechselinteressenten in die Prolongation ist bei girirten Tratten undenkbar^ und kein Kaufmann wird je ein derartiges Unding zu Gesicht bekommen haben. Ausnahmsweise kann es jedoch vorkommen, daß der Wechselinhaber den einen oder andern am Z ahlungsorte wohnenden Regreßpflichtigen von der Nothwendigkeit, dem Acceptanten eine Prolongation der Verfallzeit zu gewähren, in Kenntniß.

setzt und deren Zustimmung einholt. In diesem Falle ist das Regreßrecht gegen die einwilligenden Vormänner gewahrt und der prolongirte Wechsel ist ihnen gegenüber ganz so anzusehen, als ob er gleich von Anfang an auf die neue Verfallzeit gestellt gewesen wäre.a Wir empfehlen daher die Aufna.hme des Artikels 44 des schweizerischen Konkordatsentwurfes, der folgendermaßen lautet: ,,Gewährt der Wechselinhaber dem Acceptanten eine Prolongation der Verfallzeit, so verliert er seine Rechte gegen diejenigen Vormänner, welche zu dieser Prolongation nicht eingewilligt haben."Demgemäß würden' auch die Art. 815, 840 und 842 einen ergänzenden Zusatz erhalten (vergi. §§ 83, 89 und 90 des genannten Entwurfes).

Ad Art. 773. Durch diesen Abänderungsantrag der Commission würde die Uebereinstimmung mit der deutschen Wechselordnung wieder hergestellt; indessen ist in der Commission wohl nicht mit Unrecht geltend gemacht worden, daß die Beantwortung der Frage, w a n n der Protest erhoben werden müsse, die Cirkulationsfähigkeit des Wechsels in keiner Weise beeinträchtige und dem Wechselschuldner der volle Verfalltag zur Zahlung eingeräumt werden sollte.

Ad Art. 780. Dieser Artikel gewährt auch dem regreßnehmenden Indossanten, welcher den Wechsel
eingelöst oder als Rimesse erhalten hat, gleich dem Inhaher, der denselben Mangel» Zahlung protestiren lassen mußte, außer der Wechselsumme nebst 5 °/o Zinsen und den Auslagen noch eine Provision von lla °/o, was

193 die Retourkosten doch unverhältnißmäßig vermehren würde. Erwägt man nun, daß der letzte Inhaber des Wechsels keine Verpflichtungen übernommen, sondern nur den Anspruch auf die B e z a h l u n g desselben erworben hat, während die Indossanten dessen richtige Einlösung zu garantiren haben, so empfiehlt es sich unbestreitbar, die Regreßansprüche der letztern nicht allzu sehr auszudehnen.

Der Entwurf einer schweizerischen Wechselordnung versagt deßhalb den Indossanten jede P r o v i s i o n ; unsererseits glauben wir, dieselbe von Va auf 1lio Prozent herabsetzen zu sollen und damit allen Verhältnissen gebührende Rechnung getragen zu haben.

Ad Art. 794 und 832. Wir stimmen den Beschlüssen des Ständerathes aus den von seiner Commission angeführten Gründen bei. Das Nämliche gilt von dem den Chèque betreffenden Antrage desselben.

Inhaberpapiere.

Ad Art. 855. Es muß in diesem Artikel gleich wie im Art. 862 gesagt werden, daß die Amortisation des verlorenen Inhaberpapieres bei dem Richter des Wohnsitzes des Schuldners anzubegehren sei; auch diese Bestimmuog ist zwar nicht ganz erschöpfend, da die Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären, welche die Amortisation von Aktien verlangen, nicht als Schuldner erscheint.

Ad Art. 856. Wir stimmen auch hier zu dem Beschlüsse des Ständerathes.

Wir schließen unsere Berichterstattung mit dem Wunsche, daß die für den Verkehr je länger je mehr unentbehrlich gewordene Rechtseinheit durch das baldige Zustandekommen eines schweizerischen Obligationen- und Handelsrechtes erzielt werden möge.

B e r n , im November 1880.

Namens der nationalräthlichen Commission, Der Berichterstatter : Rad. Niggeler.

Mitglieder der Commission: Niggeler, Berichterstatter.

Aepli.

Bucher.

Chenevière.

Häberlin.

Haberstich.

Holdener.

Jaquet.

S. Kaiser.

Lambelet (abwesend).

Pedrazzini.

Ruchonnet.

Ryf.

Segesser.

Zweifel.

194

# S T #

Bundesrathsbeschluss in

Sachen des François Morisod, von Verossaz, wohnhaft in Massongex (Wallis), betreffend Bestrafung wegen Arbeiten an Feiertagen.

(Vom 19. November 1880.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat

in Sachen des F r a n ç o i s M o r i s o d von Verossaz, wohnhaft in Massongex (Wallis), betreffend Bestrafung wegen Arbeiten an Feiertagen ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsieht der Akten, woraus sich ergeben : I. Der Rekurrent wurde von der Polizeibehörde von Massongex in eine Buße von Fr. 3 und zur Bezahlung der Kosten im Betrage von Fr. 2. 30 verfällt, weil er Sonntags den 25. Juli 1880 während des vormittägigen Gottesdienstes, wie schon früher am Feste von Peter und Paul, 29. Juni, den ganzen Tag hindurch auf seinem Felde in Les Palluds, Gemeinde Massongex, gearbeitet hatte.

Er beschwerte sich gegen dieses Urtheil, weil es im Widerspruche stehe mit den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger, und stellte das Gesuch, der Bundesrath möchte dasselbe aufheben und die Regierung von Wallis einladen, dafür zu sorgen, daß die Bürger

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Bericht der nationalräthlichen Commission über den Entwurf eines schweizerischen Obligationen- und Handelsrechtes. (November 1880.)

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Jahr

1881

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1

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04

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.01.1881

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153-194

Page Pagina Ref. No

10 010 973

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