zu 06.490 Parlamentarische Initiative Mehr Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten.

Änderung von Artikel 210 OR Bericht vom 21. Januar 2011 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 20. April 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 21. Januar 20111 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates betreffend die Parlamentarische Initiative 06.490 Leutenegger Oberholzer «Mehr Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. Änderung von Artikel 210 OR» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. April 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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BBl 2011 2889

2011-0610

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Pa.Iv. 06.490 Leutenegger Oberholzer wurde am 20. Dezember 2006 eingereicht. Sie verlangt eine Verjährungsfrist von zwei Jahren für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche. Nach Artikel 210 Absatz 1 des Obligationenrechts (OR)2 beträgt diese Frist heute ein Jahr. Die Initiative zielt damit im Wesentlichen auf einen besseren Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat der Initiative am 6. November 2008 Folge gegeben. Diesem Entscheid hat sich am 19. Februar 2009 die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) angeschlossen. Zusammen mit der Pa.Iv. 06.490 Leutenegger Oberholzer behandelte die RK-N auch die am 20. Dezember 2007 eingereichte Pa.Iv. 07.497 Bürgi «Änderung der Verjährungsfrist im Kaufrecht. Artikel 210 OR». Dieser hatte die RK-S am 26. Juni 2008 und die RK-N am 6. November 2008 Folge gegeben. Die Pa.Iv. 07.497 Bürgi verlangt, dass die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche fünf Jahre beträgt, wenn Sachen für ein unbewegliches Werk verwendet oder in ein solches eingebaut werden. Damit soll die Gewährleistungsfrist im Kaufrecht mit der fünfjährigen Verjährungsfrist von Artikel 371 Absatz 2 OR koordiniert werden, die im Fall eines Werkvertrags über ein unbewegliches Bauwerk gilt.

Am 30. April 2010 verabschiedete die RK-N einen Bericht mit zwei Gesetzesentwürfen (Varianten 1 und 2) zur Umsetzung der Pa.Iv. 06.490 Leutenegger Oberholzer und der Pa.Iv. 07.497 Bürgi. Mit der ersten Variante wurde vorgeschlagen, die Verjährungsfrist von Artikel 210 OR auf zwei Jahre zu verlängern bzw. auf fünf Jahre, wenn eine bewegliche Sache bestimmungsgemäss für ein unbewegliches Werk verwendet wird und sich dieses deshalb als mangelhaft erweist. Aufgrund des Verweises in Artikel 371 Absatz 1 OR sollten diese längeren Verjährungsfristen auch für den Werkvertrag gelten. Geht es beim Werk um eine bewegliche Sache, so beträgt die Verjährungsfrist damit ebenfalls zwei Jahre; wird die bewegliche Sache in eine unbewegliche Sache eingebaut, beträgt die Frist fünf Jahre. Die zweite Variante ging weiter als die beiden Initiativen. Sie sah eine einheitliche Verjährungsfrist von fünf Jahren vor, unabhängig vom Vorliegen eines Kauf- oder eines Werkvertrags und unabhängig davon, ob der Mangel eine bewegliche oder eine unbewegliche Sache betraf.
Am 1. Juni 2010 wurde die Vernehmlassung über die Vorschläge der RK-N eröffnet. Diese endete am 20. September 2010. Am 21. Januar 2011 nahm die RK-N Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung und stimmte dem darüber verfassten Bericht zu. Gleichzeitig sprach sie sich für Variante 1 aus, an der sie keine weiteren Änderungen vornahm. Am 11. Februar 2011 unterbreitete die RK-N ihren Bericht dem Bundesrat gemäss Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG)3 zur Stellungnahme.

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SR 220 SR 171.10

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Neuerungen bei den Verjährungsfristen

Der Entwurf der RK-N sieht vor, dass die allgemeine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche neu zwei Jahre beträgt (Art. 210 Abs 1 E-OR); gleichzeitig sieht der Entwurf neu eine fünfjährige Frist vor, wenn die verkaufte Sache bestimmungsgemäss für ein unbewegliches Werk verwendet worden ist und sie die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werks bewirkt hat (Art. 210 Abs. 2 E-OR). Wegen des Verweises in Artikel 371 Absatz 1 OR gelten diese verlängerten Fristen auch im Fall eines Werkvertrags.

Der Bundesrat heisst diese Vorschläge gut. Die ordentliche Verjährungsfrist ausserhalb der Gewährleistung beträgt zehn Jahre (Art. 127 OR). Die heute geltende Verjährungsfrist von einem Jahr liegt massiv darunter. Dafür, dass die Verjährungsfrist im Fall von Gewährleistungsansprüchen kürzer ist, sprechen nun aber gute Gründe. So verfügt der Käufer in diesem Fall über zusätzliche Rechte, und der Verkäufer haftet auch ohne Verschulden. Auch ist es erwünscht, wenn die Rechtslage rasch geklärt wird, sowohl mit Blick auf die Interessen des Verkäufers als auch aus Gründen der Rechtssicherheit.

Dessen ungeachtet teilt der Bundesrat die Einschätzung der Kommission, dass eine Verjährungsfrist von einem Jahr zu kurz ist. Eine solche Frist stellt eine bedeutende Benachteiligung des Käufers dar, insbesondere, wenn die Mängel erst nach Ablauf eines Jahres auftreten. In diesem Moment hat der Käufer kein Mittel mehr zur Hand, um eine Leistung zu erhalten, die der vertraglich versprochenen entspricht. Besonders problematisch ist diese Situation für die Konsumentinnen und Konsumenten, die in der Regel keine Möglichkeit haben, längere Fristen auszuhandeln. Die Verlängerung der Frist auf zwei Jahre, wie sie von der Kommission vorgeschlagen wird, stellt einen im Umfang vernünftigen Beitrag dar, dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Eine solche Frist steht auch im Einklang mit den Vorgaben des internationalen und des europäischen Rechts und Lösungen, wie man sie im Ausland findet. Besonders zu begrüssen ist, dass damit das schweizerische Recht im Einklang mit Artikel 39 Absatz 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 11. April 19804 über Verträge über den internationalen Warenkauf gebracht wird.

Der Bundesrat begrüsst auch die vorgeschlagene Koordination der Verjährungsfristen für den Fall, dass eine verkaufte Sache
in ein unbewegliches Bauwerk eingebracht wird. Heute übernimmt der Unternehmer in diesem Fall die Gewährleistung gegenüber dem Besteller für fünf Jahre (Art. 371 Abs. 2 OR), gleichzeitig kann er aber gemäss Artikel 210 OR bloss während eines Jahres Rückgriff auf seinen Lieferanten nehmen. Es kommt deshalb oft vor, dass ein Rückgriff auf den Lieferanten ausscheidet, wenn dieser ihm mangelhaftes Material verkauft hat, ohne dass der Bauherr dieses verbaut hat. Eine Koordination der Verjährungsbestimmungen erlaubt es, dieses Problem zu entschärfen, wenn auch der Fristbeginn für den Besteller und für den Käufer weiterhin unterschiedlich sind.

Schliesslich befürwortet der Bundesrat auch den Vorschlag, die Verjährungsfrist im Kaufrecht weiterhin mit jener des Werkvertrags zu koordinieren. Entsprechend behält der Verweis in Artikel 371 Absatz 1 OR seine Bedeutung und gilt weiterhin.

Die hier vorgesehene fünfjährige Frist gilt insbesondere auch dann, wenn eine 4

SR 0.221.211.1

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bewegliche Sache bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist. Der Unternehmer kann anschliessend Rückgriff auf die Unterakkordanten nehmen, die das Werk hergestellt haben.

2.2

Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten

Der Entwurf der Kommission schränkt die Vertragsfreiheit ein, soweit es um einen Vertrag zwischen einem gewerbsmässigen Verkäufer und einer Konsumentin oder einem Konsumenten geht. Diese Verträge dürfen keine Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren und im Fall gebrauchter Sachen von einem Jahr vorsehen (Art. 199 Bst. b E-OR). Der Bundesrat unterstützt auch diesen Vorschlag zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. Andernfalls wäre es möglich, diesen Schutz vertraglich systematisch wegzubedingen; er bliebe so toter Buchstabe. Dem Schweizer Recht sind solche Einschränkungen der Vertragsfreiheit zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten vertraut (vgl. bsp. Art. 40b und 406e OR).

Weiterhin möglich bleibt es allerdings, die Gewährleistung als Ganzes wegzubedingen, was den Konsumentenschutz unweigerlich schwächt. Solche Klauseln deswegen zu verbieten, hätte nun aber den mit der Pa.Iv. 06.490 Leutenegger Oberholzer gesteckten Rahmen gesprengt.

2.3

Koordination mit den Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht

Die Kommission hat in ihrem Bericht auf die laufende Revision der Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht hingewiesen (Ziff. 2.4 des Berichts vom 21. Januar 2011). Diese Revision geht zurück auf die Motion 07.3763 «Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht». Die Kommission ist der Meinung, dass die beiden parlamentarischen Initiativen 06.490 Leutenegger Oberholzer und 07.497 Bürgi unabhängig von der vom EJPD vorbereiteten Revision der Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht umgesetzt werden können.

Nach Auffassung des Bundesrates stellt diese Revision kein Hindernis dar, die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche in einer separaten Vorlage zu regeln, wie dies die Kommission vorschlägt. Die daraus resultierenden Fristen werden durch die geplante Revision der Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Der Bundesrat wird im Rahmen der Revision der Verjährungsvorschriften im Haftpflichtrecht aber generell überprüfen müssen, welchen Platz besondere Vorschriften über die Verjährung im Rahmen allgemeiner Vorschriften über die Verjährung und die Verwirkung noch haben können.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat ist mit dem Entwurf der Kommission einverstanden und stellt keine Abänderungsanträge.

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