Anhang

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 3. März 2011

2011-0794

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Das Wichtigste in Kürze Der Europarat ist eine multilaterale Organisation, die sich seit 1949 für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzt. Die mittlerweile 47 Mitgliedstaaten des Europarates decken fast den gesamten europäischen Kontinent ab. Vom 18. November 2009 bis zum 11. Mai 2010 hatte die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee, dem Entscheidorgan des Europarates, inne.

Auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte den Vorsitz der Schweiz durch die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) evaluieren lassen.

Der Vorsitz im Europarat muss einerseits eigenständig auftreten, um etwas zu bewegen, andererseits muss er die Gepflogenheiten der Organisation beachten. Die Evaluation kommt zum Schluss, dass der Schweizer Vorsitz diesen Balanceakt zwischen Eigenständigkeit und Rücksichtnahme übers Ganze gut gemeistert hat. Der Schweizer Vorsitz hat einen wichtigen Beitrag zu den Zielen des Europarates geleistet, während sein Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen der Schweiz geringer ausfiel. Die Abwicklung des Vorsitzes weist sowohl Stärken wie auch Schwächen auf.

Die innenpolitische Dimension des Schweizer Vorsitzes wurde vom Bundesrat wenig beachtet und auch in der Evaluation nur am Rande untersucht. Viele Gesprächspartnerinnen und -partner bedauerten, dass der Vorsitz nicht genutzt worden ist, um den Europarat in der Schweiz bekannter zu machen. Die Schweizer Presse hat nur wenig über den Vorsitz berichtet.

Abwicklung des Vorsitzes mit Stärken und Schwächen Die Durchführung des Vorsitzes durch die Bundesverwaltung funktionierte im Grossen und Ganzen gut. Verschiedene Bundesstellen beteiligten sich am Vorsitz und koordinierten ihre Aktivitäten mit der zuständigen Sektion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die Vorsteherin des EDA hat sich sichtbar für den Vorsitz engagiert.

Die Organisation wies jedoch auch Schwächen auf, die es im Hinblick auf ähnliche Funktionen der Schweiz zu vermeiden gilt. Erstens erwies sich die bestehende Linienorganisation beim EDA als zu schwerfällig, um den Vorsitz effizient abzuwickeln. Zweitens waren die Zuständigkeiten und Abläufe ungenügend geklärt worden, weshalb es im EDA immer wieder zu Reibungen
gekommen ist. Drittens war das Engagement der Vorsteherin des EDA jeweils durch eine gewisse Kurzfristigkeit geprägt.

Als Stärke hervorzuheben ist das Kosten-Leistungs-Verhältnis. Die Bundesverwaltung arbeitete kostenbewusst. Die Gesamtkosten des Vorsitzes beliefen sich bei einer konservativen Schätzung auf rund 4,2 Millionen Franken. Der Sachaufwand betrug etwa 2,8 Millionen Franken, wobei ein Grossteil auf längerfristige Unterstützungs-

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leistungen an den Europarat entfällt. Für Anlässe, einschliesslich einer Ministerkonferenz, wurde rund 1 Million Franken ausgegeben, was vergleichsweise wenig ist.

Wichtiger Beitrag zu den Zielen des Europarates Für den Europarat stellt der grosse Berg an pendenten Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, seinem rechtsprechenden Organ, mit Abstand das wichtigste Problem dar. Der Gerichtshof macht den Europarat als multilaterale Organisation einmalig und wird am stärksten wahrgenommen. Er droht seine Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn er die hängigen Verfahren nicht bald behandeln kann.

Die Schweiz hat die Reform des Gerichtshofs zuoberst auf ihre Prioritätenliste gesetzt und entscheidend vorangebracht. Dabei hat der Schweizer Vorsitz von seinen Möglichkeiten geschickt Gebrauch gemacht. Er hat die Verhandlungen für eine gemeinsame Erklärung der Mitgliedstaaten bewusst gestaltet und einen Konsens erzielt. Die gemeinsame Erklärung, die an der Ministerkonferenz in Interlaken verabschiedet wurde, stellt einen Reformfahrplan auf und nimmt auch die Mitgliedstaaten und das Ministerkomitee in die Pflicht. Die Schweiz ist hiermit die Problematik der Durchsetzung der Menschenrechte umfassend und erfolgreich angegangen.

Der Schweizer Vorsitz hat auch dazu beigetragen, dass sich die Beziehungen zwischen dem Ministerkomitee und der Parlamentarischen Versammlung nach der Krise rund um die Wahl eines neuen Generalsekretärs des Europarates wieder normalisiert haben. Anstatt selber tätig zu werden, hat die Schweiz in einigen Bereichen den neuen Generalsekretär und sein Sekretariat unterstützt. Dieses Vorgehen ging zwar auf Kosten der direkten Mitsprache, doch hat die Schweiz dadurch sichergestellt, dass ihre Anliegen auch über ihren Vorsitz hinaus berücksichtigt werden.

Neben dem Gerichtshof hat die Schweiz die Stärkung der Demokratie als Priorität festgelegt und in St. Gallen eine Konferenz zu «Demokratisierung und Dezentralisierung» durchgeführt. Wie die Ministerkonferenz in Interlaken war auch diese Konferenz gut organisiert. Doch war sie als einmaliger, akademisch ausgerichteter Anlass nicht geeignet, um das hochgesteckte Ziel einer Stärkung der Bürgerdemokratie in den Mitgliedstaaten zu erreichen. Der Vorsitz hat es zudem versäumt, durch den verbindlichen Einbezug des Europarates Folgeaktivitäten
sicherzustellen.

Geringer Beitrag zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik Die Möglichkeiten des Vorsitzes, nationale Interessen zu verfolgen, sind beschränkt.

Dass der Schweizer Vorsitz nur einen bescheidenen Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen geleistet hat, ist deshalb wenig überraschend.

Viele Ziele der Schweizer Aussenpolitik wie Frieden und Stabilität decken sich mit den Zielen des Europarates, so dass die Erfolge, die der Schweizer Vorsitz beim Europarat erzielen konnte, auch als Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen betrachtet werden können. Der Schweizer Vorsitz hat gerade deshalb Fortschritte im Europarat erzielt, weil er seine eigenen Positionen zurückgestellt hat und glaub-

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würdig als neutraler Vermittler aufgetreten ist. Die Schweiz hat auf Werte wie Zielorientierung und Effizienz gebaut, für die sie international bekannt ist. Insbesondere der Erfolg von Interlaken dürfte sich positiv auf das Image der Schweiz im Europarat und allenfalls in europäischen Regierungskreisen auswirken.

Zudem war die Konferenz in St. Gallen eine Gelegenheit, bei der sich die Schweiz mit dem für unser Land wichtigen Thema der Bürgerdemokratie präsentieren konnte. Die Ausstrahlung der Konferenz fiel jedoch eher gering aus. Der Vermarktungsaspekt des Vorsitzes ist generell etwas vernachlässigt worden. Ob jedoch ein deutlich grösseres Engagement des Bundesrates, das für eine starke internationale Präsenz erforderlich wäre, angemessen gewesen wäre, ist angesichts der im Vergleich zur EU oder UNO beschränkten Bedeutung des Europarates in der Schweizer Aussenpolitik fraglich.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Anlass der Evaluation

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2 Das Ministerkomitee des Europarates

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3 Analysemodell und Vorgehen der Evaluation

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4 Prioritäten des Vorsitzes und ihre Durchführung 4.1 Prioritäten und Aktivitäten 4.2 Organisation und Ressourcen

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5 Wahrnehmung der Vorsitzfunktionen 5.1 Agenda-Setting 5.2 Vermittlung 5.3 Repräsentation

7237 7238 7238 7240

6 Ergebnisse des Vorsitzes

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7 Gesamtwürdigung 7.1 Beitrag zu den Zielen des Europarates 7.2 Beitrag zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik 7.3 Folgerungen aus der Evaluation

7244 7244 7246 7247

Literatur und Dokumentenverzeichnis

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

7251

Impressum

7254

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Abkürzungsverzeichnis CEPEJ EDA EDI EFD EGMR EJPD ERD EU NGOs OSZE PVER PVK UNO UVEK

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Europäische Kommission für die Effizienz der Justiz («Commission européenne pour l'efficacité de la justice») Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Finanzdepartement Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Schweizer Europaratsdelegation, Schweizer Parlamentarierdelegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Europäische Union Nichtregierungsorganisationen («Non-Governmental Organizations») Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Parlamentarische Versammlung des Europarates Parlamentarische Verwaltungskontrolle Vereinte Nationen («United Nations Organization») Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

Bericht 1

Anlass der Evaluation

Die Schweiz hatte vom 18. November 2009 bis zum 11. Mai 2010 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates. Der Europarat ist eine multilaterale Organisation mit Sitz in Strassburg (Frankreich), die sich für die Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzt. Er wurde 1949 gegründet und zählt mittlerweile 47 Mitgliedstaaten; diese decken fast den gesamten europäischen Kontinent ab. Der Vorsitz im Ministerkomitee, dem Entscheidungsorgan des Europarates, wird alle sechs Monate in alphabetischer Reihenfolge der englischen Ländernamen weitergegeben.

Die Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat (Schweizer Europaratsdelegation, ERD) hat den Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte mit Brief vom 16. Januar 2009 den Antrag gestellt, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation zum Schweizer Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates zu beauftragen. Die ERD will damit dem Beispiel Schwedens folgen, das seinen Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates (Mai bis November 2008) ebenfalls einer Evaluation unterzogen hat.

Laut ERD stellt der Vorsitz im Ministerkomitee eine wertvolle Gelegenheit für die Schweiz dar, um auf internationaler Ebene Führungsverantwortung zu übernehmen und ihr Profil zu prägen. «Die Schweiz sollte sowohl den Ehrgeiz an den Tag legen, den Europarat voran zu bringen, drängende Probleme einer Lösung zuzuführen, als auch realistisches Augenmass beweisen.» Die ERD wünscht sich, dass die Evaluation die Geschäftsführung des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und weiterer involvierter Bundesstellen und die Leistungen des Vorsitzes kritisch würdigt. Daraus erhofft sie sich allfällige Lehren im Hinblick auf ähnliche Funktionen in anderen internationalen Organisationen.

Der Antrag der ERD wurde am 23. Januar 2009 von den Geschäftsprüfungskommissionen angenommen und die PVK wurde mit der Durchführung der Evaluation beauftragt. Auf der Grundlage einer Projektskizze der PVK hat die zuständige Subkommission EDA/VBS der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates an ihrer Sitzung vom 13. Oktober 2009 beschlossen, dass der Schweizer Vorsitz sowohl aus der Perspektive des Europarates als auch aus dem Blickpunkt der Schweizer Aussenpolitik untersucht werden soll. Die Leitfragen der Evaluation lauten demgemäss: 1.

Inwiefern übt die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates so aus, dass ein Beitrag zu den Zielen des Europarates geleistet wird?

2.

Inwiefern übt die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates so aus, dass ein Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen der Schweiz geleistet wird?

Nach einer kurzen Einführung zum Ministerkomitee als Organ des Europarates (Kap. 2), wird in Kapitel 3 das Vorgehen der Evaluation erläutert. Kapitel 4­6 stellen die Evaluationsergebnisse dar. Zum Abschluss werden die Leitfragen beantwortet und mögliche Folgerungen aus der Evaluation diskutiert.

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Der vorliegende Bericht stellt die Evaluation in komprimierter Form dar. Eine ausführliche Beschreibung der Analysen und Bewertungen findet sich im zugehörigen erläuternden Bericht.

2

Das Ministerkomitee des Europarates

Das Ministerkomitee ist das Entscheidungsorgan des Europarates. Die Schweiz hat den Vorsitz seit ihrem Beitritt im Jahr 1963 bisher viermal ausgeübt. Der nächste Schweizer Vorsitz fände bei konstant bleibender Staatenzahl im Jahr 2034 statt.

Abbildung 1 zeigt schematisch das Ministerkomitee sowie die weiteren Organe des Europarates. Unterstützt werden die Organe durch den Verwaltungsapparat des Europarates, das Generalsekretariat oder oft auch nur «Sekretariat» genannt. Das Generalsekretariat steht unter der Leitung des Generalsekretärs, der für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt wird.

Abbildung 1 Organe des Europarates Ministerkomitee Parlamentarische Versammlung Entscheidorgan

Wahl- und Beratungsorgan

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Rechtsprechendes Organ







Kongress der Gemeinden und Regionen Beratungsorgan

Konferenz der internationalen NGOs Beratungsorgan





47 Mitgliedstaaten Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Klett, Infoblatt Europarat, http://www.klett.de

Formell setzt sich das Ministerkomitee aus den Aussenministerinnen und -ministern aller 47 Mitgliedstaaten zusammen, doch halten diese faktisch nur einmal jährlich eine Sitzung ab. In der übrigen Zeit werden sie an den Sitzungen des Ministerkomitees durch die Ministerdelegierten - ständige diplomatische Vertreter/innen in Strassburg - vertreten. Die Ministerdelegierten verfügen grundsätzlich über die gleichen Kompetenzen wie die Minister/innen selber und halten etwa wöchentlich eine Sitzung ab. Für viele Themenbereiche gibt es zudem Berichterstatter- oder Arbeitsgruppen, in welchen die Geschäfte vorberaten werden.

Das Ministerkomitee verhandelt und beschliesst über die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten sowie über Empfehlungen und Konventionen. Es überwacht die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie die durch die Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen. Das Ministerkomitee verabschiedet Arbeitsprogramm und Budget des Europarates. Es kann über alle politischen Themen beraten, die einer gesamteuropäischen Lösung bedürfen, mit Ausnahme der Verteidigung, die gemäss Statut des Europarates nicht in dessen Zuständigkeit fällt.

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3

Analysemodell und Vorgehen der Evaluation

Um die Leitfragen der Evaluation zu beantworten, folgt die Untersuchung dem Analysemodell in Abbildung 2.

Abbildung 2 Bewertungsperspektive Europarat

Bewertungsperspektive Schweiz

Planung

Prioritätenpapier Schwerpunkte, Ziele und geplante Aktivitäten

Vorsitz legt aus Sicht des Europarates relevante Themen fest

Vorsitz legt aus Sicht der Schweizer Aussenpolitik relevante Themen fest







Durchführung

Analysemodell

Ressourcen und Organisation Finanzen, Personal, Strukturen, Abläufe und durchgeführte Aktivitäten





Vorsitz nutzt bei den aus Sicht des Europarates relevanten Themen seine Handlungsmöglichkeiten

Vorsitz nutzt bei den aus Sicht der Schweizer Aussenpolitik relevanten Themen seine Handlungsmöglichkeiten



Wahrnehmung der Vorsitzfunktionen

Vermittlung Leitung des Ministerkomitees und Vermittlung zwischen Mitgliedern

Ergebnisse

Agenda-Setting Festlegung von Themen

Zielerreichung Erreichung der Ziele des Vorsitzes

Repräsentation Vertretung des Ministerkomitees nach innen (Organe Europarat) und aussen







Beitrag zu den Zielen des Europarates

Beitrag zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik

Erstens wird die Planung des Schweizer Vorsitzes untersucht. Diese umfasst Schwerpunkte, Ziele und geplante Aktivitäten des Vorsitzes und ist im Prioritätenpapier, das der Europarat zu Beginn des Schweizer Vorsitzes veröffentlicht hat, festgehalten. Zweitens wird die Durchführung näher betrachtet, indem die eingesetzten Ressourcen und die Organisation analysiert werden. Als Vertiefung zur Phase der Durchführung wird drittens analysiert, wie die Schweiz drei Funktionen eines Vorsitzes in einer multilateralen Organisation wahrgenommen hat: es sind dies die Funktionen Themensetzung (Agenda-Setting), Vermittlung und Repräsentation.

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Viertens werden die Ergebnisse des Vorsitzes analysiert, indem das Erreichte mit den gesetzten Zielen verglichen wird.

Die Feststellungen werden aus den zwei Perspektiven Europarat und Schweizer Aussenpolitik, die den beiden Leitfragen entsprechen, bewertet. Beurteilt wird, ob der Schweizer Vorsitz aus der jeweiligen Perspektive relevante Themen gesetzt, seine Handlungsmöglichkeiten genutzt und auf diese Weise einen Beitrag zu den Zielen des Europarates bzw. der Schweizer Aussenpolitik geleistet hat.

Um die oben aufgeführten Elemente zu erfassen, wurde eine Reihe von Datenerhebungen durchgeführt: Gespräche mit 52 Personen, schriftliche Umfragen, Dokumenten-, Ressourcen- und Medienanalysen sowie beobachtende Teilnahme an Anlässen und Sitzungen. Mit den explorativen Gesprächen startete die PVK im Juni 2009. Die übrigen Erhebungen wurden während und kurz nach Abschluss des Vorsitzes zwischen November 2009 und Juni 2010 durchgeführt.

Als Grundlagen für die Bewertung diente der Soll/Ist-Vergleich zwischen dem Prioritätenpapier und dessen Umsetzung, der Quervergleich mit den drei Vorgängervorsitzen Schweden, Spanien und Slowenien, die subjektive Einschätzung der Beteiligten sowie der Vergleich mit bestehenden Studien, einschliesslich der Evaluation des schwedischen Vorsitzes.

Der diplomatische Untersuchungskontext stellte eine Herausforderung dar. Schwierig war namentlich, dem Auftrag einer kritischen Würdigung nachzukommen, weil die Befragten im Vergleich zu anderen Evaluationen der PVK negative Punkte weniger offen ansprachen. Einige wiesen darauf hin, dass sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Beteiligten stehen und persönliche Konsequenzen befürchten.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) haben die Gelegenheit genutzt, zu einem Entwurf des vorliegenden Berichts Stellung zu nehmen. Ihre Anmerkungen konnten weitgehend berücksichtigt werden. Wichtige Differenzen sind im vorliegenden Bericht vermerkt.

4

Prioritäten des Vorsitzes und ihre Durchführung

Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Ausgangslage und das Vorgehen der Evaluation geschildert wurden, präsentiert der verbleibende Teil des Berichts die Ergebnisse der Evaluation. Im vorliegenden Kapitel werden die Schwerpunkte und Ziele dargestellt, die sich der Schweizer Vorsitz im Rahmen der Planung gesetzt hat, und es wird deren Umsetzung über konkrete Aktivitäten aufgezeigt. Zudem werden die eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen beziffert und die Organisationsstrukturen in der Bundesverwaltung analysiert.

4.1

Prioritäten und Aktivitäten

Zu Beginn eines neuen Vorsitzes im Ministerkomitee schlägt das jeweilige Vorsitzland Prioritäten vor, die dem Ministerkomitee zur Genehmigung vorgelegt und anschliessend in Form eines Prioritätenpapiers veröffentlicht werden. Der Schweizer

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Vorsitz hat zusätzlich ein Faltblatt zu seinen Prioritäten publiziert. Die Schweiz hat für ihren Vorsitz drei Schwerpunktbereiche festgelegt: 1.

Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit,

2.

Stärkung der demokratischen Institutionen,

3.

Transparenz und Effizient des Europarates.

In jedem der drei Bereiche hat der Schweizer Vorsitz mehrere Prioritäten gesetzt.

Die wichtigste Priorität war der EGMR im Schwerpunktbereich «Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit» (Priorität 1.1 in Tabelle 1 unten). Der Gerichtshof ist mit einem grossen und wachsenden Berg von hängigen Beschwerden konfrontiert (über 120 000). Im Prioritätenpapier wird das Funktionieren und damit die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs als langfristiges Ziel festgelegt. Als kurzfristiges Ziel, das der Schweizer Vorsitz während seiner Laufzeit erreichen will, führt das Prioritätenpapier die Ratifizierung von Protokoll 14 auf, mit dem gewisse Verfahren beim Gericht vereinfacht werden sollen und das Russland als einziger Mitgliedstaat noch nicht ratifiziert hatte, weshalb das Protokoll nicht in Kraft treten konnte. Zweitens will der Schweizer Vorsitz kurzfristige Massnahmen zur Verbesserung des Funktionierens des Gerichtshofs umsetzen und drittens will er erreichen, dass die Mitgliedstaaten eine politische Erklärung mit einem Aktionsplan für eine langfristige strukturelle Reform des Gerichtshofs verabschieden. Zu diesem Zweck hat der Schweizer Vorsitz in Interlaken vom 18. bis 19. Februar 2010 eine Ministerkonferenz organisiert.

Ebenfalls wichtig für den Schweizer Vorsitz war die Priorität zur bürgernahen Demokratie mit der Konferenz in St. Gallen (3.­4. Mai 2010) als Hauptaktivität (Priorität 2.1 in Tabelle 1).

Die Prioritäten des Schweizer Vorsitzes lassen sich als Wirkungsketten (langfristiges Ziel ­ kurzfristige Ziele ­ Aktivitäten) verstehen: Der Schweizer Vorsitz hat langfristige, über den Vorsitz hinausgehende Ziele formuliert. Dann hat er festgelegt, welche Schritte hin zu diesen langfristigen Zielen er bis zum Ende seines Vorsitzes erwirken will. Um diese kurzfristigen Ziele bis zum Ende des Vorsitzes zu erreichen, hat er verschiedene Aktivitäten definiert. Tabelle 1 stellt sämtliche Prioritäten des Schweizer Vorsitzes in Form solcher Wirkungsketten dar.

Bei den Aktivitäten sind jene, die im Prioritätenpapier und/oder im Faltblatt angekündigt wurden, durch Kursivschrift hervorgehoben. Diese angekündigten Aktivitäten sind alle durchgeführt worden. Aus der letzten Spalte von Tabelle 1 ist ersichtlich, dass der Schweizer Vorsitz zusätzlich zu den angekündigten weitere Aktivitäten durchgeführt hat. Zu
jeder Priorität ist mindestens eine Aktivität realisiert worden. Am Ende von Tabelle 1 sind Aktivitäten des Schweizer Vorsitzes aufgeführt, die keinen erkennbaren Bezug zu den Prioritäten haben.

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Tabelle 1 Schwerpunkte, Ziele und Aktivitäten des Schweizer Vorsitzes zu den einzelnen Prioritäten Nr.

Prioritäten

1 1.1

Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit Gerichtshof Die Glaubwürdigkeit und das Funktionieren des EGMR sind langfristig gesichert.

1.2

Rechtsstaat

Die Mitgliedstaaten setzen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Urteile des Gerichtshofs um.

1.3

Menschenrechte Gesamtkontinent

Die Menschenrechte werden auf dem ganzen Kontinent eingehalten.

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Langfristige Ziele

Kurzfristige Ziele (bis Ende Vorsitz)

Durchgeführte Aktivitäten

Ratifizierung von Protokoll Nr. 14 durch Russland Umsetzung kurzfristiger Massnahmen Verabschiedung einer politischen Erklärung mit Aktionsplan für eine langfristige strukturelle Reform Das Ministerkomitee stellt sicher, dass die Überwachungs- und Unterstützungsmechanismen des Europarates optimal greifen.

Verbesserung der Justizsysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten Stärkung der rechtsstaatlichen Strukturen, insbesondere in Belarus

Hochrangige Konferenz zur Zukunft des EGMR

Treffen des Netzwerks der Pilotgerichte der Europäischen Kommission für die Effizienz der Justiz (CEPEJ) Entsendung Expertin für Sekretariat CEPEJ Entsendung Experte zu Osteuropa, insbes. Belarus Treffen der Vorsitzenden mit Aussenminister von Belarus Treffen der Vorsitzenden mit Präsidenten von Belarus Besuch der Vorsitzenden in Georgien Verlängerung der Entsendung Expertin zu Georgien bei Menschenrechtskommissar Besuch der Vorsitzenden in Bosnien-Herzegowina «Ministérielle»: informeller Lunch und Präsidialerklärung zu Bosnien-Herzegowina

Nr.

Prioritäten

2 2.1

Stärkung der demokratischen Institutionen Bürgernahe Demokratie In den Mitgliedstaaten gibt es eine bürgernahe, partizipative Demokratie.

2.2

Dialog mit Parlamentarischer Versammlung

Stärkung der demokratischen Legitimität des Europarates

(2.3)

Meinungs- und Medienfreiheit

Die Medienpolitik der Mitgliedstaaten basiert auf Meinungsäusserungsfreiheit und erlaubt ein vielfältiges Medienschaffen.

3 3.1

Transparenz und Effizienz des Europarates Reform des Europarates Die Finanzierung der Kernaufgaben des Europarates ist nachhaltig gesichert.

3.2

Kooperation mit internationalen Organisationen

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Langfristige Ziele

Enge institutionalisierte Beziehungen zwischen den internationalen Organisationen stellen den Schutz der Menschenrechte sicher.

Kurzfristige Ziele (bis Ende Vorsitz)

Durchgeführte Aktivitäten

Konferenz zu Demokratie und Dezentralisierung Finanzielle Unterstützung eines Projekts des Europarates zu lokaler und regionaler Demokratie in Albanien Treffen des Büros des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas Symposium im Rahmen des Programms «Demokratie lernen und leben» des Europarates Ausbau des Dialogs und der Tagung des Büros und des Ständigen Ausschusses Zusammenarbeit zwischen Minister- der Parlamentarischen Versammlung komitee und Parlamentarischer Teilnahme der Vorsitzenden am Treffen mit Versammlung Präsidialausschuss der Parlamentarischen Versammlung Geeignete Gremien des Europarates Entsendung Experte zu Medienfreiheit bei Mensetzen sich für Meinungsäusserungs- schenrechtskommissar und Medienfreiheit ein.

Konferenz über die Medienfreiheit Verbesserung der politischen Mitwirkungsmöglichkeiten von Bürger/innen in den Mitgliedstaaten Stärkung der Regierungsführung auf allen Staatsebenen

Ressourcenkonzentration bei Kernaufgaben Verbesserung der Effizienz des Europarates Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Europarat und EU, OSZE und UNO Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Beitrag zur Anstellung eines Beraters für die Reform des Europarates

Stellung eines Vertreters des Generalsekretärs bei der UNO Teilnahme der Vorsitzenden am Quadripartiten Treffen mit der OSZE

Nr.

Prioritäten

4 (4.1)

Weitere Prioritäten (nur im Faltblatt zum Schweizer Vorsitz erwähnt) Umweltschutz Dank dem Schutz der Umwelt ­ können die Menschenrechte langfristig gewährleistet werden.

Kulturelle Vielfalt Die kulturelle Vielfalt ist Teil eines ­ gemeinsamen Werterahmens von Menschenrechten und Grundfreiheiten und steht im Dienste der Integration.

(4.2)

Langfristige Ziele

Kurzfristige Ziele (bis Ende Vorsitz)

Durchgeführte Aktivitäten

Ständiger Ausschuss der Berner Konvention, 30-jähriges Jubiläum Programm Interkulturelle Städte des Europarates: internationales Treffen Treffen der Kultursachverständigen (Projekt Compendium des Europarates) Seminar über internationale Minderheitenrechte

Weitere, keiner Priorität zugeordnete Aktivitäten Ausstellungen im Foyer des «Palais de l'Europe» Internationale Konferenz zum MEDICRIMEÜbereinkommen Kolloquium «Die Schweiz und die grenzüberschreitenden Beziehungen» Informationstag Jugendpolitik in Europa Veranstaltung zum Europatag Expertenentsendung Geldwäscherei (MONEYVAL) Legende: Nr. in Klammer: Priorität ist nur im Faltblatt, nicht im offiziellen Prioritätenpapier enthalten.

­: keine Angabe vorhanden.

Kursiv: Hauptaktivitäten des Vorsitzes, die in Prioritätenpapier/Faltblatt angekündigt worden waren.

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4.2

Organisation und Ressourcen

Die PVK hat die am Vorsitz beteiligten Personen aus der Bundesverwaltung gebeten, ihren Zeitaufwand für den Vorsitz zu beziffern. Da dies rückblickend geschah, sind die folgenden Daten mit Unsicherheit behaftet. Gemäss den Erhebungen nahm der Schweizer Vorsitz grob 3370 Arbeitstage in Anspruch und verursachte einen Sachaufwand von rund 2,8 Millionen Franken. Bei einer konservativen Schätzung der Personalkosten1 entspricht dies Gesamtkosten von ungefähr 4,2 Millionen Franken. Der sparsame Ressourcenumgang stellt eine Stärke des Schweizer Vorsitzes dar.

Der finanzielle Aufwand für die Anlässe und Treffen, die unter dem Vorsitz stattfanden, betrug insgesamt knapp 1 Million Franken. Hinzu kommen zirka 1,8 Millionen Franken für Expertenentsendungen und weitere Massnahmen zur Unterstützung des Europarates, die zeitlich über den Vorsitz hinausreichen. Insbesondere bei den Anlässen hat der Vorsitz das Budget nicht ausgeschöpft. Von den von der Politischen Abteilung I des EDA budgetierten 370 000 Franken wurden etwa 292 500 Franken verwendet, was etwa 80 % entspricht. Bei der Konferenz in Interlaken ist die Abweichung vom Budget markant: Statt der geplanten 1,3 Millionen Franken wurden knapp 400 000 Franken ausgegeben. Die Personen aus der Bundesverwaltung zeigten sich sehr kostenbewusst.2 Am Schweizer Vorsitz beteiligt waren fünf der sieben Departemente der Bundesverwaltung sowie das Bundesgericht und die Parlamentsdienste, wobei 91% der Arbeitstage auf das EDA entfallen (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2 Arbeitstage für Vorsitz nach Departement Departement

Anz. Arbeitstage

in %

EDA EDI EJPD EFD UVEK Bundesgericht Parlamentsdienste

3059 130 118 44 keine Angabe 6 16

90,7 3,9 3,5 1,3 keine Angabe 0,2 0,5

Total Arbeitstage

3373

100,0

Legende: Departemente vgl. Abkürzungsverzeichnis

1

2

Als Berechnungsbasis dienten 70 % des höchsten Bruttojahreslohns der jeweiligen Lohnklasse. Nicht berücksichtigt wurden Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen, Spesen und weitere Zuschläge und Lohnnebenkosten.

Ein grober Kostenvergleich der Ministerkonferenz in Interlaken mit dem FrankophonieGipfel in Montreux (Oktober 2010) zeigt denn auch, dass die Kosten bei letzterem pro teilnehmende Person und Tag rund eineinhalbmal so hoch ausgefallen sind.

7235

Nach Verwaltungseinheiten differenziert, entfällt der grösste Anteil auf die Politische Abteilung I des EDA. An zweiter Stelle steht die Ständige Vertretung der Schweiz in Strassburg. Bei den anderen beteiligten Stellen des EDA sowie in den anderen Departementen fiel der Ressourceneinsatz deutlich geringer aus.

Der Bundesrat hat für den Schweizer Vorsitz im Europarat keine Ressourcen gesprochen. Sämtliche finanziellen und personellen Aufwände für den Vorsitz wurden durch die beteiligten Departemente intern kompensiert. Das EDA hat der Politischen Abteilung I zwei zusätzliche Stellen zugesprochen, die im vorgesehenen Umfang ausgeschöpft worden sind. Die Direktion für Völkerrecht im EDA besetzte für die Konferenz von Interlaken für drei Monate eine zusätzliche Praktikumsstelle.

Ansonsten wurde der Schweizer Vorsitz mit den bestehenden personellen Ressourcen in den einzelnen Verwaltungseinheiten abgewickelt.

Hervorzuheben ist der grosse Arbeitseinsatz, den viele Mitarbeitende in Bern und in Strassburg geleistet haben. Sie nahmen erhebliche Überstunden in Kauf, die nur bei einem Teil abgegolten oder kompensiert wurden. Die Arbeitsbelastung einzelner Personen war mit 60-Stunden-Wochen und Wochenendarbeit zeitweise sehr hoch.

Nach einzelnen Prioritäten (vgl. Abbildung 3) betrachtet, entfällt der grösste Anteil des Aufwands auf «Übriges», was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist.

Viele Personen im EDA hatten Mühe, ihren Aufwand den einzelnen Prioritäten zuzuweisen. Zudem sind unter «Übriges» jene Aktivitäten verbucht, die keiner der Prioritäten zugeordnet werden konnten (vgl. Liste am Ende von Tabelle 1). Hier schlagen die Expertenentsendung zu Geldwäscherei und die von Swissmedic durchgeführte MEDICRIME-Konferenz besonders zu Buche.

Abbildung 3 Aufwand nach Prioritäten (Total = 4,2 Millionen Franken) Übriges 1.1: Gerichtshof 2.1: Bürgernahe Demokratie 1.3: Belarus, Georgien, Bosnien 2.3: Meinungs-/Medienfreiheit 3.2: Kooperation int. Organisationen 3.1: Reform Europarat 1.2: Rechtsstaat 4.1: Umweltschutz 2.2: Dialog PVER 4.2: Kulturelle Vielfalt 0

500000

1000000

1500000

Gesamtkosten in Franken Personalaufwand

Anlässe

Unterstützung Europarat

Werbung

Von den Prioritäten her generierte der Gerichtshof mit der Konferenz in Interlaken den grössten personellen und finanziellen Aufwand (Priorität 1.1). An zweiter Stelle folgt Priorität 2.1 zur bürgernahen Demokratie, bei der weniger die Konferenz in 7236

St. Gallen, sondern die finanzielle Unterstützung eines Europaratsprojekts in Albanien zu Buche schlägt. Die beiden Grossanlässe des Vorsitzes, die Konferenz in Interlaken und jene in St. Gallen, waren laut Rückmeldungen von Teilnehmenden gut organisiert und ihrem jeweiligen Publikum angemessen. Bei der Konferenz in Interlaken lobten alle Beteiligten die gute und enge Zusammenarbeit von EDA und EJPD.

An dritter Stelle folgt Priorität 1.3, bei der die Schweiz mit mehreren Expertenentsendungen ein finanzielles Engagement zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern eingegangen ist, das zeitlich über den Vorsitz hinausgeht.

Die Aktivitäten des Schweizer Vorsitzes mussten sowohl innerhalb der Bundesverwaltung als auch mit dem Generalsekretariat des Europarates koordiniert werden.

Die Abläufe stellten für alle Beteiligten wegen ihrer Neuheit und Komplexität eine Herausforderung dar. Zwar ereigneten sich keine grösseren Zwischenfällte, doch gab es wiederholt Reibungen, die namentlich auf eine ungenügende Klärung der Schnittstellen zwischen der Ständigen Vertretung in Strassburg und der für die Gesamtkoordination zuständigen Sektion Europarat und OSZE in der Politischen Abteilung I zurückzuführen sind. Insbesondere fehlte eine eindeutige Regelung der Kontakte zum Generalsekretariat des Europarates, was dort für gewisse Verwirrung sorgte.

Das im Vorfeld festgelegte Organigramm für den Vorsitz geht von einer strikten Abwicklung in der Linienorganisation aus. Die grosse Zahl der Hierarchiestufen stellte in der Praxis jedoch ein Problem dar. Entscheide verzögerten sich, und die Mitsprache der verschiedenen hierarchischen Stufen erschwerte die Zusammenarbeit zwischen den Bundesstellen. Dass zuweilen eine Hierarchiestufe übersprungen wurde, ist deshalb als pragmatische Lösung zu betrachten.

Tabelle 3 Bewertung der Durchführung Stärken

Schwächen

­ gutes Verhältnis Kosten/Leistungen

­ träge Linienorganisation

­ geringer finanzieller Aufwand

­ hohe Arbeitsbelastung

­ grosser Arbeitseinsatz

­ unklare Schnittstellen zwischen Bern und Strassburg

­ gut organisierte Anlässe ­ pragmatische Anpassung der Abläufe

5

Wahrnehmung der Vorsitzfunktionen

Der Vorsitz im Ministerkomitee lässt sich schlecht nur anhand seiner Ergebnisse beurteilen, weil diese von einer Vielzahl von Faktoren und nicht allein vom Vorsitz abhängen. Deshalb hat die vorliegende Evaluation die Durchführung vertieft analysiert. Im Vordergrund steht, wie die Schweiz drei Funktionen eines Vorsitzes ­ Agenda-Setting, Vermittlung und Repräsentation ­ wahrgenommen hat.

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5.1

Agenda-Setting

Das EDA hat sich bereits früh mit den Prioritäten des Vorsitzes befasst und die relevanten Akteure in der Schweiz und beim Europarat in die Themensetzung einbezogen. Allerdings setzte sich die Departementsspitze erst spät eingehend mit dem Prioritätenpapier auseinander und brachte im letzten Moment Anpassungen an, was von aussen als Zeichen einer mangelnden Vorbereitung gewertet wurde.

Inhaltlich hat der Schweizer Vorsitz drei Prioritätenbereiche definiert und innerhalb dieser eine Reihe von Aktivitäten umgesetzt. Von aussen wurde das Aktivitätenprogramm häufig als zu eng kritisiert, doch stellte sich heraus, dass die tatsächliche Breite der Aktivitäten gar nicht wahrgenommen wurde, weil der Schweizer Vorsitz nur einige wenige Aktivitäten aktiv kommunizierte. Die Evaluation kommt zum Schluss, dass es angesichts der begrenzten Dauer des Vorsitzes richtig war, das Programm auf drei Bereiche zu beschränken und klare Akzente zu setzen, dass der Vorsitz seine verschiedenen Aktivitäten aber etwas besser hätte vermarkten können.

In der schriftlichen Umfrage gaben sieben von zehn Schlüsselpersonen aus dem Generalsekretariat Europarat an, dass der Schweizer Vorsitz die Prioritäten des Europarates im Vergleich zu früheren Vorsitzen stärker beeinflusst habe. Diese Meinung wurde auch in Interviews mit verwaltungsinternen und -externen Personen häufig geäussert. Das Agenda-Setting des Schweizer Vorsitzes kann somit als wirkungsvoll eingestuft werden.

Tabelle 4 Bewertung des Agenda-Settings Stärken

Schwächen

­ frühzeitige Vorbereitung

­ späte Einflussnahme der Departementsspitze des EDA

­ gute Abstimmung der Themen in der Bundesverwaltung, mit relevanten Akteuren in der Schweiz, mit Vorgängervorsitzen und Nachfolger und mit dem Europarat

­ etwas zurückhaltende Kommunikation der unterschiedlichen Aktivitäten

­ kohärentes, anspruchsvolles, von der Breite her überschaubares Programm ­ vergleichsweise starker Einfluss auf Agenda des Europarates

5.2

Vermittlung

Bei der Vermittlung wurde einerseits die Sitzungsleitung des Schweizer Vorsitzes im Ministerkomitee untersucht, andererseits die Verhandlungsführung zur Interlakener Erklärung für eine Reform des EGMR (Priorität 1.1). Gemäss den Schlüsselpersonen des Generalsekretariats hat der Schweizer Vorsitz die Sitzungen und Verhandlungen insgesamt gekonnt geleitet, konstruktive Vorschläge gemacht sowie bilaterale und informelle Kontakte geschickt genutzt.

Die erfolgreiche Verhandlungsführung im Vorfeld zur Konferenz in Interlaken wurde von den Gesprächspartnerinnen und -partnern der Evaluation stark betont.

7238

Der Schweizer Vorsitz hat den Verhandlungsprozess klar geführt und sehr bewusst gestaltet. Er hat beispielsweise ein Format ausserhalb der regelmässigen Sitzungen des Ministerkomitees gewählt. Zudem fanden die Verhandlungen gewollt unter Zeitdruck statt. Es ist dem Schweizer Vorsitz zudem gelungen, eine positive Gruppendynamik unter den Mitgliedern des Ministerkomitees zu erzeugen. Der Schweizer Vorsitz hat alle Hebel in Gang gesetzt und auf verschiedenen Ebenen bis hinauf zum Bundesrat mit anderen Staaten vermittelt, um einen Konsens zu erreichen.

Bezüglich der Sitzungsleitung im Ministerkomitee steht der Schweizer Vorsitz für eine effiziente, ergebnisorientierte und sachkundige Führung des Gremiums. Der Schweizer Vorsitz hat seine Leitungsbefugnisse geschickt genutzt, um die Sitzungen auf die wesentlichen Punkte zu lenken und Entscheidungen herbeizuführen. Die Sitzungsleitungsfunktion wurde in solider Art und Weise wahrgenommen.

Gegenüber dem Sekretariat des Ministerkomitees hat sich der Schweizer Vorsitz unabhängiger bewegt als andere Vorsitze, was zu gewissen Spannungen geführt hat.

Von der Mehrheit der Befragten wurde diese Unabhängigkeit eher positiv beurteilt.

In mehreren Gesprächen wurde angedeutet, der Schweizer Vorsitz habe nicht genügend auf vorhandene Sensibilitäten Rücksicht genommen, wobei mehrfach die Behandlung einer parlamentarischen Frage zur Minarettverbotsinitiative als Beispiel genannt wurde. Die Evaluation kann diesen Punkt nicht abschliessend beurteilen.

Die Evaluation kommt zudem gestützt auf mehrere Befragte zum Schluss, dass der Schweizer Vorsitz die jährliche Zusammenkunft der Aussenminister/innen (die «Ministérielle»), die zum Abschluss des Vorsitzes stattfand, eher zu spät aufgegleist hat. Das ursprünglich geplante Thema konnte aufgrund der fehlenden Teilnahme wichtiger Personen nicht behandelt werden.3 Inwiefern der Schweizer Vorsitz seiner Aufgabe als Vermittler zwischen uneinigen Mitgliedern nachgekommen ist, kann die Evaluation nicht eindeutig beurteilen. Im Ministerkomitee hielt sich der Schweizer Vorsitz gemäss eigener Aussage und nach Meinung einiger Mitglieder als Vermittler eher zurück. Gleichzeitig wurde die Schweiz aber sehr häufig als neutrale Vermittlerin bezeichnet.

Tabelle 5 Bewertung der Vermittlung Stärken

Schwächen

­ sachkundige, effiziente, ergebnisorientierte Sitzungsleitung

­ eigenständiges Handeln des Vorsitzes führte zu Spannungen, die geglättet werden mussten

­ bewusste Nutzung der Möglichkeiten des Vorsitzes bei der Sitzungsleitung ­ Unabhängigkeit vom Sekretariat ­ Interlaken: gezielte Prozessgestaltung, erfolgreiche Verhandlungsstrategien, klare Führungsrolle, Vermittlungsengagement bis auf Ebene Bundesrat

3

­ eher zu späte Vorbereitung der «Ministérielle» ­ zumindest in einem Fall: zu geringe Berücksichtigung vorhandener Sensibilitäten

Das EDA hält in seiner Stellungnahme zu einem Entwurf des vorliegenden Berichts fest, dass die Vorbereitungen nicht zu spät begonnen wurden. Die fehlende Teilnahme sei allein auf Unwägbarkeiten ausserhalb des Einflusses des Departements zurückzuführen.

7239

5.3

Repräsentation

Die Evaluation hat die interne wie auch die externe Repräsentation untersucht.

Bei der internen Repräsentation vertritt der Vorsitz das Ministerkomitee gegenüber anderen Organen des Europarates und gegenüber dem Generalsekretariat. Insbesondere mit der Parlamentarischen Versammlung hat der Schweizer Vorsitz seinen Verhandlungsspielraum ausgeschöpft und dadurch die Lösung von internen Verfahrensfragen vorangebracht. Unter anderem dank dem Einsatz der Vorsteherin des EDA haben sich die Beziehungen zwischen Ministerkomitee und Parlamentarischer Versammlung normalisiert. Der Vorsitz hat bei der Reform des Gerichtshofs bzw.

des Europarates (Prioritäten 1.1 und 1.3) den Kontakt zu Gerichtshof und Generalsekretariat gesucht und konnte so sachlich fundierte Vorschläge präsentieren und sich die Unterstützung der relevanten Stellen für den Reformplan sichern. Durch die Information der verschiedenen Organe über die Konferenz in St. Gallen (Priorität 2.1) und die Einladung einzelner ihrer Vertreter und Vertreterinnen hat der Schweizer Vorsitz europaratsintern allenfalls eine Sensibilisierung für das Thema Bürgerdemokratie erreicht. Im Gegensatz zur Konferenz in Interlaken versuchte der Vorsitz dagegen nicht, die Organe oder das Generalsekretariat für konkrete Nachfolgeaktivitäten zu gewinnen. Die Einbindung der Organe blieb unverbindlich. Insgesamt kommt die Evaluation bei der europaratsinternen Repräsentation aber zu einem weitgehend positiven Ergebnis.

Die Bilanz zur Repräsentation des Europarates nach aussen fällt bescheidener aus.

Positiv hervorzuheben sind die Besuche der Schweizer Vorsitzenden in Georgien und Bosnien-Herzegowina. Damit hat der Schweizer Vorsitz deutlich stärker als seine Vorgänger eine Repräsentationsfunktion gegenüber Mitgliedstaaten wahrgenommen, die dazu dient, die Länder an ihre Verpflichtungen zu erinnern, die sie mit der Mitgliedschaft beim Europarat eingegangen sind. Konkrete Ergebnisse hat der Schweizer Vorsitz allerdings keine erzielt.

Zudem ist der Schweizer Vorsitz weniger als frühere Vorsitze als Repräsentant des Europarates gegenüber anderen internationalen Organisationen aufgetreten. Es hat nur ein hochrangiges Treffen mit der OSZE stattgefunden, während ein Treffen mit hohen Vertretern der EU vor allem aus EU-internen Gründen scheiterte. Zuweilen hat sich der Vorsitz
zurückgenommen und stattdessen den Generalsekretär bei seinen Repräsentationsbemühungen unterstützt. Die Evaluation bewertet dies positiv, weil der Schweizer Vorsitz dadurch gewährleisten konnte, dass seine Anliegen längerfristig weiterverfolgt werden.

Die Repräsentation gegenüber den Medien weist Schwächen auf. So lag die Medieninformation des Europarates über den Schweizer Vorsitz in quantitativer Hinsicht deutlich unter anderen Vorsitzen. In qualitativer Hinsicht fällt dagegen unter anderem positiv auf, dass die Schweiz im Vergleich zu früheren Vorsitzen viele politische Stellungnahmen zusammen mit dem Generalsekretär oder dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung abgegeben hat, was deren Gewicht erhöht haben dürfte. Der Bund hat während dem Vorsitz häufiger über den Europarat informiert als in der Zeit davor. Dennoch wurden gemäss der im Rahmen der Evaluation durchgeführten Analyse nur zwei Ereignisse des Vorsitzes in der Schweizer Presse gut abgedeckt: die Übernahme des Vorsitzes im November 2009 und die Konferenz in Interlaken. Laut Befragten hätte durch eine gezieltere Medienarbeit etwas mehr erreicht werden können.

7240

Tabelle 6 Bewertung der Repräsentation Stärken

Schwächen

­ Ausschöpfung des Spielraums in Verhandlungen mit der Parlamentarischen Versammlung

­ Einbindung der verschiedenen Organe bei der St. Galler Konferenz bleibt unverbindlich

­ sachdienlicher Einbezug von EGMR und Generalsekretariat und Mobilisierung von deren Unterstützung

­ nur ein hochrangiges Treffen mit internationalen Organisationen

­ aktive Wahrnehmung der Repräsentationsfunktion gegenüber Mitgliedstaaten

­ beschränkte bzw. wenig gezielte Medieninformation durch Europarat und Bundesverwaltung

­ Stärkung der Repräsentationsfunktion des Generalsekretärs ­ europaratsinterne Zusammenarbeit bei der Medieninformation

6

Ergebnisse des Vorsitzes

Die Ergebnisse des Vorsitzes hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Den Beitrag des Vorsitzes genau zu benennen ist schwierig. Noch schwieriger ist die Prognose der längerfristigen Wirkungen des Schweizer Vorsitzes. Dennoch lässt sich aus dem, was der Vorsitz während seiner Amtszeit erreicht hat, sowie aus den Einschätzungen der Gesprächspartner und den Beurteilungen aus der schriftlichen Umfrage eine Aussage hierzu machen.

Tabelle 7 führt die kurz- und längerfristigen Ergebnisse des Schweizer Vorsitzes auf. Die graue Schrift soll die Prognoseunsicherheit bei den längerfristigen Ergebnissen verdeutlichen. Unsichere Einschätzungen sind zudem mit einem Fragezeichen (?) gekennzeichnet.

Ein äusserst anspruchsvolles Ziel hat der Schweizer Vorsitz erreicht: die Verabschiedung der Erklärung von Interlaken, die einen Reformplan für den EGMR enthält (Priorität 1.1). Die Erklärung deckt darüber hinaus zumindest einen Teil des Ziels zur Verbesserung des Rechtsstaats (Priorität 1.2) ab, indem sie auch die Mitgliedstaaten und das Ministerkomitee in die Pflicht nimmt.

Gewisse Ziele hat der Schweizer Vorsitz (teilweise) erreicht, indem er den Generalsekretär und dessen Sekretariat gezielt unterstützt hat, etwa bei der Reform des Europarates (Priorität 3.1). Damit hat der Schweizer Vorsitz sichergestellt, dass seine Anliegen über die eigene Amtszeit hinaus verfolgt werden. Nachteilig an diesem Vorgehen ist die beschränkte Mitsprache des Schweizer Vorsitzes. Beispielsweise trat die von der Schweiz ursprünglich geforderte Konzentration auf die Kernaufgaben bei den Reformplänen des Generalsekretärs in den Hintergrund.

7241

Tabelle 7 Zielerreichung und Beitrag zu langfristigen Zielen Nr.

Prioritäten

1 1.1

Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit Gerichtshof Die Glaubwürdigkeit hoch und das Funktionieren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind langfristig gesichert.

1.2

Rechtsstaat

Langfristige Ziele

Prognose Beitrag Vorsitz

Die Mitgliedstaaten mittel setzen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Urteile des Gerichtshofs um.

tief/?

1.3

MenschenDie Menschenrechte rechte Gesamt- werden auf dem ganzen kontinent Kontinent eingehalten.

2 2.1

Stärkung der demokratischen Institutionen Bürgernahe In den Mitgliedstaaten tief/?

Demokratie gibt es eine bürgernahe, partizipative Demokratie.

2.2

Dialog mit Parlamentarischer Versammlung

Stärkung der demokratischen Legitimität des Europarates

mittel

2.3

Meinungsund Medienfreiheit

Die Medienpolitik der Mitgliedstaaten basiert auf Meinungsäusserungsfreiheit und erlaubt ein vielfältiges Medienschaffen.

?

7242

Kurzfristige Ziele (bis Ende Vorsitz)

Zielerreichung

Ratifizierung von Protokoll Nr. 14 durch Russland Umsetzung der kurzfristigen Massnahmen (Protokoll Nr. 14bis usw.)

Verabschiedung einer politischen Erklärung mit Aktionsplan für eine langfristige strukturelle Reform Das Ministerkomitee stellt sicher, dass die Überwachungs- und Unterstützungsmechanismen des Europarates optimal greifen.

Verbesserung der Justizsysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten Stärkung der rechtsstaatlichen Strukturen, insbesondere in Belarus

hoch

Verbesserung der politischen Mitwirkungsmöglichkeiten von Bürger/innen in den Mitgliedstaaten Stärkung der Regierungsführung auf allen Staatsebenen Ausbau des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Ministerkomitee und Parlamentarischer Versammlung Geeignete Gremien des Europarates setzen sich für Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit ein

mittel

hoch

mittel

mittel/?

tief

tief/?

?

hoch

hoch

Nr.

Prioritäten

3 3.1

Transparenz und Effizienz des Europarates Reform Die Finanzierung mittel Europarat der Kernaufgaben des Europarates ist nachhaltig gesichert.

3.2

Kooperation mit internationalen Organisationen

Langfristige Ziele

Enge institutionalisierte Beziehungen zwischen den internationalen Organisationen stellen den Schutz der Menschenrechte sicher.

Prognose Beitrag Vorsitz

mittel

Kurzfristige Ziele (bis Ende Vorsitz)

Zielerreichung

Ressourcenkonzentration bei Kernaufgaben Verbesserung der Effizienz des Europarates Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Europarat und EU

tief mittel tief

Beitritt der EU zur mittel Europäischen Menschenrechtskonvention Verstärkte Zusammen- tief arbeit zwischen Europarat und OSZE Verstärkte Zusammen- mittel/?

arbeit zwischen Europarat und UNO 4 4.1

4.2

Weitere Prioritäten (nur im Faltblatt zum Schweizer Vorsitz erwähnt) Umweltschutz Dank dem Schutz tief ­ der Umwelt können die Menschenrechte langfristig gewährleistet werden.

Kulturelle Die kulturelle Vielfalt ­ ?

Vielfalt ist Teil eines gemeinsamen Werterahmens von Menschenrechten und Grundfreiheiten und steht im Dienste der Integration.

­

­

Legende: Zielerreichungsgrad hoch: Ziel weitgehend erreicht; mittel: Ziel zum Teil erreicht; tief: Ziel weitgehend nicht erreicht; ?: Bewertung unsicher bzw. unmöglich mangels Informationen. ­: Ziel nicht spezifiziert, weshalb Zielerreichung nicht beurteilt werden kann.

Prognose zum Beitrag des Vorsitzes zu den langfristigen Zielen: hoch: grosser Schritt in Richtung Ziel zu erwarten; mittel: kleiner Schritt in Richtung Ziel zu erwarten; tief: kaum Fortschritte zu erwarten; ?: Bewertung unsicher bzw. unmöglich mangels Informationen.

Dass der Schweizer Vorsitz seine Ziele nur teilweise erreicht hat, hängt erstens mit äusseren Umständen zusammen. Im Falle von Belarus fehlte die Bereitschaft der belarussischen Seite für ein Entgegenkommen (Priorität 1.3). Zweitens liegt die Lücke bei der Zielerreichung zum Teil an der Art, wie die Aktivitäten umgesetzt worden sind. Die Vorbereitungen des Ministertreffens am Ende des Vorsitzes («Ministérielle») wurden beispielsweise eher zu spät in Angriff genommen. Drittens gibt es Prioritäten, bei welchen die Aktivitäten von Anfang an nicht geeignet waren, 7243

um die Ziele des Schweizer Vorsitzes zu erreichen. So musste die Konferenz von St. Gallen als einmaliger Anlass mit akademischer Ausrichtung in ihrem Effekt auf die politische Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern beschränkt bleiben. Zudem hat es der Vorsitz versäumt, die weitere Bearbeitung des Konferenzthemas im Europarat beispielsweise durch einen Aktionsplan sicherzustellen.4 Schliesslich sind die Wirkungen vieler Unterstützungsleistungen an den Europarat tendenziell erst längerfristig zu erwarten und konnten im Rahmen der Evaluation nicht festgestellt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schweizer Vorsitz bei der äusserst anspruchsvollen Priorität zur Reform des Gerichtshofs, die er bei der Themensetzung in den Vordergrund gestellt hatte, sein Ziel sehr gut erreicht hat. Beim zweiten, gross angekündigten Thema der Demokratisierung dagegen war der Hauptanlass, die Konferenz von St. Gallen, von Anfang an wenig geeignet, um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen. Daneben gibt es sowohl kleinere Erfolge als auch Misserfolge, für die der Vorsitz unterschiedlich stark selber verantwortlich ist.

7

Gesamtwürdigung

Dieses Kapitel liefert in den zwei ersten Abschnitten die Antworten auf die beiden Leitfragestellungen nach dem Beitrag des Schweizer Vorsitzes zu den Zielen des Europarates bzw. den Zielen der Schweizer Aussenpolitik. Im dritten Abschnitt werden mögliche Folgerungen aus der Evaluation gezogen.

7.1

Beitrag zu den Zielen des Europarates

Der Schweizer Vorsitz kann aus Sicht der Ziele des Europarates als Erfolg gewertet werden. Für den Europarat ist die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs (Priorität 1.1) mit Abstand das wichtigste Thema. Der EGMR macht den Europarat als multilaterale Organisation einmalig und wird nach aussen am stärksten wahrgenommen. Vom Funktionieren des Gerichtshofs hängt laut vielen Befragten die Zukunft des Europarates insgesamt ab. Es wurde sehr begrüsst, dass der Schweizer Vorsitz die Probleme des EGMR aufgegriffen hat. Die Schweiz habe sich bereits in der Vergangenheit für den EGMR eingesetzt und verfüge über das nötige Wissen zum Gerichtshof sowie über die notwendigen Ressourcen, um eine hochrangige Konferenz durchzuführen.

Bei der Priorität zur Reform des Gerichtshofs hat der Vorsitz seine Funktionen geschickt wahrgenommen. Er hat das mit einer hochrangigen Konferenz verbundene Risiko des öffentlichen Scheiterns auf sich genommen und das Thema prominent auf seine Agenda gesetzt. Der Schweizer Vorsitz hat den Prozess zur Erarbeitung einer gemeinsamen Erklärung sehr bewusst und eigenständig gestaltet. Er hat die relevanten Stellen des Europarates, insbesondere den Gerichtshof, in die Vorbereitungen miteinbezogen und damit sichergestellt, dass die Erklärung sowohl akzeptiert als auch sachlich korrekt ist. Im Verhandlungsprozess hat der Schweizer Vorsitz bewusst eine Führungsrolle übernommen. EDA und EJPD haben gut zusammenge4

Gemäss Stellungnahme des EDA sind die Ergebnisse der St. Galler Konferenz ins Forum über die Zukunft der Demokratie in Yerewan (19.­21. Oktober 2010) eingeflossen.

Daraus sei ein Projekt des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates zu Modellen der Bürgerdemokratie auf Gemeindeebene entstanden.

7244

arbeitet und die beiden Departementsvorsteherinnen haben sich auch persönlich bei ausländischen Regierungskollegen für die Erklärung eingesetzt. Das EDA hat für einen einwandfrei organisierten Anlass in einem angemessenen Rahmen bei bescheidenem Ressourceneinsatz gesorgt. Die Kosten blieben mit knapp 400 000 Franken weit unter dem Budget. Viele Mitarbeitende zeigten grossen Einsatz.

Russland hinterlegte an der Konferenz in Interlaken als letzter Mitgliedstaat seine Ratifizierung von Protokoll 14, womit die in diesem Protokoll vorgesehenen Vereinfachungen der Verfahren beim Gerichtshof per 1. Juni 2010 in Kraft treten konnten.

Für den Erfolg der Konferenz in Interlaken war die Ratifizierung entscheidend, weil erst so eine über Protokoll 14 hinausgehende Reformdiskussion möglich wurde.

Inwieweit der Schweizer Vorsitz zur Ratifizierung von Protokoll 14 durch Russland beigetragen hat, bleibt offen.

Die in Interlaken verabschiedete Erklärung dient nicht nur als Fahrplan für die Reform des Gerichtshofs, sondern nimmt auch die Mitgliedstaaten und das Ministerkomitee in die Verantwortung und hat deshalb das Potential, den Europarat bezüglich der Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Menschenrechtskonvention und beim Vollzug der Urteile (Priorität 1.2) voranzubringen. Der Schweizer Vorsitz hat den Europarat mit der Interlakener Erklärung bei der wichtigsten Herausforderung, die sich der Organisation stellt, einen grossen Schritt weitergebracht hat und ist dabei die Problematik der Durchsetzung der Menschenrechte umfassend angegangen.

Bei der Reform des Europarates (Priorität 3.1) hat der Schweizer Vorsitz vor allem den Generalsekretär unterstützt, sowohl politisch als auch finanziell. Der Schweizer Vorsitz hat dafür gesorgt, dass das Ministerkomitee einbezogen wurde und es die notwendigen Entscheidungen fällte. Dabei hat der Vorsitz sein eigenes Ziel, den Europarat auf die Kernaufgaben zu fokussieren, zurückgenommen.

Weniger klar ist der Beitrag des Schweizer Vorsitzes zu den Zielen des Europarates bei den übrigen Prioritäten. Die Konferenz zu «Demokratisierung und Dezentralisierung» in St. Gallen (Priorität 2.1) blieb in ihrer konkreten Wirkung gemessen am hohen Ziel beschränkt. Der Vorsitz hat es versäumt, die Weiterverfolgung des Themas im Europarat beispielsweise durch einen Aktionsplan
sicherzustellen. Doch erfreulicherweise scheinen die Ergebnisse der Konferenz laut Stellungnahme des EDA in gewisse Folgeaktivitäten des Europarates eingeflossen zu sein.

Schliesslich ist der Schweizer Vorsitz stärker als frühere Vorsitze in ausgewählten Staaten für eine Verbesserung der Menschenrechte eingetreten. Genannt sei diesbezüglich der Einsatz der Vorsteherin des EDA für eine Annäherung von Belarus an den Europarat (Priorität 1.3) sowie für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Georgien und eine Verfassungsreform in Bosnien-Herzegowina. Diese Bemühungen waren nicht von konkreten Erfolgen gekrönt. Es handelt es sich jedoch um komplexe Probleme, bei denen keine schnellen Lösungen zu erwarten sind. Bei einer längerfristigen Planung hätte der Schweizer Vorsitz die Auswahl der besuchten Länder jedoch auf eine systematischere Abklärung der Opportunitäten abstützen und dadurch allenfalls mehr Wirkung erzielen können.

Die Rolle des Vorsitzes im Ministerkomitee ist es, Impulse zu verleihen. Längerfristig muss die Umsetzung von Massnahmen über das Generalsekretariat geschehen.

Eine gute Zusammenarbeit zwischen Generalsekretariat und Vorsitz ist deshalb zentral. Im Falle des Schweizer Vorsitzes hat diese übers Ganze gesehen funktioniert, wurde aber zeitweise durch eine etwas unklare Aufgabenabgrenzung zwischen 7245

dem EDA in Bern und der Schweizer Vertretung in Strassburg erschwert. Bei der Interlakener Erklärung ist es dem Schweizer Vorsitz gelungen, die relevanten Stellen für die Umsetzung zu gewinnen. So wird der Schweizer Vorsitz beim Europarat bleibende Spuren hinterlassen.

7.2

Beitrag zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik

In der Schweizer Aussenpolitik hat der Europarat einen begrenzten Stellenwert; Organisationen wie die EU oder die UNO sind viel wichtiger. Für die Vertretung wirtschaftlicher Interessen ist der Europarat praktisch bedeutungslos. Er steht jedoch für die Förderung wichtiger Werte der Schweizer Aussenpolitik wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Die grosse Mitgliederzahl im Europarat und die Tatsache, dass der Vorsitz auf das Ministerkomitee als einziges Gremium beschränkt ist, vermindern zudem die Möglichkeiten des Vorsitzes, eigene Interessen durchzusetzen. Die strukturellen Voraussetzungen, um mit dem Vorsitz eigene aussenpolitische Ziele zu verfolgen, sind somit ungünstig.

Das EDA betonte, die Prioritäten des Schweizer Vorsitzes seien aus der Perspektive des Europarates und eben gerade nicht aus nationaler Perspektive heraus formuliert worden. Indem sich der Europarat für Rechtssicherheit und Demokratie auf dem Kontinent einsetze, fördere er die Grundpfeiler für Frieden und Stabilität. Diese Grundorientierung decke sich mit der Schweizer Aussenpolitik, weshalb man davon ausgegangen sei, dass es für den Vorsitz am besten sei, wenn er sich in den Dienst der Organisation stelle und seine eigenen Ziele zurückstelle.

Diese Zurückbindung war für die Glaubwürdigkeit des Schweizer Vorsitzes wichtig.

Bei der Reform des Gerichtshofs hat der Schweizer Vorsitz den Prozess der Erarbeitung einer Erklärung sehr eigenständig gestaltet. Dieses Vorgehen wurde anfänglich von den anderen Staaten und dem Generalsekretariat des Europarates mit Skepsis betrachtet und schliesslich nur akzeptiert, weil sie überzeugt waren, dass der Schweizer Vorsitz im Gesamtinteresse handelt. Dank der Führungsrolle im Prozess konnte sich die Schweiz dennoch besser durchsetzen als andere Staaten und brachte beispielsweise die Verabschiedung eines konkreten Zeitplans trotz Widerständen durch.

Mit der bürgernahen, partizipativen Demokratie hat der Schweizer Vorsitz ein aus nationaler Sicht wichtiges Thema prominent auf die Agenda gesetzt, doch dürfte er damit kaum Wirkung erzielt haben. Viele Befragte fanden diese Priorität wichtig, weil es im Europarat grosse Skepsis gegenüber föderalistischen, partizipativen Demokratien gebe. Die Konferenz in St. Gallen als Hauptanlass war gut organisiert und für die Teilnehmenden
interessant. Die Schweiz konnte sich als bürgernahe Demokratie positiv darstellen, doch dürfte die Konferenz in der Öffentlichkeit aufgrund der geringen Medienberichterstattung kaum wahrgenommen worden sein.

Dass die Schweiz den Vorsitz in der (Medien-)Öffentlichkeit nicht stärker für die «Selbstdarstellung» genutzt hat, wurde von vielen Befragten bemängelt. Auch die Evaluation ortet bei der Medienpräsenz eine Schwäche. Gleichzeitig kommt die PVK aber zum Schluss, dass der Vorsitz durchaus das Image der Schweiz gestärkt hat, jedoch nicht in der breiten Öffentlichkeit, sondern vor allem innerhalb des Europarates sowie in europäischen Regierungskreisen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür war, dass sich der Schweizer Vorsitz stärker als frühere Vorsitze ein themati7246

sches Profil erarbeitet hat, indem er sich auf wenige Themen beschränkt, diese dafür stark betont hat. Dank «Interlaken» konnte die Schweiz zudem ihren Ruf als ehrliche Vermittlerin stärken.

Aufgrund der Voraussetzungen war somit von Beginn weg nur ein begrenzter Beitrag des Schweizer Vorsitzes zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik zu erwarten. Der Schweizer Vorsitz war insbesondere erfolgreich, weil er seine eigenen Positionen zurückgestellt und glaubwürdig als Vertreter des Europarates auftreten konnte. Deshalb wurde die Führungs- und Leitungsrolle, die er für sich beansprucht hat, von den anderen Mitgliedern trotz anfänglicher Skepsis akzeptiert. Der Schweizer Vorsitz konnte auf diese Weise Ziele erreichen, was sich allenfalls durch eine Verbesserung des Images der Schweiz beim Europarat und in gewissen Regierungskreisen auszahlen könnte.

7.3

Folgerungen aus der Evaluation

Der Vorsitz in einer multilateralen Organisation ist ein Balanceakt: Um Spuren zu hinterlassen, muss der Vorsitz den Mut haben, eigenständig zu handeln und neue Akzente zu setzen, obwohl damit immer auch Widerstände verbunden sind. Gleichzeitig muss der Vorsitz darauf achten, dass sein Tun in die Organisation eingebettet ist und ihm die übrigen Mitglieder folgen, um zu verhindern, dass seine Aktionen wirkungslos verpuffen. Diesen Balanceakt hat der Schweizer Vorsitz im Ministerkomitee übers Ganze gut gemeistert.

Ein Teil des Erfolgsrezepts war, dass der Schweizer Vorsitz auf die Werte gebaut hat, für welche die Schweiz international bekannt ist: die Schweiz als neutrale Vermittlerin, ihre Kompromissorientierung, ihre Zielorientierung, ihre Effizienz und ihre Korrektheit, die sich nicht zuletzt im sparsamen Mitteleinsatz zeigt.

Eine sorgfältige, frühzeitige Planung ist wichtig und hat beim Vorsitz im Europarat grundsätzlich stattgefunden, wobei einzelne Aktivitäten nur begrenzt geeignet waren, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Die Departementsspitze des EDA hat sich allerdings erst spät in die Planung eingeschaltet. Ein früheres Engagement wäre wünschenswert gewesen, nicht nur um die politische Unterstützung aller Aktivitäten sicherzustellen, sondern weil gerade hochrangige Besuche und Treffen eine lange Vorbereitung erfordern. Diese Aktivitäten auf Ministerebene konnten manchmal nicht mehr in der gewünschten Form umgesetzt werden.

Zusätzlich zu den Zielen und den Aktivitäten ist es wichtig, die Strukturen und Abläufe zu planen. Dieser Schritt ist beim Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates zu kurz gekommen. Zwar wurde ein Organigramm entworfen, das auf der bestehenden Linienorganisation basierte, doch erstens war diese Organisationsstruktur aufgrund der zahlreichen Hierarchiestufen zu umständlich und wurde faktisch zuweilen umgangen. Zweitens fehlte eine klare Definition der Aufgaben und Abläufe, so dass es nicht überrascht, dass es zu Reibungen gekommen ist. Mit dem Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee kam die Linienorganisation eindeutig an ihre Grenzen. Einzelne Mitarbeitende waren sehr stark belastet, zeitweise auch klar überlastet, weil sie den Vorsitz zusätzlich zu ihren normalen Aufgaben erfüllen mussten. Erschwert wurde die Arbeit durch die unflexiblen Strukturen. Im Hinblick
auf die Übernahme einer ähnlichen Funktion erachtet es die Evaluation deshalb als unabdingbar, dass frühzeitig eine entsprechende Projektorganisation definiert wird.

7247

Eine Lehre ist, dass die Kommunikation wichtig ist. Dank der thematischen Beschränkung auf drei Prioritätenbereiche erhielt der Schweizer Vorsitz ein klares Profil, das wahrgenommen wurde. Allerdings wurde die Palette der Aktivitäten innerhalb der drei Bereiche nicht genügend aktiv kommuniziert, so dass der Schweizer Vorsitz unbegründet als zu eng kritisiert worden ist.

Eine Erkenntnis ist zudem, dass eine Führungsfunktion auf internationaler Ebene auch innenpolitisch genutzt werden könnte. Diese Chance wurde beim Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates weitgehend verpasst, was zahlreiche Personen im Nachhinein bedauerten. Der Schweizer Vorsitz war in der Presse wenig präsent, weshalb nicht anzunehmen ist, dass der Europarat und die Werte, für die er steht, in der Schweiz bekannter geworden sind. Eine stärkere Medienpräsenz hätte wohl nur mit einer gezielteren Medienarbeit und einem noch grösseren Engagement der Vorsteherin des EDA und weiterer Mitglieder des Bundesrats erreicht werden können. Ein solches Engagement muss aber immer im Verhältnis zum Stellenwert der Funktion und Organisation betrachtet werden, die präsidiert wird.

Der Schweizer Vorsitz im Ministerkomitee hätte ferner dazu beitragen können, die Schweizer Verpflichtungen gegenüber dem Europarat zu überdenken. Das EDA hat auf Initiative der Europaratsdelegation den Vorsitz zum Anlass genommen, um den Stand der Ratifizierung von Konventionen des Europarates durch die Schweiz zu überprüfen und allenfalls voranzutreiben. Die Abklärungen wurden jedoch zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen, als es bereits nicht mehr möglich gewesen wäre, während dem Vorsitz tatsächlich Ratifizierungen vorzunehmen. Wegen Widerständen aus anderen Departementen hat das EDA die Bemühungen noch vor Beginn des Vorsitzes abgebrochen.

Grundsätzlich ist jede Führungsfunktion in einer internationalen Organisation stark von den jeweiligen strukturellen Rahmenbedingungen und aktuellen Umständen abhängig. Je nach Rahmenbedingungen sind die Spielräume des Vorsitzes grösser oder kleiner. Um aus einem Vorsitz das Maximum herauszuholen ­ sowohl im Sinne der Organisation als auch im Sinne der Schweizer Aussen- und Innenpolitik ­ gilt es die Spielräume bei den verschiedenen Funktionen eines Vorsitzes (Agenda-Setting, Vermittlung und Repräsentation) bereits
bei der Planung auszuloten und bei der Durchführung konsequent zu nutzen.

Aus der Evaluation lassen sich schliesslich folgende Erfolgsfaktoren für einen Vorsitz herauslesen: ­

konsequente Ausrichtung auf wenige Prioritäten und konkrete Ziele;

­

schlanke Strukturen und Abläufe (Projektorganisation);

­

Balance zwischen eigenständigem Handeln und Einbindung in die Organisation, um die Wirkung über den Vorsitz hinaus sicherzustellen.

7248

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7249

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Conseil de l'Europe, 2005, Règlement intérieur du Comité des Ministres (5e édition révisée: 2005).

Conseil de l'Europe, Conférence de haut niveau sur l'avenir de la Cour européenne des droits de l'homme, 2010, Déclaration d'Interlaken, 19 février 2010.

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Europarat, 2009, Prioritäten des Schweizer Vorsitzes.

Schweizerischer Bundesrat, 2009, Aussenpolitischer Bericht 2009 vom 2. September 2009, BBl 2009 6291.

Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates, 2005, Warschauer Erklärung.

7250

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Explorative Gespräche Axelsson, Erik Brütsch, Christian Furrer, Hans-Peter Habegger, Beat Haller, Gret Jakobsson, Ulf Nielsen, Anne Grethe Zehnder, Daniel

Research Service, Swedish Parliamentary Services Oberassistent, Internationale Beziehungen, Universität Zürich Präsident ATD Vierte Welt, ehemaliger Leiter Direction des affaires politiques beim Europarat Forschungsstelle für Sicherheitspolitik, ETH Zürich Lehrbeauftragte, Goethe Universität, Frankfurt am Main ehemals Research Service, Swedish Parliamentary Services Selbständige Beraterin Sekretär Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat, Parlamentsdienste

Bundesverwaltung Altermatt, Claude Best, David Meuwly, Christian Schnyder, Adrienne Schürmann, Frank Seger, Paul Stürchler, Nikolas Trautweiler, Stéfanie Wey, Marc Widmer, Paul

Chef Sektion Europarat und OSZE, Koordinator des Vorsitzes, Politische Abteilung I, EDA Diplomatischer Berater, Sektion Europarat und OSZE, Politische Abteilung I, EDA Chef Politische Abteilung I, EDA Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sektion Europarat und OSZE, stv. Koordinatorin des Vorsitzes, Politische Abteilung I, EDA Prozessvertreter der Schweizer Regierung vor dem EGMR, Bundesamt für Justiz, EJPD Chef Direktion für Völkerrecht, EDA Diplomatischer Mitarbeiter, Sektion Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht, Direktion für Völkerrecht, EDA Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ständige Vertretung der Schweiz in Strassburg Stellvertreter des Ministerdelegierten der Schweiz beim Europarat, Ständige Vertretung der Schweiz in Strassburg Botschafter, Ministerdelegierter der Schweiz beim Europarat, Ständige Vertretung der Schweiz in Strassburg

7251

Ministerdelegierte Batibay, Daryal Brencic, Jakob Perelygin, Yevhen Ristovski, Vladimir Sjögren, Per Vilardell Coma, Marta

Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Türkei Chargé d'affaires a.i., Slowenien Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Ukraine Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Schweden Ambassadeur Extraordinaire et Plénipotentiaire, Spanien

Generalsekretariat des Europarates/EGMR Berge, Bjørn Boillat, Philippe Fribergh, Erik *Gachet, Isil Heinrich, Mario

*Laurens, Jean-Louis Malinverni, Giorgio Paulus, Mireille *Sorinas, Mateo Stoudmann, Gérard Villiger, Mark *Vladychenko, Alexander

Botschafter, Leiter Cabinet du Secrétaire Général et de la Secrétaire Générale Adjointe Leiter Direction générale des droits de l'Homme et des affaires juridiques Leiter Greffe de la Cour européenne des Droits de l'Homme Leiterin Bureau du Commissaire aux Droits de l'Homme Leiter Secrétariat de la Commission du règlement, des immunités et des affaires institutionnelles et du Service de documentation, Secrétariat de l'Assemblée parlementaire Leiter Direction générale de la démocratie et des affaires politiques Richter der Schweiz am EGMR Leiterin Secrétariat du Comité des Ministres Secrétaire général de l'Assemblée parlementaire Représentant Spécial auprès du Secrétaire Général pour les questions organisationnelles et de la réforme Richter von Liechtenstein am EGMR Leiter Direction générale de la Cohésion sociale

* nur Teilnahme an schriftlicher Umfrage

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Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat (Europaratsdelegation) Bugnon, André Fiala, Doris Gross, Andreas John-Calame, Francine Loepfe, Arthur Maissen, Theo Marty, Dick Maury-Pasquier, Liliane Müri, Felix Reimann, Maximilian Stump, Doris Walter, Hansjörg

Nationalrat, Stellvertreter Nationalrätin, Stellvertreterin Nationalrat, Mitglied Nationalrätin, Stellvertreterin Nationalrat, Mitglied Ständerat, Vize-Präsident 2008­2009, Präsident 2010 Ständerat, Mitglied Ständerätin, Stellvertreterin, Vize-Präsidentin 2010 Nationalrat, Mitglied Ständerat, Präsident 2008­2009 Nationalrätin, Mitglied Nationalrat, Stellvertreter

Präsidien von Parlamentarierdelegationen anderer Länder Cebeci, Erol Aslan Lavtizar-Bebler, Darja Lindblad, Göran Moscoso del Prado Hernández, Juan Nikoloski, Alexsandar

Präsident der Parlamentarierdelegation Türkei Präsidentin der Parlamentarierdelegation Slowenien Präsident der Parlamentarierdelegation Schweden Präsident der Parlamentarierdelegation Spanien Präsident der Parlamentarierdelegation ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien

Expertinnen und Experten Ehrenzeller, Bernhard Gross, Andreas Marty, Dick

Professor für Öffentliches Recht, Universität St. Gallen Mitglied Europaratsdelegation der Schweiz Mitglied Europaratsdelegation der Schweiz

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Impressum Durchführung der Untersuchung Simone Ledermann, PVK (Projektleitung) Katja Dannecker, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Lilith Schärer, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit)

Dank Die PVK dankt dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten bestens für die Zusammenarbeit und das entgegengebrachte Vertrauen. Unser Dank geht an alle Personen in der Bundesverwaltung, beim Europarat und ausserhalb, die sich für Interviews und Auskünfte zur Verfügung gestellt, an der schriftlichen Befragung oder an der Ressourcenerhebung teilgenommen, Dokumente bereitgestellt oder Termine organisiert haben. Unser spezieller Dank geht an die Ständige Vertretung der Schweiz in Strassburg für ihre Unterstützung vor Ort.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 31 323 09 70 Fax +41 31 323 09 71 E-Mail pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle

Originalsprache des Berichts: Deutsch 7254