10.102 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 3. Dezember 2010

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Dezember 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-2851

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Übersicht Das Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland sieht die Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch gemäss dem OECD-Standard vor. Weiter konnte eine umfassende Schiedsklausel sowie die Ergänzung des Gleichstellungsartikels mit einer Bestimmung über die Abzugsfähigkeit von Zinsen und Lizenzgebühren, die an Personen im anderen Vertragsstaat gezahlt werden, vereinbart werden. Weiter sieht das Protokoll eine Reduktion der massgebenden Beteiligungshöhe für den Nullsatz auf Dividenden auf 10 Prozent sowie einen zeitlich befristeten Verzicht Deutschlands auf sein Besteuerungsrecht für in der Schweiz ansässige Flugbesatzungsmitglieder deutscher Fluggesellschaften vor.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Protokolls mehrheitlich begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz seit jeher den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung andererseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

Am 13. März 2009 hat der Bundesrat beschlossen, die Amtshilfe in Steuersachen an die neuen Gegebenheiten der internationalen Politik anzupassen.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (SR 0.672.913.62, nachfolgend: DBA-D) datiert vom 11. August 1971. Es wurde seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1972 dreimal, letztmals mit Protokoll vom 12. März 2002, revidiert.

Nach dem Entscheid des Bundesrates vom 13. März 2009, den Vorbehalt der Schweiz hinsichtlich des Informationsaustausches nach dem OECD-Musterabkommen zurückzuziehen, nahmen die Schweiz und Deutschland Kontakt auf, um die Möglichkeit der Ergänzung des gemeinsamen Doppelbesteuerungsabkommens mit einer entsprechenden Bestimmung abzuklären. Zu diesem Zweck fanden zunächst im Frühjahr und Sommer 2009 zwei Sondierungsgespräche statt, um den Revisionsbedarf und die grundsätzlichen Positionen der beiden Staaten auszuloten.

In diesen Gesprächen zeigte sich, dass bezüglich des Informationsaustausches wohl eine Einigung erzielt werden könnte, die Positionen in anderen Bereichen, wie der Frage des Marktzutritts für Schweizer Finanzintermediäre und den weiteren schweizerischen Vorschlägen für eine Abkommensrevision, jedoch noch weit auseinanderlagen.

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Basierend auf den Resultaten der Sondierungsgespräche wurde anlässlich eines Telefongesprächs im August 2009 zwischen dem damaligen Bundespräsident, Herrn Bundesrat Merz, und dem damaligen deutschen Finanzminister Steinbrück die Aufnahme der Revisionsverhandlungen beschlossen und die Revision in zwei Paketen vorgesehen. Der Grund für die Zweiteilung lag darin, dass der Revisionsbedarf beim DBA-D von beiden Seiten als erheblich angesehen wurde. Eine umfassende und entsprechend zeitaufwendige Revision des Abkommens stand jedoch dem gemeinsamen Wunsch einer raschen Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem OECD-Standard in das Abkommen entgegen. Ein erstes Revisionspaket sollte daher die Übernahme des steuerlichen Informationsaustausches nach dem OECD-Standard sowie verwandte Themen umfassen und ein zweites Paket eine grundlegende Revision des DBA-D.

Die daraufhin aufgenommenen Revisionsverhandlungen erstreckten sich über drei Runden von Herbst 2009 bis Frühjahr 2010. Sie fanden in einem politisch angespannten Umfeld statt. Diverse Ereignisse wie gewisse Äusserungen des ehemaligen Finanzministers Steinbrück und der Kauf von gestohlenen Bankdaten durch deutsche Bundesländer belasteten die ansonsten guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Der Verlauf der Verhandlungen wurde mehrmals von den politischen Ereignissen beeinflusst. Zudem war das öffentliche Interesse am Abschluss dieses Protokolls sehr gross. Beide Delegationen standen dadurch unter grossem Erwartungsdruck von Politik und Öffentlichkeit.

Die Vorstellungen über den Inhalt des Pakets 1 lagen zu Beginn der Verhandlungen weit auseinander: Deutschland wollte lediglich eine Revision des Informationsaustauschartikels und war im Sinn eines Entgegenkommens zur Aufnahme einer Schiedsklausel bereit. Die restlichen schweizerischen Revisionsanliegen sollten jedoch erst in Paket 2 behandelt werden. Die Schweiz forderte hingegen neben der neuen Bestimmung über den Informationsaustausch insbesondere Verbesserungen beim Nullsatz auf Dividenden, eine Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels durch eine Bestimmung über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zins- und Lizenzzahlungen an Personen im anderen Vertragsstaat, eine Lösung betreffend die Besteuerung der Flugbesatzungsmitglieder deutscher Fluggesellschaften mit Wohnsitz in
der Schweiz, die Streichung der überdachenden Besteuerung und erweiterten beschränkten Steuerpflicht in Deutschland (Art. 4 Abs. 3, 4 und 9) sowie den Ersatz des Verweises auf die innerstaatlichen Missbrauchsnormen durch eine Missbrauchsbestimmung im Abkommen und einen erleichterten Marktzutritt für Schweizer Finanzintermediäre in Deutschland.

Trotz dieser stark unterschiedlichen anfänglichen Positionen konnte im Verlauf der eher schwierigen Verhandlungen ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. In der dritten Verhandlungsrunde einigten sich die Delegationen auf einen paraphierungsfähigen Entwurf eines Änderungsprotokolls.

Das Änderungsprotokoll enthält die folgenden Punkte: ­

Reduktion der Beteiligungshöhe für den Nullsatz auf Dividenden von 20 Prozent auf 10 Prozent;

­

Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels durch einen Absatz über die Abzugsfähigkeit von Zinsen und Lizenzgebühren gemäss Artikel 24 Absatz 4 des OECD-Musterabkommens;

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­

Einfügen einer Schiedsklausel;

­

Informationsaustauschklausel nach OECD-Standard;

­

zeitlich befristete Ausnahmebestimmung für Flugbesatzungsmitglieder.

Zu den von der Schweiz geforderten Änderungen in Artikel 4 Absätze 3, 4, und 9 und in der Missbrauchsnorm (Art. 23) wurde im gemeinsam unterzeichneten Verhandlungsprotokoll festgehalten, dass eine Revision dieser Bestimmungen in Paket 2 thematisiert werden wird. Es wurde vereinbart, die Verhandlungen darüber innert zwei Jahren nach Unterzeichnung des Änderungsprotokolls aufzunehmen. Ebenfalls wurde vereinbart, innert drei Jahren nach Unterzeichnung des Änderungsprotokolls die Revision des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftssteuern (SR 0.672.913.61) an die Hand zu nehmen.

Im Rahmen der Verhandlungen wies die Schweiz darauf hin, dass sie für Ersuchen, die auf gestohlenen Bankdaten beruhen, keine Amtshilfe leisten würde. Diese Praxis wird bereits heute auf laufende Amtshilfefälle angewandt.

Anlässlich ihres Treffens vom 26. März 2010 in Berlin haben sich Bundesrat HansRudolf Merz und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble über das Vorgehen zur Klärung der offenen Fragen im Finanz- und Steuerbereich unterhalten und eine bilaterale Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hatte den Auftrag, bis Ende September 2010 folgende Themen zu behandeln: ­

Möglichkeiten der Herbeiführung einer Besteuerung von nicht versteuerten Vermögenswerten («Altgelder»);

­

Sicherstellung einer Besteuerung mit Abgeltungscharakter der laufenden Kapitaleinkünfte aus Vermögenswerten («Neugelder»);

­

Prüfung eines erweiterten Marktzugangs für Schweizer Banken in Deutschland;

­

flankierende Arbeiten im Hinblick auf die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls zum bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, einschliesslich Fragen zum Umgang mit dem Kauf von Bankdaten und eine umfassende Information der Schweiz darüber.

Am Rande dieses Ministertreffens fand schliesslich die Paraphierung des Änderungsprotokolls zum DBA-D durch die Leiter der beiden Verhandlungsdelegationen statt.

Die beiden Minister waren sich einig, dass die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls und eine ministerielle Einigung betreffend die Ergebnisse der bilateralen Arbeitsgruppe im Herbst 2010 erfolgen sollten. Am 27. Oktober 2010 haben die beiden Minister das Änderungsprotokoll zum DBA-D unterzeichnet. Gleichzeitig wurde eine gemeinsame Erklärung zur Aufnahme von Verhandlungen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Steuerbereich und über den Marktzugang von Banken unterzeichnet. Mit dieser Grundsatzerklärung ist der Weg im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens mit Deutschland auch in diesem Bereich geebnet.

Damit wurden im Verhältnis Schweiz-Deutschland klare Verhältnisse geschaffen, so dass nun die innerstaatlichen Verfahren zur Genehmigung des Protokolls zur Änderung des DBA-D lanciert werden können.

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Die Kantone und interessierten Wirtschaftsverbände haben das Änderungsprotokoll mehrheitlich begrüsst.

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Würdigung

Die reduzierte Beteiligungshöhe für die Anwendung des Nullsatzes auf Dividenden vermeidet eine Residualsteuerbelastung in Konzernverhältnissen mit schweizerischer Muttergesellschaft. Sie entspricht der jüngsten schweizerischen Abkommenspolitik. Das Einfügen der Bestimmung über die Abzugsfähigkeit von Zinsen und Lizenzgebühren bringt eine wichtige Vervollständigung der Gleichbehandlungsklausel und schützt die Schweizer Wirtschaft. Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch entspricht dem OECD-Standard und erfüllt, mit Ausnahme des materiellen Geltungsbereichs, die vom Bundesrat festgelegten Eckwerte. Die Schiedsklausel ermöglicht die Lösung bisher ohne Ergebnis gebliebener Doppelbesteuerungs- und Verrechnungspreisfälle. Dies bringt sowohl Privatpersonen als auch den Schweizer Unternehmen einen Schutz vor Doppelbesteuerungen, dessen Bedeutung hoch einzuschätzen ist. Schliesslich konnte auch in der Frage der Flugbesatzungsmitglieder eine Verbesserung für die betroffenen Personen erreicht werden.

Das Änderungsprotokoll ist das Resultat harter Verhandlungen und enthält eine ausgewogene Gesamtlösung in diesem von sehr unterschiedlichen Interessen geprägten Dossier. Das erreichte Änderungsprotokoll enthält für die Schweiz wichtige, vorteilhafte Regelungen. Es stellt die guten Beziehungen der Schweiz zum wichtigen Nachbarland Deutschland sicher und ist Ausgangspunkt für weitere Diskussionen und Revisionsvorhaben.

Hinsichtlich des Marktzugangs in Deutschland für in der Schweiz ansässige Banken und der Revision der Ansässigkeits- und Missbrauchsbestimmung, die in dieses Änderungsprotokoll nicht Eingang gefunden haben, hat Deutschland zudem zugesichert, diese in der bilateralen Arbeitsgruppe (Marktzugang) respektive im Revisionspaket 2 (Ansässigkeitsbestimmung, Art. 4, und Missbrauchsbestimmung, Art. 23) zu thematisieren.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll ändert und ergänzt die erwähnten Bestimmungen im DBA-D. Nachfolgend wird der wesentliche Inhalt dieser Änderungen dargelegt.

Art. 1 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 10 Abs. 3 des Abkommens (Dividenden) Der Nullsatz für Dividenden aus massgeblichen Beteiligungen von mindestens 20 Prozent am Kapital einer Gesellschaft wurde im deutsch-schweizerischen Verhältnis mit der Revision vom 12. März 2002 eingeführt. Im Hinblick auf die Reduktion der massgeblichen Beteiligungshöhe für den schweizerischen Beteiligungsabzug auf 10 Prozent per 1. Januar 2011 hat die Schweiz angeregt, die Mindestbeteiligung für den Nullsatz im DBA-D auch auf 10 Prozent zu reduzieren. Dies ermöglicht es in der Schweiz ansässigen Gesellschaften mit massgeblichen Beteili490

gungen an deutschen Gesellschaften, Dividenden ohne residuale und aufgrund des Beteiligungsabzugs in der Schweiz nicht anrechenbare Steuerbelastung in Deutschland zu vereinnahmen.

Deutschland weigerte sich zunächst, dieser Änderung zuzustimmen, weil es sich durch Artikel 15 Absatz 3 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (SR 0.641.926.81, nachfolgend: Zinsbesteuerungsabkommen) begrenzt sah. Diese Bestimmung sieht vor, dass günstigere Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und EU-Mitgliedsstaaten von Artikel 15 Zinsbesteuerungsabkommen unberührt bleiben. Die Schweiz konnte sich der einschränkenden Auslegung dieser Bestimmung nicht anschliessen und legte dar, mit welchen anderen EU-Staaten sie nach Inkrafttreten des Zinsbesteuerungsabkommens ebenfalls eine Reduktion der massgeblichen Mindestbeteiligungshöhe vereinbart hatte. Nach weiteren internen Abklärungen stimmte Deutschland dieser Änderung im Rahmen der Gesamtlösung zu, obwohl nicht alle Bedenken zur EU-Konformität dieser Klausel ausgeräumt werden konnten.

Im Gegenzug forderte Deutschland, dass eine Mindesthaltedauer von einem Jahr entsprechend der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie1 eingefügt wird. Die Schweiz erklärte sich damit einverstanden, sofern sichergestellt wird, dass die Voraussetzung der Mindestdauer der Beteiligung gemäß Artikel 10 Absatz 3 Satz 1 auch dann als erfüllt gilt, wenn die 1-jährige Mindesthaltedauer erst nach dem Zeitpunkt der Zahlung der Dividenden vollendet wird. Im Sinn einer Gleichbehandlung gegenüber EU-Mitgliedstaaten stimmte Deutschland dieser im Protokoll zum Abkommen festgehaltenen Präzisierung zu (Ziff. 1 von Art. 5 des Änderungsprotokolls).

Art. 2 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25 Abs. 3 des Abkommens (Gleichbehandlung) Das Änderungsprotokoll sieht die Ergänzung von Artikel 25 des Abkommens durch einen Absatz 3 vor. Dieser entspricht der Bestimmung von Artikel 24 Absatz 4 des OECD-Musterabkommens. Diese wurde in der Version von 1977 in das Musterabkommen aufgenommen und war im bisherigen Abkommenstext nicht enthalten.

Insbesondere aufgrund der Regelungen im
Entwurf des deutschen Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes war es ein Anliegen der Schweiz, Artikel 25 durch diesen Absatz, der die Gleichbehandlung betreffend die Abzugsfähigkeit von Zinsen, Lizenzgebühren und anderen Aufwendungen vorsieht, zu vervollständigen. Der Aufwand für solche Leistungen aus dem anderen Vertragsstaat soll gemäss dieser Bestimmung in gleicher Weise zum Abzug zugelassen werden, wie wenn der Leistungserbringer im Staat des Leistungsempfängers ansässig wäre.

Deutschland wies die Aufnahme dieser Bestimmung stets zurück. Es monierte, dass diese in Wechselwirkung mit den kantonalen Steuervergünstigungen (Holding, Domizil- und gemischte Gesellschaft) stehe, welche sich wettbewerbsverzerrend auswirken würden, dass sie in keinem Zusammenhang mit dem Informationsaus1

Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 225 vom 20.8.1990, S. 6

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tausch stehe und weiterer Analysen bedürfe und deshalb in Paket 2 gehöre. Die Schweiz liess diese Argumente jedoch nicht gelten und beharrte auf eine Übernahme der Bestimmung gemäss dem OECD-Musterabkommen, so dass Deutschland schliesslich die Aufnahme dieser Bestimmung als Teil der Gesamtlösung akzeptierte.

Art. 3 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 26 Abs. 5­7 des Abkommens (Verständigungsverfahren, Schiedsklausel) Die Klausel zur Beilegung von Streitigkeiten beziehungsweise zur Beseitigung von eingetretenen oder drohenden Doppelbesteuerungen gemäss Artikel 26 enthält keine Erfolgspflicht. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen nicht gelingt, eine Doppelbesteuerung im Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden zu vermeiden. Diese Situation ist hinsichtlich der Rechtssicherheit unbefriedigend. Dieser Mangel soll nun mit einer umfassenden Schiedsklausel behoben und die Situation der Steuerpflichtigen dadurch verbessert werden. Zu diesem Zweck wird Artikel 26 DBA-D durch drei neue Absätze ergänzt.

Die Grundsätze dieser Schiedsklausel entsprechen materiell der Schiedsklausel im OECD-Musterabkommen (Art. 25 Abs. 5).

Das Schiedsverfahren wird auf Verlangen der betroffenen steuerpflichtigen Person unter folgenden kumulativen Voraussetzungen eingeleitet: ­

die Einreichung der Steuererklärung oder das Vorliegen eines Steuerabzuges bei mindestens einem Vertragsstaat für das Jahr, das Gegenstand des Schiedsverfahrens ist,

­

die Geeignetheit für ein Urteil durch die Schiedsstelle, sowie

­

die Zustimmung aller Betroffenen vor Initiierung des Schiedsverfahrens, keine in diesem Rahmen erhaltenen Informationen an Drittpersonen weiterzugeben.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Verständigungsverfahren, insbesondere in Verrechnungspreisfällen, oftmals nicht innerhalb der nach OECD-Musterabkommen vorgesehenen 2 Jahre abgeschlossen werden können. Es wurde daher vereinbart, diese Frist zur Einigung im Verständigungsverfahren auf 3 Jahre anzuheben.

Sofern keine der direkt betroffenen steuerpflichtigen Personen den Entscheid der Schiedsstelle ablehnt, ist dieser im Einzelfall für die Vertragsstaaten verbindlich und durch eine Verständigungsregelung umzusetzen. Die Verfahrensfragen müssen noch von den zuständigen Behörden vereinbart werden. Es bestand jedoch Einigkeit zwischen den Delegationen, dass das Schiedsverfahren analog zu dem zwischen der Schweiz und den USA vereinbarten Verfahren ablaufen soll. Jeder der beiden Vertragsstaaten hat demnach das Recht, der Schiedsstelle einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Die Schiedsstelle hat sich für einen dieser beiden Lösungsvorschläge zu entscheiden. Reicht lediglich einer der beiden Vertragsstaaten einen Lösungsvorschlag ein, so muss die Schiedsstelle diesen als Schiedsspruch übernehmen.

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Art. 4 des Änderungsprotokolls betreffend Art. 27 des Abkommens (Informationsaustausch) Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz unterstützt seit jeher die diesbezüglichen Bemühungen. Mit Entscheid vom 13. März 2009 hat der Bundesrat zudem beschlossen, den OECDStandard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen. Gleichzeitig hat er erklärt, dass für den Übergang auf den OECD-Standard folgende Eckwerte anzustreben sind: die Wahrung des Verfahrensschutzes, die Begrenzung auf Amtshilfe im Einzelfall, faire Übergangslösungen, die Beschränkung auf Steuern, die unter das Abkommen fallen, das Subsidiaritätsprinzip sowie die Beseitigung allfälliger Diskriminierungen. Diese Elemente werden nachfolgend kommentiert.

Die paraphierte Bestimmung entspricht grösstenteils dem Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Abweichungen bestehen in der Möglichkeit zum Gebrauch der Informationen für andere Zwecke mit Einverständnis beider Staaten sowie in der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen. Diese Abweichungen sind im Kommentar zum OECDMusterabkommen vorgesehen und mit dem OECD-Standard vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind jene Informationen, die für die Durchführung des Abkommens oder die innerstaatliche Anwendung oder Durchsetzung sämtlicher Steuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sollen sogenannte «fishing expeditions» verhindert werden. Zudem wird damit festgehalten, dass der ersuchende Staat gehalten ist, seine eigenen Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er ein Auskunftsersuchen an den anderen Staat stellt.

Nicht erforderlich ist für den Informationsaustausch, dass die betroffenen Steuerpflichtigen in der Schweiz oder Deutschland ansässig sind, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Ihrer üblichen Politik entsprechend beabsichtigte die Schweiz, den Informationsaustausch auf die vom Abkommen erfassten
Steuern zu beschränken. Damit sollen Überschneidungen mit anderen internationalen Übereinkommen vermieden werden (z. B. mit dem Abkommen über die Betrugsbekämpfung mit den EU-Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der indirekten Steuern, SR 0.351.926.81). Zudem wurde vorgebracht, dass der Informationsaustausch für Erbschafts- und Nachlasssteuern Gegenstand des entsprechenden DBA sein sollte und dieses daher zu revidieren sei.

Deutschland weigerte sich jedoch, vom Wortlaut von Artikel 26 Absatz 1 OECDMusterabkommen abzuweichen und machte den Abschluss der Verhandlungen von dessen Übernahme abhängig. Im Rahmen der Gesamtlösung einigten sich die Delegationen schliesslich auf den Geltungsbereich für sämtliche Steuern. Gleichzeitig wurde vereinbart, innert drei Jahren Verhandlungen über eine Revision des aus dem Jahre 1978 stammenden Erbschafts- und Nachlasssteuerabkommens aufzunehmen.

Der Informationsaustausch gilt somit in Bezug auf sämtliche Steuern. Auf jeden Fall wird jedes Abkommen, das parallel anwendbar sein könnte, in jedem Einzelfall gemäss seinen Besonderheiten und nach dem Grundsatz der Lex specialis zu prüfen sein.

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Absatz 2 umfasst Geheimhaltungsregeln. Diese Bestimmung erklärt die Geheimhaltungsregeln des Staates für anwendbar, der die Informationen erhalten hat. Sie hält jedoch fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung oder Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der Steuern im Sinn von Absatz 1 oder mit der Aufsicht über die vorgenannten Personen oder Behörden befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder ihrer Bevollmächtigten offenbart werden.

Um den Kreis der Personen, die Einblick in die übermittelten Informationen haben, klein zu halten und damit das Risiko des Missbrauchs zu verringern, strebt die Schweiz im Rahmen der Verhandlungen stets den Ausschluss der Weitergabe der Informationen an Aufsichtsbehörden an. Der Kommentar zum OECD-Musterabkommen sieht die Möglichkeit einer solchen Einschränkung ausdrücklich vor.

Deutschland legte dar, dass ein Ausschluss der Einsicht der deutschen Aufsichtsbehörde, des Bundesrechnungshofs, in die ausgetauschten Informationen nicht möglich sei, da diese verfassungsrechtlich zur Einsicht befugt ist. Die Schweiz willigte daher im Rahmen der Gesamtlösung zum Einschluss der Aufsichtsbehörden entsprechend dem Wortlaut im OECD-Musterabkommen ein. Die Aufsichtsbehörden unterliegen ebenso den Geheimhaltungsvorschriften.

Weiter sieht dieser Absatz die Möglichkeit der Verwendung der Informationen für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte in einem anderen Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die diesbezüglich separaten Verfahrensrechte in der Schweiz zu entziehen. Damit kann vermieden werden, dass gleiche Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals beschafft und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des Staates, der die Informationen übermittelt hat, ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustausches vor. Der ersuchte Staat ist weder gehalten, Verwaltungsmassnahmen
durchzuführen, die über seine eigenen Gesetze oder seine eigene Verwaltungspraxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates abweichen. Im Fall der Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen ebenso wie die Möglichkeit, einen vorgesehenen Informationsaustausch gerichtlich überprüfen zu lassen, gewahrt bleiben. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis oder nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Informationen im ersuchenden Staat nicht in ausreichendem Mass geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Informationen ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht nur auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Vertragsstaates von Nutzen sind.

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Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen bezüglich Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden sowie betreffend Beteiligungsverhältnisse an Personen. Solche Informationen sind unabhängig von den Einschränkungen in Absatz 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Auskünfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis die begehrten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens im innerstaatlichen Recht die notwendigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der durch Absatz 5 erfassten Informationen. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss der neuen Bestimmung keinen Steuerbetrug mehr voraus.

Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, wurde mit dem letzten Satz von Absatz 5 die notwendige rechtliche Grundlage für die Verfahrensbefugnisse zur Erlangung der ersuchten Informationen geschaffen. Das anwendbare Verfahren wird vorerst Gegenstand der Verordnung des Bundesrates über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; SR 672.204) sein, die am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten ist. Diese soll jedoch durch ein Gesetz ersetzt werden, mit dessen Ausarbeitung begonnen wurde. Dieses Vorgehen wurde durch die Bundesbeschlüsse vom 18. Juni 2010 zur Genehmigung der zehn neuen oder revidierten Doppelbesteuerungsabkommen unterstützt und braucht, ausser bei Vorliegen eines speziellen Falles, nicht wiederholt zu werden.

In keinem Fall wird die Schweiz Deutschland Amtshilfe in Steuersachen leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht. Bundesrat Merz hat eine entsprechende Erklärung bereits anlässlich des Treffens vom 26. März 2010 gegenüber dem deutschen Finanzminister Schäuble abgegeben. Deutschland hat die schweizerische Haltung zur Kenntnis genommen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit dieser Deklaration der Auftrag der Motion 10.3013 «Künftige Doppelbesteuerungsabkommen. Keine Amtshilfe bei illegal beschafften
Daten» erfüllt ist.

Die Bestimmungen von Artikel 27 werden im Protokoll zum Abkommen in Ziffer 3 weiter konkretisiert (Art. 5 des Änderungsprotokolls): In Buchstabe a wird der Grundsatz der Subsidiarität festgehalten. Die Vertragsstaaten sind gehalten, zuerst ihre eigenen, innerstaatlichen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor sie ein Amtshilfegesuch an den anderen Vertragsstaat stellen.

In Buchstabe b wird festgehalten, welche Angaben in einem Amtshilfegesuch enthalten sein müssen. Gestützt auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2009 vertrat Deutschland zunächst die Auffassung, dass eine Identifikation der betroffenen Person im Ersuchen nicht notwendig sei, solange die Möglichkeit der Identifikation durch den ersuchten Staat oder einen dort ansässigen Informationsinhaber bestehe und auch Ersuchen gegen eine unbestimmte Anzahl Personen, die beispielsweise in ein bestimmtes Finanzprodukt investiert haben, möglich seien.

Die Schweiz trat dieser Auffassung mit dem Hinweis entgegen, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der speziellen Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den USA und im Zusammenhang mit der Qualified-Intermediary-Praxis der USA ergangen und daher nicht auf den Informationsaustausch nach OECD-Standard anwendbar ist. Nach intensiv geführten 495

Verhandlungen willigte Deutschland schliesslich ein, die Identifikation der betroffenen Person als Element des Ersuchens vorzusehen.

Das Änderungsprotokoll sieht nun hinsichtlich der betroffenen steuerpflichtigen Person den Wortlaut gemäss dem Änderungsprotokoll vom 23. September 2009 mit den USA vor. Verlangt wird eine eindeutige Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person. Diese erfolgt typischerweise mit dem Namen der betroffenen steuerpflichtigen Person und, sofern bekannt, mit weiteren Elementen, die die Person eindeutig identifizieren wie Wohnadresse, Bankkontonummer oder Geburtsdatum. Die beiden Delegationen gelangten zu einem gemeinsamen Verständnis dieser Bestimmung. Die Person muss eindeutig identifiziert sein.

Im Weiteren muss das Ersuchen den Namen der Person (z. B. der Bank) und, sofern bekannt, deren Adresse enthalten, in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet.

Daraus folgt, dass sich der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen im Einzelfall beschränkt. Die Formulierung ist derart gestaltet, dass «fishing expeditions» ausgeschlossen werden. Dieses Verbot von «fishing expeditions» wird ausserdem in Buchstabe c nochmals ausdrücklich verankert.

Buchstabe d enthält die Verpflichtung, die Informationen auf Begehren des ersuchenden Staates in der Form beglaubigter Kopien von unveränderten Originalunterlagen zu übermitteln.

Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird in Buchstabe e ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht.

Buchstabe f stellt schliesslich klar, dass die Verfahrensrechte der betroffenen Personen gewahrt bleiben, jedoch den Informationsaustausch nicht in unzulässiger Weise behindern. In der Schweiz kann die betroffene steuerpflichtige Person die Schlussverfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung zum Austausch von Informationen mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht anfechten, das die Sache abschliessend beurteilt. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Wurde Beschwerde erhoben, so kann der Auskunftsaustausch daher erst erfolgen, wenn diese rechtskräftig abgelehnt worden ist.

Art. 5 Ziff. 2 des
Änderungsprotokolls betreffend das Protokoll zum Abkommen (Flugbesatzungsmitglieder) In Ziffer 2 des Protokolls zum Abkommen wurde die Regelung für die Flugbesatzungsmitglieder von deutschen Fluggesellschaften mit Wohnsitz in der Schweiz festgehalten. Als Folge einer Lücke im deutschen Einkommenssteuerrecht, die während Jahrzehnten bestand und der auch Artikel 15 Absatz 3 DBA-D Rechnung trägt, mussten in der Schweiz ansässige und für deutsche Fluggesellschaften tätige Flugbesatzungsmitglieder bis Ende 2006 in Deutschland lediglich auf der tatsächlich auf deutschem Gebiet ausgeübten Arbeit Steuern zahlen, während das ausserhalb Deutschlands verdiente Arbeitsentgelt in der Schweiz besteuert werden konnte. Von dieser Lücke des nationalen deutschen Rechts haben offenbar gewisse Piloten dadurch profitiert, dass sie ihren Wohnsitz nach Dubai verlegten, so dass ihre Einsätze ausserhalb von Deutschland ganz steuerfrei blieben.

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Im Jahr 2006 hat der deutsche Gesetzgeber reagiert und ­ wie die Schweiz dies bereits seit Jahren tut (Art. 5 Abs. 1 Bst. f des BG vom 14. Dez. 1990 über die direkte Bundessteuer; SR 642.11 und Art. 4 Abs. 2 Bst. f des BG vom 14. Dez. 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden; SR 642.14) ­ die Einkommenssteuerpflicht für das weltweite Erwerbseinkommen von Flugbesatzungsmitgliedern eingeführt, die für einen deutschen Arbeitgeber tätig sind. Diese Rechtsänderung bedeutet, dass die betroffenen Personen seit dem 1.

Januar 2007 für ihr gesamtes Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in Deutschland steuerpflichtig sind.

Die Tatsache der Steuerpflicht in Deutschland bringt alleine aufgrund des höheren Steuerniveaus eine höhere Belastung mit sich. Belastend kommt noch hinzu, dass die betroffenen Personen in Deutschland nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegen und sie deshalb unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen in die höchste Steuerklasse (Alleinstehende) fallen und steuerliche Abzüge von ihrem Erwerbseinkommen nur beschränkt vornehmen können.

Das Anliegen der Flugbesatzungsmitglieder ist Gegenstand der Motion Lombardi 06.3540 «Besteuerung von Schweizer Flugpersonal bei deutschen Flugunternehmen», die beide Räte im Jahr 2007 angenommen haben. Diese verlangt eine Änderung des DBA-D, welche eine gerechte Besteuerung für Schweizer Flugpersonal bei deutschen Flugunternehmen sicherstellt.

Die Schweiz strebte zunächst einen Wechsel der Zuteilung des Besteuerungsrechts für das Erwerbseinkommen von Flugbesatzungsmitgliedern vom Staat des Unternehmens zum Ansässigkeitsstaat der Arbeitnehmenden an. Deutschland lehnte einen solchen Wechsel jedoch mit dem Hinweis auf das Risiko von Scheinwohnsitzen kategorisch ab. Die heutige Lösung sei die richtige Lösung, und Deutschland sehe keine Möglichkeit, von dieser abzuweichen. Auch die sodann von der Schweiz vorgeschlagene generelle Gleichstellung von in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz mit Personen aus EU/EWRStaaten lehnte Deutschland unter Hinweis auf die Präzedenzwirkung ab.

Schliesslich erklärte sich Deutschland zu einer zeitlich befristeten Ausnahmeregelung bereit. Diese gilt für Personen, die im Zeitpunkt des Wechsels in der deutschen Besteuerung (1. Januar 2007)
bereits in Deutschland angestellt und in der Schweiz ansässig waren und findet für die Steuerjahre, die nach dem Tag des Inkrafttretens beginnen bis und mit dem Steuerjahr 2016, somit für fünf Jahre, Anwendung. Während dieser Zeit verzichtet Deutschland hinsichtlich des betroffenen Personenkreises auf sein Besteuerungsrecht nach Artikel 15 Absatz 3 DBA-D. Folglich kommt der Schweiz in diesen Jahren das alleinige Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zu (Art. 15 Abs. 3 zweiter Satz DBA-D).

Art. 6 des Änderungsprotokolls betreffend das Inkrafttreten Die neuen Bestimmungen in Bezug auf Quellensteuern (Art. 10 Abs. 3) finden ab dem 1. Januar des Jahres Anwendung, welches auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgt.

Der neue Absatz 3 von Artikel 25 des Abkommens findet Anwendung auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres beginnen.

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Die neue Schiedsklausel findet Anwendung auf die zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls bereits hängigen Verständigungsverfahren, wobei als Anfangszeitpunkt der Dreijahresfrist das Datum des Inkrafttretens dieses Protokolls gilt, sowie auf Verständigungsverfahren, die nach diesem Zeitpunkt eingeleitet werden.

Der Informationsaustausch gemäss Artikel 27 des Abkommens und Ziffer 3 des Protokolls findet Anwendung hinsichtlich Informationen gemäss Absatz 5 dieses Artikels auf Einkünfte, die der betroffenen Person am oder nach dem 1. Januar des auf die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls folgenden Jahres zugeflossen sind, und auf den Vermögensstand an oder nach diesem Datum. In allen anderen Fällen findet der Informationsaustausch Anwendung auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar des auf die Unterzeichnung folgenden Jahres beginnen. Da das Geschäftsjahr und damit das Steuerjahr für juristische Personen vom Kalenderjahr abweichen können, bedeutet dies, dass der Austausch von Informationen gemäss der neuen Bestimmung von Artikel 27 hinsichtlich juristischer Personen möglicherweise erst im Verlauf des auf die Unterzeichnung folgenden Jahres zur Anwendung gelangt.

Deutschland hat für die Bestimmung zum Informationsaustausch eine rückwirkende Anwendung oder zumindest die Anwendung ab der Unterzeichnung des Änderungsprotokolls, wie dies bereits mit den USA vereinbart wurde, gefordert. Zur verlangten Rückwirkung konnte die Schweiz aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht Hand bieten. Zudem wies sie auf die besonderen Umstände hin, die zur Regelung mit den USA geführt haben. Die sodann vereinbarte Anwendung auf den 1. Januar nach Unterzeichnung ist eine Kompromisslösung, die für beide Staaten vertretbar ist. Die Schweiz strebt grundsätzlich ein ordentliches Inkrafttreten an. In diesem Fall war es jedoch notwendig, den Kompromiss einzugehen, um zu einem paraphierungsfähigen Protokoll zu gelangen.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Reduktion der massgeblichen Beteiligungshöhe für den Nullsatz auf Dividenden hat grundsätzlich steuerliche Einbussen zur Folge. Diese dürften aber moderat ausfallen. Auf der anderen Seite dürfte die Herabsetzung der Residualsätze eine Standortverbesserung darstellen und so zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen.

Positiv auf das schweizerische Steueraufkommen wird sich die zeitlich befristete Ausnahmeregelung für Flugbesatzungsmitglieder auswirken, da dieser Personenkreis während der Dauer der Regelung das Erwerbseinkommen gesamthaft in der Schweiz zu versteuern hat.

Die Einführung einer Schiedsklausel wirkt sich nicht unmittelbar auf das schweizerische Steueraufkommen aus. Indessen dürfte der Umstand, dass ein Schiedsgerichtsverfahren verlangt werden kann, dazu beitragen, dass die Vertragsstaaten allfällige Aufrechnungen auf ein vernünftiges Mass begrenzen, was zum Schutz des schweizerischen Steueraufkommens beiträgt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz 498

abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen für einheitliche Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten («global level playing field») und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Änderungsprotokolls. Das zur Genehmigung unterbreitete Änderungsprotokoll wird Bestandteil des Abkommens von 1971 sein. Dieses ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Die neue Bestimmung zum Informationsaustausch gemäss dem Musterabkommen der OECD sieht eine erweiterte Amtshilfe vor. Zusammen mit der Aufnahme einer Schiedsklausel sind zwei wichtige Neuerungen in der schweizerischen Abkommenspraxis im Bereich der Doppelbesteuerung verhandelt worden. Das Änderungsprotokoll enthält damit wichtige Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über das Protokoll zwischen der Schweiz und Deutschland unterliegt daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 BV.

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