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Vertrag zwischen

dem Regierungsrathe des Kantons Bern und der Direktion der Bernischen Jurabahngesellschaft.

(Vom 1. März 1881.)

Art. 1.

Die Bernische Jurabahngesellschaft übernimmt vom 1. Januar 1882 hinweg pachtweise, auf ihre Kosten und Gefahr, den Betrieb der bernischen Staatsbahn, von Bern nach Luzern, den sie seit dem 1. Februar 1877 auf Rechnung des Staates Bern besorgte.

Eine besondere Uebergabe der Bahn nebst Zubehör hat nicht stattzufinden, sondern es wird angenommen, dieselbe sei erfolgt.

Auch anerkennt die Jurabahnverwaltung, daß sich die Pachtsache, soweit in diesem Vertrage nicht etwas anderes gesagt ist, in gutem betriebsfähigem Stand befinde.

i Art. 2.

Der Betrieb wird nach folgenden Grundsäzen geführt : Im Allgemeinen ist die Jurabahngesellschaft verpflichtet, auf den Betrieb der Bern-Luzern-Bahn, den sie auf Grund aller dafür maßgebenden gesezlichen, konzessions- und vertragsmäßigen Bestimmungen übernimmt, die nämliche Sorgfalt zu verwenden, wie auf den Betrieb ihrer eigenen Linien.

Der Personen- und Waarenverkehr ist nach allen Richtungen bestens zu pflegen und auf eine stete Verbeßerung der Korrespondenzen hinzuwirken. Die Zahl der Züge darf ohne Zustimmung des Regierungsrathes nicht vermindert werden, und sofern das vor-

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handene Betriebsmaterial nicht ausreicht, hat die Jurabahngesellschaft solches unentgeltlich zu stellen.

Die Jurabahngesellschaft wird die Bahn nebst Zubehör in fortdauernd gutem Zustande erhalten, und es fallen ihr insbesondere auch sämmtliche Kosten für die Oberbau-Erneuerung zur Last.

Alle Entschädigungen, welche in Bezug auf den Bahnbetrieb, sei es in Folge Verschuldens, sei es in Folge von Zufall, zu bezahlen sein werden, sind von der Jurabahngesellschaft zu bezahlen.

Die Jurabahngesellschaft darf auf der Linie Bern-Luzern keine höhern Normal transport taxen und Gebühren erheben, als die dermalen bestehenden. Die bestehenden Tarifermäßigungen oder Spezialtarife, welche mit andern Bahngesellschaften oder Verwaltungen vereinbart,> oder gegenüber Privaten eingegangen wurden,l wird sie O O O O O für ihre Dauer aufrecht erhalten.

Für die Instradirung der Güter in den Verkehren mit der Centralbahn, der Gotthardbahn und der Emmerithalbahn bleiben die bezüglichen mit den genannten Bahngesellschaften abgeschloßeuen Verträge in Geltung.

Art. 3.

Die Verträge mit der Centralbahn betreffend die Mitbenüzung der Bahnhöfe Bern und Luzern, nebst Zufahrtslinien werden der Jurabahngesellschaft zur Erfüllung Uberbunden, mit der alleinigen Einschränkung, daß dieselbe für die baulichen Erweiterungen dieser Bahnhöfe nicht in Anspruch genommen werden soll. Insbesondere ist der zu Lasten der Bern-Luzern-Bahn auf circa 100,000 Franken veranschlagte Kapitalaufwand für die Erweiterung und Erneuerung des Bahnhofes Luzern nicht von der Jurabahngesellschaft, sondern vom Staat Bern zu bestreiten, welcher dafür von jener während der Pachtdauer auch keine Zinsvergütung erhält.

Art. 4.

Ebenso wird der Jurabahngesellschaft der Vertrag mit der Emmenthalbahn für die Mitbenüzung des Bahnhofes Langnau sammt Zufahrtslinie mit seinen Lasten und Rechten überbunden.

Während der Pachtdauer dürfen der Emmenthalbahn von der Jurabahngesellschaft keine, lästigeren Bedingungen für ihren Anschluß und für die Mitbenüzung des Bahnhofes Langnau sammt Zufahrtslinie gestellt werden, als die in jenem Vertrage enthaltenen.

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Art. 5.

Die zur gehörigen Instandstellung der Bahn und Ergänzung der Betriebseinrichtungen auf den Stationen noch erforderlichen Nacharbeiten und Vollendungsbauten sind in einer Beilage zum Vertrage aufgeführt, und es fallen die daherigen, sowie ähnliche allfällige Kosten dem Kanton Bern als Eigenthümer -der Bahn zu bezahlen auf, dessen Ermächtigung zu derartigen Ausgaben jedoch immerhin vorher einzuholen ist.

Art. 6.

Dem Kanton Bern, als Eigenthümer, fallen auch erheblichere Schäden an der Bahn nebst Zubehör zur Last, welche durch höhere Gewalt oder durch Krieg entstehen. Als Fälle höherer Gewalt sind u. A. die durch Ueberschwemmungen und Hochwasser verursachten Beschädigungen der Bahn nebst Zubehör anzusehen.

Sollte die Bern-Luzern-Bahn infolge eidgenößischer oder kantonaler Verordnungen oder Verfügungen mit Beiträgen zu Schwellenbauten, Verbauungen und dergleichen belastet werden, so hat der Kanton Bern, als Eigenthümer der Bahn, dieselben zu leisten.

Art. 7.

Die Jurabahngesellschaft bezieht alle aus dem Betriebe der Bern-Luzern-Bahn sich ergebenden Einnahmen. Ebenso fallen ihr alle Nuzungen zu, welche sich sonst aus der Verwaltung der Bahn nebst Zubehör ergeben, namentlich auch die Pachtgelder von Böschungen und Landabschnitten, sowie der Pachtzins der Emmenthalbahn für die Mitbenüzung des Bahnhofes Langnau sammt Zufahrtslinie etc. etc.

Der Kanton' Bern bezieht dagegen nach wie vor alle Einnahmen, welche aus dem Verkauf von Landparzellen außerhalb des Bahngebietes herrühren; auch behält er in Bezug auf den Verkauf solcher Parzellen völlig freie Hand.

Art. 8.

Der jährliche feste Pachtzins, welchen die Jurabahngesellschaft dem Kanton Bern und zwar in zwei gleichen halbjährlichen Raten, je auf 30. Juni und 31. Dezember, zu bezahlen hat, beträgt für die ersten vier Jahre, d. h. pro 1882 bis und mit 1885, 226,000 Franken, für die spätem Jahre 250,000 Franken.

Sobald der jährliche Brutto-Ertrag der Bahn 12,000 Franken per Kilometer übersteigt, wird der Mehrbetrag zwischen den Kontrahenten in der Weise getheilt, daß davon dem Kanton Bern jährlich außer obiger fester Pachtsumme noch 70 °/o, der Jurabahngesellschaft dagegen zur Dekung der Mehrkosten des Betriebes 30 °/o zufallen.

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Art. 9.

Dem Regierungsrath des Kantons Bern steht das Recht zu, während der Dauer der Pacht noch zwei weitere Mitglieder in den Verwaltungsrath der bernischen Jurabahngesellschaft abzuordnen.

Art. 10.

Der gegenwärtige Vertrag beginnt mit dem 1. Januar 1882 und dauert zehn Jahre, d. h. bis zum 31. Dezember 1891. . Dem Kanton Bern steht jedoch das Recht zu, denselben schon nach Ablauf von vier Jahren auf ein Jahr hin zu kündigen.

Er läuft stillschweigend jeweilen ein weiteres Jahr in seinem Bestände fort, wenn nicht allfällige Kündigungs- oder Revisionsbegehren von der einen oder der andern Seite .wenigstens ein Jahr vorher notifizirt worden sind.

Art. 11.

Alle Streitigkeiten, welche über die Auslegung und Ausführung dieses Vertrages oder die daraus hervorgehenden, auch im Vertrage nicht ausdrüklich vorgesehenen Verhältnisse zwischen den Kontrahenten entstehen könnten, werden durch das schweizerische Bundesgericht endgültig entschieden.

Art. 12.

Der gegenwärtige Vertrag unterliegt einerseits der Genehmigung*) des Großen Rathes des Kantons Bern, anderseits derjenigen**) der Generalversammlung der Aktionäre der bernischen Jurabahngesellschaft.

Abgesehen hievon tritt er nur in Kraft, wenn der Kanton Bern die projektirte Anleihens-Konversion der Jurabahngesellschaft durch seine staatliche Garantie unterstüzt, beziehungsweise gegenüber den neuen Anleihensgläubigern sich verpflichtet, für die richtige Verzinsung und eventuell auch für die Rükzahlung der HypothekarObligationen der Bernischen Jurabahngesellschaft einzustehen ***).

*) Diese Genehmigung hat am 11. März 1881 stattgefunden.

**) Wurde am 19. März 1881 ausgesprochen.

***) Die Staatsgarantie für die Anleihens-Konversion ist gewährt worden.

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Vertrag zwischen dem Regierungsrathe des Kantons Bern und der Direktion der Bernischen Jurabahngesellschaft. (Vom 1. März 1881.)

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30.07.1881

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