11.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2010 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2010 vom 12. Januar 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen («Aussenwirtschaftsgesetz», SR 946.201) erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2010. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht samt seinen Beilagen (Ziff. 11.1.1 und 11.1.2) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes, fünf Botschaften und Entwürfe zu Bundesbeschlüssen über internationale Wirtschaftsvereinbarungen. Wir beantragen Ihnen, die folgenden sechs Abkommen zu genehmigen: ­

das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine sowie das Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und der Ukraine (Ziff. 11.2.1 samt Anhängen)

­

das Investitionsschutzabkommen mit Ägypten (Ziff. 11.2.2)

­

das Internationale Kakao-Übereinkommen von 2010 (Ziff. 11.2.3 samt Anhängen)

­

das Abkommen mit Russland über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (Ziff. 11.2.4 samt Anhängen)

­

das Veterinärabkommen mit Norwegen (Ziff. 11.2.5 samt Anhängen)

­

das Veterinärabkommen mit Neuseeland (Ziff. 11.2.5 samt Anhängen)

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht und den Entwurf zum Bundesbeschluss über zolltarifarische Massnahmen (Ziff. 11.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Aussenwirtschaftsgesetzes sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10), auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (SR 632.111.72) und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981 (SR 632.91). Wir beantragen Ihnen, die zolltarifarischen Massnahmen zu genehmigen.

2010-2162

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Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen die Botschaft und den Entwurf zum Bundesbeschluss über die Änderungen der WTO-Verpflichtungsliste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe (Ziff. 11.4), gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes und Artikel 7b Absatz 2 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010; vgl. auch Art. 9a des Zolltarifgesetzes). Wir beantragen Ihnen, die Änderungen der Liste zu genehmigen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Januar 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Gesamtübersicht Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2010 Nach den für die Weltwirtschaft wie für die schweizerische Exportwirtschaft schwierigen Vorjahren setzte Ende 2009 eine wirtschaftliche Erholung ein, die während des Berichtsjahres weitgehend anhielt. Der Welthandel und die schweizerischen Warenexporte legten deutlich zu, ohne allerdings das Niveau der Vorkrisenjahre zu erreichen.

Auch wenn die Exportmöglichkeiten einer mittelgrossen Wirtschaftsnation wie der Schweiz zu einem grossen Teil von der globalen Nachfrage abhängen, kann die Aussenwirtschaftspolitik mit der Gewährleistung kohärenter und angepasster Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass die sich bietenden Chancen auch genutzt werden können. Die Strategie des Bundesrates war auch während der schwierigen Jahre 2008 und 2009 auf dieses Ziel ausgerichtet (vgl. die Gesamtübersicht der Aussenwirtschaftspolitikberichte dieser Jahre). Im Schwerpunktkapitel (Ziff. 1 unten) kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die Strategie der Schweiz, die eher mittel- und langfristig auf Wachstum und Stabilität ausgerichtet ist und weniger darauf, die laufende Konjunktur beeinflussen zu wollen, es unserem Land nicht nur ermöglicht hat, die letzte Krise verhältnismässig gut zu bewältigen, sondern unserer Wirtschaft auch die Teilnahme am einsetzenden Aufschwung erleichtert hat. Als Beispiel kann die Tatsache erwähnt werden, dass die Schweizer Exporte nach Kanada und Japan ­ beides Länder, mit denen 2009 Freihandelsabkommen in Kraft getreten sind ­ trotz der Krise überdurchschnittlich gestiegen sind.

Die aussenwirtschaftspolitischen Ziele des Bundesrats waren im Berichtsjahr erneut hauptsächlich auf die Beziehungen zur EU, das multilaterale Regelwerk der WTO und die Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU ausgerichtet. Während die Umsetzung der bestehenden Abkommen in diesen Bereichen weitgehend problemlos verlief, war das Umfeld für einen weiteren Ausbau des Regelwerks schwieriger. Der Abschluss der Doha-Runde war auch 2010 nicht möglich. Die Weiterführung der bereits begonnenen und die Aufnahme neuer Verhandlungen mit der EU wurde durch die Forderung der EU nach Klärung institutioneller und rechtlicher Fragen erschwert. Positiver ist das Fazit bei den Freihandelsabkommen, wo zwei neue Abkommen (mit Peru und der Ukraine) unterzeichnet wurden,
zwei weitere in Kraft traten (mit Serbien und Albanien) und Verhandlungen über weitere Abkommen fortgesetzt oder vorbereitet wurden. Auch ausserhalb dieser drei Zielbereiche konnten wichtige Arbeiten vollendet werden (u. a. die Verstärkung der Überwachung systemischer Risiken in den Finanzmärken, die Verabschiedung von drei Botschaften im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit durch den Bundesrat, die externe Evaluation der Tätigkeiten von Osec und der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV)).

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Der Bundesrat wird in seinem jährlichen Geschäftsbericht detailliert und umfassend über den Stand der Arbeiten in Bezug auf seine Ziele für 2010 berichten. Bezüglich der Aussenwirtschaftspolitik kann im Sinne eines vorläufigen Befundes festgestellt werden, dass die Ziele für das Berichtsjahr in verschiedenen Bereichen erreicht wurden.

Der Aussenwirtschaftspolitikbericht 2010 Schwerpunktkapitel (vgl. Ziff. 1) Das Schwerpunktkapitel ist dem Thema «Der Welthandel während der Finanz- und Wirtschaftskrise ­ Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz» gewidmet.

Mit Fokus auf das Jahr 2009 werden die Konsequenzen der Krise für den Welthandel und die Schweiz sowie deren wichtigste Wirtschaftspartner aufgezeigt. Interessant ist dabei die Feststellung, dass die Rezession in der Schweiz erheblich milder als in den meisten anderen Industrieländern verlaufen ist. Massgeblich dazu beigetragen hat die überdurchschnittlich robuste Inlandnachfrage, welche im internationalen Vergleich einen bloss unterdurchschnittlichen Rückgang der Importe zur Folge hatte. Die Schweiz gehörte somit zu jenen Ländern, welche die Weltkonjunktur während der Krise stützten. Was das Ausmass des Rückgangs der Exporte 2009 angeht, befindet sich die Schweiz weltweit im Mittelfeld. Der relativ geringe Exportrückgang ist insbesondere auf die vorteilhafte Produktspezialisierung der Schweizer Exportwirtschaft zurückzuführen. Die geografische Absatzstruktur der Schweiz erwies sich hingegen nicht als überdurchschnittlich vorteilhaft für die Exportentwicklung. Ausgehend von der Analyse der Entwicklungen im Berichtsjahr zieht der Bundesrat Schlussfolgerungen und leitet wirtschaftspolitische Lehren aus der Krise ab. Insbesondere werden Bereiche mit strukturellem Handlungsbedarf identifiziert, damit die Schweiz auch in Zukunft Krisen gut meistert.

Die multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit (vgl. Ziff. 2) Die im März erfolgte Bestandesaufnahme der Chefunterhändler der Doha-Runde (Ziff. 2.1) vermochte den Verhandlungen keine neuen Impulse zu geben. Der Akzent im Berichtsjahr lag deshalb auf technischen Verhandlungen in verschiedenen Bereichen. Erst die G20-Tagung der Staats- und Regierungschefs in Seoul im November bewirkte neue politische Bewegung. Es bestand Einvernehmen, sich auf Basis der bisher erreichten Fortschritte für einen baldigen und ausgewogenen Abschluss der Runde einzusetzen, wobei das kommende Jahr als Zeitfenster bezeichnet wurde, das es zu nutzen gilt. Ausserhalb der Doha-Runde gingen die Beitrittsverhandlungen mit insgesamt dreissig Kandidaten weiter, die Handelspolitiken von siebzehn Mitgliedern wurden einer Prüfung unterzogen, und im Rahmen des
Streitbeilegungsverfahrens wurden wichtige Entscheidungen gefällt. Das nach Ausbruch der Finanzkrise beschlossene Verfahren zur Überwachung der von den WTO-Mitgliedern ergriffenen Handelsmassnahmen wurde weitergeführt. Der verantwortliche Ausschuss stellte fest, dass trotz des Ausmasses der Krise die meisten Staaten weitgehend auf neue stark protektionistische Massnahmen verzichtet haben.

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Herausragendes Ereignis in der OECD (Ziff. 2.2) war die Aufnahme von vier neuen Mitgliedern (Chile, Estland, Israel und Slowenien), womit die Mitgliederzahl auf 34 angestiegen ist. Der Aufnahmeprozess von Russland schreitet hingegen langsamer voran. Die Minister nahmen an ihrer Jahrestagung den nach dreijähriger Arbeit fertiggestellten Schlussbericht zur Innovationsstrategie an. Im kommenden Jahr soll der Bericht zur «grünen Wachstumsstrategie» behandelt werden. An mehreren sektoriellen Ministertagungen war die Schweiz auf Bundesratsebene vertreten.

Wichtige Themen der UNCTAD (Ziff. 2.3) bildeten eine Zwischenbilanz bei der Umsetzung der Beschlüsse der zwölften Ministerkonferenz von 2008, des sogenannten «Accra Accord» (vgl. Aussenwirtschaftspolitikbericht 2008), sowie die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise für die Entwicklungsländer. In der UNIDO (Ziff. 2.4) engagierte sich die Schweiz weiterhin in mehreren Projekten mit dem Schwerpunkt der Förderung von umweltfreundlichen Technologien.

Bei der Internationalen Arbeitsorganisation IAO (Ziff. 2.5) stand die Konsolidierung von zwei wichtigen Beschlüssen ­ der Erklärung über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008) und des Global Jobs Pact (2009) ­ im Vordergrund. Die Schweiz kandidiert für einen Sitz im Verwaltungsrat der IAO, was ihr gestatten würde, sich verstärkt für Anliegen wie die Verbesserung der Kohärenz innerhalb der Organisation und der Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen einzusetzen.

Die Schweiz hält ihren Anspruch auf eine Mitgliedschaft in der G20 aufrecht (Ziff. 2.6), nutzt aber auch andere Wege, um ihre Interessen und Positionen in die Arbeiten und Entscheide dieser Gruppierung einzubringen. Das ist umso wichtiger, als die G20 ihre Tätigkeitsfelder kontinuierlich ausweitet. Sie bezieht dabei vermehrt internationale Organisationen ein, bei denen die Schweiz Mitglied ist.

Europäische Wirtschaftsintegration (vgl. Ziff. 3) Obschon sich die schweizerischen Handelsbeziehungen mit dem europäischen Binnenmarkt im Vergleich zu anderen Regionen gegenüber dem Vorjahr weniger stark entwickelten, bleibt die EU zusammen mit ihren EWR-Partnern mit 78 % der Schweizer Importe und 60 % der Exporte weiterhin bei Weitem der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Störungen in der Euro-Zone, welche durch
die Schuldenkrise Griechenlands im Frühjahr ausgelöst wurden und zur Stärkung des Schweizerfrankens führten, wirkten sich belastend auf die Exportwirtschaft aus. In Bezug auf die Beziehungen zur EU kam der Bundesrat an seiner Klausur im August zum Schluss, diese im Rahmen von sektoriellen bilateralen Abkommen weiterzuführen. Die bestehenden Abkommen (Bilaterale I und II) wurden weiter umgesetzt und wo nötig angepasst. Die Verhandlungen bzw. exploratorischen Gespräche in weiteren Bereichen (v.a. Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktesicherheit und öffentliche Gesundheit, Elektrizität und Chemikaliensicherheit/REACH) konnten zwar weitergeführt werden, stossen jedoch unter anderem wegen ungeklärten institutionellen Fragen auf Hindernisse. Zur Prüfung dieser Fragen wurde eine informelle bilaterale Expertengruppe eingesetzt. Auch Steuerfragen bleiben in den Beziehungen mit der EU ein wichtiges Thema. Neben möglichen Anpassungen des

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Zinsbesteuerungsabkommens stellt sich die Frage eines Dialogs über den in der EU umgesetzten Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung. Unterzeichnet wurden im Berichtsjahr die bilateralen Rahmenabkommen mit Bulgarien und Rumänien zur Umsetzung des Beitrags der Schweiz an diese Länder zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten, der vom Parlament im Vorjahr genehmigt worden war. Die Umsetzung des entsprechenden Beitrags an die zehn Staaten, welche der EU 2004 beigetreten waren, schritt weiter voran. Im Rahmen einer gegen Ende Jahr vorgenommen Zwischenbilanz konnte ein positives Fazit gezogen werden.

Im Zentrum der Aktivitäten der EFTA stand das Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der Organisation. Es wurde durch Seminare und andere Anlässe in den EFTAStaaten sowie in mehreren Partnerstaaten begangen. Island nahm im Juli Beitrittsverhandlungen zur EU auf.

Freihandelsabkommen mit Partnern ausserhalb der EU und der EFTA (vgl. Ziff. 4) Auch 2010 sind im Rahmen der EFTA Freihandelsabkommen unterzeichnet worden (Peru, Ukraine) und in Kraft getreten (Albanien, Serbien). Verhandlungen laufen weiter mit Indien, jene mit Hong Kong-China sind in einem fortgeschrittenen Stadium und weitere werden im kommenden Jahr aufgenommen (Zollunion Russland­ Belarus­Kasachstan, Indonesien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro). Mit Vietnam wurde die Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie im Hinblick auf die Eröffnung von Verhandlungen begonnen und mit weiteren Ländern fanden Gespräche über die Vertiefung der Handelsbeziehungen statt. Auf bilateraler Ebene wurde eine gemeinsame Machbarkeitsstudie über ein Freihandelsabkommen Schweiz­China abgeschlossen; entsprechende Verhandlungen sollen Anfang 2011 beginnen.

Horizontale Politiken (vgl. Ziff. 5) Die Bereiche Warenverkehr (Industrie und Landwirtschaft), technische Handelshemmnisse, Dienstleistungen, Investitionen, Wettbewerbsrecht, öffentliches Beschaffungswesen und handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentums sind Kernelemente der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik und zahlreicher Wirtschaftsabkommen. Zu den wichtigsten Ereignissen im Berichtsjahr gehörten die grundsätzliche Einigung der Teilnehmer am System der Paneuropa-MittelmeerUrsprungsregeln, diese in ein konsolidiertes Übereinkommen einzubringen und auf die Staaten des Westbalkans auszudehnen
(Ziff. 5.1), das in Kraft treten des revidierten Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse und der dazugehörigen Verordnung (Ziff. 5.2), die Aufnahme der Arbeiten in der OECD zur Überprüfung der Leitsätze für multinationale Unternehmen (Ziff. 5.4), die Verabschiedung eines Verhandlungsmandats für ein Kooperationsabkommen im Bereich Wettbewerb mit der EU durch den Bundesrat (Ziff. 5.6) sowie der Abschluss der Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur Bekämpfung der Fälschung und Piraterie (Ziff. 5.8). Die Bemühungen zur Erarbeitung der Grundlagen für ein globales Klimaregime wurden im Dezember in Cancún, Mexiko, fortgesetzt und eine Verlängerung der Gültigkeit der Kyoto-Protokolle in Aussicht genommen. Die Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention verabschiedeten ein Protokoll über den

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Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene Aufteilung der Vorteile, die sich aus deren Nutzung ergeben (Ziff. 5.5).

Internationales Finanzsystem (vgl. Ziff. 6) Der Internationale Währungsfond (IWF) und das Financial Stability Board (FSB) erzielten im Rahmen ihrer Reformagenda zur Stärkung des internationalen Finanzsystems bedeutende Fortschritte. Dazu gehören die Verstärkung der Überwachung systemischer Risiken in den Finanzmärken und die Anpassung der Instrumente zur Vergabe von IWF-Krediten. Die Verpflichtung von Krediten erreichte einen neuen Höchststand. Im FSB wird im Rahmen eines «peer review»-Prozesses die Qualität der nationalen Massnahmen zur Umsetzung der internationalen Standards evaluiert.

Die Schweiz wird 2011 einer solchen «peer review» unterzogen. Die globalen Entwicklungen haben interne Reformen des IWF zur Folge, unter anderem in Bezug auf die Quoten der Mitglieder und der Vertretung im Exekutivrat. Die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (GAFI) setzte die Mitgliederevaluationen fort; bis anhin wurden alle 34 Mitgliedstaaten überprüft. Zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesrates, künftig beim Informationsaustausch in Steuersachen den OECDStandard zu übernehmen, hat die Schweiz die Doppelbesteuerungsabkommen mit zahlreichen Staaten angepasst. Mehr als zwanzig revidierte Abkommen wurden unterzeichnet, von denen das Parlament im Juni zehn genehmigte. Nachdem die Frist für das fakultative Referendum ungenutzt ablief, treten die Abkommen in Kraft, sobald sie auch von den Partnerstaaten ratifiziert worden sind.

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Ziff. 7) Auch 2010 blieben die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise spürbar und beeinflussten weiterhin die Ausrichtung der bilateralen Massnahmen und der multilateralen Aktivitäten. Erstere konzentrierten sich auf den Finanzsektor, die Förderung von privaten Nachhaltigkeitsstandards und Labels, die Finanzierung von klimarelevanten Massnahmen, die KMU-Förderung sowie auf die Infrastrukturfinanzierung. Im multilateralen Bereich waren die Entwicklungsbanken mit grösseren Finanzierungsbedürfnissen konfrontiert und mussten Kapitalerhöhungen einleiten. Im Rahmen ihres traditionellen Anteils und unter Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments beteiligt sich auch die Schweiz daran. In der Weltbankgruppe
wurde zudem beschlossen, die Stimmrechte zugunsten wichtiger Entwicklungsländer zu verschieben. Kasachstan schloss sich der schweizerischen Stimmrechtsgruppe an. In der Afrikanischen Entwicklungsbank konnte die Schweiz ihre Vertretung verbessern und ist nun permanent im Büro des Exekutivdirektors vertreten.

Im Rahmen der Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Ländern Osteuropas und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) nimmt die Infrastrukturfinanzierung den grössten Anteil ein, während weitere Massnahmen auf die makroökonomische Unterstützung, die Investitionsförderung und die handelsbezogene Zusammenarbeit ausgerichtet waren.

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Im September genehmigte der Bundesrat drei Botschaften: 1) zur Aufstockung und Verlängerung des Rahmenkredits zur Unterstützung Osteuropas, 2) zur Kapitalerhöhung von multilateralen Entwicklungsbanken und 3) zur Darlegung, wie bis 2015 die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf 0,5 % des Bruttonationaleinkommens erreicht werden könnte.

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen (vgl. Ziff. 8) Im Rahmen der Pflege der bilateralen Beziehungen mass der Bundesrat der weiteren Umsetzung der Länderstrategien für aufstrebende Märkte (Brasilien, Russland, Indien, China (BRIC), GCC-Staaten, Indonesien, Mexiko, Südafrika und Türkei) besondere Bedeutung zu, ohne die traditionellen Partner in Europa und anderen Regionen zu vernachlässigen. Im Vordergrund standen hochrangige Besuche in mehreren Ländern, zum Teil begleitet von Wirtschaftsdelegationen, sowie Tagungen von Gemischten Kommissionen. Diese Treffen wurden auch dazu benutzt, weitere Schritte zum Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen einzuleiten. Anlässlich eines Arbeitstreffens der Bundespräsidentin mit der russischen Wirtschaftsministerin im Rahmen des offiziellen Besuches beim russischen Präsidenten in Sotschi wurde ein neuer Aktionsplan für die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder unterzeichnet. Einen Höhepunkt bildeten die Feiern zum 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China in Anwesenheit der Bundespräsidentin und des Präsidenten der Volksrepublik China.

Exportkontroll- und Embargomassnahmen (vgl. Ziff. 9) Die Schweiz hat auch im Berichtsjahr aktiv an der Weiterentwicklung der vier internationalen Exportkontrollregime teilgenommen und sich für gezielte Kontrollmassnahmen für proliferationsrelevante und kritische Güter eingesetzt. Mit dem schweizerischen Plenarvorsitz in der vierzig Teilnehmerstaaten umfassenden Vereinbarung von Wassenaar ergab sich eine weitere Möglichkeit, die internationale Visibilität der schweizerischen Exportkontrolle zu stärken. Im Vergleich zum Vorjahr musste das SECO weniger Exportgesuche ablehnen, was nicht zuletzt auf die erhöhte Sensibilisierung der betroffenen Wirtschaftskreise für die mit der Exportkontrolle verbundenen Auflagen zurückzuführen sein dürfte. Für eine gewisse Unsicherheit und zu zahlreichen Anfragen an das SECO führte hingegen die Tatsache, dass die von der
Schweiz erlassenen, auf den entsprechenden UNO-Resolutionen basierenden Sanktionen gegen Iran weniger weit gehen als diejenigen der USA, der EU und anderer Länder.

Bei der Anwendung des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Embargogesetzes hat sich in letzter Zeit ein gewisser Anpassungsbedarf ergeben, weshalb ein Änderungsentwurf in die Vernehmlassung gegeben wurde. Auf internationaler Ebene hob der UNO-Sicherheitsrat die seit dreizehn Jahren bestehenden Sanktionen gegen Sierra Leone auf, erliess ein umfassendes Rüstungsembargo und Sanktionen gegen Eritrea und beschloss weitere Sanktionen gegen Iran. Der Bundesrat verschärfte ferner die Sanktionen gegen Guinea und passte weitere Embargomassnahmen wo nötig an.

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Standortförderung (vgl. Ziff. 10) Ziel der Standortförderung ist, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz langfristig zu erhalten. Im aussenwirtschaftlichen Bereich schliesst sie die Instrumente der Exportförderung, der Standortpromotion, der Exportrisikoversicherung und die Förderungsmassnahmen im Bereich Tourismus ein. Die von Osec umgesetzten Mandate des Bundes im Bereich der Exportförderung und der Standortpromotion wurden im Berichtsjahr einer externen Evaluation unterzogen. Diese bezeichnete die Arbeit von Osec insgesamt als zweckmässig und wirtschaftlich. Die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. Die im Vorjahr eingeführten Bondgarantien und Fabrikationsversicherungen erfreuten sich einer regen Nachfrage. Auch die Tätigkeit der SERV wurde 2010 extern evaluiert. Die Evaluation bescheinigte ihr eine effiziente und effektive Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Die Rückmeldungen der Kunden fielen positiv aus, und das Angebot wird als im internationalen Vergleich konkurrenzfähig eingestuft.

Nach den Einbussen im Vorjahr hat sich die Lage für die schweizerische Tourismusbranche im Berichtsjahr verbessert. Dazu trugen vor allem Gäste aus Asien und dem Mittleren Osten bei. Das 2009 beschlossene Unterstützungsprogramm für das Tourismus-Marketing leistete einen positiven Beitrag. Das SECO wird in den kommenden Monaten unter Einbezug der betroffenen Kreise für den Zeitraum 2012­2015 ein Umsetzungsprogramm für die Tourismuspolitik des Bundesrates erarbeiten. Die Schweiz beteiligte sich auch weiterhin an der internationalen Zusammenarbeit im Tourismusbereich.

Ausblick auf das kommende Jahr Nachdem die Schweiz den krisenbedingten Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2010 wieder aufgeholt hat und die Exporte wieder kräftig zulegten, wird der Bundesrat im kommenden Jahr sein Augenmerk auf ein breit abgestütztes und gesundes Wirtschaftswachstum richten. Im Bereich der Aussenwirtschaftspolitik verfolgt er eine breite Palette von Aktivitäten. Als besonders intensiv kündigen sich die Entwicklungen in der auf Marktöffnung gerichteten Handelspolitik an. Die Verhandlungen über ein EFTA-Freihandelsabkommen mit Hong Kong-China sollen baldmöglichst abgeschlossen und jene mit Indien möglichst weit vorangetrieben werden. Verhandlungen mit grossen Ländern wie China, Russland (zusammen mit Belarus und Kasachstan) und Indonesien, aber auch mit kleineren regionalen Partnerstaaten (Bosnien und Herzegowina, Montenegro) werden aufgenommen. Bezüglich weiterer Staaten (Malaysia, Vietnam, Zentralamerikanische Staaten) soll im Verlaufe des Jahres über die Verhandlungsaufnahme entschieden werden. In der WTO wird sich weisen, ob der an der G20-Tagung der Staats- und Regierungschefs in Seoul im November 2010 vermittelte neue politische Impuls im kommenden Jahr zu konkreten Ergebnissen führt. Die Schweiz wird sich weiterhin tatkräftig für den Abschluss der Doha-Runde einsetzen. Gegenüber der EU wird die Klärung des institutionellen Verhältnisses eine wichtige Rolle spielen. Der Bundesrat wird sich für die Weiterführung bzw. Aufnahme von Verhandlungen in den Bereichen Zusam-

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menarbeit zwischen Wettbewerbsbehörden, Elektrizität, Landwirtschaft, Lebensmittel-, Produktesicherheit und Gesundheit, Teilnahme am Satellitennavigationssystem Galileo sowie REACH und Emissionshandel einsetzen.

Weitere für die Aussenwirtschaftspolitik wichtige Geschäfte des kommenden Jahres betreffen die Erarbeitung einer Botschaft an das Parlament zur Änderung des Embargogesetzes, die aktive Teilnahme der Schweiz an der Verhandlungen zur Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sowie Vorbereitungsarbeiten für die Botschaften zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit 2013­2016.

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Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Der Welthandel während der Finanz- und Wirtschaftskrise ­ Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz 1.1 Ein nie dagewesener Einbruch des Welthandels 1.2 Entwicklung des Welthandels im Jahr 2009 1.3 Erklärungsansätze für den Einbruch des Welthandels 1.4 Aussenhandelsentwicklung der Schweiz und ihrer wichtigsten Export- und Importpartner 1.4.1 Exportentwicklung 1.4.2 Importentwicklung 1.5 Auswirkung des Aussenhandelsauf das BIP der Schweiz und von ausgewählten Ländern im Jahr 2009 1.6 Entwicklungen im Jahr 2010 1.7 Fazit 1.8 Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen 1.8.1 Handelspolitische Schlussfolgerungen 1.8.2 Erste wirtschaftspolitische Lehren aus der Krise und Ausblick

1417 1417 1418 1419 1421 1421 1425 1426 1427 1428 1428 1428 1430

2 WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit 2.1 Welthandelsorganisation (WTO) 2.1.1 Doha-Runde 2.1.2 Umsetzung der bestehenden WTO-Abkommen 2.2 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2.2.1 Erweiterung der Organisation 2.2.2 OECD-Ministerratstagung 2.2.3 Sektorielle Ministertagungen 2.3 Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 2.4 Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) 2.5 Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 2.6 G20 2.6.1 Entwicklung der Arbeitsweise der G20 2.6.2 Die Schweiz und die G20

1431 1431 1431 1432

1438 1439 1440 1440 1441

3 Europäische Wirtschaftsintegration EU/EFTA 3.1 Entwicklungen in der EU 3.2 Stand der Beziehungen Schweiz-EU 3.2.1 Umsetzung und Anpassung der bestehenden Abkommen 3.2.2 Aktuelle Verhandlungsdossiers und Sondierungen 3.2.3 Institutionelle Fragen

1442 1442 1443 1444 1447 1450

1434 1435 1435 1436 1437

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3.2.4 Steuerfragen 3.2.5 Beitrag an die erweiterte EU 3.3 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) 4 Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb von EU und EFTA 4.1 Freihandelsbeziehungen der EFTA-Staaten zu Partnern im Raum Europa-Mittelmeer 4.2 Freihandelsbeziehungen der EFTA-Staaten zu Partnern ausserhalb des Raumes Europa-Mittelmeer 4.3 Bilaterale Freihandelsbeziehungen der Schweiz mit Partnern ausserhalb der EU und der EFTA 4.3.1 Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft Schweiz­Japan 4.3.2 Verhandlungen Schweiz­China 5 Horizontale Politiken 5.1 Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft 5.2 Technische Handelshemmnisse 5.3 Dienstleistungen 5.4 Investitionen und multinationale Unternehmen 5.5 Klima- und Biodiversitätskonventionverhandlungen 5.6 Wettbewerbsrecht 5.7 Öffentliches Beschaffungswesen 5.8 Schutz des geistigen Eigentums 5.8.1 Schutz des geistigen Eigentums in bilateralen und EFTA-Freihandelsabkommen 5.8.2 Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur Bekämpfung der Fälschung und Piraterie (ACTA) 5.8.3 WTO/TRIPS und Doha-Runde 5.8.4 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 5.8.5 Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) 5.8.6 Bilateraler Dialog zum geistigen Eigentum und bilaterales Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von geografischen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen

1450 1451 1452 1452 1457 1457 1458 1458 1459 1459 1459 1462 1465 1466 1468 1469 1471 1472 1472 1472 1473 1473 1474 1474

6 Internationales Finanzsystem 6.1 Internationaler Währungsfonds (IWF) 6.2 Financial Stability Board (FSB) 6.3 Groupe d'action financière (GAFI) 6.4 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

1475 1475 1477 1478 1478

7 Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 7.1 Bilaterale Unterstützungsmassnahmen 7.1.1 Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungsländern 7.1.1.1 Makroökonomische Unterstützung 7.1.1.2 Handelsrelevante Entwicklungszusammenarbeit 7.1.1.3 Investitionsförderung 7.1.1.4 Infrastrukturfinanzierung

1479 1480 1480 1480 1481 1482 1482

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7.1.2 Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Ländern Osteuropas und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) 7.1.2.1 Infrastrukturfinanzierung 7.1.2.2 Makroökonomische Unterstützung 7.1.2.3 Investitionsförderung und handelsrelevante Zusammenarbeit 7.1.3 Erweiterungsbeitrag 7.2 Multilaterale Entwicklungsorganisationen 7.2.1 Weltbankgruppe 7.2.2 Regionale Entwicklungsbanken 7.2.2.1 Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) 7.2.2.2 Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) 7.2.2.3 Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) 7.2.2.4 Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) 7.2.2.5 Entwicklungsbank des Europarates (CEB)

1483 1483 1484 1485 1485 1486 1486 1487 1487 1488 1488 1489 1489

8 Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen 8.1 Westeuropa und Südosteuropa 8.2 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 8.3 Nordamerika 8.4 Lateinamerika 8.5 Asien und Ozeanien 8.6 Mittlerer Osten und Afrika 8.6.1 Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) 8.6.2 Subsahara Afrika (SSA)

1489 1490 1491 1492 1493 1493 1495 1495 1496

9 Exportkontroll- und Embargomassnahmen 9.1 Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen 9.1.1 Politische Entwicklungen international und national 9.1.2 Kontrolle bewilligungs- oder meldepflichtiger Güter 9.1.3 Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 9.2 Embargomassnahmen 9.2.1 Embargomassnahmen der UNO 9.2.2 Embargomassnahmen der EU 9.3 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

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10 Standortförderung 10.1 Exportförderung und Exportrisikoversicherung 10.1.1 Osec Business Network Switzerland (Osec) 10.1.2 Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) 10.1.3 Exportfinanzierung (OECD) 10.1.4 Umschuldungen (Pariser Klub) 10.2 Standortpromotion

1503 1503 1504 1505 1506 1506 1507

1497 1497 1498 1499 1500 1501 1502 1503

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10.3 Tourismus 10.3.1 Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz 10.3.2 Internationale Zusammenarbeit

1508 1508 1510

11 Beilagen 11.1 Beilagen 11.1.1­11.1.2 11.1.1 Finanzielles Engagement der Schweiz 2010 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken 11.1.2 Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten 11.2 Beilagen 11.2.1­11.2.5

1511 1511

11.2.1

11.2.2

11.2.3

11.2.4

1414

Botschaft zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine sowie zum Landwirtschaftabkommen zwischen der Schweiz und der Ukraine Bundesbeschluss über die Genehmigung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine und des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und der Ukraine (Entwurf) Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Ukraine Botschaft betreffend das Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit Ägypten Bundesbeschluss betreffend das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (Entwurf) Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen Botschaft zur Genehmigung des Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010 Bundesbeschluss über das Internationale Kakao-Übereinkommen von 2010 (Entwurf) Internationales Kakao-Übereinkommen von 2010 Botschaft zum Abkommen zwischen der Schweiz und Russland über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Russland über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (Entwurf)

1512 1514 1516

1517

1545 1547 1585 1649

1657

1659 1669 1677 1679 1717

1727

11.2.5

11.3 Beilage 11.3

11.4 Beilage 11.4

Abkommen zwischen dem Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Russischen Föderation über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen 1729 Botschaft über die Genehmigung der Veterinärabkommen mit Norwegen und mit Neuseeland 1749 Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Norwegen über veterinärhygienische Massnahmen im Handel mit lebenden Tieren, deren Sperma, Eizellen und Embryonen sowie tierischen Erzeugnissen sowie des Abkommens zwischen der Schweiz und Neuseeland über veterinärhygienische Massnahmen im Handel mit lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen (Entwurf) 1755 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Norwegen über veterinärhygienische Massnahmen im Handel mit lebenden Tieren, deren Sperma, Eizellen und Embryonen sowie mit tierischen Erzeugnissen 1757 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Neuseeland über veterinärhygienische Massnahmen im Handel mit lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen 1769 1795 Bericht über die zolltarifarischen Massnahmen im Jahr 2010 Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

1797 1805

1807 Botschaft über die Genehmigung der Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe 1809 Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe (Entwurf) 1815

1415

Abkürzungsverzeichnis BIP

Bruttoinlandprodukt

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

EFTA

European Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

FHA

Freihandelsabkommen

FSB

Financial Stability Board

G20

Gruppe der Zwanzig Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA.

GATS

General Agreement on Trade in Services Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

GCC

Gulf Cooperation Council Golfkooperationsrat (Bahrein, Oman, Kuwait, Katar, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate)

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

ISA

Investitionsschutzabkommen

IWF

Internationaler Währungsfonds

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Osec

Osec Business Network Switzerland

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

UNIDO

United Nations Industrial Development Organization

UNO

United Nations Organization Organisation der Vereinten Nationen

WTO

World Trade Organization Welthandelsorganisation

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung

1416

Bericht 1

Der Welthandel während der Finanz- und Wirtschaftskrise ­ Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz Im Zuge der Finanzkrise brach der Welthandel Ende 2008 und Anfang 2009 in noch nie dagewesenem Ausmass ein. Auch die Schweiz als stark international ausgerichtete Volkswirtschaft wurde hart getroffen. Dennoch ist sie im Vergleich mit anderen Ländern vergleichsweise glimpflich davongekommen.

Das vorliegende Schwerpunktkapitel des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 2010 vermittelt einen Eindruck über das Ausmass des historischen Welthandelseinbruchs 2008/2009, liefert Erklärungsansätze und analysiert die Position des schweizerischen Aussenhandels im Jahr 2009. Zudem werden die Vorteile und Nachteile der Branchen- und Länderstruktur der schweizerischen Exportwirtschaft untersucht. Anschliessend wird summarisch die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz im Jahr 2010 dargestellt. Die Ausführungen schliessen mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen.

1.1

Ein nie dagewesener Einbruch des Welthandels

Mitte 2007 platzte die Spekulationsblase im amerikanischen Markt für Privatimmobilien. Dies stellte den Ausgangspunkt für die schwerste Finanzkrise seit der «Grossen Depression» der 1930er Jahre dar. Über das weltweit vernetzte Finanzsystem erlangte der Einbruch rasch globalen Charakter. Im Verlauf des Jahres 2008 begann die Krise sich zunehmend auf die Realwirtschaft auszuwirken. Insbesondere Ende 2008 und Anfang 2009 wurde der Welthandel massiv negativ getroffen. Die stark rückläufige Exporttätigkeit bremste in vielen entwickelten Ländern das Wachstum erheblich. Im Durchschnitt wiesen fortgeschrittene Volkswirtschaften den markantesten Rückgang ihres BIP (3,2 %) seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Deshalb haben die meisten internationalen Institute und viele Beobachter analog zur «Grossen Depression» der 1930er Jahre den Ausdruck «Grosse Rezession» für das Jahr 2009 verwendet.

In der Schweiz wurde ein Rückgang des BIP von 1,9 % registriert, was der stärksten jährlichen Abnahme seit 1975 entspricht. Gleichwohl war der Einbruch der Wirtschaftsleistung in der Schweiz deutlich weniger ausgeprägt als zum Beispiel in vielen europäischen Nachbarländern. Obwohl die Finanzkrise ihren Ursprung in den Industrieländern hatte, ist die Wirtschafts- und Finanzkrise auch an den Entwicklungsländern nicht spurlos vorbeigegangen. Die Wachstumsdynamik dieser Länder wurde deutlich abgeschwächt. Dennoch blieb das durchschnittliche BIP-Wachstum dieser Länder weiterhin im positiven Bereich (+2,5 %), wobei grosse regionale Unterschiede zu verzeichnen waren. Viele Entwicklungsländer sind indes stark von der Nachfrage der industrialisierten Länder abhängig und einige Schwellenländer 1417

stehen vor grossen makroökonomischen Herausforderungen, um ihre Finanzhaushalte auf eine solidere Basis zu stellen.

Infolge der Krise sanken die Staatseinnahmen und zahlreiche Länder erhöhten die öffentlichen Ausgaben zur Stützung der Konjunktur. Dadurch stiegen die staatlichen Haushaltsdefizite und die Schulden vieler Länder rapide an. Die Finanzkrise zog somit in zahlreichen Staaten eine Schuldenkrise des öffentlichen Sektors in zahlreichen Staaten nach sich, wenngleich sie dafür nicht allein verantwortlich gemacht werden kann1. In vielen Ländern überschritt das öffentliche Defizit (gemessen am BIP) im Jahr 2009 die zehn Prozent-Marke. Die durch die Schuldenkrise ausgelösten Sparprogramme, die wahrscheinlich besonders in den Jahren 2011 und 2012 spürbar werden, werden vermutlich ihrerseits Konsequenzen auf die Weltnachfrage und dementsprechend auf die Dynamik des Welthandels der nächsten Jahre haben.

Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Konsequenzen der Finanzkrise für den Welthandel im Jahr 2009. In einem ersten Teil werden die Auswirkungen der Krise auf den Welthandel auf einem aggregierten Niveau aufgezeigt. Anschliessend werden Erklärungsansätze für die Ursachen des Welthandelseinbruchs aufgeführt. In einem dritten Teil wird die Entwicklung der Exporte und Importe im Jahr 2009 für eine bestimmte Auswahl von Ländern kommentiert. Im Fokus steht der Rückgang des Aussenhandels der Schweiz. Für die Schweiz werden schliesslich die Vor- und Nachteile der Branchen- und Länderstruktur der schweizerischen Exportwirtschaft im Jahr 2009 analysiert sowie Aussagen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Krisenjahr 2009 gemacht. Anschliessend wird summarisch die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz im Jahr 2010 dargestellt. Im letzten Teil werden die Resultate zusammengefasst sowie ein wirtschaftspolitisches Fazit gezogen.

1.2

Entwicklung des Welthandels im Jahr 2009

Im Zuge der Finanzkrise brach der Welthandel Ende 2008 und Anfang 2009 in einem noch nie dagewesenen Ausmass ein. Insgesamt gingen im Jahr 2009 die weltweiten Warenexporte um 22 % zurück. Im ersten Halbjahr 2009 nahm der Handel in wenigen Monaten sogar um mehr als 30 % gegenüber seinem Wert im Vorjahr ab. Seit Daten zum Welthandel auf monatlicher Basis existieren (Anfang der 1960er Jahre), lagen die markantesten Rückgänge über einige Monate maximal in der Grössenordnung von 10 %. Die Schrumpfung des Welthandels war demnach dreimal höher als die grössten beobachteten Rückgänge in der gemessenen Vergangenheit.

1

Vgl. dazu IMF; World Economic Outlook, April 2010, Kap. 1, S. 9.

1418

Abbildung 1 Entwicklung der weltweiten nominalen Warenexporte in US-Dollar (1965­2010), Niveau (2000=100) und Veränderungsraten (in %, annualisiert) 275

55%

250

45%

225

35%

200

25%

175

15%

150

5%

125

-5%

100

-15%

75

2009

2007

2005

2003

2001

1999

1997

1995

1993

1991

1989

1987

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

-45%

1969

-35%

0

1967

-25%

25

1965

50

Wachstumsraten gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres Niveau der gesamten Exporte, zu laufenden Preisen

Quelle: IMF

1.3

Erklärungsansätze für den Einbruch des Welthandels

Die Gründe für den massiven Rückgang des Welthandels sind vielfältig. Dabei können drei Hauptfaktoren identifiziert werden2. Der erste und bedeutendste Grund ist der durch die Rezession in vielen Ländern bedingte Rückgang der Nachfrage. Mit sinkenden Konsum- und Investitionsausgaben ging in vielen Ländern eine kräftige Dämpfung der Importnachfrage in vielen Ländern einher, was sich spiegelbildlich in einem entsprechenden Rückgang der weltweiten Exporte niederschlug.

Ein zweiter, verschärfender Grund für den starken Rückgang des Welthandels liegt in der zunehmenden internationalen Aufteilung der Produktionsprozesse. Dadurch wirkte sich der Rückgang der Weltnachfrage erheblich stärker auf den Welthandel aus. Der abrupte Rückgang der Nachfrage nach Endprodukten hatte aufgrund der globalen Aufteilung von Produktionsprozessen unmittelbar zur Folge, dass auch die Aufträge für die im Ausland ansässigen Hersteller von Vorleistungsgütern zurückgingen. Folglich waren Exporteure auf allen Stufen der Produktion aus verschiedenen Ländern unmittelbar vom Nachfrageeinbruch betroffen. Dies lässt sich am Beispiel der Autoindustrie illustrieren: Stagniert die Nachfrage nach neuen Autos, sind nicht nur die Endproduzenten vom Nachfrageeinbruch betroffen, sondern auch die Zulieferer von Zwischenprodukten, die sich zu einem erheblichen Teil in anderen Ländern befinden. Sie müssen ihre Produktion reduzieren und der Handel 2

Vgl. dazu z.B. WTO, World Trade Report 2010.

1419

mit Zwischengütern nimmt ab. Der Nachfragerückgang der Haushalte führt deshalb auf mehreren Verarbeitungsstufen zu einem Rückgang von Exporten.

Zu diesen generellen Rezessionsfolgen für den internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr kam in der Finanzkrise vom Herbst 2008 als drittes Element eine ausgeprägte Kreditverknappung im Bereich der Handelsfinanzierung hinzu. Bei vielen Exportgeschäften besteht eine zeitliche Verzögerung zwischen der Produktion der Ware im Ursprungsland und der Bezahlung der Ware durch den Importeur. Um das Risiko eines Zahlungsausfalls zu vermindern, werden oftmals Banken als Intermediäre eingeschaltet. Hierbei geht die Bank des Importeurs gegenüber der Bank des Exporteurs Zahlungsverpflichtungen in Form von Krediten ein. Im Zuge der Finanzkrise fehlte es den meisten Banken nicht nur generell an Liquidität, sondern sie wurden auch bezüglich der Fähigkeit der Gegenparteien, ihren Verpflichtungen nachzukommen, skeptischer und schränkten die Kredite ein. Damit übten die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten über die sich verschärfenden Finanzierungsbedingungen für Im- und Exporteure einen direkten Einfluss auf den weltweiten Handel aus. Da Entwicklungsländer bereits vor der Krise nur einen eingeschränkten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten hatten, wurden diese von diesem Aspekt der Krise besonders stark getroffen. Als Teil der Massnahmen gegen die Krise stützten die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken den Waren- und Dienstleistungsverkehr mittels ihrer Handelsfinanzierungsinstrumente.

Die Entwicklungsbanken stossen nun allerdings an ihre statutarisch festgelegten Ausleihlimiten. Um auch in Zukunft ihr Mandat erfüllen zu können, ist eine Erhöhung des Kapitals der Entwicklungsbanken notwendig.

In der Schweiz gab es im Bereich der Finanzierung der Exportgeschäfte keine Kreditklemme. Die angespannte Lage auf dem Interbankenmarkt3 hatte jedoch zur Folge, dass schweizerische Exporteure vermehrt Sicherheiten hinterlegen mussten, um an Exportkredite zu gelangen. Um diesen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, wurden im Auftrag des Bundes im Rahmen der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) ab Mai 2009 und befristet bis Ende 2011 zusätzliche Massnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten eingeführt4.
Obwohl während der Krise weltweit eine Vielzahl von protektionistischen Massnahmen ergriffen wurde, ist deren Ausmass bisher nicht mit denjenigen in Folge der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre vergleichbar. Dies lässt sich einerseits mit den Lehren, die man aus den 1930er-Jahren gezogen hat, erklären; andererseits hat der multilaterale Rechtsrahmen der WTO den Spielraum der Mitgliedsländer für protektionistische Eingriffe begrenzt. Dementsprechend waren die Auswirkungen staatlicher Interventionen auf den Welthandel relativ gering.

3 4

Unter Interbankmarkt versteht man einen Finanzmarkt, auf dem sich Banken untereinander und ohne Sicherheiten mit kurzfristigem Geld versorgen.

Diese Massnahmen umfassen eine Fabrikationskreditversicherung, eine Bondgarantie, eine Refinanzierungsgarantie und eine Akkreditivbestätigungsversicherung.

1420

1.4

Aussenhandelsentwicklung der Schweiz und ihrer wichtigsten Export- und Importpartner

1.4.1

Exportentwicklung

Der Handelsabschwung im Krisenjahr 2009 war in allen Weltregionen spürbar. Es waren aber nicht alle Volkswirtschaften gleich stark vom Einbruch betroffen. Innerhalb der im vorliegenden Abschnitt betrachteten Ländergruppen verzeichneten Japan (­23,4 %) und Italien (­18,9 %) den heftigsten Exporteinbruch. Südkorea und Irland hingegen gingen exportseitig relativ unbeschadet aus der Krise hervor. Die Schweiz registrierte einen Exportrückgang von 9,8 % und bewegte sich damit im Mittelfeld.

Abbildung 2 Reale Veränderungsrate der Exporte von Waren und Dienstleistungen der Schweiz und ihrer wichtigsten Handelspartner (in %, 2009) 0%

-5%

-10%

-15%

-20%

Südkorea

Irland

Niederlande

Russland

USA

Singapur

Indien

Schweiz

UK

Brasilien

Belgien

Spanien

Frankreich

Östereich

Kanada

Italien

Deutschland

Japan

-25%

Quellen: Eurostat, SECO

Dass die Schweizer Exportwirtschaft im Jahr 2009 glimpflicher davon gekommen ist als diejenige vieler Konkurrenzländer hat verschiedenen Ursachen. Gemäss einer Analyse des SECO5 erwies sich im Bereich des Warenverkehrs insbesondere die Produktpalette der Schweizer Exportwirtschaft als entscheidender Vorteil.

5

Für ausführlichere Angaben vgl. Studie «Die Constant Market Share­Analyse der Exportanteile der Schweiz» http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00459/00462/index.html?lang=de.

1421

Seit Anfang dieses Jahrtausends liegt das Schwergewicht der Schweizer Exportpalette zunehmend im Bereich der Chemie- und Pharmaindustrie. Im Jahr 2009 steuerte dieser Wirtschaftszweig über 40 % zum Total aller Schweizer Güterexporte bei. Da die Schweiz die Exporte der Chemie- und Pharmaindustrie in etwa auf dem Vorjahresstand halten konnten (­2,7 %), hat die Güterstruktur der Schweizer Exporte massgeblich dazu beigetragen, dass die Schweizer Exporte weniger stark eingebrochen sind als diejenigen anderer Länder (vgl. Tab. 1).

Wie Tabelle 1 zeigt, konnten auch die Schweizer Exporte der Güterkategorie «verarbeitete Agrargüter» trotz Krise ihren Vorjahresstand in etwa halten (­2%). Diese Entwicklung ist zum überwiegenden Teil auf den anhaltenden Anstieg der Exporte von Portionenkapseln für Kaffeemaschinen zurückzuführen. Mit einem Exportanteil von 4,1 % an den schweizerischen Gesamtexporten war die stützende Wirkung dieser Güterkategorie im Gegensatz zu den Ausfuhren der chemisch-pharmazeutische Industrie jedoch geringer.

Tabelle 1 Nominale Wachstumsrate der Exporte der Schweiz und der Welt nach Produktgruppen (in %, 2009) Produktgruppe6

Unverarbeitete Agrargüter Verarbeitete Agrargüter Energie Chemie & Pharma Metalle & Maschinen Präzisionsinstrumente Textil, Bekleidung & Schuhe Übrige

Exportanteile der Schweiz nach Produktgruppe 2009 (in %)

Schweiz

Wachstumsrate 2009 (in %) Welt

0,1 4,1 3,0 43,5 27,7 15,3 2,3 4,1

­3,6 ­2,0 ­21,6 ­2,7 ­24,9 ­15,6 ­18,8 ­19,8

­10,8 ­11,0 ­39,1 ­14,7 ­23,6 ­11,0 ­14,1 ­17,2

Quelle: Berechnungen SECO basierend auf Comtrade-Daten

Günstig war auch die im Vergleich zu anderen Ländern geringere Ausrichtung der Schweizer Warenexporte auf die Güterkategorien «Metalle und Maschinen» und «Energie». Dies bedeutet, dass die Schweizer Exportwirtschaft der schwerwiegenden Krise in den Märkten für Metallfabrikate und Automobile sowie bei den Energieträgern weniger stark ausgesetzt war als manche ihrer Konkurrenzländer.

Im Vergleich zur vorteilhaften Produktpalette dürfte die geographische Absatzstruktur der Schweizer Exporte eine geringere Rolle bei der Milderung der Folgen der Krise für die Schweiz gespielt haben.

Der Hauptabsatzmarkt der Schweiz ist die EU. Im Jahr 2009 gingen 58,1 % der Schweizer Exporte in die EU-15 Länder (vgl. Abb. 3). Die starke Handelsverflechtung der Schweiz mit den EU-15 Ländern ist indes nicht aussergewöhnlich. Handel mit angrenzenden Ländern ist in der Regel intensiver als mit Ländern, die geogra6

Gruppierung der Zollkapitel gemäss Constant Market Share-Analyse.

1422

phisch weiter entfernt sind, unter anderem weil die Kosten und die Dauer des Gütertransports vergleichsweise gering sind.

Abbildung 3 Geographische Verteilung der Exporte der Schweiz, der EU-15 Länder und der Welt (in %, 2009) 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

CH

Welt

EU 15

Quelle: Berechnungen SECO basierend auf Comtrade-Daten

Obwohl der Handel unter den Ländern innerhalb einer Region tendenziell intensiver ist als derjenige zwischen Regionen, macht es im Zeitalter der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung Sinn, die geographische Verteilung der Schweizer Exporte der weltweiten Destinationsstruktur gegenüberzustellen. Dies erlaubt es aufzuzeigen, wieweit die Schweizer Exporte auf Wachstumsmärkte ausgerichtet sind.

Im Krisenjahr 2009 schrumpften die gesamten Importe der EU-15 Länder stark (­22,8 %, vgl. Tab. 2). Dafür gingen die Importe in anderen Regionen (Japan, englischsprachiger Raum7, Lateinamerika sowie in der Region «restliches Europa»8), in denen die Schweiz im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt eher untervertreten ist, noch stärker zurück. Deshalb war die Schweizer Exportwirtschaft ihrem schwächeren Engagement in diesen Regionen entsprechend von den Krisen auf diesen Märkten auch weniger betroffen. Da im Vergleich zu den weltweiten Exporten auch 7 8

Zur Region «Englischsprachiger Raum» zählen die USA, Kanada, Australien und Neuseeland.

Zur Region «Restliches Europa» gehören die übrigen EU-27 Länder sowie die europäischen Länder ausserhalb der EU.

1423

der asiatische Raum als Absatzmarkt für Schweizer Produkte untervertreten war ­ eine Weltregion die relativ schwach von der Krise betroffen war ­ wirkte sich gemäss SECO-Berechnungen die geographische Struktur der Schweizer Exportwirtschaft insgesamt leicht negativ auf die Exportentwicklung der Schweiz aus.

Es ist indes anzumerken, dass im Vergleich zu den EU-15 Ländern die Schweizer Exportwirtschaft besser im asiatischen Raum positioniert ist.

Tabelle 2 Nominale Wachstumsrate der Exporte der Schweiz und der Welt in die Zielregionen (in %, 2009) in Zielregionen

China Übrige EFTA9 Englischspr. Raum EU-15 Fernost10 Japan Lateinamerika Restliches Europa Schweiz Rest der Welt

Geographische Verteilung der Exporte der Schweiz 2009 (in %)

Schweiz

Wachstumsrate 2009 (in %) Welt

3,1 0,5 12,4 58,1 5,6 3,8 2,9 6,7 ­ 6,9

­4,6 ­23,6 ­9,7 ­15,0 ­9,6 9,3 ­14,2 ­24,5 ­ ­11,5

­8,0 ­21,2 ­25,5 ­22,8 ­17,0 ­23,5 ­26,1 ­35,5 ­18,1 ­17,8

Quelle: Berechnungen SECO basierend auf Comtrade-Daten

Die SECO-Analyse zeigt zudem, dass sich die schweizerischen Exporte im Krisenjahr 2009 besser entwickelten, als es von der Struktur der Schweizer Exportwirtschaft zu erwarten gewesen wäre. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der Aufwertung des Frankes in der betrachteten Periode überraschend. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass nicht-preisliche Faktoren wie Qualität oder technischer Fortschritt, die oft mit einer weniger preissensitiven Nachfrage einhergehen, dazu beigetragen haben, die wegen der Wechselkursentwicklung verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Jahr 2009 zu dämpfen, und die Exportleistung der Schweiz zu stützen.

Nicht zuletzt haben auch die im Rahmen der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen zusätzlich für die Exportförderung eingesetzten Mittel im Bereich der Handelsfinanzierung sowie Informations- und Beratungsdienstleistungen für KMU die Exporttätigkeit unterstützt. Die Rahmenbedingungen für Schweizer Exporte im Ausland wurden auch dank dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft mit Japan und dem FHA mit Kanada 9 10

Die Region «Übrige EFTA» beinhaltet Norwegen und Island.

Die Region «Fernost» besteht aus den ASEAN-Ländern (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Thailand, Vietnam und Singapur) plus Südkorea, Hong Kong-China, Chinesisch Taipei und Macau.

1424

verbessert. Das Abkommen mit Japan ist das wirtschaftlich bedeutendste FHA der Schweiz seit jenem von 1972 mit der Europäischen Gemeinschaft.

1.4.2

Importentwicklung

Auf der Importseite verzeichnete Russland den höchsten Rückgang. Das Land importierte 2009 gegenüber 2008 35 % weniger (Abb. 4). Ebenfalls stark rückläufig waren die Importe Spaniens und Japans. Mit einem Rückgang von «nur» 5,9 % führte die Schweiz die Gruppe der Länder an, welche die Weltkonjunktur während der Krise stützten. Denn der Rückgang der Schweizer Nachfrage nach ausländischen Waren und Dienstleistungen war deutlich geringer als der Rückgang der Nachfrage nach Schweizer Produkten im Ausland.

Ausschlaggebend für die überdurchschnittlich stabilen Importe der Schweiz war die auch während der Krise robuste Inlandnachfrage, die sich nicht zuletzt in einer anhaltenden Expansion der privaten Konsumausgaben widerspiegelte. Dabei spielte eine Rolle, dass die Zuwanderung gut qualifizierter EU-Bürger in die Schweiz die Konsumbasis stützte. Zudem trugen die zielgerichteten Massnahmen auf dem Arbeitsmarkt (die auf achtzehn Monate verlängerte Kurzarbeit und die Arbeitslosengelder) zum stabilen privaten Konsum bei. Ebenso dürften die Aufwertungstendenzen des Schweizerfrankens den Rückgang der Importe gebremst haben. Denn je stärker der Schweizerfranken ist, desto günstiger sind die Waren aus dem Ausland.

Abbildung 4 Reale Veränderungsrate der Importe von Waren und Dienstleistungen der Schweiz und ihrer wichtigsten Handelspartner (in %, 2009) 0% -5% -10% -15% -20% -25% -30% -35%

Schweiz

Indien

Südkorea

Australien

Niederlande

Deutschland

Irland

Belgien

Frankreich

Brasilien

Singapur

Östereich

UK

Kanada

USA

Italien

Japan

Spanien

Russland

-40%

Quellen: Eurostat, SECO

1425

1.5

Auswirkung des Aussenhandelsauf das BIP der Schweiz und von ausgewählten Ländern im Jahr 2009

Um die Auswirkungen des Aussenhandels auf die Konjunkturentwicklung zu beurteilen, müssen die Beiträge des Aussenhandels (Exporte minus Importe) zum BIPWachstum betrachtet werden. Gemäss der sogenannten Verwendungsrechnung ergibt sich das BIP als Summe der Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates, der Investitionsausgaben (inkl. Lagerveränderungen) sowie der Exporterlöse abzüglich der Importausgaben. Der Wachstumsbeitrag des Aussenhandels fällt umso negativer aus, je schlechter sich die Exporte relativ zu den Importen entwickeln. Diese BIPWachstumsbeiträge sind in Abbildung 5 für die Schweiz und diverse europäische Länder dargestellt. Da in der Schweiz der Rückgang der Importe deutlich geringer als jener der Exporte war, resultiert ein stark negativer Wachstumsbeitrag des Aussenhandels für die BIP-Entwicklung. Dieser sehr negative Aussenhandelsbeitrag ist allerdings insofern zu relativieren, als er vor allem auf den unterdurchschnittlichen Rückgang der Importe zurückzuführen ist. Letzteres reflektiert, wie bereits erwähnt, in erster Linie die stabile Binnennachfrage in der Schweiz, welche die Wirtschaftsentwicklung unterstützt hat. Dadurch verzeichnete die Schweiz im Jahr 2009 trotz negativer Aussenhandelsentwicklung «nur» einen moderaten BIP-Rückgang von 1,9 %.

Abbildung 5 BIP-Wachstumsbeiträge der Handelsbilanz von ausgewählten Ländern (in %, 2009) 4% 2% 0% -2% -4% -6% -8%

BIP-WB, Handelsbilanz

Quellen: Eurostat, SECO

1426

BIP-Wachstum

Deutschland

Schweiz

Österreich

Finnland

Italien

Schweden

Niederlande

Frankreich

Luxemburg

Griechenland

Portugal

UK

Dänemark

Norwegen

Spanien

-10%

Aus Abbildung 5 wird ersichtlich, dass für die Mehrheit der aufgeführten Länder die Handelsentwicklung nicht der ausschlaggebende Faktor für den Einbruch der Wirtschaftsleistung war. Vielmehr waren die restlichen Komponenten des BIP (Konsum und Investitionen) die treibenden Faktoren. Einzelne Länder, namentlich Spanien und Griechenland, verzeichneten sogar positive Beiträge des Aussenhandels zur Entwicklung ihres BIP. Dies, obwohl in beiden Ländern weder die Entwicklung der Warenexporte noch der Warenimporte im europäischen Vergleich positiv herausstachen. Entscheidend war, dass in beiden Ländern, die traditionell hohe Handelsbilanzdefizite aufwiesen, die Importnachfrage noch viel stärker einbrach als die Exporte.

1.6

Entwicklungen im Jahr 2010

Im Verlauf des zweiten Halbjahrs 2009 setzte in vielen Ländern eine wirtschaftliche Erholung ein, welche sich im ersten Halbjahr 2010 fortsetzte. Massgeblich trugen hierzu die umfangreichen wirtschaftspolitischen Krisenbekämpfungsmassnahmen bei, namentlich die starke expansive Geldpolitik sowie die staatlichen Konjunkturprogramme in vielen Ländern. Im Zuge der konjunkturellen Verbesserung legte der Welthandel wieder deutlich zu (im ersten Halbjahr 2010 um rund 25 % im Vorjahresvergleich), wenngleich das Vorkrisenniveau immer noch unterschritten wurde.

Auch die Schweizer Wirtschaft hat die Rezession des vergangenen Jahres zügig überwunden. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2010 verlief das BIPWachstum lebhaft. Im Gegensatz zu den meisten OECD-Ländern hat die Schweiz den rezessionsbedingten Rückgang der Wirtschaftsleistung bereits Mitte 2010 wieder aufgeholt. Positive Konjunkturimpulse gingen neben der anhaltend robusten Inlandnachfrage von der Erholung der Exporte aus, die seit dem Tiefpunkt vom zweiten Quartal 2009 wieder deutlich zugenommen haben.

Die schweizerischen Warenexporte sind im Dreivierteljahr 2010 (Januar bis September) im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode um 7,5 % gestiegen.

Bezogen auf die Absatzmärkte entwickelten sich in den ersten neun Monaten vor allem die Exporte in die asiatischen Schwellenländer sowie nach Süd- und Nordamerika überdurchschnittlich (Zunahmen zwischen 12 und 15 %), wogegen der bedeutendste Exportmarkt EU nachhinkte (4 %). Hierin dürfte sich weniger die ­ meist erst verzögert wirksame ­ Wechselkursveränderung als vielmehr die internationalen Konjunkturunterschiede zwischen stark wachsenden Schwellenländern und weniger schwungvollen Industrieländern widerspiegeln.

Nach Branchen betrachtet haben sich abgesehen von den weiterhin stark rückläufigen Ausfuhren der Bekleidungsindustrie die meisten Güterkategorien im Dreivierteljahr 2010 positiv entwickelt. Besonders stark stiegen die Ausfuhren der Metallindustrie und der Uhrenindustrie (jeweils um gut 20 %). Weniger ausgeprägt aber gleichwohl ansprechend verlief die Entwicklung bei den beiden Exportschwergewichten Chemie/Pharma (7,5 %) und Maschinenindustrie (6,6 %). Allerdings ist die Erholung zwischen den Branchen unterschiedlich weit fortgeschritten: während etwa die Chemie- und Pharmaexporte
die Krise bereits überwunden haben und das Vorkrisenniveau wieder überschreiten, trifft dies für die Maschinenindustrie wegen des viel massiveren Rückgangs noch nicht zu.

1427

Im Gegensatz zur erfreulichen jüngsten Vergangenheit präsentieren sich die aussenwirtschaftlichen Aussichten für die nächsten Monate sowie für 2011 merklich eingetrübt. Die hohe Bewertung des Schweizerfrankens (nicht nur zum Euro, sondern gegenüber vielen Währungen) dürfte nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit das Exportwachstum mit einigen Quartalen Verzögerung erheblich bremsen. Hinzu kommt, dass auch die weltwirtschaftlichen Konjunkturperspektiven ­ ein weiterer zentraler Einflussfaktor für die Exporte ­ relativ verhalten erscheinen, da insbesondere in der EU und in den USA die Finanz- und Schuldenkrise noch längere Zeit nachwirken dürfte. Die sich anbahnende Exportabkühlung dürfte deutliche Bremsspuren in der BIP-Entwicklung der Schweiz, vor allem 2011, nach sich ziehen.

1.7

Fazit

Die Wirtschaftskrise 2008/2009 beendete den langjährigen Welthandelsboom abrupt. Auch die Schweizer Exportwirtschaft wurde mit voller Wucht getroffen.

Trotzdem ist sie glimpflicher davon gekommen als jene vergleichbarer Länder.

Dieser Sachverhalt lässt sich teilweise durch die vorteilhafte sektorale Zusammensetzung der Schweizer Exportwirtschaft erklären. Insbesondere die Chemie- und Pharmaexporte stützten die Exportentwicklung. Darüber hinaus konnte die Schweiz trotz Aufwertung des Schweizerfrankens ihre Wettbewerbsfähigkeit halten. Nichtpreisliche Faktoren wie Qualität und technischer Fortschritt scheinen den Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit im Jahr 2009 weitgehend kompensiert zu haben.

Ebenso haben wohl die im Rahmen der Stabilisierungsmassnahmen des Bundes umgesetzten Exportförderungsmassnahmen die Exportleistung der Schweiz begünstigt. Genauere Aussagen über die Wirkung der Stabilisierungsmassnahmen können aber erst nach Abschluss der umfassenden Evaluation der Stabilisierungsmassnahmen, die für Ende 2011 vorgesehen ist, gemacht werden.

Auf der Importseite verzeichnete die Schweiz «nur» einen Rückgang von 5,9 % und gehörte somit zu der Gruppe der Länder, welche die Weltkonjunktur während der Krise stützten. Massgeblich hierzu beigetragen hat die überdurchschnittlich robuste Inlandnachfrage. Dank der stabilen Binnennachfrage verzeichnete die Schweiz im Jahr 2009 auch einen nur moderaten BIP-Rückgang von 1,9 %.

1.8

Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

1.8.1

Handelspolitische Schlussfolgerungen

Die Entwicklung der Exporte einer mittelgrossen Handelsnation wie der Schweiz wird überwiegend durch die globale Nachfrage bestimmt. Somit sind bei einem dramatischen weltweiten Nachfrageeinbruch, wie er im Jahr 2009 zu beobachten war, die Ausgleichsmöglichkeiten einer konjunkturstabilisierenden Finanzpolitik des Bundes auf die Exportentwicklung begrenzt. Es ist der Schweiz nicht möglich, die ausländische Nachfrage nach Schweizer Produkten direkt zu stimulieren. Weit bedeutender für den Erfolg der Schweizer Exportwirtschaft ist die von der Schweizerischen Nationalbank gesteuerte Geldpolitik, weil sich mit dieser der Wechselkurs beeinflussen lässt, der ein wesentlicher Bestimmungsfaktor der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen auf internationalen Märkten ist. Da mit der Geldpolitik ein Stabilitätsziel im Inland verfolgt und der Wechselkurs auch 1428

von den Entwicklungen im Ausland bestimmt wird, ist dieser von der Schweiz nur begrenzt beeinflussbar.

Ein zweites wichtiges Element zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Schweizer Exporteure ist der Ausbau des Netzes an FHA. Da aber die Aushandlung von FHA zeitaufwändig ist, wirkt dieses Instrument eher mittel- bis langfristig. Das im Jahr 2009 in Kraft getretene Abkommen über den Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft mit Japan und das FHA mit Kanada vermochten aber bereits während der Krise die Exportentwicklung zu stützen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die Schweizer Exporte nach Japan und Kanada im Jahr 2009 trotz Krise gestiegen sind (+9,3 resp. +1,9 % gegenüber dem Vorjahr), während die weltweiten Einfuhren dieser Länder stark eingebrochen sind (­23,5 in Japan bzw. ­21,7 % in Kanada)11.

Die Bilateralen Landwirtschaftsabkommen sind integrale Bestandteile der FHA.

Aufgrund ihrer aktuellen Landwirtschaftspolitik ist der Verhandlungsspielraum der Schweiz im Agrarsektor beschränkt. Der Abschluss von FHA-Verhandlungen ­ insbesondere mit wirtschaftlich schwergewichtigen Ländern ­ setzt voraus, dass bei den Marktzugangsverpflichtungen mit den Verhandlungspartnern ein Interessenausgleich über alle Sektoren gefunden werden kann. Dies gilt im multilateralen Kontext, das heisst im Rahmen der WTO, ebenso wie bei bilateralen Verhandlungen. Dies kann je nach Verhandlungspartner bedeuten, dass die Schweiz auch im Agrarbereich eine Offerte zu unterbreiten hat, welche wesentliche Exportinteressen der anderen Seite berücksichtigt, will sie ein Verhandlungsergebnis erreichen, das geeignet sind, im Bereich der Schweizer Exportinteressen Diskriminierungen abzuwenden. Dies ist in den bisherigen Verhandlungen gelungen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass in künftigen Verhandlungen mit Ländern, welche erhebliche Agrarexportinteressen geltend machen und die für die Schweiz wichtige Exportmärkte darstellen, unter anderem China, Russland oder die MERCOSUR-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay), weitergehende Konzessionen im Agrarbereich erforderlich sind, damit im Industrie- und Dienstleistungssektor ein befriedigender Marktzugang ausgehandelt werden kann. Die Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Schweizer Agrarpolitik hat die internationalen Rahmenbedingungen, neben den
bilateralen Verhandlungen auch die multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO, dementsprechend zu berücksichtigen.

Auch die zukünftige Entwicklung der Schweizer Exportwirtschaft wird im Wesentlichen durch die weitere Entwicklung der internationalen Wirtschaftslage bestimmt.

Da davon auszugehen ist, dass einerseits die stimulierenden Effekte der Konjunkturprogramme allmählich nachlassen und andererseits zahlreiche Länder Massnahmen zur Verringerung der hohen Staatsdefizite ergreifen werden, sind dämpfende Effekte auf die Weltkonjunktur zu erwarten. Dies wird wohl die Exportaussichten der Schweiz belasten. Die Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro und anderen Währungen, wie zum Beispiel dem US-Dollar, die im Jahr 2010 ausgeprägter war als im 2009, wird sich darüber hinaus negativ auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte auswirken. Da die wichtige Güterkategorie der Chemie- und Pharmaprodukte erfahrungsgemäss jedoch relativ wenig auf Wechselkursschwankungen reagiert, sollte sich auch in nächster Zukunft die Produktpalette der Schweizer Exportwirtschaft als vorteilhaft erweisen.

11

Quelle: Comtrade.

1429

Hinsichtlich der geographischen Absatzstruktur der Schweizer Exporte hat die Analyse des SECO gezeigt, dass sich eine stärkere Ausrichtung auf dynamische Schwellenländer, insbesondere in Asien, lohnt. Dies sollte sowohl eine positive Auswirkung auf die Exportdynamik der Schweiz haben, als auch ­ über eine noch stärkere Diversifizierung ­ die Widerstandsfähigkeit der Exportindustrie stärken.

Vor diesem Hintergrund erscheint es vorteilhaft, dass die Schweiz ihre Freihandelspolitik geographisch weiterhin auf Partner in dynamisch wachsenden Regionen ausrichtet. Multilateral beteiligt sich die Schweiz aktiv an den Bemühungen, die WTO Doha Runde zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Von der weiteren Handelsliberalisierung im Rahmen der WTO verspricht sich die Schweiz einen verbesserten Marktzugang zu den über hundert Märkten, mit denen keine FHA bestehen. Aufgrund der Ungewissheit bezüglich des Abschlusses der WTO DohaRunde spielen FHA aber vor allem in naher Zukunft bei der Erhaltung und Verbesserung des Zugangs zu ausländischen Märkten eine entscheidende Rolle. Verhandlungen im Rahmen der EFTA sind derzeit mit Indien und Hong Kong-China in Gang. Zudem bereitet die EFTA Freihandelsverhandlungen mit Indonesien vor und arbeitet an einer Machbarkeitsstudie zu einem FHA mit Vietnam. Darüber hinaus bereitet die Schweiz Verhandlungen zu einem bilateralen FHA mit China vor.

Davon versprechen sich beide Länder einen positiven Einfluss auf die Exportdynamik und das Wirtschaftswachstum.

1.8.2

Erste wirtschaftspolitische Lehren aus der Krise und Ausblick

Die Erfahrungen der jüngsten Krise bestätigen, dass laufendes Einwirken auf den Gang der Konjunktur kein Ersatz für eine langfristig auf Wachstum und Stabilität ausgerichtete Politik sein kann. Volkswirtschaften mit stabilen makroökonomischen Rahmenbedingungen, wozu eine niedrige Inflation, ein strukturell ausgeglichener Haushalt, tiefe Schulden und ein gesunder Immobilienmarkt gehören, waren von der jüngsten Krise weit weniger betroffen. Zudem haben die konjunkturstützenden Massnahmen der Jahre 2008/2009 die Solvenz der Staaten zum Thema gemacht, respektive das Risiko aufgezeigt, für eine nächste Krise nicht mehr über einen genügenden Handlungsspielraum in der Geld- und Finanzpolitik zu verfügen.

Die Schweiz gehört erfreulicherweise zu denjenigen Ländern, welche die letzte Rezession im internationalen Vergleich gut bewältigt haben. Ein wichtiger Faktor dafür ist die Personenfreizügigkeit: Während der Wirtschaftskrise der 1970er Jahre hat die Zahl der in der Schweiz arbeitenden Ausländer stark abgenommen und zu einer unerwünschten Verstärkung des Nachfrageeinbruchs geführt. Im Gegensatz dazu stützte der freie Personenverkehr in den letzten Jahren die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und verhinderte damit eine noch schwerere Rezession.

Zudem hat die Schweiz wichtige Lehren aus früheren Krisen gezogen. So wurden infolge der Krisen der 1970er und vor allem der 1990er Jahre grundlegende Reformen ergriffen. Die Einführung der Arbeitslosenversicherung Mitte der 1970er Jahre verstärkte die automatischen Stabilisatoren der Finanzpolitik in hohem Mass, wofür der ausgeglichene Verlauf des Konsums in der jüngsten Krise Beleg ist. Der Finanzierungsmechanismus der Arbeitslosenversicherung zielt in die gleiche Richtung.

Die konkreten Erfahrungen mit seiner Anwendung belegen, wie wichtig es ist, in konjunkturstarken Jahren Überschüsse und nicht nur ein ausgeglichenes Resultat zu 1430

erzielen. Solche Überschüsse wurden im Bundeshaushalt dank der vom Volk 2001 gutgeheissenen und 2003 eingeführten Schuldenbremse ab 2006 erzielt. Umgekehrt war in der Geldpolitik ein beherztes Vorgehen nötig, da einem singulären Ereignis, dem Zusammenbruch des Interbankenmarktes, zu begegnen war. Die Singularität dieses Ereignisses und des nötigen Umfangs geldpolitischer Interventionen macht es nun aber auch besonders schwierig, im monetären Bereich eine Exit-Strategie zu finden, die gewährleistet, dass das aktive monetäre Handeln nicht zur Quelle neuer Verwerfungen wie Fehlentwicklungen im Immobilienmarkt oder verzerrter Wechselkurse wird.

Damit sich die Schweiz beim Einsetzen einer neuerlichen Rezession auch in Zukunft in einer soliden makroökonomischen Ausgangslage befindet, müssen in den einzelnen Wirtschaftssektoren weitere Reformen in Angriff genommen werden. Handlungsbedarf besteht im Bereich der Infrastrukturen. Ebenso werden die demographische Alterung und die Leistungsausweitung im Gesundheitswesen in den kommenden Jahren eine grosse Herausforderung darstellen. Nachdem das Parlament im Oktober 2010 die 11. AHV-Revision nach langjähriger Arbeit abgelehnt hat, stellt sich die Frage, wie das bedeutende Sozialwerk finanziell auf gesunde Beine gestellt werden kann. Diese Herausforderungen werden unter anderem im Rahmen der Wachstumspolitik des Bundes angegangen werden müssen.

2

WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Die WTO hat durch die Schaffung von Transparenz über handelshemmende Massnahmen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Handelsprotektionnismus nach der Wirtschafts- und Finanzkrise geleistet. Die Doha-Verhandlungen laufen, kommen aber kaum voran. Grund hierfür sind in erster Linie die Differenzen zwischen den WTO-Mitgliedern, die sich darüber uneinig sind, wie viel mit den Verhandlungen erreicht werden soll (Ambitionsniveau) und wie ein Gleichgewicht in den Landwirtschafts-, Industriegüter- und Dienstleistungsverhandlungen erreicht werden kann. Im November haben die Staats- und Regierungschefs der G20 in Seoul ihren starken Einsatz für einen baldigen Abschluss der Doha-Runde bekräftigt. Ende 2011 wird in Genf die achte WTOMinisterkonferenz durchgeführt werden.

2.1.1

Doha-Runde

Im März erfolgte eine Bestandesaufnahme der Doha-Verhandlungen auf Ebene der Chefunterhändler. Die Gesamtheit der WTO-Mitglieder erklärte sich weiterhin der Doha-Runde verpflichtet und will die Verhandlungen fortsetzen. Konkrete Fristen oder Daten für den Abschluss der Verhandlungen wurden keine festgelegt. Aufgrund der andauernden Pattsituation auf politischer Ebene wurden im Berichtsjahr vor allem technische Verhandlungen zu spezifischen Themen geführt. Es gab zur Ver1431

besserung der Transparenz des Verhandlungsprozesses zudem häufiger Sitzungen des Doha-Verhandlungsausschusses sowie regelmässig Kontakte auf Stufe der Chefunterhändler. Aus Schweizer Sicht ist schwierig, dass der Druck bei den Verhandlungen über die Landwirtschaftsprodukte steigt, je länger die Doha-Runde dauert.

Im November haben die Staats- und Regierungschefs der G20 in Seoul ihren starken Einsatz für einen baldigen, ehrgeizigen und ausgewogenen Abschluss der DohaRunde basierend auf den bisher in den Verhandlungen erreichten Fortschritten bekräftigt. Sie bezeichneten das Jahr 2011 als eine kurze Gelegenheit und Zeitfenster, um die Doha-Verhandlungen abzuschliessen. Die Staats- und Regierungschefs der G20 betonten die Notwendigkeit, in die Schlussphase der Verhandlungen zu treten.

Um diesen Aufruf in konkretes Handeln umzusetzen, sollten die Vorsitzenden der Doha-Verhandlungsgruppen zu jedem Verhandlungsthema bis spätestens Ende des ersten Quartals 2011 revidierte Verhandlungstexte vorlegen. Die Schweiz wird Ende Januar 2011 am Rande des World Economic Forum (WEF) ein informelles WTOMinistertreffen mit einem eingeschränkten Teilnehmerkreis organisieren, das erlauben sollte, den Handlungsspielraum für das Jahr 2011 auszuloten.

2.1.2

Umsetzung der bestehenden WTO-Abkommen

Die WTO ist nicht nur ein Forum für Verhandlungen neuer Abkommen. Im Zentrum des Systems stehen ebenso die bestehenden Abkommen mit den Grundregeln des Welthandels. Deren Einhaltung wird durch eine regelmässige Überprüfung der nationalen Handelspolitiken der WTO-Mitglieder durch die anderen Mitglieder gefördert. Zudem stellt das Streitschlichtungsverfahren die Einklagbarkeit der WTOVerpflichtungen sicher.

Beitrittsverhandlungen Die WTO zählt gegenwärtig 153 Mitglieder. Im Laufe des Berichtsjahres sind der Organisation keine neuen Mitglieder beigetreten. Momentan befinden sich 30 Länder in Beitrittsverhandlungen (u.a. Algerien, Aserbaidschan, Belarus, Bosnien und Herzegowina, Kasachstan, Libanon, Montenegro, Russland und Serbien). Die Beitrittsverhandlungen von Russland erzielten im zweiten Halbjahr sehr gute Fortschritte, nicht zuletzt weil im Juni die Präsidenten von Russland und den USA, Medvedev und Obama, gemeinsam und öffentlich einen möglichst raschen Beitritt Russlands forderten und auch die EU dieses Begehren unterstützt. Allerdings erschwert die im Berichtsjahr gegründete und noch im Aufbau befindliche Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Belarus die Verhandlungen dieser drei Beitrittskandidaten.

Streitbeilegungsverfahren In der Berichtsperiode war die Schweiz weder als Partei noch als Drittpartei in ein Verfahren involviert. Das Streitbeilegungsverfahren wurde von anderen WTOMitgliedern hingegen rege genutzt. Es sei auf die folgenden Fälle verwiesen: Am 21. Dezember 2009 bestätigte der Appellate Body (AB) den Entscheid des Panels in China ­ Measures Affecting Trading Rights and Distribution Services for Certain Publications and Audiovisual Entertainment Products (DS363), wonach verschie1432

dene von China erlassene Importbeschränkungen für Medien (Publikationen und Filme) als Verstösse gegen dessen WTO-Beitrittsbestimmungen zu werten sind. Die Berichte des Panels und des AB wurden vom DSB am 19. Januar 2010 angenommen. In einem am 30. Juni veröffentlichten Bericht entschied das Panel in European Communities and Certain Member States ­ Measures Affecting Trade in Large Civil Aircraft (DS316), dass Massnahmen der EU sowie von Frankreich, Deutschland, Spanien und vom Vereinigten Königreich zugunsten von Airbus, wie etwa die Gewährung von Starthilfen und Darlehen sowie von Beihilfen im Infrastrukturbereich je nach Ausgestaltung der Massnahmen verbotene oder anfechtbare Subventionen im Sinne des WTO-Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen darstellen und die Wettbewerbsfähigkeit von Boeing beeinträchtigen.

Sowohl die EU als auch die USA legten gegen diesen Panelentscheid Rekurs ein. In Australia ­ Measures Affecting the Importation of Apples from New Zealand (DS367) entschied das Panel am 9. August, dass verschiedene pflanzenschutzrechtliche Massnahmen, welchen aus Neuseeland nach Australien importierte Äpfel unterworfen sind, sich nicht auf eine angemessene Risikobewertung stützen, teilweise handelseinschränkender als notwendig sind und daher gegen das WTOÜbereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen verstossen. Australien legte gegen diesen Entscheid Rekurs ein. Am 16. August kam das Panel in European Communities and its Member States ­ Tariff Treatment of Certain Information Technology Products (DS375, DS376 und DS377) zum Ergebnis, dass die EU mit der Zollerhebung auf gewissen IT-Produkten gegen Bestimmungen des GATT verstösst. Die EU hatte argumentiert, dass aufgrund technologischer Fortentwicklung bestimmte IT-Geräte als völlig neue Geräte zu betrachten sind und deshalb der von der EU im Jahre 1996 eingegangenen Verpflichtung zur Zollaufhebung bei gewissen IT-Produkten nicht mehr unterstehen.

Die Tatsache, dass heute IT-Geräte Funktionen auszuüben in der Lage sind, die vor fünfzehn Jahren mit diesen Geräten noch nicht möglich waren, vermochte aus Sicht des Panels die Erhebung eines Zolls nicht zu rechtfertigen. Da gegen diesen Entscheid nicht rekurriert wurde, konnte dieser am 21. September durch den DSB angenommen
werden. In United States -- Certain Measures Affecting Imports of Poultry from China (DS392) schliesslich hielt das Panel am 29. September fest, das von den USA bis zum 30. September 2009 durch Section 743 des Agriculture, Rural Development, Food and Drug Administration, and Related Agencies Appropriations Act 2009 sanktionierte Importverbot für Geflügel aus China habe gegen Bestimmungen des WTO-Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen sowie des GATT verstossen.

Überprüfung nationaler Handelspolitiken Im Berichtsjahr wurden die Handelspolitiken von siebzehn Mitgliedern (darunter China, Chinesisch Taipei, Hong Kong-China, Malaysia und die USA) überprüft.

Dieser Prüfmechanismus (Trade Policy Review Mechanism) zielt darauf ab, die Handelspolitiken einzelner Mitglieder zu beleuchten und gibt Mitgliedern die Möglichkeit, im Rahmen eines offenen und kritischen Dialogs Fragen zu stellen. Damit wird das multilaterale System der WTO gestärkt. In diesem Rahmen hat die Schweiz Fragen an China in Bezug auf geistiges Eigentum, Ausfuhrsteuern und -zölle, Auslandsinvestitionen in China sowie öffentliches Beschaffungswesen gestellt. Fragen an die USA betrafen insbesondere die Gefahr eines zunehmenden Protektionismus, den intensiveren Rückgriff auf Antidumpingmassnahmen, tarifarische Ausgleichmassnahmen und nichttarifarische Massnahmen sowie strengere Grenzkontrollen 1433

und Einfuhrverbote gewisser Schweizer Fleischspezialitäten. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen werden veröffentlicht, womit politischer Druck auf die entsprechenden Länder ausgeübt wird, nötige Reformen einzuleiten. Zum Abschluss des Verfahrens werden an das überprüfte Land Empfehlungen gerichtet. Im Jahr 2011 werden die nationalen Handelspolitiken der EU, Japans, Australiens, Kanadas, Indiens, Saudi-Arabiens und Thailands überprüft werden.

Nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise im September 2008 lancierte die WTO ein Verfahren zur Überwachung der von den WTO-Mitgliedern ergriffenen Handelsmassnahmen. Damit sollte zum einen ein Minimum an Transparenz gewährleistet werden; zum anderen ging es darum, die Mitgliedstaaten von protektionistischen Massnahmen abzuhalten. Das Organ zur Überprüfung der Handelspolitiken, welches für diese Überwachung zuständig ist, führte in der Berichtsperiode seine Arbeiten weiter und veröffentlichte zwei Berichte: Es stellte fest, dass die Staaten trotz des Ausmasses der Wirtschafts- und Finanzkrise und deren ernsthafte Auswirkungen auf die Weltwirtschaft bislang weitgehend auf stark protektionistische Massnahmen verzichtet haben. Gleichwohl waren einige Fälle von restriktiven Massnahmen zu vermerken. Bei den im Berichtsjahr neu ergriffenen protektionistischen Massnahmen wurden ein Wiederanstieg der handelspolitischen Korrekturmassnahmen (Antidumping-, Ausgleichs- und Schutzmassnahmen), welche direkt oder indirekt den Handel verzerren, sowie Einfuhrzollerhöhungen, Einfuhrverbote und Importlizenzen festgestellt. Ausserdem wurde vermerkt, dass vermehrt marktzugangsbeschränkende gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Massnahmen eingeführt wurden und der Gebrauch von Exportbeschränkungen mittels Ausfuhrzöllen, -verboten oder -kontingenten, insbesondere für Lebensmittel und Rohstoffe, weltweit zugenommen hat. Das Verfahren zur Überwachung der von den WTO-Mitgliedern ergriffenen Handelsmassnahmen ist ein integraler Bestandteil der WTO geworden. Auf diese Weise hat die WTO dazu beigetragen, die protektionistischen Auswirkungen der Krise einzudämmen.

2.2

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Vier neue Länder ­ Chile, Estland, Israel und Slowenien ­ traten der nunmehr 34 Mitglieder zählenden Organisation bei. Die Schweiz pflegt nach den Turbulenzen um die schweizerische Politik im Bereich der Transparenz und des Informationsaustausches in Steuerfragen wieder gute Beziehungen zur OECD.

Der Generalsekretär der OECD, Angel Gurría, wurde von den OECDMitgliedern im Konsens für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Im Vorfeld der Wahl konnte die Schweiz Herrn Gurría ihre Prioritäten und Anliegen für die nächsten Jahre mitteilen.

Die OECD organisierte verschiedene sektorielle Ministerkonferenzen zu den Bereichen Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung und «gute Regierungsführung».

1434

2.2.1

Erweiterung der Organisation

Die OECD hat vier Länder ­ Chile, Estland, Israel und Slowenien ­ als neue Mitglieder aufgenommen, nachdem diese den dreijährigen Beitrittsprozess abgeschlossen hatten. Damit gehören der Organisation 34 Mitgliedsstaaten an. Der ebenfalls 2007 begonnene Aufnahmeprozess von Russland schreitet sehr langsam voran, da Russland zur Erreichung der OECD-Standards zahlreiche Gesetzesänderungen vornehmen muss. Um den Beitrittsprozess Russlands zu begleiten, hat die Bundesverwaltung einen besonderen Koordinationsprozess eingeleitet. Daran beteiligt sind die Delegierten der Schweiz in den OECD-Komitees, welche verschiedene Aspekte der russischen Wirtschaftspolitik auf ihre Kompatibilität mit den entsprechenden OECD-Standards prüfen. Ausserdem verfolgt die OECD mit Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika ein Programm zur verstärkten Zusammenarbeit (Enhanced Engagement).

2.2.2

OECD-Ministerratstagung

Die OECD-Ministerratstagung fand am 27./28. Mai in Paris unter italienischem Vorsitz statt und war dem Thema «Vom Aufschwung zu einem dauerhaftem Wachstum» gewidmet. Die Schweiz war durch Bundespräsidentin Doris Leuthard vertreten. Die Minister diskutierten, wie die zur Krisenbekämpfung ergriffenen Sofortmassnahmen beendet und die öffentlichen Finanzen saniert werden können, ohne auf Massnahmen zu verzichten, welche die negativen Auswirkungen der Wirtschaftsund Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt und das Wachstum mildern.

Die Debatte über die Haushaltskonsolidierung und den Arbeitsmarkt hat die unterschiedlichen finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den OECDLändern sowie in den fünf in Ziffer 2.2.1 genannten Schwellenländern deutlich gemacht. Die Minister waren sich einig, dass die Umsetzung von strukturellen Reformen fortgesetzt werden muss. Diese Reformdiskussion ermöglichte der Schweiz, ihre Schuldenbremse vorzustellen. Sie dient dazu, den Bundeshaushalt vor strukturellen, chronischen Ungleichgewichten zu bewahren, und hat sich seit ihrer Einführung bewährt.

Nach drei Jahren multidisziplinärer Arbeit nahmen die Minister den Schlussbericht zur Innovationsstrategie an. Die Strategie identifiziert prioritäre Handlungsfelder und -prinzipien. Sie beleuchtet die Rolle des Staates, weist aber darauf hin, dass die Wirtschaft der Motor für die Innovation ist. Investitionen, offene Märkte und qualifiziertes Humankapital sind für einen innovativen Wirtschaftsstandort von besonderer Bedeutung. Um von den Ergebnissen der Arbeit bestmöglich zu profitieren, wird die Schweiz im Januar 2011 einen nationalen runden Tisch organisieren.

Die OECD veröffentlichte zudem den Zwischenbericht zur «grünen Wachstumsstrategie». Er präsentiert erste Ergebnisse und befasst sich mit der Beseitigung von Hindernissen, der Förderung und Unterstützung des Übergangs zu «grünem Wachstum», der Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der Ausarbeitung von Indikatoren. Dabei konzentrierte sich der Bericht auf die Analyse von Erfahrungen verschiedener Länder sowie auf Hindernisse, welche bei der Umsetzung «grüner Wachstumsstrategien» auftreten können. Der Schlussbericht wird praktische und umsetzbare Politikempfehlungen enthalten und wird an der OECD-Ministerratstagung 2011 vorgestellt.

1435

Die Minister diskutierten über die Bedeutung der OECD und deren Positionierung in der neuen globalen Wirtschaftsordnung. Die angestrebte Neuaufteilung der Mandate und Verantwortungsgebiete unter die internationalen Organisationen, besonders im Zusammenhang mit dem Aufkommen der G20, ist für die OECD eine insbesondere Herausforderung.

2.2.3

Sektorielle Ministertagungen

Bundespräsidentin Doris Leuthard vertrat die Schweiz an der Ministerratstagung zum Thema Landwirtschaft mit dem Titel «Agrar- und Ernährungspolitik für eine nachhaltige Zukunft» vom 25./26. Februar. Die Minister diskutierten über die Herausforderungen und Chancen des zukünftigen globalen Ernährungs- und Landwirtschaftssystems. Zentrale Themen waren die weltweite Ernährungssicherheit, der Klimawandel und die nachhaltige Ressourcennutzung sowie die Rolle der Agrarpolitik und -märkte in diesem Zusammenhang. Die Minister waren sich einig, dass ein integrierter Ansatz zur Ernährungssicherheit notwendig ist, der unter anderem die inländische Produktion, den internationalen Handel, die Lagerkapazitäten sowie soziale Sicherheitsnetze berücksichtigt.

Bundesrat Didier Burkhalter nahm an der Ministerratstagung vom 7./8. Oktober zum Thema Gesundheit teil. Unter dem Titel «Prioritäten in den Gesundheitssystemen nach der Krise» erörterten die Minister, wie die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert, die Gesundheitskosten eingeschränkt und ein gesünderer Lebenstil gefördert werden können. Aufgrund haushaltspolitischer Sachzwänge infolge der Wirtschaftskrise sind die Entscheidungsträger auf der Suche nach neuen Modellen, die den Gegenwert der in das Gesundheitssystem investierten Gelder erhöhen.

Die Ministerratstagung zum Thema Bildung fand am 4./5. November unter Teilnahme des Generalsekretärs der Erziehungsdirektorenkonferenz, Hans Ambühl, statt. Erörtert wurde die entscheidende Rolle, die Aus- und Weiterbildungssysteme bei der Vorbereitung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zukunft sowie für die wirtschaftliche Erholung spielen. Die vier wichtigsten künftigen Herausforderungen sind die Bewältigung der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Bildungssystem, die Anpassung der Qualifikationen an neue Anforderungen, die Ausbildung leistungsfähiger Lehrkräfte für das 21. Jahrhundert und die Stärkung der sozialen Nutzeffekte der Bildung.

An der Ministerratstagung der OECD zum Thema «gute Regierungsführung» mit dem Titel «Auf dem Weg zur Erholung und Partenariat mit der Bevölkerung: Aufruf zugunsten einer innovativen und offenen Verwaltung» vom 15. November in Venedig nahm Bundeskanzlerin Corina Casanova an den Diskussionen teil. Die Minister haben unter anderem gefordert, dass die Produktivität
des Öffentlichen Sektors gesteigert und ein maximaler Ertrag der technologischen Investitionen erreicht werden muss, so dass die Regierungen zur Erholung des Wirtschaftswachstums beitragen können.

1436

2.3

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)

Im Zentrum der Aktivitäten der UNCTAD standen die Zwischenüberprüfung der Umsetzung des laufenden 4-Jahres-Arbeitsprogramms (Accra Accord) sowie Diskussionen um die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise und des Klimawandels auf die Entwicklungsländer. Die Schweiz unterstützte insbesondere die Programme und Arbeiten in den Bereichen Wettbewerb, Konsumentenschutz, Biodiversität und Investitionen weiter und lancierte ein neues Programm im Bereich der Schuldenbewirtschaftung.

Die UNCTAD mit Sitz in Genf hat zum Ziel, die Entwicklungsländer über eine Stärkung des Handels in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie trägt innerhalb des UNO-Systems die Hauptverantwortung für die umfassende Behandlung von Fragen auf dem Gebiet Handel und Entwicklung. Als höchstes Entscheidungsgremium der UNCTAD findet alle vier Jahre eine Konferenz auf Ministerebene statt, an der die Prioritäten und die Aktionsprinzipien der Organisation festgelegt werden. Der anlässlich der letzten Ministerkonferenz 2008 in Accra verabschiedete Accra Accord enthält das Arbeitsprogramm bis 2012.

Im Berichtsjahr wurde eine Standortbestimmung des Accra Accord durchgeführt.

Die Überprüfung sollte aufzeigen, inwiefern die UNCTAD den 2008 formulierten Aufgaben nachgekommen ist und Reformbeschlüsse gefasst hat. Insgesamt wurde der Organisation ein gutes Zeugnis bei der Umsetzung des Arbeitsprogramms ausgestellt, wenn auch in gewissen Bereichen (z.B. Kommunikations- und Publikationsstrategie, Prozessoptimierung) weitere Anstrengungen nötig sind. Wie bereits 2009 prägten auch im Berichtsjahr die Diskussionen um die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise und des Klimawandels auf die Entwicklungsländer die Debatten. Im Bereich des Klimawandels setzte sich die Schweiz in erster Linie für eine Stärkung der lokalen Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern ein, um einen gezielten Umwelttechnologietransfer zu ermöglichen.

Im Berichtsjahr verstärkte die Schweiz die technische Zusammenarbeit mit der UNCTAD im Bereich der Schuldenbewirtschaftung mit einer erneuten Beteiligung am Debt Management and Financial Analysis (DMFAS) Programm. Weitere von der Schweiz unterstützte Programme sind insbesondere COMPAL12 zur Stärkung der Wettbewerbspolitik und des Konsumentenschutzes in Lateinamerika und das globale
BioTrade Facilitation Programme (BTFB). Letzteres trägt über die Förderung des Handels von Biodiversitätsprodukten zur nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei. Im Investitionsbereich beteiligt sich die Schweiz an Arbeiten, die Entwicklungs- und Transitionsländer befähigen sollen, Investitionsabkommen auszuhandeln und die in solchen Abkommen vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren mit privaten Investoren korrekt durchzuführen. Spezielle Aufmerksamkeit erhielt schliesslich die Koordination unter den verschiedenen handelsrelevanten UN-Sonderorganisationen im Rahmen des von der UNCTAD geleiteten UN-Interagency Cluster on Trade and 12

Fortalecimiento de Instituciones y Capacidades en el área de la competencia y protección del consumidor en America Latina.

1437

Productive Capacity. Die Schweiz unterstützt durch diesen Clusteransatz ausgewählte ärmste Entwicklungsländer bei ihrer Integration in den Weltmarkt. Im Berichtsjahr wurde ein erstes Länderprogramm in Laos gestartet.

2.4

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)

Das von der Schweiz aktiv mitgestaltete globale «Programm zur ressourceneffizienten und sauberen Produktion» ­ eine Initiative zur Förderung umweltfreundlicher Produktionsweisen und des Transfers von Umwelttechnologien ­ ermöglicht eine harmonisierte und effiziente Zusammenarbeit von UNIDO, United Nations Environment Programme (UNEP) und den bilateralen Gebern auf diesem Gebiet.

Die UNIDO mit Sitz in Wien hat die Förderung der nachhaltigen industriellen Entwicklung in Entwicklungs- und Transitionsländern zum Ziel. Sie gehört zu den Umsetzungsorganisationen des Montrealer Protokolls zum Schutz der Ozonschicht und für die Globale Umweltfazilität. Die Schweiz hat einen Sitz im Steuerungsausschuss (Industrial Development Board) sowie im Programm- und Budgetausschuss (Programme and Budget Committee).

Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Geberländern der UNIDO und arbeitet eng mit ihr zusammen, um die Einführung von umwelteffizienten und sozial nachhaltigen Produktionsmethoden in Entwicklungs- und Transitionsländern mittels Cleaner Production Centers zu fördern. In Form des von der Schweiz massgeblich mitgestalteten Resource Efficient and Cleaner Production Program wurde eine Initiative mit breiter Geberabstützung geschaffen, unter dem die Cleaner Production Centers gemeinsam Themen angehen und Wissen austauschen, unter anderem über Energieeffizienz und Abfallnutzung (z.B. zur Produktion von Biogas), nachhaltigen Umgang mit Chemikalien (chemical leasing) oder spezialisierte Finanzierungslinien für Umweltinvestitionen. Das Programm wurde im Rahmen der UNO-Kommission für nachhaltige Entwicklung in New York sowie verschiedenen interessierten Geberländern vorgestellt.

Ferner unterstützt die Schweiz Programme zur Stärkung der Kapazitäten von Entwicklungsländern bei der Schaffung von Standardisierungsbehörden, Industrienormen und Konformitätsnachweisen. Der zwischen der Schweiz, Norwegen und der EU vereinbarte Umsetzungsplan der Empfehlungen aus der umfassenden Sektorevaluation 2009 wird seit 2010 ausgeführt. Die Schweiz vereinbarte im Berichtsjahr in diesem Arbeitsfeld mit der UNIDO ein vierjähriges Programm im Umfang von drei Millionen US-Dollar zur Qualitätsverbesserung im Export von Medizinalpflanzen und Essenzen aus Ägypten. Des weitern konnte ein Business Registration Reform-Projekt mit Vietnam mit
einem Schweizer Beitrag von fünf Millionen US-Dollar gestartet werden. Innovation, Unternehmertum und Investitionen des Privatsektors sollen durch dieses Projekt gefördert werden, basierend auf einem landesweit einheitlichen Handelsregister (National Business Registration System).

Angestrebt wird ein öffentlicher Zugang über das Internet, um auf rechtlich relevante Daten der Unternehmen zugreifen zu können.

1438

2.5

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Nachdem die IAO in den letzten beiden Jahren mit der Verabschiedung der Erklärung über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008) und des globalen Pakts für Beschäftigung (Global Jobs Pact, 2009) Meilensteine gesetzt hat, die auch über die Organisation hinaus Beachtung gefunden haben, stand im Berichtsjahr die Konsolidierung des Erreichten im Vordergrund.

Mit der Verabschiedung der Erklärung über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung im Juni 2008 hat die Internationale Arbeitskonferenz (IAK) ihrem Verständnis des Mandats der IAO im Zeitalter der Globalisierung Ausdruck gegeben. Die Erklärung über soziale Gerechtigkeit institutionalisiert das seit 1999 entwickelte Konzept der menschenwürdigen Arbeit (decent work) und richtet die Tätigkeit der IAO an den vier strategischen Zielen Beschäftigung, sozialer Schutz, sozialer Dialog und Rechte bei der Arbeit aus.

Der Globale Pakt für Beschäftigung (Global Jobs Pact), der 2009 als Reaktion auf den rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise verabschiedet wurde, stellt ein Bündel an Massnahmen zusammen, mit denen Beschäftigung und sozialer Schutz ins Zentrum der Krisenreaktion gestellt werden können. Jedes Land kann daraus die geeigneten Massnahmen daraus auswählen und an seine besonderen Umstände anpassen. Mit der Verabschiedung des Globalen Pakts für Beschäftigung antworteten die IAO und ihre tripartite Mitgliedschaft auf das Mandat, welches ihr im April 2009 von der G20 gegeben wurde.

Die Schweiz hat sich aktiv an der Erarbeitung dieser beiden Instrumente beteiligt und unterstützt die aktive Rolle der IAO bei der Überwindung der Wirtschaftskrise.

Die IAK 2010 wurde von Bundespräsidentin Doris Leuthard als Ehrengast eröffnet.

Sie forderte in ihrer Rede mehr Kohärenz zwischen den internationalen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltregelwerken und eine bessere Zusammenarbeit der relevanten internationalen Organisationen. Sie bekräftigte zudem den Willen der Schweiz, das normative System der IAO zu stärken und die universelle Ratifikation der IAOKernarbeitsnormen zu fördern, nicht zuletzt um protektionistischen Bestrebungen Einhalt zu gebieten.

Die IAK 2010 verabschiedete eine Empfehlung zum Thema HIV/Aids in der Welt der Arbeit, führte eine erste Diskussion zur Normensetzung im Bereich der
Hauswirtschaft und untersuchte die Situation in Hinblick auf die Arbeitsstandards in verschiedenen Mitgliedsländern. Speziell hervorzuheben ist die erste wiederkehrende Diskussion zum strategischen Ziel der Beschäftigung als konkrete Folgemassnahme zur Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit. Die Schweiz setzte sich dabei erfolgreich für eine Initiative zur Stärkung der Zusammenarbeit und des Austausches der IAO mit anderen internationalen Organisationen ein. Dies soll zu mehr Kohärenz zwischen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik beitragen.

In Erfüllung des im Juni 2009 mit der IAO unterzeichneten Memorandum of Understanding unterstützte die Schweiz auch im Berichtsjahr von der IAO entwickelte Projekte der technischen Zusammenarbeit zur Verbesserung der Arbeits-

1439

bedingungen und Umsetzung der IAO-Kernübereinkommen auf Unternehmensebene (vgl. Ziff. 7.1.1.2).

Die Schweiz kandidiert für einen Sitz im Verwaltungsrat der IAO für den Zeitraum 2011­2014. Sie betrachtet die erneute Einsitznahme in diesem Gremium als Gelegenheit, sich noch stärker für ihre Anliegen einzusetzen. Im Zentrum des Engagements der Schweiz würden dabei insbesondere die Verbesserung der Kohärenz innerhalb der Organisation durch eine Stärkung des Normensystems und die Forderung nach mehr Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen stehen.

Innenpolitisch wurde die im Schwerpunktkapitel des letztjährigen Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik angekündigte Erarbeitung einer Strategie zum Engagement der Schweiz in der IAO in Angriff genommen. Ein erster Entwurf wurde im Oktober der tripartiten Kommission für IAO-Angelegenheiten unterbreitet. Die Diskussionen dazu werden 2011 weitergeführt.

2.6

G20

Nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G20 im November 2008 in Washington, leiteten die G20-Gipfel von London und Pittsburgh 2009 sowie von Toronto im Juni 2010 einen Wandel des strategischen Vorgehens ein, dies sowohl auf inhaltlicher Ebene als auch im Hinblick auf die Beziehung der G20 zu den internationalen Organisationen. Obschon Fragen der Finanzmarkt- und Bankenregulierung zentrale Themen der G20 bleiben, erweiterten die Staats- und Regierungschefs das Spektrum ihrer Aufgaben. Zu den Interessensgebieten zählen nun auch wirtschaftliche Fragen wie Energiesicherheit, Klimawandel, Arbeitsmarktpolitik, Entwicklungspolitik und Handel. Dies bewirkte eine Öffnung des Handlungsfeldes von wirtschaftlichen Kernfragen hin zu einem globaleren Ansatz, wirtschaftliche Probleme anzugehen. In der Deklaration des Gipfeltreffens von Pittsburgh, bezeichnet sich die G20 als «premier forum for our international economic cooperation».

2.6.1

Entwicklung der Arbeitsweise der G20

Betreffend der Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen stützt sich die G20 seit dem Gipfel von London auf Mandate, welche den internationalen Organisationen und anderen Gremien erteilt wurden, um die von der G20 benötigten Analysen zu erarbeiten. Die wichtigsten beauftragten Organisationen sind der IWF, das FSB, die Gruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Financial Action Task Force, FATF), die Weltbank, regionale Entwicklungsbanken (Afrika, Zentralamerika und Asien), die WTO, die OECD, das Globale Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen, die Internationale Energie-Agentur und die IAO13.

13

Die in den internationalen Finanzinstitutionen im Berichtsjahr unternommenen Arbeiten werden in Ziff. 6 dargestellt.

1440

Die koreanische Präsidentschaft der G20 zeigte Dialogbereitschaft mit den NichtG20-Ländern und informierte diese über die auf der Tagesordnungen der Treffen der Finanzminister und Zentralbankengouverneure sowie der Staats- und Regierungschefs traktandierten Themen. Die Resultate des Gipfeltreffens in Seoul sind durchzogen, da sich die Staats- und Regierungschefs der G20 nicht auf Lösungen zu den grossen aktuellen Problemen wie die Handelsungleichgewichte und Wechselkurse einigen konnten. Die koreanische Präsidentschaft ermöglichte hingegen beachtliche Fortschritte im Bereich der Finanzmarktregulierung: die Staats- und Regierungschefs bestätigten die neuen, vom Basler Komitee ausgearbeiteten Eigenkapital- und Liquiditätsregeln. Das Gipfeltreffen erlaubte die Genehmigung der Reform des IWF bezüglich des Exekutivrates, der Quotenregelung, sowie Regelungen zur Kreditvergabe (Einrichtung eines finanziellen Sicherheitsnetzes ­ financial safety nets).

Zudem akzeptierte die G20 den «Seoul Konsens», einen mehrjährigen Plan im Bereich der Entwicklung, der die Förderung eines ausgewogenen Wachstums zwischen Nord und Süd vorsieht. Ebenso hat sie einen Handlungsplan zur Korruptionsbekämpfung angenommen. Die Staats- und Regierungschefs der G20 streben zudem einen Abschluss der Doha-Runde im Jahr 2011 an (vgl. Ziff. 2.1.1). Am Rande des Gipfels hat sich der französische Präsident Sarkozy unter anderem zugunsten einer Teilnahme der Schweiz an Vorbereitungstreffen zu Finanzfragen ausgesprochen und somit die Bedeutung der Schweiz in diesem Bereich anerkannt.

Die Fortführung der Tendenz zu einer erweiterten Themenpalette zeichnet sich auch unter der französischen G20-Präsidentschaft im Jahr 2011 ab. Präsident Sarkozy wünscht, dass sich die G20 neben ihren traditionellen Themen (Finanzmarktregulierung, Koordination der makroökonomischen Politik, Korruptionsbekämpfung, Handels-, Entwicklungs-, Klima- und Arbeitspolitik) ebenfalls mit der Finanzmarktreform, der Volatilität der Rohstoffpreise und der internationalen Gouvernanz (Vorschlag zur Errichtung eines G20-Sekretariats und Förderung von Umwelt- und Sozialnormen in allen internationalen Organisationen) beschäftigt.

2.6.2

Die Schweiz und die G20

Die Schweiz ist nicht Mitglied der G20. Um in die Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden, bemüht sie sich um eine Annäherung an dieses Forum. Der Schweiz würde die Berücksichtigung ihrer Positionen in Orientierungen und Entscheidungen der G20 erlauben, ihre wirtschaftlichen und finanziellen Interessen in grundlegenden Bereichen wie der Bank- und Finanzmarktregulierung, der Steuerund Umweltpolitik, der Energiesicherheit, der Entwicklungszusammenarbeit, dem Welthandel und der Arbeits- und Bildungspolitik besser wahrzunehmen. Der Bundesrat hat im Februar einen von einer interdepartementalen Arbeitsgruppe (EVD, EFD und EDA) ausgearbeiteten Bericht über die Position der Schweiz angesichts des Transformationsprozesses der G20 entgegengenommen. Dieser Bericht empfiehlt, dass die Schweiz angesichts der Bedeutung ihres Finanzplatzes weiterhin eine Teilnahme als Vollmitglied der G20 anstrebt. Zudem soll sie eine aktive Positionierung zur Tagesordnung der G20 sowie eine Stärkung ihres diplomatischen Netzwerkes anstreben. Die Schweiz hat ein wachsames Auge über die Arbeiten der von der G20 beauftragten internationalen Organisationen und fordert die Einhaltung der Grundsätze der «guten Regierungsführung» (Transparenz in der Kommunikation und Information über die Auswirkung der zusätzlichen Arbeiten der internationalen Organisationen auf deren Budgets).

1441

Während des Berichtsjahres konzentrierten sich die Aktivitäten der Schweiz auf die stärkere Nutzung ihres diplomatischen Netzwerkes und die Kommunikation der Schweizer Positionen in Bezug auf die traktandierten Themen der G20-Gipfeltreffen von Toronto und Seoul. In diesem Zusammenhang knüpfte die Schweiz mit der koreanischen G20-Präsidentschaft im Berichtsjahr Kontakte und liess auf diese Weise ihre Sicht zu einigen am Gipfeltreffen in Seoul behandelten Themen einfliessen. Dieses Vorgehen findet auch im Rahmen der französischen Präsidentschaft Anwendung. Zu diesem Zweck fanden schon Begegnungen auf Ebene der technischen Ministerien sowie jener des französischen Staatspräsidenten statt. Die Schweiz ist zudem Mitglied der 3G, auch Global Governance Group genannt. Diese informelle Gruppe umfasst 27 Staaten. Ihr erklärtes Ziel ist, eine Brücke zwischen der UNO und der G20 zu schlagen. Singapur wurde als Vertreter der 3G aufgrund der Bedeutung seines Finanzplatzes an das Gipfeltreffen von Seoul eingeladen.

3

Europäische Wirtschaftsintegration EU/EFTA Wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklungen in der EU beeinflussten im Berichtsjahr auch die Beziehungen der Schweiz mit unserem bedeutendsten Wirtschaftspartner. Anlässlich seiner Klausur im August hat der Bundesrat den Beschluss gefasst, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU mit sektoriellen bilateralen Abkommen weiterzuführen. Die institutionellen Fragen, die sich aktuell im Rahmen der bilateralen Abkommen stellen, werden gemeinsam mit der EU geprüft, um Lösungen zu erarbeiten, welche die Anwendung dieser Abkommen erleichtern. Sie sollen sowohl die Souveränität beider Parteien respektieren als auch das reibungslose Funktionieren der Institutionen gewährleisten.

Die EFTA feierte im Berichtsjahr ihr 50-jähriges Jubiläum.

3.1

Entwicklungen in der EU

Die EU hat sich seit dem Abschluss der Bilateralen II im Jahr 2004 verändert. Die Erhöhung der Mitgliederzahl von 15 auf 27 sowie das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009 sind Faktoren, welche auch die Beziehungen der EU zur Schweiz beeinflussen. Im Berichtsjahr wurden die ersten Auswirkungen des geänderten EU-Vertragswerkes ersichtlich. Für die Schweiz führt dies unter anderem dazu, dass es immer schwieriger wird, Lösungen auszuhandeln, welche vom EU-Acquis abweichen. Die Verabschiedung eines Berichtes des Europäischen Parlaments, welcher die Hindernisse für die vollständige Umsetzung des Binnen-

1442

markts im Verhältnis der EU zu den EWR-Staaten sowie zur Schweiz überprüft, stellt eine der konkreten Auswirkungen dieser Entwicklung dar14.

Ausserdem haben Ereignisse im Berichtsjahr in Erinnerung gerufen, dass wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklungen in der EU Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zur EU haben. Im Frühjahr drohte der Währungsunion eine Krise, was unter anderem im schwindenden Aussenwert des Euro gegenüber zahlreichen Währungen wie dem Schweizerfranken zum Ausdruck kam.

Die EU reagierte mit einem beispiellosen und zunächst für drei Jahre gültigen Rettungsschirm für die gesamte Währungsunion sowie einem Rettungspaket zugunsten Griechenlands. Gleichzeitig schickte sie sich an, längerfristige Reformen anzugehen.

Die Krisensituation hatte aufgezeigt, dass es selbst nach gut zehn Jahren seit der Schaffung der Währungsunion noch nicht gelungen ist, die heterogenen Volkswirtschaften der Währungsunion mit ihren unterschiedlichen Wirtschafts- und Finanzpolitiken spannungsfrei zu vereinen.

Die EU beschäftigte sich im Berichtsjahr erneut mit der Verarbeitung der Folgen der globalen Finanzkrise. Teils unter Berücksichtigung von im Rahmen der G20 eingegangenen Verpflichtungen hat sie begonnen, bisher kaum oder nicht regulierte Bereiche der Finanzmärkte einer harmonisierten Regulierung zu unterstellen. Diese neuen Regelwerke bergen die Gefahr, dass neue Zutrittshürden zulasten von Finanzdienstleistern aus Drittstaaten wie der Schweiz entstehen.

3.2

Stand der Beziehungen Schweiz-EU

Die EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten bzw. der EWR-Raum (EU plus die drei EFTAStaaten Island, Liechtenstein, Norwegen) ist weiterhin der wichtigste Import- und Exportpartner der Schweiz. Im Jahr 2009 wickelte die Schweiz 78 % ihrer Warenimporte und 59,7 % ihrer Warenexporte mit dieser Region ab. Die EU- bzw. die EWR-Staaten nehmen auch als Partner im internationalen Dienstleistungsverkehr und bei den Direktinvestitionen eine dominierende Stellung ein.

Die Beziehungen der Schweiz mit dem EWR-Raum beruhen einerseits auf den bilateralen Abkommen mit der EU ­ namentlich dem FHA von 1972 (FHA 1972, SR 0.632.401), den sieben sektoriellen Abkommen («Bilaterale I»15) von 1999 und

14

15

Im Bericht wird der spezielle Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt mehrfach hervorgehoben. Thematisiert wird ausserdem die Bedeutung des bilateralen Personenfreizügigkeitsabkommens, von dem beide Seiten profitiert haben. Wiederholt erwähnt wird auch, dass die Schweiz aufgrund ihres politischen Systems Weiterentwicklungen des EU-Rechts nicht automatisch übernehmen kann. Der Bericht fordert deshalb die EU-Kommission und die Schweiz auf, Lösungen auszuarbeiten, welche die Anpassung an relevantes EU-Recht ebenso zulässt wie die zeitgerechte Umsetzung neuen Rechts in der EU und in der Schweiz. (Vgl. «Entschliessung des Europäischen Parlaments vom 7. September 2010 zu dem Thema EWR-Schweiz: Hindernisse für die vollständige Verwirklichung des Binnenmarktes (2009/2176(INI))», http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+TA+P7-TA-2010-0300+0+DOC+XML+V0//DE).

Abkommen über die Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681), Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68), Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81), Agrarabkommen (SR 0.916.026.81), Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68), Landverkehrsabkommen (SR 0.740.72), Forschungsabkommen (SR 0.420.513.1).

1443

den neun sektoriellen Abkommen («Bilaterale II»16) von 2004 ­ und andererseits auf dem EFTA-Übereinkommen (SR 0.632.31).

In seiner europapolitischen Klausur vom 18. August hat der Bundesrat den Beschluss gefasst, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU mit sektoriellen bilateralen Abkommen weiterzuführen. Am 17. September verabschiedete er zudem als Antwort auf das entsprechende Postulat von Nationalrätin Christa Markwalder vom 10. Juni 2009 einen Bericht zur Evaluation der Europapolitik17. Der Bericht evaluiert verschiedene Instrumente und Szenarien betreffend die Weiterführung der Europapolitik der Schweiz. Er bestätigt, dass der Bundesrat den bilateralen Weg derzeit als das geeignetste europapolitische Instrument erachtet.

Diese Option darf jedoch nicht um jeden Preis weitergeführt werden und muss gewissen minimalen Anforderungen genügen. Die Beibehaltung der Souveränität beider Parteien und das reibungslose Funktionieren der Verträge sind von besonderer Bedeutung. In diesem Sinne ist eine automatische Übernahme des EU-Acquis und seiner Weiterentwicklung auszuschliessen. Die Schweiz ist jedoch bereit, über neue institutionelle Mechanismen zu diskutieren. Diese sollen die Umsetzung sowie die Weiterentwicklung der Abkommen vereinfachen (vgl. Ziff. 3.2.3). Dabei sind die Interessen beider Parteien mit einzubeziehen. Dies trifft besonders auf die Rahmenbedingungen des gegenseitigen Marktzugangs zu. Die Schweiz zeigt sich zudem solidarisch mit Blick auf die Herausforderungen, welche sich den europäischen Partnern stellen. Diese Solidarität wird im Rahmen des Erweiterungsbeitrags (vgl.

Ziff. 3.2.5) sowie der Beteiligung der Schweiz an verschiedenen Friedensmissionen ersichtlich.

Der Bundesrat wird auch in Zukunft die europapolitischen Instrumente einer permanenten Überprüfung unterziehen, um in der Lage zu sein, sie wenn nötig anzupassen.

3.2.1

Umsetzung und Anpassung der bestehenden Abkommen

Handelsfragen Am 56. Treffen des Gemischten Ausschusses zum FHA von 1972 vom 6. Dezember hat der Ausschuss verschiedene Fragen im Bereich des Warenhandels Schweiz-EU diskutiert. Die Schweiz kritisierte verschiedene neue Massnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die den Handel beeinträchtigen (u.a. EU-Gesetzesprojekt für eine Pflicht zur Ursprungskennzeichnung für in die EU eingeführte Textilien und andere Waren, Vorschriften Italiens über Zertifikate für metallische Halbfabrikate). Die EU ihrerseits hat unter anderem ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass das Schweizer Gesetzesprojekt «Swissness» den Warenhandel beeinträchtigen könnte. Daneben hat der Gemischte Ausschuss weitere Themen diskutiert, wie beispielsweise die angestrebten Verhandlungen in den Bereichen Wettbewerbskooperation und Chemi16

17

Abkommen über die Assoziierung an Schengen/Dublin (SR 0.362.31), Zinsbesteuerungsabkommen (SR 0.641.926.81), Betrugsbekämpfungsabkommen (SR 0.351.926.81), Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.23), Umweltabkommen (SR 0.814.092.681), Statistikabkommen (SR 0.431.026.81), Abkommen über die Beteiligung am Programm MEDIA 2007 (SR 0.784.405.226.8), Bildungsabkommen (SR 0.402.268.1), Abkommen über die Ruhegehälter (SR 0.672.926.81).

Bericht des Bundesrates über die Evaluation der schweizerischen Europapolitik, vom 17. September 2010, BBl 2010 7239.

1444

kaliensicherheit. Beide Seiten stellten fest, dass das Abkommen insgesamt gut funktioniert.

Im Juli wurde das Abkommen zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geografischen Angaben (GGA) für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel paraphiert, womit ein weiteres bilaterales Dossier erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Das Abkommen wird als neuer Anhang 12 in das Agrarabkommen Schweiz-EU von 1999 (SR 0.916.026.81) integriert und stellt nach seinem Inkrafttreten sicher, dass der rechtliche Schutz von GUB und GGA der Schweiz und der EU auf dem Gebiet der jeweils anderen Partei mit dem internen Schutz identisch ist. Für Bezeichnungen, die bisher sowohl von der Schweiz als auch von der EU verwendet werden, konnten die Parteien Koexistenz-Lösungen bzw. Übergangsfristen vereinbaren, die den Betroffenen erlauben, sich angemessen auf die neue Situation einzustellen. Beide Seiten haben im Herbst das interne Genehmigungsverfahren eingeleitet.

Der Gemischte Ausschuss des Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen tagte am 7. Juni in Bern. Dabei wurde über die Revision des WTO-Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen, die Revision der schweizerischen Gesetzgebung sowie die Weiterentwicklung des relevanten EU-Rechts diskutiert. Zudem behandelte der Gemischte Ausschuss ein italienisches Dekret, gemäss dessen Bieter aus der Schweiz eine vorgängige Bewilligung beim Ministerium für Wirtschaft und Finanzen beantragen müssen, um an einer öffentlichen Ausschreibung in Italien teilzunehmen.

Am 9. November tagte auch der Gemischte Ausschuss zum Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit, das am 18. Juni vom Parlament genehmigt worden war. Er diskutierte die Details der neuen Verfahren der Zollsicherheit, die ab dem 1. Januar 2011 für den Handel mit Nicht-EU-Staaten gelten. Beide Seiten waren sich einig, dass die Umsetzung des Abkommens möglichst wenig neue Hindernisse für ihren Handel untereinander und mit Drittländern schaffen soll.

Der Gemischte Agrarausschuss tagte am 10. November in Brüssel. Beide Parteien zeigten sich mit der Anwendung des Abkommens zufrieden. Sie waren sich einig, dass dieses ein wirksames Instrument darstellt, um den bilateralen Agrarhandel zu fördern und insbesondere technische Handelshemmnisse kontinuierlich abzubauen.

Zumal das Agrarabkommen auf einzelne
Bereiche beschränkt ist, kann dieser Prozess jedoch den geplanten vollständigen Abbau der nicht-tarifären Handelshemmnisse im Rahmen der laufenden Verhandlungen im Agrar-, Lebensmittelsicherheits-, Produktesicherheits- und Gesundheitsbereich (vgl. Ziff. 3.2.2) nicht ersetzen.

Weitere Dossiers Am 16. Juni fand das neunte Treffen des Gemischten Ausschusses des Freizügigkeitsabkommens (FZA) in Brüssel statt. Die Schweiz und die EU waren sich einig, dass das FZA zum Wohl der Bürger und der Wirtschaft beider Seiten grundsätzlich gut funktioniert. Das Treffen hat jedoch gezeigt, dass die EU gewisse Bereiche der Anwendung der Bestimmungen zur grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung sowie die Frage der Anpassung des Abkommens an die Rechtsentwicklung kritisch beurteilt. Die Zuwanderung aus den EU-15-Staaten sowie Malta und Zypern in die Schweiz erfolgt nachfrageorientiert und entwickelt sich im Verhältnis zum

1445

Konjunkturverlauf. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Nachfrage nach Aufenthaltsbewilligungen (B) um 20 % zurückgegangen18.

Der Abschluss eines Abkommens zur offiziellen Teilnahme der Schweiz an den EU Bildungs-, Berufsbildungs- und Jugendprogrammen steht seit den Bilateralen I auf dem europapolitischen «Wunschkatalog» der Schweiz. Mit einem Abkommen soll eine direkte und integrale schweizerische Teilnahme an den genannten Programmen verwirklicht werden. Das Bildungsabkommen wurde am 15. Februar in Brüssel unterzeichnet. Es sieht eine Teilnahme der Schweiz an den Programmen ab 2011 vor.

Weitere Ereignisse in Bezug auf bilaterale Abkommen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Abkommen

Ereignisse im Berichtsjahr

Protokoll Nr. 2 zum FHA (Handel mit landwirtsch.

Verarbeitungsprodukten) (SR 0.632.401.2)

Mit Beschluss 1/2010 des Gemischten Ausschusses (GA) zum FHA Schweiz-EG wurden die Referenzpreise für die dem Preisausgleichsmechanismus gemäss Protokoll Nr. 2 unterstehenden Produkte per 1. Februar 2010 angepasst.

Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68)

Genehmigung des Beschlusses 1/2010 (GA vom 7. April ) und des Beschlusses 2/2010 (GA vom 26. November ) zur Änderung des Anhangs des Abkommens.

Landverkehr (SR 0.740.72)

Genehmigung des Beschlusses 1/2010 zur Änderung des Anhangs 1 des Abkommens.

Statistik (SR 0.431.026.81)

Genehmigung des Beschlusses 1/2010 zur Annahme des Statistischen Jahresprogramms 2010 (schriftliches Verfahren) und der Beschlüsse 2/2010 und 3/2010 zur Änderung der Anhänge A und B des Abkommens (GA vom 1. Oktober ).

Zinsbesteuerung (SR 0.641.926.81)

Der Nettoertrag des Steuerrückbehalts auf Zinserträgen von EU-Steuerpflichtigen in der Schweiz im Steuerjahr 2009 betrug 401 Mio. CHF, die Zahl der freiwilligen Meldungen 32 942.

18

Die Kontingentsregelungen für die 15 «alten» EU-Staaten sowie für Malta und Zypern wurden am 1. Juni 2007 aufgehoben. Für die acht 2004 beigetretenen osteuropäischen Staaten wurde die Möglichkeit von Zuwanderungsbeschränkungen bis spätestens am 30. April 2011 festgelegt, für Bulgarien und Rumänien bis am 31. Mai 2016. Nach Aufhebung der Beschränkungen und bis spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten gilt für diese beiden Staaten eine spezielle Schutzklausel.

1446

Abkommen

Ereignisse im Berichtsjahr

Schengen (SR 0.362.31)

Inkrafttreten des Frontex-Zusatzabkommens am 1. August.

Dublin (SR 0.142.392.68)

Einführung der biometrische Daten im Ausländerausweis: Genehmigung in der Sommersession.

Rückführungsrichtlinie: Genehmigung in der Sommersession.

MEDIA (SR 0.784.405.226)

Inkrafttreten am 1. August.

Gegenseitige Anerkennung Mit Beschluss 1/2010 hat der Gemischte Ausschuss von Konformitätsbewertungen per 18. Oktober die Aufnahme eines Kapitels über (SR 0.946.526.81) Biozid-Produkte sowie die Aktualisierung des Motorfahrzeugkapitels beschlossen (vgl. Ziff. 5.2).

Landwirtschaft (SR 0.916.026.81)

Inkrafttreten des Beschlusses 2/2008 über die Anpassung der Anhänge 1 und 2 am 1. Januar.

Inkrafttreten des Beschlusses 1/2009 über die Änderung des Anhangs 7 am 1. August. Ausdehnung der geschützten Ursprungsbezeichnung auf Wein aus Trauben der grenznahen Gebiete.

Unterzeichnung der Beschlüsse 1/2010 und 2/2010 über die Aktualisierung der Anhänge 4 (Pflanzenschutz) und 6 (Saatgut) am 13. Dezember.

3.2.2

Aktuelle Verhandlungsdossiers und Sondierungen

Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktesicherheit und öffentliche Gesundheit Die Verhandlungen wurden am 4. November 2008 eröffnet. Bisher fanden drei umfassende und hinsichtlich des Marktzutritts im Agrar- und Lebensmittelbereich, fünf weitere Verhandlungsrunden statt. Mit einem Abkommen sollen die Märkte für Landwirtschaftsprodukte und Lebensmittel geöffnet werden. Es würde sowohl tarifäre (Zölle, Zollkontingente, Exportsubventionen) als auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse abbauen und ginge folglich über eine reine Weiterentwicklung der bestehenden bilateralen Verträge im Agrarbereich hinaus. Ein solches Abkommen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Land- und Ernährungswirtschaft und bietet ihr eine Langzeitperspektive. Der Grenzschutz der Schweiz ist bereits heute unter grossem Druck (vgl. Ziff. 2.1); mit einer Aufrechterhaltung der Abschottung würde die Schweiz potenzielle Marktanteile verlieren und eine spätere Marktöffnung würde umso schwieriger. In den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Produktesicherheit und öffentliche Gesundheit umfasst das angestrebte Abkommen die Schweizer

1447

Teilnahme an zwei Agenturen19, drei Früh- und Schnellwarnsystemen20 und am EU Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit. Die Verhandlungen basieren grundsätzlich in allen Bereichen auf dem relevanten EU-Rechtsbestand. Es wird jedoch festzulegen sein, in welchem Umfang dieses Recht berücksichtigt werden muss, um die Ziele des geplanten Abkommens zu verwirklichen. Während im Bereich des Marktzutritts schon gute Resultate erreicht wurden, kommen die Verhandlungen insgesamt langsamer voran als geplant. Es gibt unter anderem offene Fragen betreffend die institutionelle Ausgestaltung der künftigen Abkommen. Die laufenden informellen Gespräche mit der EU (vgl. Ziff. 3.2.3) sollen dazu dienen, diese Fragen zu klären.

Strom Die Stromverhandlungen mit der EU laufen seit Ende 2007. Die Schweiz beabsichtigt, mit einem Abkommen ihre bedeutende Rolle im grenzüberschreitenden Stromhandel in Europa abzusichern. Dazu gehören unter anderem die Ausgestaltung der Engpassverfahren an den Grenzen sowie die Entschädigungsregelung für Transitdienstleistungen. Mitte 2009 hat die EU ein drittes Liberalisierungspaket für den Energiebinnenmarkt verabschiedet, das neu als Verhandlungsgrundlage dienen soll.

Ausserdem möchte sie die Verhandlungen auf die neue Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen ausweiten, welche Bestandteil des Klima- und Energiepakets der EU ist. Dies erforderte eine Anpassung des Schweizer Verhandlungsmandats, das vom Bundesrat am 12. Mai verabschiedet und nach den Stellungnahmen der beiden APK und der Kantone am 17. September bestätigt wurde. Auf dieser Grundlage sollen die Verhandlungen nun rasch weitergeführt werden.

Satellitennavigation (Galileo und EGNOS) Mit Galileo wollen die EU und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) ein ziviles Satellitennavigationssystem neuster Generation schaffen. Dieses soll der faktischen Abhängigkeit europäischer Benutzer von dem durch das US-Militär kontrollierten GPS und anderen Systemen ein Ende setzen und die Verfügbarkeit der Daten sowohl in Friedens- als auch in Krisenzeiten sicherstellen. EGNOS ist ein regionales Satellitennavigationssystem, das Signale von globalen Satellitenkonstellationen hinsichtlich ihrer Genauigkeit und Zuverlässigkeit verbessert. Mit einem Abkommen soll die kontinuierliche und umfassende
Teilnahme der Schweiz an den genannten Programmen sichergestellt werden. Die EU verabschiedete am 29. Juni ein entsprechendes Verhandlungsmandat.

REACH Die exploratorischen Gespräche über eine Zusammenarbeit mit der EU im Bereich der Chemikaliensicherheit (REACH21) wurden abgeschlossen und dem Bundesrat Bericht erstattet. Am 18. August verabschiedete der Bundesrat ein Verhandlungsmandat, um ein Abkommen in diesem Bereich auszuhandeln. REACH bezweckt die Verwendung von chemischen Produkten für Arbeitnehmer, Konsumenten und die 19 20 21

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und Europäisches Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF), Rapid Alert System for non-food consumer products (RAPEX) und Early Warning and Response System (EWRS).

Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals.

1448

Umwelt sicherer zu gestalten. Auf Grund der Einführung dieses Systems in der EU und wegen der starken Verbindung der schweizerischen Chemieindustrie mit den europäischen Produktionsketten könnte die Schweiz bedeutenden Marktzugangshemmnissen gegenüberstehen. Der grenzüberschreitende Verkehr von chemischen Produkten ist für die Schweiz wie auch für die EU von grosser Bedeutung. Mit einem Anteil von 4 % am BIP und über 66 000 Beschäftigten ist die chemischpharmazeutische Industrie die zweitwichtigste Industrie der Schweiz. Rund 60 % der Gesamtexporte und mehr als 80 % der Importe chemischer Produkte gehen in die EU bzw. stammen von dort.

Ziel der Verhandlungen ist es, sowohl eine reibungsfreie Weiterführung der engen Geschäftsbeziehungen zwischen EU- und Schweizer Firmen sicherzustellen, als auch ein hohes Schutzniveau für Mensch und Umwelt im Umgang mit Chemikalien zu gewährleisten. Die Verhandlungen sollen nach Verabschiedung eines Mandats der EU baldmöglichst aufgenommen werden.

Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden Am 18. August verabschiedete der Bundesrat ein Verhandlungsmandat für ein Kooperationsabkommen mit der EU im Bereich Wettbewerb, welches auch den Austausch von vertraulichen Informationen zwischen den schweizerischen und europäischen Wettbewerbsbehörden ermöglichen soll (vgl. Ziff. 5.6). Damit soll ein wirksamer Beitrag zur Durchsetzung der Wettbewerbsbestimmungen beider Seiten bei grenzüberschreitenden wettbewerbsrechtlichen Verfahren geleistet werden.

Erleichtert wird eine engere Zusammenarbeit durch die Tatsache, dass die Gesetzgebungen beider Parteien weitgehend übereinstimmen.

Emissionhandel (ETS) Auf der Basis von exploratorischen Gesprächen, welche die Machbarkeit einer Vernetzung der Emissionrechtssysteme der Schweiz und der EU aufzeigten, hat der Bundesrat am 16. Dezember 2009 ein entsprechendes Verhandlungsmandat verabschiedet. Die exploratorischen Diskussionen wurden im Berichtsjahr parallel zur Vorbereitung des Verhandlungsmandates der EU fortgeführt. Ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Emissionsrechte wäre im Interesse beider Seiten.

Es würde insbesondere Schweizer Unternehmen, welche in das ETS einbezogen sind und am Handel mit Emissionsrechten teilnehmen, den Zugang zum grösseren und liquideren CO2-Emissionsmarkt ermöglichen und Wettbewerbsnachteile
verhindern.

Die Schweiz ist bereit, die Verhandlungen innert kürzester Frist aufzunehmen.

Zusammenarbeit mit der europäischen Verteidigungsagentur (EVA) Eine projektbezogene Teilnahme der Schweiz an Forschungs- und Entwicklungsprogrammen der EVA würde eine frühzeitige Information über die Fortschritte im Rüstungsbereich und eine Stärkung der Position der Schweiz als Forschungs- und Technologiestandort ermöglichen. Zudem wäre diese Zusammenarbeit eine Chance für die schweizerische Rüstungsindustrie, welche qualitativ hochstehende Produkte herstellt. Nach der Verabschiedung der Verhandlungsmandate auf Seiten der Schweiz am 16. Dezember 2009 und der EVA am 14. Oktober 2010 konnten am 16. November bereits im Rahmen der ersten Verhandlungsrunde eine Administrative Vereinbarung und eine grundsätzliche Projektvereinbarung paraphiert werden.

1449

3.2.3

Institutionelle Fragen

Die institutionellen Fragen, die sich im Rahmen der bilateralen Abkommen und Verhandlungen stellen, wurden von einer gemeinsamen informellen Arbeitsgruppe mit der EU geprüft, um Lösungen zu erarbeiten, welche die Souveränität beider Parteien respektieren und das reibungslose Funktionieren ihrer Institutionen gewährleisten22. Dabei ging es insbesondere um Fragen zur Weiterentwicklung der Abkommen, ihrer Auslegung, der Überwachung ihrer Anwendung und zum Streitbeilegungsverfahren. Der Bundesrat nahm im Rahmen einer Aussprache über die schweizerische Europapolitik im Dezember einen Zwischenbericht der Schweizer Delegation in der Arbeitsgruppe zur Kenntnis.

3.2.4

Steuerfragen

Zinsbesteuerungsabkommen Die seit Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 2005 gemachten Erfahrungen zeigen, dass die mit der EU vereinbarte Zinsbesteuerung bisher gut funktioniert hat. Im Verlauf des Jahres 2009 haben an die 33 000 EU-Bürger entschieden, ihre Bankbeziehung in der Schweiz ihren jeweiligen Behörden freiwillig mitzuteilen. Im gleichen Jahr belief sich der an die EU-Mitgliedstaaten überwiesene Nettoertrag des in der Schweiz auf den Zinserträgen von EU-Steuerpflichtigen erhobenen Steuerrückbehalts auf 401 Millionen Schweizerfranken. Die Umsetzung des Systems der Zinsbesteuerung in der EU hat jedoch einige Lücken aufgezeigt. Die Schweiz ist bereit, technische Anpassungen des Abkommens vorzunehmen, sobald die EU ihre eigene Zinsbesteuerungsrichtlinie revidiert hat. Dabei soll die Koexistenz zwischen der Quellenbesteuerung von Sparerträgen ­ so wie sie in der Schweiz praktiziert wird ­ und dem in der EU eingeführten automatischen Informationsaustausch nicht in Frage gestellt werden.

Betrugsbekämpfungsabkommen Das Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU zur Bekämpfung von Betrug bei indirekten Steuern und Subventionen sowie beim öffentlichen Beschaffungswesen ist immer noch nicht in Kraft getreten. Bis heute haben 25 der 27 Mitgliedstaaten sowie die EU das Abkommen ratifiziert. Die Schweiz hat erklärt, das Abkommen mit Wirkung vom 8. April 2009 mit denjenigen Mitgliedstaaten vorzeitig anzuwenden, die ebenfalls eine entsprechende Erklärung abgeben. Bisher wenden zehn Mitgliedsstaaten sowie die EU das Abkommen vorzeitig an. Eine homogene Umsetzung des Abkommens kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn sämtliche Parteien ratifiziert haben.

Die EU-Kommission beabsichtigt, das Betrugsbekämpfungsabkommen entweder zu revidieren oder durch ein separates Amtshilfeabkommen mit der Schweiz zu ergänzen, um die Zusammenarbeit bei Fiskaldelikten auf der Grundlage des einschlägigen OECD-Standards auf den Bereich der direkten Steuern auszuweiten. Ein entsprechendes Verhandlungsmandat der EU ist im Rat zurzeit noch nicht konsensfähig.

Unabhängig von der EU-internen Diskussion hat die Schweiz eine Verankerung des 22

Bericht des Bundesrates über die Evaluation der schweizerischen Europapolitik, vom 17. September 2010, BBl 2010 7239.

1450

OECD-Standards bereits mittels Revision der DBA mit einer grossen Anzahl Mitgliedsstaaten erfolgreich vereinbart (vgl. Ziff. 6.4).

Kantonale Unternehmensbesteuerung / Code of Conduct Im Jahr 2007 hatte die EU-Kommission der Schweiz mitgeteilt, dass sie bestimmte Aspekte der kantonalen Unternehmensbesteuerung, die auf Bundesebene im Steuerharmonisierungsgesetz festgelegt sind, als unzulässige staatliche Beihilfen betrachtet, die geeignet seien, den Wettbewerb zu verfälschen und unter Verletzung des FHA von 1972 den Warenhandel zwischen der Schweiz und der EU zu beeinträchtigen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass diese Vorwürfe nicht zutreffen. Er hat deshalb die von der EU im gleichen Jahr gewünschten Verhandlungen über die von der EU aufgeworfenen Fragen abgelehnt. Stattdessen wurden im Rahmen eines informellen Dialogs die gegenseitigen Standpunkte ausgetauscht und offene Punkte vertieft.

Im Juni ersuchte die EU, einen Dialog über den sogenannten Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung zu führen. Dabei handelt es sich um ein EU-internes Instrument, das auf der Grundlage von gegenseitigen politischen Verpflichtungen Praktiken der Besteuerung von Unternehmen einer gemeinsamen Prüfung unterzieht, die darauf abzielt, einen aus der Sicht der EU «schädlichen Steuerwettbewerb» unter den Mitgliedstaaten zu unterbinden. Der Bundesrat hat vorerst beschlossen, in einer Exploration die möglichen Voraussetzungen für eine eventuelle Dialogaufnahme zu prüfen.

3.2.5

Beitrag an die erweiterte EU

Die Umsetzung des Beitrags der Schweiz in der Höhe von einer Milliarde Schweizerfranken an die zehn Staaten, welche der EU 2004 beigetreten sind (EU-10) wurde 2008 aufgenommen und im Berichtsjahr weiter intensiviert. Sie verläuft plangemäss, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Mittel wie vorgesehen bis Mitte 2012 verpflichtet werden können. Auch die neusten Mitgliedstaaten der EU, Bulgarien und Rumänien, werden mit einem angemessenen Beitrag der Schweiz unterstützt. Das Parlament hat die Eröffnung eines entsprechenden Rahmenkredits über 257 Millionen Schweizerfranken am 7. Dezember 2009 genehmigt. Am 7. September wurden die bilateralen Rahmenabkommen mit diesen beiden Ländern unterzeichnet. Deren Umsetzung ist unmittelbar an die Hand genommen worden (vgl.

Ziff. 7.1.3).

Die zur Verfügung gestellten Mittel dienen zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten innerhalb der erweiterten EU. Die erfolgreiche Eingliederung der neuen Mitgliedstaaten in die EU liegt auch im Interesse der Schweiz.

Eine Beteiligung seitens der Schweiz fördert die guten Beziehungen mit der EU und die erfolgreiche Interessenwahrung der Schweiz bei der Weiterführung des bilateralen Weges.

1451

3.3

Europäische Freihandelsassoziation (EFTA)

Im Berichtsjahr wurde das 50-jährige Bestehen der EFTA (mit Seminaren und anderen Aktivitäten in den EFTA-Staaten wie auch in deren Partnerstaaten gefeiert.

Der Handel der Schweiz mit den drei anderen Mitgliedern der EFTA (Island, Liechtenstein und Norwegen) macht ungefähr 0,3 % des gesamten Aussenhandels der Schweiz aus. Die EFTA-Konvention (SR 0.632.31) wurde durch das Abkommen von Vaduz am 21. Juni 2001 total revidiert und wird laufend an die bilateralen Abkommen Schweiz-EU angepasst. Im Berichtsjahr hat sich der EFTA-Rat zweimal auf Ministerebene getroffen (am 24./25. Juni in Reykjavik und am 23. November in Genf). Die Aktivitäten der EFTA im Rahmen der Beziehungen mit Drittstaaten ausserhalb der EU werden in Ziffer 4 beschrieben.

Island hat sein EU-Beitrittsgesuch im Juli 2009 eingereicht und die formellen Verhandlungen am 27. Juli 2010 aufgenommen. Deren Resultat wird höchstwahrscheinlich dem Referendum unterstellt werden. Falls die EFTA ein Mitglied verlieren würde, müssten die Auswirkungen dieser Änderung analysiert und zwischen den verbleibenden Mitgliedsstaaten diskutiert werden.

4

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb von EU und EFTA Im Berichtsjahr wurden EFTA-FHA mit der Ukraine und Peru unterzeichnet und Abkommen mit Serbien und Albanien sind in Kraft getreten. Die gemeinsame Machbarkeitsstudie über ein bilaterales FHA Schweiz­China wurde abgeschlossen und die Aufnahme von Verhandlungen ist für Anfang 2011 vorgesehen. Das Mandat für Verhandlungen über ein FHA EFTA­Russland wurde auf die Mitglieder der neuen Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan erweitert, und die Verhandlungsaufnahme ist für Anfang 2011 geplant. Die EFTA-Staaten haben die Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen mit Indien fortgeführt, jene mit Hong Kong-China sind in einem fortgeschrittenen Stadium. Anlässlich des Besuchs der Bundespräsidentin in Jakarta wurden die Verhandlungen über ein umfassendes Freihandels- und wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien offiziell lanciert. Auch 2011 wird die Schweiz ­ parallel zu ihren Anstrengungen auf multilateraler Ebene, namentlich im Rahmen der WTO ­ die Ausdehnung und Vertiefung ihres Netzes von FHA weiterführen. Dabei verfolgt der Bundesrat eine Politik der Kohärenz mit den nachhaltigkeitsorientierten aussenpolitischen Zielen.

Der Ausbau des Netzes von FHA bleibt ­ neben der WTO-Mitgliedschaft und der aktiven Teilnahme an der Doha-Runde sowie den bilateralen Verträgen mit der EU ­ eine der drei Säulen der Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz für die Verbesserung des Zugangs zu den Weltmärkten und der Rahmenbedingungen für die internationale Wirtschaftstätigkeit.

1452

FHA sollen insbesondere mit Ländern ausgehandelt werden, deren Wachstumspotenzial überdurchschnittlich ist, die dank der Grösse ihres Marktes besonders interessante Absatzaussichten eröffnen oder auf deren Märkten der Schweizer Wirtschaft auf Grund von präferenziellen Zutrittsbedingungen ihrer Konkurrenten aus andern Ländern eine Benachteiligung droht. Derzeit stehen wichtige Handelspartner in Asien (u.a. China, Indien, Hong Kong-China, und Indonesien) sowie Russland (in Zollunion mit Belarus und Kasachstan) im Vordergrund.

Der Bundesrat verfolgt eine kohärente, nachhaltigkeitsorientierte Aussenpolitik.

Dabei bedeutet Kohärenz, dass die Schweiz die verschiedenen aussenpolitischen Instrumente sich gegenseitig ergänzend und unterstützend einsetzt. Ebenso wie die Stärkung des Standorts Schweiz und die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und in den Partnerländern stellen die Menschenrechte, die Arbeits- und Umweltstandards grundlegende, sich ergänzende Ziele der bundesrätlichen Politik dar23.

Bezüglich der verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit (wirtschaftliche Entwicklung, Umweltschutz, sozialer Zusammenhalt) ist es wichtig, die entsprechenden Ziele durch die jeweils wirkungsvollsten Instrumente zu verfolgen. Auf multilateraler Ebene sind dies bezüglich des Handelsregelwerks insbesondere die WTO, Freihandels- und andere Wirtschaftsabkommen, im Umweltbereich z.B. der Kyoto-Prozess und weitere internationale Initiativen und Abkommen, bezüglich Sozial- und Arbeitsstandards die IAO und ihre Konventionen sowie für die Menschenrechte die UNO (Menschenrechtsrat, UNO-Menschenrechtspakte I und II sowie die universelle Erklärung der Menschenrechte). In all diesen Bereichen fördert die Schweiz die Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten sowie Massnahmen der Privatwirtschaft (verantwortungsvolles Unternehmensverhalten, corporate social responsibility). Auch wenn die verschiedenen Abkommen und Massnahmen im Interesse der höchstmöglichen Effektivität je spezifischen Aufgaben gewidmet sind und sich nicht alle mit allem befassen, dürfen sie nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind in ihrer Gesamtwirkung zu würdigen. Dies entspricht dem Anliegen der mutual supportiveness (gegenseitige Unterstützung), welches auch das Leitprinzip der WTO-Verhandlungen zum Thema Handel und Umwelt darstellt.

Wie die
anderen Instrumente der Aussenwirtschaftspolitik sind die FHA primär auf wirtschaftliche Kriterien ausgerichtet, tragen aber auch der ökologischen Verantwortung und der gesellschaftlichen Solidarität Rechnung. Konkretisiert wird dies beispielsweise, indem die FHA der Schweiz Bestimmungen enthalten, welche sicherstellen, dass diese andere internationale Übereinkommen, u.a. im Umwelt-, Sozial- oder Menschenrechtsbereich, nicht in Frage stellen. Weitere Bestimmungen (die sich auch in den WTO-Abkommen finden) behalten es den Vertragsstaaten vor, Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen sowie zur Bewahrung natürlicher Ressourcen zu treffen ­ wenn nötig selbst in Abweichung von den übrigen Abkommensbestimmungen. Überdies haben Arbeitsgruppen der EFTA zu «Handel und Umwelt» und «Handel und Arbeitsnormen» neue Musterbestimmungen erarbeitet, die im Rahmen von Verhandlungen über EFTA-FHA eingebracht werden sollen. Diese Bestimmungen haben zum Ziel, die Kohärenz zwischen den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit im Verhältnis zu den Freihandelspartnern der EFTA zu verstärken. Die Schweiz wird sich in Verhandlungen mit zukünftigen Freihandelspartnern sowohl im Rahmen der EFTA 23

Vgl. das Schwerpunktkapitel im Aussenwirtschaftspolitikbericht 2009.

1453

als auch auf bilateraler Ebene unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Gegebenheiten für die neuen Bestimmungen einsetzen.

Die FHA der Schweiz tragen auch grundsätzlich zu den Nachhaltigkeitszielen bei.

FHA fördern das Wirtschaftswachstum, den Wohlstand und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Sie binden ausserdem die Freihandelspartner verstärkt in das internationale Rechtssystem und die internationale Wirtschaftszusammenarbeit ein.

Zudem werden im Rahmen der FHA gemischte Ausschüsse und Konsultationsmechanismen eingerichtet, in denen auch Fragen betreffend Umwelt- und Arbeitsstandards aufgeworfen werden können. Der Bundesrat zieht in den Aussenbeziehungen eine Politik des konstruktiven Dialogs und der Überzeugungsarbeit einer Politik der Machtmittel und des Zwangs vor.

Es gibt aber wichtige Grenzen dessen, was man in FHA oder in der WTO erreichen kann. Bezüglich der Frage, ob Umwelt-, Menschenrechts- und Arbeitsstandards überhaupt handelsrelevant sind, besteht bisher kein internationaler Konsens, und für den Einbezug von Nachhaltigkeitsaspekten in Handelsabkommen gibt es keine allgemein anerkannten Modelle oder Standards. Die Schweiz kann nur sich selbst, gemäss internationalem Recht nicht aber anderen Ländern vorschreiben, wie sie ihre Umwelt-, Sozial-, Landwirtschafts- oder Energiepolitik usw. gestalten sollen. Insbesondere kann sie nicht über Handelsabkommen oder durch Importverbote bzw. das Errichten von Handelsbarrieren andere Länder dazu verpflichten, so zu produzieren, wie es die schweizerische Gesetzgebung vorsieht. Der Versuch, dies zu tun, würde unsere potentiellen Freihandelspartner davon abschrecken, mit der Schweiz Verhandlungen überhaupt aufzunehmen, den Abschluss von FHA möglicherweise verunmöglichen und zudem die WTO-Verpflichtungen der Schweiz verletzen.

Schliesslich müsste die Schweizer Wirtschaft erhebliche Diskriminierungen gewärtigen.

Tabelle Übersicht Freihandelsabkommen der Schweiz mit Partnern ausserhalb der EU und letzte Treffen der Gemischten Ausschüsse24 Gebiet

Stand Ende 2010

Europa Färöer-Inseln (SR 0.632.313.141)

In Kraft seit 1. März 1995; bilateral CH-Färöer

Mazedonien (SR 0.632.315.201.1)

In Kraft seit 1. Mai 2002

Kroatien (SR 0.632.312.911)

In Kraft seit 1. September 2002

24

2. Treffen des Gemischten Ausschusses (GA) EFTA-Mazedonien am 28. November 2008 in Genf

3. Treffen des GA EFTA-Kroatien am 4. Juni 2009 in Zagreb

Wo nicht anders vermerkt handelt es sich um Abkommen im Rahmen der EFTA.

1454

Gebiet

Stand Ende 2010

Serbien (SR 0.632.316.821)

In Kraft seit 1. Oktober 2010

Albanien (SR 0.632.311.231)

In Kraft seit 1. November 2010

Ukraine

Unterzeichnet am 24. Juni 2010

Mittelmeerraum Türkei (SR 0.632.317.631)

In Kraft seit 1. April 1992

Israel (SR 0.632.314.491)

In Kraft seit 1. Juli 1993

9. Treffen des GA EFTA-Türkei am 3. Dezember 2009 in Genf

7. Treffen des GA EFTA-Israel am 12. Juni 2008 in Crans-Montana

PLO/Palästinensische Behörde In Kraft seit 1. Juli 1999 (SR 0.632.316.251) 3. Treffen des GA EFTA-PLO/Palästinensische Behörde am 15. September 2010 in Genf Marokko (SR 0.632.315.491)

In Kraft seit 1. Dezember 1999

Jordanien (SR 0.632.314.671)

In Kraft seit 1. September 2002

Tunesien (SR 0.632.317.581)

Angewendet seit 1. Juni 2005; in Kraft seit 1. Juni 2006

5. Treffen des GA EFTA-Marokko am 5. Oktober 2010 in Rabat

2. Treffen des GA EFTA-Jordanien am 18. Dezember 2007 in Genf

1. Treffen des GA EFTA-Tunesien am 28. Februar 2007 in Tunis Libanon (SR 0.632.314.891)

In Kraft seit 1. Januar 2007

Ägypten (SR 0.632.313.211)

Angewendet seit 1. August 2007; in Kraft seit 1. September 2008.

1. Treffen des GA EFTA-Libanon am 8. Oktober 2009 in Beirut

1. Treffen des GA EFTA-Ägypten am 4. November 2008 in Genf

1455

Gebiet

Stand Ende 2010

Weltweit Mexiko (SR 0.632.315.631.1)

In Kraft seit 1. Juli 2001

Singapur (SR 0.632.316.891.1)

In Kraft seit 1. Januar 2003

Chile (SR 0.632.312.451)

In Kraft seit 1. Dezember 2004

Republik Korea (SR 0.632.312.811)

In Kraft seit 1. September 2006

SACU25 (SR 0.632.311.181)

In Kraft seit 1. Mai 2008

Kanada (SR 0.632.312.32)

In Kraft seit 1. Juli 2009

Japan (SR 0.946.294.632)

In Kraft seit 1. September 2009, bilateral CH-Japan

Kolumbien

Unterzeichnet am 25. November 2008

Golfkooperationsrat (GCC)26

Unterzeichnet am 22. Juni 2009

Peru

Unterzeichnet von den EFTA-Staaten am 24. Juni 2010 in Reykjavik und von Peru am 14. Juli 2010 in Lima

25 26

5. Treffen des GA EFTA-Mexiko am 7. Mai 2010 in Mexico-City

3. Treffen des GA EFTA-Singapur am 6. Juli 2010 in Singapur

2. Treffen des GA EFTA-Chile am 8. April 2008 in Santiago

2. Treffen des GA EFTA-Republik Korea am 21. Januar 2010 in Genf

1. Treffen des GA EFTA-SACU am 4. Februar 2009 in Pretoria

1. Treffen des GA EFTA-Kanada am 17. November 2010 in Genf

1. Treffen des GA Schweiz-Japan am 1. September 2009 in Zürich

Südafrikanische Zollunion: Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland.

Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

1456

4.1

Freihandelsbeziehungen der EFTA-Staaten zu Partnern im Raum Europa-Mittelmeer

Die EFTA-Staaten verfügen gegenwärtig über zwölf FHA mit Ländern in Europa und im Mittelmeerraum. Am 1. Oktober und am 1. November sind die Abkommen mit Serbien bzw. Albanien in Kraft getreten. Die EFTA-Verhandlungen mit der Ukraine wurden abgeschlossen und das Abkommen am 24. Juni anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz in Reykjavik unterzeichnet (vgl. Ziff. 11.2.1). Mit Algerien gelang es im Berichtsjahr dagegen nicht, die Verhandlungen fortzuführen, da Algerien seine Handelspolitik einer grundsätzlichen Überprüfung unterziehen will (auch bezüglich des nach wie vor ausstehenden WTO-Beitritts).

Die am 1. Januar in Kraft getretene Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan konnte in der 2008 abgeschlossenen Machbarkeitsstudie EFTA-Russland noch nicht berücksichtigt werden. Nachdem die Auswirkungen der Zollunion auf die FHA-Verhandlungen mit den EFTA-Staaten abgeklärt worden sind, haben die Schweiz und die anderen EFTA-Staaten ihre Verhandlungsmandate für Russland auf die übrigen Mitglieder der Zollunion erweitert. Die Verhandlungen wurden an der EFTA-Ministerkonferenz vom 23. November lanciert. Die erste Verhandlungsrunde ist für Januar 2011 vorgesehen.

Anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz vom 24./25. Juni wurde die Aufnahme von Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Montenegro im Jahr 2011 beschlossen. Weiter haben die EFTA-Minister vor dem Hintergrund der voraussichtlich baldigen Unterzeichnung des Assoziationsabkommens EU-Syrien entschieden, die Beziehungen mit Syrien zu intensivieren.

Treffen der Gemischten Ausschüsse unter den bestehenden FHA fanden im September mit der Palästinensischen Behörde/PLO sowie im Oktober mit Marokko statt. in beiden Abkommen wurden technische Anpassungen vorgenommen. In den Gesprächen mit den Vertretern der Palästinensischen Behörde zeigte sich erneut, dass das FHA EFTA-PLO nur korrekt funktionieren kann, wenn sich die Beziehungen mit Israel normalisieren. Ausserdem fanden unter den Abkommen mit Israel und der Palästinensischen Behörde Expertentreffen im Bereich der Landwirtschaft statt.

Die EFTA-Staaten arbeiten aktiv an der raschen Unterzeichnung und Inkraftsetzung der Paneuropa-Mittelmeer-Konvention über die Ursprungsregeln (vgl. Ziff. 5.1).

4.2

Freihandelsbeziehungen der EFTA-Staaten zu Partnern ausserhalb des Raumes Europa-Mittelmeer

Die EFTA-Staaten verfügen mit Partnern ausserhalb des Raumes Europa-Mittelmeer derzeit über neun FHA, wovon sechs in Kraft sind. Unterzeichnet sind die Abkommen mit den Staaten des Golfkooperationsrates (GCC)27, mit Kolumbien und mit Peru, welche voraussichtlich 2011 in Kraft treten werden.

Mit Hong Kong-China wurden die Verhandlungen im Januar aufgenommen und anlässlich der vierten Runde im Dezember in fast allen Bereichen abgeschlossen.

Die gewichtigsten noch offenen Fragen bestreffen die Marktzugangsverpflichtungen im Dienstleistungssektor sowie die Bestimmungen über die nachhaltige Entwick27

Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

1457

lung. Die Arbeiten werden im Hinblick auf ihren baldigen Abschluss fortgesetzt. Die laufenden Verhandlungen der EFTA-Staaten mit Indien wurden fortgesetzt. In den zwei Verhandlungsrunden des Berichtsjahres konnten gewisse Fortschritte erzielt werden, doch bestehen unter anderem bei Marktzugangsfragen noch erhebliche Differenzen. Anlässlich des Besuchs der Bundespräsidentin in Indonesien am 7. Juli wurden die Verhandlungen über ein Freihandels- und wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen offiziell lanciert. Die erste Verhandlungsrunde ist im Februar 2011 vorgesehen.

Die Schweiz hat die Kontakte mit Thailand fortgeführt, um die mögliche Wiederaufnahme der seit 2006 ruhenden Verhandlungen zu diskutieren.

Mit Vietnam haben die EFTA-Staaten die Erarbeitung einer Gemeinsamen Machbarkeitsstudie über ein FHA begonnen. Im Berichtsjahr haben zwei Treffen der Gemeinsamen Studiengruppe stattgefunden. Der Abschluss der Studie ist bis Mitte 2011 vorgesehen. Mit Malaysia wurde im Juli eine EFTA-Zusammenarbeitserklärung unterzeichnet. Auf dieser Grundlage sollen exploratorische Arbeiten für mögliche Verhandlungen über ein FHA durchgeführt werden. Solche Arbeiten könnten, nach informellen Kontakten im Berichtsjahr, 2011 auch mit den Philippinen stattfinden. Anlässlich ihrer Konferenz am 23. November entschieden die EFTA-Minister, im Laufe des Jahres 2011 exploratorische Arbeiten mit den Zentralamerikanischen Staaten28 aufzunehmen. Ausserdem wurde mit Panama im Juli eine EFTA-Zusammenarbeitserklärung unterzeichnet.

Treffen der Gemischten Ausschüsse unter den bestehenden FHA fanden im Januar mit Korea, im Mai mit Mexiko, im Juli mit Singapur und im November mit Kanada statt. Neben technischen Abkommensanpassungen wurden Weiterentwicklungsmöglichkeiten der jeweiligen FHA diskutiert. Mit Korea standen Anpassungen im Zusammenhang mit dem kürzlich paraphierten FHA EU-Korea im Vordergrund (u.a. in den Bereichen Landwirtschaft, Investitionen, Geistiges Eigentum), mit Mexiko Dienstleistungen, Landwirtschaft und öffentliches Beschaffungswesen, mit Singapur Dienstleistungen und Vereinfachungen im Zollbereich und mit Kanada Dienstleistungen, Investitionen und das öffentliche Beschaffungswesen. Ausserdem wurden unter den bestehenden FHA verschiedene Expertentreffen durchgeführt, so mit Chile (Geistiges Eigentum, Testdatenschutz)
und mit der Südafrikanischen Zollunion SACU (Landwirtschaft).

Ferner trafen sich im Rahmen der Zusammenarbeitserklärung Vertreter der EFTA und der Mongolei im November zum ersten Treffen des Gemischten Ausschusses.

4.3

Bilaterale Freihandelsbeziehungen der Schweiz mit Partnern ausserhalb der EU und der EFTA

4.3.1

Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft Schweiz­Japan

Am 1. Juni fand in Japan das erste Treffen des Unterausschusses zur Förderung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen statt, welcher durch das bilaterale Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft (FHWPA) zwischen der Schweiz und Japan errichtet worden war. Aufgabe und Arbeitsweise des Unterausschusses 28

El Salvador, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama.

1458

konnten weiter geklärt werden, und die Schweiz präsentierte einen Projektvorschlag zum Thema nachhaltiger Tourismus. Ebenso wurde die Vorbereitung für das zweite Treffen des Gemischten Ausschusses des FHWPA Schweiz­Japan diskutiert, welches für Anfang 2011 geplant ist.

4.3.2

Verhandlungen Schweiz­China

Die am 30. November 2009 von der Vorsteherin des EVD und dem Handelsminister der Volksrepublik China mit der Erarbeitung einer gemeinsamen Machbarkeitsstudie für ein bilaterales FHA beauftragte gemeinsame Studiengruppe Schweiz­ China hat ihre Arbeiten Anfang August abgeschlossen. Die aus Verwaltungsvertretern beider Seiten zusammengesetzte Arbeitsgruppe ist nach drei Treffen zum Schluss gekommen, dass sich die Volkswirtschaften der Schweiz und Chinas gegenseitig ergänzen und ein umfassendes FHA die Rahmenbedingungen für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen signifikant verbessern würde. Die Arbeitsgruppe empfiehlt, baldmöglichst Verhandlungen aufzunehmen. Anlässlich ihres Besuches in China nahm die Bundespräsidentin zusammen mit dem Präsidenten der Volksrepublik China am 13. August in Beijing zustimmend von den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie Kenntnis. Im Beisein der beiden Staatspräsidenten wurde eine Absichtserklärung zwischen dem EVD und dem chinesischen Handelsministerium unterzeichnet, mit welcher die baldige Verhandlungsaufnahme angekündigt wird.

Ein erstes Verhandlungstreffen ist für Anfang 2011 vorgesehen.

5

Horizontale Politiken

5.1

Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft

Bei den tarifären Aspekten des internationalen Warenverkehrs steht die Verbesserung des Marktzugangs durch den Abbau oder die Beseitigung von Zöllen und Kontingenten auf multilateraler Ebene und durch den Abschluss von FHA im Vordergrund.

Bei der Pflege bestehender Abkommen nimmt die Vereinbarung mit der EU im Bereich der landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse eine wichtige Rolle ein. Die darin festgelegten vertraglichen Referenzpreise wurden aufgrund der anhaltend hohen Volatilität auf den Rohstoffmärkten erneut an die Marktentwicklung angepasst.

Im Bereich der Zollpolitik hat der Bundesrat gestützt auf die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie beschlossen, der Europäischen Kommission exploratorische Gespräche über eine mögliche Teilnahme der Schweiz am e-Zoll-Projekt der EU vorzuschlagen. Das regionale Übereinkommen über die Paneuropa-MittelmeerPräferenzursprungsregeln konnte zwar noch nicht unterzeichnet werden, der Bundesrat hat im Juni aber die notwendigen Änderungen der betroffenen FHA bereits genehmigt.

1459

Auch wenn die Wirtschaftskrise 2008/2009 die Schweizer Exportwirtschaft stark getroffen hat, ist sie trotzdem glimpflicher davon gekommen als andere vergleichbarer Länder (vgl. Ziff. 1.4.1). Absolut ist der Aussenhandel der Schweiz zwar erheblich zurückgegangen, doch konnte sie ihren Anteil am Weltwarenhandel von rund 1,2 % auf 1,3 % leicht verbessern29. Somit bleibt sie weiterhin ein bedeutender Handelspartner und belegt bei der Ein- und Ausfuhr weltweit Rang 13 (die EU als Einheit betrachtet). Der Rang der Schweiz im Warenhandel ist somit mit demjenigen wesentlich grösserer Länder wie Indien oder Australien vergleichbar.

Freihandelsabkommen Angesichts des begrenzten Heimmarktes bleibt für Schweizer Unternehmen der Zugang zu ausländischen Markten essenziell. Dabei steht in Bezug auf die Zollaspekte des internationalen Warenverkehrs der Abbau oder die Beseitigung von Import- und Exportzöllen und Kontingenten auf multilateraler Ebene und der Abschluss von FHA (im Rahmen der EFTA oder bilateral) im Vordergrund. Im Berichtsjahr wurden mit der Ukraine und Peru Abkommen unterzeichnet und die Abkommen mit Albanien und Serbien traten in Kraft (vgl. Ziff. 4).

Rohstoffpreisausgleich für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte Das Bundesgesetz über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten («Schoggigesetz», SR 632.111.72) regelt den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten. Dabei handelt es sich um Produkte der Nahrungsmittelindustrie wie zum Beispiel Schokolade, Biskuits, Getränke. Es sieht bei der Einfuhr die Erhebung beweglicher Teilbeträge (Einfuhrzölle) und bei der Ausfuhr das Gewähren von Ausfuhrbeiträgen vor. Diese werden aufgrund des Unterschiedes zwischen den Inland- und Auslandpreisen der betroffenen landwirtschaftlichen Grundstoffe berechnet. Mit dem Schoggigesetz werden die agrarpolitisch bedingten Rohstoffpreisnachteile der Nahrungsmittelindustrie ausgeglichen.

Das Protokoll Nr. 2 des FHA zwischen der Schweiz und der EU von 1972 (SR 0.632.401.2) regelt im Speziellen den Preisausgleichsmechanismus für den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten zwischen der Schweiz und der EU. Das im Rahmen der sektoriellen Abkommen von 2004 (Bilaterale II) revidierte Protokoll Nr. 2 berücksichtigt ausgehend vom Schweizer Niveau die Differenz zu den
tieferen EU-Rohstoffpreisen (Nettopreiskompensation), anstatt wie im Handel mit Drittländern die Differenz zu den noch tieferen Weltmarktpreisen der landwirtschaftlichen Grundstoffe. Die für den Preisausgleichsmechanismus des Protokolls Nr. 2 relevanten vertraglichen Referenzpreise wurden mit dem Beschluss 1/2010 des Gemischten Ausschusses des FHA von 1972 (AS 2010 4917) per 1. Februar an die damaligen Marktverhältnisse angepasst. Eine nächste Anpassung der Referenzpreise wird per 1. Februar 2011 angestrebt.

Infolge der starken Zunahme der Exporte von landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten seit 2005 sowie der anhaltend hohen Unterschiede zwischen den Inlandund EU-, bzw. Weltmarktpreisen hat der Mittelbedarf für Ausfuhrbeiträge in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Im Berichtsjahr übersteigt der Bedarf für einen vollständigen Rohstoffpreisausgleich das zur Verfügung stehende Budget deutlich, weshalb ab Mai die Ausfuhrbeitragsansätze um 50 % gekürzt wurden.

29

WTO, Leading exporters and importers in world merchandise trade, 2009.

1460

Zollpolitik 2003 hat die EU das Projekt e-Zoll lanciert, welches zum Ziel hat, die Massnahmen zur Modernisierung des Zollkodex von 1992 umzusetzen. Durch diese Massnahme will die EU ihre Zollgesetzgebung vereinfachen, die Verfahren harmonisieren und rationalisieren sowie eine direkte Interaktion zwischen den Verzollungssystemen der Mitgliedstaaten schaffen. Der modernisierte Zollkodex, welcher Mitte 2013 in Kraft treten soll, hat zum Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU zu stärken.

Im Rahmen der Wachstumspolitik 2008­2011 hat der Bundesrat beschlossen, die E-Government-Strategie durch eine Machbarkeitsstudie über die Teilnahme der Schweiz am e-Zoll-Projekt der EU zu erweitern. Am 10. Dezember hat der Bundesrat aufgrund dieser Studie beschlossen, der EU exploratorische Gespräche über die Möglichkeit einer Teilnahme der Schweiz am Projekt vorzuschlagen.

Ursprungspolitik Am 9. Dezember 2009 haben die Minister der EU, der EFTA-Staaten, der Teilnehmer des Barcelona-Prozesses30, der Teilnehmer des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses der EU31 sowie der Färöer-Inseln das regionale Übereinkommen über die Paneuropa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln genehmigt. Das Übereinkommen legt identische Ursprungsregeln zwischen den unterzeichnenden Parteien fest und erlaubt die Ursprungskumulation bei jedem Verarbeitungsschritt in der Kumulationszone. In Kombination mit einem Netz von FHA (vgl. Ziff. 4), welche präferenzielle Zölle vorsehen, fördert dieses System die Integration der Produktionsketten in der Europa-Mittelmeer-Zone, entsprechend der komparativen Kostenvorteile der verschiedenen Länder. Die Unterzeichnung des Abkommens, welche für den 30. Juni vorgesehen war, wurde wegen dem völkerrechtlichen Status von Kosovo durch die EU zurückgestellt. Ein Kompromiss zwischen den EU-Mitgliedstaaten könnte Anfang 2011 zustande kommen. Im Juni hat der Bundesrat die notwendigen Änderungen der betroffenen FHA, in denen die Europa-Mittelmeer-Ursprungsregeln durch einen Verweis auf das Übereinkommen ersetzt werden, im Grundsatz bereits genehmigt. Diese Änderungen in den FHA müssen von den Gemischten Ausschüssen mit den jeweiligen Ländern noch beschlossen werden.

30

31

Der Barcelona-Prozess betrifft die Politik der EU gegenüber den Mittelmeerländern.

Dadurch sollen einerseits die Beziehungen zwischen der EU und den Partnerländer vertieft und anderseits diejenigen zwischen den Mittelmeerländern selbst gefestigt werden.

Die Partnerschaft umfasst drei Teilbereiche der Zusammenarbeit: Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen sowie Soziales und Kultur.

Die Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, die Republik Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro, die Republik Serbien sowie der Kosovo (im Sinne der Resolution 1244/99 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen).

1461

5.2

Technische Handelshemmnisse

Beim Abbau technischer Handelshemmnisse wurden erneut Fortschritte erzielt.

Am 19. Mai hat der Bundesrat beschlossen, das revidierte Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG32) und die zur autonomen Umsetzung des «Cassis-de-Dijon-Prinzips» in der Schweiz massgebliche Verordnung über das Inverkehrbringen von Produkten nach ausländischen Vorschriften (VIPaV)33 auf Mitte Jahr in Kraft zu setzen.

Für einen verbesserten Marktzugang zu ausländischen Märkten ist namentlich die Erweiterung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der EU (MRA) auf Biozide von Bedeutung. Aufgrund des seit dem 1. Januar in der EU geltenden Neuen Europäischen Rechtsrahmens (New Legislative Framework) für die Vermarktung von Produkten sind in naher Zukunft Anpassungen in den meisten bestehenden Produktekapiteln erforderlich.

Zudem wurde das Netz von FHA weiter ausgebaut, die auch Bestimmungen über technische Handelshemmnisse enthalten.

Teilrevision THG, Inkraftsetzen und erste Erfahrungen Die Teilrevision des THG (AS 2010 2617) mit der das sogenannte Cassis-de-DijonPrinzip in der Schweiz autonom eingeführt wurde, ist am 1. Juli in Kraft getreten.

Demnach können aus der EU bzw. aus dem EWR importierte Produkte, die dort rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz ohne vorgängige zusätzliche Kontrollen frei zirkulieren.

Das Cassis-de-Dijon-Prinzip hat zum Ziel, Handelshemmnisse gegenüber unserem wichtigsten Handelspartner abzubauen, den hohen Preisen in der Schweiz entgegenzuwirken und den Markt für weitere Produkte aus der EU bzw. dem EWR zu öffnen, um die Produktevielfalt zu erhöhen und die Wettbewerbsintensität zu fördern.

Für Lebensmittel gilt eine Sonderregelung zur Anwendung des Cassis-de-DijonPrinzips. Im Unterschied zu den übrigen Produkten bedürfen Lebensmittel, welche nicht nach schweizerischen Vorschriften hergestellt worden sind, vor dem erstmaligen Inverkehrbringen einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).

Diese wird in Form einer Allgemeinverfügung erteilt und gilt für alle gleichartigen Lebensmittel. Die VIPaV enthält weitere Ausführungsbestimmungen zum Bewilligungsverfahren für Lebensmittel und zur Marktüberwachung für nach ausländischen Vorschriften in Verkehr gebrachte Produkte sowie die vom Bundesrat beschlossenen
Ausnahmen von der Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips. Bis Ende November hat das BAG dreizehn Allgemeinverfügungen erlassen und vierzehn Gesuche abgelehnt, wovon aber dreizehn von der gleichen Firma eingereicht wurden und diverse Nahrungsergänzungsmittel betrafen, die bereits in der VIPaV vom Grundsatz des Cassis-de-Dijon Prinzips ausgenommen sind. Drei Gesuche wurden zurückgezogen.

In einigen Fällen wurde beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verweigerung bzw. gegen die Erteilung der Bewilligung erhoben; Urteile wurden bis Ende November keine gefällt.

32 33

SR 946.51 SR 946.513.8

1462

Die Wirkungen der THG-Revision auf das Preisniveau in der Schweiz werden statistisch erfasst und evaluiert. Dazu werden die Daten zum Landesindex der Konsumentenpreise gezielt ausgewertet. Zudem werden von 2010 bis voraussichtlich 2012 in der Schweiz sowie im angrenzenden Ausland jährliche Preiserhebungen für ungefähr 150 Produkte durchgeführt. Die Preisentwicklungen werden somit im Zeitablauf wie auch im internationalen Vergleich analysiert. Ein erster Zwischenbericht ist für Herbst 2011 geplant.

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft34 Nach intensiven Verhandlungen wurden am 18. Oktober ein neues Kapitel über Biozidprodukte in Anhang 1 des MRA aufgenommen und das bestehende Kapitel 12 über Motorfahrzeuge revidiert. Das neue Kapitel gewährleistet die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen für Biozidprodukte. Da für diese Produkte in jedem EU-Mitgliedstaat eine Zulassung erforderlich ist, werden Exporte in die EU insofern erleichtert, als die schweizerische Erstzulassung nun auch als Grundlage für eine vereinfachte, beschleunigte Zulassung in den EU-Mitgliedstaaten dient. Das revidierte Kapitel 12 über Motorfahrzeuge wurde an das weiterentwickelte EU-Recht angepasst und um institutionelle Bestimmungen hinsichtlich der Übernahme neuen EU-Rechts ergänzt. Damit bleibt die gegenseitige Anerkennung der auf Basis des aktuellen EU-Rechts erteilten Typengenehmigungen für Fahrzeuge erhalten. Ändern sich die EU-Vorschriften für Motorfahrzeuge, werden die relevanten EU-Rechtsakte in Anhang IV der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG35 aufgeführt. Diese Änderungen werden nach einem speziellen Notifikationsverfahren in das MRA aufgenommen.

All diese Änderungen gelten auch im Verhältnis zu den EFTA-Staaten.

Für 2011 ist die Aufnahme weiterer Produktekapitel ins MRA geplant. Zur Zeit sind Planungsarbeiten im Bereich der Seilbahnen und der Sprengstoffe für den zivilen Gebrauch in Gang.

34 35

SR 0.946.526.81 Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie), ABl. L 263 vom 9. Oktober 2007, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 661/2009, ABl. L 200 vom 31.Juli 2009, S. 1.

1463

Neuer Europäischer Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten (New Legislative Framework, NLF) Seit dem 1. Januar gelangt in der EU der NLF36 für die Vermarktung von Produkten zur Anwendung. Dieses Massnahmenpaket hat die weitere Beseitigung technischer Handelshemmnisse im Warenverkehr zum Ziel und ergänzt die 1985 eingeführte «Neue Konzeption» (new approach) zur Vollendung des Binnenmarktes. Der NLF umfasst insbesondere gemeinsame Begriffsbestimmungen, die Pflichten der Wirtschaftsakteure (Hersteller, Importeure, Händler usw.), die Verfahren für die Bewertung der Konformität der Produkte und die Kriterien für die Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen, die Anforderungen an die Marktüberwachung von Produkten sowie die Regeln für die Verwendung der «CE»-Kennzeichnung. Damit soll EU-weit ein einheitliches Vorgehen im Bereich der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, der Marktüberwachung und der Kontrolle von Produkten aus Drittstaaten gewährleistet und das Vertrauen in die «CE»-Kennzeichnung von Produkten gestärkt werden. Im Bereich der Marktüberwachung sind die Mitgliedstaaten neu unter anderem verpflichtet, jährlich nationale Marktüberwachungsprogramme zu erstellen und der EU-Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten Bericht über das Ergebnis ihrer Kontrollen zu erstatten. Dies soll ermöglichen, gemeinsame Prioritäten festzulegen und die Wirksamkeit der Marktüberwachung im Interesse der Konsumenten und der sich korrekt verhaltenden Hersteller, Importeure und Händler zu erhöhen. Zur Stärkung des Konsumentenvertrauens wird die EU Kommission im Jahr 2011 eine Informationskampagne über die «CE»-Kennzeichnung durchführen, in die auch die Schweiz mit einbezogen wird.

Im Verhältnis Schweiz-EU regelt das erwähnte MRA die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungsstellen und der von diesen durchgeführten Konformitätsbewertungen und gewährleistet damit für die unter das Abkommen fallenden Produkte den gegenseitigen Marktzutritt. Die Basis dafür ist die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der jeweiligen Produktevorschriften durch die beiden Vertragsparteien. Um die Vorteile des MRA auch künftig nutzen zu können, wird die Schweiz ihre vom MRA erfassten Produktevorschriften den gemäss dem NLF revidierten Rechtsakten der EU, die die Basis für die Weiterentwicklung des
MRA bilden, anpassen. In einem ersten Schritt erfolgt im Jahr 2011 die Überarbeitung des bestehenden Kapitels 3 über Spielzeuge. Dabei wird sowohl den von der EU erlassenen strengeren Sicherheitsvorschriften wie auch den neuen Anforderungen an die Marktüberwachung und den Informationsaustausch zwischen den Marktüberwachungsbehörden der Schweiz und der EU Kommission bzw. den Vollzugsbehörden der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen sein. Eine vom SECO geleitete Arbeitsgruppe soll zudem den Handlungsbedarf für eine bessere Koordination zwischen den 36

Der neue Rechtsrahmen besteht aus der Verordnung (EG) Nr. 65/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates, ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 30; dem Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates, ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 82; sowie der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig in Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 3052/95/EG, ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 21.

1464

Vollzugsbehörden im Bereich der Marküberwachung analysieren und die diesbezüglich erforderlichen Massnahmen aufzeigen.

5.3

Dienstleistungen

Auf der bilateralen Ebene verfolgt die Schweiz ihre Politik weiter, den Dienstleistungshandel in die FHA zu integrieren. Auf der multilateralen Ebene setzt sich die Schweiz im Hinblick auf die mögliche Intensivierung der Verhandlungen der Doha-Runde der WTO insbesondere für die Ausarbeitung von Disziplinen zur innerstaatlichen Regulierung und anderer GATS-Regeln ein.

Im Rahmen der FHA schlägt die Schweiz ihren Partnern im Bereich des Dienstleistungshandels in der Regel ihren Modelltext vor, der auf dem GATS beruht. Dieser umfasst allgemeine Bestimmungen, welche sämtliche Arten der Dienstleistungserbringung abdecken und keine Sektoren a priori ausschliessen, Verpflichtungslisten betreffend den Marktzugang und die Inländerbehandlung sowie Anhänge, welche die allgemeinen Bestimmungen in Bezug auf verschiedene Regelungsbereiche ergänzen.

Im Rahmen des im Berichtsjahr abgeschlossenen FHA mit der Ukraine ist ein umfassendes Kapitel zum Dienstleistungshandel vereinbart worden (vgl. Ziff. 4.1.

und 11.2.1). Diesem Kapitel sind Verpflichtungslisten beigefügt, deren Verpflichtungsniveau über jenem des GATS liegt. Auch in den laufenden Verhandlungen mit Indien und Hong Kong-China (vgl. Ziff. 4.2) strebt die Schweiz verbesserte Marktzugangsverpflichtungen an, insbesondere in den für die Schweizer Exporteure wichtigsten Sektoren, sowie die Vertiefung verschiedener Bestimmungen, unter anderen jene zur innerstaatlichen Regulierung.

Im Hinblick auf die mögliche Intensivierung der Verhandlungen der Doha-Runde (vgl. Ziff. 2.1) nimmt die Schweiz im Rahmen der WTO aktiv an den Arbeiten zur innerstaatlichen Regulierung teil (Bewilligungen, Qualifikations- und Zulassungserfordernisse und -verfahren sowie technische Normen). Parallel zur Liberalisierung des Marktzugangs trägt die Schweiz zur Ausarbeitung von entsprechenden Disziplinen mit dem Ziel bei, die dem Dienstleistungshandel entgegenstehenden Hindernisse zu vermindern. Zudem engagiert sich die Schweiz in den Diskussionen über die Regeln des GATS betreffend die Massnahmen bei Notlagen, das öffentliche Beschaffungswesen im Dienstleistungssektor und die Subventionen.

1465

5.4

Investitionen und multinationale Unternehmen

Die Schweiz hat das Netz bilateraler Investitionsschutzabkommen weiter ausgebaut und mit Ägypten ein Abkommen unterzeichnet, welches dem Parlament als Beilage zum vorliegenden Bericht zur Genehmigung unterbreitet wird. Der Investitionsausschuss der OECD hat die Überwachung investitionsrelevanter Massnahmen, welche als Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ergriffen wurden, fortgeführt und die Ergebnisse in gemeinsamen Berichten der OECD, WTO und UNCTAD festgehalten. Im Juni begannen sodann die Arbeiten zur Überprüfung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, welche bis Mitte 2011 abgeschlossen werden sollen.

Investitionen Aus Sicht der Schweiz haben für den Marktzugang und den Schutz getätigter Investitionen neben den Investitionsinstrumenten der OECD bilaterale Verträge eine besondere Bedeutung. Im Rahmen von FHA kann der Marktzutritt für Schweizer Investoren abgesichert werden. Für den Schutz internationaler Investitionen stehen demgegenüber die bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA) im Vordergrund.

Sie gewähren im Ausland getätigten Investitionen einen umfassenden völkerrechtlichen Schutz und ermöglichen bei Bedarf den Zugang zu internationalen Streitschlichtungsverfahren. Die Schweiz hat weltweit eines der dichtesten Netze von ISA, welches laufend ergänzt und aktualisiert wird. Dabei ergreifen auch regelmässig Entwicklungsländer die Initiative zum Abschluss von ISA mit der Schweiz, um dadurch ihre Attraktivität als Investitionsstandort zu erhöhen. Neu abgeschlossene ISA werden dem Parlament in der Regel im Rahmen des Aussenwirtschaftspolitikberichts zur Genehmigung vorgelegt. Entsprechend findet sich in der Beilage (vgl.

Ziff. 11.2.2) eine Botschaft mit Antrag auf Genehmigung des neu unterzeichneten ISA mit Ägypten. Im Berichtsjahr wurden zudem die Verhandlungen mit Tunesien über die Revision des ISA aus dem Jahr 1961 abgeschlossen. Weiter wurden die Verhandlungen mit Russland und Georgien fortgeführt und Verhandlungen mit Indonesien und Kosovo aufgenommen.

Die durch die Schweiz abgeschlossenen ISA ermöglichen es Schweizer Investoren, bei Investitionsstreitigkeiten ihre Forderungen gegenüber Drittstaaten gestützt auf das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren direkt vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Auch wenn die meisten
Investitionsprobleme weiterhin im Rahmen von Konsultationen gelöst werden können, haben Schweizer Unternehmen in den letzten Jahren von der Möglichkeit der internationalen Streitbeilegung zunehmend Gebrauch gemacht. So hat zum Beispiel ein weltweit tätiges Schweizer Unternehmen im Zusammenhang mit der 2008 erfolgten Verstaatlichung seiner Tochtergesellschaft in Venezuela gestützt auf das ISA zwischen der Schweiz und Venezuela ein Verfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) eingeleitet, welches im September suspendiert wurde, nachdem sich Venezuela zur Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 650 Millionen US-Dollar verpflichtet hatte.

Im Rahmen seiner Überwachungsfunktion führt der Investitionsausschuss der OECD mehrmals jährlich ein Diskussionsforum (Freedom of Investment Roundtable) durch, um neue Massnahmen, welche zu einer Beschränkung der Investitions1466

freiheit führen könnten, zu analysieren. Dabei werden im Dialog mit Staaten innerhalb und ausserhalb der OECD, die eine restriktivere Zulassung von ausländischen Investitionen geplant oder bereits beschlossen haben, allfällige negative Auswirkungen auf die Investitionsfreiheit geprüft. In diesem Zusammenhang hat der Investitionsausschuss im Berichtsjahr auch seine Überprüfung der investitionsrelevanten Massnahmen, welche als Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ergriffen wurden, fortgesetzt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden im Juni und November in gemeinsam mit der WTO und der UNCTAD erarbeiteten, an die Teilnehmer des G20-Gipfels gerichteten Berichten veröffentlicht. Die Berichte verneinen einen grundsätzlichen Trend in Richtung Investitionsprotektionismus.

Zugleich wird jedoch festgehalten, dass die von den meisten OECD-Staaten als Reaktion auf die Wirtschaftskrise getroffenen Stützungsmassnahmen unter Umständen diskriminierende Auswirkungen auf ausländische Investoren entfalten könnten.

Der OECD-Investitionsausschuss wird daher seine Überwachung und Berichterstattung weiterführen. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass die OECD dabei auch eine Diskussion über mögliche Strategien zum Ausstieg der Staaten aus ihren krisenbedingten Beteiligungen in den betroffenen Wirtschaftssektoren führt.

Der OECD-Investitionsausschuss hat seine Zusammenarbeit mit Nicht-Mitgliedstaaten, bei welcher den Staaten der G20 eine besondere Bedeutung zukommt, fortgesetzt. Mit Russland fand im Rahmen des Beitrittsprozesses ein erstes Treffen statt, um zu prüfen, in welchen Bereichen die OECD-Standards bereits erfüllt werden und wo Anpassungsbedarf besteht. Eine umfassende Überprüfung der indonesischen Investitionspolitik bildete den Ausgangspunkt für eine vertiefte Zusammenarbeit mit diesem Land.

Multinationale Unternehmen Im Juni begannen im OECD-Investitionsausschuss die Arbeiten zur Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Gemäss dem durch den Bundesrat im selben Monat verabschiedeten Verhandlungsmandat für die Teilnahme der Schweiz an diesen Arbeiten wird sich die Schweiz aktiv dafür einsetzen, dass die OECD-Leitsätze weiterhin ein führendes Instrument zur Unterstützung der verantwortungsvollen Unternehmensführung bleiben.

Bei den OECD-Leitsätzen handelt es sich um
Empfehlungen der 42 Unterzeichnerstaaten37 an ihre international tätigen Unternehmen im Bereich der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility). Die 1976 verabschiedeten Leitsätze wurden letztmals im Jahr 2000 umfassend revidiert. Im Vordergrund der laufenden Überprüfung stehen die Erarbeitung eines neuen Kapitels zur Beachtung der Menschenrechte sowie die Aktualisierung der Kapitel über die Beschäftigung und die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, die Korruptionsbekämpfung, die Umwelt, die Verbraucherinteressen und die Offenlegung von Informationen. Weiter soll die Anwendbarkeit der OECD-Leitsätze auf die Lieferkette (supply chain) geklärt und näher umschrieben werden, welche Sorgfaltspflichten (due diligence) von den Unternehmen erwartet werden, um Risiken, die sowohl durch ihre eigenen als auch die Aktivitäten ihrer Geschäftspartner entstehen können, zu identifizieren und zu vermeiden. Da die Nationalen Kontaktpunkte bei der Pro37

Neben den 33 OECD-Mitgliedern haben neun weitere Staaten (Ägypten, Argentinien, Brasilien, Estland, Lettland, Litauen, Marokko, Peru, Rumänien) die Leitsätze unterzeichnet.

1467

motion und Anwendung der Leitsätze eine zentrale Rolle spielen, kommt schliesslich der Überprüfung der Bestimmungen bezüglich ihrer Rolle sowie der Vorgehensweise bei der Behandlung von Eingaben eine besondere Bedeutung zu. Es ist das Ziel, die Aktualisierung bis im Sommer 2011 abzuschliessen. Die OECD hat bereits 2009 einen umfassenden Konsultationsprozess im Zusammenhang mit der Aktualisierung der OECD-Leitsätze lanciert und bezieht die verschiedenen Interessengruppen eng in die laufenden Arbeiten ein. Auf nationaler Ebene fanden im Berichtsjahr ­ in Ergänzung zum Konsultationsprozess der OECD ­ drei Treffen mit den betroffenen Interessengruppen statt.

5.5

Klima- und Biodiversitätskonventionverhandlungen

Die internationale Staatengemeinschaft setzte im Berichtsjahr ihre Bemühungen fort, die Grundlagen für ein globales und wirksames Klimaregime im Rahmen der 16. Vertragsparteienkonferenz der Klimarahmenkonvention in Cancún zu verabschieden.

Im Rahmen der Biodiversitätskonferenz in Nagoya verabschiedeten die Vertragsparteien einerseits ein Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben, andererseits einen strategischen Plan zur Erhaltung der Biodiversität, welcher zwanzig Ziele enthält.

Die Schweiz hat auch weiterhin ein grosses Interesse am erfolgreichen Fortgang der internationalen Klimaverhandlungen, um den Herausforderungen des Klimawandels mittels einer koordinierten und wirksamen Antwort der internationalen Staatengemeinschaft zu begegnen. Die Ausgestaltung des zukünftigen Klimaregimes ist aus aussenwirtschaftspolitischer Sicht von grosser Relevanz; die Lastenverteilung zwischen den Ländern in Bezug auf Emissionsreduktionen und die Bereitstellung von Mitteln zur Finanzierung von Klimamassnahmen in Entwicklungsländern sowie die damit einhergehenden Umverteilungswirkungen gehören zu den zentralen wirtschafts- und entwicklungspolitischen Fragen der Verhandlungen.

Die Schweiz hat sich zu Beginn des Berichtsjahres mit dem Copenhagen Accord assoziiert und dabei erneut das schweizerische Emissionsreduktionsziel von 20 % bzw. 30 % bis 2020 (im Vergleich zu 1990) angeboten. Mit der Assoziation hat die Schweiz gleichzeitig ihre Bereitschaft signalisiert, ihren Anteil an der Bereitstellung von neuen und zusätzlichen Mitteln zur Finanzierung von Mitigations- und Adaptationsmassnahmen in Entwicklungsländern zu leisten.

Die Vertragsparteien haben anlässlich der 16. Vertragsparteienkonferenz der Klimarahmenkonvention in Cancún, Mexiko, die Stossrichtungen des zukünftigen Regimes weiter konkretisiert, wobei es noch nicht gelang, neue und verbindliche Regeln für die Regulierung der Treibhausgasemissionen festzulegen. Ziel ist es, bis Ende 2011 die Verhandlungen über eine zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll sowie ein weiteres Instrument unter der Klimarahmenkonvention abzuschliessen. An der Klimakonferenz verankerten die Vertragsparteien das Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu 1468

beschränken. Ebenso wurde die finanzielle Zielgrösse zur Unterstützung von Klimamassnahmen in Entwicklungsländern auf rund 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2020 bestätigt. Die Mittel sollen aus öffentlichen wie privaten Quellen bereitgestellt werden. Ferner wurde die Etablierung eines neuen Klimafonds, des sogenannten Green Climate Fund, beschlossen. Gegenstand des künftigen Klimaregimes werden auch ein Technologie- und Adaptationsrahmenwerk sein. Damit soll der Transfer sauberer Technologien gefördert und die Entwicklungsländer in der Planung und Umsetzung von Anpassungmassnahmen an den Klimawandel unterstützt werden. Für andere Elemente des zukünftigen Klimaregimes einschliesslich des Ausbaus des internationalen CO2-Marktes wurden von den Vertragsparteien weitere Vorbereitungsarbeiten in Auftrag gegeben.

Die Biodiversitätskonvention verpflichtet die Staaten, die biologische Vielfalt in ihren eigenen Ländern zu erhalten, geeignete Massnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität zu unterstützen sowie den Zugang zu genetischen Ressourcen und die daraus entstehenden Vorteile zu regeln. Sie wurde am Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet.

Inzwischen zählen 193 Länder zu den Vertragsstaaten.

An der diesjährigen Biodiversitätskonferenz wurde ein Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben, verabschiedet.

Zudem konnte ein Strategieplan mit zwanzig Zielen verabschiedet werden, welcher bis 2020 einen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten soll. Dabei geht es einerseits um die Sensibilisierung der Gesellschaft und der Entscheidungsträger, andererseits um die Erhaltung der für die Biodiversität wertvollen Flächen und die Reduktion des direkten Druckes auf die Biodiversität. Der strategische Plan ist als Rahmen zu verstehen, in welchem zur Zielerreichung die regionale Situation berücksichtigt werden muss. In diesem Sinne ist er nicht rechtsverbindlich.

5.6

Wettbewerbsrecht

Aufgrund der Globalisierung treten zunehmend auch grenzüberschreitende wettbewerbswidrige Praktiken auf. Zur besseren Gewährleistung von Wettbewerb zwischen der Schweiz und der EU hat der Bundesrat ein Verhandlungsmandat für ein Kooperationsabkommen mit der EU im Bereich Wettbewerb verabschiedet. Im Berichtsjahr fanden zudem im Rahmen der UNCTAD die sechste Überprüfungskonferenz des UN-Kodex über wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken sowie die regelmässigen Tagungen des Wettbewerbskomitees der OECD statt, wo die Schwerpunkte auf den Themen öffentliches Beschaffungswesen und «grünes Wachstum» lagen.

Aufgrund der Globalisierung wird die Gewährleistung von Wettbewerb auch im internationalen Zusammenhang immer wichtiger. Ein Mittel dazu ist eine wirkungsvolle Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden auf internationaler Ebene, wie sie etwa das am 1. September 2009 in Kraft getretene Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft (FHWPA) zwischen der Schweiz und Japan vorsieht.

1469

Mit dem gleichen Ziel hat der Bundesrat am 18. August ein Verhandlungsmandat für ein Kooperationsabkommen mit der EU im Bereich Wettbewerb verabschiedet. Es soll den Austausch von Informationen, einschliesslich vertraulicher Informationen, durch die Wettbewerbsbehörden der Schweiz und der EU ermöglichen, die in den jeweiligen Wettbewerbsverfahren verwendet werden können. Das Abkommen soll weitere Elemente der Zusammenarbeit, die traditionell Teil von Kooperationsabkommen im Wettbewerbsbereich sind, enthalten, wie die Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners bei der Umsetzung des Wettbewerbsrechts (negative comity) und die Möglichkeit, das Eingreifen der Wettbewerbsbehörden der anderen Seite in einem bestimmten Fall anzuregen (positive comity) sowie die Notifikation von Massnahmen und Konsultationen zwischen den Wettbewerbsbehörden. Das Abkommen wird dazu beitragen, volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen grenzüberschreitender Wettbewerbsbeschränkungen wirksamer zu bekämpfen. Mit dem Beginn der Verhandlungen ist Anfang 2011 zu rechnen.

Die UNCTAD hat sich erneut als wichtige Plattform für die Einbeziehung von Entwicklungsländern in die Diskussionen zu aktuellen Wettbewerbsthemen erwiesen. Die sechste Überprüfungskonferenz des UN-Kodex über wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken hat vom 8. bis 12. November in Genf stattgefunden. Der Kodex aus dem Jahre 1980 ist das einzige weltweit umfassende Instrument, das materielle Standards im Wettbewerbsbereich festlegt. Er richtet sich an die Mitgliedstaaten und die dort tätigen Unternehmen, ist aber nicht rechtsverbindlich. Die Überprüfungskonferenzen finden alle fünf Jahre statt und dienen vor allem der Überprüfung der Arbeiten der UNCTAD im Wettbewerbsbereich sowie der Festlegung der Schwerpunkte des Arbeitsprogramms für die kommende Periode. Neben Themen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Wettbewerbsrechts, dem Beitrag der Wettbewerbspolitik zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbsbehörden wurde an der Überprüfungskonferenz auch eine revidierte Fassung eines Modellgesetzes über Wettbewerb und Kommentare dazu besprochen.

Ein wichtiges Thema der Sitzungen der dreimal jährlich tagenden Wettbewerbsausschüsse der OECD waren wettbewerbsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem öffentlichen
Beschaffungswesen. Im Rahmen des Global Forum on Competition, das als Teil der Outreach-Bemühungen Ausdruck des Willens ist, OECD-Standards auch in anderen Ländern bekannt zu machen und den Dialog mit Entwicklungsländern zu führen, wurde das Thema Collusion and Corruption in Public Procurement diskutiert. Weiter fand ein Austausch über Erfahrungen mit Certificates of Independent Bid Determination (CIBD), die Koordination von Bonusprogrammen und Programmen zur Bidder Disqualification statt. Wegen der vor allem in Krisenzeiten grossen Volumen staatlicher Aufträge ist die Gefahr unzulässigen Verhaltens bei der Auftragsvergabe besonders hoch. In gewissen Ländern so etwa in der Schweiz oder den USA führen die Wettbewerbsbehörden deshalb Informationsveranstaltungen durch, um die zuständigen Verwaltungseinheiten für die Problematik zu sensibilisieren.

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussionen in der OECD lag auf dem Thema «grünes Wachstum». Vor dem Hintergrund des weltweiten Klimawandels wurden im Spannungsfeld von Staatseingriffen und Marktwirtschaft insbesondere verschiedene marktbasierte Instrumente wie Emissionsabgaben und -steuern im Industriesektor, Abgeltungen von bzw. Subventionen für Umweltleistungen sowie handelbare Umwelt-Zertifikate diskutiert. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht stellen sich dabei 1470

insbesondere Fragen hinsichtlich der Förderung gewisser Wirtschaftssektoren oder bestimmter Technologien, welche unter Umständen zu Marktverzerrungen führen kann. Eine Diskussion zu Electricity: Renewables and Smart Grids zeigte, dass auch neue Energietechnologien und damit verbundene Regulierungen und Subventionen zu neuen wettbewerbsrechtlichen Herausforderungen führen können. Auch in Zukunft wird im Rahmen der allgemeinen Umwelt- und Energiefragen das Thema «grünes Wachstum» als Bestandteil des Arbeitsprogramms und Budgetplans 2011­2012 einen wichtigen Aspekt der Arbeiten des OECD-Wettbewerbskomitees bilden.

5.7

Öffentliches Beschaffungswesen

Die Verhandlungen über die Revision des plurilateralen WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) haben sich beschleunigt. Ein Abschluss im Jahr 2011 erscheint möglich. Kanada hat die Unterstellung ihrer Provinzen unter das GPA in Aussicht gestellt. Die Verhandlungen über einen Beitritt Chinas zum GPA kommen nur langsam voran.

Die Revision des GPA wurde auf der Grundlage eines Verhandlungsplanes der schweizerischen Präsidentschaft des WTO-Ausschusses über das öffentliche Beschaffungswesen vorangetrieben. Zu Beginn des Berichtsjahres hat Kanada eine revidierte Offerte eingereicht, welche erstmals die Unterstellung ihrer Provinzen unter das GPA auf der Basis der gegenseitigen Öffnung in Aussicht stellt. Dieser Schritt löste eine positive Dynamik in den Verhandlungen aus. Weitere Länder, darunter Japan, Israel und Korea haben revidierte Offerten für einen verbesserten Zugang zu ihren öffentlichen Beschaffungsmärkten eingereicht. Die bilateralen Verhandlungen der Schweiz über einen verbesserten Marktzugang unter anderem mit der EU, mit Kanada und mit Israel stehen kurz vor dem Abschluss.

Bedeutende Fortschritte wurden ebenfalls im Abkommenstext in Bezug auf die Schlussbestimmungen erzielt. Diese beinhalten unter anderem ein Mandat für Folgearbeiten. Es geht dabei unter anderem auch um die Festlegung nichtdiskriminierender Regeln für die Förderung von KMU.

Die Verhandlungen über den Beitritt Chinas zum GPA kommen nur in kleinen Schritten voran. China hat im Berichtsjahr eine zweite Offerte für die Verbesserung des Zugangs für Unternehmen aus GPA-Ländern unterbreitet. Das chinesische Angebot stellt eine Verbesserung gegenüber der ersten Offerte aus dem Jahr 2008 dar, ist aber für die meisten GPA-Länder noch ungenügend. Die Schweiz verlangt von China insbesondere eine weitgehende Einbindung der Provinzen. Ebenfalls weitergeführt wurden die Beitrittsverhandlungen mit Jordanien. Jene mit Armenien konnten weitgehend abgeschlossen werden.

1471

5.8

Schutz des geistigen Eigentums

Die Verlagerung des Fokus von der multilateralen auf die bi- respektive plurilaterale Ebene setzte sich im Berichtsjahr auch im Bereich des geistigen Eigentums fort. Während die Bemühungen für einen verstärkten Schutz der geografischen Herkunftsangaben in der WTO-Doha-Runde vorläufig ohne Ergebnis weitergeführt wurden, konnten die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur besseren Bekämpfung von Fälschung und Piraterie abgeschlossen werden.

5.8.1

Schutz des geistigen Eigentums in bilateralen und EFTA-Freihandelsabkommen

Der Wirtschaftsstandort Schweiz ist in seinen Handelsbeziehungen auf einen guten Schutz der Immaterialgüterrechte und deren effektive Durchsetzung gegen Verletzungen angewiesen. Die EFTA-FHA (vgl. Ziff. 4) enthalten deshalb in der Regel ein Kapitel und einen Annex zum Schutz des geistigen Eigentums, das in einzelnen, für die Schweizer Wirtschaftsinteressen wichtigen Aspekten über die Minimalstandards des WTO-Abkommens über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen) hinausgeht. Dabei trägt die EFTA dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand des jeweiligen Verhandlungspartners Rechnung. Ziel ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einem handels- und investitionsfreundlichen Klima beitragen. Das gilt neben den im Rahmen der EFTA abgeschlossenen Abkommen auch für die Abkommen, welche die Schweiz bilateral aushandelt (etwa das im 2009 in Kraft getretene Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft mit Japan (vgl. Ziff. 4.3.1) oder das Abkommen mit Russland über die geografischen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen (vgl. Ziff. 5.8.6 und 11.2.4). Die im Berichtsjahr in Kraft getretenen EFTA-FHA mit Serbien und Albanien sowie das unterzeichnete EFTA-FHA mit der Ukraine enthalten substanzielle, dem europäischen Standard entsprechende Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Das im Berichtsjahr unterzeichnete FHA EFTA-Peru enthält ebenfalls substanzielle Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums, einschliesslich Bestimmungen zur Biodiversität.

5.8.2

Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur Bekämpfung der Fälschung und Piraterie (ACTA)

Nach der elften und letzten Runde der Verhandlungen über ein Abkommen gegen Fälschung und Piraterie (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA) in Tokio Anfang Oktober konnten die Verhandlungsteilnehmer38 in einer Telefonkonferenz die letzten offenen Punkte bereinigen und damit die Verhandlungen abschliessen. In der Folge wurde der ausgehandelte Abkommenstext einer formaljuristischen Prü38

Australien, EU, Japan, Kanada, Korea, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Singapur, Schweiz und USA.

1472

fung (legal scrub) unterzogen. Seit dem 3. Dezember liegt die endgültige Fassung des Abkommens vor. Es soll im 2011 unterzeichnet und ratifiziert werden. In der Schweiz wird das Abkommen dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt. In Anbetracht des grossen Interesses verschiedener NGO und anderer Vertreter der Zivilgesellschaft am ACTA führte das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum im Berichtsjahr drei Informations- und Konsultationsveranstaltungen durch. Die Teilnehmer konnten sich so über den aktuellen Stand der Diskussionen, die Verhandlungsthemen und die Schweizer Position informieren. Den von diversen Kreisen der Zivilgesellschaft gegenüber ACTA geäusserten Bedenken Rechnung tragend, setzte sich die Schweiz erfolgreich für möglichst grosse Transparenz und Information über den Verhandlungsgegenstand und -verlauf ein. Das Abkommen definiert effektivere internationale Standards bei der Rechtsdurchsetzung im Bereich Immaterialgüterrecht und fördert die internationale Zusammenarbeit unter den Vertragsstaaten, damit dem stetig wachsenden Problem der Fälschung und Piraterie effizienter begegnet werden kann. Es baut auf dem bestehenden internationalen Regelwerk zum geistigen Eigentum auf, insbesondere dem WTO/TRIPS-Abkommen).

5.8.3

WTO/TRIPS und Doha-Runde

Die Schweiz setzt sich in der WTO-Doha-Verhandlungsrunde (vgl. Ziff. 2.1) unter anderem für einen besseren Schutz geografischer Herkunftsangaben ein, um diese im internationalen Wettbewerb für Schweizer Qualitätsprodukte gewinnbringend einsetzen und Missbrauch durch unberechtigte Dritte effizienter unterbinden zu können. Die entsprechenden Arbeiten auf technischer Ebene wurden in von WTOGeneraldirektor Pascal Lamy geleiteten Konsultationen fortgeführt. Der von der Schweiz zusammen mit der grossen Mehrheit der WTO-Mitglieder unterstützte Vorschlag für Verhandlungsmodalitäten für die drei TRIPS-Themen ist nach wie vor Gegenstand von Diskussionen in den Doha-Verhandlungen. Diese Themen sind die Ausdehnung des höheren Schutzes des TRIPS-Abkommens für geografische Herkunftsangaben für Weine und Spirituosen auf alle anderen Produkte, die Etablierung eines multilateralen Registers für geografische Herkunftsangaben für Weine und Spirituosen sowie die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen bei Patentanmeldungen.

5.8.4

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Anlässlich der 63. Weltgesundheitsversammlung (WHA) wurde im Rahmen der globalen WHO-Strategie und des Aktionsplans zu öffentlicher Gesundheit, Innovation und geistigem Eigentum beschlossen, eine neue beratende Expertengruppe einzusetzen, nachdem der Bericht der bestehenden Expertengruppe vor allem von südamerikanischen Staaten, allen voran Brasilien, stark kritisiert worden war. Der Bericht enthält Empfehlungen zur Finanzierung und Koordination von Forschung und Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Krankheiten, welche vorwiegend Patienten in Entwicklungsländern betreffen. Des Weiteren beschloss die WHA, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welche sich mit der Bekämpfung von gefälschten Medikamenten und der Rolle der WHO in diesen Bemühungen befassen soll, wobei besonders die Definition von gefälschten Medikamenten umstritten ist 1473

und die Frage, inwieweit diese auch Aspekte des geistigen Eigentums umfasst.

Ebenfalls gingen dieses Jahr die Diskussionen um das Thema virus- and benefit sharing39 weiter, wobei nicht zuletzt Aspekte des geistigen Eigentums umstritten bleiben.

5.8.5

Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO)

In der WIPO in Genf hatte die Schweiz im Berichtsjahr das Amt der Koordinatorin der Industrielandgruppe inne. Als solche setzte sie sich dafür ein, dass die Organisation ihr Mandat zur weiteren Vereinfachung und damit Verbesserung des nationalen und internationalen Schutzes des geistigen Eigentums wahrnehmen kann und dabei den besonderen Bedürfnissen der Entwicklungsländer Rechnung trägt.

5.8.6

Bilateraler Dialog zum geistigen Eigentum und bilaterales Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von geografischen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen

In Umsetzung der vom Bundesrat beschlossenen aussenwirtschaftlichen Strategie (vgl. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2004) legt die Schweiz auch im Bereich Schutz des geistigen Eigentums besonderen Stellenwert auf die Vertiefung der Beziehungen mit den wichtigsten Schwellenländern. Die Arbeiten im Rahmen des 2007 institutionalisieren bilateralen Dialogs zum geistigen Eigentum mit China und Indien wurden fortgeführt. Mit China konnte der bilaterale Austausch vertieft und im November ein viertes Arbeitsgruppentreffen durchgeführt werden, an dem etliche praktische Problemstellungen unter anderem im Bereich des Patent- und Markenrechts erörtert und Lösungen gesucht wurden. In einem separaten Treffen konnten die Probleme von Schweizer Wirtschaftsunternehmen wegen ungenügendem Schutz des geistigen Eigentums in diesen beiden Ländern auch unter Einbezug von Wirtschaftsvertretern diskutiert werden. Im Berichtsjahr wurde zudem zwischen der Schweiz und Russland ein bilaterales Abkommen über den Schutz geografischer Herkunftsangaben unterzeichnet, welches nun ratifiziert werden muss (vgl.

Ziff. 11.2.4). Dieses sichert den gegenseitigen Schutz der geografischen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen zwischen den beiden Ländern, ebenso wie den Schutz ihrer Landes- und offiziellen Gebietsnamen, ihrer Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen. Im Weiteren sieht das Abkommen einen Basisschutz für die Herkunftsbezeichnungen der Parteien für Dienstleistungen vor. Das Abkommen wird voraussichtlich im Jahr 2011 in Kraft treten. Zum Abkommen zwischen der EU und der Schweiz zur gegenseitigen Anerkennung der Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geografischen Angaben (GGA) für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel wird auf Ziffer 3.2.1 dieses Berichts verwiesen.

39

Pandemic Influenza Preparedness Framework for sharing influenza viruses and access to vaccines and other benefits.

1474

6

Internationales Finanzsystem Der IWF führt seine Reformen weiter: Neben der Umverteilung von Quoten zugunsten von Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Sitzverteilung im Exekutivrat ebenfalls Teil der Gouvernanzdiskussion. Die Kreditverpflichtungen des IWF erreichten im Berichtsjahr ihren Höchststand.

Auch das Financial Stability Board (FSB) treibt seine Reformagenda voran.

Diese sieht eine intensivere Aufsicht im Finanzmarktbereich vor. So sollen die Mitgliedsländer beispielsweise eine spezifische Regulierung für ihre systemrelevanten Finanzinstitutionen entwickeln.

Die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (GAFI) setzte die Teilrevision ihrer Standards fort. So soll die Liste der Deliktkategorien, die als Vortaten zur Geldwäscherei gelten, um die Steuerdelikte ergänzt werden.

Am 13. März 2009 hat der Bundesrat entschieden, für den steuerlichen Informationsaustausch den OECD-Standard zu übernehmen. Bisher hat die Schweiz 31 Protokolle mit einer Amtshilfeklausel gemäss OECD-Standard paraphiert. 24 sind unterzeichnet und zehn wurden vom Parlament in der Schweiz genehmigt.

Die Vernehmlassung zu einem neuen Steueramtshilfegesetz, welches das Verfahren zur Umsetzung der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen festlegen und die Amtshilfeverordnung ablösen soll, wird im ersten Quartal 2011 stattfinden.

6.1

Internationaler Währungsfonds (IWF)

Im Dezember 2010 wurde von den IWF-Mitgliedern eine Resolution zur Reform der Quoten und Gouvernanz des IWF verabschiedet. Sie beinhaltet eine Verdoppelung der über die Quoten bereitgestellten regulären Mittel des IWF. Zudem ist eine Umverteilung von Quoten im Umfang von 6% der Gesamtquote sowie zugunsten der Schwellen- und Entwicklungsländer vorgesehen. Die Quotenerhöhung muss noch von den IWF-Mitgliedern ratifiziert werden. Sie wird frühestens im Jahr 2012 wirksam. Eine entsprechende Vorlage wird im Jahr 2011 auch den eidgenössischen Räten unterbreitet.

Aufgrund der weltwirtschaftlichen Verschiebungen wird die Schweiz an Quotenanteilen verlieren. Der Verlust, wie auch der Weggang Usbekistans aus der Schweizer Stimmrechtsgruppe wird jedoch durch die Erhöhung der Quote einiger der übrigen Mitglieder der Schweizer Stimmrechtsgruppe ­ insbesondere auch Kasachstans ­ weitgehend ausgeglichen.

Die Lehren aus der Finanzkrise haben bereits zu einer Reihe von Reformen bei der wirtschaftspolitischen Überwachung geführt. Die Arbeiten des IWF sollen eine verstärkt länderübergreifende Perspektive einnehmen und den Finanzsektor besser abdecken. Bei den Instrumenten zur Kreditvergabe des IWF wurden für die im Frühjahr 2009 eingeführte Kreditlinie (Flexible credit line, FCL) die Bezugslänge und -höhe flexibler gestaltet. Auch wurde ein weiteres Versicherungsinstrument für Schwellenländer geschaffen (Precautionary credit line, PCL). Dieses mit etwas strengeren Bedingungen und Bezugslimiten verknüpfte Instrument soll Ländern

1475

gewährt werden, die zwar eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgen, deren Rahmenbedingungen sie aber noch nicht für eine FCL qualifizieren.

Die Verpflichtung von Krediten des IWF erreichte mit rund 190 Milliarden US-Dollar einen Höchststand, wobei die Neuverpflichtungen etwas geringer waren als 2009. Der IWF wurde beigezogen, um Griechenland einen Kredit zu gewähren und an der Umsetzung eines Stabilisierungsplans für den Euro-Raum mitzuwirken.

Die wichtigsten laufenden Kreditprogramme waren jene mit Griechenland (USD 40 Mrd.), Island (USD 2.1 Mrd.), Ungarn (USD 16 Mrd.), Rumänien (USD 17 Mrd.) und der Ukraine (USD 15 Mrd.). Alle drei im Zuge der Finanzkrise 2009 vereinbarten IWF-Versicherungslinien (FCL) mit Mexiko (USD 47 Mrd.), Polen (USD 21 Mrd.) und Kolumbien (USD 11 Mrd.) wurden ein weiteres Jahr verlängert. Auch die ärmsten Länder verspürten aufgrund der Finanzkrise einen deutlich höheren Finanzierungsbedarf. Mehr als dreissig Länder verfolgten via den Treuhandfonds für Armutsbekämpfung und Entwicklung Programme mit dem IWF.

Hierbei wurden Kredite von rund 4 Milliarden US-Dollar verpflichtet und die Zinsen bis 2011 erlassen.

Der IWF finanziert seine Arbeiten über Mittel, die er bei seinen Mitgliedern abrufen kann. Dies sind vor allem Kredite, meist der Zentralbanken, die dem IWF mit einer marktmässigen Verzinsung zur Verfügung gestellt werden. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die Kreditverpflichtungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gegenüber dem IWF.

Verpflichtungen gegenüber dem IWF (Oktober 2010) In Mio. Fr., gerundet

Beansprucht

Noch beanspruchbar

Total beanspruchbar

Quote Allgemeinen Kreditvereinbarungen und Neue Kreditvereinbarungen Erwerb und Veräusserung von Sonderziehungsrechten Armutsverringerungs- und Wachstumsfazilität

1232.5 ­

4115.2 2381.2

5 347.7 2 381.2

138.3

2403.7

2 542.0

342.1

5.2

347.3

Total Kreditbeiträge

1712.9

8905.3

10 618.2

Quelle: SNB

Währungshilfe im Sinne von Artikel 2 und 4 des Währungshilfegesetzes (SR 941.13) wurde im Berichtsjahr nicht geleistet. Für potenzielle Hilfsaktionen zur Verhütung oder Behebung ernsthafter Störungen des internationalen Währungssystems oder zur Unterstützung von Staaten, die im Bereich der Währungs- und Wirtschaftspolitik besonders eng mit der Schweiz zusammenarbeiten, steht ein Rahmenkredit in Höhe von 2,5 Milliarden Schweizerfranken bereit.

1476

6.2

Financial Stability Board (FSB)

Das FSB ist das zentrale internationale Gremium im Bereich der Finanzmarktstabilität. Die Schweiz hat im FSB zwei Sitze (EFD-SIF und SNB) inne und ist zudem in zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen vertreten. Das FSB treibt eine umfassende Reformagenda voran, die Verstärkungen der Regulierung in zahleichen Finanzmarktbereichen vorsieht (z.B. Anforderungen an systemrelevante Banken, Verbesserung der Aufsichtsprozesse). Darüber hinaus überwacht das FSB die Einhaltung internationaler Standards im Rahmen einer peer review sowie thematischer Überprüfungen und evaluiert ebenso die Erfüllung dieser Standards durch Drittstaaten.

Mit Bezug zur Regulierung von systemrelevanten Finanzinstitutionen (systemically important financial institutions, SIFI) hat das FSB einen internationalen Rahmen vorgegeben. So sind alle FSB-Mitglieder aufgefordert, ihre Aufsicht über SIFI zu intensivieren und Massnahmen vorzusehen, die eine Abwicklung solcher Institute ermöglichen. Jene Mitgliedsländer, die zudem global bedeutende SIFI beheimaten, sollen diese Institute höheren Eigenmittelanforderungen unterwerfen und zur Erstellung von grenzüberschreitenden Sanierungs- und Abwicklungsplänen verpflichten.

Ein neu zu schaffender Peer Review Council wird die Qualität der jeweiligen nationalen Massnahmen evaluieren.

Auf Initiative des FSB wurden zu Jahresbeginn Massnahmen getroffen, um die Mitglieder zur konsequenteren Einhaltung der internationalen Standards im Finanzmarktbereich anzuhalten. Sämtliche Mitgliedstaaten verpflichteten sich zur Einhaltung dieser Standards; sie erklärten sich ausserdem bereit, sich einer peer review zu unterziehen. Die Schweiz leitet die Gruppe, welche Spanien evaluiert. Sie wird sich ihrerseits im Jahr 2011 einer Evaluation unterziehen.

Das FSB wird ferner die thematischen Evaluationen bei seinen Mitgliedern fortsetzen. Die erste dieser Bewertungen befasste sich mit der Einhaltung der Grundsätze zu den Vergütungssystemen. Die Umsetzung dieser Grundsätze ist in der Schweiz, wie bei einer Mehrheit der FSB-Mitglieder, weit fortgeschritten, da entsprechende Regelungen oder Aufsichtsmechanismen bereits in Kraft getreten sind. Für das zweite Quartal 2011 plant das FSB eine zusätzliche Evaluation. Derzeit im Gang sind die zweite und dritte thematische Evaluation zu den Themen Risk disclosures und
Mortgage underwriting practices.

Parallel zu den peer reviews nimmt das FSB eine Evaluation aller Staaten vor, das heisst auch von Nicht-Mitgliedern, um die Einhaltung einiger ausgewählter Standards im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und des Informationsaustausches voranzutreiben. Die Priorisierung der Evaluationen hängt von der systemischen Bedeutung der betreffenden Staaten ab und davon, wie konsequent sie die relevanten Standards einhalten. Da die Schweiz diese Standards bereits übernommen hat, wird sie dieser Evaluation ­ im Gegensatz zur peer review ­ nicht unterzogen.

Sie beteiligt sich aber an der Evaluation der ausgewählten Staaten.

1477

6.3

Groupe d'action financière (GAFI)

Die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Groupe d'action financière, GAFI; Financial Action Task Force, FATF) setzte die Teilrevision ihrer Standards fort. Dieses Vorhaben wird sich über zwei Jahre erstrecken. Die Ergebnisse der Teilrevision sollen als Gesamtpaket von der Plenarversammlung, dem Entscheidungsorgan der GAFI, Ende 2011 verabschiedet werden. Im Oktober wurden die Vorverhandlungen der ersten Phase abgeschlossen. Sie ergaben, dass die GAFI fest entschlossen ist, die Liste der Deliktkategorien, die im Binnenrecht zwingend als Vortaten zur Geldwäscherei gelten sollen, um die Steuerdelikte (tax crimes) zu ergänzen. Auch die Präventivmassnahmen wurden einer Revision unterzogen, unter anderem diejenigen, die auf juristische Personen und auf rechtliche Konstrukte, auf politisch exponierte Personen sowie im Bereich der Lebensversicherungen Anwendung finden. Auch im Bereich der internationalen Zusammenarbeit wurden neue Massnahmen erwogen.

Die GAFI setzte die Mitgliederevaluationen im Rahmen des dritten Evaluationszyklus fort: In dieser Runde mit annähernd universeller Tragweite, die 2011 abgeschlossen werden soll, wurden bereits alle 34 Mitgliedstaaten geprüft. Im Berichtsjahr waren dies unter anderem Deutschland, Luxemburg, Brasilien, Saudi-Arabien, Indien und Argentinien. Die GAFI publizierte einen Bericht über die Proliferationsfinanzierung, der für die Erarbeitung neuer Regelungen als Grundlage dienen wird sowie internationale best practices zu den freiwilligen Steuerregulierungsprogrammen, die auch die Rückführung von Guthaben vorsehen. Im Nachgang zu den Erklärungen der G20 verstärkte die GAFI mit der Publikation und Aktualisierung zweier Listen ihre Massnahmen zur Bezeichnung unkooperativer Staaten und von Staaten, die in ihrem Dispositiv zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung grössere Lücken aufweisen.

6.4

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

In Umsetzung des Entscheides des Bundesrates vom 13. März 2009, wonach die Schweiz künftig bereit ist, im Bereich des Informationsaustauschs den OECDStandard zu übernehmen, hat sie mit zahlreichen Staaten DBA abgeschlossen bzw.

bestehende Abkommen revidiert und eine entsprechende Amtshilfeklausel vereinbart. Seit dem Entscheid des Bundesrates wurden insgesamt mit 31 Staaten Revisionsprotokolle oder Abkommen mit einer Amtshilfeklausel gemäss OECDStandard paraphiert. 24 davon wurden bereits unterzeichnet. Im Juni hat das Parlament die Abkommen mit Dänemark, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Katar, Luxemburg, Mexiko, Norwegen, Österreich und den USA genehmigt. Die Frist für das fakultative Referendum ist am 7. Oktober ungenutzt abgelaufen. Die Abkommen können in Kraft treten, sobald auch die Partnerstaaten die Abkommen genehmigt haben und die Ratifikationsurkunden ausgetauscht sind. Als erstes ist am 4. November das Zusatzabkommen mit Frankreich in Kraft getreten. Vor Jahresende konnten von dieser ersten Tranche ­ mit Ausnahme derjeniger mit Österreich und den USA ­ auch die anderen erwähnten Abkommen in Kraft gesetzt werden. Aufgrund der Meistbegünstigungsklausel im geltenden Abkommen mit Spanien gilt auch gegenüber diesem Staat nunmehr der OECD-Standard.

1478

Die Amtshilfeklausel in den einzelnen DBA enthält die materiellrechtlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und dem Vertragspartner. Diese Grundlagen sind für die Schweiz bindend und können durch internes Recht nicht abgeändert werden. Der verfahrensrechtliche Vollzug der Amtshilfe muss jedoch im Landesrecht erfolgen. Die Vernehmlassung zu einem neuen Steueramtshilfegesetz, welches das Verfahren zur Umsetzung der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen festlegen und die Amtshilfeverordnung ablösen soll, wird im ersten Quartal 2011 stattfinden.

7

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Im Berichtsjahr hat die Schweiz insgesamt 222 Millionen Schweizerfranken für Unterstützungsmassnahmen im Rahmen der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern (162 Mio. CHF) sowie mit Ländern Osteuropas und der GUS (60 Mio. CHF) ausbezahlt.

Entsprechend den Strategien, die durch den Bundesrat im Juni 2009 verabschiedet worden sind, hat die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit in den sieben neuen Schwerpunktländern ­ Ägypten, Ghana, Indonesien, Kolumbien, Peru, Südafrika und Vietnam ­ verstärkt. Die Zusammenarbeit mit den Ländern Osteuropas und der GUS wurde fortgesetzt.

Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise blieben spürbar und beeinflussten weiterhin die Ausrichtung der bilateralen Massnahmen sowie die Zusammenarbeit mit den multilateralen Entwicklungsbanken. Letztere beschlossen ihr Kapital aufgrund der massiven Erhöhung der Ausleihprogramme im Jahr 2009 zu erhöhen, um langfristig eine ausreichende Ressourcenausstattung, namentlich Kapitalbasis, sicherzustellen. Im Zentrum standen die Bemühungen, die negativen Auswirkungen der Krise auf das Wachstum und die Armut zu begrenzen sowie nachhaltige Entwicklungsperspektiven zu fördern.

Im Beitrag an die erweiterte EU hat der Verpflichtungsrhythmus im Berichtsjahr stark zugenommen. Auf der Basis des Entscheids des Parlaments vom 7. Dezember 2009, den Beitrag zugunsten von Bulgarien und Rumänien auszuweiten, wurden die entsprechenden bilateralen Rahmenabkommen am 7. September unterzeichnet.

Am 1. September hat der Bundesrat die Aufstockung und Verlängerung der schweizerischen Unterstützung zugunsten der Länder Osteuropas verabschiedet und ans Parlament überwiesen. Der fünfte Rahmenkredit von 730 Millionen Schweizerfranken, der im Juni 2007 vom Parlament gutgeheissen wurde, wird bis Ende 2012 um 290 Millionen Schweizerfranken erhöht. Zudem verabschiedete der Bundesrat am 8. September die Botschaft zur Schweizer Beteiligung an den Kapitalerhöhungen der multilateralen Entwicklungsbanken (Kapitalerhöhungsbotschaft). Ausserdem genehmigte er am 17. September eine Botschaft zuhanden des Parlaments, welche darlegt, wie die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) auf 0,5 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) bis 2015 erreicht werden kann (0,5 %-Botschaft).

Die zusätzlichen Mittel sollen in Projekte und Programme im Bereich Wasser und 1479

Klima eingesetzt werden sowie der Schweiz erlauben, ihren multilateralen Verpflichtungen nachzukommen. Der Bundesrat zeigt in dieser Botschaft auch auf, dass eine Erhöhung der APD-Quote auf 0,5 % des BNE Mehrausgaben von 140 bis zu 700 Millionen Schweizerfranken jährlich zur Folge hätte. Er hat deshalb in der Botschaft einen möglichen Mittelweg (APD-Quote von 0,45 % des BNE in den Jahren 2011­2012) aufgezeigt. Die Beratungen dieser drei Botschaften im Parlament haben in der Wintersession begonnen und werden in der Frühlingssession 2011 abgeschlossen. Das Jahr 2011 wird geprägt sein durch die Lancierung der Arbeiten für das Verfassen der neuen Rahmenkredite 2013­2016 für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas.

Das SECO veröffentlicht jährlich einen zusammenfassenden Bericht über die Wirkung seiner Aktivitäten in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung.

Aufgrund der Resultate der externen Evaluationen von 2005­2009 wird die Qualität des Portfolios zu 78 % als voller Erfolg beurteilt. Im Berichtsjahr hat das SECO zudem die Resultate der unabhängigen Evaluation der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit im Energiesektor sowie den Wirksamkeitsbericht im Agrarbereich ­ letzterer in Zusammenarbeit mit der DEZA ­ publiziert.

7.1

Bilaterale Unterstützungsmassnahmen

7.1.1

Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungsländern

7.1.1.1

Makroökonomische Unterstützung

Neben der andauernden Betreuung der Budgethilfen und der begleitenden technischen Unterstützung in diversen bisherigen Schwerpunktländern (Burkina Faso, Mosambik, Nicaragua und Tansania) wurde der Aufbau des Projektportfolios in den neuen Schwerpunktländern vorangetrieben.

Die neuen Schwerpunktländer weisen sowohl im Finanzsektor als auch im Bereich der öffentlichen Finanzverwaltung typischerweise einen höheren Entwicklungsstand auf als die bisherigen. Dies schlug sich entsprechend in der Projektpipeline nieder.

So wurden in Peru beispielsweise Aktivitäten zur Unterstützung von Privatkunden im Umgang mit Finanzdienstleistungen und zur Unterstützung der Reform der Nationalbank lanciert. In Vietnam wurden weitere Aktivitäten zur Regulierung und Entwicklung des Bankensektors aufgenommen. In Ghana wurde die technische Unterstützung der Steuerverwaltung intensiviert. In Ägypten wurden die technischen Kapazitäten der Schuldenverwaltung gestärkt.

Auf strategischer Ebene konnte die Partnerschaft mit dem IWF massgeblich vorangetrieben werden. Das bilaterale Finanzierungsprogramm für technische Hilfe des IWF in den Schwerpunktländern des SECO im Süden ist erfolgreich gestartet worden. Im Laufe des Jahres konnte bereits ein substanzielles Projektvolumen zugunsten dieser Länder aufgebaut werden. Ferner wurde der globale IWF Multi-GeberFonds zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung vollständig operationell. Ein erstes Treffen des Steering Committee des Fonds unter Schweizer Vorsitz hat im März in Bern stattgefunden.

1480

7.1.1.2

Handelsrelevante Entwicklungszusammenarbeit

In der Handelsförderung standen im Berichtsjahr die Weiterführung der internationalen Debatte zum Thema Aid for Trade, die Förderung von freiwilligen privaten Nachhaltigkeitsstandards und Labels sowie die Finanzierung von klimarelevanten Massnahmen in den Bereichen Tropenwald und Industrie im Vordergrund.

Gegenüber dem Vorjahr erholte sich die Situation im Welthandel. Auch die Exporte der Entwicklungsländer im Rohstoff-, Industriegüter- und Dienstleistungsbereich stiegen an. Ziel der Massnahmen im Handelsbereich ist es, Exporteuren in Entwicklungsländern Wissen im Bereich technischer Qualitätsstandards, Produktekennzeichnungsvorschriften, Exportmarketing und Produktedesign zu vermitteln. Ergänzend dazu werden die Partnerländer auch auf handelspolitischer Ebene beraten.

Sowohl mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank (mit Bezug auf Kolumbien und Peru) als auch mit der Weltbank (Indonesien) wurden Programme zur politischen Beratung im Handelsbereich lanciert. Die Schweiz unterstützt Laos hinsichtlich dessen Beitritt zur WTO. Ein wichtiger Bestandteil ist im Agrarbereich insbesondere die Einführung von marktbasierten Instrumenten zur Verringerung des Risikos bei wetterbedingten Ernteausfällen oder zur Absicherung von Preisschwankungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diese Instrumente werden in Zusammenarbeit mit der Weltbank und internationalen Versicherungsgesellschaften entwickelt. Darüber hinaus konnte mit der Weltbank ein Programm zur Unterstützung von Regierungen für eine effizientere Arbeitsmarktdatenerhebung und -analyse als Basis für die Ausarbeitung von griffigeren Politiken gegenüber krisenbedingten Arbeitsmarktfluktuationen aufgebaut werden. Dieses Programm ergänzt die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der IAO zur Verbesserung der Arbeitsabläufe, Erhöhung der Arbeitssicherheit und Umsetzung der IAO-Kernkonventionen auf Unternehmensebene. Dazu wurde während des Staatsbesuches von Bundespräsidentin Leuthard in Indonesien ein von der Schweiz finanziertes Projekt lanciert, welches Arbeitsstandards in den lokalen KMU fördert.

Bei der Förderung des nachhaltigen Handels spielen freiwillige Standards und Labels eine wichtige Rolle. Deshalb hat die Schweiz den Aufbau eines von verschiedenen Interessengruppen getragenen Nachhaltigkeitsstandards im Baumwollbereich (Better Cotton Initiative)
unterstützt. Auf Initiative der Schweiz konnte ein Geberkonsortium mit Holland und Schweden zusammengestellt werden, das in koordinierter Weise den Ausbau der weltweiten Anstrengungen im fairen Handel fördert. Ziele dabei sind der Aufbau neuer Produkte und die Ausweitung bestehender Produktesortimente. Es nehmen unter anderem Migros, WWF und IKEA als Partner an dieser Initiative teil. Ferner wurden in Zusammenarbeit mit der Stiftung Helvetas und Schweizer Schokoladeherstellern zwei Projekte in Ghana und Honduras zur Förderung von Bio- und Fairtrade Kakao lanciert. Im Berichtsjahr hat der Bundesrat auch entschieden, dem revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommen von 2010 beizutreten (vgl. Ziff. 11.2.3).

Auch in Entwicklungsländern ist der öffentliche Sektor ein wichtiger Einkäufer, dessen Verhalten Auswirkungen auf die Produktion haben kann. Deshalb hat die Schweiz Ghana bei der Modernisierung des Einkaufswesens unterstützt und die Einführung einer Politik der nachhaltigen Beschaffung gefördert.

Im Rahmen des über den Handel geförderten Klimaschutzes engagierte sich die Schweiz weiterhin für Massnahmen gegen die Zerstörung des Tropenwaldes sowie 1481

für Verminderung der Treibhausgasemissionen in der Industrie. Im Kontext der EFTA-FHA mit Kolumbien, Peru und Tunesien wurden verschiedene Projekte zur Verbesserung der Exportkapazitäten sowie zur Einführung umweltfreundlicher Produktionsweisen in der Industrie lanciert.

Während des Berichtsjahres hat der Bundesrat entschieden, dass die Schweiz aus der Internationalen Studiengruppe zu Jute in Bangladesch sowie aus der Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) austritt.

7.1.1.3

Investitionsförderung

Die Aktivitäten der Schweiz im Rahmen der Investitionsförderung sind auf die Verbesserung des Geschäftsumfelds und die KMU-Förderung in den Partnerländern ausgerichtet.

Im Berichtsjahr wurden die Investitionsförderungsprogramme in den sieben Schwerpunktländern weiter ausgebaut. Besondere Anstrengungen wurden unternommen, um das Engagement in Südafrika zu verstärken, wo die Managementkapazitäten und der Zugang von KMU zu Finanzierung verbessert werden soll. Im Rahmen einer vielversprechenden Zusammenarbeit mit dem privatem Monitor Group-Konsortium wird zudem untersucht, wie über innovative, marktbasierte Ansätze das unternehmerische Potential der ärmsten Bevölkerungsschichten besser genutzt werden kann. In Ghana sollen auf gesetzlicher und technischer Ebene die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Geschäftsbanken in vermehrtem Masse gesicherte Darlehen an Unternehmen vergeben, währen in Indonesien über regulatorische Reformen das Investitionsklima auf breiter Front verbessert werden soll. In Kolumbien und Peru sind mehrere Privatsektorförderungsmassnahmen in Vorbereitung, die nächstes Jahr zur Umsetzung gelangen dürften.

Verstärkt wurden zudem die Bemühungen, die Investitionsförderung in noch grösserem Umfang in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen. Zu diesem Zweck sind zwei Projekte in Südafrika und Indonesien in Prüfung, welche die Finanzierung von KMU-Investitionen in saubere Technologien fördern sollen.

Entgegen den ursprünglichen Erwartungen konnte die Etablierung der SIFEM AG (Swiss Investment Fund for Emerging Markets) als eine durch den Bund kontrollierte und kapitalisierte schweizerische Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft noch nicht vollständig abgeschlossen werden. Allerdings hat der Bundesrat im Rahmen von zwei Beschlüssen zur SIFEM AG im Frühjahr und im Herbst wesentliche Eckpfeiler der Institutionalisierung festgelegt. Die endgültige Etablierung ist für das Frühjahr 2011 vorgesehen.

7.1.1.4

Infrastrukturfinanzierung

Die Verbesserung der Basisinfrastruktur in Entwicklungsländern wird auf drei Hauptachsen verfolgt, namentlich der Finanzierung und Einführung moderner, angepasster Umwelttechnologien und -verfahren, der Verbesserung der Finanzstärke und Kreditwürdigkeit von Versorgungsbetrieben sowie der Verbesserung der sektoralen und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Spezielle Priorität geniessen Projekte im Klimabereich, welche die Partnerländer dabei unterstützen, ihren Bei1482

trag an die globalen Massnahmen gegen den Klimawandel zu leisten. So wurde ein zusammen mit der Weltbank finanziertes Projekt zur Förderung erneuerbarer Energien in Vietnam genehmigt. Das Ziel der Unterstützung ist die Ausarbeitung der gesetzlichen, regulatorischen und finanzpolitischen Grundlagen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sowie die Vorbereitung erster Projektvorschläge. Ferner beteiligt sich das SECO mit einem Beitrag von 20 Millionen Schweizerfranken am Scaling-Up Renewable Energy Program, das Teil des Climate Investment Fund ist, des gegenwärtig grössten multilateralen Klimafonds. Das Programm soll aufzeigen, dass eine klimafreundliche Energieversorgung auch in armen Ländern möglich ist, indem es den Anstoss für den Auf- und Ausbau entsprechender Energiequellen gibt. Es ist davon auszugehen, dass die mit diesem Fonds gesammelten Erfahrungen in die künftigen Klimafinanzierungsmechanismen einfliessen werden. Im Bereich der Umwelttechnologie konnte zudem die Vorbereitung eines umfangreichen Projekts zur Abwasserentsorgung in verschiedenen vietnamesischen Städten abgeschlossen werden. Dieses sieht Investitionen, technische Assistenz und Wissenstransfer vor, welche die Wassergesellschaften beim Aufbau, der Verbesserung und beim Management ihres Kanalisationssystems und einer effizienten Abwasserbehandlung unterstützen. Parallel dazu wurde das Engagement im Abfallbereich ausgebaut; Vorarbeiten für entsprechende Projekte in Peru, Ägypten und Indonesien wurden geleistet. In diesen Projekten geht es um die umweltgerechte Entsorgung von Siedlungs- und Sonderabfällen, um damit einen Beitrag an die sparsame Verwendung von Ressourcen, die Siedlungshygiene und an die Reduktion der Treibhausgasemissionen zu leisten.

7.1.2

Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Ländern Osteuropas und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)

7.1.2.1

Infrastrukturfinanzierung

Das umfassendste Programm für Osteuropa und die GUS stellt die Infrastrukturfinanzierung dar. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf die Sektoren Energie sowie Trink- und Abwasser. Eine besondere Wichtigkeit wird dabei der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien sowie der betriebswirtschaftlichen Stärkung der Versorgungsunternehmen eingeräumt.

Wichtige Fortschritte konnten sowohl im Energie- wie auch im Wasserprogramm erreicht und damit ein Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Partnerländer geleistet werden. In beiden Bereichen verfügt die Schweiz über hochwertige Güter und ausgewiesene Kompetenzen. In einem zusammen mit der Weltbank finanzierten Projekt zur Senkung von kommerziellen Stromverlusten in Tadschikistan konnte trotz Schwierigkeiten ein wichtiges Etappenziel erreicht werden. Es wurden ein modernes Rechnungsstellungs- und Inkasso-System sowie 160 000 Stromzähler installiert, welche der nationalen Stromgesellschaft erlauben, die Kunden und deren Zahlungen korrekt zu erfassen und verbrauchsabhängige Rechnungen zu stellen. In Kirgisistan wurde ein umfassenderes Projekt zur Reduktion von Stromverlusten erfolgreich zu Ende geführt. Die Beseitigung der wichtigsten technischen und betrieblichen Engpässe hat zu einer stabileren Stromversorgung und zu einer 50 % Reduktion der Versorgungsausfälle und der kommerziellen Verluste geführt.

1483

In Serbien wurden Abklärungen über die Machbarkeit eines Biomasse-Fernheizkraftwerkes vorgenommen. Dabei ging es um die Prüfung der Quelle und Verfügbarkeit von Biomasse sowie die Auswahl einer angemessenen Technologie, welche eine effiziente Stromproduktion und Beheizung umliegender Gebäude zulässt.

In den Städten Samarkand und Buchara in Usbekistan wurde ein Trinkwasserprojekt grösstenteils beendet. Mit der Installation von neuen Pumpen und anderen Anlageteilen wurde eine Reduktion der Energiekosten um 15 % und eine Wasserversorgung rund um die Uhr erreicht. Dank eines öffentlichen Leistungsvertrags wird in Zukunft eine klare Kompetenzregelung zwischen der nationalen Wasserbehörde und den beiden städtischen Wassergesellschaften gewährleistet sein. Damit wird die Leistung der Gesellschaften vergleichbar und der Betrieb und die Nutzung der Wasserressourcen effizienter. Die Vorbereitung von weiteren Projekten im Bereich der Effizienzsteigerung von Wassergesellschaften wurde sowohl in Usbekistan wie auch in Kirgisistan (u.a. in der vor Kurzem von Unruhen betroffenen Stadt Osch) vorangetrieben. In Mazedonien konnte das Wasserprogramm durch ein neues, grenzüberschreitendes Abwasserprojekt sowie ein Projekt zur Bewirtschaftung eines Flusseinzugsgebietes ergänzt werden. Mit diesen Projekten wird Mazedonien bei der Umsetzung der EU-Umweltrichtlinien unterstützt und ein Beitrag an die Erfüllung der Voraussetzungen für einen EU-Beitritt geleistet.

7.1.2.2

Makroökonomische Unterstützung

In den Transitionsländern lag der Fokus der neuen Interventionen weitgehend beim Aufbau von Kapazitäten im Bereich des öffentlichen Finanzwesens, namentlich beim Schuldenmanagement (Kirgisistan, Tadschikistan), der Budgetierung (Kirgisistan, Serbien), der Steuerverwaltung (diverse Balkan-Staaten) und der Rechnungslegung sowie der Kontrolle des öffentlichen Sektors (Tadschikistan). Diese Interventionen sind typischerweise eingebettet in eine breitere Reform-Agenda, die von weiteren bilateralen und multilateralen Geberländern und -institutionen (insbesondere der Weltbank) unterstützt wird. In einigen Ländern wurden diese Interventionen durch ausgewählte Projekte des SECO im Finanzsektor ergänzt. So wurden beispielsweise in Kirgisistan, Turkmenistan und Usbekistan Projekte zur Verbesserung der Geldwäschereikontrolle umgesetzt. In Aserbaidschan wiederum wurde der Zugang zu Finanzdienstleistungen verbessert. Zudem wurde die Unterstützung im Bereich der makroökonomischen Analyse weiter ausgebaut.

Ähnlich wie sein Pendant im Süden, ist auch das neue bilaterale Finanzierungsprogramm für technische Hilfe des IWF in den Schwerpunktländern des SECO in den Transitionsländern erfolgreich angelaufen. Die Projektpipeline ist bereits gut entwickelt. Auf regionaler Ebene wurde ferner die Umsetzung der PEM-PAL (Public Expenditure Management Peer Assisted Learning) Initiative weiter voran getrieben.

Sie bietet sämtlichen Schwerpunktländern des SECO im Osten eine Plattform für den Erfahrungsaustausch im Umgang mit Reformen im Bereich des öffentlichen Finanzwesens.

1484

7.1.2.3

Investitionsförderung und handelsrelevante Zusammenarbeit

Die Investitionsförderung in den GUS-Staaten stand im Berichtsjahr ganz im Zeichen der Konsolidierung und Umsetzung bereits laufender Massnahmen. Lediglich in Kirgisistan wurde mit der dritten Phase eines Unternehmensberatungsprogramms für KMU ein neues Projekt bewilligt, das von den politischen Wirren glücklicherweise weitgehend verschont blieb. In Südosteuropa wurde als Reaktion auf die immer stärker zu Tage tretende Verschuldungs- und Kreditausfallproblematik in der Mikrofinanz ein Projekt in Bosnien und Herzegowina lanciert, das dazu beitragen soll, die Branche stärker zu regulieren und das Risikomanagement der Mikrofinanzunternehmen zu verbessern.

Im Rahmen der handelsfördernden Massnahmen hat die Schweiz weiterhin aktiv die Projekte mit dem Internationalen Handelszentrum in Genf (ITC) in Kirgisistan und Tadschikistan zur Verbesserung der Exportkapazitäten im Textilsektor umgesetzt.

Die Begleitung der WTO-Beitrittsverfahren von Serbien und Tadschikistan wurde fortgesetzt. In Serbien konnte zudem ein neues Projekt zum Aufbau einer Exportförderplattform in den Bereichen Informationstechnologie, Medizinaltechnik und Biotechnologien lanciert werden. Dieses Projekt zielt darauf ab, Forschung und Entwicklung, den Privatsektor und die serbische Diaspora in den erwähnten Sektoren besser zu vernetzen.

7.1.3

Erweiterungsbeitrag

Mit dem Erweiterungsbeitrag beteiligt sich die Schweiz am Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten innerhalb der erweiterten EU (vgl. Ziff. 3.2.4). Bis Mitte Oktober haben das SECO und die DEZA, die auf Schweizer Seite für die Umsetzung des Erweiterungsbeitrags zuständig sind, 74 Projekte provisorisch und 86 Projekte definitiv genehmigt. Der Gesamtbetrag der provisorisch bewilligten Projekte beläuft sich auf rund 461 Millionen Schweizerfranken, derjenige der definitiv genehmigten Projekte auf rund 306 Millionen Schweizerfranken. Von den für Projekte vorgesehenen 950 Millionen Schweizerfranken sind somit insgesamt fast 81 % definitiv oder provisorisch verpflichtet. Die gesamten Auszahlungen für Projekte belaufen sich auf 82 Millionen Schweizerfranken.

An den Jahrestreffen mit den zehn Partnerstaaten wurde eine positive Zwischenbilanz gezogen. Aufgrund der mit diesen Ländern vereinbarten Planung sollten die Mittel des Erweiterungsbeitrags wie vorgesehen bis Mitte 2012 für prioritäre Projekte und Programme verpflichtet werden können.

Das Parlament hat am 7. Dezember 2009 der Ausdehnung des Erweiterungsbeitrags auf Bulgarien und Rumänien zugestimmt. Die Rahmenabkommen wurden am 7. September unterzeichnet. Der Betrag beläuft sich auf 257 Millionen Schweizerfranken (Bulgarien 76 Mio. CHF, Rumänien 181 Mio. CHF) über eine Verpflichtungsperiode von fünf Jahren. Bis Mitte Oktober wurden zwei Projekte im Umfang von 231 000 Schweizerfranken definitiv genehmigt.

1485

7.2

Multilaterale Entwicklungsorganisationen

7.2.1

Weltbankgruppe40

Die Weltbankgruppe (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD, zugunsten der fortgeschritteneren und Association for International Development, IDA, zugunsten der ärmsten Länder) nahm bei der Bekämpfung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine bedeutende Rolle ein. Es gelang ihr, eine antizyklische Rolle zu spielen, bei der sie auch 2009 ihr Ausleihvolumen temporär massiv erhöhen konnte, und zwar auf rund 33 Milliarden US-Dollar. Ferner wurde sie dank ihrer Erfahrung und ihrer vielfältigen Kompetenzen bei den internationalen Koordinationsbemühungen zur Bekämpfung der Krise einbezogen und mit analytischen und operationellen Aufgaben betraut. An der Frühjahrestagung beschlossen die Gouverneure zwei Massnahmenpakete mit mittelfristig wegweisender Bedeutung für die Bank. Zum einen wurde eine Verschiebung der Stimmrechte um 3 % zugunsten der Entwicklungsländer beschlossen, wodurch die Bank der Gewichtsverschiebung auf der globalen Bühne Rechnung tragen und ihre Legitimität verbessern kann. Insgesamt wird die schweizerische Stimmrechtsgruppe leicht gestärkt aus dieser Anpassung der Stimmrechte hervorgehen, da andere Stimmrechtsgruppenländer ihre Anteile erhöhen konnten und so die geringe Einbusse der Schweiz von rund 0,2 % ausgleichen. Zum anderen vereinbarten die Mitgliedsländer, die Kapitalbasis der Bank um 45 % auf 276 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Diese Erhöhung ist notwendig, damit die Bank im Anschluss an die Krisenmassnahmen ein jährliches Ausleihvolumen von rund 15 Milliarden US-Dollar tätigen und so die fortgeschritteneren Länder bei der Bekämpfung der Armut und von sektoriellen Herausforderungen unterstützten kann. Anlässlich der Jahrestagung wählte auch Kasachstan den schweizerischen Exekutivdirektor, wodurch die von der Schweiz angeführte Stimmrechtsgruppe gestärkt wurde und neu aus neun Ländern besteht.

Bei der IDA wurden die alle drei Jahre stattfindenden Verhandlungen über die Wiederauffüllung (IDA-16) abgeschlossen. Die Gebernationen beschlossen, die Ressourcen um insgesamt 18 % gegenüber IDA-15 auf 49,3 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Dabei wurde der bankinterne Beitrag in Form von Transfers von der IBRD und der Internationalen Finanzierungsgesellschaft (IFC) sowie vorgezogenen Kreditrückzahlungen durch graduierte IDA-Länder zugunsten von IDA maximiert.
Dadurch konnte der Beitrag der Geberländer, welche sich angesichts verschiedener Auffüllungs- und Kapitalerhöhungsverhandlungen an der Grenze ihrer Möglichkeiten sahen, zum Teil kompensiert werden. Die Schweiz beabsichtigt, ihren gegenwärtigen Lastenanteil an den IDA-Beiträgen von 2,1 % zu halten. Dies vorbehältlich der Zustimmung des Parlaments zur 0,5 %-Botschaft (vgl. Ziff. 7, 1. Abschnitt).

Inhaltlich wird IDA in den folgenden drei Jahren der Resultatorientierung eine übergeordnete Bedeutung beimessen und insbesondere die Themen Gleichstellung der Geschlechter, Klimawandel, fragile Staaten sowie Krisenmechanismus behandeln.

Die IFC ist innerhalb der Weltbankgruppe auf die Finanzierung von Investitionen, die Mobilisierung von zusätzlichem privatem Kapital und die Bereitstellung von Beratungsdienstleistungen für Firmen und Regierungen ausgerichtet. Im Rahmen der Massnahmen gegen die Wirtschaftskrise war sie zur Stützung des Finanzsektors, in 40

Vgl. Ziff. 11.1.1 «Finanzielles Engagement der Schweiz 2010 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken».

1486

erster Linie in Osteuropa, gefordert, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.

Weiter konnte sie in armen und etwas fortgeschritteneren Entwicklungsländern mittels innovativer Ansätze temporäre Finanzierungen bereitstellen. Gleichzeitig vermochte die IFC, ihre vorgesehenen Aktivitäten entsprechend ihrer strategischen Schwerpunkte (u.a. Klima) in den armen Entwicklungsländern wie auch in fragilen Staaten fortzusetzen. Aufgrund des hohen Mittelbedarfs bei der Krisenbekämpfung bewilligten die Teilhaber der IFC eine selektive Kapitalerhöhung von 8 % (von 2,4 Mrd. auf 2,6 Mrd. USD). Die Schweiz beteiligt sich daran und hält einen Stimmenanteil von 1,65 %, dies vorbehältlich der Zustimmung des Parlaments zur Kapitalerhöhungsbotschaft. Unter dem Titel «IFC 2013» leitete das Management eine umfassende organisatorische Neuausrichtung ein, welche besonders darauf zielt, mittels Dezentralisierung die Institution näher zu den Kunden zu bringen.

Die multilaterale Garantieagentur (MIGA) der Weltbankgruppe setzte ihre Bestrebungen fort, sich verstärkt auf die Kundenbedürfnisse auszurichten, wofür eine Anpassung ihrer Statuten beschlossen wurde. Die krisenbedingte Zurückhaltung seitens des Privatsektors bei neuen Investitionen hat jedoch zur Folge, dass sich die MIGA deutlich unter dem anvisierten Geschäftsvolumen bewegt.

7.2.2

Regionale Entwicklungsbanken41

7.2.2.1

Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB)

Die AfDB und der Afrikanische Entwicklungsfonds (AfDF), das konzessionelle Fenster der Bank zugunsten der ärmsten Entwicklungsländer, haben im Zuge der global abgestimmten Massnahmen zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Ausleihtätigkeit zugunsten der afrikanischen Länder intensiviert. Dabei ist die AfDB an die Grenzen ihrer statutarisch festgelegten Ausleihkapazität gestossen und Verhandlungen unter den Mitgliedländern über eine sechste allgemeine Kapitalerhöhung fanden statt. Die Gouverneure stimmten an der Jahresversammlung im Mai einer Verdreifachung des Kapitals auf rund 100 Milliarden US-Dollar zu, was ein jährliches Darlehensvolumen von rund 5,5 Milliarden US-Dollar ermöglicht. Die Wiederauffüllungsverhandlungen des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF-12), welche alle drei Jahre stattfinden, wurden im Herbst abgeschlossen und ermöglichen dem Fonds 2011­2013, 9,5 Milliarden US-Dollar für die ärmsten Länder Afrikas einzusetzen. Die Schweiz plant ihren traditionellen Anteil sowohl in der AfDB (1,46 %) wie auch dem AfDF (2,47 %) zu halten. Dies vorbehältlich der Zustimmung des Parlaments zur Kapitalerhöhungs- respektive 0,5 %-Botschaft (vgl.

Ziff. 7, 1. Abschnitt).

Mit der Kapitalerhöhung der AfDB und der Wiederauffüllung des AfDF wurde je ein Gesamtpaket verabschiedet, welches u.a. eine Erhöhung der Finanzierung in den Kernsektoren (u.a. Infrastrukturfinanzierung, Privatsektorförderung, regionale Integration und fragile Staaten), Unterstützung der regionalen Mitgliedsländer bei globalen Herausforderungen wie Ernährungsunsicherheit und Klimawandel (insbesondere erneuerbare Ressourcen und Energieeffizienz) sowie eine Vertiefung institutioneller Reformen vorsieht.

41

Vgl. Ziff. 11.1.1 «Finanzielles Engagement der Schweiz 2010 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken».

1487

Im Rahmen einer begrenzten Erweiterung des Exekutivrats von 18 auf 20 Sitze war auch die Gruppe der Schweiz (mit den nordischen Ländern und Indien) betroffen.

Seit Juli ist die Schweiz neu mit Deutschland und Portugal in einer Stimmrechtsgruppe. Durch diesen Wechsel konnte die Schweiz ihre Vertretung wesentlich verbessern und ist nun permanent im Büro des Exekutivdirektors vertreten.

7.2.2.2

Asiatische Entwicklungsbank (AsDB)

Die fünfte allgemeine Kapitalerhöhung bei der AsDB wurde im Mai 2008 vor dem Hintergrund der Langfriststrategie 2020 lanciert, um die Bank rechtzeitig mit den nötigen Kapitalressourcen für deren Umsetzung auszustatten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Diskussionen beschleunigt, und bereits im April 2009 stimmten die Mitgliedsländer im Grundsatz der Erhöhung der Kapitalbasis um 200 % zu. Die AsDB kann somit ihr Kapital auf rund 165 Milliarden US-Dollar erhöhen und ein jährliches Ausleihvolumen von rund 10 Milliarden US-Dollar vergeben. Die Schweiz plant, ihren Anteil von 0,58 % am Aktienkapital der AsDB zu halten. Dies vorbehältlich der Zustimmung des Parlaments zur Kapitalerhöhungsbotschaft (vgl. Ziff. 7, 1. Abschnitt).

Mit den zusätzlichen Ressourcen konzentriert sich die AsDB neben der Armutsbekämpfung auf ein nachhaltiges und für alle zugängliches Wachstum (inclusive growth), auf die Themen Klima und Umwelt sowie auf die regionale Integration.

Diese Ziele verfolgt die Bank durch die Förderung des Privatsektors, von guter Regierungsführung, Gleichstellung der Geschlechter, Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in der Region sowie Bereitstellung von Expertise. Zudem gehen mit der Kapitalerhöhung weitere institutionelle Reformen der Bank einher.

Anlässlich der mid-term review des Asiatischen Entwicklungsfonds (AsDF-10) im November wurden u.a. die kontinuierliche Umsetzung der institutionellen Reformen der Bankgruppe überprüft sowie die wichtigen Themen Entwicklungswirksamkeit, Klimawandel und Umgang mit fragilen/post-Konflikt Staaten diskutiert.

7.2.2.3

Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB)

Die neunte Kapitalerhöhung der IDB war das bestimmende Thema im Berichtsjahr.

Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die Mitgliedsländer im Juli auf eine Kapitalerhöhung von 70 %, von 100 auf 170 Milliarden US-Dollar. Die Kapitalerhöhung ermöglicht der IDB bis 2020 eine Darlehensvergabe von 12 Milliarden US Dollar jährlich. Mit der Kapitalerhöhung wurden auch institutionelle Reformen innerhalb der Bank verabschiedet. Dazu gehören unter anderem die Stärkung der Entwicklungswirksamkeit ihrer Operationen, ein ergebnisorientiertes Management sowie die Modernisierung ihres Einkommensmodells. Die Umsetzung dieser Reformen wurde im dritten Quartal in Angriff genommen.

Die Schweiz hat sich an den Verhandlungen der neunten Kapitalerhöhung intensiv beteiligt und sich für verschiedene Reformen eingesetzt. Sie plant, sich entsprechend ihres traditionellen Aktienanteils von 0,47 % an der Kapitalerhöhung zu beteiligen.

Dies vorbehältlich der Zustimmung des Parlaments zur Kapitalerhöhungsbotschaft (vgl. Ziff. 7, 1. Abschnitt).

1488

7.2.2.4

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

Die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Transitionsländern blieb ein vorrangiges Anliegen der EBRD. Sie hat 2009 zum zweiten Mal in Folge einen Verlust verzeichnet, und ihre Tätigkeit verharrte auch im Berichtsjahr auf einem hohen Niveau. Vor diesem Hintergrund hat die Jahresversammlung der Gouverneure einen neuen mittelfristigen Aktionsplan (2011­2015) gutgeheissen, der eine vorübergehende Kapitalerhöhung um 50 % auf 20 Milliarden Euro vorsieht und die Weiterführung der Aktivitäten auf dem Niveau von neun Milliarden Euro erlaubt.

Diese Erhöhung erfordert jedoch keinen einzahlbaren Beitrag der Mitgliedsländer.

Mit dieser Lösung soll eine Unterstützung der Region im Nachgang zur Krise ermöglicht werden. Der Schwerpunkt bleibt dabei auf die wirtschaftliche Entwicklung der bei der Transition am wenigsten fortgeschrittenen Länder sowie auf das Ziel ausgerichtet, dass die neuen EU-Länder bis zum Ende der Periode graduieren (Aufgabe des Empfängerlandstatus). Auf sektoraler Ebene will die Bank zu einer effizienteren Verwendung der Energieressourcen in der Region und zur Verbesserung der Produktivität im Agrar- und Lebensmittelsektor beitragen, um das Risiko einer weltweiten Lebensmittelkrise zu mindern.

7.2.2.5

Entwicklungsbank des Europarates (CEB)

Für die CEB war das Jahr 2010 erneut herausfordernd, weil die Krise in Osteuropa nach wie vor deutlich spürbar geblieben ist. Sektoriell blieb die Bank hauptsächlich auf die Bereiche Bildung und Gesundheit, Demokratieförderung (Aufbau von Institutionen) und Privatsektorförderung ausgerichtet. Die Bank sieht vor, aufgrund der erhöhten Ausgaben im Kontext der Krise die Erhöhung ihres Grundkapitals zu prüfen. Gleichzeitig setzte sie ­ aufgrund des hohen Drucks verschiedener Teilhaber der Institution ­ im Berichtsjahr ihre Bestrebungen fort, ihre interne Gouvernanz zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. Trotzdem ist das Reformtempo eher langsam und es bestehen Überschneidungen mit den Mandaten anderer europäischer Entwicklungsinstitutionen. Die Schweiz ist deshalb daran, ihre Mitgliedschaft bei der CEB zu überdenken.

8

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz haben sich im Berichtsjahr gegenüber den durch die Weltwirtschafts- und Finanzmarktkrise erschwerten Bedingungen im Vorjahr normalisiert, was sich auch in den erneut steigenden Handelsvolumen widerspiegelt.

Die Umsetzung der in den vergangenen vier Jahren vom Bundesrat verabschiedeten Aussenwirtschaftsstrategien gegenüber Märkten mit besonderem Potenzial ­ Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) sowie der Türkei, Indonesien, den Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats (GCC), Mexiko und Südafrika ­ wurde im Berichtsjahr fortgesetzt. Im Vordergrund standen insbesondere die 1489

Aufnahme von Verhandlungen über FHA, die Durchführung von Wirtschaftsmissionen sowie zahlreiche Tagungen Gemischter Wirtschaftskommissionen mit den wichtigen Handelspartnern der Schweiz.

Die Wirtschaftsbeziehungen mit unseren traditionell wichtigsten Handelspartnern wurden auch im Berichtsjahr auf höchstem Niveau gepflegt. Einen Höhepunkt bildete das 60-Jahr-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und China. Anlässlich des Treffens von Bundespräsidentin Doris Leuthard mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao wurde eine Absichtserklärung zur baldigen Aufnahme von bilateralen Verhandlungen über ein FHA unterzeichnet. Neben zahlreichen bilateralen Besuchen innerhalb Europas begab sich die Bundespräsidentin zudem im Juli auf Wirtschaftsmissionen nach Indonesien und Singapur. Im Rahmen ihres Arbeitstreffens mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew konnte ein neuer Aktionsplan für die Periode 2011­2013 unterzeichnet werden, der die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsverkehr zum Ziel hat.

8.1

Westeuropa und Südosteuropa

In den ersten neun Monaten des Berichtsjahres verharrte der Anteil Europas am schweizerischen Aussenhandel bei 71 %. Mit 68 % ist die EU nach wie vor der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Der Handel mit den 27 EU-Mitgliedsländern nahm in den ersten zehn Monaten des Berichtsjahres um 7,0 % zu. Im Unterschied zum Vorjahr stieg die Bedeutung der zentral- und südosteuropäischen Länder als Absatzmarkt für die schweizerischen Exporte mit Zuwachsraten von 8 % in den ersten zehn Monaten im Jahr 2010 wieder an. Der Aussenhandel mit der Türkei verzeichnete einen Zuwachs von 15 % in der gleichen Periode.

Die Intensivierung der bilateralen Kontakte mit den EU-Ländern wurde in der Berichtsperiode fortgesetzt. Anlässlich des World Economic Forum (WEF) in Davos im Januar traf sich Bundespräsidentin Doris Leuthard mit den Präsidenten Frankreichs, Nicolas Sarkozy, und Polens, Lech Kaczynski. Im Februar begab sie sich nach Spanien, wo sie Gespräche mit König Juan Carlos I, Ministerpräsident José Luis Zapatero und mehreren Ministern führte. Im März besuchte sie in Wien den österreichischen Präsidenten Heinz Fischer sowie mehrere Ministerkollegen. Im April weilte die Bundespräsidentin zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, welche sie im Juni anlässlich der gemeinsamen Eröffnung der Internationalen Luft- und Raumfahrt Ausstellung (ILA) ein weiteres Mal traf. Im Mai führte sie Gespräche mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sowie mit Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. Ende Mai fand in Mainz das traditionelle Treffen der Wirtschaftsminister der Schweiz, Österreichs und Deutschlands statt. Ende Juni empfing die Bundespräsidentin den niederländischen Premierminister Jan-Pieter Balkenende in Bern. Im Juli begab sie sich zu einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy nach Paris. Im August empfing sie den polnischen Vizepremierminister Waldemar Pawlak zu einem offiziellen Besuch. Mit Prinz Alois von und zu Liechtenstein sowie Regierungschef Klaus Tschütscher führte sie Anfang September Gespräche anlässlich eines offiziellen Besuches in Vaduz. Im gleichen Monat empfing sie in Bern den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff im Rahmen eines Staatsbesuches 1490

sowie den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker. Im Oktober reiste die Bundespräsidentin zu einem Staatsbesuch nach Norwegen, wo sie König Harald V, Thronfolger Haakon, Premierminister Jens Stoltenberg, Aussenminister Jonas Gahr Store sowie Industrie- und Handelsminister Trond Giske traf. Im November empfing sie den slowenischen Präsidenten Danilo Türk. Mit unseren Nachbarstaaten wurden zudem die bilateralen jährlichen Treffen auf technischer Ebene durchgeführt, wobei jenes mit Frankreich zum ersten Mal stattfand. Der neue Vorsteher des EVD, Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann absolvierte im November und Dezember Antrittsbesuche bei seinen Ministerkollegen in Italien (Wirtschaftsentwicklungsminister Paolo Romani), Frankreich (Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde) und Österreich (Bundeswirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Bundeslebensminister Nikolaus Berlakovich). Sämtliche Treffen haben erneut gezeigt, wie wichtig enge Kontakte der Schweiz mit den europäischen Ländern für die Beziehungen mit der EU sind.

Die bilateralen Beziehungen mit Südosteuropa erfuhren eine Intensivierung durch das Inkrafttreten der EFTA-FHA mit Serbien und Albanien (vgl. Ziff. 4.1). Im Mai traf sich die Bundespräsidentin in Bern mit dem serbischen Ministerpräsidenten Mirko Cvetkovic. Im Juni empfing sie den Präsidenten Mazedoniens, Gjorge Ivanov. Der Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül im November stellte einen Meilenstein für die Festigung der Beziehungen mit diesem Land dar. Die Umsetzung der vom Bundesrat im Februar 2009 verabschiedeten aussenwirtschaftspolitischen Strategie des EVD für die Türkei wurde fortgesetzt und ermöglichte Fortschritte bei der Beseitigung von Handelshemmnissen.

8.2

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)

Der Aussenhandel mit den GUS-Ländern, die 2009 von der Krise hart getroffen wurden, hat sich im Berichtsjahr wieder stark erholt (+ 37 %). Die schweizerischen Exporte erhöhten sich um 22 % und die Importe um 59 %. Der Handel mit Russland entspricht rund der Hälfte dieses Warenverkehrs. Der Anstieg der Exporte war besonders deutlich mit Russland (+ 25 %) und mit der Ukraine (+ 31 %). Der Anteil der GUS-Länder am schweizerischen Aussenhandel stieg auf 1,8 % (gegen 1,4 % im Vorjahr).

Die Umsetzung der aussenwirtschaftspolitischen Strategie des EVD für Russland sowie des für die Periode 2007­2010 abgeschlossenen bilateralen Aktionsplans wurden weitergeführt. In diesem Zusammenhang unterzeichneten Bundespräsidentin Leuthard und die russische Ministerin für Wirtschaftsentwicklung, Elvira Nabiullina, in Sotschi im August im Rahmen des offiziellen Besuches beim russischen Präsidenten Dmitri Medwedew einen neuen Aktionsplan für die Periode 2011­2013, der die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Handelsbeziehungen zum Ziel hat. Zu den neuen Massnahmen dieses Aktionsplans gehören die Zusammenarbeit im Energiebereich sowie die Vereinfachung der Zollformalitäten für die temporäre Ausfuhr von Präzisionsinstrumenten zu Reparaturzwecken. Die Teilnahme des Staatssekretärs für Wirtschaft am St. Petersburg International Economic Forum im Juni diente ebenfalls der Vertiefung der Beziehungen mit Russland. Im gleichen Monat empfing die Bundespräsidentin den georgischen Ministerpräsidenten Nika Gilauri in Bern. Die Verhandlungen über ein Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Turkmenistan wurden fortgeführt und analoge Verhandlungen mit Tadschikistan 1491

aufgenommen. Die Tagungen der bilateralen Wirtschaftskommissionen, die mit Aserbaidschan (Januar), Belarus (März), Usbekistan (Juni) in Bern und mit der Ukraine (Oktober) in Zürich stattfanden, bezweckten, die allgemeinen Rahmenbedingungen für die schweizerischen Unternehmen in diesen Ländern zu verbessern.

8.3

Nordamerika

Die amerikanische Wirtschaft erholt sich allmählich von der schwersten Rezession seit der Grossen Depression der Dreissigerjahre. Die wirtschaftliche Situation bleibt dennoch angespannt. Sorgen bereiten insbesondere das weiter anwachsende Haushaltsdefizit sowie die Lage auf dem Immobilienmarkt. Trotzdem legten die Schweizer Exporte in den ersten neun Monaten des Berichtsjahres wieder um 9,7 % zu, nachdem sie 2009 deutlich gesunken waren (­9,4 %).

Auch im Berichtsjahr prägte der Fall UBS die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Januar eine Beschwerde gegen die Herausgabe von Bankdaten im Rahmen des Amtshilfegesuchs der amerikanischen Steuerbehörden gutgeheissen hatte, unterbreitete der Bundesrat das mit den USA vereinbarte Abkommen zur Leistung von Amtshilfe in Sachen UBS dem Parlament. Dieses genehmigte den Staatsvertrag am 17. Juni. Die Lieferung der 4 450 von den USA verlangten Kundendossiers ist weitgehend abgeschlossen. Das Protokoll zur Änderung des DBA zwischen der Schweiz und den USA auf dem Gebiet der Einkommenssteuern wurde vom Parlament im Juni angenommen. Nun muss noch der US-Senat darüber befinden.

Die bilaterale Wirtschaftskommission (Joint Economic Commission) tagte im Juni in Washington. Diskutiert wurde unter anderem über finanzregulatorische Reformen ­ insbesondere über die Too big to fail-Problematik ­ und über neue US-Steuerregulierungen zur Erfassung von Auslandkonten von US-Personen (Foreign Account Tax Compliance Act, FATCA). Weitere Themen waren die Besteuerung von Rückversicherern, Korruptionsbekämpfung, Energiepolitik und Klimawandel, Ernährungssicherheit, Sanktionen, Exportkontrollen und die Doha-Runde.

Im Rahmen des Kooperationsforums Schweiz-USA für Handel und Investitionen wurde die Arbeit an verschiedenen Themen fortgeführt, darunter Handel und Sicherheit, Geistige Eigentumsrechte einschliesslich Abschluss der Verhandlungen zu einem plurilateralen Abkommen gegen Fälschung und Piraterie (ACTA, vgl.

Ziff. 5.8.2), Amtshilfe im Zollbereich sowie spezifische Firmenprobleme und Datenschutz bei der Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Firmen der Schweiz und der USA.

Das Visa Waiver Program befreit Schweizer Bürger bei Reisen in die USA von der Visumspflicht. Die USA knüpfen den Verbleib der Schweiz in
diesem Programm an die Bedingung, zwei weiteren Abkommen betreffend Austausch von Daten über potentielle oder bekannte Terroristen sowie biometrischer und daktyloskopischer Daten krimineller Personen beizutreten. Im Rahmen des zweitgenannten Abkommens prüft die Schweiz zurzeit die Teilnahme am europäischen Projekt Prüm, welches dieselbe Zielsetzung verfolgt. Zudem erheben die USA seit September eine Bearbeitungsgebühr von vierzehn US-Dollar auf die Registrierung im Electronic System for Travel Authorization (ESTA), die für eine Reisegenehmigung in die USA

1492

ohne Visum zwingend ist. Die Reisegenehmigung wird in der Regel für zwei Jahre oder bis zum Ablauf des Reisepasses erteilt.

Die bilateralen Handelsbeziehungen mit Kanada wurden durch das seit 1. Juli 2009 in Kraft getretene FHA der EFTA-Staaten mit Kanada verstärkt. Die Schweiz ist mittlerweile der viertgrösste Direktinvestor in Kanada. Im Oktober empfing Bundespräsidentin Doris Leuthard Premierminister Stephen Harper zu einem offiziellen Besuch in Bern. Dabei wurden bilaterale Themen, die internationale wirtschaftliche und finanzpolitische Lage sowie verschiedene UNO-Themen besprochen. Im Rahmen dieses Arbeitsbesuches wurde zudem das revidierte DBA unterzeichnet.

8.4

Lateinamerika

Im Berichtsjahr hat auch Lateinamerika zu wirtschaftlichem Wachstum zurückgefunden. Dies widerspiegelt sich in den schweizerischen Exporten, die nach einem starken Rückgang 2009 (­15,5 %) wieder kräftig angestiegen sind (Januar­Oktober: +11,6 %). Die Schweizer Firmen haben ihre Präsenz in der Region auch mittels Direktinvestitionen weiter verstärkt.

Die Umsetzung der Aussenwirtschaftsstrategien für Brasilien und Mexiko wurde im Rahmen von Sitzungen der Gemischten Kommissionen fortgeführt. Die Gespräche mit Mexiko konzentrierten sich auf verschiedene Fragen zu den lokalen Bedingungen für Investoren, zum Schutz des geistigen Eigentums und zu spezifischen, vorwiegend die Pharmaindustrie betreffende Probleme.

Was Brasilien betrifft, wurde der Schwerpunkt auf die Abkommen zur Doppelbesteuerung sowie zum Austausch von Praktikanten gelegt, die zurzeit verhandelt werden. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen konnten zudem durch eine im Juli von Staatssekretär Jean-Daniel Gerber geleitete Wirtschaftsmission intensiviert werden. Ebenfalls im Juli begab sich Staatssekretär Gerber nach Argentinien und Peru, um aktuelle wirtschaftspolitische Themen zu erörtern und die Anliegen der Schweizer Unternehmen darzulegen. In Peru boten Treffen mit verschiedenen Ministern Gelegenheit, die Kooperation insbesondere im Rahmen von Projekten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken.

Die Schweiz und Uruguay unterzeichneten ein DBA. Mit Kolumbien wurde das bereits 2007 ausgehandelte DBA ratifiziert, es sollte in naher Zukunft in Kraft treten.

8.5

Asien und Ozeanien

Während die Volkswirtschaften Asiens und Ozeaniens unterschiedlich von der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen waren, verlief die Entwicklung im Berichtsjahr mit einem Aufschwung wieder deutlich positiver. Besonders China, Indien, Singapur und Chinesisch Taipei dürften gemäss Schätzungen des IWF wieder ein bedeutendes Wirtschaftswachstum verzeichnet haben. Beachtliche Wachstumsraten konnten einige der Mitgliedländer der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), Thailand, Malaysia, Vietnam und Indonesien sowie Korea und Hong Kong-China, ausweisen. Das Wachstum in Australien, Japan und Neuseeland fiel zwar im Vergleich zu den oben genannten Volkswirtschaften moderater, im Ver1493

gleich zu anderen etablierten Industriestaaten jedoch ebenfalls insgesamt positiver aus. Der asiatisch-ozeanische Raum war entsprechend gut positioniert, um vom Wiederaufschwung des Welthandels im Berichtsjahr profitieren zu können.

Diese Verbesserung hat sich auch positiv auf die Schweizer Exportindustrie ausgewirkt. So stiegen die Ausfuhren aus der Schweiz nach Asien und Ozeanien in den ersten neun Monaten des Berichtsjahres im Vergleich zur selben Periode des Vorjahrs um 14,9 %. Das grösste Warenhandelsvolumen unter allen asiatisch-ozeanischen Handelspartnern erwirtschaftete die Schweizer Wirtschaft mit China, gefolgt von Japan, Hong Kong-China und Indien.

Das 60-Jahr-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und China war gleichzeitig auch ein Jubiläum langjähriger guter bilateraler Wirtschaftsbeziehungen. Der bilaterale Handelsvertrag von 1974 setzte dabei einen wichtigen Akzent. China (einschliesslich Hong Kong-China) ist seit 2002 der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien.

Die Feierlichkeiten rund um das Jubiläum prägten auch das Besuchsprogramm von Bundespräsidentin Doris Leuthard. So hat die Bundespräsidentin im Januar den chinesischen Vize-Premierminister Li Keqiang und im Juni den Vorsitzenden des Chinesischen Nationalen Volkskongresses Wu Bangguo empfangen. Im August stattete sie, begleitet von einer Wirtschaftsdelegation, China einen Besuch ab. Sie vertrat den Bundesrat bei den Feierlichkeiten zum Nationentag der Schweiz an der Weltausstellung von Shanghai. Im Beisein der Bundespräsidentin und des chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao wurde am 13. August in Beijing eine Absichtserklärung unterzeichnet, welche die baldige Aufnahme von bilateralen Freihandelsverhandlungen in Aussicht stellt (vgl. Ziff. 4.3.2).

Eine Gelegenheit für den Austausch mit hochrangigen Vertretern aus dem asiatischozeanischen Raum bot sich Bundespräsidentin Doris Leuthard im Januar am Rande des World Economic Forum (WEF) in Davos. Dort traf die Vorsteherin des EVD mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-Bak, dem thailändischen Premierminister Abhisit Vejjajiva, dem vietnamesischen Premierminister Nguyen Tan Dung sowie der indonesischen Handelsministerin Mari Elka Pangestu zusammen.

Anlässlich des offiziellen Besuches des vietnamesischen Präsidenten Nguyen Minh Triet in
der Schweiz im Mai unterhielten sich die beiden Präsidenten über die Entwicklungszusammenarbeit und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Machbarkeitsstudie zur Vorbereitung der Aufnahme von Freihandelsverhandlungen zwischen den EFTA-Staaten und Vietnam (vgl. Ziff. 4.2).

Mit einer Wirtschaftsdelegation begab sich die Bundespräsidentin im Juli nach Indonesien und Singapur. Zusammen mit dem indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono wurden die Verhandlungen über ein umfassendes Freihandels- und wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien lanciert (vgl. Ziff. 4.2). In Singapur wurde die Bundespräsidentin von Präsident Sellapan Ramanathan empfangen, und sie tauschte sich mit dem Finanzminister und dem Handels- und Industrieminister zu Wirtschaftsthemen aus.

Weitere Gelegenheiten zur Pflege und Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit asiatischen Partnerstaaten bot im Mai der Arbeitsbesuch von Staatssekretär Jean-Daniel Gerber in Südkorea, bei dem auch ein Symposium zur Feier des 50-Jahr-Jubiläums der EFTA stattfand. Zudem lancierten die Schweiz und Japan im Juni in Tokio den im Freihandels- und wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen 1494

vorgesehenen Unterausschuss zur Förderung engerer Wirtschaftsbeziehungen (vgl.

Ziff. 4.3.1). Schliesslich fanden gegen Ende des Berichtsjahres die Tagungen der Gemischten Wirtschaftskommissionen mit Indien, China und Indonesien in der Schweiz statt.

8.6

Mittlerer Osten und Afrika

8.6.1

Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA)

Die Länder der MENA-Region, vor allem die erdölexportierenden Länder42, konnten ihren Nichterdölsektor durch Stimulierungspakete vor den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise schützen. Gemäss neusten Zahlen des IWF wird davon ausgegangen, dass das durchschnittliche Wirtschaftswachstum dieser Länder bereits wieder 3,8 % betragen wird. Andererseits konnten sich die erdölimportierenden Länder43 aufgrund ihrer zum Teil limitierten Finanz- und Handelsintegration sowie dank positiver Externalitäten der expansiven Fiskalpolitik ihrer Nachbarstaaten der Krise weitgehend entziehen. Im Berichtsjahr wird für diese Länder ein BIPWachstum von durchschnittlichen 5,0 % erwartet. Gesamthaft wird für die MENARegion im Berichtsjahr von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 4,1 % ausgegangen (im Vergleich zu 2 % für Europa und 2,7 % für die USA).

Die Schweizer Exporte in die MENA-Region sanken in den ersten zehn Monaten des Berichtsjahres im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft um 0,3 % auf 8,07 Milliarden Schweizerfranken und die Importe stiegen um 4,2 % auf 2,1 Milliarden Schweizerfranken an. Gemessen am weltweiten Warenhandel der Schweiz machen Importe und Exporte mit der MENA-Region rund 3,5 % aus. Der Warenhandel mit den Mitgliedsländern des Golfkooperationsrates (GCC)44 beträgt knapp die Hälfte dieses Handelsvolumens.

Zur Umsetzung der Aussenwirtschaftsstrategie für die GCC-Länder, welche im Oktober 2007 vom Bundesrat verabschiedet wurde, konnten im Berichtsjahr weitere Schritte unternommen werden. So stattete die Bundespräsidentin im Oktober dem Emirat Katar einen Arbeitsbesuch ab und führte dort Gespräche mit dem Emir, Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al-Thani, mit Premierminister Hamad bin Jassem bin Jabr Al-Thani sowie mit dem Wirtschafts- und Finanzminister. Einen weiteren Schritt bildete die von Staatssekretär Jean-Daniel Gerber geleitete Wirtschaftsmission nach Saudi-Arabien und in das Emirat Katar von Ende Oktober.

Dabei wurde insbesondere die Notwendigkeit einer baldigen Ratifizierung des FHA EFTA-GCC bekräftigt (vgl. Ziff. 4.2).

Anschliessend an ihren Arbeitsbesuch im Emirat Katar reiste die Bundespräsidentin auf Einladung des Königs mit einer gemischten Wirtschaftsdelegation nach Jordanien. Neben einem Arbeitsgespräch mit König Abdullah II ibn Hussein al-Hashemi führte sie Gespräche mit Premierminister Samir Rifai, mit mehreren Ministern und mit dem Präsidenten des Senats, Taher Masri.

42 43 44

Algerien, Bahrain, Irak, Iran, Jemen, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi Arabien, Sudan und Vereinigte Arabische Emirate.

Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Syrien und Tunesien.

Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

1495

Staatssekretär Gerber begab sich Anfang Juni mit einer Wirtschaftsdelegation nach Ägypten und unterzeichnete das ISA zwischen der Schweiz und Ägypten (vgl.

Ziff. 11.2.2) und eröffnete den Anlass zur Feier des 50-jährigen Bestehens der EFTA (vgl. Ziff. 3.3).

Der Staatssekretär des SECO traf sich ausserdem im September am Rande des Comptoir Suisse in Lausanne mit Mohammed Safadi, dem Minister für Wirtschaft und Handel des Gastlandes Libanon.

8.6.2

Subsahara Afrika (SSA)

Das Wirtschaftswachstum der Region wird für das Berichtsjahr gemäss Schätzungen des IWF auf 5 % prognostiziert (im Vergleich zu 2,6 % im Jahr 2009). Dieses Wachstum fusst auf der Neubelebung der Exporte nach Europa, der Erholung der Rohstoffpreise, aber auch auf einer robusten lokalen Nachfrage. Der Wiederanstieg der internationalen Erdölpreise und die allmähliche Erholung in der globalen Nachfrage wirkten besonders stützend auf die erdölexportierenden Länder45 der Region.

Die Middle-Income-Länder46 in SSA waren durch ihre grössere Integration in den Weltmarkt von der Wirtschaftskrise stärker betroffen. Die Low-Income-Länder47 wiederum waren der Krise am wenigsten ausgesetzt, weshalb im Berichtsjahr keine grossen konjunkturellen Änderungen zu verzeichnen sind.

Trotz der guten Entwicklung stiegen die Schweizer Exporte in die Länder der SSA in den ersten zehn Monaten des Berichtsjahres im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode gesamthaft nur um 1,7 % auf 1,4 Milliarden Schweizerfranken an und die Importe sanken um mehr als 40 % auf 0,99 Milliarden Schweizerfranken.

Verglichen mit dem weltweiten Warenhandel der Schweiz wurden nur gerade rund 0,7 % der Waren mit dieser Region gehandelt.

Die Umsetzung der Aussenwirtschaftsstrategie für Südafrika, welche im Dezember 2007 vom Bundesrat genehmigt worden war, ist im Berichtsjahr weiter vorangekommen. Ende März reiste der Staatssekretär des SECO mit einer Wirtschaftsdelegation nach Südafrika und traf sich zu bilateralen Gesprächen mit mehreren Ministern sowie mit der Gouverneurin der südafrikanischen Zentralbank. In Pretoria fand die zweite Sitzung der Gemischten Wirtschaftskommission) Schweiz­Südafrika statt.

Auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Ghana konnten im Berichtsjahr weiter vertieft werden. So stattete der Präsident der Republik Ghana John Evans Atta Mills in Begleitung mehrerer Ministerkollegen der Bundespräsidentin am 30. August einen offiziellen Besuch ab.

Anlässlich des Frankophoniegipfels in Montreux vom 22. bis 28. Oktober traf die Bundespräsidentin mit der ägyptischen Ministerin für Internationale Kooperation Faiza Abul Naga, mit dem algerischen Senatspräsidenten Abdelkader Bensalah sowie mit verschiedenen Staatsoberhäuptern der SSA-Region (Kamerun, Burundi, Benin, die Republik Kongo, Tschad und Gabun) zusammen.

45 46 47

Angola, Äquatorial Guinea, Gabun, Nigeria, Republik Kongo und Tschad: durchschnittlich erwartetes BIP-Wachstum 2010 von 6,7 %.

Botswana, Kap Verde, Mauritius, Namibia, Seychellen, Swasiland und Südafrika: durchschnittlich erwartetes BIP-Wachstum 2010 von 3,3 %.

Äthiopien, Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun, Kenia, Tansania und Uganda: durchschnittlich erwartetes BIP-Wachstum 2010 von 4,9 %.

1496

9

Exportkontroll- und Embargomassnahmen In den internationalen Exportkontrollregimen setzt sich die Schweiz für gezielte Kontrollen ein, welche sich auf proliferationsrelevante und kritische Güter konzentrieren und der technologischen Entwicklung Rechnung tragen. Durch ihre aktive Mitwirkung engagiert sich die Schweiz für praxistaugliche Kontrollen zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportindustrie. Die geplanten Revisionen im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar sowie der Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG) bieten eine gute Möglichkeit für die konkrete Umsetzung dieser Politik.

Im Bereich der wirtschaftlichen Zwangsmassnahmen führte das EVD eine Vernehmlassung zur Änderung des Embargogesetzes durch. Aufgrund eines Beschlusses des UNO-Sicherheitsrates wurde eine neue Sanktionsverordnung gegenüber Eritrea erlassen. Hingegen konnten die Zwangsmassnahmen gegenüber Sierra Leone nach dreizehn Jahren aufgehoben werden. Die Massnahmen gegenüber Iran wurden erneut verschärft. Im Gegensatz zur Schweiz haben die USA, die EU und weitere Länder weitergehende Sanktionen gegenüber Iran beschlossen. Das SECO sah sich mit einer Vielzahl von Anfragen zu IranGeschäften konfrontiert.

9.1

Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen

9.1.1

Politische Entwicklungen international und national

Die Schweiz ist Mitglied der vier bestehenden internationalen Exportkontrollregime48, welche Massnahmen für den Export von Gütern und Technologien zur Herstellung oder zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. von konventionellen Waffen erarbeiten. Als weltweit einer der wichtigsten Exporteure von kontrollierten doppelt verwendbaren Gütern (Dual-Use Güter) hat die Schweiz ein grosses Interesse daran, die Weiterentwicklung dieser Regime aktiv mitzugestalten.

So hat sich die Schweiz im Rahmen der Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG) aktiv dafür eingesetzt, dass ihre Rechte und Interessen insbesondere im Bereich der Anreicherungstechnologie gewahrt werden. Ein ursprünglich von den USA eingebrachter Vorschlag zur Änderung der Richtlinien hätte die Schweiz in dieser Beziehung benachteiligt. Die formelle Verabschiedung des neuen Textes steht noch aus.

Vor dem Hintergrund wichtiger technologischer Entwicklungen hat die NSG Ende 2010 mit der Revision ihrer Kontrolllisten begonnen, welche sich über mehrere Jahre hinziehen wird. Die Schweiz hat sich dafür eingesetzt, dass kürzlich eingebrachte Einzelvorschläge zur Anpassung der Güterlisten wie zum Beispiel die Tren48

Australiengruppe (AG), Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG), Raketentechnologie Kontrollregime (MTCR), Vereinbarung von Wassenaar (WA) mit je rund vierzig Teilnehmerstaaten.

1497

nung von stabilen Isotopen im Rahmen der Revision behandelt werden. Die NSG ist für die Schweizer Industrie insbesondere wegen ihrer Bestimmungen für Werkzeugmaschinen und Vakuum-Technologie von grosser Bedeutung.

Die Schweiz hat im Berichtsjahr den Vorsitz der Plenarversammlung der Vereinbarung von Wassenaar übernommen. Unter ihrer Leitung wurden die Beitrittsgesuche Serbiens und Islands geprüft. Vor deren definitiven Aufnahme muss noch die Umsetzung der einschlägigen Gesetzgebungen beobachtet werden. Im Dezember hat das Plenum den Zeitplan für die Arbeiten zur Gesamtüberprüfung der Funktionsweise des Regimes gutgeheissen. Unabhängig vom Plenumsvorsitz hat die Schweiz wie bereits im Vorjahr die Treffen der Bewilligungsbehörden der Teilnehmerstaaten dieses Regimes (Licencing and Enforcement Officers Meeting, LEOM) präsidiert.

Die Australiengruppe hat zum Ziel, die Weiterverbreitung von chemischen und biologischen Waffen zu verhindern. Im Rahmen dieses Regimes organisierte die Schweiz im November in Genf ein Zwischentreffen, um über die Umsetzung und Weiterentwicklung der Kontrollen zu diskutieren.

Nach der missbräuchlichen Verwendung eines von der Schweiz an Tschad gelieferten militärischen Trainingsflugzeugs beschloss der Bundesrat 2008, einen Vorschlag für die Revision des Güterkontrollgesetzes (SR 946.202) auszuarbeiten. Konkret sollte ein neuer allgemeiner Ablehnungsgrund in den Gesetzestext aufgenommen werden. Der Nichteintretensbeschluss des Parlaments zeigt, dass die Mehrheit der Räte die bestehenden gesetzlichen Grundlagen als ausreichend beurteilt.

In den vergangenen Jahren war eine stetige Zunahme von Beschaffungsversuchen für nicht kontrollierte Güter zu verzeichnen, die auf Grund ihrer technischen Eigenschaften ebenfalls für proliferationsrelevante Zwecke missbraucht werden können.

Ein Entscheid des Bundesgerichts von Januar zeigte, dass basierend auf der bestehenden Gesetzgebung (Meldepflicht oder Catch-all-Klausel gemäss Art. 4 der Güterkontrollverordnung, GKV, SR 946.202.1) solche Fälle nur unzureichend geahndet werden können. Eine entsprechende Anpassung der GKV wird geprüft.

9.1.2

Kontrolle bewilligungs- oder meldepflichtiger Güter

Die bewilligungspflichtigen doppelt verwendbaren und die besonderen militärischen Güter werden von der GKV sowie der Chemikalienkontrollverordnung (ChKV, SR 946.202.21) erfasst. Die im Rahmen der Exportkontrollregime beschlossenen Nachführungen werden regelmässig in die Anhänge der GKV übernommen. Die letzte Anpassung datiert vom 1. Januar.

Die Eckdaten zu den Ausfuhren im Rahmen des GKG sind in der Tabelle unter Ziffer 9.1.3 zusammengefasst. Der Gesamtwert aller Güter, die mit einer Bewilligung exportiert wurden, liegt allerdings um ein Vielfaches über dem angegebenen Betrag von 721,3 Millionen Schweizerfranken, denn in dieser Summe sind Güter, die mit einer Generalausfuhrbewilligung exportiert wurden, nicht enthalten.

In der Berichtsperiode lehnte das SECO insgesamt vier Exportgesuche ab, darunter zwei sogenannte Catch-all-Meldungen gemäss Artikel 4 GKV. Die im Vergleich zum Vorjahr geringe Anzahl von Ablehnungen dürfte sich durch die erzielten Erfolge in den Nonproliferationsbestrebungen begründen lassen, welche die Beschaffungsversuche bereits in einem frühen Stadium verhindern. Diese Beschaffungsabwehrmassnahmen basieren auf einer engen Zusammenarbeit des SECO 1498

mit anderen Bundesbehörden, insbesondere der Zollverwaltung und dem Nachrichtendienst, sowie auf internationaler Kooperation. Zudem dürfte auch die gesteigerte Sensibilität der relevanten Wirtschaftskreise dazu beigetragen haben, dass diese vermehrt bereits im Vorfeld auf möglicherweise proliferationsrelevante und kritische Geschäfte verzichten. In Bezug auf Iran trugen zudem zunehmende Schwierigkeiten bei der finanziellen Abwicklung von Geschäften zur grundsätzlichen Zurückhaltung der Industrie bei.

Die von der Schweiz erlassenen Sanktionen gegenüber Iran, basierend auf der Resolution 1929 des UNO-Sicherheitsrates, und ihre Diskrepanz zu den durch die USA, die EU und weitere Länder beschlossenen erweiterten Sanktionen (vgl. Ziff. 9.2.1), trugen zur erhöhten Wachsamkeit, aber auch Verunsicherung der Wirtschaft bei.

Beim SECO gingen zahlreiche Anfragen betreffend der weiterhin möglichen legalen Geschäftstätigkeiten aus der Schweiz mit Iran ein. So wurden vom SECO allein in der Periode Juni bis September über 270 Anfragen bezüglich der Ausfuhr nicht kontrollierter Güter in den Iran im Gesamtwert von 123 Millionen Schweizerfranken geprüft und für nicht proliferationsrelevant befunden.

9.1.3

Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 wurden gestützt auf GKV und ChKV die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche oder der Meldepflicht unterstellten Ausfuhren bewilligt bzw. abgelehnt: Einzelbewilligungen1

Anzahl

Wert in Mio. CHF

158 400

28,0 211,5

180

33,1

56

40,7

569 167

355,7 45,8

­ Waffen (nach Anhang 5 GKV)2

68

1,5

­ Sprengstoff (nach Anhang 5 GKV)3

21

4,5

­ bewilligte Güter nach ChKV

13

0,5

1 632

721,3

­ Nuklearbereich (NSG): ­ eigentliche Nukleargüter ­ doppelt verwendbare Güter ­ doppelt verwendbare Güter im Chemie- und Biologiewaffenbereich (AG) ­ doppelt verwendbare Güter im Raketenbereich (MTCR) ­ Bereich konventionelle Waffen (WA): ­ doppelt verwendbare Güter ­ besondere militärische Güter (ohne Kriegsmaterial)

Total

1499

Abgelehnte Ausfuhren ­ ­ ­ ­ ­

im Rahmen der NSG im Rahmen der AG im Rahmen des MTCR im Rahmen des WA im Rahmen der Catch all-Regelung

Total Meldungen nach Art. 4 GKV (Catch all)

Anzahl

Wert in CHF

­ 1 1 ­ 2

­ 130 152 5 000 000 ­ 451 230

4

5 581 382

24

­

Anzahl Generalausfuhrbewilligungen4 ­ Ordentliche Generalausfuhrbewilligungen (OGB nach GKV)

145

­ Ausserordentliche Generalausfuhrbewilligungen (AGB nach GKV)

25

­ Generalausfuhrbewilligungen (nach ChKV)

10

Total

180

Einfuhrzertifikate

530

1 2 3 4

Gewisse Bewilligungen können doppelt aufgeführt sein, da sie von zwei Exportkontrollregimen erfasst werden.

Waffen, deren Ausfuhr nur national (Waffengesetz vom 20. Juni 1997, SR 514.54), aber nicht international kontrolliert ist.

Sprengstoff, dessen Ausfuhr nur national (Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977, SR 941.41), aber nicht international kontrolliert ist.

Es handelt sich um sämtliche gültigen Generalausfuhrbewilligungen. Diese haben eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren.

9.2

Embargomassnahmen

Das Bundesgesetz vom 22. März 2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG, SR 946.231) ist seit dem 1. Januar 2003 in Kraft. Es hat sich grundsätzlich bewährt und bietet eine solide Grundlage für die Umsetzung internationaler Sanktionsbeschlüsse in der Schweiz. Bei der Anwendung des Gesetzes hat sich in der Praxis dennoch ein Anpassungsbedarf bei verschiedenen Bestimmungen ergeben. Ein Entwurf zur Änderung des EmbG wurde deshalb am 18. Juni in die Vernehmlassung gegeben. Vorgeschlagen wurden insbesondere eine Anpassung der Amtshilfebestimmung, eine Erweiterung des Geltungsbereichs der Zwangsmassnahmen sowie mehrere Änderungen bei den Strafbestimmungen.

1500

9.2.1

Embargomassnahmen der UNO

In Übereinstimmung mit den Beschlüssen des zuständigen UNO-Sanktionskomitees wurde der Anhang 2 der Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban (SR 946.203) im Berichtsjahr mehrmals nachgeführt (AS 2010 555, 891, 1235, 1607, 2183, 3331, 3515, 3627, 4057, 4935, 5249, AS 2011 49). Dieser Anhang enthält die Namen der Personen, Gruppen und Organisationen, welche den Sanktionsmassnahmen (Finanzsanktionen, Ein- und Durchreisesperre, Rüstungsgüterembargo) unterworfen sind. Ende Jahr waren in der Schweiz aufgrund dieser Verordnung Guthaben von rund 17 Millionen Schweizerfranken gesperrt.

Als Reaktion auf die Kritik am De-Listing-Verfahren beschloss der UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 1904 (2009) die Schaffung einer Ombudsstelle, die am 3. Juni vom UNO-Generalsekretär mit der kanadischen Richterin Kimberly Prost besetzt wurde. Am 4. März nahm der Nationalrat eine Motion des Ständerates (ehemals Motion Dick Marty) an. Diese verpflichtet den Bundesrat, die Sanktionen gegen natürliche Personen, die aufgrund von Resolutionen im Namen der Terrorismusbekämpfung ausgesprochen wurden, ab dem Jahr 2011 nicht mehr umzusetzen, falls gewisse rechtsstaatliche Bedingungen nicht erfüllt sind.

Die Geltungsdauer der Verordnung vom 18. Mai 2004 über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq (SR 946.206.1) wurde bis am 30. Juni 2013 verlängert (AS 2010 2805). Das Beschwerdeverfahren, welches in einem Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gezogen wurde, ist weiterhin hängig.

Die Verordnung vom 19. Januar 2005 über Massnahmen gegenüber Liberia wurde vom Bundesrat am 17. Februar geändert (AS 2010 683). Das Rüstungsgüterembargo wurde den Vorgaben der Resolution 1903 (2009) des UNO-Sicherheitsrates angepasst, zudem wurden die Finanz- und Reisesanktionen gegenüber einer natürlichen Person aufgehoben.

Die seit dreizehn Jahren bestehenden Sanktionen gegenüber Sierra Leone wurden vom UNO-Sicherheitsrat am 29. September mit der Resolution 1940 aufgehoben.

Die Regierung kontrolliert mittlerweile wieder das gesamte Hoheitsgebiet, und die nichtstaatlichen Streitkräfte wurden entwaffnet. Die
wirtschaftliche und soziale Lage hat sich ebenfalls verbessert. Der Bundesrat hob daraufhin die Verordnung vom 8. Dezember 1997 über Massnahmen gegenüber Sierra Leone (SR 946.209) am 3. November auf (AS 2010 5029).

Der Anhang der Verordnung vom 22. Juni 2005 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo (SR 946.231.12) wurde vom EVD am 28. September nach Vorgabe des zuständigen UNO-Sanktionskomitees angepasst (AS 2010 4505). Der Anhang listet die Personen, Unternehmen und Organisationen auf, deren Vermögenswerte gesperrt sind und die einer Ein- und Durchreisesperre unterliegen.

Der UNO-Sicherheitsrat beschloss am 9. Juni mit der Resolution 1929 zusätzliche Sanktionsmassnahmen gegenüber Iran, da dieser den Forderungen des Rates bezüglich seines Nuklear- und Raketenprogramms nicht nachgekommen war. Der Bundesrat setzte die verbindlichen Beschlüsse des Sicherheitsrates mit zwei Änderungen der Verordnung vom 14. Februar 2007 über Massnahmen gegenüber der Islamischen 1501

Republik Iran um (SR 946.231.143.6, AS 2010 2879, 3569). Die USA, die EU und verschiedene weitere Staaten ergriffen im zweiten Halbjahr zusätzliche unilaterale Sanktionsmassnahmen gegenüber Iran. Diese hatten unter anderem zur Folge, dass Zahlungen von bzw. in den Iran, auch für unproblematische Geschäfte, sehr schwierig wurden (vgl. Ziff. 9.1.2).

Mit der Verordnung vom 13. Mai 2009 über Massnahmen gegenüber Somalia (SR 946.231.169.4) werden die vom UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 1844 ergriffenen Massnahmen umgesetzt. Es handelt sich dabei um ein umfassendes Rüstungsgüterembargo sowie Finanz- und Reiserestriktionen. In Ausführung eines Beschlusses des UNO-Sanktionskomitees nahm das EVD am 7. Mai acht Personen sowie eine Organisation in den Anhang der Verordnung auf (AS 2010 2059).

Mit der Resolution 1907 (2009) erliess der UNO-Sicherheitsrat ein umfassendes Rüstungsgüterembargo sowie Finanz- und Reiserestriktionen gegenüber Eritrea. Das Land gefährdet mit der Unterstützung von bewaffneten somalischen Rebellengruppen die Friedensbemühungen sowie die Stabilität der Region. Ausserdem weigert sich Eritrea, die Resolution 1862 (2009) bezüglich der Grenzstreitigkeiten mit Djibouti zu respektieren. Zur Umsetzung dieses Sicherheitsratsbeschlusses erliess der Bundesrat am 3. Februar die Verordnung über Massnahmen gegenüber Eritrea (SR 946.231.132.9, AS 2010 559).

Die übrigen auf Beschlüssen des UNO-Sicherheitsrates basierenden Verordnungen wurden unverändert weitergeführt.

9.2.2

Embargomassnahmen der EU

Der Bundesrat beschloss am 24. Februar eine Verschärfung der Sanktionen gegenüber Guinea (AS 2010 767, SR 946.231.138.1). Gegenüber den bereits mit einem Einreiseverbot belegten Personen wurden ebenfalls Finanzsanktionen verhängt.

Zusätzlich wurde die Lieferung von Gütern, welche zur internen Repression verwendet werden können, untersagt sowie das Rüstungsgüterembargo ausgeweitet.

Die bestehende Verordnung, welche am 16. Dezember 2009 in Anlehnung an einen Beschluss der EU erlassen worden war, wurde einer Totalrevision unterzogen. Mit den Zwangsmassnahmen soll die Regierung Guineas dazu bewegt werden, möglichst rasch demokratische und rechtsstaatliche Verhältnisse herbeizuführen und die Menschenrechte zu respektieren. Mit der Änderung des Anhangs 2 der Verordnung vom 15. April (AS 2010 1611) wurden die Sanktionsmassnahmen gegenüber vier natürlichen Personen aufgehoben.

Die Zwangsmassnahmen gegenüber Simbabwe, welche der Bundesrat mit Verordnung vom 19. März 2002 (SR 946.209.2) in Anbetracht der Wahlmanipulationen und Menschenrechtsverletzungen in diesem Land beschlossen hatte, wurden weitergeführt. Es handelt sich dabei um ein Ausfuhrverbot für Rüstungs- und Repressionsgüter sowie Finanz- und Reisesanktionen gegenüber bestimmten Unternehmen und Personen mit engen Beziehungen zum Regime Mugabe. Das EVD strich, in Übereinstimmung mit EU-Beschlüssen, fünf Personen und neun Unternehmen aus der Liste in Anhang 2 der Verordnung (AS 2010 739, 905). Von den Sanktionsmassnahmen sind damit noch 198 Personen und 31 Unternehmen betroffen.

1502

Die Anhänge 2 und 3 der Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR 946.231.157.5) wurden in Übereinstimmung mit der EU nachgeführt (AS 2010 5549). Es handelt sich dabei um die Listen von Personen und Unternehmen, die den Sanktionsmassnahmen unterstehen.

Die ebenfalls in Anlehnung an die EU erlassenen Sanktionsverordnungen gegenüber bestimmten Personen aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien (SR 946.207) und gegenüber Belarus (SR 946.231.116.9) wurden unverändert weitergeführt.

9.3

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Die Massnahmen zur Umsetzung des internationalen Zertifizierungssystems für Rohdiamanten (Kimberley Process Certification Scheme) wurden weitergeführt.

Damit soll verhindert werden, dass Rohdiamanten aus Konfliktgebieten in den legalen Handel gelangen. Mit 73 teilnehmenden Staaten (einschliesslich die Mitgliedstaaten der EU) wird praktisch die gesamte weltweite Rohdiamantenproduktion bzw. der Rohdiamantenhandel durch das Zertifizierungssystem erfasst.

Nach neunmonatigem Verbot konnte Simbabwe im September erstmals Diamanten aus dem umstrittenen Marange-Gebiet versteigern. Der Kimberley Prozess hatte Simbabwe einer Spezialordnung unterstellt, nachdem bekannt geworden war, dass es in den Diamantenfeldern Maranges zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Armee gekommen war.

Die Schweiz hat zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 30. September 2010 insgesamt 516 Zertifikate für Rohdiamanten ausgestellt. In derselben Periode wurden Rohdiamanten im Wert von 1,29 Milliarden US-Dollar (10 Mio. Karat) importiert bzw. in Zolllager eingelagert und solche im Wert von 1,53 Milliarden US-Dollar (10 Mio. Karat) exportiert bzw. ausgelagert. Über 99 % des Rohdiamantenhandels findet in der Schweiz über die Zollfreilager statt. Die Zahlen bestätigen den Aufschwung im Diamantengeschäft nach der Krise.

10

Standortförderung

10.1

Exportförderung und Exportrisikoversicherung

Die Exportförderung und die Exportrisikoversicherung sowie die Standortpromotion des Bundes zielen darauf ab, die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen im Ausland zu erleichtern und die Grundlagen für eine erfolgreiche Ansiedlung ausländischer Investitionen in der Schweiz zu legen.

Neben den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise beeinflusste insbesondere die starke Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro die Geschäftstätigkeit von exportorientierten Schweizer Firmen. Die Nachfrage dieser Unternehmen nach Dienstleistungen von «Osec Business Network Switzerland» (Osec) sowie der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) war 2010 erneut ausgeprägt. Den im Rahmen der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen 2009 bzw. per Anfang 2010 lancierten neuen Projekten und Produkten

1503

beider Organisationen kam dabei besondere Bedeutung zu. Wie externe Evaluationen der Mandate des Bundes an Osec (Exportförderung und Standortpromotion) sowie der Tätigkeit der SERV zeigten, arbeiteten diese Organisationen in den letzten vier Jahren bedürfnisorientiert und effizient.

10.1.1

Osec Business Network Switzerland (Osec)

Operativ werden die Aufgaben im Bereich der Exportförderung seit 1927 durch den privatrechtlichen Verein Osec ausgeführt. Osec bietet schweizerischen und liechtensteinischen KMU insbesondere Erstinformation über ausländische Märkte und Basisberatung zu Exportfragen an, führt aber beispielsweise auch Schweizer Gemeinschaftsauftritte an ausländischen Leitmessen durch. Darüber hinaus vermittelt Osec auch kommerzielle Dienstleistungen.

Osec verfolgt eine Plattformstrategie, welche der Vorgabe der Subsidiarität folgt und auf dem Einbezug von privaten Beratern und Experten beruht. Die an private Experten und Firmen übertragenen Mandate haben weiter zugenommen und machen mittlerweise einen grossen Teil der Tätigkeiten aus. An die Industrie- und Handelskammern wurden 2009 insgesamt 1.1 Millionen Schweizerfranken für Aufträge und gemeinsame Projekte überwiesen. Insgesamt beschäftigte Osec an ihren Standorten in Zürich, Lausanne und Lugano per Ende 2010 111 Personen, was rund 96 Vollzeitstellen entspricht.

Im Ausland gehören die Schweizer Botschaften und Generalkonsulate zu den wichtigsten Partnern von Osec. In den wichtigsten aktuellen und zukunftsträchtigen Exportmärkten stützt sich Osec auf achtzehn Swiss Business Hubs. Sie sind in der überwiegenden Zahl der Fälle den Botschaften angegliedert. Zwei dieser Business Hubs, diejenigen in Kanada und in Südkorea, sind im Berichtsjahr neu eröffnet worden.

Im Herbst 2009 hatte das Parlament im Rahmen des dritten Pakets der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen den Aufbau von Exportplattformen beschlossen. Im Sinne einer Anschubfinanzierung soll damit innovativen, aber im Ausland weitgehend unbekannten KMU geholfen werden, ihre Produkte und Dienstleistungen unter einer gemeinsamen Dachmarke im Ausland zu vermarkten. Die Gesamtkoordination des Projektes wurde Osec im Rahmen ihres Exportfördermandates übertragen. Seit dem Frühsommer 2010 sind die drei Exportplattformen in den Bereichen Cleantech, Medtech sowie Architektur/Engineering/Design operativ.

Das Schwergewicht der Aktivitäten von Osec im Bereich der Exportförderung lag in der Berichtsperiode in der raschen Umsetzung der Zusatzmandate zugunsten der Konjunkturstabilisierung sowie der Optimierung der bestehenden Exportförderdienstleistungen. Die Nachfrage der KMU nach Osec-Dienstleistungen nahm im
Berichtsjahr nochmals signifikant zu.

Eine Evaluation bezeichnet die Arbeit der Osec in der Periode von 2008 bis Mitte 2010 insgesamt als zweckmässig und wirtschaftlich49. Die Subsidiarität wird gemäss 49

Schlussbericht Evaluation Leistungsvereinbarungen Exportförderung und Information Unternehmensstandort Schweiz 2008-2010, vgl.

http://www.seco.admin.ch/themen/00476/00479/index.html?lang=de.

1504

den Evaluatoren angemessen respektiert. Die von den Autoren der Studie gemachten operationellen und organisatorischen Empfehlungen beziehen sich vor allem darauf, dass Osec ihr internes Branchenwissen in der Exportförderung gezielt aufbauen und ergänzen solle. Osec solle gemäss den Evaluatoren zudem die Kundenbeziehungen noch besser pflegen und Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die noch spezifischer den Bedürfnisse kleiner Firmen entsprechen.

10.1.2

Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV)

Mit einem Neuengagement von 3,5 Milliarden Schweizerfranken und einem Unternehmenserfolg von 79,2 Millionen Schweizerfranken konnte der Bundesrat ein insgesamt erfolgreiches Geschäftsjahr 2009 der SERV zur Kenntnis nehmen.

Der starke Rückgang von Aufträgen für die Schweizer Exportwirtschaft in den Krisenjahren 2008 und 2009 führte zu Umsatzeinbrüchen und damit zu Liquiditätsengpässen, welche auch noch 2010 spürbar waren. Zwar hat sich die Auftragslage in der Schweizer Exportwirtschaft im Berichtsjahr erholt, doch vielen Firmen fehlten nach wie vor die finanziellen Mittel, um die Produktion zu finanzieren. In dieser Situation konnte die SERV insbesondere auch dank den im Rahmen der zweiten Phase der konjunkturstabilisierenden Massnahmen des Bundes eingeführten neuen Produkten die Exportunternehmen wirksam unterstützen. Zu diesen neuen Produkten gehören eine Fabrikationskreditversicherung, eine Bondgarantie und eine Refinanzierungsgarantie. Sie haben zum Ziel, den Exporteuren den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern und Liquiditätsengpässen vorzubeugen.

Insbesondere die Bondgarantien und Fabrikationskreditversicherungen stiessen seit ihrer Einführung im Mai 2009 auf ein grosses Echo: Mit über hundert Bondgarantien und Fabrikationskreditversicherungen konnte die SERV Exportgeschäfte im Auftragswert von über 1,5 Milliarden Schweizerfranken unterstützen, und damit einen wirkungsvollen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten. Über zwei Drittel der ausgestellten Bondgarantien und Fabrikationskreditversicherungen entfielen auf KMU.

Wie bereits in den Vorjahren waren Versicherungen der SERV für Exportgeschäfte in Länder wie Russland, Türkei oder nach Algerien besonders gefragt. Der Trend zur Absicherung von Projektfinanzierungen hielt an, zum Teil auch in Kernländern der OECD, schwächte sich aber gegenüber dem Vorjahr ab. Im Berichtsjahr kam es bei einigen Exporteuren zu Zahlungsverzögerungen. Trotzdem mussten bis anhin nur geringfügige Entschädigungen ausbezahlt werden. Erfahrungsgemäss kann die SERV diese ausbezahlten Entschädigungen, in der Regel auf der Grundlage von Umschuldungsabkommen mit den betroffenen Staaten, teilweise wieder einbringen.

Im Rahmen einer externen Evaluation wurde die Geschäftstätigkeit der SERV seit ihrer Betriebsaufnahme am 1. Januar 2007 umfassend
untersucht50. Die Evaluation bescheinigt ihr eine effiziente und effektive Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.

Die Rückmeldungen der Kunden sind durchwegs positiv, das Dienstleistungsangebot im internationalen Vergleich konkurrenzfähig. Die Evaluation kommt weiter zum Schluss, dass SERV-gedeckte Geschäfte im jährlichen Durchschnitt eine 50

Evaluation der Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV, Schlussbericht, vgl. http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00595/00596/index.html).

1505

Bruttowertschöpfung von 939 Millionen Schweizerfranken bei den Exporteuren ausgelöst haben. Dazu kommt eine indirekte Bruttowertschöpfung von 1 581 Millionen Schweizerfranken, die bei den Zulieferern zur Exportindustrie bzw. bei weiteren Branchen durch Einkommens- und Investitionseffekte ausgelöst wurde. Die direkte Beschäftigungswirkung beträgt im Durchschnitt pro Jahr 5 173 Vollzeitäquivalente (VZÄ) bzw. indirekt 10 971 VZÄ51. Die Evaluation ergab keine Hinweise, dass die SERV bei ihrer Geschäftstätigkeit die aussenpolitischen Grundsätze der Schweiz missachtet oder dass nennenswerte Probleme im Bereich der Subsidiarität bestehen.

10.1.3

Exportfinanzierung (OECD)

Die über zwei Jahre dauernden Verhandlungen im Rahmen des Exportkreditarrangements der OECD über ein neues Prämiensystem konnten im Februar erfolgreich abgeschlossen werden. Damit werden neben den bereits im Jahr 1999 harmonisierten Mindestprämien für politische Risiken (Länderrisiken) neu auch solche der Exportkreditagenturen für wirtschaftliche Risiken (Käufer, Banken) eingeführt. Das neue Prämiensystem trägt zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen bei und wird voraussichtlich am 1. September 2011 in Kraft treten.

Weiterer Arbeitsschwerpunkt der Exportkreditgruppe und der Mitglieder des Exportkreditarrangements der OECD waren Verhandlungen zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des 2009 revidierten und verabschiedeten Sektorabkommens für erneuerbare Energien und Wasserprojekte. Im Besonderen soll das Sektorabkommen durch Technologien erweitert werden, die einen substanziellen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten. Die im Vorjahr in der Exportkreditgruppe begonnene Überarbeitung der seit 2007 gültigen Umweltrichtlinien wurde weiter geführt.

Soziale Aspekte, inklusive Menschenrechte sollen in Zukunft umfassender berücksichtigt werden.

10.1.4

Umschuldungen (Pariser Klub)

Die Folgen der globalen Finanzkrise beeinflussten die Aktivitäten des Pariser Klubs weiterhin. Zahlungsschwierigkeiten grosser privater oder halbstaatlicher Unternehmen stellten den Klub vor neue Herausforderungen. Traditionell befasst er sich mit zwischenstaatlichen, respektive staatlich garantierten, privaten Forderungen. Im Falle Dubais, Kasachstans und Islands wurden jedoch ausserhalb des Pariser Klubs Restrukturierungen von Grossunternehmen ausgearbeitet, welche auf Schuldnerseite auch eine staatliche Involvierung zur Folge hatten.

Durch die Beschleunigung der globalen wirtschaftlichen Machtverschiebung und das Auftreten aufstrebender Schwellenländer als Gläubiger müssen zunehmend neue Akteure in die Umschuldungsbemühungen eingebunden werden, um den Erfolg der im Pariser Klub getroffenen Massnahmen sicherzustellen.

Mit Liberia, der Republik Kongo sowie sechs weiteren Staaten wurden Entschuldungsvereinbarungen ausgehandelt. Haiti, welches im Januar von einem schweren 51

Nicht untersucht wurden die sogenannten Mitnahmeeffekte, also der Anteil jener Geschäfte, die auch ohne eine SERV-Versicherungsdeckung ausgeführt worden wären.

1506

Erdbeben getroffen worden war, hatte vom Pariser Klub bereits im Sommer 2009 einen vollständigen Schuldenerlass erhalten.

Nachdem die Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik den Erfüllungszeitpunkt (Completion Point) erreicht und somit den Heavily Indebted Poor Country-Prozess (HIPC-Prozess) erfolgreich beendet haben, konnte die Schweiz mit diesen beiden Staaten am 21. Juli, respektive 15. Juli ein bilaterales Abkommen unterzeichnen, mit dem sämtliche Schulden (11,1 resp. 20,6 Millionen Schweizerfranken) erlassen wurden. Liberia, welches den HIPC-Completion Point im Juni 2010 erreicht hat, werden nach Unterzeichnung des bilateralen Abkommens die restlichen Schulden im Umfang von 3,3 Millionen Schweizerfranken ebenfalls erlassen. Des weiteren konnte Angola aus dem Schuldendienst entlassen werden.

10.2

Standortpromotion

Der internationale Standortwettbewerb bleibt auch nach der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise intensiv. Nach zwei diesbezüglich eher schwierigen Jahren konnte festgestellt werden, dass im Berichtsjahr das Interesse von ausländischen Firmen an Investitionen in der Schweiz wieder grösser geworden ist.

Aufgrund der insgesamt günstigeren Rahmenbedingungen konnte Osec ihr eng mit den Kantonen abgestimmtes Programm im Bereich der Standortpromotion ohne nennenswerte Schwierigkeiten umsetzen.

Im Rahmen der Standortpromotion fördert der Bund die Ansiedlung ausländischer Unternehmen in der Schweiz, mit dem Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Erhöhung des Steuersubstrats. Potenzielle Investoren werden mit Publikationen, dem Internet, den Medien sowie an Veranstaltungen über die Schweiz als Unternehmensstandort informiert. Gesetzliche Grundlage ist das Bundesgesetz vom 5. Oktober 2007 zur Förderung der Information über den Unternehmensstandort Schweiz (SR 194.2). Der Vollzug der Massnahmen ist seit 2008 über eine Leistungsvereinbarung an Osec übertragen und wird eng mit den Kantonen abgestimmt.

Osec verfügte auch 2010 über ein Budget von rund sechs Millionen Schweizerfranken, davon stammten wiederum 1,3 Millionen aus Beiträgen der Kantone.

Die nationale Standortpromotion war primär mit Anlässen in Europa (Deutschland, Frankreich und Russland), den USA, Japan, China und Indien präsent. Neben Investorenseminaren sowie diversen Messe- und Konferenzbeteiligungen führten wiederum Medienreisen für Journalisten und Informationsreisen für ausländische Unternehmer zu wertvollen neuen Kontakten. Einzelne neue Formate, beispielsweise webbasierte Seminare für Investoren, wurden eingeführt.

Analog zur Exportförderung (vgl. Ziff. 10.1.1) wurde auch das Mandat, welches das SECO im Bereich der Standortpromotion an Osec erteilt hat, einer externen Evaluation unterzogen. Die Autoren kamen grundsätzlich zu einem positiven Resultat. Sie wiesen aber darauf hin, dass Osec in der Standortpromotion noch weitere Erfahrung erwerben und die (schwierige) Koordination mit den Wirtschaftsförderern der Kantone verbessern muss. Die Evaluatoren regten auch an, eine Modularisierung der Dienstleistungen in der Standortpromotion zu prüfen, also den Kantonen zu ermög1507

lichen, von Osec Dienstleistungen für ausgewählte Länder zu bestellen und separat zu finanzieren.

Gemäss einer von der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz durchgeführten Erhebung unter den Kantonen haben die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Kantonen zur Promotion des Unternehmensstandorts Schweiz im Jahr 2009 insgesamt zu 401 Neuansiedlungen von Firmen geführt, wobei 1 512 neue Stellen geschaffen wurden. Das ist im Vergleich zu 2008 zwar ein moderater Rückgang (498 Firmen mit 1 851 neuen Stellen), darf aber angesichts der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise durchaus als positives Resultat gewertet werden. Im Berichtsjahr war das Interesse an konkreten Ansiedlungen wieder stärker als in den beiden Vorjahren.

10.3

Tourismus

Nach dem konjunkturell bedingten, markanten Nachfrageschwund bei den Logiernächten im Jahr 2009 weisen die Daten vom Herbst 2010 auf eine temporäre Beruhigung hin. Der starke Schweizerfranken und die unsicheren Konjunkturperspektiven dürften dem Tourismus im Berichtsjahr sowie zu Beginn 2011 insgesamt aber eine zurückhaltende Nachfrage bringen.

Die 2009 im Rahmen der zweiten Stufe von Massnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaftslage beschlossene Unterstützung des Tourismus-Marketings hat im Sommer 2009 und Winter 2009/2010 ihren positiven Beitrag zur Beruhigung im Tourismusmarkt geleistet: Das Impulsprogramm hatte den touristischen Umsatz in der Höhe von rund 378 Millionen Schweizerfranken unterstützt, was 1,35 Millionen Übernachtungen entspricht.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Tourismusbranche über ein erhebliches Entwicklungspotenzial verfügt. Im Juni verabschiedete er die «Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz». Sie wird ab 2012 umgesetzt und soll dem Tourismusstandort Schweiz einen mittel- bis langfristigen Orientierungsrahmen geben.

In der Zeitspanne Januar bis August nahmen die Logiernächte gegenüber derselben Vorjahresperiode um 2,1 % zu. Die in diesem Zeitraum positive Entwicklung bei den Logiernächten ist durch eine markante Nachfrageverschiebung geprägt: Während aus dem wichtigsten Herkunftsland Deutschland insgesamt 2,5 % weniger Logiernächte gezählt wurden, erfreute sich das Tourismusland Schweiz vor allem bei Gästen aus dem asiatischen Raum sowie aus dem Mittleren Osten zunehmender Beliebtheit.

10.3.1

Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz

Mit der neu konzeptionierten Tourismuspolitik beabsichtigt der Bundesrat, die Rahmenbedingungen für die Tourismusunternehmen zu verbessern und den Touris1508

musstandort Schweiz gezielt zu fördern. Für die Konkretisierung wird das SECO bis Ende 2011 in Konsultation mit den betroffenen Akteuren Umsetzungsprogramme erarbeiten, das erste für die Periode 2012­2015. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Stossrichtungen der Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz.

Tourismuspolitik des Bundes ­ die vier Kernstrategien Wachstumsorientierte Tourismuspolitik Verbesserung der Rahmenbedingungen Strategie 1: Strategisches Issue Management betreiben

Strategie 2: Querschnittsaufgaben verstärken

Tourismus-Standortförderung Strategie 3: Attraktivität des touristischen Angebots steigern

Strategie 4: Marktauftritt des Tourismuslandes Schweiz stärken

Die neu konzeptionierte Tourismuspolitik des Bundes beruht auf vier Strategien. Mit der ersten Strategie ­ dem strategischen Issue Management ­ greift der Bund frühzeitig wichtige Themen auf und entwickelt diese weiter. So sollen politikübergreifende Themen wie zum Beispiel die Klimaänderung aus Sicht des Tourismus aufbereitet werden. Das strategische Issue Management soll sicherstellen, dass die Tourismuspolitik des Bundes Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und notwendige Massnahmen ergriffen werden. Der Bund klärt den Handlungsbedarf für den Tourismusstandort Schweiz ab und unterstützt die touristischen Akteure bei der Suche nach Lösungen. Für diese Aufgaben organisiert das SECO eine Austauschplattform, das «Tourismus Forum Schweiz».

Viele Politikbereiche beeinflussen die unternehmerischen Entwicklungsmöglichkeiten. Für den Tourismus relevant sind unter anderem die Wirtschafts-, Infrastruktur- und Verkehrspolitik, die Regional- und Raumordnungspolitik oder die Umweltund Klimapolitik. Mit der zweiten Strategie soll die Tourismuspolitik dafür sorgen, dass die Politiken in den tangierten Bereichen keine unnötigen Hindernisse für den Tourismus errichten. Ziel ist es, im Zusammenspiel der Querschnittsaufgaben die Chancen der Tourismusunternehmen auf den Märkten zu erhöhen. Von besonderer Wichtigkeit bei den Querschnittsaufgaben ist die Berücksichtigung der Grundsätze der Nachhaltigen Entwicklung.

Die Steigerung der Attraktivität des touristischen Angebots bildet die dritte Strategie der neuen Tourismuspolitik. Der Bund fördert diese Aufgabe und unterstützt die Tourismusunternehmen mittels Innovations-, Kooperations- und Investitionsanreizen. Innotour ist das Instrument zur Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus. Es läuft Ende Januar 2012 aus. Das Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus an der Universität St. Gallen (IDT) erstellte für die gesamte Tätigkeitsperiode (1998­2010) von Innotour eine Schlussevaluation. Darin attestierte das IDT Innotour einen sehr hohen Wirkungsgrad und empfahl unter anderem, Innotour weiter zu führen. Der Bundesrat hat mit der Eröffnung der Vernehmlassung zur Revision des Bundesgesetzes über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus (SR 935.22) dessen Weiterführung beschlossen.

Inskünftig soll das Bundesgesetz zeitlich unbefristet gelten und unter anderem mit

1509

der Förderung des Wissensaufbaus und der Wissensdiffusion im Tourismus ergänzt werden.

Bei der vierten Strategie der neuen Tourismuspolitik handelt es sich um die Stärkung des Marktauftritts der Schweiz. Schweiz Tourismus ist im Auftrag des Bundes für die touristische Landeswerbung verantwortlich. Die vom Bund finanzierte touristische Landeswerbung soll die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen in der Schweiz erhöhen.

10.3.2

Internationale Zusammenarbeit

Die Schweiz konzentriert ihre internationale Zusammenarbeit auf die multilaterale Ebene. Die Globalisierung des Tourismus bedingt eine Verstärkung der tourismuspolitischen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Dort setzt sich die Schweiz für eine möglichst ungehinderte Reisetätigkeit ein und unterstützt den Wissensaustausch sowie die Erarbeitung von internationalen Standards, wie zum Beispiel in der Tourismusstatistik.

Als erstes Instrument der multilateralen Zusammenarbeit setzt die Schweiz auf die aktive Mitgliedschaft in der Welttourismusorganisation der UNO (UNWTO). Die UNWTO fördert die Entwicklung eines nachhaltigen und global zugänglichen Tourismus. Die UNWTO gründete in Zusammenhang mit dem Weltkomitee für Tourismusethik ein ständiges Sekretariat in Rom. Dieses Sekretariat ist bestrebt, die Bekanntheit des Globalen Kodex für Ethik im Tourismus zu steigern. Dieser Kodex befasst sich mit den sozialen Herausforderungen der Tourismusbranche. Die Schweiz unterstützt diesen Kodex. Demnächst soll er in den drei offiziellen Landessprachen vorliegen.

Die Schweiz leistete als gewähltes Mitglied des Statistik-Komitees wiederholt Pionierarbeit, um den UNWTO-Referenzrahmen von Tourismus-Satellitenkonten weiterzuentwickeln. Das Satellitenkonto Tourismus (TSA) ist eine umfassende Wirtschaftsstatistik des Tourismus im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Im Jahr 2010 wurden erstmals jährliche Indikatoren für den Zeitraum 2001­2009 publiziert. Das TSA wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) und vom SECO gemeinsam publiziert und weiterentwickelt.

Ein anderes wichtiges Gremium ist das Tourismuskomitee der OECD. Seine gegenwärtigen Schwerpunktthemen sind vor allem die Evaluation der Wettbewerbsfähigkeit und die Analyse von Trends im Tourismus, die Innovation hinsichtlich Nachhaltigkeit im Tourismus, Liberalisierungen in der Tourismusbranche und länderspezifische Untersuchungen. Das SECO arbeitet aktiv an diesen Themen mit und setzt die Akzente vor allem auf die Analyse von Trends im Tourismus, die Evaluation der Wettbewerbsfähigkeit und die Innovation hinsichtlich Nachhaltigkeit im Tourismus.

Die Erkenntnisse aus diesen Arbeiten können vom Bund und den Kantonen für die Weiterentwicklung der Tourismuspolitik verwendet werden.

Ferner betreibt die Schweiz bei spezifischen Themen auch auf
trilateraler Ebene (Schweiz, Deutschland, Österreich) eine enge Zusammenarbeit. Zum Beispiel sind gegenwärtig die drei Länder im Bereich Kinderschutz gemeinsam tätig. Sie haben dazu eine Aktion zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung im Tourismus organisiert. Die gemeinsame Kampagne wurde in der Schweiz im Herbst 2010 lanciert.

1510

11

Beilagen

11.1

Beilagen 11.1.1­11.1.2 Teil I:

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Kenntnisnahme)

1511

11.1.1

Finanzielles Engagement der Schweiz 2010 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken

Zahlungen der Schweiz an die Weltbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen IBRD-Kapitalanteil IFC-Kapitalanteil MIGA-Kapitalanteil IDA-Beiträge IDA-MDRI Spezielle Initiativen Global Environment Facility1 Konsulentenfonds und Secondments1 Gesamtzahlungen der Schweiz 1

2007

2008

2009

2010

177,6 0,0 0,0 0,0 166,0 11,6

189,4 0,0 0,0 0,0 174,0 15,4

206,3 0,0 0,0 0,0 192,2 14,1

225,9 0,0 0,0 0,0 209,8 16,1

32,7 31,1 1,6

31,0 29,8 1,2

30,2 29,5 0,7

10,3 9,5 0.8

210,3

220,4

236,5

236,2

Fonds werden von der Weltbank verwaltet (ab 2008 inkl. Young Professional Program)

Zahlungen der Schweiz an die Afrikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen AfDB Kapitalanteil AfDF Beiträge AfDF-MDRI Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

1512

2007

2008

2009

2010

60,7 1,6 56,3 2,8

69,2 0,0 66.5 2,7

87,4 0,0 83,0 4,4

86,4 0,0 81,8 4,6

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

60,7

69,2

87,4

86,4

Zahlungen der Schweiz an die Asiatische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen ADB Kapitalanteil ADF Beiträge Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

2007

2008

2009

2010

15,0 0,0 15,0

13,5 0,0 13,5

14,2 0,0 14,2

13,7 0,0 13,7

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

15,0

13,5

14,2

13,7

Zahlungen der Schweiz an die Interamerikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

2007

2008

2009

2010

Institutionelle Verpflichtungen IDB Kapitalanteil IIC Kapitalanteil FSO Beiträge

1,2 0,0 1,2 0,0

0,0 0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 0,0 0,0

Spezielle Initiativen Beiträge an den MIF Konsulentenfonds und Secondments

0,0 0,0 0,0

1,6 1,6 0,0

0,3 0,3 0,0

0,6 0,6 0,0

Gesamtzahlungen der Schweiz

1,2

1,6

0,3

0,6

Zahlungen der Schweiz an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (in Mio. Fr.)

2007

2008

2009

2010

Institutionelle Verpflichtungen EBRD Kapitalanteil

3,6 3,6

2,5 2,5

1,2 1,2

0,0 0,0

Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments

0,8 0,8

1,2 1,2

0,3 0,3

0,5 0,5

Gesamtzahlungen der Schweiz

4,4

3,7

1,5

0,5

1513

11.1.2

Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand (SR 0.632.20, Anhang 1A.10) erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995 über die Durchführung von Versandkontrollen (SR 946.202.8) regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v.a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des EVD.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen vier Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind die Société Générale de Surveillance S.A. in Genf (SGS), die Cotecna Inspection S.A. in Genf (Cotecna), das Bureau Véritas/BIVAC (Switzerland) AG in Weiningen (Véritas) sowie die Intertek Testing Services Switzerland Ltd in Attiswil (Intertek).

Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 29 Staaten, von denen sechs nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet52; das Stichdatum ist der 1. Dezember 201053.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Angola

Veritas Cotecna SGS Cotecna Intertek Veritas Cotecna SGS Veritas SGS Veritas SGS SGS

28.02.2002 25.10.2006 31.10.2006 27.05.2008 07.06.2000 21.06.2000 10.08.2004 01.09.1996 15.03.2000 01.09.1996 30.05.2008 12.09.2003 09.04.2003

Äquatorialguinea (*) Bangladesch Benin Burkina Faso Burundi Côte d'Ivoire Ecuador Guinea Haiti Indonesien

52 53

Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00514/index.html?lang=de.

1514

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Iran (*)

SGS Veritas Intertek Cotecna SGS Cotecna Cotecna Veritas Veritas Veritas SGS Intertek Cotecna SGS Cotecna Intertek Veritas SGS Veritas Intertek SGS Veritas

01.03.2000 06.03.2001 02.12.2002 10.02.2009 01.09.1996 15.08.1996 22.08.2006 24.03.2006 08.12.1997 20.02.2007 01.09.1996 27.03.2001 08.12.1997 01.09.1999 22.08.2001 14.02.2007 26.04.2010 01.04.1999 02.01.2004 07.06.2000 10.04.2001 02.01.2004

Kamerun Komoren (*) Kongo (Brazzaville) Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Mali Mauretanien Mosambik Niger Nigeria Senegal Sierra Leone Somalia (*) Tansania (nur Sansibar) Tschad Usbekistan (*) Zentralafrikanische Republik

1515

11.2

Beilagen 11.2.1­11.2.5 Teil II:

1516

Beilagen nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung)