11.028 Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail) vom 20. April 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit die Botschaft und den Entwurf zur Änderung des Bankengesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. April 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-0649

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Übersicht Die Schieflage einer der zwei Schweizer Grossbanken kann das Funktionieren des gesamten Finanzsystems bedrohen und damit die Schweizer Volkswirtschaft gefährden. Der Staat ist praktisch gezwungen, rettend einzugreifen, da das Unternehmen «too big to fail» (TBTF: «zu gross, um zu scheitern») ist. Es verfügt damit über eine implizite Staatsgarantie. Ein zentraler Sanktionsmechanismus des Marktes ist ausgehebelt.

Der Bundesrat hat am 4. November 2009 eine Expertenkommission mit der Erstellung eines Berichts beauftragt. Dieser sollte zeigen, wie von Grossunternehmen ausgehende volkswirtschaftliche Risiken limitiert werden können. Die Expertenkommission legte im April 2010 einen Zwischenbericht vor und unterbreitete Ende September 2010 den Schlussbericht mit einem Massnahmenpaket. Der Bundesrat unterstützte die Stossrichtung und beauftragte am 13. Oktober 2010 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage gestützt auf den Bericht der Expertenkommission.

Gegenüber dem Vorschlag der Expertenkommission wurde der Gesetzestext weiter konkretisiert, ohne dass aber inhaltlich über deren Vorschläge hinausgegangen worden wäre. Ausserdem wurde die Regulierung variabler Vergütungen im Fall von staatlicher Beihilfe, wie vom Bundesrat am 28. April 2010 angekündigt, in die Änderung des Bankengesetzes (BankG) aufgenommen. Zur Entwicklung eines funktionierenden Schweizer Kapitalmarkts und zur Förderung der CoCos (Contingent Convertibles) in der Schweiz werden zudem, wie von der Expertenkommission angeregt, flankierende steuerliche Massnahmen vorgeschlagen.

Am 22. Dezember 2010 hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren eröffnet.

Die Vernehmlassung dauerte bis zum 23. März 2011. Der überwiegende Teil der rund 70 Vernehmlassungsteilnehmer heisst die vorgeschlagenen Massnahmen vollumfänglich oder zumindest dem Grundsatz nach gut. Es wurden jedoch Vorbehalte und Anpassungsvorschläge vorgebracht.

Aufgrund der Rückmeldungen werden u.a. in folgenden Bereichen Anpassungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf vorgenommen: Die Organisationsstruktur wird als Kriterium für die Systemrelevanz gestrichen. Bezüglich Organisation wird hervorgehoben, dass das Subsidiaritätsprinzip gilt und die FINMA erst dann in die Bankenstruktur eingreifen kann, wenn die Bank den
Nachweis nicht erbringen kann.

Bei der Vergütung wird klargestellt, dass bei systemrelevanten Banken auch bei deren Konzernobergesellschaften im Falle von Staatshilfe das Vergütungssystem beschränkt werden kann. Neu können auch Banken, die nicht als AG organisiert sind, CoCo-ähnliche Kapitalinstrumente (Anleihen mit Forderungsverzicht) als zusätzliches Gesellschaftskapital begeben. Weiter werden die Sanierungsbestimmungen so angepasst, dass eine rasche und nachhaltige Übertragung auf einen selbstständigen Rechtsträger gewährleistet ist zur Weiterführung der systemrelevanten Funktionen. Zudem soll künftig auf jährlicher Basis im «Bericht über internationale Finanz- und Steuerfragen» des EFD auch über die internationalen Entwicklun-

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gen im Bereich der Regulierung von G-SIFIs (Global systemically Important Institutions) in Bezug zur Schweizer TBTF-Lösung informiert werden.

CoCos («Contingent Convertibles») sind Schuldverschreibungen, die bei einem bestimmten Ereignis (Erreichen eines Auslösers [Trigger]) in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden. In der vorliegenden Botschaft werden ­ wo nichts anders erwähnt ­ unter dem international unterschiedlich verwendeten Begriff CoCos Pflichtwandelanleihen für Aktien oder Partizipationsscheine im Sinne des Artikel 13 E-BankG und Anleihen mit Forderungsverzicht (sogenannte «WriteOffs») im Sinne des Artikel 11 Absatz 2 E-BankG verstanden.

Da der in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Übergang vom Schuldnerzum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer in der Vernehmlassung auf gewisse ­ wenn auch nur wenige grundsätzliche ­ Widerstände gestossen ist, wird diese Massnahme aus der vorliegenden Vorlage herausgelöst. Der Bundesrat wird dem Parlament, nach eingehender Prüfung der noch offenen Fragen, bis spätestens September 2011 eine entsprechende Botschaft unter dem Arbeitstitel vorlegen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält die folgenden Elemente Kernmassnahmen: Bei der vorliegend beantragten Änderung des BankG stehen vier Kernmassnahmen im Zentrum: (1) Stärkung der Eigenmittelbasis, (2) strengere Liquiditätsanforderungen, (3) eine bessere Risikodiversifikation, die Verflechtungen innerhalb des Bankensektors verringert, und (4) organisatorische Massnahmen, die eine Weiterführung von systemrelevanten Funktionen (z.B. Zahlungsverkehr) bei drohender Insolvenz gewährleisten. Das Zusammenwirken zwischen Eigenmittelund Organisationsanforderungen muss dabei besonders eng sein: Unterschreitet die Bank eine bestimmte Eigenmittelquote (Trigger), wird grundsächlich die Notfallplanung ausgelöst, d.h. die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen sichergestellt. Gleichzeitig werden die CoCos der Bank in hartes Kernkapital (Common Equity) umgewandelt.

Wichtige Gesetzesanpassungen: Die vorgeschlagenen Änderungen im BankG (E-BankG) enthalten die Definition der Begriffe «systemrelevante Funktion» und «systemrelevante Bank». Des Weiteren werden die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken beschrieben (Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung und Organisation). Welche
Bank schliesslich als systemrelevant gilt, wird von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) durch Verfügung festgelegt. Der Bundesrat wird in einer Verordnung die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken definieren. Die systemrelevanten Banken müssen anhand eines Notfallplans nachweisen, dass im Fall drohender Insolvenz die systemrelevanten Funktionen weitergeführt werden können. Die Bank ist bei der Ausgestaltung des Planes grundsätzlich frei. Die Kriterien zur Beurteilung dieses Nachweises sowie die Massnahmen, welche die FINMA anordnen kann, wenn der Nachweis nicht erbracht wird, legt der Bundesrat ebenfalls in einer Verordnung fest. Die FINMA wird darauf gestützt die besonderen Anforderungen für das einzelne Institut verfügen, wobei auch im Bereich der Organisation das Subsidiaritätsprinzip gilt.

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Der Bundesrat wird zudem beauftragt, die variablen Vergütungssysteme im Falle einer Unterstützung einer systemrelevanten Bank durch den Bund zu beschränken.

Den Banken werden für die Umsetzung der strengeren Eigenmittelvorschriften im BankG neue Instrumente ­ Vorratskapital und Wandlungskapital ­ bereitgestellt.

Hat das harte Kernkapital (Common Equity) einen tiefen Stand erreicht und droht eine Insolvenz, so dient das gewandelte Eigenkapital der Sicherstellung von systemrelevanten Funktionen. Das zusätzlich geschaffene Gesellschaftskapital darf nur zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung im Zusammenhang mit den Eigenmittelvorschriften verwendet werden.

Die Vorlage umfasst zwei steuerliche Massnahmen. Die Emissionsabgabe auf Obligationen und Geldmarktpapieren wird generell abgeschafft. Ausserdem werden Beteiligungsrechte von der Emissionsabgabe befreit, sofern diese aus der Wandlung von CoCos stammen. Damit wird vermieden, dass systemrelevante Banken auch noch durch eine Steuer belastet werden, wenn sie sich in einer Notlage befinden.

Darüber hinaus soll die Ausnahme für die Wandlung von CoCos auch für andere Banken gelten.

Ausblick auf die separate Vorlage zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes Der Bundesrat wird dem Parlament bis spätestens September 2011 eine Botschaft unter dem Arbeitstitel «Botschaft zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes» vorlegen.

Der Übergang vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer auf Obligationen und Geldmarktpapieren soll zusammen mit der im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehenen Abschaffung der Emissionsabgabe auf diesen Wertschriften die Attraktivität für den gesamten Schweizer Kapitalmarkt und damit auch für die Begebung von Pflichtwandelanleihen erhöhen. Die Emission von CoCos in der Schweiz erhöht die Rechtssicherheit, was im Fall einer drohenden Insolvenz entscheidend für das Funktionieren des vorgeschlagenen Sicherungsdispositivs sein kann.

Die Verrechnungssteuer auf Obligationen und Geldmarktpapieren wird mit dieser neuen Regelung gezielter auf natürliche Personen im Inland ausgerichtet. Juristische Personen und institutionelle Anleger werden generell von der Steuer befreit.

Die Steuer hat weiterhin Sicherungscharakter und keine abgeltende Wirkung. Der Steuersatz bleibt unverändert bei 35 Prozent.

Durch zusätzliche
Gewinn- und Einkommenssteuereinnahmen aus der Belebung des Schweizer Kapitalmarkts und möglicherweise höhere Einnahmen aus dem Übergang zum Zahlstellenprinzip in der Verrechnungssteuer auf Bond-Zinsen können die Mindereinnahmen, welche dem Bund aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf erwachsen, teilweise kompensiert werden.

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Volkswirtschaftliche Auswirkungen In ihrer Gesamtheit bewirken die mit den Vorlagen vorgeschlagenen Massnahmen, dass die Stabilität der jeweiligen Bank, aber auch des Finanzsystems gestärkt wird.

Dadurch können massive Folgekosten schwerer Finanzkrisen für die Steuerzahlerinnen und -zahler und die ganze Volkswirtschaft vermieden werden. Einerseits steigen die Kosten für die systemrelevanten Banken, andererseits wird sich langfristig das Vertrauen der Investoren vergrössern, was auch einen Wettbewerbsvorteil für den Finanzplatz Schweiz und die betroffenen Institute darstellt.

Es ist nicht auszuschliessen, dass die betroffenen Banken versuchen, die allfällig höheren Kosten auf ihre Kundinnen und Kunden abzuwälzen. Im Extremfall kann dies kurzfristig zu einer Verringerung der Kreditvergabe führen. Allerdings sind die systemrelevanten Banken im inländischen Kreditgeschäft einem starken Wettbewerb ausgesetzt. Selbst wenn sie ihr Kreditangebot reduzieren sollten, könnte die daraus entstehende Lücke, zumindest mittelfristig, durch die übrigen Banken geschlossen werden.

Ein aufgrund der steuerlichen Massnahmen effizienter funktionierender Kapitalmarkt verbessert die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen. Die vorgeschlagenen Kernmassnahmen beseitigen die durch die faktische Staatsgarantie bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen systemrelevanten Banken und anderen Banken auf nationaler Ebene. Daraus kann eine höhere Wettbewerbsintensität resultieren. Im internationalen Vergleich stärken die Massnahmen die Bonität der Grossbanken. Dies dürfte zu tieferen Refinanzierungskosten führen.

Durch die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital entstehen langfristig Mindereinnahmen für den Bund von jährlich netto 220 Millionen Franken (d.h.

abzüglich des aufgrund der Emissionstätigkeit des Bundes anfallenden Einnahmenanteils dieser Steuer). Bei Gemeinden und Kantonen führt die Abschaffung hingegen direkt zu einer jährlichen Entlastung von rund 30 Millionen Franken. Gemeinden und Kantone profitieren daneben zusätzlich davon, dass durch die Abschaffung insbesondere auch Unternehmen entlastet werden, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Die Anpassungsreaktionen der systemrelevanten Banken ziehen weitere Mindereinnahmen infolge des Gewinn- und Wertschöpfungseffektes nach sich, die jedoch
nicht näher quantifiziert werden können.

Insgesamt zeigt die Analyse innerhalb der durchgeführten Regulierungsfolgenabschätzung, dass der langfristige Nutzen für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und die Volkswirtschaft die Kosten der Massnahmen übersteigt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge 1.1 Ausgangslage 1.2 Bericht der Expertenkommission 1.3 Vernehmlassungsvorlage 1.4 Ergebnis der Vernehmlassung 1.5 Regulierungsfolgenabschätzung 1.6 Grundzüge der vorgeschlagenen Revision 1.6.1 Massnahmenkatalog 1.6.2 Würdigung der vorgeschlagenen Massnahmen 1.6.3 Nicht weiter verfolgte Massnahmen 1.6.4 Steuerliche Massnahmen 1.6.4.1 Vorteil der Emission von CoCos in der Schweiz 1.6.4.2 Ziele der Steuerpolitik 1.6.4.3 Vorgeschlagene steuerliche Massnahmen 1.6.4.4 Evaluierte alternative steuerliche Massnahmen 1.6.4.4.1 Massnahmen beschränkt auf CoCos 1.6.4.4.2 Allgemeine Massnahmen 1.7 Rechtsvergleich und Verhältnis zum internationalen Recht 1.7.1 Regulierung von systemrelevanten Banken 1.7.2 Variable Vergütungen 1.8 Umsetzung 1.9 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

4726 4726 4728 4729 4729 4730 4731 4732 4733 4734 4735 4735 4736 4738 4739 4739 4740 4741 4741 4743 4743 4744

2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 5. Abschnitt: Systemrelevante Banken 2.1.1 Begriff (Art. 7 Abs. 1 E-BankG) 2.1.2 Zweckbestimmung (Art. 7 Abs. 2 E-BankG) 2.1.3 Kriterien und Feststellung der Systemrelevanz (Art. 8 E-BankG) 2.1.3.1 Systemrelevante Funktionen 2.1.3.2 Systemrelevante Banken 2.1.3.3 Verfügung der SNB 2.1.4 Besondere Anforderungen an systemrelevante Banken (Art. 9 E-BankG) 2.1.4.1 Grundlagen 2.1.4.2 Ausmass und Begrenzung (Art. 9 Abs. 1 E-BankG) 2.1.4.3 Eigenmittel (Art. 9 Abs. 2 Bst. a E-BankG) 2.1.4.3.1 Zweck und Grundsatz 2.1.4.3.2 Aufbau der besonderen Eigenmittelanforderungen 2.1.4.3.3 Grössenordnung der Eigenmittelanforderungen 2.1.4.4 Liquidität (Art. 9 Abs. 2 Bst. b E-BankG) 2.1.4.4.1 Zweck und Grundsatz 2.1.4.4.2 Quantitative Anforderungen 2.1.4.4.3 Qualitative Anforderungen

4744 4744 4744 4744 4745 4745 4745 4746

4722

4748 4748 4749 4750 4750 4751 4752 4753 4753 4754 4755

2.1.4.4.4 Ergänzende Anforderungen 2.1.4.5 Risikoverteilung (Art. 9 Abs. 2 Bst. c E-BankG) 2.1.4.5.1 Vorschriften für systemrelevante Banken 2.1.4.5.2 Vorschriften für alle Banken 2.1.4.6 Organisation (Art. 9 Abs. 2 Bst. d E-BankG) 2.1.4.6.1 Zweck und Grundsatz 2.1.4.6.2 Subsidiaritätsprinzip 2.1.4.7 Verhältnis zwischen den Eigenmittel-, Liquiditäts- und Risikoverteilungsanforderungen sowie den organisatorischen Anforderungen 2.1.5 Umsetzung auf die einzelne Bank (Art. 10 E-BankG) 2.1.5.1 Verfügung der besonderen Anforderungen (Art. 10 Abs. 1) 2.1.5.2 Nachweis der genügenden Organisation (Art. 10 Abs. 2) 2.1.5.2.1 Zweck, Inhalt und Beweismassstab 2.1.5.2.2 Massnahmen der FINMA 2.1.5.3 Erleichterungen bei den Eigenmittelanforderungen (Rabatte, Art. 10 Abs. 3) 2.1.5.4 Verordnungskompetenz des Bundesrates (Art. 10 Abs. 4) 2.1.6 Massnahmen im Bereich der Vergütungen (Art. 10a E-BankG) 2.1.6.1 Massnahmenpflicht bei staatlicher Beihilfe 2.1.6.2 Art der Massnahmen 2.1.6.3 Vorbehalt in Vergütungsvereinbarungen 2.1.7 Sanierungsbestimmungen 2.1.7.1 Aufschiebende Wirkung (Art. 24 Abs. 3 E-BankG) 2.1.7.2 Entschädigung (Art. 24 Abs. 4 E-BankG neu) 2.1.7.3 Koordination mit Zahlungs- und Effektenabwicklungssystemen (Art. 27 Abs. 1 E-BankG) 2.1.7.4 Ausschluss des Fusionsgesetzes (Art. 30 Abs. 3 E-BankG) 2.1.7.5 Genehmigung des Sanierungsplans (Art. 31 Abs. 1 Bst. d und Abs. 4 E-BankG neu) 2.1.7.6 Ablehnung des Sanierungsplans (Art. 31a Abs. 3 E-BankG) 2.1.7.7 Wertausgleich (Art. 31b E-BankG) 2.1.7.8 Paulianische Anfechtung (Art. 32 Abs. 2bis E-BankG neu) 2.2 6. Abschnitt: Zusätzliches Kapital 2.2.1 Allgemeines 2.2.2 Grundsätze (Art. 11 E-BankG) 2.2.2.1 Geltungsbereich 2.2.2.2 Funktionsweise und Verwendungszweck 2.2.2.3 Aufsichtsrechtliche Aspekte 2.2.3 Vorratskapital (Art. 12 E-BankG) 2.2.3.1 Kompetenzen der Generalversammlung/Inhalt der Statuten 2.2.3.2 Kapitalerhöhung durch den Verwaltungsrat 2.2.3.3 Bezugsrechtsausschluss 2.2.3.4 Verhältnis zum genehmigten Kapital

4756 4756 4756 4756 4757 4757 4757 4758 4759 4759 4759 4759 4760 4761 4762 4763 4763 4763 4764 4764 4765 4765 4766 4766 4767 4767 4767 4768 4768 4768 4769 4769 4769 4770 4771 4771 4772 4773 4773 4723

2.2.4 Wandlungskapital (Art. 13 E-BankG) 2.2.4.1 Konzept 2.2.4.2 Kompetenzen der Generalversammlung/Inhalt der Statuten 2.2.4.3 Kompetenzen des Verwaltungsrates 2.2.4.4 Ausschluss des Vorwegzeichnungsrechts 2.2.4.5 Feststellung des die Wandlung auslösenden Ereignisses durch den Verwaltungsrat 2.2.4.6 Unverzügliche Eintragung im Handelsregister 2.2.4.7 Verhältnis zum bedingten Kapital 2.3 Änderung bisherigen Rechts 2.3.1 Obligationenrecht 2.3.2 Bundesgesetz über die Stempelabgaben 2.3.3 Nationalbankgesetz 2.4 Inkrafttreten 3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden 3.1.1 Direkte steuerlichen Auswirkungen 3.1.2 Indirekte finanzielle Auswirkungen als Folge von Verhaltensanpassungen 3.1.2.1 Finanzierung des Kapitalbedarfs 3.1.2.2 Veränderte Kapitalstruktur 3.1.2.3 Wertschöpfungs- und Gewinneffekt 3.1.2.4 Vermögenseffekte 3.1.3 Zusammenfassung 3.1.4 Ausblick auf die Vorlage zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes 3.2 Personelle Auswirkungen 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Problembereiche des TBTF 3.3.2 Auswirkungen der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen 3.3.2.1 Auswirkungen auf die Krisenprävention und -reduktion 3.3.2.2 Auswirkungen auf die Kreditvergabe in der Schweiz 3.3.2.3 Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Wertschöpfung 3.3.3 Auswirkungen der Risikoverteilungs- und Organisationsvorschriften 3.3.3.1 Auswirkung der Verringerung von Interdependenzen innerhalb des Finanzsektors 3.3.3.2 Auswirkungen aus der Notfall- und Recoveryplanung 3.3.3.3 Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Wertschöpfung 3.3.4 Auswirkung der Massnahmen bei den variablen Vergütungen 3.3.4.1 Ausserhalb von Krisenzeiten 3.3.4.2 In Krisenzeiten 3.3.4.3 Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Sektoren und dem Ausland 4724

4774 4774 4774 4775 4776 4776 4777 4777 4778 4778 4778 4779 4779 4780 4780 4780 4783 4783 4783 4784 4785 4786 4787 4787 4787 4788 4789 4789 4791 4793 4794 4794 4794 4795 4797 4797 4797 4798

3.4 Gesellschaftskapital zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen 3.4.1 Vorratskapital 3.4.2 CoCos ­ Wandlungskapital und Anleihen mit Forderungsverzicht 3.4.2.1 Marktchance CoCos 3.4.2.2 Potenzielle Investoren, Wirkung auf die Risikoverteilung

4798 4798 4798 4799 4800

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

4801

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.1.1 Besondere Anforderungen für systemrelevante Banken 5.1.2 Vergütungsregelung 5.1.2.1 Die Wirtschaftsfreiheit 5.1.2.2 Überprüfung des neuen Gesetzesartikels 5.1.3 Steuerliche Massnahmen 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

4801 4801 4801 4802 4802 4803 4804 4804 4805

Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG) (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail) (Entwurf)

4807

4725

Botschaft 1

Grundzüge

1.1

Ausgangslage

Die Finanz- und Wirtschaftskrise machte 2008 staatliche Massnahmenpakete zur Stabilisierung des Finanzsystems und zur Rettung einzelner Finanzinstitute in historischen Grössenordnungen in den USA, in praktisch allen europäischen Ländern und auch in der Schweiz notwendig. Die heftigen Verwerfungen auf den globalen Finanzmärkten hatten in der Schweiz hauptsächlich die beiden stark auf dem amerikanischen Markt engagierten Grossbanken, und ganz besonders die UBS trotz ihrer über dem internationalen Durchschnitt liegenden Kapitalisierung, getroffen. Die Schieflage einer Schweizer Grossbank hat eindrücklich gezeigt, dass dadurch das Funktionieren des gesamten Finanzsystems bedroht sein kann. Damit einher geht die unmittelbare Bedrohung aller Bereiche der Realwirtschaft. Diese Gefährdung der schweizerischen Volkswirtschaft kann dabei so gross sein, dass der Staat faktisch gezwungen ist, rettend einzugreifen. So erarbeiteten 2008 der Bundesrat, die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die (damalige) Eidgenössische Bankenkommission (EBK, heute FINMA) ein Massnahmenpaket, in dessen Zentrum die Stabilisierung der UBS stand. Teil des Pakets war, dass der Bund die Eigenmittelbasis der Grossbank durch die Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von 6 Milliarden Franken verstärkte. Zudem hat der von der SNB eingerichtete StabFunds illiquide Aktiven in der Höhe von 38,7 Milliarden US-Dollars von der UBS übernommen.

Die unmittelbar zurechenbaren finanziellen Auswirkungen des staatlichen Massnahmenpakets im Jahr 2008 können zwar im Nachhinein gering sein: Der Bund hat 2009 sein Engagement an der UBS mit einem Gewinn von 1,2 Milliarden Franken veräussern können. Das Ergebnis des StabFunds wird erst mit dessen Abwicklung endgültig bezifferbar sein. Der Einsatz war jedoch mit beträchtlichen Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbunden. Ohne Massnahmen zur Reduktion des volkswirtschaftlichen Schadens könnten auch künftige Krisen staatliche Rettungspakete erfordern. Diese könnten im Extremfall sogar die finanzielle Tragfähigkeit der Schweiz übersteigen, gerade auch weil die beiden Grossbanken im Verhältnis zum BIP der Schweiz sehr grosse Unternehmen darstellen.

Über den Zeitraum 2003­2007 betrug das Verhältnis der Aktiven der UBS zum BIP der Schweiz durchschnittlich 280 Prozent, und bei der
Credit Suisse 100 Prozent1.

Damit nimmt die Schweiz in einem internationalen Vergleich mit Irland, Island, Hong Kong, Singapur und dem Vereinigten Königreich mit dem Wert der UBS den Spitzenplatz ein. Auf dem zweiten Platz folgt die isländische Kaupthing (247 %) und auf dem dritten Platz Hong Kong & Shanghai Banking Corporation (HSBC) mit einem Wert von 204 Prozent.2

1 2

Stammhausbetrachtung. Bei einer Gesamtkonzernbetrachtung würde dieses Verhältnis entsprechend bedeutend höher ausfallen.

Quelle: Moghadam, Reza und Viñals, Jose (2010). Cross-Cutting Themes in Economies with Large Banking Systems, IMF.

4726

Aus diesem Grund sind nachhaltige Massnahmen. zur Begrenzung der von Grossbanken ausgehenden systemischen Risiken erforderlich. Bereits im Dezember 2008 einigte sich die EBK mit den Grossbanken auf höhere Eigenmittelziele bis 2013 und die Einführung einer Leverage Ratio. Zudem hat sie mit den Grossbanken ein neues Liquiditätsregime vereinbart, das per 30. Juni 2010 in Kraft getreten ist. Eine angemessene Ausstattung mit Liquidität ist ­ neben Eigenkapital ­ für die Widerstandsfähigkeit von Grossbanken unabdingbar. Ebenso ist auf den 1. Januar 2011 eine Revision der Eigenmittelverordnung vom 29. September 20063 (ERV) in Kraft getreten, mit der die ersten aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise verschärften Vorschriften des Basler Ausschusses zur Eigenmittelunterlegung und die wichtigsten verbesserten Standards der EU zur Risikoverteilung umgesetzt wurden.

Der Staat kann und wird ein Institut im Krisenfall nicht untergehen lassen, wenn die Weiterführung systemrelevanter Funktionen nicht gesichert ist: Das Institut ist «too big to fail» (TBTF; wörtlich: zu gross, um zu scheitern) und geniesst somit eine implizite Staatsgarantie, die Fehlanreize (Moral Hazard) begünstigt. Ebenso ist diese Staatsgarantie aus ökonomischer Sicht mit einer Subvention vergleichbar, die wettbewerbsverzerrend ist und volkswirtschaftliche Kosten verursacht. Und letztlich behindert die implizite Staatsgarantie den wohlstandsfördernden Strukturwandel, da schlecht geführte systemrelevante Unternehmen nicht aus dem Markt ausscheiden müssen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat offengelegt, dass international zahlreiche Banken als TBTF einzustufen sind. So haben im Verlaufe der Krise mehr als zwei Drittel der 100 weltweit grössten Banken staatliche Unterstützung erhalten.

Wenn der Staat ein Unternehmen als TBTF einstuft und daher bei eingetretener oder drohender Insolvenz zwangsläufig unterstützen muss, wird ein zentraler Sanktionsmechanismus des Marktes ausgehebelt. Dies schafft Anreize für einen sorglosen Umgang mit Risiken durch Investoren und Entscheidungsträger in Finanzinstitutionen. Die staatlichen Stützungsmassnahmen hatten vielerorts erhebliche, teilweise dramatische Konsequenzen für den Staatshaushalt und werden den fiskalischen Spielraum einiger Staaten auf Jahre begrenzen. Allein das Wissen um eine potenzielle
Stützung einzelner Institute durch den Staat kann zu Marktverzerrungen und ineffizientem Ressourceneinsatz führen.

Der Bundesrat setzte am 4. November 2009 eine Expertenkommission ein, die Massnahmen zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen erarbeiten sollte. Anlass war unter anderem ein parlamentarischer Auftrag durch die Motion der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei «Verhinderung von untragbaren Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft» (08.3649) vom 3. Oktober 2008. Die Expertenkommission wurde beauftragt, bis zum Herbst 2010 einen Bericht zu erstellen, der vor allem aufzeigt, wie die von Grossunternehmen ausgehenden Risiken für den Steuerzahler und die Volkswirtschaft verkleinert werden können. Dabei sei Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsaspekten gebührend Rechnung zu tragen. Zudem sollten mögliche Ansatzpunkte und Handlungsprioritäten dargelegt werden.

3

SR 952.03

4727

1.2

Bericht der Expertenkommission

Ein Zwischenbericht mit vorläufigen Ergebnissen wurde dem Bundesrat am 22. April 2010 präsentiert. Der Bundesrat unterstützte in einer öffentlichen Stellungnahme die Stossrichtung des Zwischenberichts und unterstrich die Bedeutung der darin dargestellten Massnahmen. Der Schlussbericht wurde am 30. September 2010 dem Bundesrat übermittelt. An seiner Sitzung vom 13. Oktober beschloss der Bundesrat, die Stossrichtung der Massnahmen, wie sie im Bericht unter «Policy Mix» dargestellt sind, zu unterstützen und gestützt auf den Bericht der Expertenkommission eine Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung der Stossrichtung gemäss dieses «Policy Mix» zu erarbeiten. Weiter sollten Möglichkeiten geprüft werden, welche steuerlichen Massnahmen geeignet sind, die Rahmenbedingungen für den schweizerischen Bondmarkt und insbesondere für CoCos4 zu verbessern.

Der umfangreiche Bericht der Expertenkommission sieht ein Massnahmenpaket zur Begrenzung der TBTF-Risiken systemrelevanter Banken für die schweizerische Volkswirtschaft vor. Im Zentrum stehen einerseits verschärfte Eigenmittelanforderungen, flankiert durch neue Kapitalinstrumente, und andererseits organisatorische Massnahmen, die auch im Krisenfall unverzichtbare Dienstleistungen im Zahlungsverkehr, im Einlagen- und im Kreditgeschäft sicherstellen. Ergänzt werden sie durch strengere Liquiditätsvorschriften und eine Begrenzung der Verflechtungen und Klumpenrisiken im Finanzsektor.

Die vorgeschlagenen Anforderungen an die beiden als systemrelevant bezeichneten Grossbanken Credit Suisse und UBS übertreffen die heute geltenden Standards deutlich. Sie sind mit den neuen internationalen Anforderungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel III) und den Empfehlungen des Financial Stability Board (FSB) kompatibel und gehen heute darüber hinaus. So schlägt die Expertenkommission Eigenmittel für systemrelevante Schweizer Banken vor, die in ihrer Summe die Höhe der künftigen Anforderungen gemäss Basel III übertreffen (vgl. folgende Grafik und Ziff. 2.1.4.3.2).

4

CoCos sind Schuldverschreibungen, die bei einem bestimmten Ereignis (Erreichen eines Auslösers (Trigger)) in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden. In der vorliegenden Botschaft werden ­ wo nichts anders erwähnt ­ unter dem international unterschiedlich verwendeten Begriff CoCos (Contingent Convertibles) Pflichtwandelanleihen für Aktien oder Partizipationsscheine im Sinne des Art. 13 E-BankG und Anleihen mit Forderungsverzicht (sogenannte Write-Offs) im Sinne des Art. 11 Abs. 2 E-BankG verstanden.

4728

1.3

Vernehmlassungsvorlage

Die in der Folge ausgearbeitete Vernehmlassungsvorlage konkretisiert die Vorschläge der Expertenkommission auf Gesetzesstufe. Ausserdem wurde die Regulierung variabler Vergütungen im Fall von staatlicher Beihilfe, wie vom Bundesrat am 28. April 2010 angekündigt, in die Änderung des Bankengesetzes vom 8. November 19345 (BankG) aufgenommen. Zur Entwicklung eines funktionierenden Schweizer Kapitalmarkts und zur Förderung der Ausgabe von bedingten Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertible Bonds, CoCos) in der Schweiz werden zudem, wie von der Expertenkommissionen angeregt, flankierende steuerliche Massnahmen vorgeschlagen. Die Vernehmlassung dauerte vom 22. Dezember 2010 bis zum 23. März 2011.

1.4

Ergebnis der Vernehmlassung

Das EFD hat die Vernehmlassung durchgeführt und rund 70 Stellungnahmen erhalten. Der überwiegende Teil der Vernehmlassungsteilnehmenden heisst die vorgeschlagenen bankengesetzlichen Massnahmen für systemrelevante Banken vollumfänglich oder zumindest dem Grundsatz nach gut. Dies gilt insbesondere auch für die verschärften Eigenmittelanforderungen. Nur eine Minderheit steht der Vorlage ablehnend gegenüber.

Die Befürworter haben jedoch Vorbehalte und Anpassungsvorschläge vorgebracht.

Zum einen sprechen sie sich für eine detailliertere Regelung der vorgeschlagenen Massnahmen auf Gesetzesstufe aus. Sie stehen dabei vor allem dem in der Vorlage, der FINMA eingeräumten Ermessen kritisch gegenüber. Zum anderen stossen sich 5

SR 952.0

4729

einige Vernehmlassungsteilnehmende an den vorgeschlagenen Massnahmen für die Organisation. Sie bemängeln, dass die vorgesehenen Regelungen zu weit in die Organisationsautonomie systemrelevanter Banken eingreifen würden, was eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips darstelle. In diesem Zusammenhang werden auch zahlreiche gesetzliche Anpassungen, wie z. B. die Einschränkung der Gläubigeranfechtung, vorgeschlagen.

Hauptargument der Gegner bilden die vermeintlich grossen Abweichungen der Vorlage vom Bericht der Expertenkommission. Sie lehnen die Kompetenz der FINMA, in die Organisation der Banken einzugreifen, als zu weit gehend ab. Ausserdem wird zum Teil kritisiert, dass die Auswirkungen der vorgeschlagenen Massnahmen auf die Schweizer Volkswirtschaft nicht ausreichend beleuchtet worden seien.

In Bezug auf die vorgeschlagenen flankierenden steuerlichen Massnahmen fielen die Stellungnahmen unterschiedlich aus. Die generelle Abschaffung der Emissionsabgaben auf Fremdkapital wird mehrheitlich gutgeheissen. Zum Teil wurde gefordert, die für systemrelevante Banken vorgeschlagene Ausnahmeregelung bei der Emissionsabgabe auf Beteiligungsrechten auszudehnen, wobei verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende die generelle Abschaffung der Emissionsabgabe vorgeschlagen haben. Dem Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer steht ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden differenzierter gegenüber, insbesondere bezüglich der Frist für die technische Umstellung und gewisser Detailregelungen. Namentlich wurde die vorgesehene Adressmethode kritisiert und mit der Domizilerklärung (Affidavit) ein alternatives Verfahren vorgeschlagen.

Daher wird eine von der vorliegenden Vorlage getrennte Behandlung der Änderungen im Bereich der Verrechnungssteuer bevorzugt.

Ganz allgemein verlangen schliesslich verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende eine Verlängerung der Frist vor allem für die Umsetzung der steuerrechtlichen Massnahmen im Bereich der Verrechnungssteuer.

1.5

Regulierungsfolgenabschätzung

Die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) wurde durch die Richtlinien des Bundesrates für die Darstellung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Vorlagen des Bundes vom 15. September 1999 eingeführt. Die RFA ist somit ein Instrument zur Verbesserung der Rechtssetzung, indem es die Rechtstexte vor ihrer Verabschiedung einer Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen unterzieht.

Der Bundesrat hat 2006 entschieden, dass wichtige Rechtssetzungsprojekte einer gemeinsamen, vertieften RFA der federführenden Ämter und des SECO unterzogen werden sollen. Die Änderung des Bankengesetzes hinsichtlich der TBTF-Problematik ist ein solches Projekt. Deshalb wurde eine RFA vom Bundesrat in die Jahresziele 2011 aufgenommen. Die RFA wurde durch das SIF und das SECO koordiniert und in Zusammenarbeit mit der ESTV, der EFV sowie der SNB und der FINMA erstellt. Die Analyse berücksichtigt ebenfalls die Ergebnisse der Vernehmlassung.

Die Analyse zeigt, dass die Massnahmen der TBTF-Vorlage geeignet sind, um massive Folgekosten schwerer Finanzkrisen für die ganze Volkswirtschaft zu vermindern. Der Wettbewerb sorgt insgesamt dafür, dass zumindest mittelfristig nicht mit einer Verringerung der Kreditvergabe zu rechnen ist. Durch die steuerlichen 4730

Massnahmen wird der Aufbau eines CoCos-Marktes in der Schweiz erleichtert. Dies ist für die Rechtssicherheit in Krisenzeiten wichtig. Ein attraktiverer Kapitalmarkt wirkt zudem allfälligen negativen Folgen auf die Unternehmensfinanzierung durch die TBTF-Massnahmen entgegen. Allenfalls geringeren Gewinn- und Renditepotenzialen der systemrelevanten Banken stehen besser funktionierende Märkte und ein grösseres Vertrauen der Kunden und Investoren gegenüber. Die Analyse geht davon aus, dass der langfristige Nutzen für die Volkswirtschaft die Kosten der Massnahmen übersteigt.

1.6

Grundzüge der vorgeschlagenen Revision

Die beantragte Änderung des Bankengesetzes und des Obligationenrechts zielt auf die Umsetzung der im Bericht genannten Kernmassnahmen ab:6 Im Bereich der Eigenmittel wird ein umfassendes Konzept präsentiert und konkretisiert. Kern bilden drei Eigenmittel-Komponenten, die eine signifikante Stärkung der Haftungsbasis systemrelevanter Banken beinhalten: Die Basisanforderung ist zur Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen für die normale Geschäftstätigkeit mindestens zu erfüllen. Der Eigenmittelpuffer erlaubt es den Banken, Verluste zu absorbieren, ohne dass die Basisanforderung unterschritten wird und die normale Geschäftstätigkeit eingestellt werden muss. Die progressive Komponente schliesslich sorgt dafür, dass Banken mit zunehmender Systemrelevanz eine stärkere Kapitalisierung haben. Sie schafft dadurch den finanziellen Spielraum für die Bewältigung einer Krise durch die Umsetzung der vorbereiteten Notfallplanung. Das Konzept gilt sowohl für die risikogewichtete Eigenmittelquote als auch für das minimale Verhältnis der Eigenmittel zur Bilanzsumme (sog. Leverage Ratio). Die Banken erhalten zudem Anreize, durch Anpassung des Risikos diese Anforderungen zu reduzieren.

Die Liquiditätsanforderungen stellen sicher, dass die systemrelevanten Banken auch im Krisenfall während eines angemessenen Zeitraums über ausreichend Liquidität verfügen, bis Massnahmen zur Weiterführung von systemrelevanten Bankenfunktionen zum Tragen kommen können.

Die Massnahmen im Bereich der Risikoverteilung haben in erster Linie das Ziel, die Verflechtung innerhalb des Bankensektors zu verringern und somit die Abhängigkeit anderer Banken von systemrelevanten Banken zu reduzieren.

Organisatorische Massnahmen sollen die Weiterführung systemrelevanter Funktionen (insbesondere den Zahlungsverkehr, das Einlagen- und das Kreditgeschäft) im Falle einer drohenden Insolvenz einer systemrelevanten Bank sicherstellen. Da es sich dabei um erhebliche Beschränkungen der Wirtschaftsfreiheit und der Eigentumsgarantie handelt, soll das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung kommen. Es ist Aufgabe der jeweiligen systemrelevanten Bank, sich so zu organisieren, dass die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen gewährleistet ist. Der Bundesrat wird in einer Verordnung die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken definierten. Die systemrelevanten Banken müssen anhand eines Notfallplans nachweisen, dass im Fall drohender Insolvenz die systemrelevanten Funktionen weiter6

Vgl. Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen vom 30. September 2010 (nachfolgend «Expertenbericht»), Kapitel 3 «Massnahmen», S. 21 ff.

4731

geführt werden können. Die Bank ist bei der Ausgestaltung des Planes grundsätzlich frei. Die Kriterien zur Beurteilung dieses Nachweises sowie die Massnahmen, welche die FINMA anordnen kann, wenn der Nachweis nicht erbracht wird, legt der Bundesrat ebenfalls in einer Verordnung fest. Desweitern sollen Anreize für eine allgemein verbesserte globale Sanierungs- und Abwicklungsfähigkeit der Banken in Form von Rabatten gesetzt werden.

Weiter werden unter dem 6. Abschnitt des Bankengesetzes «Zusätzliches Kapital», «Vorratskapital» und «Wandlungskapital» sowie gemeinsame Bestimmungen geregelt.

Neben den vier Kernmassnahmen werden flankierende Massnahmen vorgeschlagen.

So sieht die Vorlage die Regulierung der variablen Vergütung im Falle von Staatshilfe, Anpassungen bei der Abwicklung im Sanierungsverfahren sowie steuerliche Massnahmen zur Entwicklung eines Schweizer Kapitalmarktes für Obligationen und insbesondere CoCos vor.

1.6.1

Massnahmenkatalog

Aufgrund der Vielschichtigkeit der TBTF-Problematik hätten Vorschläge für Massnahmen in nur einem Bereich nicht genügt. Die Gesetzesvorlage enthält deshalb einen ganzen Katalog von Massnahmen, die sich gegenseitig ergänzen. Das Zusammenwirken der Massnahmen betreffend Eigenmittel und Organisation spielt eine zentrale Rolle: Unterschreitet die Bank eine bestimmte Eigenmittelquote, wird grundsätzlich die Notfallplanung ausgelöst, welche die systemrelevanten Funktionen sicherstellen soll. Gleichzeitig werden die CoCos gewandelt, welche im Rahmen der progressiven Komponente grundsätzlich zu halten sind. Damit wird sichergestellt, dass die Umsetzung der Notfallplanung unter ausreichender Eigenkapitalausstattung erfolgen kann. Übertrifft eine Bank die an sie gestellten organisatorischen Mindestanforderungen und verbessert sich somit ihre Sanier- bzw. Abwicklungsfähigkeit, so wird dies durch Rabatte auf der progressiven Eigenmittelkomponente honoriert.

Die Summe dieser Massnahmen soll die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Intervention, wie sie 2008 aufgrund der letzten Finanzkrise notwendig war, wesentlich minimieren.

Falls trotz aller TBTF-Massnahmen eine staatliche Unterstützung der systemrelevanten Banken notwendig sein sollte, sind des Weiteren Massnahmen im Bereich der variablen Vergütung vorgesehen. Mit diesen Bestimmungen wird der Staat eine Kontrolle über die variablen Vergütungen im Falle einer staatlichen Stützung erhalten. Die vorgeschlagenen Massnahmen können bis zur Streichung von variablen Vergütungen gehen. Sie sind während der gesamten Zeitspanne, während der die Staatshilfe gewährt wird, aufrecht zu erhalten.

Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass im Falle von staatlicher Unterstützung den anzuordnenden Massnahmen nicht vertragliche Rechtsansprüche der vergütungsberechtigten Mitarbeitenden der Bank entgegenstehen und die ausbezahlten Bundesmittel letztlich gar zur Auszahlung variabler Vergütungen verwendet werden können. Dazu ist es unerlässlich, dass systemrelevante Banken ihre Vergütungsvereinbarungen mit einem Vorbehalt versehen: Wird staatliche Unterstützung im Sinne der vorgeschlagenen Gesetzesbestimmung gewährt, muss der Bundesrat in Rechtsansprüche auf variable Vergütungen eingreifen können.

4732

1.6.2

Würdigung der vorgeschlagenen Massnahmen

Die Massnahmen wurden einzeln sowie als Ganzes anhand bestimmter Auswahlkriterien gewürdigt. Die Kriterien sollen zum einen sicherstellen, dass die angestrebten Ziele erreicht werden können; zum andern tragen sie dazu bei zu vermeiden, dass die neue Regelung unerwünschte Auswirkungen zeitigt. Folgende Kriterien wurden berücksichtigt: (a) Risikoverringerung, (b) erleichterte Abwicklung und erleichterte Umstrukturierung systemrelevanter Banken, (c) einwandfreie Funktionsfähigkeit und Effizienz des Finanzsystems, (d) Wettbewerbsneutralität, (e) Einfachheit und (f) nicht-fiskalische Zielsetzungen7.

Die vorgeschlagenen Massnahmen erfüllen die definierten Kriterien weitgehend. Die Erhöhung der Eigenmittel verringert das Insolvenzrisiko der Banken und damit auch die Systemrisiken. Ausserdem wirkt sich die an die systemrelevanten Banken erhobene Forderung, ihre Eigenmittel zur Sicherung ihrer Geschäftstätigkeit zu erhöhen, gleichzeitig dämpfend auf ihre Risikobereitschaft aus.

Die Erhöhung der Eigenmittel wirkt zudem stabilisierend und trägt zur Bewältigung exogener Krisenperioden bei. Die CoCos dienen der Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für systemrelevante Banken, mit denen diese ihre Kapitalbasis stärken und das Krisenmanagement verbessern können.

Die vorgesehene Erhöhung der Eigenmittel und das vorhandene Wandlungskapital spielen auch für die Funktionsfähigkeit und die Effizienz des Finanzsystems eine wichtige Rolle. Diese Massnahmen helfen mit, die Wettbewerbsneutralität wiederherzustellen, indem sie die Verzerrungen korrigieren, die sich aus der systemischen Bedeutung der Grossbanken ergeben; sie tragen ferner dazu bei, die vom heutigen System ausgehenden Fehlanreize für systemrelevante Banken (Moral Hazard) zu minimieren.

Die Massnahmen zur Risikoverteilung haben einen direkten Zusammenhang mit der Risikominderung. Die in der neuen Regelung enthaltenen Bestimmungen streben eine Reduktion der Forderungskonzentration der systemrelevanten Banken gegenüber einer einzelnen Gegenpartei sowie eine Verringerung der gesamten Systemrisiken sowie der operativen Abhängigkeiten zwischen den systemrelevanten und den übrigen Banken an. Mit dem Abbau der operationellen Verbindungen sowie des Forderungsniveaus gegenüber den systemrelevanten Banken nimmt auch die Risikokonzentration ab, und das systemische
Risiko sinkt. Sollten die systemrelevanten Banken eines Tages in Schwierigkeiten geraten, kann das System besser reagieren und weiterfunktionieren. Auch die übrigen Kriterien sind erfüllt (bzw. die Verbesserungsmassnahmen im Bereich Risikoverteilung betreffen sie nicht direkt).

Die organisatorischen Massnahmen sollen die Weiterführung systemrelevanter Funktionen in einer Krisensituation sicherstellen. Ebenso wichtig sind sie aber auch, wenn es darum geht, das Kriterium der Risikominderung zu erfüllen, weil sie zu einer besseren Risikoverteilung zwischen Aktionären, Gläubigern und Bankverantwortlichen beitragen, indem sie die Zwangssanierung und die geordnete Abwicklung systemrelevanter Banken ermöglichen.

7

Vgl. Expertenbericht, Kapitel «Kriterien zur Auswahl geeigneter Massnahmen», S. 23 ff.

4733

Generell erfüllen die vorgeschlagenen Massnahmen die vorgegebenen Kriterien. Die Massnahmen sind geeignet, um die Risiken zu mindern, die Krisenbewältigung zu verbessern und die Weiterführung der systemrelevanten Bankdienstleistungen sicherzustellen. Sie sind generell in der Lage, das Funktionieren und die Effizienz des Systems sowie dessen Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten, ohne jedoch spürbare steuerliche Auswirkungen zu haben.

1.6.3

Nicht weiter verfolgte Massnahmen

Einige andere, auf internationaler Ebene diskutierte Massnahmen werden nicht weiter verfolgt, weil man sich von ihnen keine Risikominderung verspricht, da sie im Hinblick auf die angestrebten Ziele unangemessene oder zu starke Anreize enthalten, oder weil sie durch andere, für die betroffenen Banken weniger einschneidende Massnahmen ersetzt werden könnten.

Bestimmungen zur Zerschlagung der Grossbanken oder eine explizite Beschränkung ihrer Grösse wurden als unverhältnismässig und hinsichtlich der Reduktion des Bedrohungspotenzials und der Erleichterung der Abwicklung als nicht zielgerecht erachtet.

Verworfen werden ausserdem Massnahmen zur direkten Einschränkung des Geschäftsmodells, mit denen die Kompetenzen der Banken beschnitten würden, z.B.

das Verbot des Eigengeschäfts oder die Trennung zwischen Geschäften auf eigene Rechnung und Depotgeschäften. Nicht nur ist die Definition des Begriffs Eigenhandel kompliziert; zudem könnte auch eine Verlagerung dieser Tätigkeiten in einen weniger regulierten Sektor nicht ausgeschlossen werden, was zur Folge hätte, dass das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert würde.

Auf Massnahmen im Bereich der Steuern und der Versicherungen, die auf eine ausgewogene Verteilung der Kosten einer Finanzmarktkrise zielen (Transaktionssteuern, direkte Bankenabgaben und eine Finanzaktivitätssteuer) wird ebenfalls verzichtet. Mit solchen Massnahmen sollte im Idealfall die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Krisen verringert und verhindert werden, dass die Kosten einer allfälligen Krise auf die Staaten überwälzt werden. Es besteht jedoch das Risiko, dass die Versicherungswirkung eines Stabilitätsfonds den Moral Hazard verstärkt und weitere Abgaben zu einer Verteuerung der Bankleistungen führen. Eine Risikolenkung durch zusätzliche Abgabenbelastungen der Banken würde zudem dem Aufbau höherer Eigenmittelreserven aus Gewinnen im Hinblick auf die zukünftige Stabilität der Institute zuwiderlaufen.

Schliesslich wird auch auf Massnahmen verzichtet, die eine Risikoaufteilung zwischen zwei oder mehreren Staaten vorsehen, sowie auf die Errichtung eines Doppelsitzes für systemrelevante Unternehmen, da für diese Lösungen derzeit kein internationaler Konsens besteht.

4734

1.6.4

Steuerliche Massnahmen

1.6.4.1

Vorteil der Emission von CoCos in der Schweiz

Im Rahmen der besonderen Anforderungen für systemrelevante Banken stellen CoCos ein wesentliches Element zur Stärkung der Eigenmittel dar. Es wird zwischen zwei Arten von CoCos unterschieden. Auf der einen Seite dienen CoCos mit einer Wandlungsschwelle (Trigger) von 7 Prozent der risikogewichteten Aktiven (RWA) als erweiterter Kapitalpuffer. Demgegenüber sollen CoCos mit einem Trigger von 5 Prozent der RWA im Fall drohender Insolvenz die benötigte Kapitalreserve sicherstellen, welche zur Finanzierung der Weiterführung systemrelevanter Funktionen und zur geordneten Abwicklung der Restbank benötigt wird. Diese sogenannte progressive Kapitalkomponente macht auf Basis der aktuellen Systemrelevanz der beiden Grossbanken je eine Grössenordnung von 24 Milliarden Franken aus.

Die Emission der CoCos sollte idealerweise aus einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz unter Schweizer Recht und mit Schweizer Gerichtsstand erfolgen. Werden diese CoCos nicht unter schweizerischem Recht ausgegeben,8 sondern z.B. unter US-amerikanischem oder englischem Recht, können (Rechts-)Unsicherheiten entstehen, welche die Wirksamkeit des CoCos-Konzepts im Ernstfall in Frage stellen.

Die zumeist amerikanischen oder englischen Gläubiger würden möglicherweise erfolgreich Verfahren anstrengen, um die Gültigkeit der Wandlung anzufechten oder die Ungleichbehandlung oder gar Diskriminierung ausländischer Gläubiger zu behaupten. Solche Verfahren würden unter Anwendung von US- oder englischem Recht nicht in der Schweiz, sondern ­ je nach dem vereinbarten Gerichtsstand ­ in New York oder London stattfinden. Nicht nur weichen die dortigen Rechtssysteme, gerade auch was den Schutz der Gläubiger in Insolvenzsituationen betrifft, vom schweizerischen Recht zum Teil erheblich ab.9 Weit entscheidender noch kann in der Krisensituation der Zeitverlust sein, den die Einleitung eines Verfahrens mit sich bringt. Eine rasch sich verschlechternde Kapital- und Liquiditätssituation einer Bank kann einen Handlungszwang entstehen lassen, der Zuwarten nicht zulässt (vergleiche dazu auch Ziff. 2.2.2.3) Deshalb sollte die Emission von solchen CoCos in der Schweiz erfolgen. Allerdings würden die heutigen suboptimalen steuerlichen Rahmenbedingungen dem entgegenstehen. Aus diesem Grund sieht die Vorlage auch Massnahmen im Bereich des Steuerrechts vor
(vgl. nachfolgende Kapitel).

Neben der Verringerung von Rechtsrisiken, die sich mit einer CoCos-Emission unter schweizerischem Recht in der Schweiz erzielen lässt, gibt es auch wirtschaftliche Gründe, die für eine Ausgabe in der Schweiz sprechen. Sodann ist es aus Sicht der Finanzstabilität wünschenswert, wenn die Banken CoCos auch in der Schweiz emittieren.

8 9

Die Ausgabe ausserhalb der Schweiz schliesst die Unterstellung unter schweizerisches Recht nahezu sicher aus.

Anfechtungsrisiken können auch bestehen, wenn ein CoCo in der Schweiz nach schweizerischem Recht ausgegeben wird. Die Wahrscheinlichkeit der Anfechtung dürfte allerdings weit geringer sein als im Fall einer Ausgabe unter ausländischem Recht. Sodann kommt ein Recht zur Anwendung, mit dem Behörden und Parteien vertraut sind.

4735

1.6.4.2

Ziele der Steuerpolitik

Im Vordergrund mit der TBTF-Problematik steht das Regulierungsziel, d.h. die Durchsetzung der Regulierungsanforderung, um systemische Risiken bei Banken zu vermeiden. Neben diesem Regulierungsziel sind in der nachfolgenden Tabelle Ziele der Steuerpolitik, soweit sie mit der TBTF-Problematik verbunden sind, festgelegt und näher umschrieben. Ausserdem werden die Voraussetzungen genannt, die eine maximale Zielerreichung ermöglichen.

Ziel

Zielumschreibung

Voraussetzungen für maximale Zielerreichung

1

Regulierungsziel Durchsetzung der Regulie- ­ Limitierung von volkswirtschaftlichen rungsanforderung zur Risiken mittels erhöhter EigenmittelanVermeidung systemischer forderungen und CoCos.

Risiken durch die FINMA ­ Emission der CoCos in der Schweiz, um die Effektivität des Instrumentes im Krisenfall bestmöglich sicherzustellen.

2

Fiskalziel

3

Gerechtigkeits- Allgemeinheit und Gleich- ­ Wirksame Sicherungs- oder Abgeltungsziel mässigkeit der Besteuesteuer auf Einkommen aus beweglichem rung sowie Besteuerung Vermögen für natürliche Personen (und nach der wirtschaftlichen Umgehungsstrukturen).

Leistungsfähigkeit durch Sicherungsmassnahmen gegen Steuerhinterziehung gewährleisten

4

Standortziel

Günstige Rahmenbedin­ Regulatorisch oder steuerlich bedingte gungen für den Finanzplatz Wettbewerbsnachteile für Schweizer systemrelevanten Banken vermeiden.

­ Attraktive steuerliche Rahmenbedingungen für den Schweizer Bondmarkt schaffen.

5

Effizienzziel

Niedrige Vollzugskosten der Besteuerung

Steuerertrag erhalten

­ Beibehaltung Stempelabgaben im bisherigen Umfang oder aufkommensneutraler Ersatz durch andere Steuern.

­ Möglichst niedrige Entrichtungskosten für die steuerpflichtigen Personen.

­ Möglichst niedrige Erhebungskosten für den Fiskus.

­ Auf die Phase der CoCo-Emissionen abgestimmtes Inkrafttreten der steuerlichen Begleitmassnahmen.

Die einzelnen Ziele stehen zum Teil in Konflikt zueinander, so dass Güterabwägungen zwischen den einzelnen Zielen vorgenommen werden müssen.

Das geltende Recht verfehlt diese Ziele in verschiedener Hinsicht und weist namentlich drei gewichtige Nachteile auf: Es ­

behindert die Entwicklung des Schweizer Bondmarktes;

­

beeinträchtigt die Konzernfinanzierung in der Schweiz;

­

kann nicht verhindern, dass die Verrechnungssteuer ihren Sicherungszweck nur teilweise erreicht.

4736

Aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen ist der Schweizer Kapitalmarkt für Obligationen und Geldmarktpapiere wenig attraktiv. Dies ist auf die folgenden steuerlichen Faktoren zurückzuführen: 1.

Die Emissionsabgabe auf Obligationen und Geldmarktpapieren verteuert die Emission, d.h. die Primärmarkttransaktion.

2.

Die Verrechnungssteuer bewirkt, dass internationale Anleger Obligationen und Geldmarktpapiere, welche dieser Steuer unterliegen, in ihrem Portfolio gar nicht berücksichtigen, selbst wenn sie aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) die Verrechnungssteuer zurückfordern können. Abschreckend sind hier nicht nur der Liquiditätsentzug und die entgangene Verzinsung bis zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer, hinreichend ist oft allein schon der administrative Aufwand.

3.

Die Umsatzabgabe auf Obligationen bewirkt, dass inländische Obligationen heute kaum gehandelt werden.10 Dadurch ist der Sekundärmarkt wenig liquid. Liquide Sekundärmärkte sind aber eine Voraussetzung für attraktive Primärkapitalmärkte.

Die Finanzierung der internationalen Wirtschaft erfolgt derzeit weitgehend ohne Belastung mit Quellensteuern. Auch die Schweizer Konzerne finanzieren ihre Auslandtätigkeiten heute weitgehend über Off-Shore-Länder. Die aktuellen steuerlichen Rahmenbedingungen bewirken, dass börsenkotierte Schweizer Konzerne in der Regel Fremdkapital mittels Emission von Obligationen im Ausland durch eine im Ausland ansässige Konzerngesellschaft beschaffen. Durch dieses Vorgehen können grundsätzlich die Verrechnungssteuer- und die Emissionsabgabepflicht vermieden werden. Um Strukturen zur Steuerumgehung zu verhindern, gelten solche Anleihen gemäss Praxis11 der Eidgenössischen Steuerverwaltung indessen unter Umständen als Schweizer Anleihen. In diesem Sinn ist die Emissionsabgabe geschuldet, und die Zinsen unterliegen der Verrechnungssteuer, wenn:

10

11

­

die inländische Muttergesellschaft der ausländischen Emittentin die Anleihe garantiert und zudem die durch die Obligation aufgenommenen Fremdmittel in die Schweiz fliessen, oder

­

die inländische Muttergesellschaft ein so genanntes «keep-well-Agreement» für die Emittentin der Anleihe abgegeben hat und längerfristig (d.h. länger als ein Jahr) mehr als 10 Prozent der extern beschafften Mittel in die Schweiz fliessen. Verwendet die inländische Muttergesellschaft die mit eigener Garantie im Ausland erworbenen Mittel selber z.B. für den Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft, so stellt auch dies einen Mittelfluss in die und eine Verwendung in der Schweizer Gesellschaft dar. Kurzfristige Mittelflüsse (d.h. weniger als ein Jahr) in die Schweiz von bis zu 30 Prozent werden grundsätzlich toleriert.

Geldmarktpapiere sind von der Umsatzabgabe ausgenommen (Art. 14 Bst. g StG). Ebenfalls ausgenommen sind die Vermittlung oder der Kauf und Verkauf von ausländischen Obligationen, soweit der Käufer oder der Verkäufer eine ausländische Vertragspartei ist (Art. 14 Bst. h StG).

Vgl. Zirkular Nr. 6746 der Schweizerischen Bankiervereinigung betreffend Anleihen ausländischer Tochtergesellschaften mit Garantie der schweizerischen Muttergesellschaft vom 29. Juni 1993.

4737

Das Verbot der Mittelverwendung in der Schweiz schränkt die konzernexterne Finanzierung ein. Die konzerninterne Finanzierung ist von der Emissionsabgabe und der Verrechnungssteuer befreit, sofern ein schweizerischer Konzern nicht für eine Anleihe garantiert, welche von einer ausländischen Konzerngesellschaft ausgeben worden ist (Art. 14a Verordnung zum VStG). Durch diese Einschränkung wird verhindert, dass verrechnungssteuerpflichtige mit verrechnungssteuerfreien konzerninternen Zinszahlungen vermischt werden.

Inländische Emissionen werden in erster Linie von der öffentlichen Hand und einigen Unternehmen getätigt, die die aufgenommenen Mittel zwingend im Inland verwenden wollen. Aufgrund der steuerlichen Regelungen findet das Emissionsgeschäft mit Anleihen also weitgehend im Ausland statt. Die Einschränkung bei der konzerninternen Finanzierung verhindert in der Regel, dass das Cash Pooling schweizerischer Konzerne, d.h. der konzerninterne Liquiditätsausgleich durch ein zentrales Finanzmanagement, in der Schweiz zentralisiert werden kann.

Während die Verrechnungssteuer ihre Sicherungsfunktion bei Zinsen auf inländischen Bankguthaben und inländischen Dividenden wirksam erfüllt, greift sie bei Zinsen auf Obligationen und Geldmarktpapieren, die von Schweizer Konzernen ausgegeben werden, kaum. Da die konzernexterne Finanzierung mit Anleihen weitgehend über ausländische Konzerngesellschaften im Ausland erfolgt, ist der Schuldner kein Inländer, so dass die Zinsen auf diesen Anleihen von der geltenden Verrechnungssteuer nicht erfasst werden. Bei solchen Obligationen besteht heute keine Sicherungsfunktion durch die Verrechnungssteuer. Dadurch gehen der Schweiz Steuereinnahmen verloren.

Das Regulierungsziel spricht dafür, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die inländischen systemrelevanten Banken CoCos ohne Wettbewerbsnachteil aus der Schweiz heraus emittieren können. Dabei können die steuerlichen Massnahmen eng gefasst werden, so dass sie sich auf die CoCos beschränken, oder aber breiter ausgestaltet werden. Im zweiten Fall betreffen sie die Obligationen und Geldmarktpapiere oder sogar das gesamte bewegliche Vermögen und tragen zur Lösung der geschilderten Probleme des geltenden Steuerrechts bei.

1.6.4.3

Vorgeschlagene steuerliche Massnahmen

Konkret werden zwei steuerliche Massnahmen vorgeschlagen: ­

Abschaffung der Emissionsabgabe auf Obligationen und Geldmarktpapieren;

­

Befreiung der Beteiligungsrechte von der Emissionsabgabe, sofern diese aus der Wandlung von CoCos stammen.

Die dritte in der Vernehmlassungsvorlage enthaltene steuerliche Massnahme, der Übergang vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer auf Zinsen von Obligationen und Geldmarktpapieren, wird in eine separate Vorlage ausgelagert. Diese soll bis spätestens September 2011 ­ nach der Prüfung der noch offenen Fragen ­ unter dem Arbeitstitel «Botschaft zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes» lanciert werden.

4738

Der Bundesrat hält dennoch an allen Massnahmen fest. Er nimmt jedoch die in der Vernehmlassung geäusserte Kritik an der Ausgestaltung und Umsetzung der Massnahmen im Bereich der Verrechnungssteuer auf und teilt die steuerlichen Massnahmen auf zwei Vorlagen auf. Die ersten beiden Massnahmen beinhalten eine Änderung des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben12 (StG). Sie bilden zusammen mit den bankengesetzlichen Massnahmen die vorliegende Gesetzesvorlage. Die dritte Massnahme, welche eine Änderung des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer13 (VStG) erfordert, ist einziger Bestandteil der separaten, späteren Botschaft. Unabhängig von dieser Aufteilung spricht sich der Bundesrat dafür aus, die Massnahmen betreffend Verrechnungssteuer ein Jahr später in Kraft treten zu lassen als die Massnahmen bei den Stempelabgaben. Dies ermöglicht den von den Änderungen bei der Verrechnungssteuer betroffenen Zahlstellen einen angemessenen Zeitraum für die Umsetzung des neuen Rechts, ohne dass sich in Bezug auf die Zielerreichung Nachteile ergeben. Anleihen könnten ab Inkrafttreten der Änderungen im StG aus der Schweiz emittiert werden, ohne dass die Emissionsabgabe anfällt; die erste Zinszahlung aus diesen Obligationen würde sodann im Regelfall im Folgejahr fällig und damit unter dem neuen Regime bei der Verrechnungssteuer.

Das Massnahmenpaket erweist sich in Bezug auf das Regulierungsziel als zielgerecht und dürfte in der Phase der CoCos-Emissionen rechtzeitig operativ sein. Es steigert die Attraktivität des Schweizer Kapitalmarktes für grosse in- und ausländische Unternehmen. Dadurch kann dieser sich entwickeln und wird effizienter, so dass die Margen etwas sinken werden. Gleichzeitig entsteht zusätzliche Wertschöpfung im Inland. Durch die Voraussetzungen für die Marktentwicklung und die steuerliche Gleichbehandlung der CoCos und der übrigen Anleihen werden zudem die unerwünschten Verdrängungseffekte der übrigen Anleihen durch die CoCos vermieden. Langfristig werden die bestehenden Hindernisse bei der konzerninternen Finanzierung beseitigt, da neu die Ausgabe der von einer inländischen Muttergesellschaft garantierten Anleihen im Ausland der Verrechnungssteuer unterliegt. Damit erübrigt sich die Frage einer allfälligen Steuerumgehung. Ausserdem begrenzt das Massnahmenpaket
die resultierenden Mindereinnahmen.

In Abwägung der Vor- und Nachteile erweist sich das hier vorgeschlagene Massnahmenpaket als die beste Lösung aus einer Liste verschiedener evaluierter Varianten.

1.6.4.4

Evaluierte alternative steuerliche Massnahmen

1.6.4.4.1

Massnahmen beschränkt auf CoCos

Ein Paket, das sich auf die CoCos beschränkt, umfasst die folgenden Massnahmen:

12 13

­

Befreiung der CoCos von der Emissionsabgabe auf Obligationen und Geldmarktpapieren;

­

Befreiung der Beteiligungsrechte von der Emissionsabgabe, wenn diese aus der Wandlung von CoCos (Pflichtwandelanleihen) stammen;

SR 641.10 SR 642.21

4739

­

Befreiung der Zinsen auf CoCos von der Verrechnungssteuer; oder alternativ: Übergang zum Zahlstellenprinzip in der Verrechnungssteuer für CoCos.

Werden die Massnahmen auf CoCos beschränkt, so fallen die direkten finanziellen Auswirkungen auf Bund sowie Kantone und Gemeinden in Form von Mindereinnahmen geringfügig aus. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf den Wegfall der Emissionsabgabe auf abgabepflichtigen Fremdkapitalformen, die durch steuerbefreite CoCos abgelöst werden. Die Emission der CoCos aus der Schweiz heraus kann zu wettbewerbsfähigen Bedingungen erfolgen. Für die übrigen Bonds bleibt der Schweizer Kapitalmarkt hingegen unattraktiv. Aufgrund des beschränkten Kapitalmarktvolumens dürfte die bevorzugte steuerliche Behandlung der CoCos Verdrängungseffekte (Crowding-out) zulasten der anderen Emittenten im Inland erzeugen. Dies würde bedeuten, dass sich die Finanzierungskosten der Nicht-CoCosEmittenten im Inland erhöhen würden. Betroffen davon wären namentlich Bund, Kantone und Gemeinden, deren Ausgaben in Form eines höheren Zinsaufwandes steigen würden.

Obwohl die Beschränkung der Massnahmen auf CoCos in Bezug auf das Regulierungsziel effektiv ist, erweist sich diese insgesamt als nicht zielgerecht.

1.6.4.4.2

Allgemeine Massnahmen

Die Massnahmen, welche sich auf die CoCos beschränken, stecken das Feld enger ab, als das vorgeschlagene Paket. Es ist aber auch möglich, Massnahmen vorzusehen, die allgemeiner sind und über die vorgeschlagene Lösung hinausgehen.

Denkbar wäre dabei eine Kombination der folgenden Massnahmen: ­

Integrale Abschaffung der Emissionsabgabe;

­

Befreiung der inländischen Obligationen von der Umsatzabgabe;

­

Genereller Übergang zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer.

Würde die Emissionsabgabe integral und nicht nur beschränkt auf CoCos oder Obligationen und Geldmarktpapiere abgeschafft, blieben die Verdrängungseffekte der auf die CoCos begrenzten Massnahmen aus. Es resultierten in der langen Frist Mindereinnahmen von 240 Millionen Franken bei der Abgabe auf Eigenkapital und netto 220 Millionen Franken bei der Abgabe auf Fremdkapital. Wenn ergänzend auch die Umsatzabgabe auf inländischen Bonds gestrichen würde, kämen noch Mindereinnahmen in Höhe von knapp 70 Millionen Franken hinzu. Diese steuerlichen Massnahmen würden den Schweizer Kapitalmarkt zweifellos beleben. Infolgedessen flössen Bund, Kantonen und Gemeinden zusätzliche Gewinn- und Einkommenssteuereinnahmen zu, welche einen Teil der Mindereinnahmen des Bundes kompensieren würden.

Dieses Paket wäre im Hinblick auf das Regulierungsziel grundsätzlich zielgerecht.

Ein Vorbehalt ist jedoch anzubringen, weil die umfassende Umstellung auf das Zahlstellenprinzip komplexer ist als jene in der geplanten Lösung, bei der sich die Umstellung auf die Zinsen von Obligationen und Geldmarktpapieren beschränkt.

Die Umsetzung bei den Zahlstellen dürfte daher mehr Zeit beanspruchen. Infolgedessen wäre diese Variante zu einem späteren Zeitpunkt operativ als die vorgeschlagene Lösung.

4740

1.7

Rechtsvergleich und Verhältnis zum internationalen Recht

1.7.1

Regulierung von systemrelevanten Banken

Strategien zur Begrenzung der vom TBTF ausgehenden Risiken werden auf internationaler Ebene intensiv diskutiert. Das Financial Stability Board (FSB) erhielt im September 2009 auf dem Pittsburgh-Gipfel der G-20 den Auftrag, Massnahmen vorzuschlagen, wie die mit systemrelevanten Banken verbundene TBTF-Problematik zu lösen sei. Der Auftrag umfasste (a) die Verbesserung der Möglichkeiten, national bedeutende Finanzinstitute («Systemically important financial institutions» SIFIs) und global bedeutende SIFIs (G-SIFIs) ohne Inanspruchnahme des Steuerzahlers aufzulösen, (b) die Reduktion der Auswirkungen eines Kollapses eines SIFIs und (c) die Stärkung der Infrastruktur der Finanzmärkte, mit der Zielsetzung Ansteckungsrisiken zu verringern.

Am 20. Oktober 2010 veröffentlichte das FSB zuhanden der G-20 umfassende Empfehlungen, wie die von G-SIFIs ausgehenden Risiken begrenzt werden können.

Diese enthalten erhöhte Anforderungen an die Verlusttragfähigkeit von G-SIFIs, verstärkte Anforderungen an die Aufsicht über SIFIs und Ansätze zur Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit von SIFIs, die im Falle von G-SIFIs auch Aspekte der internationalen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden berücksichtigen sollten. Mit diesen Empfehlungen soll das Risiko eines durch Fehlanreize gesteuerten Verhaltens (Moral Hazard) im Zusammenhang mit TBTF begrenzt werden.

Bereits im September 2010 hat das Führungsgremium des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basler Ausschuss), beschlossen, dass auf globaler Ebene systemrelevante Banken über die Mindeststandards von Basel III hinaus über mehr Eigenkapital für die Absorption von Verlusten verfügen müssen. Der Basler Ausschuss und das FSB entwickeln einen integrierten Ansatz für G-SIFIs. Er sieht voraussichtlich sowohl zusätzliche Eigenkapitalanforderungen als auch bedingtes Kapital bzw.

verlusttragendes Fremdkapital (bail-in debt)14 vor und basiert auf den angestrebten Verbesserungen des jeweiligen nationalen Banksanierungs- bzw. Bankinsolvenzrecht sowie Fortschritten zur individuellen Abwicklungsfähigkeit der jeweiligen G-SIFIs.

Der Basler Ausschuss hat Ende Dezember 2010 dem FSB eine vorläufige Methode zur Bestimmung der G-SIFIs vorgelegt und wird Mitte 2011 in einer Studie Vorschläge zu Anforderungen an die zusätzliche Verlusttragfähigkeit von G-SIFIs veröffentlichen. Das FSB
wird dann im Dezember 2011 seine Empfehlungen betreffend der Bestimmung der Höhe der zusätzlichen Verlusttragungskapazität von G-SIFIS und zur Ausgestaltung der zu verwendenden Instrumente vorlegen. Ein auf Ende 2011 zu errichtender Peer Review Council soll die nationalen Anstrengungen im Bereich der Regulierung und Aufsicht von G-SIFIs evaluieren.

Die in der vorliegenden Gesetzesvorlage vorgesehenen Massnahmen in Bezug auf erhöhte prudentielle Anforderungen und Organisationsvorschriften entsprechen konzeptionell den Empfehlungen des FSB. Hinsichtlich des Umfangs der zusätzlichen Verlusttragfähigkeit und der einsetzbaren Kapitalinstrumente werden die 14

Bail-in debt bezeichnet von den Banken begebene Anleihen, bei denen vertraglich vorgesehen ist, dass sie durch behördliche (Sanierungs-)Massnahmen zur Verlusttragung im Rahmen einer Zwangssanierung herbeigezogen werden können.

4741

Schweizer Anforderungen voraussichtlich über die internationalen Mindestanforderungen, auch jene für G-SIFIs, hinausgehen.

Die EU plant nach dem Vorbild einzelner Mitgliedstaaten (Schweden, Deutschland) die erleichterte Abwicklung von grossen und komplexen Finanzinstituten durch die Einrichtung eines durch die Banken finanzierten ex ante-Sanierungsfonds.

Die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) beschäftigt sich mit der Ausarbeitung von «Wiederbelebungs»- und Sanierungsplänen. Der aufsichtsrechtliche Rahmen soll daneben Frühinterventionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden und ein erweitertes Spektrum an Abwicklungsinstrumenten vorsehen, das personelle und organisatorische Eingriffe, wie die Trennung und separate Weiterführung von Geschäften oder Geschäftsbereichen, enthält. Bei Fragen der zusätzlichen Verlusttragfähigkeit und der Rekapitalisierung im Vorfeld einer Insolvenz durch Wandlungskapital, durch Haircuts auf Schuldtitel (straight bonds) oder die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital, scheint die EU die beschriebene internationale Entwicklung abzuwarten.

In den grossen aussereuropäischen Finanzzentren Singapur, Hong Kong und Japan bestehen bislang noch keine besonderen Anforderungen für systemrelevante Finanzinstitute. Die Vereinigten Staaten haben mit dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank-Act) die TBTF-Problematik auf Gesetzesstufe geregelt, wobei wichtige Elemente in der Ausführungsgesetzgebung noch definiert werden müssen.

Mit dem Dodd-Frank Act wird neu der Financial Stability Risk Oversight Council (Council) geschaffen. Der Council hat die Finanzunternehmen ohne Banklizenz (nonbank financial companies, NBFCs) als systemrelevant zu erklären und damit erhöhten Aufsichtsanforderungen zu unterstellen. Grosse, untereinander verbundene Bankengruppen werden ab einem Schwellenwert von 50 Milliarden US-Dollars an Aktiven grundsätzlich höhere prudentielle Anforderungen erfüllen müssen. Der Council kann hierzu dem Federal Reserve Board (Fed), das durch den Dodd-Frank Act, als Oberaufsichtsbehörde über systemrelevante Institute eingesetzt wird, Vorschläge unterbreiten. Das Fed ist jedoch in erster Linie zuständig, die erhöhten prudentiellen Anforderungen an systemrelevante Finanzunternehmen ohne Banklizenz und grosse, untereinander verbundene Bankengruppen
zu definieren.

In organisatorischer Hinsicht wird den Regulatoren ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das es erlaubt, auf die Grösse, das Wachstum und einzelne Aktivitäten von als systemrelevant angesehenen Finanzinstituten Einfluss zu nehmen. Die möglichen Massnahmen reichen sehr weit. Die Unternehmen können verpflichtet werden, sich aus bestimmten Geschäftsbereichen zurückzuziehen. Das Wachstum durch Fusion oder Akquisition kann unter bestimmten Umständen untersagt werden.

Legt ein Institut keinen schlüssigen Plan vor, wie es in einer Krisensituation aufgelöst werden kann, können im Organisationsbereich höhere Anforderungen gestellt werden.

Als weiterer Bestandteil zur Lösung der TBTF-Problematik wird durch den DoddFrank-Act ein spezielles Insolvenzregime für systemisch relevante Finanzinstitute geschaffen. Dieses soll zur Anwendung gelangen, wenn ein Untergang des Unternehmens eine Gefahr für die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten darstellen könnte. Das Insolvenzregime erlaubt die Übertragung von Aktiven und Passiven auf einen Dritterwerber oder eine Übergangsbank (bridge bank). Spezielle Bestimmun-

4742

gen gelangen auf bestimmte Finanzkontrakte15 zur Anwendung, um deren Übertragung auf eine Übergangsbank zu gewährleisten.

1.7.2

Variable Vergütungen

Was die Massnahmen im Vergütungsbereich im Falle von Staatshilfe betrifft, so ist auf internationaler Ebene festzustellen, dass viele Staaten Regeln zur Vergütungspolitik der Unternehmen, insbesondere der Finanzinstitute, aufgestellt haben oder aufzustellen gedenken, diese indes untereinander variieren. Dies ist auf die je nach Land unterschiedlichen Traditionen in Bezug auf Wirtschaftsfreiheit und staatlichen Einfluss zurück zu führen.

Bei den meisten relevanten Vergleichsländern sind gesetzliche Regelungen zur Beschränkung von variablen Vergütungen im Falle von Staatshilfe bei Banken in Vorbereitung oder bereits umgesetzt. Diese reichen von Boni-Sondersteuern (Frankreich, UK) über Beschränkung bei den Boni-Modalitäten bis zu formellen Lohnobergrenzen (Deutschland) und angeordnetem Boniverzicht (Niederlande, Norwegen). Mit der Übernahme der geplanten EU-Vergütungsregelung als Mindeststandard dürfen im Falle von Staatshilfe bei Finanzinstituten ohne das Einverständnis der Finanzaufsicht keine Boni mehr ausbezahlt werden. Ab diesem Zeitpunkt verfügen von den bedeutenden Vergleichsländern nur noch China, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate über keine rechtliche Grundlage zur Vergütungsbeschränkung im Fall einer Staatsintervention bei Finanzinstituten.

Es kann zudem festgestellt werden, dass die Vergütungsprinzipien des FSB vom Herbst 2009 verbreitet umgesetzt wurden. Die Schweiz hat als eines der ersten Länder mit dem FINMA-Rundschreiben «Vergütungssysteme» die entsprechenden Standards auf den 1. Januar 2010 in Kraft gesetzt.

1.8

Umsetzung

Der vorliegende Gesetzesentwurf folgt materiell den Vorgaben der Expertenkommission. Vertiefende Ausführungen wurden in den Gesetzen und in der Botschaft da vorgenommen, wo Erläuterungsbedarf besteht.

Eine Ausnahme bilden die flankierenden Massnahmen in den Bereichen variable Vergütung im Falle von Staatshilfe, wo ein neues Element ­ im Vergleich zum Expertenbericht ­ in die Vorlage aufgenommen wurde.

Diese Ergänzungen des Gesetzes geben dem Parlament die Möglichkeit, die Eckwerte der Regulierung zu bestimmen und bieten gleichwohl genügend Flexibilität für die Ausführungsbestimmungen. Diese sollen namentlich in die Bankenverordnung vom 17. Mai 197216 (BankV) und in die ERV aufgenommen werden. Die Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln in Kapitel 2 enthalten nähere Angaben zur jeweils geplanten Umsetzung auf Verordnungsstufe.

15 16

Z.B. Swap agreements, securities contracts, repurchase agreements oder forward contracts.

SR 952.02

4743

1.9

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben: ­

Motion 08.3649 «Verhinderung von untragbaren Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft», eingereicht durch die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei am 3. Oktober 2008. Die Motion wurde am 8. Dezember 2008 durch den Nationalrat und am 27. Mai 2009 durch den Ständerat angenommen.

­

Motion 09.3019 «Weniger Risiken für den Finanzmarkt», eingereicht durch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats am 25. Februar 2009. Der Punkt 5 der Motion «Der Bund hat alles daranzusetzen, sein Engagement gegenüber der UBS so rasch als möglich wieder gewinnbringend zu veräussern.» wurde am 27. März 2009 durch den Nationalrat und am 11. August 2009 durch den Ständerat angenommen.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

5. Abschnitt: Systemrelevante Banken

2.1.1

Begriff (Art. 7 Abs. 1 E-BankG)

Artikel 7 Absatz 1 E-BankG enthält die Definition der systemrelevanten Banken und bestimmt damit zugleich den subjektiven Anwendungsbereich der neuen Bestimmungen des 5. Abschnitts.

Der Begriff beschränkt sich nicht auf Banken im engeren Sinne. Vielmehr bezieht er auch «Finanzgruppen und bankdominierte Finanzkonglomerate» mit ein. Systemrelevant sind diese Institute, wenn ihr «Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde». Die Frage, ob eine Bank systemrelevant ist, ist demnach aus einzelstaatlicher Sicht zu beantworten wenngleich die schweizerischen Grossbanken in gewissen Märkten, namentlich in den UK und den USA, voraussichtlich als systemrelevant eingestuft werden könnten.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) legt nach Anhörung der FINMA durch Verfügung fest, welche Banken systemrelevant sind und welche Funktionen einer solchen Bank systemrelevant sind (Art. 8 Abs. 3 E-BankG). Mit der weiten Formulierung der Kriterien nach Artikel 8 Absätze 1 und 2 E-BankG räumt das Gesetz der SNB bewusst einen weiten Ermessensspielraum ein.

2.1.2

Zweckbestimmung (Art. 7 Abs. 2 E-BankG)

Mit dem Einfügen einer Zweckbestimmung wird der heute üblichen Rechtstechnik gefolgt, die bereits in Artikel 5 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes oder in Artikel 1 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes umgesetzt worden ist. Artikel 7 Absatz 2 E-BankG enthält nicht nur die Begründung für den Erlass der besonderen Bestimmungen, sondern hat gleichzeitig normative Funktion. Er dient als Auslegungshilfe bei der Frage, welche Massnahmen zulässig sind, und konkretisiert die an 4744

den Verordnungsgeber delegierte Gesetzgebungskompetenz bzw. gibt diesem inhaltliche Leitlinien vor.

Die neuen Bestimmungen des 5. Abschnitts (bzw. die darauf gestützten besonderen Anforderungen) verfolgen drei Zielsetzungen: Erstens sollen sie die Risiken für die Stabilität des schweizerischen Finanzsystems ­ hervorgerufen durch die Systemrelevanz einzelner Unternehmen ­ vermindern. Zweitens sollen sie die Fortführung volkswirtschaftlich wichtiger (systemrelevanter) Funktionen einer Bank im Fall drohender Insolvenz gewährleisten. Drittens sollen die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken staatliche Beihilfen vermeiden und damit im Interesse der freiheitlichen Marktordnung eine allfällige faktische Staatsgarantie beseitigen.

2.1.3

Kriterien und Feststellung der Systemrelevanz (Art. 8 E-BankG)

2.1.3.1

Systemrelevante Funktionen

Absatz 1 umschreibt welche Funktionen systemrelevant sind. Grundsätzlich ist eine Funktion systemrelevant, wenn sie für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbar ist und nicht kurzfristig substituierbar ist. Das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr werden dabei namentlich erwähnt.

2.1.3.2

Systemrelevante Banken

Absatz 2 umschreibt die für die Beurteilung der Systemrelevanz einer Bank massgebenden Faktoren. Grundsätzlich ist eine Bank als systemrelevant zu bezeichnen, wenn sie Leistungen erbringt, die für die Volkswirtschaft unverzichtbar sind und andere Unternehmen diese Leistungen im Insolvenzfall nicht innert nützlicher Frist ersetzen können. Die Bestimmung knüpft an diese Feststellung an und nennt als zentrale Faktoren die Grösse und die Vernetzung der Bank sowie die fehlende kurzfristige Substituierbarkeit ihrer Dienstleistungen. Sodann enthält die Bestimmung eine nicht abschliessende, konkretisierende Aufzählung von Kriterien, die bei der Beurteilung der Systemrelevanz einer Bank heranzuziehen sind.

Die Buchstaben a und b identifizieren basierend auf Absatz 1 in einer nicht abschliessenden Aufzählung Funktionen von Banken, die grundsätzlich für die Schweizer Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind und die in der Regel kurzfristig nicht substituierbar sind. Der Marktanteil einer Bank in diesen Funktionen ist massgebend für die volkswirtschaftliche Bedeutung einer Bank und trägt daher wesentlich zur Systemrelevanz des gesamten Unternehmens bei.

Buchstabe c hebt mit dem Verhältnis zwischen der Bilanzsumme und dem Bruttoinlandprodukt den für die Schweiz besonders wichtigen Aspekt der Grösse hervor und damit die Problematik, dass einzelne Banken die finanzielle Rettungskapazität des Staates übersteigen können. Buchstabe d berücksichtigt den Umstand, dass das Risikoprofil einer Bank einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und das Schadenspotenzial hat. Buchstabe d umschreibt das Risikoprofil näher.

4745

Die Kriterien gemäss den Buchstaben a bis d müssen nicht kumulativ erfüllt sein.

Eine Bank kann bereits systemrelevant sein, wenn bei einer Analyse einzelne Kriterien ausgeprägte Systemrisiken aufzeigen. Damit bildet eine wertende Gesamtbeurteilung aller relevanten Faktoren im Einzelfall die Entscheidungsbasis für die Beurteilung der Systemrelevanz einer Bank. Die Grösse und Vernetzung einer Bank können zur Folge haben, dass eine kurzfristige Substituierbarkeit der systemrelevanten Funktionen nicht möglich ist. Die Systemrelevanz einer Bank setzt aber in jedem Fall voraus, dass sie mindestens eine systemrelevante Funktion im Unternehmen führt. In der Regel kommt zur systemrelevanten Funktion eine besondere Grösse oder Vernetzung hinzu. Gemäss den Untersuchungen der Expertenkommission sind derzeit von den schweizerischen Banken einzig die Credit Suisse und die UBS klar systemrelevant. Weitere Institute erfüllen einzelne Kriterien. Für diese kann eine Einstufung als systemrelevant in Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

2.1.3.3

Verfügung der SNB

Nach Absatz 3 dieser Bestimmung ist für den Entscheid über die Systemrelevanz einer Bank und die Festlegung deren systemrelevanten Funktionen die SNB zuständig. Sie hat dabei vorgängig die FINMA anzuhören. Die Verfügungen der SNB gestützt auf diese Bestimmung sind mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 53 Abs. 1 Bst. a des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 200317 (NBG).

Die Zuweisung dieser Verfügungskompetenz an die SNB stützt sich auf den Umstand, dass die SNB als einzige Institution in der Schweiz einen expliziten Auftrag im Bereich der Stabilität des Finanzsystems besitzt (Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG).

Zudem verfügt sie über eine besondere ökonomische Kompetenz, welche eine genaue Kenntnis der Funktionsweise der Volkswirtschaft mit einer vertieften Kenntnis des Finanzsystems kombiniert. Aus diesem Grund ist die SNB während der letzten beiden Krisenepisoden18 jeweils damit betraut worden, die Folgenabschätzung eines möglichen Ausfalls einer Grossbank vorzunehmen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Definition der Systemrelevanz eng mit der Funktion der Nationalbank als Kreditgeber in letzter Instanz (Lender of Last Resort) verbunden ist. In diesem Rahmen wird ausserordentliche Liquiditätshilfe nur systemrelevanten Banken oder Bankgruppen gewährt.

Absatz 3 verlangt neben der Feststellung der Systemrelevanz einer Bank, dass die SNB auch die systemrelevanten Funktionen dieser konkreten Bank bezeichnen muss. Dies ist namentlich auch insofern von Bedeutung, als systemrelevante Banken nachweisen müssen, dass sie im Fall drohender Insolvenz die systemrelevanten Funktionen weiterführen können (Art. 10 Abs. 2 E-BankG, Ziff. 2.1.4.6 und 2.1.5).

Zur Identifikation von systemrelevanten Funktionen einer Bank werden im Sinn der Absätze 1 und 2 die folgenden drei Kriterien angewendet. Erstens handelt es sich primär um Segmente des inländischen Einlagen- und Kreditgeschäfts, welche für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbar sind. Zweitens hat die Bank in diesen Segmenten einen erheblichen Marktanteil. Und drittens sind die Leistungen der Bank in diesen Segmenten kurzfristig nicht substituierbar.

17 18

SR 951.11 Expertenbericht, Kapitel «Ausprägungen im Finanzsektor» S. 13 f.

4746

Aufgrund dieser Kriterien ergibt sich aus heutiger Sicht, dass insbesondere die folgenden Segmente des inländischen Einlagen- und Kreditgeschäfts als systemrelevante Funktionen eingestuft werden: ­

Verpflichtungen gegenüber inländischen Kunden

­

inländische Forderungen und unbenützte Kreditlimiten gegenüber Unternehmen aus dem Realsektor (nicht finanzielle Unternehmen)

­

inländische Hypothekarforderungen mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr.

Ferner gilt zu prüfen, ob neben Segmenten des inländischen Einlagen- und Kreditgeschäft allenfalls auch kurzfristig nicht substituierbare und volkswirtschaftlich wichtige operative Leistungen einer Bank für andere inländische Banken als systemrelevante Funktion eingestuft werden sollten.

Diese Einschätzung beruht auf folgenden Überlegungen: ­

Der fehlende Zugriff einer kritischen Masse von Schweizer Bankkunden auf ihre Einlagen würde das Funktionieren des Zahlungsverkehrs und entsprechend der Volkswirtschaft beeinträchtigen.

­

Einlagen bei einer Bank sind kurzfristig nicht substituierbar, da die Kunden einer ausfallenden Bank unter Umständen nicht mehr in der Lage sind, auf ihre Einlagen zuzugreifen und Zahlungen auszuführen. Diese Zahlungsschwierigkeiten wiederum würden Probleme bei anderen Firmen und Personen verursachen, die nicht direkt mit der Bank eine Geschäftsbeziehung haben.

­

Eine ausreichende Kreditversorgung ist wesentlich für das Funktionieren der Wirtschaft. Fällt diese Kreditversorgung für eine grosse Anzahl von Unternehmen und Haushalten aus, dann hätten die damit verbundenen Liquiditätsund Finanzierungsengpässe schwerwiegende Einschränkungen des Konsums und der Investitionen zur Folge.

­

Ferner sind Kredite einer Bank kurzfristig grundsätzlich nur beschränkt substituierbar. Bei besicherten Krediten spielt es eine entscheidende Rolle, wie schnell die Kreditnehmer über die hinterlegten Sicherheiten wieder frei verfügen können. Beim Ausfall einer Bank mit erheblichem Marktanteil bei den inländischen Krediten kann bereits eine drastische Einschränkung des inländischen Kreditangebots erfolgt sein. Dies kann wiederum das Funktionieren der gesamten Schweizer Wirtschaft stark beeinträchtigen.

­

Kurzfristig besonders schwer substituierbar sind Kredite und Kreditlimiten an Unternehmen aus dem Realsektor (nicht finanzielle Unternehmen), weil diese Unternehmen nur einen beschränkten Zugang zum Kapitalmarkt haben und somit auf die Finanzierung durch eine Bank angewiesen sind.

­

Besonders wichtig sind zudem Kredite mit einer relativ kurzen Restlaufzeit, weil hier der Bedarf nach alternativen Finanzierungsquellen besonders dringlich ist.

Beide derzeit als systemrelevant eingestuften Banken, Credit Suisse und UBS, haben in allen drei erwähnten Segmenten des inländischen Einlagen- und Kreditgeschäfts erhebliche Marktanteile. Deshalb sind aus heutiger Sicht diese Funktionen für Credit Suisse und UBS als systemrelevant einzustufen.

4747

Die Fortführung der systemrelevanten Funktionen ist im Fall drohender Insolvenz gemäss Artikel 10 Absatz 2 E-BankG zu gewährleisten. Dabei spielt die zeitliche Dimension je nach Segment eine unterschiedlich kritische Rolle. Für das Weiterfunktionieren der Wirtschaft ist zum Beispiel der zeitlich ununterbrochene Zugriff auf die Einlagen notwendig. Hingegen spielt die Zeit beispielsweise bei den Krediten mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr eine weniger kritische Rolle. Diese zeitliche Dimension ist bei den Krisenvorbereitungsmassnahmen zu berücksichtigen (Ziff. 2.1.4.6).

Sowohl die Beurteilung der Systemrelevanz von Banken als auch die Bezeichnung von systemrelevanten Funktionen dieser Banken wird eine dauernde Aufgabe der SNB sein. Gemeinsam mit der FINMA muss die SNB dazu laufend die Entwicklungen im Bankensektor verfolgen. Beispielsweise kann eine in Zukunft zunehmende Bedeutung einer Bank dazu führen, dass sie neu als systemrelevant eingestuft werden muss. Marktveränderungen und Produktinnovationen sowie Veränderungen in der Marktinfrastruktur können dazu führen, dass aus heutiger Sicht systemrelevante Funktionen nicht mehr als systemrelevant beurteilt werden müssen oder dass neue Funktionen als systemrelevant einzustufen sind.

2.1.4

Besondere Anforderungen an systemrelevante Banken (Art. 9 E-BankG)

2.1.4.1

Grundlagen

Um systemischen Risiken vorzubeugen, wäre die Festlegung besonderer Anforderungen an die systemrelevanten Banken in gewissem Umfang bereits gestützt auf das geltende Recht zulässig (Eigenmittel/Liquidität; vgl. Art. 4 Abs. 2 und 3 BankG). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist eine über die allgemeinen Bestimmungen des Bankengesetzes hinausgehende, explizite gesetzliche Grundlage für die besonderen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an systemrelevante Banken im Bereich der organisatorischen Massnahmen zweckmässig und gefordert (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. Art. 36 BV).

Artikel 9 E-BankG stellt die eigentliche Kern- und zugleich Grundlagenbestimmung für die besonderen Anforderungen an die systemrelevanten Banken dar. Mit der Aufzählung der Massnahmen Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung und Organisation sowie der Konkretisierung in Absatz 2 wird die allgemeine Stossrichtung vorgegeben. In Artikel 10 Absatz 4 E-BankG ist sodann vorgesehen, dass der Bundesrat die in Artikel 9 Absatz 2 E-BankG aufgeführten besonderen Anforderungen auf Verordnungsstufe konkretisiert.

Dieses dreistufige System ­ Gesetz, Verordnung und Verfügung ­ stellt die Flexibilität der Regelung, die Möglichkeit der Anpassung an veränderte Verhältnisse, die internationale Koordination sowie die Wirksamkeit und Angemessenheit im Einzelfall sicher. Die Grundsatzentscheide bleiben dabei dem Gesetzgeber vorbehalten.

4748

Schliesslich ist der Hinweis wichtig, dass die systemrelevanten Banken die besonderen Anforderungen nicht nur konsolidiert, d.h. auf Gruppen- bzw. Konglomeratsebene, sondern auch auf Ebene des Einzelinstituts erfüllen müssen (Art. 4 BankG, Art. 6 ERV, Art. 11­14 BankV.19

2.1.4.2

Ausmass und Begrenzung (Art. 9 Abs. 1 E-BankG)

Dem Verhältnismässigkeitsprinzip (vgl. Art. 5 Abs. 2, 36 Abs. 3 BV) kommt im Rahmen der Festlegung der besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken besondere Bedeutung zu. Die besonderen Anforderungen können erhebliche Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsgarantie der betroffenen Banken mit sich bringen. Zudem sind stets Aspekte des Gleichbehandlungsgrundsatzes betroffen, weil systemrelevante Banken Anforderungen erfüllen müssen, denen die übrigen Banken nicht unterliegen. Absatz 1 hält daher ausdrücklich fest, dass die besonderen Anforderungen dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen müssen.

Die Forderung, wonach sich Umfang und Ausgestaltung der Massnahmen nach dem Grad der Systemrelevanz richten und die Auswirkungen der Massnahmen auf die betroffenen Banken und den Wettbewerb zu berücksichtigen sind, ist ein Teilaspekt des Verhältnismässigkeits- und Gleichbehandlungsprinzips. Letztlich haben die von der FINMA im Einzelfall angeordneten Massnahmen einer Prüfung anhand des Verhältnismässigkeitsprinzips standzuhalten.

Wesentlicher Aspekt der Verhältnismässigkeitsprüfung ist neben dem Wirksamkeitsnachweis namentlich der Ursachen-Wirkungszusammenhang sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse der besonderen Anforderungen. Bezüglich Kosten gilt dabei, dass sie, soweit sie durch den Wegfall der faktischen Staatsgarantie entstehen, nicht nur verhältnismässig, sondern auch zweckkonform sind. Dadurch wird die Wettbewerbsverzerrung beseitigt.

Aufgrund der globalen Natur des Bankgeschäfts, der Finanzmärkte und ihrer internationalen Vernetzung ist grundsätzlich eine internationale Abstimmung der Anforderungen anzustreben, was deren Akzeptanz erhöht. Die besonderen Anforderungen haben daher international anerkannten Standards Rechnung zu tragen und die international anerkannten Mindeststandards sind in der Regel unabhängig von den Schweizer Anforderungen einzuhalten. Davon soll nicht ohne Grund abgewichen werden. Dies schliesst, unter Berücksichtigung der speziellen Struktur des schweizerischen Bankensektors,20 aber nicht aus, dass die Massnahmen in der Schweiz ­ wie es schon bisher möglich war ­ substantiell über Mindestanforderungen anderer Staaten oder internationaler Gremien hinausgehen.

19 20

Siehe Expertenbericht, Anhang A, S. 94. unter Ziffer II.

Die Risiken der systemrelevanten Banken in der Schweiz sind aufgrund des Verhältnisses zwischen ihrer Bilanzsumme und dem gemeinhin für die finanzielle Rettungsfähigkeit des Staates als Anhaltspunkt herangezogenen Bruttoinlandprodukt wesentlich grösser als in vielen anderen Staaten.

4749

2.1.4.3

Eigenmittel (Art. 9 Abs. 2 Bst. a E-BankG)

Gegenüber der bestehenden Regelung in Artikel 4 Absatz 3 BankG erteilt der Gesetzgeber dem Bundesrat nunmehr einen verbindlichen Auftrag zum Erlass strengerer Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken.

Die Festsetzung von Ausführungsvorschriften wird entsprechend der bisherigen Kompetenzverteilung dem Bundesrat überlassen (vgl. Art. 4 Abs. 2 BankG und Art. 10 Abs. 4 E-BankG). Demgegenüber ist die Festsetzung der genauen Höhe der besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken, insbesondere der Zuschläge aufgrund der Systemrelevanz sowie die Gewährung von Rabatten (vgl. nachfolgende Ziff. 2.1.4.3.2), Aufgabe der FINMA als Fachbehörde.

2.1.4.3.1

Zweck und Grundsatz

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a E-BankG verlangt von systemrelevanten Banken die Einhaltung besonderer Eigenmittelanforderungen mit dem Ziel, dass systemrelevante Banken über eine stärkere Kapitalisierung verfügen als nicht systemrelevante Banken (Art. 9 Abs. 2 Bst. a Ziff. 1 E-BankG): Die höheren Kosten eines potenziellen Ausfalls sollen mit einer tieferen Ausfallwahrscheinlichkeit einhergehen und somit die erwarteten volkswirtschaftlichen Kosten reduzieren. Stärkere Eigenmittelpuffer in Form von mehr verlusttragefähigen Eigenmitteln erlauben es den Banken eher, auch grössere Verluste zu absorbieren, ohne dass ihre Funktionsfähigkeit und das Vertrauen in sie unmittelbar gefährdet sind.

Ferner sollen ausreichend hohe Kapitalreserven vorhanden sein, um im Falle drohender Insolvenz die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ermöglichen, ohne dass staatliche Mittel notwendig sind (Art. 9 Abs. 2 Bst. a Ziff. 2 E-BankG). Die Eigenmittel sollen einen wichtigen Beitrag bei der Übertragung der systemrelevanten Funktionen auf einen neuen Rechtsträger leisten. Dieser soll über eine solide Kapitalisierung und entsprechend hohe Überlebensfähigkeit verfügen.

Schliesslich soll es im Eigeninteresse der Banken sein, ihre Systemrelevanz zu beschränken und ihre allgemeine globale Sanier- und Liquidierbarkeit (Resolvability») zu verbessern (Art. 9 Abs. 2 Bst. a Ziff. 3 E-BankG).21 Dies soll zum einen erreicht werden, indem die Eigenmittelanforderungen progressiv mit dem Grad der Systemrelevanz ansteigen. Zum anderen sollen für signifikante Verbesserungen der globalen «Resolvability» der Gesamtbank, unter Ausschluss der für die Fortführung der systemrelevanten Funktionen erforderlichen Massnahmen, Rabatte auf die progressive Komponente gewährt werden.

Die besonderen Eigenmittelanforderungen beziehen sich einerseits auf die risikogewichteten Aktiven. Als Ergänzung dazu dient andererseits ein nicht risikogewichteter Ansatz, nach dessen Vorgaben die Eigenmittelanforderungen vom Umfang der Aktiven in einem umfassenden Sinn, die auch Teile der Ausserbilanzgeschäfte mit enthalten, abhängig gemacht werden (Leverage Ratio Art. 9 Abs. 2 Bst. a Ziff. 4 E-BankG). Die «Leverage Ratio», soll subsidiär als Sicherheitsnetz für die Anforde21

Massnahmen, welche die Sanier- und Liquidierbarkeit im Inland verbessern sollen, müssen dergestalt sein, dass sie im Ausland Akzeptanz finden (Vermeidung von Retorsionsmassnahmen ausländischer Behörden).

4750

rungen nach den risikogewichteten Positionen dienen. Entsprechend soll die Höhe der «Leverage Ratio» so festgelegt werden, dass die daraus resultierende Anforderung beim Status quo22 der Grossbanken im Normalfall leicht unterhalb der risikogewichteten Anforderungen zu liegen kommt.23 Das nachfolgend dargestellte Eigenmittelkonzept gilt für systemrelevante Banken.

Daraus resultieren keine unmittelbaren Wirkungen für die Eigenmittelanforderungen der übrigen Banken.

2.1.4.3.2

Aufbau der besonderen Eigenmittelanforderungen

Für die Eigenmittelanforderungen systemrelevanter Banken ist zur Umsetzung in der ERV ein dreistufiger Aufbau mit den folgenden Komponenten vorgesehen: Die Basisanforderung ist zur Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen für die normale Geschäftstätigkeit mindestens zu erfüllen. Diese entspricht den internationalen Minimalstandards (zurzeit gemäss «Basel III» vorgesehen), die alle Banken jederzeit einhalten müssen.

Der Eigenmittelpuffer erlaubt es den Banken, Verluste zu absorbieren, ohne dass die Basisanforderung unterschritten wird und die normale Geschäftstätigkeit eingestellt werden muss. Dieser Puffer muss in guten Zeiten aufgebaut und danach eingehalten werden. In schlechten Zeiten kann der Puffer zur Abfederung von Verlusten verwendet werden. Auch Basel III sieht einen ähnlichen Eigenmittelpuffer vor.

Die progressive Komponente24 bezweckt, den Banken mit zunehmender Systemrelevanz eine stärkere Kapitalisierung aufzuerlegen. Sie soll auch dazu dienen, die Umsetzung der im Notfallplan vorgesehenen Massnahmen zu finanzieren. Der Grad der Systemrelevanz wird anhand (i) der Bilanzsumme der Banken und (ii) ihrer Marktanteile im inländischen Kredit- und Einlagenmarkt gemessen. Für beide Indikatoren wird jeweils ein Zuschlag berechnet, deren beider Summe die Höhe der progressiven Komponente ergibt.

Für signifikante Verbesserungen der globalen «Resolvability» der Gesamtbank, unter Ausschluss der für die Fortführung der systemrelevanten Funktionen erforderlichen Massnahmen, können Rabatte auf die progressive Komponente gewährt werden (siehe Art. 10 Abs. 3 E-BankG und die Erläuterungen hierzu unter Ziff. 2.1.5.5).

22

23 24

Konsistent mit dem Schlussbericht der Expertenkommission bezieht sich der Status quo der Grossbanken im Weiteren stets auf deren Situation per Ende 2009 bzw. diesbezügliche Schätzungen, namentlich hinsichtlich der risikogewichteten Aktiven unter Basel III.

Siehe Expertenbericht, Kapitel 3.3. «Kernmassnahmen Eigenmittel», S. 29, vorletzter Absatz.

Im Rahmen von Basel III wird derzeit noch über einen Eigenmittelzuschlag für global tätige systemrelevante Institute (sogenannte «G-SIFI») beraten; die Details sind jedoch noch nicht fixiert. Nach Vorliegen der definitiven Ergebnisse wird zu prüfen sein, ob und inwieweit dies im Rahmen der Berücksichtigung internationaler Standards einen Einfluss auf die Kalibrierung in der Schweiz hat.

4751

Ein Teil des Puffers25 kann und die gesamte progressive Komponente ist grundsätzlich in Form von Pflichtwandelanleihen im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Bst. b E-BankG i.V.m. Art. 13 E-BankG sowie Anleihen mit Forderungsverzicht im Sinne von Art. 11 Abs. 2 E-BankG zu halten.26 Mit den Pflichtwandelanleihen sowie den Anleihen mit Forderungsverzicht, die eine Wandlung bzw. Abschreibung bei einer Kapitalquote von 5 Prozent RWA (dem sogenannten Auslösungsereignis oder auch «Trigger») vorsehen, sollen die ausreichenden Mittel zur Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen bereitgestellt werden. Diese Art von Pflichtwandelanleihen («internalisierter RestrukturierungsFonds») geht klar dahin, dass diese aufgrund ihres Bestimmungszwecks von den systemrelevanten Banken in der progressiven Komponente zu halten sind. Es soll gleichsam eine Notreserve angelegt werden, welche im Bedarfsfall effektiv zur Verfügung steht. In diese Richtung geht auch der Expertenbericht: Die progressive Komponente (Komponente III) besteht aus CoCos mit einem niedrigen Trigger.27

2.1.4.3.3

Grössenordnung der Eigenmittelanforderungen

Im Folgenden werden die vorgesehenen Grössenordnungen der Anforderungen, ausgedrückt in Prozent der risikogewichteten Aktiven (RWA) und in Schweizerfranken, aufgezeigt. Die RWA werden entsprechend der Ende 2010 beschlossenen internationalen Mindeststandards («Basel III») berechnet. Gemäss dieser Definition betragen die RWA der Grossbanken im Status quo (vor Anpassungen durch die Banken) ungefähr 400 Milliarden Franken pro Bank.28 Die Basisanforderung aus 4,5 Prozent hartem Kernkapital29 entspricht den neuen internationalen Mindeststandards («Basel III»). In Schweizerfranken und bezogen auf den Status quo einer Grossbank beträgt die Basisanforderung mindestens 18 Milliarden Franken30 Der Puffer soll 8,5 Prozent betragen, wovon mindestens 5,5 Prozent in Form von hartem Kernkapital gehalten werden muss. Maximal 3 Prozent können in Form von CoCos mit einem Auslösungsereignis (Trigger) bei einem Stand des harten Kernkapitals von mindestens 7 Prozent der RWA gehalten werden, sofern dieses Wand25

26

27 28

29 30

vgl. zum Puffer Ziffer 2.2.2. Dem CoCo liegt das Konzept zugrunde, dass bei Erreichen der 7-%-Schwelle kurzfristig neues Eigenkapital in Höhe von 3 % geschaffen wird und man damit wieder eine Eigenkapitalquote von 10 % erreicht. In Ermangelung von CoCos sind Stabilisierungsmassnahmen auf der Kapitalseite demgegenüber bereits bei einer Kapitalquote von 10 % gefordert.

Die progressive Eigenkapitalkomponente kann durch hartes Kernkapital erfüllt werden.

Aus Gründen der Rechtsicherheit bei der Wandlung oder dem Forderungsverzicht ist die Erfüllung der progressiven Komponente mittels hartem Kernkapital nur solange zuzulassen, als eine Bank noch nicht von den neuen Kapitalinstrumenten Gebrauch gemacht hat.

Erfüllt eine Bank die progressive Eigenmittelkomponente mit hartem Kernkapital, so ist die Eigenkapitallimite, bei der der Notfallplan ausgelöst wird, entsprechend zu erhöhen.

Bericht der Expertenkommission, S. 28 f.; siehe ferner ebenda, S. 32.

Die FINMA wird vor der endgültigen Festlegung der Anforderungen prüfen, ob Korrekturen bei der Berechnung oder Anpassungen an den Modellen zu grundlegenden Differenzen bei der Berechnung der RWA führen. Werden grundlegende Differenzen festgestellt, wird die Kalibrierung der Anforderungen angepasst.

Common Equity Tier 1 in der Definition von Basel III.

Darüber hinaus müssen die systemrelevanten Banken, wie alle Banken, auch die sonstigen Mindestanforderungen gemäss «Basel III» erfüllen.

4752

lungskapital minimalen Kriterien genügt. In Schweizerfranken ausgedrückt und bezogen auf den Status quo einer Grossbank beläuft sich der Puffer auf 34 Milliarden Franken (wovon mindestens CHF 22 Mrd. hartes Kernkapital und höchstens CHF 12 Mrd. CoCos).

Die Höhe der progressiven Komponente soll bei der Grösse der Grossbanken per Ende 200931 bzw. dem Status quo insgesamt 6 Prozent betragen. In Schweizerfranken beträgt die so berechnete progressive Komponente 24 Milliarden Franken Bei einer Bilanzsumme von maximal 250 Milliarden Franken und einem Marktanteil von maximal 10 Prozent würde die progressive Komponente null betragen. Die so bestimmte Funktion ist für ein als systemrelevant erklärtes Institut immer massgebend, solange der dadurch resultierende Wert der progressiven Komponente grösser als 1 Prozent ist. In allen anderen Fällen beträgt die progressive Komponente bei systemrelevanten Banken 1 Prozent. Damit ist sichergestellt dass systemrelevante Institute, auch wenn sie rechnerisch eine progressive Komponente von weniger als 1 Prozent hätten, dennoch eine minimale progressive Komponente aufbauen müssen.

Die progressive Komponente ist grundsätzlich mit CoCos zu erfüllen, deren Auslösungszeitpunkt bei einem Stand des harten Kernkapitals von 5 Prozent der RWA liegt.

Die Gesamteigenmittelanforderung beläuft sich im Status quo auf 19 Prozent der risikogewichteten Aktiven, wovon mindestens 10 Prozent in Form von hartem Kernkapital gehalten werden müssen und maximal 9 Prozent in Form von CoCos gehalten werden können. In Schweizerfranken ausgedrückt beträgt die Gesamtanforderung bei der Status-quo-Grösse der Grossbanken je Institut 76 Milliarden Franken (wovon hartes Kernkapital von minimal CHF 40 Mrd. und CoCos von maximal CHF 36 Mrd.).32 Die «Leverage Ratio» wird hinsichtlich Summe von Bilanz- und Ausserbilanzpositionen entsprechend der internationalen, im Rahmen von «Basel III» beschlossenen Definition berechnet. Analog zu den risikogewichteten Anforderungen werden drei Komponenten (Basisanforderung, Puffer, progressive Komponente) festgelegt. Die Höhe dieser Komponenten wird, basierend auf den aktuellen Bilanzwerten, so festgelegt, dass die resultierenden Anforderungen an die Eigenmittel in Schweizerfranken knapp unter den beschriebenen risikogewichteten Anforderungen, ebenfalls in Schweizerfranken, zu liegen kommen.

2.1.4.4

Liquidität (Art. 9 Abs. 2 Bst. b E-BankG)

2.1.4.4.1

Zweck und Grundsatz

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b E-BankG verlangt von systemrelevanten Banken, dass sie in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation genügend Liquidität bereitstellen können, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

31 32

Beide Banken weisen ohne Netting der Wiederbeschaffungswerte eine Bilanzsumme von rund CHF 1500 Mrd. auf und verfügen über einen Marktanteil von rund 20 %.

Die FINMA wird vor der endgültigen Festlegung der Anforderungen prüfen, ob Anpassungen an den Modellen oder Korrekturen bei der Kalibrierung vorgenommen werden müssen.

4753

Im April 2010 verständigte sich die FINMA mit den beiden Grossbanken auf ein ab dem 30. Juni 2010 zunächst auf konsolidierter Stufe geltendes besonderes Liquiditätsregime, welches in quantitativer Hinsicht die Widerstandsfähigkeit gegenüber einem massiven Liquiditätsschock erhöht und in qualitativer Hinsicht ein angemessenes Liquiditätsrisikomanagement gewährleistet. Im Rahmen dieses Liquiditätsregimes wurden ebenfalls festgehalten, dass die Widerstandsfähigkeit sinngemäss auch auf der Stufe Einzelinstitut anzustreben und umzusetzen ist.

Die Grundsätze dieses Liquiditätsregimes sollen für systemrelevante Banken in eine vom Bundesrat auf der Grundlage von Artikel 10 Absatz 4 E-BankG zu erlassende Liquiditätsverordnung überführt werden. Diese Liquiditätsverordnung soll auf konsolidierter Stufe und auf Stufe Einzelinstitut gelten. Bis zum Inkrafttreten dieser Liquiditätsverordnung haben die beiden Grossbanken auf Stufe Einzelinstitut weiterhin die Liquiditätsvorschriften nach Artikel 16­20 BankV einzuhalten.

Zudem werden auf der synthetischen Stufe Einzelinstitut ohne ausländische Niederlassungen Berichterstattungspflichten eingeführt. Die Berichterstattung soll die lokale Widerstandsfähigkeit systemrelevanter Banken unter der Annahme eingeschränkter Transferierbarkeit von im Ausland verwahrten Aktiven in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation abbilden. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 E-BankG ist die SNB in diesem Verfahren anzuhören.

2.1.4.4.2

Quantitative Anforderungen

Im Folgenden wird dargelegt, wie beabsichtigt ist, die Liquiditätsanforderungen auf Verordnungsstufe zu konkretisieren.

Die quantitativen Liquiditätsanforderungen auf Konzernstufe basieren auf der Berechnung von Liquiditätslücken, die eine systemrelevante Bank in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation (Stressszenario) aufweisen würde. Diese Liquiditätslücke darf während mindestens 30 Tagen nicht negativ sein.

Die Liquiditätslücken berechnen sich aus den Zu- und Abflüssen auf den Bilanzund Ausserbilanzpositionen, dem Liquiditätszufluss aus den stehenden Fazilitäten bei Zentralbanken, dem Liquiditätszufluss aus der Monetisierung des Liquiditätspuffers sowie ab dem 8. Tag aus dem Liquiditätszufluss aus der ausserordentlichen Liquiditätsfazilität der SNB (bis zum vereinbarten maximalen Betrag).

Der Liquiditätspuffer besteht aus liquiden, unbelasteten und frei verfügbaren Wertschriften, welche monetisiert werden könnten. Ein Teil dieses Puffers soll aus erstklassigen Schuldpapieren von Staaten und Zentralbanken sowie aus Schweizer Pfandbriefanleihen bestehen (primärer Puffer). Dies soll sicherstellen, dass ein anteilsmässiger Mindestbestand geringen Wertschwankungen ausgesetzt sein dürfte und so auch in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation eine relativ stabile Liquiditätsquelle für die Bank darstellt. Der andere Teil kann auch weitere liquide Wertschriften wie qualitativ hochstehende Anleihen und Aktien enthalten (sekundärer Puffer).

Das Stressszenario simuliert folgende Situation: Zum einen erleidet die Bank einen massiven Vertrauenseinbruch. Gegenparteien und Gläubiger zweifeln an der Solvenz und Liquidität der Bank. Zum anderen sind die Finanzmärkte angespannt und wenig liquide. Insgesamt führt dies dazu, dass die Bank massive Rückzüge ihrer

4754

Einleger erleidet und dass sie sich nicht mehr refinanzieren kann, und zwar auch nicht mehr gegen Sicherheiten.

Die FINMA konkretisiert das Stressszenario, indem sie Mindestwerte für die zentralen Stressparameter verfügt, welche die systemrelevanten Banken für die Berechnung der Liquiditätszuflüsse und -abflüsse anzuwenden haben. In den «Grundsätzen der durch die Grossbanken auf konsolidierter Stufe einzuhaltenden Liquiditätsvorschriften» vom 31. März 2010 wurden die zentralen Stressparameter bereits initial festgelegt. Bei Inkraftsetzung der vorliegend definierten Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken werden diese Parameter in die Verfügung der FINMA übernommen.

Die FINMA kann im Rahmen einer Verfügung die Stressparameter erhöhen oder herabsetzen. Insgesamt sollen die Schweizer Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken strenger kalibriert werden als die Basler Liquiditäts-Mindeststandards, um eine explizit höhere Robustheit gegenüber Liquiditätsschocks und den davon ausgehenden systemischen Risiken zu gewährleisten.

Parameter, die von der FINMA nicht vorgegeben werden, sind von der Bank vor dem Hintergrund des abzubildenden Stressszenarios festzulegen. Werden durch die Bank materielle Liquiditätsabflussquellen nicht oder ungenügend berücksichtigt, so kann die FINMA für diese Positionen die zu berücksichtigenden Abflüsse vorschreiben.

Nach Eintreten eines Liquiditätsschocks darf die Liquiditätslücke vorübergehend negativ werden. Diese Möglichkeit temporärer Erleichterungen stellt sicher, dass der zu haltende Liquiditätspuffer seiner eigentlichen Pufferfunktion auch gerecht werden kann. Liquiditätspuffer müssen in Normalzeiten aufgebaut und gehalten werden und in Stresssituationen eingesetzt werden können.

Weist die Bank eine negative Liquiditätslücke auf, oder rechnet sie aufgrund ausserordentlicher Liquiditätsabflüsse damit, dass in der näheren Zukunft eine negative Liquiditätslücke auftreten könnte, ist sie verpflichtet, dies der FINMA und der SNB unmittelbar zu melden. Zudem legt die Bank der FINMA einen Plan zur Schliessung der Liquiditätslücke zur Genehmigung vor. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens konsultiert die FINMA die SNB.

2.1.4.4.3

Qualitative Anforderungen

Die FINMA definiert Prinzipien für das Management und die Beaufsichtigung des Liquiditätsrisikos. Die bankengesetzliche Prüfgesellschaft überprüft die Einhaltung dieser qualitativen Anforderungen auf jährlicher Basis.

Gelangt die FINMA von sich aus oder auf Meldung der Prüfgesellschaft hin zur Überzeugung, dass die im vorangegangenen Absatz genannten Prinzipien ungenügend umgesetzt sind, ist vorgesehen, dass sie dies der Bank kommuniziert und einen Zuschlag von maximal 10 Prozent auf die bei der Berechnung der Liquiditätslücke berücksichtigten Bruttoliquiditätsabflüsse aus Bilanz- und Ausserbilanzpositionen der betroffenen Bank verfügt.

4755

2.1.4.4.4

Ergänzende Anforderungen

Es ist im Übrigen geplant, dass die FINMA die Einhaltung weiterer Liquiditätskennzahlen, insbesondere einer sogenannten «Net Stable Funding Ratio», verlangen kann. Die «Net Stable Funding Ratio» bestimmt das Maximalverhältnis von mittelfristigem Finanzierungsbedarf zu mittelfristigen Finanzierungsmöglichkeiten und soll die Robustheit der längerfristigen Finanzierung sicherstellen.

2.1.4.5

Risikoverteilung (Art. 9 Abs. 2 Bst. c E-BankG)

Die derzeitigen Risikoverteilungsvorschriften der ERV definieren die maximal zulässigen Klumpenrisiken von Banken und setzen sie in Bezug zu den nach ERV anrechenbaren Eigenmitteln eines Instituts. Im Rahmen der TBTF-Problematik stehen die Klumpenrisiken im Interbankenbereich im Zentrum. Durch eine Beschränkung der gegenseitigen Abhängigkeiten der Banken soll die Ansteckungsgefahr (Contagion) reduziert werden, so dass die Insolvenz einer einzelnen Bank mit einer im Vergleich zu heute geringeren Insolvenzwahrscheinlichkeit der übrigen Banken einhergeht. Eine Reduktion dieser Abhängigkeiten reduziert somit auch die Systemrelevanz von Banken.

Um dies im TBTF-Kontext zu erreichen, muss an zwei Punkten angesetzt werden: Erstens müssen systemrelevante Banken robuster gemacht werden und zweitens müssen die Abhängigkeiten aller Banken gegenüber systemrelevanten Banken reduziert werden.

2.1.4.5.1

Vorschriften für systemrelevante Banken

Die per Ende 2010 abgeschlossene Änderung der ERV für jene gut 40 Banken, die für ihre Kreditrisiken den internationalen Standardansatz oder den Internal Ratings Based-Ansatz anwenden, führt bereits dazu, dass das maximal zulässige Klumpenrisiken grösserer Banken gegenüber anderen Banken nur noch einen Fünftel so gross sein darf wie bis anhin. Dies betrifft auch die heute als systemrelevant eingestuften Grossbanken UBS und Credit Suisse. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c E-BankG bietet die Möglichkeit, die maximal zulässigen Klumpenrisiken für systemrelevante Banken zusätzlich zu beschränken.

Im Hinblick darauf, dass auch Banken, die den Schweizer Ansatz für die Eigenmittelunterlegung ihrer Kreditrisiken anwenden, systemrelevant werden können, soll Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c E-BankG genutzt werden, um die Klumpenrisikovorschriften für systemrelevante Banken zu vereinheitlichen.

2.1.4.5.2

Vorschriften für alle Banken

Im Rahmen von TBTF-Massnahmen sind insbesondere auch die maximal zulässigen Klumpenrisiken aller Banken gegenüber systemrelevanten Banken einzuschränken.

Gemäss Abschnitt 3.5 des TBTF-Expertenberichts steht dieses Ziel im Fokus der Kernmassnahme Risikoverteilung. Es werden daher bei der zur Umsetzung von Basel III nächstens erforderlichen Änderung der ERV und der zugehörigen Ausfüh4756

rungsbestimmungen zur Risikoverteilung spezifische Massnahmen nötig sein, um die Risikokonzentration sämtlicher Banken gegenüber systemrelevanten Banken zusätzlich zu begrenzen und die operationellen Abhängigkeiten zwischen diesen Banken zu reduzieren.

2.1.4.6

Organisation (Art. 9 Abs. 2 Bst. d E-BankG)

2.1.4.6.1

Zweck und Grundsatz

Für den Fall des Scheiterns einer systemrelevanten Bank sind die Voraussetzungen für einen geordnete Abwicklung zu schaffen. Nach den Prinzipien der freiheitlichen Marktordnung muss jedes Unternehmen scheitern können. Deshalb muss der Marktaustritt von systemrelevanten Banken unter gleichzeitiger Fortführung der systemrelevanten Funktionen und Vermeidung staatlicher Beihilfen gewährleistet werden.

Die Behörden müssen mit einem Instrumentarium ausgestattet werden, das es ihnen ermöglicht, den durch eine ungeordnete Insolvenz verursachten Schaden für die Volkswirtschaft abzuwenden, ohne den Steuerzahler einem Verlustrisiko auszusetzen. Deshalb bedarf es einer glaubwürdigen Regelung, welche die Insolvenz eines systemrelevanten Instituts als realistische Möglichkeit zulässt und dessen geordnete Abwicklung im Konkursfall ermöglicht, unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung systemrelevanter Funktionen.

Systemrelevante Banken unterliegen demnach besonderen organisatorischen Anforderungen. Im Sinne der Schadenabwehr muss die Weiterführung systemrelevanter Funktionen im Falle einer drohenden Insolvenz sichergestellt sein was die Banken in Notfallplänen nachzuweisen haben. Der Bundesrat wird die besonderen Anforderungen, welche die Banken nach diesem Buchstaben zu erfüllen haben, auch hier in einer Verordnung konkretisieren (vgl. Art. 10 Abs. 4 E-BankG).

Das Zusammenwirken der organisatorischen Massnahmen mit den Eigenmitteln spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Notfallpläne. Diese werden grundsätzlich dann ausgelöst, wenn das harte Kernkapital die Schwelle von 5 Prozent der risikogewichteten Aktiven erreicht oder unterschreitet und dadurch die Wandlung der tief «triggernden» Pflichtwandelanleihen ausgelöst wird. Damit wird sichergestellt, dass die Umsetzung der Notfallplanung unter ausreichernder Eigenkapitalausstattung erfolgen kann. Vom Grundsatz, dass die Notfallplanung ausgelöst wird, kann nur abgewichen werden, wenn mindestens äquivalente Massnahmen zur Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen getroffen wurden.

2.1.4.6.2

Subsidiaritätsprinzip

Subsidiarität bedeutet, dass es Aufgabe der systemrelevanten Banken ist, die organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, damit im Fall drohender Insolvenz die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen gewährleistet ist. Die Bank hat die entsprechenden genügenden und zweckmässigen Vorkehrungen gegenüber der FINMA nachzuweisen. Die Kriterien zur Beurteilung dieses Nachweises sowie die Massnahmen, welche die FINMA anordnen kann, wenn der Nachweis nicht erbracht wird, legt der Bundesrat in einer Verordnung fest (vgl. Art. 10 Abs. 4 E-BankG).

4757

Die organisatorischen Massnahmen wirken gleichzeitig präventiv (Nachweis der Weiterführung der systemrelevanten Funktionen) und kurativ (Krisenbewältigung) Ausschliesslich der Krisenbewältigung dient das Bankensanierungs- und Insolvenzrecht, welches ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept zur Risikominimierung der schädlichen Auswirkung des Scheiterns von systemrelevanten Banken ist.

Dem Subsidiaritätsprinzip in der vorliegenden Form liegt der Gedanke zugrunde, dass die Eingriffsintensität einer besonderen Anforderung wesentlich gemildert werden kann, indem den Betroffenen funktionale statt inhaltliche Vorgaben gemacht werden, d.h. nur das Ziel, nicht aber der Weg vorgegeben wird. Nur wenn das vorgegebene Ziel nicht erreicht wird, darf die FINMA selbst Massnahmen anordnen.

Das Verfahren ist dabei so auszugestalten, dass ein regelmässiger Austausch zwischen der FINMA und den Betroffenen stattfindet, so dass deren Mitwirkung möglichst umfassend gewährleistet ist.

2.1.4.7

Verhältnis zwischen den Eigenmittel-, Liquiditäts- und Risikoverteilungsanforderungen sowie den organisatorischen Anforderungen

Die vier besonderen Anforderungsbereiche stehen in mehrfachen Beziehungen zueinander. Sie ergänzen sich gegenseitig, setzen sich aber auch gegenseitig voraus.

Während einzelne organisatorische Anforderungen sofort umgesetzt werden müssen, damit ihr Ziel erreicht wird, genügt es bei anderen, wenn konkret umsetzbare Notfallpläne bestehen.

Mehr Kapital und Liquidität schaffen in Krisensituationen Handlungsfreiheit und damit Zeit für die Suche nach einer Lösung oder für die Umsetzung bereits geplanter Lösungen. Zwischen organisatorischen Massnahmen und Eigenmitteln ist zudem eine gewisse Substituierbarkeit vorgesehen, indem eine verbesserte Resolvability zu Eigenmittelrabatten führen kann (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 2.1.5).

Im Zentrum stehen die progressive Eigenmittelkomponente und die zu deren Erfüllung ausgegebenen bedingten Pflichtwandelanleihen. Unterschreitet die Bank eine bestimmte Eigenmittelquote (vorgeschlagen sind 5 % der risikogewichteten Aktiven), wird die Wandlung ausgelöst. Damit ist gleichsam die wichtigste Voraussetzung in Form des nunmehr geschaffenen Eigenkapitals vorhanden, um die systemrelevanten Funktionen in kurzer Zeit auf die Übergangsbank zu übertragen oder ihre Weiterführung auf andere Weise, z.B. durch Verkauf, zu gewährleisten. Durch Wandlung der zu diesem Zweck begebenen Pflichtwandelanleihe wird der gesamten Bank, d.h. der Übergangsbank und der Restbank, neues Kapital zur Verfügung gestellt. Die auf diese Weise geäufneten Mittel dienen der Finanzierung der auf einen unabhängigen Rechtsträger übertragenen systemrelevanten Funktionen. Das durch die automatische Konversion der CoCos direkt oder indirekt geschaffene harte Kernkapital entsteht zunächst in der Gesellschaft, die die CoCos ausgegeben hat.

Sodann wird das Kapital zwischen dem die systemrelevanten Funktionen aufnehmenden Rechtsträger und der Restbank verteilt. Auf diese Weise kann eine möglichst weitgehende Gleichbehandlung der Gläubigergruppen erzielt werden. Die Grundidee des Wandlungskapitals mit tiefem «Trigger» besteht darin, die in der letzten Krise für die Sanierung systemrelevanter Banken erforderliche Staatshilfe in wesentlichem Umfang durch dieses zu ersetzen.

4758

Die zusätzlichen Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken stellen schliesslich auch einen Ausgleich dafür dar, dass organisatorische Massnahmen für sich allein keine absolute Sicherheit in Bezug auf die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen bieten können.

2.1.5

Umsetzung auf die einzelne Bank (Art. 10 E-BankG)

2.1.5.1

Verfügung der besonderen Anforderungen (Art. 10 Abs. 1)

Steht die Systemrelevanz einer Bank fest, so kann ­ unter Berücksichtigung der vom Bundesrat in einer Verordnung festgelegten Kriterien im Sinne von Artikel 10 Absatz 4 E-BankG ­ die FINMA nach Anhörung der Nationalbank durch Verfügung die besonderen Anforderungen festlegen, die diese Bank im Hinblick auf Eigenmittel, Liquidität und Risikoverteilung (Art. 9 Abs. 2 Bst. a­c E-BankG) zu erfüllen hat.

Die Verfügungskompetenz der FINMA unter diesem Absatz bezieht sich damit nicht auf die Anordnung organisatorischer Massnahmen. Diese werden von Absatz 2 erfasst. Im Übrigen gilt das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes. Verfügungen der FINMA sind mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 53 und 54 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200733; FINMAG).

2.1.5.2

Nachweis der genügenden Organisation (Art. 10 Abs. 2)

2.1.5.2.1

Zweck, Inhalt und Beweismassstab

Zentraler Sinn und Zweck der Vorlage ist es, wie schon mehrfach betont, dass systemrelevante Banken ihre für das System relevanten Funktionen auch im Fall drohender Insolvenz fortführen können, ohne dass die Steuerzahler dafür einspringen müssen. Es ist daher folgerichtig, wenn die FINMA ­ selbstverständlich nach Massgabe des Subsidiaritätsprinzips ­ in die Lage zu versetzen ist, die notwendigen Massnahmen anzuordnen, wenn eine Bank entgegen den Vorgaben von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d E-BankG nicht nachweist, dass sie die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen für den Fall drohender Insolvenz gewährleisten kann.

Auch hier gelten alle allgemeinen Verfahrensrechte, und sind die Verfügungen der FINMA mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 53 und 54 FINMAG).

Was den Inhalt des Nachweises betrifft, so haben die Banken auf Prozessebene nachzuweisen, dass Notfallpläne erstellt wurden, die im Fall drohender Insolvenz in kurzer Zeit die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen sicherstellen können. Die Banken haben aufzuzeigen, dass sie durch konkrete organisatorische Vorkehrungen die Voraussetzungen für die Weiterführung der von ihnen wahrgenommenen systemrelevanten Funktionen bei drohender Insolvenz geschaffen haben.

Unter Beachtung des funktionalen Ansatzes sind folgende Nachweiskriterien denkbar, welche der Bundesrat in einer Verordnung konkretisieren wird (Abs. 4): Die systemrelevante Bank kann im Notfallplan in unterschiedlicher Ausgestaltung die 33

SR 956.1

4759

Übertragung der systemrelevanten Funktionen auf einen selbständigen und mit ausreichenden Mitteln ausgestatteten neuen Unternehmensträger (Übergangsbank) vorsehen. Die Separierung und Weiterführung der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz mag bei ausländischen Gläubigern Befürchtungen einer latenten Benachteiligung auslösen. Entsprechenden Bedenken kann indes begegnet werden, indem die systemrelevanten Banken in ihren Planungen vorsehen, dass die Übergangsbank sowie die Restgesellschaft in jeweils angemessener Weise mit Kapital ausgestattet werden. Weil Ungleichbehandlungen dennoch nie restlos ausgeschlossen werden können, sollten das Fairnessprinzip, das Transparenzgebot sowie eine angemessene Verfahrensbeteiligung der ausländischen Gläubiger wichtige Ziele sein, welche es im Rahmen der Regulierung, aber auch beim Vollzug zu beachten gilt. Damit dürfte die Gefahr möglicher ausländischer Schutzmassnahmen reduziert werden können.

Was den Beweismassstab betrifft, so ist zu beachten, dass der Beweisgegenstand im Wesentlichen einerseits Prognosen über die Wirksamkeit der im Notfallplan vorgesehenen organisatorischen Massnahmen sowie andererseits die Umsetzung der im Rahmen der Planung geforderten organisatorischen Vorkehren umfasst. Letzteres hat einem strengen Beweismassstab zu genügen, der darauf ausgerichtet ist, dass die geforderten Massnahmen umfassend umgesetzt worden sind. Ersteres richtet sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Beweismassstab bei Prognosen.

In den Fällen, in denen ein strikter Beweis nicht nur im Einzelfall, sondern der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und insofern in gewisser Weise eine «Beweisnot» besteht (vgl. etwa BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 275 mit weiteren Nachweisen),. ist der Beweis bereits erbracht, wenn die Bank zeigen kann, dass die ergriffenen Massnahmen nach dem aktuellen Stand der Erkenntnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den angestrebten Erfolg bringen werden.34

2.1.5.2.2

Massnahmen der FINMA

Nur für den Fall, dass die Bank den ihr nach diesem Absatz obliegenden Nachweis nicht erbringen kann, ergreift die FINMA in strikter Befolgung des Subsidiaritätsprinzips die notwendigen Massnahmen, um den ordnungsgemässen Zustand wieder herzustellen.

Die Kriterien für den zu erbringenden Nachweis sowie die der FINMA zu Gebote stehenden Massnahmen sind durch den Bundesrat in einer Verordnung festzulegen (Art. 10 Abs. 4 E-BankG). Er wird sich dabei an der Zweckbestimmung (Art. 7 Abs. 2 E-BankG) und dem Verhältnismässigkeitsprinzip orientieren.

Aus Sicht des Systemschutzes von besonderer Bedeutung sind die im März 2011 vom Parlament gutgeheissenen Änderungen im Bankinsolvenzrecht (Vorlage 10.049). So kann die FINMA nunmehr gestützt auf die ausdrückliche gesetzliche Grundlage in Artikel 30 BankG hoheitlich die Weiterführung einzelner Bankdienstleistungen anordnen. Verschiedene Problembereiche, wie etwa die Gläubigeranfechtungsklagen, welche die Übertragung systemrelevanter Funktionen in eine Übergangsbank gefährden könnten, lassen sich durch eine Anpassung der Bestimmungen im Bankenkonkursrecht mildern (vgl. Ziff. 2.1.7).

34

Expertenbericht, S. 40 und 82.

4760

2.1.5.3

Erleichterungen bei den Eigenmittelanforderungen (Rabatte, Art. 10 Abs. 3)

Absatz 3 regelt den Fall, in dem eine systemrelevante Bank die organisatorischen Mindestanforderungen betreffend Weiterführung der systemrelevanten Funktionen (vgl. Ziff. 2.1.5.2) übertrifft und dadurch ihre globale «Resolvability» der Gesamtbank verbessert. Ausländische Interessen sind bei der Ausführung der jeweiligen lokalen Notfallpläne zu berücksichtigen. Wird anhand von Sanierungs- und Abwicklungsplänen der Wirksamkeitsnachweis erbracht, kann die FINMA dies mit Erleichterungen (Rabatten) bei der progressiven Eigenmittelkomponente honorieren. Für die von der systemrelevanten Bank im Minimum nachzuweisenden und umzusetzenden Massnahmen nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d E-BankG zur Weiterführung der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz wird kein Rabatt gewährt.35 Die FINMA wird die Höhe der Rabatte jährlich bis Ende des ersten Quartals oder auf Gesuch der Bank mit Verfügung aufgrund einer wertenden Gesamtschau nach Massgabe verschiedener Kriterien festlegen. Dazu dient, in Übereinstimmung mit internationalen Konzepten, ein «Resolution Effectivity Test» (RET). Der Test bezieht sich bereits auf die Strukturierung der Kriterien und sodann auf die konkrete Ausfüllung durch die einzelne Bank. Die Rabatthöhe ist abhängig von der voraussichtlichen Sanierungseffektivität der Massnahmen (Reduzierung der Abwicklungskosten und Erleichterung der Abwicklung) und der Kosten-Nutzen-Relation im Interesse der Anreizoptimierung für das Management.

Für die Erfüllung der einzelnen Kriterien sind somit keine festen Beträge vorgesehen, deren Summe den Gesamtrabatt ergeben würde. Vielmehr ergibt sich die Erfüllung der einzelnen Kriterien im Zusammenhang mit den übrigen Kriterien sowie aufgrund einer individuellen Gewichtung der Zielerreichung.

Zur Erreichung des Zwecks ist eine Reihe von Vorkehrungen der Bank denkbar, wie zum Beispiel die Verringerung der Abhängigkeiten und Ansteckungsrisiken innerhalb des Konzerns. Ein Mittel dazu kann die Schaffung von mehr Transparenz und verursachergerechter Kostenallokation im Bereich der konzerninternen Finanzierung (Funding) sein. Im Weiteren können beispielsweise Massnahmen im Bereich der Reduktion des sogenannten faktischen Beistandszwangs im Konzern sowie der Reduktion des Risikos des Beschlags von Aktiven durch ausländische Aufsichtsund Konkursbehörden ergriffen
werden. Von ausländischen Aufsichtsbehörden angeordnete Massnahmen können je nach Umfang und Zweck berücksichtigt werden, insbesondere bei Verbesserungen der allgemeinen «Resolvability» im Rahmen des internationalen Sanierungs- und Insolvenzrechts sowie durch gleichwertige «bail-in»-Konzepte oder -Instrumente.

Die Höhe des Rabatts soll durch einen Sockel von 1 Prozent RWA begrenzt werden.

Die Systemrelevanz an sich erfordert unabhängig von Grösse und Marktanteil nach dem Konzept des Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a E-BankG einen stets geltenden Mindestzuschlag in der progressiven Komponente, die gerade der Systemrelevanz und den sich daraus ergebenden besonderen Gefahren für das Finanzsystem geschuldet ist.

35

Siehe Expertenbericht, Kapitel 3.3 «Kernmassnahme Eigenkapital», S 29, und ganz deutlich Kapitel 3.6 «Kernmassnahme Organisation», S. 39 f.

4761

Es stellt sich die Frage, bis zu welcher unteren Grenze der progressiven Komponente ein Rabatt gewährt werden kann. Einerseits stellt der oben beschriebene Sockel eine Grenze dar. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass substantielle Mittel zur Finanzierung der Umsetzung des Notfallplans bzgl. der Fortführung der systemrelevanten Funktionen benötigt werden. Ohne bereits an dieser Stelle auf die Kalibrierung vorgreifen zu wollen, dürfte eine nicht rabattfähige Untergrenze von 40­50 Prozent der progressiven Komponente nicht unrealistisch sein.

2.1.5.4

Verordnungskompetenz des Bundesrates (Art. 10 Abs. 4)

Die besonderen Anforderungen von Artikel 9 Absatz 2 E-BankG werden in Verordnungen des Bundesrats und in technischen Ausführungsvorschriften der Aufsichtsbehörden (Art. 55 Abs. 1 FINMAG) weiter konkretisiert. Aus jetziger Sicht ist geplant, die ERV um ein Kapitel für systemrelevante Banken zu ergänzen, wobei es sich um Vorschriften im Bereich der Eigenmittel, der Leverage Ratio und Risikoverteilung handeln wird. Ferner sind die Liquiditätsbestimmungen, wie sie bereits heute für die Grossbanken gelten, in einer eigenen Verordnung zu regeln. Schliesslich sollen in einem eigens dafür vorgesehenen Kapitel der BankV die organisatorischen Anforderungen an systemrelevante Banken festgelegt werden. Soweit die Bundesratsverordnungen nicht unmittelbar die Rechte und Pflichten der systemrelevanten Banken begründen, setzt die FINMA nach Absatz 1 die konkreten besonderen Anforderungen, die eine systemrelevante Bank zu erfüllen hat, durch Verfügung fest.

Was die besonderen Anforderungen zur Organisation der systemrelevanten Banken nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d E-BankG betrifft, so wird in der BankV festzuhalten sein, dass gegenüber der Bank Vorbereitungen zur Bildung eines unabhängigen Rechtsträgers in der Schweiz angeordnet werden können. Dieser dürfte nicht auf der obersten Konzernstufe angesiedelt sein und würde der Weiterführung der systemrelevanten Funktionen dienen. Käme es zu einer Insolvenz der Restbank, könnte dieser Rechtsträger unabhängig von dieser fortbestehen. Die Anteile könnten entweder sofort veräussert werden oder fielen in die Insolvenzmasse. Der Rechtsträger wird nicht auf Dauer angelegt sein und vielmehr dazu dienen, innerhalb einer bestimmten, in der Regel überschaubaren Frist, z.B. zwei Jahre, die dort zusammengeführten Funktionen in eine tragfähige und dauerhafte Lösung zu überführen oder aber, wenn dies nicht gelingt, geordnet abzuwickeln. Die diesem Rechtsträger von der FINMA zu erteilende Bewilligung kann daher ­ seinem Zweck entsprechend ­ durchaus befristet erteilt werden.

Ebenfalls Gegenstand der Verordnung wird die Auslagerung der systemrelevanten Funktionen sein. Dieser muss eine funktionale Entflechtung der sie betreffenden Beziehungen innerhalb des Konzerns vorangehen. So könnte die FINMA die rechtliche und operative Strukturierung der Bank entlang ihrer Geschäftsbereiche
anordnen, soweit damit die Möglichkeit zur Auslagerung und separaten Weiterführung der systemrelevanten Funktionen günstig beeinflusst wird.

Eine weitere in der Verordnung vorzusehende Massnahme müsste die systemrelevante Infrastruktur sowie die Erbringung der systemrelevanten Dienstleistungen sicherstellen. Dies könnte die FINMA umsetzen, indem sie die Auslagerung dieser Bereiche in eine zentral geführte Gesellschaft innerhalb des Konzerns oder in eine 4762

separate Einheit ausserhalb des Konzerns anordnet. Ziel ist hierbei die Krisen- und Insolvenzbeständigkeit dieser für die Fortführung von Bankdienstleistungen entscheidenden Einheit aufgrund ihrer Separierung von der Restgesellschaft sowie die Konkursbeständigkeit der Dienstleistungsvereinbarungen.

2.1.6

Massnahmen im Bereich der Vergütungen (Art. 10a E-BankG)

2.1.6.1

Massnahmenpflicht bei staatlicher Beihilfe

Wird einer systemrelevanten Bank (vgl. die Definition in Art. 7 Abs. 1 E-BankG) oder deren Konzernobergesellschaft trotz Umsetzung der besonderen aufsichtsrechtlichen Anforderungen staatliche Beihilfe gewährt, ordnet der Bundesrat ­ solange die Unterstützung gewährt wird ­ gleichzeitig Massnahmen an, welche die Ausrichtung bestimmter Vergütungen beschränkt. Die Regulierung erfolgt ausschliesslich bei Staatshilfe aus Bundesmitteln. Diese Staatshilfe schliesst direkte finanzielle Beiträge des Bundes, wie z.B. ein Darlehen, einen Überbrückungskredit, den Kauf einer Pflichtwandelanleihe oder von Aktien ein. Sie umfasst auch indirekte Massnahmen, z.B. in Form von Garantien oder den Kauf illiquider Aktiven.

Die Staatshilfe kann sodann direkt aus Mitteln des Bundeshaushaltes erfolgen oder auch aus Mitteln von öffentlich-rechtlichen oder spezialgesetzlichen Einrichtungen des Bundes, wie z.B. der SNB.

Die Formulierung stellt klar, dass bei Gewährung von staatlicher Hilfe Massnahmen hinsichtlich der Vergütungssysteme der betroffenen Finanzinstitute angeordnet werden müssen. Es handelt sich nicht um eine Kann-Vorschrift. Die Massnahmen müssen zudem für die gesamte Zeitspanne der staatlichen Unterstützung greifen.

2.1.6.2

Art der Massnahmen

Im zweiten Absatz werden im Sinne einer nicht abschliessenden Aufzählung zwei mögliche bundesrätliche Massnahmen genannt. Zum einen kann der Bundesrat umgehend die Auszahlung vereinbarter variabler Lohnanteile gänzlich oder teilweise verbieten, solange die betroffene Bank Staatshilfe beansprucht (Bst. a). Zum anderen kann er aber auch eine Anpassung des Vergütungssystems anordnen (Bst. b). Beispielsweise können die Berechnungsgrundlagen für die variablen Vergütungen geändert oder variable Vergütungen auf bestimmte Empfängergruppen limitiert werden. Auch könnte etwa auch die Auszahlung variabler Vergütungsanteile an eine längerfristige Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des betroffenen Finanzinstituts geknüpft werden. Die Bestimmung verdeutlicht, dass der Umfang der zur Verfügung gestellten staatlichen Mittel und die Auszahlung von Vergütungen aneinander gekoppelt sind: Die betroffenen Finanzinstitute sollen variable Vergütungen nicht mit staatlichen Mitteln finanzieren können. Diese Anordnungen werden im Rahmen der Vereinbarung über die Staatshilfe mit der betroffenen Bank zu treffen sein.

4763

2.1.6.3

Vorbehalt in Vergütungsvereinbarungen

Der Vorbehalt, den systemrelevante Banken bzw. die Konzernobergesellschaft von systemrelevanten Finanzgruppen oder Finanzkonglomeraten nach Absatz 2 in ihre Vergütungsvereinbarungen aufzunehmen haben, dient der Durchsetzung der Massnahmen gemäss Absatz 2. Der Vorbehalt soll sicherstellen, dass diese Finanzinstitute den Massnahmen nicht vertragliche Vereinbarungen zu variablen Vergütungen entgegenhalten können, die sie vorgängig mit ihren Mitarbeitern abgeschlossen haben.

2.1.7

Sanierungsbestimmungen

In der Vernehmlassung wurde namentlich von Bankenseite geltend gemacht, unter geltendem Recht sei eine rasche und nachhaltige Übertragung von Vertragsverhältnissen oder Vermögen einer Bank auf einen selbständigen Rechtsträger zur Weiterführung von systemrelevanten Funktionen nicht gewährleistet. Es fehle an rechtlichen Grundlagen für die Übertragung als solche und diese stehe auch unter einem erhöhten Anfechtungsrisiko, welches es auszuschliessen oder zumindest zu reduzieren gelte. Ohne gesetzliche flankierende Massnahmen sei es einer Bank nach heutiger Rechtslage nicht möglich, einen im Ernstfall tatsächlich funktionierenden Notfallplan aufzustellen. Die Bestimmungen von Artikel 24 Absatz 3 bis Artikel 32 Absatz 2bis der Vorlage tragen diesen teilweise berechtigten Bedenken in angemessener Weise Rechnung.

Das Bankensanierungsverfahren nach Artikel 28 ff. BankG, wie es vom Parlament am 18. März 2011 verabschiedet wurde, soll auch mit den hier vorgeschlagenen Anpassungen nach wie vor für alle Banken gelten. Eine Sonderregelung für systemrelevante Banken ist weder notwendig noch sinnvoll. Droht einer solchen Bank die Insolvenz, so wird die FINMA, wie bei einer anderen Bank, soweit zur Wahrung der Gläubigerinteressen notwendig Schutzmassnahmen anordnen (vgl. Art. 26 BankG) und in enger Begleitung der Bankorgane einen Sanierungsplan ausarbeiten. Dieser wird bei einer systemrelevanten Bank auf einem bestehenden Notfallplan aufbauen können, was verfahrensmässig der einzige Unterschied zu einer nicht systemrelevanten Bank darstellt. Der Umstand, dass der Sanierungsplan bei einer systemrelevanten Bank in der Regel die Übertragung systemrelevanter Funktionen auf einen selbständigen Rechtsträger vorsehen wird, rechtfertigt ebenfalls keine verfahrensmässige Sonderbehandlung, denn auch bei nicht systemrelevanten Banken können Bankdienstleistungen schon nach dem bisherigem Artikel 30 BankG auf diese Weise übertragen und weitergeführt werden. Zudem werden bei einer systemrelevanten Bank im Sanierungsverfahren nicht nur systemrelevante Funktionen erfasst und übertragen werden. Dies zeigt zusätzlich die Notwendigkeit, dass ein einheitliches Verfahren unabhängig der Systemrelevanz der Bank und ihrer Funktionen zur Anwendung gelangt. Als einzige Sonderbestimmung für systemrelevante Banken sieht das hier vorgeschlagene Verfahren vor, dass der Sanierungsplan nicht wie bei anderen Banken durch eine betragsmässige Gläubigermehrheit abgelehnt werden kann.

4764

2.1.7.1

Aufschiebende Wirkung (Art. 24 Abs. 3 E-BankG)

Die Anfechtung von Verfügungen der FINMA richtet sich nach den Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Dies gilt grundsätzlich auch für Verfügungen nach dem elften und zwölften Abschnitt des BankG. Während die Beschwerdelegitimation der betroffenen Bank zur Anfechtung einer sie betreffende Verfügung nicht eingeschränkt wird, beschränkt der bestehende Absatz 2 die Beschwerdelegitimation von Gläubigern und Eignern der Bank auf die Anfechtung der Genehmigung des Sanierungsplans und von Verwertungshandlungen.

Der bestehende Absatz 3 entzieht jeder Beschwerde gegen eine Verfügung nach dem elften und zwölften Abschnitt des Bankengesetzes die aufschiebende Wirkung, soweit der Instruktionsrichter die aufschiebende Wirkung auf Gesuch hin nachträglich nicht wieder erteilt. Absatz 3 wird nun mit einem weiteren Satz ergänzt. Für die Genehmigung des Sanierungsplans bestehen hohe Voraussetzungen, die von der FINMA nach Artikel 31 BankG zu prüfen sind. Namentlich kann eine Genehmigung nur erfolgen, wenn die Gläubiger voraussichtlich besser gestellt werden als im Konkursfall und wenn der Vorrang der Interessen der Gläubiger vor denjenigen der Eigner und die Rangfolge der Gläubiger unter sich berücksichtigt wird. Wird den Gläubiger- und Eignerrechte in diesem Lichte gebührend Rechnung getragen, so rechtfertigt es das Interesse der Bankkunden ­ auch von nicht systemrelevanten Banken ­ an einer lückenlosen Weiterführung der oft lebenswichtigen Bankdienstleistungen, dass der Sanierungsplan sofort umgesetzt wird und allfälligen Beschwerden von Bank, Gläubigern und Eignern keine aufschiebende Wirkung zukommen kann.

2.1.7.2

Entschädigung (Art. 24 Abs. 4 E-BankG neu)

Absatz 4 enthält Regeln zur Beschwerde der Gläubiger und Eigner gegen den Sanierungsplan. Was die durch den Sanierungsplan betroffene Bank betrifft, so kann diese auch den Sanierungsplan nach den allgemein geltenden Bestimmungen über die Bundesrechtspflege mit Beschwerde anfechten. Ficht die Bank den Sanierungsplan an, so könnte das Gericht (Bundesverwaltungsgericht; vgl. Art. 33 Bst. e des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200536) also etwa den Wertausgleich unter den betroffenen Rechtsträgern (vgl. Art. 31b) neu festlegen oder auch ­ im äussersten Fall ­ den Sanierungsplan aufheben und die (zumindest teilweise) Rückabwicklung anordnen. Die Beschwerde der Bank folgt den ordentlichen Regeln, einzig die aufschiebende Wirkung ist nach Absatz 3 ausgeschlossen. Wäre sie es nicht, so wäre die Weiterführung der Bankdienstleistungen nicht möglich.

Was nun die von Absatz 4 konkret erfassten Gläubiger und Eigner betrifft, so kann das Gericht diesen auf eine Beschwerde gegen den Sanierungsplan hin einzig eine Entschädigung zusprechen. Eine Aufhebung des Sanierungsplans, also namentlich etwa eine Rückübertragung von Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen, ist in diesem Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen. Dies ist sachgerecht, denn es kann nicht sein, dass ein einzelner Gläubiger oder Eigner den ganzen Sanierungsplan zu Fall bringt. Die Interessen der Beschwerdeführer sind weitgehend pekuniärer Art und können mit dem Zuspruch einer Entschädigung oder Sicherstellung eines allfäl36

SR 173.32

4765

ligen Ausfalls vollumfänglich abgegolten werden. Passivlegitimiert in diesem Verfahren ist der Rechtsträger, der nach der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführer durch den Sanierungsplan bevorzugt worden und daher ausgleichspflichtig ist. Für die dem Beschwerdeführer zuzusprechende Entschädigung ist aber allein der von ihm erlittene oder potentiell mögliche individuelle Wertverlust massgebend. Bei dessen Bemessung wird das Gericht darüber zu befinden haben, ob der Sanierungsplan insgesamt die in der betroffenen Bank vorhandene Substanz entsprechend der divergierenden Rechte der Gläubiger und Eigner (namentlich am Bestand und an der Werthaltigkeit ihrer Forderungen bzw. Anteile) und dem (auch) öffentlichen Interesse an der Weiterführung der Bankdienstleistungen angemessen auf die bisherigen und neuen Rechtsträger verteilt hat. Selbstverständlich wird dabei ein allenfalls schon erfolgter Wertausgleich nach dem neuen Artikel 31b E-BankG zu berücksichtigen sein.

2.1.7.3

Koordination mit Zahlungs- und Effektenabwicklungssystemen (Art. 27 Abs. 1 E-BankG)

Bislang erfasste dieser Absatz nur Massnahmen nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe f­h E-BankG, also bestimmte Schutzmassnahmen. Es besteht indessen kein Anlass, die Benachrichtigung auf diese isolierten Massnahmen zu beschränken, denn auch die Genehmigung eines Sanierungsplans mit einer Übertragung von Werten auf einen anderen Rechtsträger ist beispielsweise ein Vorgang, der mit Zahlungs- oder Effektenabwicklungssystemen zu koordinieren ist. Aus analogen Überlegungen hat das Parlament bei der letzten Revision des BankG bereits Artikel 27 Absatz 3 angepasst.

2.1.7.4

Ausschluss des Fusionsgesetzes (Art. 30 Abs. 3 E-BankG)

In diesem Absatz wurde ein zweiter Satz eingefügt, der die Anwendung des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 200337 (FusG) neu ausdrücklich ausschliesst. Eine Weiterführung von Bankdienstleistungen wäre unter den zeitlichen Vorgaben, unter denen im Sanierungsfall Vertragsverhältnisse oder Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden müssen, nicht denkbar, wenn die Bestimmungen des FusG zum Tragen kämen. Eine Übergangsbank muss innert Tagen, in der Regel über das Wochenende, funktionsfähig sein. Der Kunde muss die Dienstleistungen nahtlos weiter beziehen können, ansonsten droht ein zusätzlicher Vertrauensverlust mit zumeist dramatischen Folgen. Eine Übertragung nach FusG (vgl. Art. 29 ff.

FusG) bedingte nebst zahlreichen weiteren Formalitäten möglicherweise eine Zwischenbilanz, sicher aber einen Spaltungsplan oder Spaltungsvertrag, einen während zweier Monate aufzulegenden Prüfungsbericht, eine anschliessende Genehmigung durch die Generalversammlung und eine formalisierte Berücksichtigung von Gläubiger- und Arbeitnehmerinteressen. Dieses Verfahren muss bei der Sanierung einer Bank den Regeln über die Erstellung und die Genehmigung des Sanierungsplans weichen, ansonsten wird eine Weiterführung von Bankdienstleis37

SR 221.301

4766

tungen illusorisch. Die Gläubiger- und Eignerrechte können beim Sanierungsplan über den Beschwerdeweg gewahrt werden; für die Arbeitnehmer gelten die Artikel 333 und 333a des Obligationenrechts38 (OR).

2.1.7.5

Genehmigung des Sanierungsplans (Art. 31 Abs. 1 Bst. d und Abs. 4 E-BankG neu)

Die Ergänzung von Absatz 1 durch einen Buchstaben d zielt auf den Fall der Übertragung von Vermögenswerten und Vertragsverhältnissen auf einen anderen Rechtsträger. Zusammenhängende Vertragsverhältnisse (bspw. ein Hypothekarkreditverhältnis mit der zugehörigen Sicherheitenvereinbarung und den entsprechenden Sicherheiten oder die unter einem Rahmenvertrag abgeschlossenen Derivatverträge) sollen soweit möglich nicht getrennt werden. Damit werden unnötige Folgekosten für die Bank und für die Betroffenen vermieden.

Die in Absatz 4 vorgesehene öffentliche Bekanntmachung des Sanierungsplans soll für das Publikum Klarheit über die getroffenen Massnahmen schaffen und so zum Vertrauen in die neuen Strukturen beitragen. Gleichzeitig erhalten die betroffenen Eigner und Gläubiger eine Grundlage, um die Aussichten einer allfälligen Beschwerde zu prüfen.

2.1.7.6

Ablehnung des Sanierungsplans (Art. 31a Abs. 3 E-BankG)

Auch nach dem hier angepassten Sanierungsverfahren soll ein unmittelbar in die Gläubigerrechte eingreifender Sanierungsplan von einer betragsmässigen Mehrheit der Gläubiger nach Artikel 31a Absatz 1 und 2 E-BankG abgelehnt werden können mit der Folge, dass über die Bank der Konkurs eröffnet wird. Bei der Sanierung einer systemrelevanten Bank darf diese Regelung indessen nicht greifen, da hier das öffentliche Interesse an einer unbehinderten Weiterführung der systemrelevanten Funktionen einem Interesse der Gläubiger an der Konkurseröffnung vorgehen muss.

Absatz 3 stellt dies klar, und schafft zusätzliche Rechtssicherheit in Bezug auf die Weiterführung systemrelevanter Funktionen, auch wenn im Zeitpunkt der Übertragung der systemrelevanten Funktionen auf einen anderen Rechtsträger in der Regel noch kein unmittelbarer Eingriff in die Rechte der Gläubiger erfolgt. Die Gläubiger können ihre allfällig betroffenen Rechte auf dem Beschwerdeweg nach Artikel 24 Absatz 4 E-BankG geltend machen und eine Entschädigung einklagen.

2.1.7.7

Wertausgleich (Art. 31b E-BankG)

Vorweg sei hier klargestellt, dass bei einer Übertragung die einzelnen Forderungen oder Beteiligungen nicht untergehen, sondern auf unterschiedlichen Rechtsträgern weiterbestehen. Eine direkt in Forderungsrechte eingreifende Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder die Reduktion des bisherigen und Schaffung von neuem Eigenkapital und die damit einhergehende Verwässerung der Aktionärsrechte ist im 38

SR 220

4767

Gesetz weiterhin nur für den Fall vorgesehen, dass die Insolvenz einer Bank nicht auf andere Weise beseitigt werden kann (Art. 31 Abs. 3 E-BankG). Die nur teilweise Übertragung von Vermögen und Vertragsverhältnissen auf einen anderen Rechtsträger kann aber dann einen Eingriff in die Rechte der Gläubiger oder Eigner bedeuten, wenn deren Forderungen oder Beteiligung durch eine ungleiche Ausstattung der alten und neuen Rechtsträger beeinträchtigt werden. Die Beeinträchtigung der Gläubiger- und Eignerrechte kann in einer Verminderung des Haftungssubstrats oder der Beteiligung an der Unternehmung bestehen. Absatz 1 hält die FINMA an, in diesen Fällen eine neutrale Bewertung der übertragenen und verbleibenden Vermögenswerte vornehmen zu lassen.

Nach Absatz 2 wird die FINMA sodann unter Berücksichtigung der Rangfolge zwischen Eignern und Gläubigern sowie der Gläubiger unter sich einen allfällig notwendigen Ausgleich festsetzen. Dabei wird sie gegebenenfalls dem öffentlichen Interesse an einer Fortführung von Bankdienstleistungen angemessen Rechnung tragen dürfen. Die Festsetzung des Ausgleichs wird als Nachtrag in den Sanierungsplan aufgenommen und ist damit unter den Bedingungen von Artikel 24 BankG anfechtbar.

2.1.7.8

Paulianische Anfechtung (Art. 32 Abs. 2bis E-BankG neu)

Der Sanierungsplan muss, wie bereits dargelegt, sofort umgesetzt und die allenfalls neuen Rechtsträger müssen ihre Funktionen umgehend ausüben können. Dies ist nicht möglich, solange auf dem Sanierungsplan basierende Rechtshandlungen, wie namentlich die Übertragung von Vermögenswerten, mit paulianischen Klagen nach Artikel 285 ff. SchKG angefochten werden können. Diese Klagen sind daher ebenfalls auszuschliessen und die allfällig in ihren Rechten Beeinträchtigten auf den Wertausgleich nach Artikel 31b E-BankG sowie den Beschwerdeweg nach Artikel 24 BankG zu verweisen.

2.2

6. Abschnitt: Zusätzliches Kapital

2.2.1

Allgemeines

Ziel des neuen 6. Abschnitts des Bankengesetzes über das «zusätzliche Kapital» ist es, den Banken die Möglichkeit einzuräumen, zur Krisenverhinderung und -bewältigung schneller und einfacher Aktien- bzw. Partizipationskapital oder weiteres haftendes Eigenkapital durch Forderungsverzicht zu schaffen.

Das Vorratskapital ist an das genehmigte Kapital gemäss Artikel 651 f. OR angelehnt. Demgegenüber ist das Wandlungskapital eine neue Rechtsschöpfung, weil das bedingte Kapital gemäss Artikel 653 ff. OR nicht passt. Dies gilt deshalb, weil die Wandlung bei letzterem von der Grundkonzeption einer Wandlungserklärung des Gläubigers ausgeht, während bei ersterem die Wandlung durch ein objektiviertes Auslösungsereignis herbeigeführt wird.

Durch Verwendung privatrechtlicher Kapitalinstrumente kann eine laufende Beurteilung und Bewertung des betreffenden Finanzinstituts durch den Markt geliefert werden, was für die frühzeitige Erkennung von Krisen wertvoll werden kann.

4768

Die Anrechenbarkeit und die Höhe der erforderlichen Eigenmittel einer Bank werden weiterhin durch den Bundesrat in der ERV bzw. die jeweiligen Ausführungsbestimmungen der FINMA festgelegt.

2.2.2

Grundsätze (Art. 11 E-BankG)

2.2.2.1

Geltungsbereich

Die neuen Kapitalformen stehen grundsätzlich allen Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft zur Verfügung (Art. 11 Abs. 1 E-BankG). Alle Banken, unabhängig von ihrer Rechtsform, können zudem durch Ausgabe von Anleihen mit Forderungsverzicht einen Zweck vergleichbar mit dem des Wandlungskapitals erreichen (Art. 11 Abs. 2 E-BankG). Auch wenn die vorgenannten Kapitalformen in erster Linie den systemrelevanten Banken zur Krisenbewältigung dienen sollen, so ist die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf alle Banken im Interesse der Stärkung des Finanzsystems als Ganzes und kann auch nicht systemrelevanten Banken zur Vermeidung und Bewältigung von Krisen zur Verfügung stehen. Grundsätzlich können alle Banken das Wandlungskapital auf die erforderlichen Eigenmittel anrechnen lassen, soweit dies im Rahmen der Anrechnungsvorschriften vorgesehen ist.

Der Anwendungsbereich des 6. Abschnitts umfasst nicht allein Banken, sondern auch die Konzernobergesellschaft von Finanzgruppen oder Finanzkonglomeraten (Konzernobergesellschaft). Die Konzernobergesellschaft muss keine Bank sein.

Hintergrund dessen ist, dass Banken die Eigenmittelvorschriften nicht nur auf Stufe Einzelinstitut, sondern auch auf Gruppen- bzw. Konglomeratsstufe erfüllen müssen und einer konsolidierten Aufsicht unterstehen (Art. 4 BankG, Art. 6 ERV, Art. 11­14 BankV).

2.2.2.2

Funktionsweise und Verwendungszweck

Sowohl das Vorrats- als auch das Wandlungskapital werden im Hinblick auf ganz bestimmte Umstände geschaffen. Es sei nochmals erwähnt, dass es dabei ausschliesslich um eine Krisenvermeidung oder -bewältigung geht und keine bestehenden Kapitalformen konkurrenziert werden sollen. Vorrats- und Wandlungskapital sollen den Banken nicht eine neue, flexiblere Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung eröffnen. Vielmehr stehen sie in engem Zusammenhang mit den Eigenmittelanforderungen und zum Aufsichtsrecht, was Artikel 11 Absatz 4 E-BankG zum Ausdruck bringt. Banken können daher weiterhin bedingtes und genehmigtes Kapital schaffen.

Die Statuten müssen das Verhältnis der verschiedenen Kapitalformen regeln, um Widersprüche und Unklarheiten zu vermeiden.

Das «Vorratskapital» ist eine besondere Ermächtigung an den Verwaltungsrat, Aktienkapital oder Partizipationskapital39 aufzunehmen. Der Begriff «Vorratskapital» ist zwar nicht hundertprozentig präzise, hat sich aber aufgrund seiner Prägnanz bereits eingebürgert. Im Interesse der besseren Wiedererkennbarkeit wird der 39

In den nachfolgenden Ausführungen wird zur besseren Lesbarkeit jeweils darauf verzichtet, nebst dem Aktienkapital und den Aktionären jedesmal auch das Partizipationskapital und die Partizipanten zu nennen; die letztgenannte Kapitalart gilt jeweils als miterfasst.

4769

Begriff beibehalten. In Artikel 11 Absatz 3 E-BankG wird angeordnet, dass die Ausgabe von Aktien aufgrund des Vorratskapitals der Stärkung der Eigenkapitalbasis und der Verhinderung oder Bewältigung einer Krise der Bank dienen muss.

Insoweit ist das Vorratskapital ein Instrument, das in der Planung der Stabilisierung einer ins Schlingern geratenen Bank (Recovery) dem Verwaltungsrat Handlungsspielraum verschafft. Eine zeitliche Beschränkung auf Sanierungs- und Abwicklungsphasen wäre indes zu eng. Die aufgrund des Vorratskapitals durch den Verwaltungsrat ausgegebenen Aktien- oder Partizipationsscheine sollen auf dem freien Kapitalmarkt platziert werden können, solange dieser noch zu einer Investition in die betreffende Bank bereit ist.

Das «Wandlungskapital» ist eine bedingte Kapitalerhöhung, die durch die automatische Wandlung von Fremdkapital in Aktien- oder Partizipationskapital bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses durchgeführt wird. Dadurch entsteht erst das Kapital, so dass dieselbe Problematik wie zuvor beim Vorratskapital beschrieben, vorhanden ist. Dennoch hält man aus den gleichen Gründen an der Verwendung des Begriffs «Wandlungskapital» fest.

Eine vergleichbare Wirkung wird mit den Anleihen mit bedingtem Forderungsverzicht des Gläubigers nach Artikel 11 Absatz 2 E-BankG erreicht. Die Ansprüche des Anleihegläubigers erlöschen aufgrund der aufschiebend bedingten Verzichtserklärung. Dadurch reduziert sich das Fremdkapital mit der Wirkung, dass das Eigenkapital der Bank verstärkt wird. Weil bei Eintritt des Auslösungsereignisses keine neuen Aktien oder Partizipationsscheine (im Folgenden wird zusammenfassend nur noch von Aktien gesprochen, womit beide Arten der Anteilsscheine gemeint sind) ausgegeben werden, hat der Vorgang keine gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen. Indes werden die Rahmenbedingungen für die Anrechnung in der ERV geregelt werden müssen.

Die besondere Zwecksetzung der Pflichtwandelanleihen und der Anleihen mit bedingtem Forderungsverzicht ergibt sich aus den besonderen, ihre Anrechenbarkeit regelnden Vorschriften in der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung. Danach müssen die Auslösungsereignisse so ausgestaltet sein, dass sie ihren regulatorischen Zweck erfüllen, das heisst, dass die Erhöhung des Eigenkapitals entweder im Rahmen einer Stabilisierung (Auslösungsereignis bei 7 % RWA) oder gleichsam als Einleitung der Sanierungs- und Abwicklungsphase (Auslösungsereignis bei 5 % RWA) einsetzt.

2.2.2.3

Aufsichtsrechtliche Aspekte

Vorrats- und Wandlungskapital bleiben trotz ihres Bezuges zum Aufsichtsrecht primär privatrechtliche Instrumente. Den einzelnen Unternehmen muss inhaltlich eine möglichst grosse Freiheit gewährt und die Möglichkeit gelassen werden, die Kapitalinstrumente konkret nach ihren eigenen Bedürfnissen auszugestalten. Dennoch muss sichergestellt werden, dass mit dem Vorrats- und Wandlungskapital die verfolgten aufsichtsrechtlichen Ziele erreicht werden. Während Artikel 11 Absatz 3 E-BankG die Kapitalmassnahmen allgemein auf die Verhinderung oder Bewältigung einer Krise beschränkt, erfolgt die staatliche Einflussnahme im Hinblick auf das Wandlungskapital und die Anleihen mit Forderungsverzicht zusätzlich über die Eigenmittelvorschriften, indem dort festgelegt wird, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sie als regulatorisches Kapital angerechnet werden.

4770

Artikel 11 Absatz 4 Satz 2 E-BankG sieht zudem vor, dass die Anrechnung die Genehmigung der Ausgabebedingungen durch die FINMA voraussetzt.

Diese Inhaltskontrolle umfasst insbesondere die Funktionsfähigkeit des Wandlungsbzw. Verzichtsmechanismus, die Festlegung des Auslösungsereignisses sowie die Frage, ob die statutarischen Voraussetzungen dafür vorliegen, dass die Aktien im Zeitpunkt der Wandlung effektiv zur Verfügung stehen.

Einen wesentlichen Aspekt im Rahmen der Überprüfung der Ausgabebedingungen stellt eine Emission der Kapitalinstrumente durch Banken mit Sitz in der Schweiz dar, mit der Wirkung, dass die damit aufgenommenen Gelder diesen Einheiten zufliessen. Damit wird sichergestellt, dass die Gelder im Rahmen der Sanierung in der Schweizer Gesellschaft verfügbar sind. Voraussetzung dafür ist allerdings die Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen (vgl. Ziff. 1.6.4).

Wichtig sind sodann das auf die Ausgabebedingungen anwendbare Recht und der Gerichtsstand. Denn davon hängt ab, wie hoch das Verzögerungsrisiko hinsichtlich der Wandlung bzw. des Forderungsverzichts ist. Zu denken ist etwa an die Einreichung von Klagen mit dem Ziel, gewisse Mittel zu blockieren, um die Wandlung zu verhindern. Wenn für Klagen ein schweizerischer Gerichtsstand gilt und sich die Beurteilung nach schweizerischem Recht richtet, ist das Verzögerungs- und Prozessrisiko deutlich geringer. Die Anwendung schweizerischen Rechts durch schweizerische Gerichte schafft die gerade in Sanierungssituationen erforderliche Rechts- und Vollzugssicherheit, indem davon auszugehen ist, dass die schweizerischen Gerichte mit dem TBTF-Konzept der Gesetzesvorlage am besten vertraut sind. Dabei ist nicht zu verkennen, dass die internationale Platzierung von Pflichtwandelanleihen erfordern kann, dass von dieser Regel abgewichen wird. Dabei ist zu differenzieren, ob es sich um Kapitalinstrumente mit einem hoch (bei Erreichen von 7 % RWA) oder tief (bei 5 % RWA) definierten Auslösungsereignis handelt, wobei bei letzteren aufgrund ihres Verwendungszwecks in der Krise ein strengender Massstab anzulegen ist.

2.2.3

Vorratskapital (Art. 12 E-BankG)

Das Vorratskapital soll einer Bank, welche noch kapitalmarktfähig ist, gestatten, rasch, einfach und im erforderlichen Umfang eine Kapitalerhöhung durchzuführen.

Sofern rechtzeitig Vorratskapital durch die Generalversammlung vorgesehen wurde, steht dem Verwaltungsrat ein flexibles Instrument zur Verfügung, um bei einer sich abzeichnenden oder bereits eingetretenen signifikanten Verminderung des Kapitals einen raschen Wiederanstieg herbeizuführen.

2.2.3.1

Kompetenzen der Generalversammlung/Inhalt der Statuten

Die Bildung von Vorratskapital setzt nach Artikel 12 Absatz 1 E-BankG einen Generalversammlungsbeschluss und eine Statutenänderung voraus. Dadurch wird der Verwaltungsrat ermächtigt, gestützt auf das Vorratskapital eine Kapitalerhöhung durchzuführen und neue Aktien auszugeben.

4771

Die «kann»-Formulierung gibt der Generalversammlung das Ermessen, dem Verwaltungsrat durch Statutenänderung die Leitplanken für die Kapitalerhöhung zu setzen. Dabei kommt der Generalversammlung die mitunter nicht einfache Aufgabe zu, die regulatorischen Zielsetzungen einer Kapitalerhöhung mit den Interessen der Aktionäre in Einklang zu bringen. So beschränkt sie die Höhe des Vorratskapitals und kann auch die Dauer der Ermächtigung an den Verwaltungsrat einschränken, wobei der regulatorische Zweck dadurch nicht vereitelt werden darf. Zulässig ist auch eine nachträgliche Beschränkung des Vorratskapitals. Dabei handelt es sich faktisch um einen Widerruf der Ermächtigung des Verwaltungsrates durch die Generalversammlung.

Die Statuten geben den Nennbetrag an, d.h. der nominelle Gesamtbetrag der Kapitalerhöhung, um den der Verwaltungsrat das Aktien- oder Partizipationskapital erhöhen kann. Davon mit umfasst ist ebenfalls der Nennwert der einzelnen Aktie, woraus sich die Gesamtzahl der Aktien durch Division ergibt (Art. 12 Abs. 3 E-BankG i.V.m. Art. 651 Abs. 3, 650 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Diese Kompetenzen kommen originär der Generalversammlung zu und können nicht an den Verwaltungsrat delegiert werden. Im Übrigen gelten über die umfassende Verweisung in Artikel 12 Absatz 3 E-BankG die Bestimmungen des Artikel 651 Absätze 3 und 4 OR.

Der Beschluss über die Schaffung von Vorratskapital untersteht der qualifizierten Mehrheit gemäss Artikel 704 des Obligationenrechts, der entsprechend ergänzt wird.

Obgleich das zusätzliche Kapital nur zur Verhinderung oder Bewältigung einer Krise geschaffen werden darf (Art. 11 Abs. 3 BankG), fasst die Generalversammlung den Beschluss bereits im «courant normal», so dass die Notwendigkeit der erleichterten Beschlussfassung entfällt und Artikel 704 des Obligationenrechts Anwendung finden muss.

2.2.3.2

Kapitalerhöhung durch den Verwaltungsrat

Im Rahmen der Ermächtigung der Generalversammlung kann der Verwaltungsrat das Aktien- oder Partizipationskapital erhöhen (Art. 12 Abs. 3 E-BankG i.V.m.

Art. 651 Abs. 4 Satz 1 OR). Er erlässt dabei die notwendigen Bestimmungen, soweit sie nicht schon im Beschluss der Generalversammlung enthalten sein müssen (Art. 12 Abs. 3 E-BankG i.V.m. Art. 651 Abs. 4 Satz 2 OR). Insbesondere bestimmt der Verwaltungsrat die Ausgabebedingungen, zu denen namentlich die Festlegung des Ausgabebetrages und die Art der Einlagen gehören.

Der Verwaltungsrat entscheidet im Rahmen der Ermächtigung durch die Generalversammlung selbständig, ob, wann und in welchem Ausmass das Aktienkapital erhöht wird. Er ist dabei an den in Artikel 11 Absatz 3 E-BankG festgelegten Zweck des Vorratskapitals gebunden (siehe Ziff. 2.2.2.2.).

Ist das Vorratskapital durch Kapitalerhöhung geschaffen und durch den Verwaltungsrat ausgegeben worden, stellt sich die Frage, ob und inwieweit das «genehmigte» Vorratskapital heruntergesetzt werden muss. Es gilt Artikel 651a Absatz 1 OR auch für das Vorratskapital, wonach der Verwaltungsrat nach jeder Kapitalerhöhung den Nennbetrag des Vorratskapitals in den Statuten herabsetzt (Erschöpfungsgrundsatz). In Ermangelung einer diesbezüglichen Pflicht würde die Festlegung des Nennbetrages der Ermächtigung durch die Generalversammlung entleert, und es 4772

wäre theoretisch eine unbegrenzte und perpetuierte Verwässerung der Aktionärsrechte denkbar.

2.2.3.3

Bezugsrechtsausschluss

Artikel 12 Absatz 2 E-BankG weist den Entscheid über den Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre bei der Ausgabe der Aktien dem Verwaltungsrat zu.

Die Interessen der Aktionäre werden durch das Erfordernis wichtiger Gründe für den Ausschluss geschützt. Grundsätzlich ist der Bezugsrechtsausschluss nur zulässig, wenn er durch ein qualifiziertes sachliches Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt und zur Erreichung des Zieles erforderlich ist, der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre beachtet wird und er dem Prinzip der schonenden Rechtsausübung genügt.

Da das Vorratskapital nur zur Verhinderung oder Bewältigung einer Krise verwendet werden darf, passen die in Artikel 652b Absatz 2 OR genannten Beispiele ­ die Übernahme von Unternehmensteilen oder die Beteiligung von Arbeitnehmern ­ nicht (siehe Art. 12 Abs. 3 Bst. b. E-BankG). Demgegenüber kann namentlich die rasche und reibungslose Platzierung der neuen Aktien vom Investor gefordert sein.

Die erfolgreiche Durchführung der Kapitalerhöhung muss in der gegebenen Situation, in der sich die Bank befindet, den Aktionärsinteressen vorgehen, denn andernfalls bestände die Gefahr des Untergangs der Gesellschaft oder der Bank mit der unangenehmen Folge, dass der Aktionär dann einen Totalverlust erleidet.

Bei einem zulässigen Bezugsrechtsausschluss darf grundsätzlich keine Kapitalverwässerung eintreten. Gleichzeitig muss der besonderen (Krisen-)Situation Rechnung getragen werden. Deshalb sind die neuen Aktien zu Marktbedingungen auszugeben.

Ein Abschlag ist aber zulässig, soweit dies im Hinblick auf die rasche und vollständige Platzierung im Interesse der Gesellschaft liegt. Mit dieser Formulierung verweist Artikel 12 Absatz 2 E-BankG hinsichtlich des Ausgabepreises auf den gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraum des Verwaltungsrates und konkretisiert so das Prinzip des Geschäftsermessens.

2.2.3.4

Verhältnis zum genehmigten Kapital

Grundsätzlich ist das Vorratskapital dem genehmigten Kapital des Obligationenrechts (Art. 651 f. OR) nachgebildet. Daraus folgt, dass weitestgehend mit Verweisungen auf das genehmigte Kapital gearbeitet werden kann. Abweichungen sind nur im Hinblick auf die Erreichung des regulatorischen Zweckes statthaft. Soweit nicht vorstehend erläutert, ist kurz auf die Ausschlüsse gemäss Artikel 12 Absatz 3 E-BankG einzugehen. Gemäss Artikel 652d OR ist beim genehmigten Kapital die Erfüllung der Einlagepflicht durch Eigenkapital (freie Reserven) möglich. Da das Vorratskapital der Gesellschaft neue Mittel zuführen soll, wäre die Liberierung aus Eigenkapital nicht zielführend. Der Ausschluss der betragsmässigen Beschränkung des Artikel 656b Absätze 1 und 4 OR ermöglicht eine spiegelbildliche Ausgestaltung des Vorratskapitals mit Partizipationsscheinen.

4773

2.2.4

Wandlungskapital (Art. 13 E-BankG)

2.2.4.1

Konzept

Mit Wandlungskapital soll die Erhöhung der Eigenmittel nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a E-BankG möglichst wettbewerbsneutral ermöglicht werden, indem die Bank damit potenziell eigenkapitalersetzendes Fremdkapital aufnehmen kann. Mit der Ausgabe von bedingten Pflichtwandelanleihen («CoCos» im engeren Sinne) bleiben die Fremdfinanzierungsmöglichkeiten und die damit verbundenen Vorteile ebenso erhalten, wie bei den vergleichbaren, aber nur in Artikel 11 Absatz 2 E-BankG genannten Anleihen mit Forderungsverzicht (Write Offs). In der Krise bewirkt die Wandlung, dass neues Aktien- oder Partizipationskapital geschaffen wird und die Bank ihre Schulden verringern kann. Durch den Wegfall von Zins- und Tilgungszahlungen wird auch die Liquiditätslage der Bank verbessert. Es handelt sich hierbei um eine substantielle Entlastung, was das folgende einfache Rechenbeispiel zeigt: Bei einem Gesamtbetrag von 10 Milliarden Franken bei jährlichem (eher niedrigem) Zins von 8 Prozent reduziert sich die Abflussrate um 800 Millionen Franken und somit wird die Liquidität massiv gestärkt.

Der Hauptunterschied zu bedingtem Kapital besteht im Wandlungsmechanismus.

Bedingtes Kapital gewährt den Gläubigern ein Wandlungsrecht, mit dem sie an künftigen Aktienkursteigerungen teilhaben können. Das Optionselement der klassischen Wandelanleihe stellt einen eigenständigen Vermögenswert dar. Demgegenüber tritt die Wandlung unabhängig vom Einfluss der Gläubiger ein, sobald das Auslösungsereignis erreicht wird.

Den Investoren werden in einer Unternehmenskrise Kosten übertragen, die sonst Dritte ­ möglicherweise auch der Staat ­ zu tragen hätten. Während Fremdkapitalgeber normalerweise nur im Konkurs- oder Sanierungsfall Einbussen erleiden, fällt die Forderung von Gläubigern von bedingten Pflichtwandelanleihen im Krisenfall weg. Sie wird durch Anteilsscheine ersetzt.

Im Übrigen könnten CoCos zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen auch im Rahmen von Vergütungsprogrammen für das Unternehmensmanagement von systemrelevanten Banken emittiert werden. Dadurch werden die Entscheidungsträger an Unternehmensverlusten direkt beteiligt, wodurch Anreizprobleme, wie sie allenfalls bei traditionellen Bonusprogrammen bestehen (man nimmt die Gewinne und trägt nicht die Verluste), reduziert werden können.

2.2.4.2

Kompetenzen der Generalversammlung/Inhalt der Statuten

Das Wandlungskapital besteht aus einer Anleihe, welche bei Eintritt eines bei der Ausgabe festgelegten Auslösungsereignisses automatisch in Aktien oder Partizipationsscheine wandelt. Die Einführung von Wandlungskapital bedarf nach Artikel 13 Absatz 1 E-BankG eines Beschlusses durch die Generalversammlung, welche die vorgenannten, für die Pflichtwandelanleihe charakteristischen Elemente festlegt. Die diesbezüglichen Kompetenzen der Generalversammlung sind nicht an den Verwaltungsrat delegierbar und somit unentziehbar.

4774

Wandlungskapital muss aufgrund seines Zweckes als Instrument der Verhinderung und Bewältigung einer Krise grundsätzlich in unbeschränktem Umfang zulässig sein. Die Generalversammlung hat jedoch die Möglichkeit, in den Statuten betragsmässige Beschränkungen aufzunehmen. Motiv einer solchen Beschränkung könnte eine Befürchtung sein, die Inhaber von Pflichtwandelanleihen könnten bei Wandlung die Eigentumsverhältnisse der Bank drastisch verändern. Dem kann entgegengehalten werden, dass als Voraussetzung für bankengesetzliche Bewilligung die natürlichen und juristischen Personen, welche direkt oder indirekt mit mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmen an der Bank beteiligt sind oder deren Geschäftstätigkeit auf andere Weise massgebend beeinflussen können (qualifizierte Beteiligung), gewährleisten müssen, dass sich ihr Einfluss nicht zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftstätigkeit auswirkt.40 Weiter liegt es in der Kompetenz der Generalversammlung, die Anzahl, die Art und den Nennwert der Aktien eine allfällige Beschränkung der Übertragbarkeit der Aktien sowie die Grundlagen, nach denen der Ausgabebetrag zu berechnen ist, festzusetzen. Mit letzterem ist gemeint, dass die Generalversammlung ein Gerüst bzw. eine Formel zur Verfügung stellt, wonach der Verwaltungsrat ohne Weiteres in die Lage versetzt wird, den Ausgabebetrag zu bestimmen. Die derart von der Generalversammlung ausgestalteten Grundlagen können so ausgestaltet sein, dass dem Verwaltungsrat noch ein Freiraum zukommt, in gestalterischer Weise den Preis zu bestimmen. Dies ist erforderlich, weil der Verwaltungsrat aufgrund seiner Kompetenz im Rahmen der Platzierung der Pflichtwandelanleihen flexibel auf Preisentwicklungen und Anlegerbedürfnisse reagieren können muss. Der Bezugsrechtsausschluss durch die Generalversammlung erfolgt im Hinblick auf die künftigen Aktien aus der Wandlung. Die aufgrund der Wandlung benötigten Aktien sind ohne Bezugsrecht zu schaffen, weil sie für die Anleiheninhaber bestimmt sind.

2.2.4.3

Kompetenzen des Verwaltungsrates

Im Rahmen seiner Ermächtigung durch die Generalversammlung kann der Verwaltungsrat nach Absatz 3 bedingte Pflichtwandelanleihen ausgeben. Die konkrete Ausgestaltung der bedingten Pflichtwandelanleihen ist somit nach Absatz 3 weitgehend Aufgabe des Verwaltungsrates. Soweit die bedingten Pflichtwandelanleihen aber als Eigenmittel angerechnet werden sollen, müssen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.

Der Verwaltungsrat hat nach Absatz 3 zu entscheiden, ob, wann und wie viele bedingte Pflichtwandelanleihen ausgegeben werden und ob und wie diese in verschiedene Tranchen aufgegliedert werden. Es kann aus markttechnischen oder aus regulatorischen Aspekten geboten sein Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten auszugeben. Der Verwaltungsrat hat ebenfalls nach Absatz 3 das Auslösungsereignis, bzw. bei mehreren Tranchen die Auslösungsereignisse festzulegen, bei denen die Anleihen in Aktien gewandelt werden. Der grundsätzlich weite Gestaltungsspielraum des Verwaltungsrats findet darin seine Grenze, dass die Wandlung nur von einem objektiv feststellbaren Ereignis abhängig gemacht werden kann, nicht aber etwa vom Willen eines Gläubigers (vgl. Abs. 1).

40

Art. 3 Abs. 2 Buchst. cbis BankG.

4775

Der Verwaltungsrat hat nach Absatz 3 auch den Ausgabebetrag zu bestimmen oder, sollte dieser nicht als konkrete Zahl festgelegt werden, die Regeln, nach denen er bestimmt wird.

Schliesslich muss festgelegt werden, in welchem Umfang ausgegebene Anleihen im Falle des Eintrittes des Auslösungsereignisses gewandelt werden. Das Gesetz überlässt auch diesen Entscheid der Gesellschaft.

Nicht zuletzt der Verwaltungsrat hat bei der Ausgabe der bedingten Pflichtwandelanleihen schliesslich das Wandlungsverhältnis festzulegen. d.h. er muss bestimmen, was die Gläubiger im Falle einer Wandlung als Gegenleistung erhalten.

2.2.4.4

Ausschluss des Vorwegzeichnungsrechts

Artikel 13 Absatz 4 E-BankG sieht beim Wandlungskapital grundsätzlich ein Vorwegzeichnungsrecht der Aktionäre vor, das die Generalversammlung jedoch unter bestimmten Bedingungen aufheben kann.

Für den Entzug des Vorwegzeichnungsrechts durch die Generalversammlung muss ein wichtiger Grund, mithin ein qualifiziertes sachliches Interesse der Gesellschaft vorliegen. Dieses orientiert sich am Zweck des Wandlungskapitals, bei schlechtem Geschäftsgang zusätzliches Kapital rasch zu schaffen. Demgegenüber besteht ein Verwässerungsrisiko, das allerdings in Kauf zu nehmen ist im Hinblick auf den soeben genannten Zweck. Wegen der limitierten wirtschaftlichen Bedeutung des Vorwegzeichnungsrechts haben diese regelmässig einen geringen Wert. Trotz des geringen wirtschaftlichen Wertes rechtfertigt sich eine generelle gesetzliche Aufhebung des Vorwegzeichnungsrechts indes nicht. Hingegen dürfte der Ausschluss regelmässig dann gerechtfertigt sein, wenn die Pflichtwandelanleihen zu Marktbedingungen ausgegeben werden (dann ist der Wert ohnehin gleich Null) oder vor allem dann, wenn die konkrete Situation eine rasche und vollständige Platzierung mit einem Abschlag erfordert.

2.2.4.5

Feststellung des die Wandlung auslösenden Ereignisses durch den Verwaltungsrat

Tritt das die Wandlung auslösende Ereignis ein, hat dies der Verwaltungsrat umgehend in einem Beschluss in öffentlicher Urkunde festzustellen. Dieser enthält Anzahl, Nennwert und Art der ausgegebenen Aktien, den neuen Stand des Aktienkapitals sowie die nötigen Statutenanpassungen. Bei den Pflichtwandelanleihen ist anders als bei den herkömmlichen Wandel- oder Optionsanleihen keine Erklärung des Gläubigers erforderlich. Die Wandlung tritt vielmehr automatisch und zudem uno actu, nicht etwa «tröpfchenweise», ein. Deshalb ist der Wandlungsmechanismus konkret festzulegen. Der Eintritt des Auslösungsereignisses sollte eigentlich von selbst die Wandlung auslösen. Dennoch braucht es einen Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrates, um die für den Eintrag ins Handelsregister nötige Rechtssicherheit herzustellen. Der Beschluss wirkt für die Wandlung, d.h. für das Erlöschen der Rechte aus den Anleihen und das gleichzeitige Entstehen der Aktionärsrechte, konstitutiv. Es bedarf keiner zusätzlichen Rechtsakte, zumal keine Bar- oder Verrechnungsliberierung erforderlich ist, sondern von Gesetzes wegen die Aktien direkt durch die Wandlung geschaffen werden und die Forderungsrechte damit erlöschen 4776

(Art. 13 Abs. 7 E-BankG). Um etwaige Verzögerungen zu verhindern, wurde eine entsprechende Pflicht zur Feststellung eingeführt (vergleiche den Wortlaut «hat»), für deren Erfüllung die Mitglieder des Verwaltungsrats zivilrechtlich haften. Sollte der Verwaltungsrat dieser Pflicht nicht nachkommen, so wäre die Aufsichtsbehörde gezwungen, auf Grundlage des Artikel 26 BankG oder durch Einsetzung eines Beauftragten den Beschluss selbst im Wege der Zwangsmassnahme vorzunehmen, wodurch man in die Sanierungsphase eintreten würde.

2.2.4.6

Unverzügliche Eintragung im Handelsregister

Sobald der Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrates nach Absatz 5 gefasst wurde, ist er ­ aus Gründen der in Krisenzeiten besonders wichtigen Rechtssicherheit im Hinblick auf die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung ­ unverzüglich im Handelsregister einzutragen. In den Phasen der Sanierung und Abwicklung, in denen bedingte Pflichtwandelanleihen bestimmungsgemäss zur Wandlung kommen, ist eine zügige Kapitalschaffung unabdingbar. Zwar ist bereits der Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrates konstitutiv (siehe dazu Abs. 7), die Eintragung desselben im Handelsregister mithin lediglich deklaratorisch. Dennoch ist die Publizitätswirkung der Eintragung der Kapitalerhöhung vor allem im internationalen Finanzmarkt und im Verhältnis zu ausländischen Gläubigern und Investoren bedeutsam und die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass ­ wie bei ordentlichen Kapitalerhöhungen ­ erst die Eintragung ins Handelsregister für konstitutiv gehalten wird.

Deshalb ist es geboten, die bestehenden vorsorglichen Rechtsschutzmassnahmen auszuschliessen, die eine Eintragung des neuen Kapitals verzögern könnten. Das Handelsregisteramt entspricht wegen seiner beschränkten Kognition auch einem materiell unbegründeten Antrag auf Einlegung einer Handelsregistersperre; dies allein kann zu einer Verzögerung der Eintragung um zehn Tage führen. Weitere Verzögerungen ergeben sich, wenn das Gericht, das lediglich in einem summarischem Verfahren entscheidet, zudem eine vorsorgliche Massnahme anordnet. Da eine Bank innert Tagen illiquide werden kann, ist das Risiko der Blockierung einer Eintragung zwingend zu eliminieren. Demnach ist es gerechtfertigt, die Rechtssuchenden auf den Sekundärrechtsschutz, d.h. auf den Weg der Geltendmachung von Schadensersatz im ordentlichen Verfahren zu verweisen.

Entgegen der Bestimmung des Artikel 653f OR bedarf es nicht einer Bestätigung eines zugelassenen Revisionsexperten zur Überprüfung des neu geschaffenen Kapitals. Die Art und Weise, wie das Kapital bei Pflichtwandelanleihen gewandelt wird, birgt im Gegensatz zur tröpfchenweisen Wandlung über einen längeren Zeitraum hinweg bei der traditionellen Wandelanleihe keine Fehlerquellen in sich. Denn die Kapitalerhöhung bei der Pflichtwandelanleihe erfolgt nicht verteilt über das gesamte Jahr und eventuell zu unterschiedlichen Wandlungspreisen, sondern uno actu.

2.2.4.7

Verhältnis zum bedingten Kapital

Aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Rechtsnatur zu bedingtem Kapital sind die Vorschriften des Obligationenrechts zum bedingten Kapital mit wenigen Ausnahmen nicht anwendbar. Es handelt sich dabei um folgende:

4777

­

Die Mindesteinlagepflicht in Höhe des Nennwertes ist auch bei Pflichtwandelanleihen zwingend (Art. 653a Abs. 2 OR);

­

Die Inhaber von Pflichtwandelanleihen dürfen durch die Erhöhung des Aktienkapitals, durch die Ausgabe neuer Pflichtwandelanleihen oder auf andere Weise nur beeinträchtigt werden, wenn der Konversionspreis gesenkt oder ihnen auf andere Weise ein angemessener Ausgleich gewährt wird (Art. 653d Abs. 2 des Obligationenrechts).

Sind die Pflichtwandelanleihen durch Wandlung erloschen, so hebt der Verwaltungsrat die Statutenbestimmungen über die bedingte Kapitalerhöhung auf.

2.3

Änderung bisherigen Rechts

2.3.1

Obligationenrecht

Bei den Änderungen im Obligationenrecht handelt es sich um Vorbehalte beim genehmigten Kapital (Art. 651 OR) und beim bedingten Kapital (Art. 653 OR). Sie werden wegen der vorliegend vorgeschlagenen neuen Vorschriften im Bankengesetz zum zusätzlichen Gesellschaftskapital notwendig.

Die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 704 Absatz 1 OR gilt auch für Vorratskapital im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 12 E-BankG. Mit der Delegation der Kompetenzen zur Ausgabe von Vorratskapital an den Verwaltungsrat überträgt die Generalversammlung sogar mehr Rechte als nach den bestehenden Vorschriften (Art. 651 f. OR) zu genehmigten Kapitalerhöhungen. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, die zur Einführung des genehmigten Kapitals bestehenden gesetzlichen Quoren beim Vorratskapital zu reduzieren. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass eine besondere zeitliche Dringlichkeit im Moment der Beschlussfassung durch die Generalversammlung ­ anders als für die Aktienausgabe durch den Verwaltungsrat ­ nicht besteht.

Für den Beschluss der Generalversammlung über die Schaffung von Wandlungskapital nach Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 12 E-BankG gelten hingegen nicht die besonderen Anforderungen des Artikel 704 Absatz 1 OR. Das Wandlungskapital ist Teil des schweizerischen Aufsichtskonzeptes, um eine Stabilisierung des Finanzsystems herbeizuführen. Die einfache Ausgabe und die Angleichung der Beschlussanforderungen für Wandlungskapital an diejenigen, die für ordentliche Kapitalerhöhungen gelten (diese richten sich nach Art. 703 OR), sind daher sachgerecht.

2.3.2

Bundesgesetz über die Stempelabgaben

Die Änderungen im Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG; SR 641.10) betreffen einerseits die ausnahmslose Aufhebung der Emissionsabgabe auf Obligationen (Fremdkapital) und andererseits die gesonderte Befreiung der aus Wandlungskapital begründeten oder erhöhten Beteiligungsrechte (Eigenkapital). Mit der Änderung im Bereich des Fremdkapitals soll dieses wieder wie vor der Änderung des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 (AS 1993 222) behandelt werden. In diesem Zusammenhang sollen die folgenden Artikel aufgehoben werden:

4778

Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 4 und 5, Artikel 5a, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f, Artikel 9a, Artikel 10 Absätze 3 und 4 StG.

Pflichtwandelanleihe (Art. 6 Abs. 1 Bst. l E-StG) Im Bereich des Eigenkapitals soll eine neue Ausnahmebestimmung aufgenommen werden. Diese besagt, dass die Beteiligungsrechte, die unter Verwendung des Wandlungskapitals gemäss Artikel 13 Absatz 1 des Bankengesetzes vom 8. November 1934 begründet oder erhöht werden, von der Abgabe ausgenommen sind. Nach Artikel 13 Absatz 1 E-BankG können nur Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft Wandlungskapital einführen. Die in der Vernehmlassungsvorlage in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe l E-StG enthaltene Einschränkung auf systemrelevante Banken wurde fallen gelassen.

Fälligkeit (Art. 11 Bst. b E-StG) Diese Bestimmung gilt nun lediglich noch für die Beteiligungsrechte. Die Kassenobligationen und die Geldmarktpapiere sind durch die Aufhebung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital nun nicht mehr betroffen.

2.3.3

Nationalbankgesetz

Mit der Änderung des Nationalbankgesetzes wird die Verfügungskompetenz nach Artikel 8 Absatz 1 E-BankG auch in jenem Gesetz umfassend abgebildet.

2.4

Inkrafttreten

Vorgesehen ist ein Inkrafttreten frühestens 2012.

In den betreffenden Verordnungen wird mit Übergangsbestimmungen im Bereich der Eigenmittelvorschriften ein mit den Vorgaben von Basel III synchroner Aufbau der neuen Anforderungen vom 1. Januar 2013 bis zum 1. Januar 2019 sichergestellt.

Dabei sind auch die Auswirkungen zu berücksichtigen, die sich aus der Verschärfung der Definition der anrechenbaren Eigenmittel mit Implementierung von Basel III ergeben.

Die Vorschriften zur Leverage Ratio und den Liquiditätsvorschriften werden mit einer in die entsprechende Verordnung aufzunehmende angemessene Übergangsfrist zu den gegenüber den beiden Grossbanken bereits auf individueller Ebene bestehenden Regelungen implementiert werden.

Die Risikoverteilungsvorschriften werden ebenfalls eine angemessene Übergangsfrist vorsehen, damit die betroffenen Institute einen ausreichenden Zeitraum zur Verfügung haben, um ihre gegenseitigen Positionen entsprechend anzupassen und eine Risikoentflechtung vorzunehmen.

Für die Vorschriften zur Organisation dürfte eine kurze Übergangsfrist angemessen sein.

4779

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die regulatorischen Änderungen reduzieren das finanzielle Risiko für die öffentliche Hand, insbesondere die SNB und den Bund, da die Stabilität systemrelevanter Finanzinstitute gestärkt wird und die Wahrscheinlichkeit eines mit hohen Ausgaben verbundenen staatlichen Eingriffs sinkt. Die höhere Stabilität führt auch zu einer geringeren Schwankungsbreite der der Einnahmen und Ausgaben und trägt damit ebenfalls zur Planungssicherheit der Finanzpolitik bei.

Neben dem Nutzen der Vorlage für die öffentlichen Haushalte sind auch Kosten zu berücksichtigen. Diese Kosten betreffen vorab die Einnahmenseite (Steuern). Sie lassen sich unterteilen in (direkte) Auswirkungen der steuerlichen Massnahmen sowie in (indirekte) Auswirkungen der regulatorischen Massnahmen.

3.1.1

Direkte steuerlichen Auswirkungen

Durch die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital entstehen dem Bund durchschnittliche Mindereinnahmen von brutto 350 Millionen Franken pro Jahr.

Unter Abzug der 130 Millionen Franken, welche der Bund auf seinen Emissionen an sich selber bezahlt, resultieren netto Mindereinnahmen von 220 Millionen Franken.41 Diese Schätzung basiert auf dem 10-Jahresmittel der Einnahmen zwischen 2001 und 2010. Sie reflektiert die längerfristig aufgrund der Reform zu erwartenden Mindereinnahmen.

Die Anpassungsreaktionen der systemrelevanten Banken ziehen weitere Mindereinnahmen infolge des Gewinn- und Wertschöpfungseffektes nach sich, die jedoch nicht näher quantifiziert werden können.

41

«Netto» heisst in diesem Zusammenhang unter Abzug der Abgabe, welche der Bund auf seinen Emissionen an sich selber bezahlt.

4780

Brutto- und Netto-Einnahmen aus der Emissionsabgabe auf Fremdkapital und Aufkommen nach Emittentenkategorie, 2001­2010 Jahr

BruttoEinnahmen

Aufkommen Bund

NettoEinnahmen

Aufkommen Kantone und Gemeinden

Aufkommen private Emittenten und Kassenobligationen

CHF Mio.

CHF Mio.

CHF Mio.

CHF Mio.

CHF Mio.

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

393 333 408 393 310 295 264 220 345 527

182 193 266 202 123 96 77 42 64 70

211 140 142 191 187 199 187 178 281 457

40 26 41 45 36 14 8 14 32 51

171 114 101 146 151 185 179 164 249 406

Durchschnitt 2001­2010 Durchschnitt 2001­2010, gerundet

349

131

217

31

187

350

130

220

30

190

Quelle: ESTV

Kurz- bis mittelfristig schlagen die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt allerdings stärker durch, da unter den aktuellen Rahmenbedingungen die Aufnahme von Fremdkapital durch die tiefen Zinsen besonders günstig und die Emissionstätigkeit entsprechend rege ist.

Kantone und Gemeinden profitieren von der Abschaffung der Emissionsabgabe, weil ihre Ausgaben im langjährigen Mittel um 30 Millionen Franken sinken und weil darüber hinaus auch Unternehmen entlastet werden, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden (vgl. folgende Abbildung).

4781

Anteile der Emittentenkategorien an den Brutto-Einnahmen aus der Emissionsabgabe auf Fremdkapital, Durchschnitt 2007­2010

Kassenobligationen 8.5%

Diverse 19.8%

Bund 18.7%

Kantone 4.7% Gemeinden 3.1%

Andere Banken 2.4%

Nationalbank 5.8% Grossbanken 1.8%

Pfandbriefbanken 24.8%

Kantonalbanken 10.5%

Quelle: ESTV

Die finanziellen Auswirkungen der Ausgabe von CoCos durch Banken hängen davon ab, ob die CoCos bisheriges Fremdkapital oder bisheriges Eigenkapital ersetzen. Der erste Fall ist im Wesentlichen aufkommensneutral, während im zweiten Fall Mindereinnahmen entstehen: Treten die CoCos anstelle von Eigenkapital, so resultieren Mindereinnahmen in Form entgangener Emissionsabgabe auf Beteiligungsrechten ­ unabhängig davon, ob die CoCos später gewandelt werden oder nicht. Ausserdem entstehen auch Mindereinnahmen bei der Gewinnsteuer, weil die Banken den Aufwand für die Zinsen und Prämien auf den CoCos von der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer abziehen können.

Bei den systemrelevanten Banken, welche zusätzliche Eigenmittel aufbauen müssen, ersetzen die CoCos wohl ausschliesslich bisheriges Fremdkapital, so dass keine Mindereinnahmen entstehen. Bei den übrigen Banken sprechen die höheren Eigenmittelvorschriften aufgrund der Regelung von Basel III ebenfalls, dafür dass die CoCos überwiegend bisheriges Fremdkapital ersetzen. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass die CoCos bei bestimmten Banken mit bereits hoher Eigenkapitaldecke auch Eigenkapital ersetzen, so dass hier Mindereinnahmen bei der Emissionsabgabe auf Beteiligungsrechten und bei der Gewinnsteuer entstehen können.

4782

3.1.2

Indirekte finanzielle Auswirkungen als Folge von Verhaltensanpassungen

Die regulatorischen Anforderungen bedingen, dass die systemrelevanten Banken zusätzliches Common Equity bzw. CoCos ausgeben. Dies wirkt sich über vier Kanäle auf die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden aus, nämlich ­

die Finanzierung des Kapitalbedarfs;

­

die veränderte Kapitalstruktur;

­

den Wertschöpfungs- und Gewinneffekt; und

­

Vermögenseffekte.

3.1.2.1

Finanzierung des Kapitalbedarfs

Zunächst müssen die betroffenen Institute das Kapital für die höheren Kapitalanforderungen beschaffen. Dies kann über Aussenfinanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital (CoCos) oder über Innenfinanzierung (Selbstfinanzierung mittels Gewinnthesaurierung) geschehen.

Anteilsfinanzierungseffekt: Wird das zusätzliche Common Equity nicht durch Selbstfinanzierung, sondern durch Kapitalerhöhung auf dem Wege der Anteilsfinanzierung (Aussenfinanzierung mit Eigenkapital) aufgebracht, fällt darauf die Emissionsabgabe mit einem Satz von 1 Prozent an. Allerdings ist davon auszugehen, dass die betroffenen Institute das zusätzliche Common Equity weitgehend durch die günstigere Selbstfinanzierung aufbringen werden. Somit dürften für den Bund nur geringfügige Mehreinnahmen bei der Emissionsabgabe auf Eigenkapital resultieren.

Selbstfinanzierungseffekt: Zumindest in der Anpassungsphase an die höheren Eigenmittel-Vorschriften wird ein Teil des zusätzlichen Common Equity in Form der Gewinnthesaurierung selbstfinanziert. Dadurch sinkt die Gewinnausschüttungsquote. Das geringere Dividendeneinkommen der Investoren wirkt sich bei ausländischen Investoren in einem Rückgang der Sockelsteuer auf Dividenden bei der Verrechnungssteuer aus. In Bezug auf inländische Anleger sinkt das Einkommenssteueraufkommen bzw. Verrechnungssteueraufkommen.

3.1.2.2

Veränderte Kapitalstruktur

Nach Ablauf der Anpassungsphase führen die neuen regulatorischen Anforderungen zu einer veränderten Kapitalstruktur.

Kapitalstruktureffekt Gewinnsteuer: Aufgrund der höheren Eigenmittel nimmt der Anteil der Fremdfinanzierung ab: Es können weniger Schuldzinsen von der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer abgezogen werden. Zusätzlich sinkt durch den höheren Eigenfinanzierungsgrad die Risikoprämienkomponente in den Schuldzinsen. Dadurch verbreitert sich die Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer. Es resultieren Mehreinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden. Gegenläufig wirkt sich jedoch das Instrument der neu geschaffenen CoCos aus: Die Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer vermindert sich bei diesen nicht nur durch die Zinskomponente. Auch die den Anlegern bezahlte Stillhalterprämie kann als Aufwand abgesetzt 4783

werden. Somit ist die Nettowirkung des Kapitalstruktureffektes auf die Gewinnsteuer offen.

Kapitalstruktureffekt Kapitalsteuer: Das zusätzliche Common Equity erhöht die Bemessungsgrundlage der Kapitalsteuer ­ unabhängig davon, ob dieses Common Equity selbstfinanziert oder aussenfinanziert ist. Geht man davon aus, dass die Steuerbasis der Kapitalsteuer der Grossbanken (Stand 2008) aus Common Equity von 32 Milliarden Franken und einem Tier-1-Kapital von 16 Milliarden Franken besteht und dass die Banken neu ein Common Equity von ca. 80 Milliarden Franken anstreben sollen, vergrössert sich die Steuerbasis der Kapitalsteuer um 32 Milliarden Franken Unterstellt man einen Kapitalsteuersatz von 1,721 Promille, resultieren für Kantone und Gemeinden nach der Anpassungsphase an das höhere Common Equity jährliche Mehreinnahmen von 55 Millionen Franken.

Kapitalstruktureffekt Einkommenssteuer: Die veränderte Kapitalstruktur der systemrelevanten Banken wirkt sich auf die steuerlich relevante Einkommenszusammensetzung der Anleger aus: Der Anteil des Zinseinkommens aus klassischen Fremdfinanzierungsinstrumenten nimmt relativ zu anderen Einkommensformen ab. Das Einkommen aus Common Equity (Dividenden und Kapitalgewinne) und das Einkommen aus CoCos (Zinsen und Kapitalgewinne in Form von Stillhalterprämien) nehmen dagegen zu. Da Kapitalgewinne auf im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen steuerfrei sind, ergeben sich aus der veränderten Zusammensetzung des Anlegereinkommens Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer von Bund, Kantonen und Gemeinden.

3.1.2.3

Wertschöpfungs- und Gewinneffekt

Das neue regulatorische Umfeld wirkt sich nicht nur auf der Passivseite der Bilanz aus, sondern zieht auch Veränderungen im Aktivgeschäft nach sich. Massgebend sind die folgenden Fragen: ­

Wie verändern die neuen Rahmenbedingungen das Angebots-Portfolio der Banken? Welche Geschäfte werden weniger oder gar nicht mehr, welche vermehrt getätigt?

­

Wie verändert sich das Gewinn-Risiko-Profil über alle Geschäftsfelder?

Inwieweit werden Geschäftsfelder mit höherem erwartetem Gewinn, aber grossen Schwankungen des Gewinns/Verlusts durch Geschäftsfelder mit tieferen aber stabileren Gewinnaussichten ersetzt?

­

Nimmt das Geschäftsvolumen, alimentiert durch zusätzlich ausgegebenes Common Equity bzw. die CoCos, zu oder ab? Das zusätzliche Kapital könnte andere Kapitalformen substituieren, so dass sich die Bilanzsumme nicht vergrössert, sondern verringert.

­

Wie entwickelt sich das aus der Schweiz getätigte Geschäft relativ zum aus dem Ausland getätigten Geschäft?

Steuerlich wirken sich solche Veränderungen unmittelbar über die erzielten Gewinne auf die Gewinnsteuer aus. Mittelbar beeinflusst die in Form von Löhnen und Gehältern bzw. Dividenden verteilte Wertschöpfung die Einkommenssteuer.

4784

Die folgende Tabelle beschreibt, unter welchen Bedingungen Mindereinnahmen oder Mehreinnahmen auftreten: Steuereinnahmen aus Gewinn sowie aus Löhnen und Gehältern, die in der Schweiz besteuert werden, nehmen ab, wenn ...

Steuereinnahmen aus Gewinn sowie aus Löhnen und Gehältern, die in der Schweiz besteuert werden, nehmen nicht ab bzw. nehmen zu, wenn ...

... Geschäftsfelder mit höheren realisierten Renditen durch Geschäftsfelder mit niedrigeren Renditen ersetzt werden;

... Geschäftsfelder mit höheren realisierten Renditen nicht durch Geschäftsfelder mit tieferen Renditen ersetzt werden;

... das Geschäftsvolumen trotz des zusätzlich ausgegebenen Kapitals in Form von Common Equity bzw. CoCos abnimmt, weil das zusätzliche Kapital durch den Abbau anderer Kapitalformen überkompensiert wird, so dass sich die Bilanzsumme nicht vergrössert, sondern verringert;

... das Geschäftsvolumen zunimmt, weil das zusätzlich ausgegebene Kapital in Form von Common Equity bzw. der CoCos nicht oder nicht vollumfänglich andere Kapitalformen substituiert, so dass die Bilanzsumme nicht sinkt oder sogar zunimmt;

... das aus der Schweiz getätigte Geschäft relativ zum aus dem Ausland getätigten Geschäft an Bedeutung verliert.

... das aus der Schweiz getätigte Geschäft relativ zum aus dem Ausland getätigten Geschäft konstant bleibt oder an Bedeutung gewinnt.

Unter dem Strich dürften Wertschöpfungs- und Gewinneffekte negativ ausfallen, was folgende Auswirkungen nach sich ziehen würde: Die Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer sinkt. Dadurch nehmen die Gewinnsteuereinnahmen von Bund und Kantonen/Gemeinden ab. Wegen der niedrigeren Lohnsumme und der niedrigeren Gewinnausschüttung verringern sich auch die Einkommenssteuereinnahmen von Bund und Kantonen/Gemeinden. Die geringere Gewinnausschüttung bewirkt bei ausländischen Investoren einen Rückgang der Sockelsteuer auf Dividenden bei der Verrechnungssteuer. In Bezug auf inländische Anleger sinkt das Einkommenssteueraufkommen bzw. das Verrechnungssteueraufkommen.

3.1.2.4

Vermögenseffekte

Vermögenseffekt Vermögensteuer: Der Netto-Unternehmenswert und mit ihm der Verkehrswert der Aktien der systemrelevanten Banken bestimmt sich durch den Barwert ihrer erwarteten künftigen Gewinne (free cash flows): Aufgrund des oben beschriebenen Gewinneffektes nimmt der Zähler der Barwertformel ab. Wenn die veränderte Kapitalstruktur auch zu höheren Finanzierungskosten (weighted average cost of capital) führt, erhöht sich zudem auch der Nenner der Barwertformel. Der Gewinneffekt ­ und gegebenenfalls ein zusätzlicher Impuls durch die höheren Finanzierungskosten ­ senkt den Verkehrswert der Aktien. Dadurch verringert sich die Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer. Für die Kantone/Gemeinden ergeben sich Mindereinnahmen. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Effekte bereits heute in den Aktienkursen der betroffenen Institutionen eskomptiert sind.

Infolgedessen dürften mit dem Vermögenseffekt keine zusätzlichen Mindereinnahmen mehr verbunden sein.

4785

Vermögenseffekt Umsatzabgabe: Der Vermögenseffekt reduziert auch die Bemessungsgrundlage der Umsatzabgabe, weil die Aktien der systemrelevanten Banken zu tieferen Kursen gehandelt werden. Da jedoch die Aktienkurse diese Information bereits heute widerspiegeln, dürften dem Bund aufgrund des Vermögenseffektes bei der Umsatzabgabe ebenfalls keine weiteren Mindereinnahmen entstehen.

3.1.3

Zusammenfassung

Die nachfolgende Tabelle fasst die Auswirkungen auf die Steuereinnahmen von Bund und Kantonen/Gemeinden, gegliedert nach Steuerarten und den auftretenden Effekten, zusammen.

Steuerart

Effekt

Auswirkungen auf den Bund

Auswirkungen auf die Kantone/Gemeinden

Emissionsabgabe auf Eigenkapital, Abschaffung beschränkt auf CoCos

Steuerentlastungseffekt

keine Mindereinnahmen

­

Anteilsfinanzierungseffekt

Mehreinnahmen (geringfügig)

­

Emissionsabgabe auf Fremdkapital, generelle Abschaffung

Steuerentlastungseffekt

langfristige Mindereinnahmen CHF 220 Mio.

Minderausgaben CHF 30 Mio.

Kapitalsteuer

Kapitalstruktureffekt

­

Mehreinnahmen von bis zu CHF 55 Mio. jährlich nach Abschluss der Anpassungsphase an die höheren Eigenmittelanforderungen

Gewinnsteuer

Kapitalstruktureffekt

offen, ob Mehroder Mindereinnahmen resultieren

offen, ob Mehroder Mindereinnahmen resultieren

Gewinneffekt

Mindereinnahmen

Mindereinnahmen

Selbstfinanzierungseffekt

Mindereinnahmen

­

Wertschöpfungseffekt

Mindereinnahmen

­

Selbstfinanzierungseffekt

Mindereinnahmen

Mindereinnahmen

Kapitalstruktureffekt

Mindereinnahmen

Mindereinnahmen

Wertschöpfungseffekt

Mindereinnahmen

Mindereinnahmen

Verrechnungssteuer

Einkommenssteuer

4786

Steuerart

Effekt

Auswirkungen auf den Bund

Auswirkungen auf die Kantone/Gemeinden

Vermögensteuer

Vermögenseffekt

­

Geringfügige Mindereinnahmen, aber bereits eingetreten (eskomptiert)

Umsatzabgabe

Vermögenseffekt

Geringfügige Mindereinnahmen, aber bereits eingetreten (eskomptiert)

­

Durch die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital entstehen in einem ersten Schritt Mindereinnahmen beim Bund von netto 220 Millionen Franken jährlich. Die Anpassungsreaktionen der systemrelevanten Banken ziehen weitere Mindereinnahmen infolge des Gewinn- und Wertschöpfungseffektes nach sich, die jedoch nicht näher quantifiziert werden können. Unter dem Regime der Schuldenbremse müssen diese strukturellen Mindereinnahmen ­ sofern sie im Budget nicht mit einem strukturellen Überschuss aufgefangen werden können ­ zwingend durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen kompensiert werden.

3.1.4

Ausblick auf die Vorlage zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes

Die Mindereinnahmen der Massnahmen aus der vorliegenden Vorlage werden durch mittel- bis langfristig zusätzliche Gewinn- und Einkommenssteuereinnahmen aus der Belebung des Schweizer Kapitalmarktes und gegebenenfalls höheren Einnahmen aus dem Übergang zum Zahlstellenprinzip als Folge der Massnahmen der separaten Vorlage zur Belebung des Schweizer Kapitalmarktes teilweise kompensiert.

3.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Für die Erstellung dieses Kapitels wurde insbesondere auch die Regulierungsfolgeabschätzung TBTF vom März 2011 abgestellt, welche die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der TBTF Vorlage vertieft betrachtet.

Regulatorische Eingriffe sind ein möglicher Einflussfaktor auf das Verhalten und die Wettbewerbsfähigkeit von Marktteilnehmern. Das internationale makroökonomische Umfeld und die Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten sind wichtige Einflussfaktoren. Diese sind jedoch nahezu unvorhersehbar. Künftig soll auf jährlicher Basis im «Bericht über internationale Finanz- und Steuerfragen» des EFD auch über die internationalen Entwicklungen im Bereich der Regulierung von G-SIFIs informiert werden.

4787

Die folgenden Ausführungen sind vor diesem Hintergrund zu betrachten. Nicht diskutiert werden hier die Effekte auf den Wettbewerb aufgrund von (expliziten) Staatsgarantien bei Kantonalbanken.

3.3.1

Problembereiche des TBTF

Die TBTF-Problematik basiert auf einer impliziten Staatsgarantie. Diese entsteht durch die Verpflichtung des Staates, die systemrelevanten Funktionen zu erhalten, um grösseren ökonomischen Schaden für das Finanzsystem und die Realwirtschaft abzuwenden. Verschiedene Schätzungen kalkulieren aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmodelle die jährlichen volkswirtschaftliche Kosten der impliziten Staatsgarantie in einer grossen Bandbreite: Boston Consulting Group schätzt in einer Studie den aggregierten Wert für die beiden Schweizer Grossbanken zwischen 2,3 Milliarden Franken und 3,4 Milliarden Franken pro Jahr.42 Aufgrund dieser TBTF-Problematik funktionieren zentrale Marktmechanismen nicht oder nicht ausreichend. Als Folge davon kann im Extremfall sogar die finanzielle Tragfähigkeit des Staates überstiegen werden. Folgende Problembereiche können identifiziert werden: Moral Hazard: Die implizite Staatsgarantie der als TBTF eingestuften Banken begründet ein Problem der Verantwortlichkeit: Die Gewinne systemrelevanter Banken können privat vereinnahmt werden, während die Verluste in einer Krise teilweise vom Staat und damit von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Dies setzt Anreize für die Bank, zu hohe Risiken einzugehen. Die TBTF-Regulierung ist geeignet, das Risikoverhalten des Managements sowie der Investoren in Banktitel zu beeinflussen. Die Selbstverpflichtung des Staates, eine künftige Bankenrettung zu vermeiden und eine glaubhafte Konkursandrohung sind zentrale Massnahmen. Sie sollten die Risikobereitschaft des Managements verringern. Ebenso sollte dies die Eigen- und Fremdkapitalgeber veranlassen, eine höhere Risikotransparenz zu fordern und für die Risiken der Bank eine adäquate Risikoprämie zu verlangen. Insgesamt verringert die TBTF-Regulierung somit das durch eine implizite Staatsgarantie bestehende Moral Hazard.

Subvention: Die Staatsgarantie ist aus ökonomischer Sicht mit einer Subvention vergleichbar. Die Verbindlichkeiten dieser Banken sind aufgrund der Garantie sicherer und erhalten dadurch ein besseres Rating. Eine systemrelevante Bank geniesst am Markt somit einen Abschlag auf ihren Fremdkapitalkosten, da sie im Krisenfall vom Staat gerettet wird und die Kapitalgeber für das eingegangene Risiko nicht entschädigt werden. Diese Ersparnis wird dem Risikoträger im Krisenfall, vor
allem dem Steuerzahler, jedoch nicht vergütet. Diese implizite Versicherung führt dazu, dass die Bank höhere Risiken eingeht, als sie aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte.

42

Quelle: Boston Consulting Group (2010). «Too big to fail»: Value of Implicit Government Guarantee in Europe. Gemäss anderen Schätzungen variiert der Wert der Staatsgarantie über den Zeitraum 2004­2009 zwischen Null in guten Jahren und maximal CHF 21 Mrd. für die Credit Suisse und maximal CHF 13 Mrd. für die UBS im Höhepunkt der jüngsten Finanzkrise. Quelle: Haefeli, Mario und Jüttner, Matthias P. (2010).

The Value of the Liability Insurance for CS and UBS, National Centre of Competence in Research Financial Valuation and Risk Management, Working Paper No. 609.

4788

Wettbewerbsverzerrung: Aus Sicht des Wettbewerbs ist dieser Abschlag auf die Fremdkapitalkosten problematisch, da sich systemrelevante Banken günstiger als nicht-systemrelevante Banken refinanzieren können. Dies kann bedeuten, dass eine Bank, welche als TBTF zu klassifizieren ist, durch die Staatsgarantie und den damit verbundenen günstigeren Refinanzierungskosten gegenüber den Wettbewerbern im Vorteil ist und so einen Anreiz zum weiteren Wachstum und zur Vergrösserung der TBTF-Problematik erhält. Eine solche Subvention ist wettbewerbsverzerrend und verursacht volkswirtschaftliche Kosten. Sobald der Sanktionsmechanismus des Marktes durch die vorgeschlagenen Massnahmen jedoch funktioniert, werden sich auch die unternehmerischen Risiken auf einem angemessenen Niveau einpendeln.

Damit wird zu einer Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung beigetragen, die sich aus der impliziten Staatsgarantie ergibt.

Strukturwandel: Ein weiteres Problem der Staatsgarantie ist die Behinderung des volkswirtschaftlich wichtigen Strukturwandels: Für das langfristige Funktionieren einer Volkswirtschaft ist zentral, dass schlecht wirtschaftende Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und neue eintreten können. Dieser Strukturwandel ist für ein nachhaltiges Wachstum der Wirtschaft unabdingbar. Schlecht geführte systemrelevante Unternehmen mussten aufgrund der impliziten Staatsgarantie bisher nicht aus dem Markt ausscheiden. Sie behindern den wohlstandsfördernden Strukturwandel und reduzieren dadurch das langfristige Wachstum.

Too-big-to-be-rescued: Im schlimmsten Fall sind die Verluste einer systemrelevanten Bank so hoch, dass sie die Finanzkraft eines Landes übersteigen. Eine Rettung ohne internationale Hilfe und nachhaltige volkswirtschaftliche Schäden wie eine Überschuldung des Staates ist dann nicht mehr möglich. Die im Gesetz vorgeschlagenen Massnahmen bieten den Banken Anreize, ihre Dimension zu begrenzen. Sie tragen daher dazu bei, dass ­ sollte es trotz der getroffenen Massnahmen zu einer Stützung kommen ­ die Gefahr verkleinert wird, dass der finanzielle Handlungsspielraum des Staates massgeblich eingeschränkt wird.

Der vorliegende Gesetzesentwurf beabsichtigt, diese Probleme des TBTF wirksam anzugehen.

Eine baldige Umsetzung des vorgeschlagenen Policy Mix hat neben der Krisenprävention und der Entschärfung der
oben beschriebenen Problematik zusätzliche Nutzen: Sie reduziert die Ungewissheit im Vergleich zum Ausland und verstärkt das Vertrauen der Finanzmarktteilnehmer in den Finanzplatz. Auch hat eine rasche Implementierung den Vorteil, dass das Regulierungswerk in Kraft ist, falls es zu einer neuen Krise kommt. Es gilt aber auch darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf die Höhe der Übergangskosten hinreichend lange Übergangsfristen von Vorteil sind.

3.3.2

Auswirkungen der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen

3.3.2.1

Auswirkungen auf die Krisenprävention und -reduktion

Der Hauptnutzen strengerer Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen besteht im Normalfall in der Reduzierung der Konkurswahrscheinlichkeit systemrelevanter Banken und damit in einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit einer Krise des gesamten Bankensystems.

4789

Im Krisenfall liegt der Nutzen der strengerer Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen in der finanziellen Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen (durch die progressive Komponente) und in der Aufrechterhaltung der Liquiditätsversorgung der Wirtschaftenden, das heisst dem uneingeschränkten Zugriff auf Einlagen.

Ohne diesen Zugriff auf Einlagen funktioniert der Zahlungsverkehr nicht.

Dieser volkswirtschaftliche Nutzen wird in internationalen Studien über Auswirkungen strengerer Kapital- und Liquiditätsvorschriften auf die Volkswirtschaft dargelegt.43 Diese Studien betrachten die Auswirkung höherer Anforderungen für den gesamten Bankensektor in einem «durchschnittlichen» Land.44 Die Ergebnisse lassen sich einfach zusammenfassen: Langfristig ist der volkswirtschaftliche Nutzen der vorgeschlagenen Massnahmen (höhere risikogewichtete Eigenmittelquoten und strengere Definition von Eigenmitteln) deutlich höher als die ­ vor allem in der Übergangsphase ­ entstehenden Kosten.

In den Studien wird der volkswirtschaftliche Nutzen strengerer regulatorischer Vorschriften daran gemessen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Krise umso geringer wird, je höher die Kapital- und Liquiditätsvorschriften sind. Eine Bankenkrise führt durch die negativen Folgen für die Realwirtschaft zu einer starken Senkung des Bruttoinlandsprodukts. Die Arbeitslosigkeit steigt markant. Die Rückkehr zu einem «normalen» Wachstumspfad beansprucht einen langen Zeitraum. Dies bedeutet, dass die reduzierte Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Krise einen grossen volkswirtschaftlichen Nutzen mit sich bringt.45 Die erwähnten Studien beziffern den langfristigen Nettonutzen, das heisst den Vorteil der geringeren Krisenwahrschein43

44

45

Der Basler Ausschuss und das Financial Stability Board (FSB) haben zwei Studien zu den volkswirtschaftlichen Nutzen und Kosten strengerer Kapital- und Liquiditätsvorschriften vorgestellt. Eine Studie ermittelt den langfristigen Nettonutzen strengerer Kapital- und Liquiditätsvorschriften (An assessment of the long-term economic impact of stronger capital and liquidity requirements. Basle Committee on Banking Supervision, August 2010 [LEI-Report]). Die zweite Studie, bei der die SNB aktiv mitarbeitete, konzentriert sich auf die volkswirtschaftlichen Kosten während der Einführungsphase strengerer Kapital- und Liquiditätsstandards (Assessing the macroeconomic impact of the transition to stronger capital and liquidity requirements, Interim Report Macroeconomic Assessment Group (MAG) established by Financial Stability Board and Basle Committee on Banking Supervision, August 2010.

Die in den internationalen Studien verwendeten Modelle konnten aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von bestimmten Daten nur begrenzt für die Schweiz angewendet werden.

Das Institute for International Finance (IIF), eine Organisation international tätiger Banken, hat in seiner Studie «Impact on the Swiss Economy of Proposed Regulatory Reforms of the Banking Industry» die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der erhöhten Kapitalanforderungen von Basel II zu Basel III (gemäss Vorschläge Dezember 2009) über den Zeitraum von 2010­2020 betrachtet. Dabei gelangt die Studie zu den Ergebnissen, dass sich bis 2015 das BIP der Schweiz um ­2,6 % reduzieren und rund 120 000 Arbeitsplätze in der Schweiz verloren gehen sollen. Das verwendete makroökonomische Modell, die inzwischen veralteten Parameter gemäss Basel III und der Verzicht auf die Berücksichtigung dämpfender oder gar positiver Elemente lassen die Annahmen jedoch als wenig realistisch erscheinen.

Wissenschaftlichen Studien über die Auswirkungen von Bankenkrisen, aufgelistet in der Studie «An assessment of the long-term economic impact of stronger capital and liquidity requirements» des Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, vergleichen das Wachstum und das Niveau des BIP nach einer Krise mit dem möglichen Wachstum und Niveau, wenn keine Krise stattgefunden hätte. Die Auswirkungen einer Bankenkrise auf das BIP halten lange an. Summiert man die jährlichen Abweichungen des tatsächlichen
BIP vom möglichen BIP ohne Krise, so gehen einer Volkswirtschaft, die von einer Bankenkrise betroffen ist, über die Zeit im Durchschnitt Wirtschaftsleistungen in Höhe von 60 % des BIP-Niveaus vor der Krise verloren.

4790

lichkeit abzüglich der langfristigen Kosten (in Form erhöhter Kreditzinsen), auf durchschnittlich ca. 1­2 Prozent des BIP im Vergleich zur Entwicklung der Volkswirtschaft, wenn keine regulatorischen Massnahmen ergriffen werden.

3.3.2.2

Auswirkungen auf die Kreditvergabe in der Schweiz

Volkswirtschaftliche Kosten könnten vor allem dann entstehen, wenn Banken ihre Kreditvergabe einschränken und/oder die Kreditzinsen erhöhen. Die erwähnten Studien berücksichtigen dies, indem sie annehmen, dass strengere Kapital- und Liquiditätsanforderungen zwingend zu erhöhten Refinanzierungskosten der Banken führen. Wenn die Banken diese Kosten auf den Kreditkunden abwälzen, führt dies zu einer Reduktion der Kreditvergabe und damit möglicherweise auch des BIP.

Auch für den schweizerischen Kreditmarkt ist nicht auszuschliessen, dass die betroffenen Banken versuchen, die gestiegenen Finanzierungskosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Für eine Analyse der Kreditnachfrage vgl. folgende Tabelle, welche die vergebenen Hypothekarkredite (als wichtigste Kreditart) und die übrigen Kredite nach Haushalte und private Unternehmen ausweisst. Unter den privaten Unternehmen werden zur Veranschaulichung die KMUs und die Grossunternehmen noch separat aus gewiesen. Es zeigt sich, dass die Hypotheken über 79 Prozent der gesamten Geschäftskredite ausmachen und ein Grossteil der Hypotheken (96,5 %) von KMU genutzt werden.

Inländisches Kreditvolumen Total CHF Mrd.

Hypotheken

Übrige Kredite

Limiten

in % CHF Mrd.

in % CHF Mrd.

in % CHF Mrd.

in %

Private Unternehmen ­ davon KMU ­ davon Grossunternehmen

225,8 206,3 19,5

4,5 5,4 ­4,7

164,4 158,8 5,5

7,5 7,8 ­0,8

61,5 47,5 14,0

­2,7 ­1,7 ­6,1

308,1 273,8 34,3

6,1 6,1 6,5

Haushalte

596,6

3,8

564,6

4,1

32,0

­0,5

634,9

3,8

Quelle: SNB (Oktober 2010)

Die äusserste rechte Spalte der Tabelle gibt die Limiten für Kredite an die jeweiligen Sektoren an, während die anderen Spalten die tatsächliche Benützung der Kreditlimiten angeben.

bezeichnet die jährliche Wachstumsrate auf der Basis von Oktober 2009 bis Oktober 2010.

Allerdings sind die systemrelevanten Banken im inländischen Kreditgeschäft, egal ob Hypothekarkredite oder KMU-Kredite einem starken Wettbewerb mit anderen, nichtsystemrelevanten Banken ausgesetzt, welche nicht der neuen Gesetzgebung unterliegen. Dies erschwert die Überwälzung der Kosten. Um ihre Marktanteile im gesamten inländischen Kreditgeschäft von ca. einem Drittel und auch ein mögliches Cross-Selling-Potenzial nicht zu verlieren, dürften die beiden systemrelevanten Banken möglicherweise auch Margenreduktionen in Kauf nehmen. Doch selbst wenn sie ihr Kreditangebot reduzieren sollten, könnte die daraus entstehende Lücke durch die nichtsystemrelevanten Banken ausgeglichen werden.

4791

Die untenstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Marktanteile der Grossbanken im inländischen Kreditgeschäft.

Marktanteile der Grossbanken im inländischen Kreditmarkt Stand der Kredite in CHF Mrd.

Total

Hypotheken

Übrige Kredite

Total Inland Marktanteil GB

822,4 33 %

728,9 32 %

93,5 40 %

Haushalte Marktanteil GB

596,6 33 %

564,6 33 %

32,0 34 %

KMU Marktanteil GB

206,3 34 %

158,8 28 %

47,5 46 %

Grossunternehmen Marktanteil GB

19,5 33 %

5,5 32 %

14,0 33 %

Quelle: SNB (Ende Oktober 2010)

Eine langfristige Verringerung der Fremdfinanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen erscheint unwahrscheinlich. Auch die Tatsache, dass fast 70 Prozent der KMU in der Schweiz über keinen Bankkredit verfügen, spricht dafür, dass der Zusammenhang zwischen strengeren Eigenmittelvorschriften für systemrelevante Banken, Kreditvolumen und Veränderungen des BIP zumindest in der Schweiz relativ schwach zu sein scheint.

Gesondert müssen Spezialkredite, wie Handels- und Exportfinanzierungen, und teilweise auch ungedeckte Kredite betrachtet werden, wo die Grossbanken Marktführer sind. Hier können in der Übergangsphase volkswirtschaftliche Kosten durch höhere Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen entstehen. Allfällige Verteuerungen oder gar Engpässe sollten durch die vorgesehenen Übergangsfristen im Aufbau der Kapitalanforderungen vermieden werden können.

Ob es durch die Einschränkungen aufgrund der Liquiditätsvorschriften zu einem Rückgang des Kreditvolumens, insbesondere im KMU-Bereich kommt, ist angesichts des Wettbewerbs im Kreditmarkt strittig. Empirisch gibt es für die Schweiz keine Hinweise auf eine Korrelation von Liquiditätshaltung und Kreditvergabe.46 Der durch das neue Liquiditätsregime verbesserte Wettbewerb führt zudem dazu, dass die Versorgung des Kreditmarktes stabiler wird, d.h. weniger von der wirtschaftlichen Lage einzelner Kreditanbieter abhängig ist.

46

Der Liquiditätsgrad der Grossbanken schwankte im Zeitraum von 1998­2008 stark in einer Bandbreite von 130 Prozent bis 300 Prozent. Das inländische Kreditvolumen in diesem Zeitraum war jedoch extrem stabil, so dass keine Korrelation des inländischen Kreditvolumens mit der Liquiditätshaltung der Banken unterstellt werden kann.

4792

Kostenvermindernd dürften sich die steuerlichen Begleitmassnahmen auf den inländischen Kapitalmarkt auswirken.47 Somit dürfte diese Finanzierungsform relativ zum Bankkredit zumindest für grössere Unternehmen an Attraktivität gewinnen und die Nachfrage nach Bankkrediten entlasten.

3.3.2.3

Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Wertschöpfung

Die Auswirkungen auf den Wettbewerb durch die TBTF-Regulierung können auf nationaler und internationaler Ebene analysiert werden.

National Mit den vorgeschlagenen Massnahmen werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen systemrelevanten Banken und anderen Banken zumindest teilweise beseitigt. Die Massnahmen haben also einen korrigierenden Effekt. Damit wird ein Beitrag zu einem sogenannten «Level playing field» geleistet. Mit einer Reduktion der Wettbewerbsverzerrungen können sich auch die Kräfte des Wettbewerbs besser entfalten.

Dies führt einerseits zu mehr Innovationen, andererseits hat eine Zunahme des Wettbewerbs in der Regel auch eine Senkung der Kosten beziehungsweise der Margen zur Folge. Dies kann positiv für Unternehmen und besonders für kleine Unternehmen sein, die sich häufig nicht über den Kapitalmarkt finanzieren.

International Aufgrund der höheren regulatorischen Anforderungen könnten schweizerischen systemrelevanten Banken gegenüber den ausländischen systemrelevanten Banken höhere Kosten entstehen. Dies betrifft insbesondere die Aufbauphase. Eine lange Übergangsfrist räumt den Banken jedoch auch die Möglichkeit ein, alternative Wege zur Finanzierung der Kosten zu finden. Die Vorteile ergeben sich grundsätzlich zum Zeitpunkt der Implementierung der Massnahmen. Es resultiert eine höhere Bonität und damit verbunden tiefere Refinanzierungskosten. Letztlich ist die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen systemrelevanten Banken auch davon abhängig, wie sich diesbezügliche Diskussionen auf internationaler Ebene ­ besonders im FSB und der G-20 ­ entwickeln und sich dadurch das internationale Regulierungsumfeld für die konkurrierenden systemrelevanten Institute ändert.

Mit Blick auf den gesamten Finanzplatz erhöhen die vorgeschlagenen Massnahmen das Vertrauen der Investoren, da die Massnahmen zur Systemstabilität beitragen.

Dies kann ein komparativer Vorteil im internationalen Standortwettbewerb sein.

Eine höhere Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz zieht mehr Investoren an und wirkt damit auch positiv auf das Investitionsvolumen. Dadurch können wiederum Arbeitsplätze entstehen, wodurch das gesamtwirtschaftliche Einkommen steigt und damit verbunden auch das Steueraufkommen.

Die grössere Stabilität und das geringere Risikopotenzial von Bankkrisen werden die Attraktivität des Finanzplatzes
Schweiz längerfristig wahrscheinlich erhöhen. Diese positiven, weil einkommens- und beschäftigungswirksamen Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft dürften allfällige negative Folgen der Umsetzung der 47

Dies gilt insbesondere bei der Umsetzung der steuerlichen Massnahmen zur Emissionsabgabe und zur Verrechnungssteuer (vgl. Ziff. 1.6.4).

4793

Massnahmen im vorgeschlagenen Umfang der Vorlage aufwiegen. Mittelfristig wird sich die höhere Kapitalisierung der Banken positiv auf ihre Refinanzierungskosten auswirken. Schliesslich wird die teilweise Korrektur der durch den Moral Hazard bewirkten Verzerrung eine effizientere Allokation der produktiven Ressourcen und damit eine Stärkung der Wertschöpfung durch die Wirtschaft ermöglichen.

Aus den regulatorischen Änderungen ergibt sich ein geringeres finanzielles Risiko für den Staat. Er muss im Krisenfall nicht mehr intervenieren. Eine staatliche Intervention zugunsten eines systemrelevanten Finanzinstituts könnte ­ je nach Art der Abwicklung ­ eine spürbare Erhöhung der Schuldenquote zur Folge haben. Ab einer gewissen Höhe dürften sich Staatsschulden negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken.

3.3.3

Auswirkungen der Risikoverteilungs- und Organisationsvorschriften

3.3.3.1

Auswirkung der Verringerung von Interdependenzen innerhalb des Finanzsektors

Die bestehenden Interdependenzen zwischen den systemrelevanten Banken und den übrigen Schweizer Banken sollen durch die TBTF-Regelungen verringert werden.

Damit sollen im Krisenfall potenzielle Ansteckungsrisiken vermindert und generell die Abhängigkeiten der Banken untereinander reduziert werden.

Im Rahmen des vorliegenden Gesetzesvorschlags müssen die systemrelevanten Banken das den übrigen Banken zur Verfügung gestellte Leistungsangebot (Zahlungsverkehr, Devisentransaktionen, Wertschriftenabwicklung, u.a.) so organisieren, dass auch im Krisenfall der Zugang zu den systemrelevanten Funktionen für die übrigen Banken jederzeit gesichert ist. Das hohe Risiko der übrigen Banken, das aus der bestehenden Abhängigkeit von diesen Dienstleistungen resultiert, wird dadurch entscheidend vermindert.

Die systemrelevanten Banken, als auch die übrigen Banken, sind gehalten, aufgrund der strengeren Diversifikationsvorschriften ihre Klumpenrisiken zu reduzieren: Durch diese Beschränkung der gegenseitigen finanziellen und operativen Abhängigkeiten soll die Ansteckungsgefahr (Contagion) der Banken untereinander reduziert werden, d.h. das Risiko einer Übertragung der Insolvenzgefahr wird verringert. Die erforderlichen Anpassungen, aber auch der Verlust von Grössenvorteilen erzeugt Effizienzverluste und organisatorische Mehrkosten im Betrieb.

3.3.3.2

Auswirkungen aus der Notfall- und Recoveryplanung

Der im Zuge einer geeigneten Notfallplanung für die systemrelevanten Funktionen sowie der durch den Recovery Plan ausgelöste Anpassungsprozess kann bei den Banken zu einer Neubetrachtung der Geschäftsstrategie, der rechtlichen Struktur, der Organisationsstruktur und der Art und Weise, in welcher die Geschäftstätigkeit erfolgt, führen. Bei der Recovery Planung (RPR) einer Bank muss sich die Bank mit der Frage der Machbarkeit einer privatautonomen Sanierung auseinandersetzen.

Dabei werden die Geschäftsbereiche hinsichtlich ihrer Relevanz für das Kern4794

geschäft, die Möglichkeiten einer zügigen Risikoreduzierung sowie die Möglichkeiten kurzfristiger Kapital- und Liquiditätsbeschaffung vermehrt in den Fokus des Managements rücken.

Die Implementierung und der Unterhalt des Notfallplans zur Weiterführung der systemrelevanten Funktionen sowie der RRPs ist durch den Einbezug der verschiedensten Geschäftsbereiche, die dazu beizutragen haben, sehr komplex. Die zeitnahe Aufbereitung der Daten und der Umgang der Planungen für eine Finanzgruppe verlangen den Einsatz bedeutender Ressourcen der Banken. Die Pläne müssen sich dynamisch an die sich verändernde Unternehmensstruktur anpassen und aktualisiert werden. Die als Ergebnis der Planung sich allenfalls ergebenden Änderungen in der Organisationsstruktur können weitere Kosten verursachen. Einerseits können diese durch die Umstrukturierungskosten, andererseits durch Effizienzverluste verursacht werden. Insbesondere die Vorbereitungen für die Ausgliederung und separate Fortführung der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz in einem selbständigen Unternehmensträger könnten einmalig schätzungsweise einen zweistelligen Millionenbetrag erfordern. Dabei ist zu betonen, dass der Umfang der Kosten von dem von der Bank gewählten Konzept zur Notfallplanung, den RRPs sowie dem Umfang der hierzu erforderlichen Anpassungen abhängig ist. Insofern als die durch die RRPs ermöglichte Abwicklungsoption die implizite Staatsgarantie beseitigt, könnten die Refinanzierungskosten steigen.

In einer Krise ist die Fähigkeit zur raschen und durchdachten Reaktion der Schlüsselfaktor. Hierzu legen der Notfallplan und die RRPs die Grundlage und hierin liegt ihr volkswirtschaftlicher Nutzen. Im Rahmen der Recovery Planung werden die Massnahmen im Bereich Kapital und Liquidität vordefiniert und die Möglichkeiten und Folgen einer raschen Verringerung des Risikopotenzials analysiert. Die Aussichten für eine erfolgreiche Sanierung auf privatrechtlicher Basis steigen beträchtlich. Das Vorhandensein eines Auflösungsplans mit den wichtigsten zeitnah aufbereiteten Informationen, erlaubt den verantwortlichen Behörden (Exekutive, Aufsicht), die für eine Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen notwendigen Ressourcen festzulegen. Im Übrigen dienen sie als Voraussetzungen für eine allfällige geordnete Abwicklung der insolventen Bank,
so dass der Volkswirtschaft weniger Kapital verloren geht und die Kreditvergabefähigkeit aufrechterhalten wird.

Durch die Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen bleibt die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems während einer Krise gewahrt, ohne dass dazu auf Kosten des Staates die gesamte Bank finanziell gestützt werden müsste.

3.3.3.3

Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Wertschöpfung

Den ausgeführten tendenziell höheren Kosten zur Umsetzung der Risikoverteilungsund Organisationsmassnahmen für die systemrelevanten Banken steht ein volkswirtschaftlicher Nutzen aus einer Reduktion der Marktverzerrungen und der Erhöhung der Systemstabilität gegenüber.

National Die Neuregelungen beeinflussen den Wettbewerb zwischen den beiden systemrelevanten Banken und den übrigen Banken. Einerseits ist zu erwarten, dass sich der Finanzierungsvorteil der systemrelevanten Banken gegenüber den übrigen, nicht von 4795

einer Staatsgarantie profitierenden Instituten, durch den Wegfall der faktischen Staatsgarantie verringern wird. Dadurch wird die bestehende Wettbewerbsverzerrung vermindert und die Innovationskraft erhöht. Die Konsumenten könnten daher von einem besseren und breiteren Leistungs- und Produktangebot profitieren. Bei einem funktionierenden Wettbewerb können die Konsumenten zudem erwarten, dass die durch Innovations- und Effizienzsteigerungen erreichten Kostenvorteile an sie weitergegeben werden.

Weiter könnte das Interesse der kleineren Banken, ihre Abhängigkeit von den systemrelevanten Banken bei bestimmten Bankdienstleistungen zu verringern, dazu führen, dass sich in der Schweiz für diese Angebote neue Anbieter etablieren. Dies würde die bestehenden Anbieter zur Effizienz anhalten. Insgesamt dürfte der Schweizer Finanzmarkt von dem Abbau der Wettbewerbsverzerrungen und von einem besseren Leistungsangebot sowie einer höheren Innovationskraft und Effizienz profitieren.

Die systemrelevanten Banken können aufgrund ihrer Grösse gegenüber den meisten nationalen Wettbewerbern auch weiterhin über zentrale Vorteile verfügen. Sie haben Zugang zu einem grossen Kundenpotenzial, können Cross-Selling betreiben und Skaleneffekten erzielen. Die TBTF-Regulierung stellt diese Marktfunktion nicht per se infrage. Die Marktkenntnis, das umfassende Produkt- und Leistungsangebot (Devisen- und Kapitalmarkttransaktionen) sowie die eingespielten Prozesse ermöglichen den beiden Grossbanken, weiterhin eine attraktive Wettbewerbsposition zu halten.

Im Bereich der Wertschöpfung können die organisatorischen Anforderungen dazu führen, dass die Banken vermehrt eigenständige Tochtergesellschaften in den verschiedenen Ländern gründen und entsprechend mit Kapital und einer unabhängigen Organisation ausstatten. In diesem Falle würden in den jeweiligen Jurisdiktionen (vermehrt) Sub-Holdings bzw. Teilkonzerne zum Einsatz kommen. Entsprechend könnten Wertschöpfungselemente und in der Folge auch Arbeitsplätze und Steuersubstrate aus der Schweiz abfliessen.

Was hingegen die engen Anforderungen an die Erhaltung der systemrelevanten Funktionen betrifft, so ist aufgrund der rechtlichen Anforderungen davon auszugehen, dass die entsprechenden Organisationseinheiten in der Schweiz verbleiben.

International Im internationalen Vergleich sind
die Rahmenbedingungen auf den jeweiligen Märkten für die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit entscheidend. Vor dem Hintergrund weitreichender Finanzmarktreformen in den USA (etwa die besonderen Registrierungspflichten für Swap Dealer mit US-Geschäft im Rahmen des DoddFrank Act), sowie in europäischen Staaten (etwa die Bankenabgabe in Deutschland) sind die Auswirkungen der spezifischen Schweizer TBTF-Anforderungen zu relativieren.

Die durch die Risikoverteilung- und Organisationvorschriften angestrebte Verbesserung der Stabilität der systemrelevanten Banken und des gesamten Schweizer Finanzmarktes ist langfristig geeignet, die Reputation und die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz zu erhöhen. Zudem ist zu erwarten, dass die Banken versuchen, die in einzelnen Bereichen einschränkenden Wirkungen der TBTF-Regelungen durch ihre Innovationskraft zu kompensieren.

4796

Dies kann die Wettbewerbsfähigkeit der systemrelevanten Banken positiv beeinflussen. Die Banken erreichen eine Attraktivitätssteigerung bei risikoscheuen Investoren und Privatkunden. Gerade in den von beiden Grossbanken als Wachstumsmärkte definierten Regionen könnte dies besondere Bedeutung haben.

3.3.4

Auswirkung der Massnahmen bei den variablen Vergütungen

3.3.4.1

Ausserhalb von Krisenzeiten

Es ist nicht zu erwarten, dass die neue Gesetzesbestimmung einen bedeutenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit oder Attraktivität der betroffenen Finanzinstitute als Arbeitgeber haben wird. Dies, weil es unwahrscheinlich ist, dass die Regelung zur Anwendung kommt, wofür nicht zuletzt der vorliegende Regulierungsvorschlag zur Minderung der TBTF-Problematik sorgen soll.

Es ist davon auszugehen, dass auch nicht systemrelevante Banken, aufgrund des Geschäftsinteresses und des Drucks von Politik und Öffentlichkeit, eine Anpassung ihrer variablen Vergütungen für den Fall einer Krise vorsehen. Die neue Gesetzesbestimmung dürfte somit dazu beitragen, ein «Level-Playing-Field» für alle Banken in der Schweiz zu schaffen.

Schliesslich könnte die Regelung die Vergütungsempfänger der systemrelevanten Bank dafür sensibilisieren, übertriebene Risiken, die sich zwar individuell lohnen könnten, für die Bank hingegen mit einem unverhältnismässigen Risiko verbunden sind, nicht einzugehen. Während nämlich der Empfänger einer solchermassen «verdienten» hohen variablen Vergütung wohl kurzfristig profitiert, weiss er, dass er im Krisenfalls darauf wird verzichten müssen.

Denkbar ist indes, dass wichtige Mitarbeiter und Organpersonen die systemrelevante Bank verlassen, um der Gefahr eines Verlusts auf die variablen Vergütungsansprüche zu entgehen. Diese könnten sich alsdann, z.B. als externe Berater, beauftragen lassen, die von der Regelung nicht betroffen sind, da sie nicht mehr vom Vergütungssystem der betroffenen Bank erfasst sind, sondern nur noch auf Kommissionsbasis entschädigt werden. Die Gefahr, dass die abgehenden Personen nicht valabel ersetzt werden können, erscheint indessen eher gering.

3.3.4.2

In Krisenzeiten

Schon eher als Wettbewerbsnachteil dürfte sich die neue Regelung in einer Krisensituation für die systemrelevanten Banken auswirken. Bei einer teilweisen oder ganzen Streichung von variablen Vergütungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht systemrelevante Banken qualifiziertes Personal der betroffenen systemrelevanten Bank abwerben. Dieser Nachteil ist indessen in Kauf zu nehmen, da es gerade Zweck der Bestimmung ist, zu verhindern, dass die staatlichen Mittel der Finanzierung unangemessener Boni dienen.

Versuchen die systemrelevanten Banken die Regelung durch eine Reduktion der variablen Vergütungsanteile zu umgehen, könnte die Erhöhung der Fixvergütungen zu weniger betrieblicher Flexibilität und dadurch zu mehr Entlassung von Mitarbei-

4797

tern führen, da der «Puffer» der reduzierbaren variablen Vergütungsanteile wegfallen würde.

3.3.4.3

Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Sektoren und dem Ausland

Im Vergleich zu anderen Sektoren wird die Entlöhnung im Bankensektor auch bei einer Beschränkung der variablen Vergütungen im Falle von Staatshilfe kompetitiv bleiben (vgl. Lohnstrukturerhebung, BFS). Im internationalen Umfeld dürfte die Regelung keine Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit oder Attraktivität der systemrelevanten Banken auf dem Arbeitsmarkt haben, da viele ausländische Staaten ähnliche Regulierungen kennen.

3.4

Gesellschaftskapital zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen

3.4.1

Vorratskapital

Das Instrument des Vorratskapitals funktioniert wie eine bedingte Aktienkapitalerhöhung und zielt darauf ab, dass im drohenden Krisenfall rasch Eigenkapital zur Stärkung der regulatorischen Anforderungen emittiert werden kann. Die Marktfähigkeit von Vorratskapital ist von der spezifischen Situation der emittierenden Bank und von der Ausgestaltung der Herausgabekonditionen dieses Aktienkapitals abhängig.

3.4.2

CoCos ­ Wandlungskapital und Anleihen mit Forderungsverzicht

CoCos sind Schuldverschreibungen, die bei einem bestimmten Ereignis (Erreichen eines Auslösers [Trigger]) in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden.

In der vorliegenden Botschaft werden ­ wo nichts anders erwähnt ­ unter dem international unterschiedlich verwendeten Begriff CoCos (Contingent Convertibles) Pflichtwandelanleihen für Aktien oder Partizipationsscheine im Sinne des Artikel 13 E-BankG und Anleihen mit Forderungsverzicht (sogenannte «Write-Offs») im Sinne des Artikel 11 Absatz 2 E-BankG verstanden. In den Vorschlägen der Expertenkommission ist das Unterschreiten einer regulatorischen Eigenmittelquote als Auslöser vorgesehen.

CoCos sind ein zentraler Bestandteil der vorgeschlagenen Eigenmittelregulierung.

Zum einen können CoCos emittiert werden, die in einer drohenden Krise einer Bank relativ frühzeitig in Eigenmittel gewandelt bzw. abgeschrieben werden (hoher Trigger) und damit die Eigenmittelbasis verbessern, um noch vor der eigentlichen Sanierungs- und Abwicklungsphase zu einer raschen Stabilisierung beizutragen. Anstatt der Emission dieser hochtriggernden CoCos kann eine Bank die diesbezüglichen TBTF-Kapitalanforderungen auch in entsprechendem Umfang mit Eigenkapital höchster Qualität (Common Equity) erfüllen.

4798

Zum anderen sind CoCos zu emittieren, die relativ spät in Eigenmittel umgewandelt bzw. abgeschrieben werden (tiefer Trigger). Diese CoCos sollen einen ausreichenden Handlungsspielraum zur Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen im Fall einer drohenden Insolvenz gewährleisten.

Wie in Kapitel 1.6.4.1. dargestellt, sollte die Emission dieser Instrumente, vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit (Stichwort: Auslösung der Wandlung oder Abschreibung) sowie der Anwendung im Krisenfall (Stichwort: Reduktion der Komplexität) auf dem Schweizer Kapitalmarkt emittiert und Schweizer Recht unterstellt werden. Die in der Vorlage vorgesehenen bzw. vom Bundesrat geplanten steuerlichen Massnahmen sollten für die Entwicklung eines Schweizer Markts für Emissionen von CoCos einen wichtigen Beitrag leisten.

Anleihen mit Forderungsverzicht zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen werden analoge Ausgestaltungsbedingungen wie das Wandlungskapital erfüllen müssen. Da hier eine Abschreibung und keine Wandlung in Aktienkapital erfolgt, werden dadurch Prozess und rechtliche Risiken minimiert.

Da nach der Abschreibung kein Substrat wie Aktien (im Falle des Wandlungskapitals) vorhanden ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Preis bzw. die geforderte Zinszahlung auf diesen Anleihen höher als bei den entsprechenden Wandlungsanleihen ausfällt.

3.4.2.1

Marktchance CoCos

CoCos sind ein neues Instrument und bisher gibt es nur wenige Beispiele von Emissionen die den Anforderungen des BCBS genügen. Credit Suisse veröffentlichte am 14. Februar 2011 eine Vereinbarung mit zwei strategischen Investoren über die Emission von Wandelanleihen in Höhe von insgesamt 6 Milliarden Franken Davon sollen 3 Milliarden Franken die Kriterien für CoCos gemäss der vorgeschlagenen TBTF-Massnahmen erfüllen. Die Verzinsung dieser CoCos liegt unter der Verzinsung für die bisherigen Hybridinstrumente. Die mögliche Wandlung erfolgt, wenn die Common-Equity-Tier-1-Quote der Credit Suisse unter 7 Prozent fällt.

Am 17. Februar 2011 wurden Details zu einer öffentlichen Emission von CoCos im Nominalwert von 2 Milliarden US-Dollars bekannt. Diese, ebenfalls im Ausland emittierten CoCos, werden auch auf einem Sekundärmarkt gehandelt. Die öffentlich emittierte Anleihe wird mit 7,875 Prozent verzinst und läuft über 30 Jahre. Sie wird bei einer Unterschreitung der Common-Equity-Tier-1-Quote von 7 Prozent oder hoheitlich bei Erreichen des sogenannten Viability Events gewandelt. Diese Anleihe wurde vom Markt mit viel Interesse aufgenommen. Die Nachfrage belief sich auf 22 Milliarden US-Dollars. Die Emission war also mehr als zehnfach überzeichnet.

Auch der Aktienmarkt hat die Emission der CoCos gut aufgenommen. Die Aktie der Credit Suisse ist von Ankündigung der Emission bis zum 17. Februar 2011 um 3,7 Prozent gestiegen. Der SMI ist in diesem Zeitraum um 0,6 Prozent gestiegen.

Ebenso gibt es ausserhalb der Schweiz Beispiele für CoCos-Emissionen. Am 12. März 2010 hat Rabobank eine Anleihe emittiert, die in ihrer Funktionsweise CoCos sehr ähnlich ist und voraussichtlich auch den Basel-III-Anforderungen genügt. Der Trigger bezieht sich allerdings auf die «alte» Definition von Tier-1Kapital und nicht auf Common Equity. Rabobank hat so 1,25 Milliarden Euro an Tier-1-Kapital aufgenommen. Die Bank hat für diese Anleihe Angebote in Höhe von 4799

2,6 Milliarden Euro erhalten. Die Zinszahlung auf diese Anleihe beträgt 6,875 Prozent. Die Laufzeit beträgt 10 Jahre.

Nach der erfolgreichen ersten Emission, hat Rabobank am 19. Januar 2011 einen weiteren, ähnlich konstruierten Bond emittiert. Das Emissionsvolumen des Bonds betrug 2 Milliarden US-Dollars und hat Angebote von 6,5 Milliarden US-Dollars erhalten. Der Coupon beträgt 8,375 Prozent bei einer Laufzeit bis Sommer 2016.

Der Trigger bezieht sich ebenfalls auf Tier-1-Kapital und liegt bei einer Tier-1Kapitalquote von 8 Prozent. Unterschreitet Rabobank diese 8-Prozent-Kapitalquote, wird der Nominalwert der Anleihe automatisch herabgesetzt.

Darüber hinaus plant Barclays Capital CoCos für die Bezahlung von Boni zu benutzen. Die Hälfte des Bonus soll in CoCos ausgezahlt werden, die mindestens drei Jahre gehalten werden müssen. In dieser Zeit erhalten die Angestellten 10 Prozent Verzinsung auf die CoCos. Unterschreitet die Bank allerdings in diesem Zeitraum eine bestimmte Kapitalquote, so werden die CoCos in Aktien von Barclays gewandelt.

Die Ratingagentur Fitch hat bereits angekündigt, CoCos mit einem tiefen Trigger beurteilen zu wollen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung eines breiten Marktes.48 Die Attraktivität von CoCos und damit ihre Nachfrage sind wie bei jedem anderen Produkt stark vom Preis oder im Fall von CoCos von der Rendite bzw. der Risikoprämie abhängig. Eine im Vergleich zu Anleihen und Aktien attraktive Risikoprämie erleichtert es, eine ausreichende Nachfrage zu erzeugen. Die von den Investoren geforderte Risikoprämie, d.h. die Verzinsung der CoCos, hängt dabei stark von der Wandlungs- bzw. Abschreibungswahrscheinlichkeit ab und kann somit von der Bank selbst beeinflusst werden. Die Bank bestimmt mit ihrer Geschäftspolitik wie weit ihre Eigenmittelquote von dem festgelegten Trigger entfernt ist. Je höher Investoren das Risiko einer Bank einschätzen, desto grösser wird die Risikoprämie sein, die sie verlangen. Systemrelevante Banken können das Risiko durch einen Ausbau der Eigenmittel oder eine Anpassung ihres Risikoprofils senken.

3.4.2.2

Potenzielle Investoren, Wirkung auf die Risikoverteilung

Der Kreis der potenziellen Investoren für CoCos sollte idealerweise breit gestreut sein und sowohl institutionelle wie auch private Anleger umfassen. Auch ist auf einen internationalen Anlegerkreis zu achten. Um im Krisenfall einer Bank Ansteckungseffekte im Bankensektor zu vermeiden, ist zu erwarten, dass Investitionen in CoCos durch andere Banken mit entsprechenden Kapitalunterlegungsvorschriften belegt werden. Versicherungsunternehmen könnten durch die im Vergleich zu traditionellen Obligationen höheren Renditen an einer Investition in CoCos interessiert sein. Aufsichtsseitig gelten hierzu für eine Investition in die gebundenen Vermögen der Versicherungsportfolien die üblichen Obergrenzen wie sie für Aktien oder Bonds bestehen. Je nach Umfang der Investitionen und einhergehenden Risiken sind spezifische Anpassungen für CoCos jedoch nicht ausgeschlossen.

48

Pressemitteilung Fitch vom 8.11.2010 «Fitch Clarifies That It Expects to Be Able to Rate New Generation Bank Hybrid Securities».

4800

Die öffentlich emittierten CoCos der Credit Suisse wurden v.a. von Asset Managern sowie Privatbanken für ihre institutionellen und privaten Kunden und zu geringem Teil von Pensionskassen nachgefragt49. Geographisch lag der Schwerpunkt der Nachfrage in Asien und der Schweiz. Der Handel auf dem Sekundärmarkt dürfte hier zu einer weiteren geographischen Diversifikation beitragen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200850 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200851 über die Legislaturplanung 2007­2011 vorgesehen. Die Gründe ergeben sich aus den vorstehenden Ausführungen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

5.1.1

Besondere Anforderungen für systemrelevante Banken

Die vorgeschlagenen besonderen (höheren) Anforderungen für systemrelevante Banken hinsichtlich Eigenmittel, Liquidität und Organisation werfen die Frage nach der Zulässigkeit dieser Differenzierung und unterschiedlichen Behandlung gegenüber den übrigen Banken auf. Artikel 98 Absatz 1 BV gibt dem Bund das Recht und die Pflicht, Vorschriften über das Banken- und Börsenwesen zu erlassen. Nach der herrschenden Auffassung sollen dabei nicht nur die klassischen Polizeigüter (namentlich Schutz der Bankgläubiger), sondern auch das Funktionieren des Bankensystems geschützt werden (Systemschutz). Artikel 98 BV enthält indessen keine Ermächtigung, vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abzuweichen. Erlaubt sind nur grundsatzkonforme Massnahmen, die (u.a.) dem Funktionieren der Märkte dienen52.

Der (unkontrollierte) Untergang eines systemrelevanten Unternehmens hat definitionsgemäss nicht tragbare Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. In diesem Lichte setzt die Unterscheidung zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Unternehmen den in Artikel 98 BV erteilten Auftrag zum Systemschutz um.

Unterschiedliche Regelungen für systemrelevante und nicht systemrelevante Unternehmen sind daher grundsätzlich zulässig. Sie müssen aber durch die Systemrelevanz bedingt und daher sachlich gerechtfertigt sind. Die Ungleichbehandlung darf mit Blick auf das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; diese soll auch vor Wettbewerbsverzerrungen schützen) nicht weiter gehen, als zum Schutz der öffentlichen Interessen zwingend notwendig ist. Werden systemrelevanten Banken erhöhte Anforderungen auferlegt, ist sicherzustellen, dass der Effekt auf den Wettbewerb möglichst gering bleibt. Bei den Eigenmitteln wird daher mit dem Wandlungskapital eine Möglichkeit geschaffen, erhöhte 49 50 51 52

Nach vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass Banken CoCos nicht für das Bankbuch erworben haben.

BBl 2008 753 BBl 2008 8543 Ehrenzeller, St. Galler Kommentar zu Art. 98 BV Rz. 2 f.

4801

Eigenmittelanforderungen weitgehend kostenneutral zu erfüllen. Ausserdem ist die Höhe der Eigenmittelzuschläge im Vergleich zu den übrigen Banken von der Ausprägung der Systemrelevanz und damit auch von der Organisation und den von der Bank eingegangenen Risiken abhängig zu machen. Bei den besonderen organisatorischen Anforderungen werden primär funktionale Vorgaben gemacht und direkte staatliche Anordnungen an die Einhaltung eines strikten Subsidiaritätsprinzips gebunden. Damit kann die Gleichbehandlung soweit als möglich gewährleistet und Wettbewerbsverzerrungen minimiert werden.

5.1.2

Vergütungsregelung

5.1.2.1

Die Wirtschaftsfreiheit

Die Beschränkung der Vergütungspolitik eines Finanzinstituts stellt eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) dar. Die Einschränkung betrifft auch die Vertragsfreiheit, die zwar in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt wird, durch die Wirtschaftsfreiheit aber vorausgesetzt wird53. Das Bundesgericht sieht in der Vertragsfreiheit ein «zentrales Element der Wirtschaftsfreiheit».54 Eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Wird sie indes eingeschränkt, muss dies im Einklang mit Artikel 36 BV stehen, der die Voraussetzungen festlegt, unter denen die Grundrechte eingeschränkt werden können. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Die mit der vorliegenden Gesetzesbestimmung erfolgende Einschränkung bedarf somit einer gesetzlichen Grundlage. Er muss nach der genannten Verfassungsbestimmung zudem durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren.

Weiter impliziert die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit einige Besonderheiten hinsichtlich der Anforderungen an das überwiegende öffentliche Interesse einerseits und der Anforderung an die Gleichbehandlung direkter Konkurrenten andererseits.

Gemäss Lehre und Rechtsprechung muss eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit grundsatzkonform, d.h. wettbewerbsneutral sein.55 Als grundsatzkonform gelten «verhältnismässige, wirtschaftspolizeiliche Massnahmen, also Massnahmen, die der Gefahrenabwehr (...) dienen, sowie bestimmte sozialpolitische Vorschriften und andere Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die nicht wirtschaftspolitisch motiviert sind.»56 Demgegenüber sind gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung «wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen» unzulässig.57 Solche Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit benötigen eine ausdrückliche Verfassungsgrundlage.

Direkte Konkurrenten müssen sodann gleich behandelt werden. Die Wirtschaftsfreiheit verbietet grundsätzlich Massnahmen, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren und somit nicht wettbewerbsneutral sind. Dieser «Grundsatz gilt

53 54 55 56 57

Vgl. Vallender, St. Galler Kommentar zum Art. 27, Rz. 38.

Vgl. BGE 130 I 26, 41; 131 I 223, 230.

Vgl. Vallender, a.a.O., Art. 94, Rz. 5.

Vgl. Vallender, a.a.O.

Vgl. BGE 128 II 292.

4802

sowohl bezüglich staatlicher Massnahmen, die grundsatzkonform sind, als auch betreffend zulässige grundsatzwidrige Vorkehren des Staates»58.

5.1.2.2

Überprüfung des neuen Gesetzesartikels

Vorliegend wird durch die neue Gesetzesbestimmung im Bankengesetz eine formelle gesetzliche Grundlage geschaffen. Die Gesetzesbestimmung soll die Kompetenz und Pflicht des Bundesrats begründen, die Unterstützung des betroffenen Finanzinstituts mit Bundesmitteln an die Einhaltung gewisser Vorschriften hinsichtlich der variablen Vergütungen durch diese Bank zu knüpfen.

Das öffentliche Interesse an der Anordnung einer Massnahme ist aufgrund der Beanspruchung staatlicher Hilfsmittel durch das Finanzinstitut eindeutig zu bejahen: Vorliegend sollen die anzuordnenden Massnahmen verhindern, dass die mit Bundesmitteln unterstützte systemrelevante Bank bzw. die Konzernobergesellschaft von systemrelevanten Finanzgruppen oder Finanzkonglomeraten exzessive variable Vergütungen entrichtet. Sie verfolgen einerseits einen sittlichen Zweck, sollen andererseits aber verhindern, dass Steuergelder zur Finanzierung solcher Vergütungen dienen können und sich zudem die finanzielle Situation des Finanzinstituts weiter verschlechtert. Sollte eine Massnahme im Übrigen tatsächlich die Konkurrenzfähigkeit des betroffenen Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen, so wäre dem allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen.

Die Prüfung unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit ergibt sodann, dass die Gesetzesbestimmung gleichzeitig geeignet und erforderlich ist, den Zweck zu erreichen, nämlich zu verhindern, dass das mit Bundesmitteln unterstützte systemrelevante Institut unangemessene Boni entrichtet: Systemrelevante Finanzinstitute haben ihre Vergütungssysteme, insbesondere hinsichtlich der variablen Vergütungen, an die Vorgaben des Bundesrats anzupassen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine Staatshilfe zum Vornherein nur dann erfolgt, wenn eine systemrelevante Bank ohne Staatshilfe untergehen würde. Diese Ausgangslage rechtfertigt es, von den Banken zu verlangen, dass sie ihre Vergütungspolitik und ihre mit den Mitarbeitenden geschlossenen Vergütungsvereinbarungen schon vor dem Krisenfall auf eine solche Eventualität auszurichten. Dadurch wird gleichzeitig ihre Risikobereitschaft, mithin das Moral Hazard-Problem, entschärft. Wie unter Ziffer 3.3 ausgeführt wird, dürfte sich die Regelung für die systemrelevanten Institute am ehesten in einer Finanzkrise als Wettbewerbsnachteil
erweisen. Dennoch rechtfertigen die Erfahrungen mit staatlich unterstützten Finanzinstituten während und nach der Finanzkrise einen solche Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit und namentlich auch in die Vertragsfreiheit: Es hat sich wiederholt gezeigt, dass allgemein verfasste Verpflichtungen zur Einschränkung exzessiver Vergütungspraktiken nicht durchgesetzt werden konnten und Aufforderungen, die Entrichtung variabler Vergütungen einzustellen, zumeist mit dem erwähnten Einwand vertraglicher Vergütungsansprüche und einer Welle drohender Forderungsklagen entkräftet wurden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach der vorgeschlagenen Bestimmung der Bundesrat seine Massnahmen stets den Erfordernissen des Einzelfalls anpassen und damit auch auf ein zumutbares Mass beschränken wird. Damit kann die Einhaltung der Anfor58

Vgl. Vallender, a.a.O., Art. 27 BV, Rz 28.

4803

derungen an das verfassungsmässig geforderte Prinzip der Verhältnismässigkeit zusätzlich gewährleistet werden.

Schliesslich fordert die Wirtschaftsfreiheit, dass die Gleichbehandlung der direkt konkurrierenden Marktteilnehmer respektiert wird. Unter diesem Gesichtspunkt muss sich die auf systemrelevante Banken beschränkte Regulierung auf rein sachliche Gründe abstützen. Die Gefährdung der gesamten Volkswirtschaft durch den Konkurs einer systemrelevanten Bank ist ein hinreichender Grund für einen gezielten Eingriff in systemrelevante Banken bzw. in die Konzernobergesellschaft von systemrelevanten Finanzgruppen oder Finanzkonglomeraten. Es rechtfertigt sich aufgrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung, nur diese Finanzinstitute, unter Ausschluss der anderen Bankinstitute, als direkt konkurrierende Marktteilnehmer zu qualifizieren.

Zusammenfassend steht die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit ­ durch die Anordnung einer Massnahme im Falle einer staatlichen Unterstützung bzw. die Verpflichtung zur entsprechenden Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarungen für die betroffenen Finanzinstitute ­ im Einklang mit den Anforderungen von Artikel 27 und 36 BV.

5.1.3

Steuerliche Massnahmen

Der Bund braucht im Bereich der Steuern eine explizite Verfassungsgrundlage, um Steuern zu erheben. Die Bundeskompetenz zur Erhebung von Stempelabgaben auf Wertpapieren ist in Artikel 132 Absatz 1 BV verankert. Die geplanten Änderungen auf dem Gebiet der Stempelabgaben sind demnach verfassungskonform.

Die Bundesverfassung stellt keine besonderen Anforderungen, was die Ausgestaltung der Stempelabgabe anbelangt. Aus diesem Grund kommt dem Gesetzgeber ein grosser Handlungsspielraum zu. Er kann die Emissionsabgabe ganz oder teilweise aufheben. Hingegen sind nach Artikel 127 Absatz 1 BV im Übrigen die dem Steuersystem zugrundeliegenden Grundsätze, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, das Steuerobjekt und die Steuerbemessung im Gesetz selbst zu regeln. Für die Stempelabgaben sind diese Fragen im StG, das namentlich das Steuerobjekt und -subjekt festlegt, geregelt. Mit den vorliegenden Änderungen wird die Emissionsabgabe teilweise aufgehoben, nämlich die Abgabe auf Obligationen und Geldmarktpapieren.

Zudem werden Beteiligungsrechte, sofern sie aus der Wandlung von CoCos stammen, von der Emissionsabgabe befreit. Diese Änderungen sind von Artikel 132 Absatz 1 BV abgedeckt.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorgesehenen steuerlichen Massnahmen berühren die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht und wirken sich nicht auf die geltenden Abkommen mit der Europäischen Union aus.

4804

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Nach Artikel 10 Absatz 4 E-BankG soll der Bundesrat die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken konkretisieren. Die Tragweite dieser Rechtsetzungsdelegation wird in Ziffer 2.1.5.6 dargelegt.

4805

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