11.071 Botschaft zur Genehmigung des Vertrages zwischen der Schweiz und Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. November 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses zum Vertrag vom 27. Januar 2011 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. November 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-1360

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Übersicht Mit dem Vertrag, der den eidgenössischen Räten vorliegend zur Genehmigung unterbreitet wird, baut die Schweiz im Interesse der verstärkten Bekämpfung der internationalen Kriminalität das weltweite Vertragsnetz im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen weiter aus. Kolumbien ist für die Schweiz insbesondere im Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität ein wichtiger Zielstaat.

Ausgangslage Für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung ist die gute Zusammenarbeit mit ausländischen Justizbehörden immer häufiger entscheidend. Oftmals vermag der einzelne Staat die damit verbundenen Herausforderungen nämlich nicht mehr allein zu bewältigen. Dies gilt insbesondere für die mit der Globalisierung und den modernen Technologien im Bereich der Kommunikation und der Datenübermittlung zunehmenden strafbaren Handlungen mit grenzüberschreitendem Bezug. Mit dem weltweiten Ausbau des Vertragsnetzes auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen soll dem aus dieser Situation resultierenden drohenden Sicherheitsverlust entgegengewirkt werden. Der Abschluss des Rechtshilfevertrags mit Kolumbien leistet einen weiteren Beitrag dazu. Kolumbien ist bereits das siebte Land in Lateinamerika, mit dem die Schweiz erfolgreich Vertragsverhandlungen abschliessen konnte.

Das lateinamerikanische Land ist für die Schweiz ein wichtiger Zielstaat im Kampf gegen die gross angelegte, internationale Drogenkriminalität. Von entsprechender Bedeutung ist der Abschluss des Rechtshilfevertrags, der zu einer effizienteren Verbrechensbekämpfung beiträgt. Auch andere Delikte wie organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Korruption oder Terrorismus sollen damit wirksamer bekämpft werden können.

Inhalt der Vorlage Der Rechtshilfevertrag mit Kolumbien schafft eine völkerrechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit der Justizbehörden beider Staaten bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen. Er liegt auf der Linie der von der Schweiz in jüngster Zeit abgeschlossenen Rechtshilfeverträge. Wie diese übernimmt er die wichtigsten Grundsätze des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.1) und des Rechtshilfegesetzes (SR 351.1) und wird zusätzlich durch Bestimmungen weiterer rechtshilferelevanter Übereinkommen des Europarats und der Organisation der Vereinten Nationen (UNO)
ergänzt. Der Vertrag berücksichtigt neuste Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen.

Unter anderem werden die Zustellung von Verfahrensurkunden, die Übermittlung von Beweismitteln, die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte und die Zeugenbefragung geregelt. Bestimmungen über die Benennung von Zentralstellen, die Abschaffung des Beglaubigungserfordernisses oder die detaillierte Festlegung der an ein Ersuchen gestellten Anforderungen dienen der Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens. Der Vertrag ermöglicht die

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kontrollierte Lieferung und enthält eine Grundlage für die Teilung eingezogener Vermögenswerte. Mit diversen Bestimmungen wird der Dimension der Menschenrechte besondere Beachtung geschenkt.

Der Vertrag erfordert keine Änderungen des geltenden Rechts.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 1.3 Überblick über den Inhalt des Vertrags 1.4 Würdigung des Vertrags

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2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags

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3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit und Erlassform 5.2 Vernehmlassung

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags zwischen der Schweiz und Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen (Entwurf)

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Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Kolumbien hat die Schweiz in der Vergangenheit wiederholt darum ersucht, Verhandlungen über einen Rechtshilfevertrag in Strafsachen aufzunehmen. 2006 erklärte sich die Schweiz schliesslich dazu bereit. Ausschlaggebend dafür war insbesondere, dass Kolumbien für die Schweiz einen wichtigen Zielstaat im Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität darstellt und die Schaffung einer staatsvertraglichen Grundlage, die eine effizientere Verbrechensbekämpfung ermöglicht, von entsprechend grosser Bedeutung ist. Die Bereitschaft zur Aushandlung eines Rechtshilfevertrags war von der Einsicht getragen, dass der einzelne Staat die Herausforderungen, die sich an eine wirksame Bekämpfung des internationalen Verbrechens stellen, immer weniger allein zu bewältigen vermag. Schon heute findet vor allem mit Blick auf die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität zwischen der Schweiz und Kolumbien auf Polizeiebene eine regelmässige Zusammenarbeit statt.1 Die Schaffung einer staatsvertraglichen Grundlage, um den Kampf gegen das internationale Verbrechen auch auf justizieller Ebene effizienter gestalten zu können und um den Justizbehörden das für die Ahndung von Verbrechen notwendige Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, stellt damit eine logische Fortführung einer bereits bestehenden Zusammenarbeit dar. Die Aushandlung eines Rechtshilfevertrags mit Kolumbien ist nicht zuletzt auch als Bestandteil einer eigentlichen Vertragsstrategie zu sehen: Im Zusammenhang mit einer wirksameren Verbrechensbekämpfung auch im Interesse verstärkter innerer Sicherheit richtete die Schweiz in den letzten Jahren generell ein besonderes Augenmerk auf Lateinamerika. So wurden mit einer ganzen Reihe anderer lateinamerikanischer Staaten Verträge auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen abgeschlossen.2 Auch eine Gesamtschau der schon heute umfangreichen schweizerisch-kolumbianischen Beziehungen legte die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nahe. Entsprechend wurden die Verhandlungen von Seiten der Schweizer Diplomatie ausdrücklich gewünscht und unterstützt. In diesem Zusammenhang waren seinerzeit etwa schweizerische Interessen im Bereich des Investitionsschutzes und der Doppelbesteuerung geltend gemacht worden.3 Den teilweise nach wie vor schwierigen Verhältnissen in Kolumbien sollte im Rahmen der Verhandlungen durch das Beharren auf Vertragsbestimmungen, welche die Menschenrechte thematisieren und ihnen Nachachtung verschaffen, Rechnung getragen werden.

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Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Tatsache, dass der von der Schweiz nach Brasilien entsandte und dort stationierte Verbindungsbeamte der Polizei ausdrücklich auch Kolumbien abdeckt.

Rechtshilfeverträge mit Peru (SR 0.351.964.1), Ecuador (SR 0.351.932.7), Brasilien (SR 0.351.919.81), Mexiko (SR 0.351.956.3), Chile (BBl 2008 133) und Argentinien (BBl 2011 611).

In der Zwischenzeit konnten Verträge in diesen Bereichen abgeschlossen werden.

Mittlerweile sind sowohl das Investitionsschutzabkommen (SR 0.975.226.3) als auch das Doppelbesteuerungsabkommen (SR 0.672.926.31) in Kraft.

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1.2

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Nach ersten exploratorischen Gesprächen im Mai 2006 fand im Juni 2007 in Kolumbien eine erste Verhandlungsrunde statt. Es kann als Erfolg gewertet werden, dass es gelang, die Verhandlungen auf der Grundlage eines Textes nach dem Vorbild der bisher von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Rechtshilfeverträge durchzuführen. Dies gilt umso mehr, als Kolumbien der Schweiz zu einem früheren Zeitpunkt einen eigenen Text unterbreitet hatte, der sich stark am angloamerikanischen Recht ausrichtete. Nachdem anlässlich der ersten Verhandlungsrunde bei diversen Punkten4 keine Einigung erzielt werden konnte beziehungsweise diese einer weiteren Vertiefung durch die Vertragsparteien bedurften, wurde im Februar 2008 in der Schweiz eine zweite Runde durchgeführt. Die bestehenden Divergenzen konnten bereinigt werden, und am 28. Februar 2008 wurde ein gemeinsamer Text finalisiert.

Der Bundesrat genehmigte den Rechtshilfevertrag am 22. Dezember 2010. Er wurde am 27. Januar 2011 am Rande des World Economic Forum in Davos von Bundespräsidentin Calmy-Rey und dem kolumbianischen Präsidenten Santos Calderón unterzeichnet.

1.3

Überblick über den Inhalt des Vertrags

Der Rechtshilfevertrag mit Kolumbien schafft eine internationale Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit beider Staaten bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen. Die Vertragsparteien verpflichten sich, einander im vertraglich vereinbarten Umfang weitestgehende Rechtshilfe in Verfahren wegen strafbarer Handlungen zu leisten. Bisher konnte die Schweiz Kolumbien nur auf der Grundlage und nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts Rechtshilfe gewähren.

Der Vertrag folgt den von der Schweiz unter anderem bereits mit verschiedenen Staaten Lateinamerikas abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen.5 Wie diese orientiert er sich am Europäischen Übereinkommen vom 20. April 19596 über die Rechtshilfe in Strafsachen (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen) und am Rechtshilfegesetz vom 20. März 19817 (IRSG), deren wichtigste Grundsätze er übernimmt. Zudem greift er aktuelle Entwicklungen im Rechtshilfebereich, wie sie sich etwa im Zweiten Zusatzprotokoll vom 8. November 20018 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen finden, auf.

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Dies betraf etwa die vorsorglichen Massnahmen, die Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten, die Teilung eingezogener Vermögenswerte und die Anforderungen an die kontrollierte Lieferung.

Rechtshilfeverträge mit Peru (SR 0.351.964.1), Ecuador (SR 0.351.932.7), Brasilien (SR 0.351.919.81), Mexiko (SR 0.351.956.3), Chile (BBl 2008 133) und Argentinien (BBl 2011 611).

SR 0.351.1 SR 351.1 SR 0.351.12

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Folgende Bestimmungen verdienen spezielle Erwähnung: ­

Bereits die Präambel und in der Folge auch der materielle Vertragstext thematisieren ausdrücklich die Menschenrechte. Beide Staaten bekunden ihren Willen, bei der Umsetzung des Vertrags die internationalen Menschenrechtsinstrumente zu berücksichtigen (Präambel). Verschiedene Ablehnungsgründe ermöglichen sodann, die Rechtshilfe bei vermuteten Verstössen gegen die Menschenrechte zu verweigern (Art. 4 Abs. 1 Bst. d, f­h).

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Die vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit kann auch in anderen Fällen abgelehnt werden, etwa bei Rechtshilfeersuchen, denen politische, militärische oder fiskalische Straftaten zugrunde liegen (Art. 4 Abs. 1 Bst. a­c).

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Auf ausdrückliches Begehren können im ersuchten Staat zur Sicherstellung von Beweismitteln, zur Erhaltung eines bestehenden Zustandes oder zur Wahrung bedrohter rechtlicher Interessen provisorische Massnahmen angeordnet werden (Art. 8).

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Zu Sicherungszwecken beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte können dem ersuchenden Staat zur Einziehung oder Rückerstattung an die berechtigte Person herausgegeben werden (Art. 13).

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Im Interesse der Förderung einer effizienteren Zusammenarbeit wird als Grundsatz vorgesehen, dass die Vertragsparteien im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens eingezogene Vermögenswerte teilen (Sharing; Art. 14).

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Zur Überwachung und besseren Nachverfolgbarkeit unerlaubter oder verdächtiger Sendungen können die Behörden der Vertragsparteien auf ein Rechtshilfeersuchen hin kontrollierte Lieferungen anordnen (Art. 23).

Gerade im Bereich der Bekämpfung der internationalen Drogenkriminalität hat sich diese Ermittlungstechnik bewährt.

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Der Rechtshilfeverkehr wird in beiden Staaten über Zentralbehörden abgewickelt (Art. 25). Dies soll den Informationsaustausch erleichtern und insbesondere eine rasche Ergänzung oder Verbesserung lücken- beziehungsweise mangelhafter Rechtshilfeersuchen ermöglichen. Die detaillierte Aufzählung der an ein Ersuchen gestellten Anforderungen (Art. 27) dient dazu, die Anzahl Fälle, in denen ein Ersuchen zur Ergänzung oder Verbesserung an den ersuchenden Staat zurückgewiesen werden muss, zu minimieren.

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Die Rechtshilfeunterlagen und Vollzugsakten bedürfen keiner speziellen Formerfordernisse und müssen insbesondere nicht beglaubigt werden (Art. 29). Von dieser verfahrensmässigen Vereinfachung ist eine beträchtliche Beschleunigung im bilateralen Rechtshilfeverkehr zu erwarten.

1.4

Würdigung des Vertrags

Die Vorlage ist im Zusammenhang mit der schweizerischen Politik zu sehen, im Interesse der effizienteren Verbrechensbekämpfung und damit auch der Stärkung der inneren Sicherheit das bilaterale Vertragsnetz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen weltweit kontinuierlich auszubauen. Es soll verhindert werden, dass die Schweiz zu einer Drehscheibe des grenzüberschreitenden Verbrechens und zu einem Zufluchtsort für Kriminelle wird.

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Der Vertrag liegt auf der Linie der bestehenden Rechtshilfeverträge der Schweiz. Er beruht auf den Grundsätzen des schweizerischen Rechtshilferechts. Vorschriften, die sich bereits im Rechtshilfegesetz finden, wurden in den Vertrag übernommen und so auf eine völkerrechtliche, für beide Vertragsparteien gleichermassen geltende Grundlage gestellt. Verschiedene Regelungen ermöglichen dabei eine Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens. Durch die Aufnahme neuer Bestimmungen wie etwa derjenigen über die kontrollierte Lieferung oder die Teilung eingezogener Vermögenswerte (Sharing) trägt der Vertrag zudem jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen Rechnung.

Mit dem Vertrag wird ein modernes, griffiges Instrument geschaffen, das den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt. Durch Bestimmungen, die eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Strafjustizbehörden beider Staaten bezwecken, legt er das Fundament für eine wirksamere Verbrechensbekämpfung. Gleichzeitig ist es der schweizerischen Delegation gelungen, den für die Schweiz wichtigen Anliegen im Bereich der Menschenrechte Geltung zu verschaffen. So wird im Vertrag ausdrücklich der Wille beider Staaten festgehalten, den Vertrag im Lichte der geltenden Menschenrechtsinstrumente anzuwenden und im Hinblick auf die Förderung der Menschenrechte zusammenzuarbeiten. Zudem sind Gründe für die Verweigerung der Rechtshilfe unter anderem für den Fall vorgesehen, dass die vom Ersuchen betroffene Person im Rahmen des gegen sie geführten Verfahrens im ersuchenden Staat Menschenrechtsverletzungen zu befürchten hätte.

Der Vertrag bedingt keine gesetzgeberischen Anpassungen.

2 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags Verpflichtung zur Rechtshilfe in Strafsachen

Artikel 1 begründet zwischen den Vertragsparteien eine völkerrechtliche Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen. Nach Massgabe der im Vertrag vorgesehenen Bestimmungen hat die Zusammenarbeit dabei in grösstmöglichem Umfang zu erfolgen. Soweit keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 3 und 4 bestehen, ist einem Rechtshilfeersuchen im Rahmen des Vertrags Folge zu geben.

Art. 2

Umfang der Rechtshilfe

Artikel 2 enthält eine Auflistung der möglichen Rechtshilfemassnahmen. Es handelt sich dabei um im Bereich der Rechtshilfe gängige Massnahmen, die dem schweizerischen Rechtshilferecht bereits bekannt sind. Auch die in Buchstabe f erwähnte, von Kolumbien eingebrachte Aufenthaltsermittlung und Identifikation von Personen ist für die Schweiz nicht neu: Diese Massnahme findet sich bereits in den bilateralen

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Rechtshilfeverträgen mit den USA9, Australien10 und Kanada11. Zu unterscheiden ist eine derartige Aufenthaltsermittlung von der nach Artikel 3 explizit ausgeschlossenen Verhaftung oder Inhaftierung strafrechtlich verfolgter oder verurteilter Personen oder der Fahndung nach ihnen zum Zweck der Auslieferung.

Eine Auffangklausel sieht vor, dass auch andere als die ausdrücklich aufgeführten Massnahmen angeordnet werden können (Bst. k). Voraussetzung dafür ist, dass diese Massnahmen mit den Zielen des Vertrags und den Gesetzen des ersuchten Staates vereinbar sind. Die Bestimmung ermöglicht Flexibilität im Einzelfall und erlaubt, speziellen Bedürfnissen und künftigen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Art. 3

Unanwendbarkeit

Vom Geltungsbereich des Vertrags ausgeschlossen ist neben der Verhaftung oder Inhaftierung strafrechtlich verfolgter oder verurteilter Personen oder der Fahndung nach ihnen zum Zweck der Auslieferung (Bst. a) auch die Vollstreckung von Strafurteilen einschliesslich der Überstellung verurteilter Personen (Bst. b). Es handelt sich bei dieser Bestimmung um eine klassische Regelung über den Geltungsbereich eines Rechtshilfevertrags.

Art. 4

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe

Absatz 1 führt die Gründe, die zur Ablehnung der Rechtshilfe oder zum Aufschub der Rechtshilfeleistung führen können, abschliessend auf. Die Liste enthält gängige Ablehnungsgründe. Diese sind im Interesse einer möglichst weitgehenden Rechtshilfe, die auch mit Blick auf künftige Rechtsentwicklungen flexibel ist, fakultativ ausgestaltet. Liegt in einem konkreten Fall ein Ablehnungsgrund nach diesem Vertrag vor, so entscheidet das innerstaatliche Recht der ersuchten Vertragspartei, ob die Rechtshilfe zu verweigern ist. Für die Schweiz gelangen in diesem Zusammenhang vor allem die Artikel 1a, 2, 3 und 5 IRSG zur Anwendung.

Der ersuchte Staat kann folgende Ablehnungsgründe geltend machen:

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Es besteht keine Verpflichtung zur Gewährung der Rechtshilfe, wenn das ausländische Verfahren ein politisches oder ein militärisches Delikt betrifft (Bst. a­b).

­

Der ersuchte Staat ist ebenfalls nicht verpflichtet, Rechtshilfe zu leisten, wenn sich das Ersuchen auf ein Fiskaldelikt bezieht (Bst. c). Der Tatsache, dass der Verweigerungsgrund fakultativ ausgestaltet ist, kommt im Fiskalbereich besondere Bedeutung zu. Mit diesem Ansatz wollte die Schweizer Delegation der künftigen Weiterentwicklung der schweizerischen Politik in der Fiskalrechtszusammenarbeit Rechnung tragen. Die als Kann-Vorschrift formulierte Bestimmung lässt genügend Raum und bietet die nötige Flexibilität, um Weiterentwicklungen des nationalen Rechts im Bereich der Fiskalkooperation auch im vorliegenden bilateralen Verhältnis entsprechend nachStaatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6); Art. 1 Abs. 4 Bst. a.

Rechtshilfevertrag in Strafsachen vom 25. Nov. 1991 zwischen der Schweiz und Australien (SR 0.351.915.8); Art. 1 Abs. 2 Bst. c.

Rechtshilfevertrag in Strafsachen vom 7. Okt. 1993 zwischen der Schweiz und Kanada (SR 0.351.923.2); Art. 1 Abs. 3 Bst. a.

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vollziehen zu können. Damit wird es ohne Weiteres möglich sein, vom Gesetzgeber beschlossenen Erweiterungen in der Zusammenarbeit Nachachtung zu verschaffen.

­

Von der Rechtshilfe kann auch abgesehen werden, wenn die verlangte Massnahme einen Eingriff in die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (Ordre public) oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates darstellt (Bst. d). Nach schweizerischer Rechtsauffassung schliesst der Begriff des Ordre public auch die Beachtung der Grundrechte des Menschen ein. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien. Auf universeller Ebene sind diese Garantien vor allem im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196612 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) festgehalten.

­

Eine Verweigerung der Rechtshilfe ist ebenfalls möglich, wenn das Ersuchen eine strafbare Handlung betrifft, die im ersuchten Staat zu einem Freispruch oder zu einer Verurteilung geführt hat, und im Fall einer Verurteilung die Strafe entweder bereits verbüsst wurde oder noch verbüsst wird (Bst. e).

Dieser Verweigerungsgrund beruht auf dem Grundsatz, dass niemand zweimal wegen derselben Tat strafrechtlich verfolgt werden darf (ne bis in idem).

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Diverse Verweigerungsgründe kommen zum Tragen, wenn Menschenrechtsverletzungen zu befürchten sind. So liegt neben dem bereits erwähnten Ablehnungsgrund bei Beeinträchtigung des Ordre public ein Ablehnungsgrund dann vor, wenn ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass das Rechtshilfeersuchen gestellt wurde, um eine Person wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass eine Gutheissung des Ersuchens die betroffene Person aus den genannten Gründen benachteiligen würde (Bst. f). Ein weiterer Ablehnungsgrund ist für den Fall vorgesehen, dass das ausländische Strafverfahren Garantien verletzt, die in internationalen Menschenrechtsinstrumenten verbrieft sind. Dazu gehört etwa der UNO-Pakt II, dem sowohl die Schweiz als auch Kolumbien angehören (Bst. g). Schliesslich kann die Rechtshilfe auch dann abgelehnt werden, wenn die Straftat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, mit der Todesstrafe bedroht ist und der ersuchende Staat keine ausreichenden Garantien abgeben kann, dass die Todesstrafe weder verhängt noch vollzogen wird (Bst. h)13.

Absatz 2 räumt den Vertragsparteien die Möglichkeit ein, die Leistung von Rechtshilfe zugunsten eines eigenen Strafverfahrens aufzuschieben. Werden zum Beispiel im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens Beweismittel verlangt, die der ersuchte Staat in einem eigenen Strafverfahren benötigt, so kann mit deren Herausgabe zugewartet werden, bis das Verfahren im ersuchten Staat abgeschlossen ist.

12 13

SR 0.103.2 Zum heutigen Zeitpunkt im Verhältnis zu Kolumbien nicht von praktischer Relevanz, zumal die Todesstrafe dort bereits seit 1910 für alle Straftaten abgeschafft ist. Die Bestimmung stellt aber einerseits eine Absicherung mit Blick auf mögliche künftige Entwicklungen in diesem Bereich dar und konkretisiert andererseits den humanitären Ansatz der schweizerischen Aussenpolitik mit Bezug auf die Abschaffung der Todesstrafe.

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Die Absätze 3 und 4 regeln das Verfahren, das zu befolgen ist, bevor die Rechtshilfe abgelehnt oder aufgeschoben wird: In diesem Fall ist der ersuchende Staat über die Gründe, aus denen eine Ablehnung oder ein Aufschub in Erwägung gezogen wird, in Kenntnis zu setzen (Abs. 3 Bst. a). Gleichzeitig hat der ersuchte Staat zu prüfen, ob er unter bestimmten Bedingungen trotzdem Rechtshilfe leisten kann. Eigentlich selbstredend ist der Zusatz, wonach die gestellten Bedingungen in der Folge im ersuchenden Staat eingehalten werden müssen (Abs. 3 Bst. b). Jede Ablehnung eines Ersuchens bedarf der Begründung (Abs. 4).

Art. 5

Anwendbares Recht

Absatz 1 statuiert den Grundsatz, dass Rechtshilfeersuchen nach dem Recht des ersuchten Staates auszuführen sind. In der Schweiz ist für den Vollzug eines ausländischen Ersuchens das IRSG sowie das einschlägige Verfahrensrecht, insbesondere die Strafprozessordnung14, massgebend.

Absatz 2 sieht eine Abweichung von diesem Grundsatz vor: Verlangt der ersuchende Staat ausdrücklich, dass bei der Ausführung des Ersuchens ein besonderes Verfahren angewendet wird, gibt der ersuchte Staat diesem Begehren statt, wenn sein Recht dem nicht entgegensteht. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass der ersuchende Staat Informationen, die er im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens erhalten hat, in der Folge in seinem Strafverfahren nicht als Beweismittel verwenden kann, da ein nach seinem Recht vorgeschriebenes Verfahren nicht beachtet wurde.

Eine ähnliche Regelung findet sich in Artikel 65 IRSG und in Artikel 8 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen.

Art. 6 und 7

Doppelte Strafbarkeit / Zwangsmassnahmen

Mit Bezug auf das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit stellt Artikel 6 klar, dass Rechtshilfe grundsätzlich auch dann zu gewähren ist, wenn die Tat, auf die sich das Verfahren im ersuchenden Staat bezieht, im ersuchten Staat keine Straftat darstellt.

Dies gilt natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 3 und 4 gegeben sind. Die Bestimmung wurde auf Ersuchen Kolumbiens im Interesse von Klarheit und Transparenz in den Vertrag eingefügt und entspricht dem geltenden schweizerischen Recht15. Eine gewichtige Ausnahme vom Verzicht auf die doppelte Strafbarkeit besteht mit Bezug auf die Zwangsmassnahmen: Bei Rechtshilfeersuchen, deren Ausführung die Durchführung von Zwangsmassnahmen erfordert, wird auf das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit nicht verzichtet.

Artikel 7 hält in diesem Zusammenhang explizit fest, dass Rechtshilfeersuchen, deren Ausführung die Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordert, abgelehnt werden können, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nicht in beiden Vertragsparteien strafbar ist (Abs. 1). Schweizerische Behörden dürfen im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht in einem Rechtshilfeverfahren nur dann Zwangsmassnahmen anordnen, wenn die verfolgte Handlung alle objektiven Merkmale eines schweizerischen Straftatbestandes erkennen lässt. Das Erfordernis der doppel14 15

SR 312.0 Art. 64 Abs. 1 IRSG und Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Abs. 1 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens e contrario; vgl. etwa Urteile des Bundesgerichts 1C_138/2007 vom 17. Juli 2007, E. 2.3.2, und 1A.69/2006 vom 28. Juli 2006, E. 2.1.2.

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ten Strafbarkeit für die Anordnung von Zwangsmassnahmen gehört zu den Eckpfeilern des schweizerischen Rechtshilferechts. Es ist in Artikel 6416 IRSG und in der Erklärung der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens verankert.

Auf Ersuchen Kolumbiens wurde im Interesse der Klarheit eine Liste in den Vertrag aufgenommen, die veranschaulicht, was unter Zwangsmassnahmen zu verstehen ist (Abs. 2). Die Liste entspricht der schweizerischen Rechtsauffassung von Zwangsmassnahmen. Eine analoge Aufzählung findet sich bereits in dem mit Italien abgeschlossenen Zusatzvertrag zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen17 und im Rechtshilfevertrag mit Chile18.

Art. 8

Vorläufige Massnahmen

Eine Vertragspartei kann die Anordnung vorläufiger Massnahmen verlangen, um Beweise zu sichern, einen bestehenden rechtlichen Zustand aufrechtzuerhalten oder bedrohte rechtliche Interessen zu schützen. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates ordnet die entsprechenden Massnahmen wie etwa eine Kontensperre an, wenn das Verfahren, auf das sich das Ersuchen bezieht, nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht offensichtlich unzulässig oder unzweckmässig erscheint. Es dürfen keine offensichtlichen Gründe vorliegen, die der Leistung von Rechtshilfe entgegenstehen, und die Massnahme muss sich am Grundsatz der Verhältnismässigkeit ausrichten.19 Die Regelung lehnt sich an Artikel 18 Absatz 1 IRSG an und findet sich als Grundsatz auch in Artikel 24 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen.

Als nicht möglich erwies sich die Aufnahme einer Bestimmung, wonach in dringenden Fällen vorläufige Massnahmen unter gewissen Voraussetzungen schon vor der Einreichung eines formellen Rechtshilfeersuchens angeordnet werden können. Im Gegensatz zur Regelung in der Schweiz können vorsorgliche Massnahmen in Kolumbien nämlich erst angeordnet werden, wenn ein entsprechendes Ersuchen tatsächlich vorliegt, und nicht bereits dann, wenn ein solches erst angekündigt ist.

Art. 9

Anwesenheit von Personen, die am Verfahren teilnehmen

Die Bestimmung erlaubt Personen, die am ausländischen Verfahren beteiligt sind (z.B. Untersuchungsrichter, Staatsanwalt, Strafverteidiger), beim Vollzug des Rechtshilfeersuchens im ersuchten Staat anwesend zu sein. Voraussetzung ist die Zustimmung des ersuchten Staates. Artikel 4 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens enthält eine analoge Regelung.

Für die Umsetzung der Bestimmung ist in der Schweiz Artikel 65a IRSG massgebend. Die Anwesenheit ausländischer Personen bei einem Rechtshilfeverfahren darf 16

17

18 19

Art. 64 Abs. 2 IRSG führt dabei zwei Ausnahmen auf, bei deren Vorliegen auch ohne Vorliegen beidseitiger Strafbarkeit Zwangsmassnahmen angeordnet werden können. Dies betrifft Massnahmen zur Entlastung der verfolgten Person sowie zur Verfolgung von Taten, die sexuelle Handlungen mit Unmündigen darstellen.

Art. X Abs. 2 des Vertrags vom 10. September 1998 zwischen der Schweiz und Italien zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und zur Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.945.41).

Art. 5 Abs. 2 des Rechtshilfevertrags vom 24. Nov. 2006 zwischen der Schweiz und Chile (BBl 2008 133).

Vgl. BGE 130 II 329 E. 3 ff.

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nicht dazu führen, dass diese Personen aktiv in das Verfahren eingreifen und vorzeitig Kenntnis von Tatsachen aus dem Geheimbereich erhalten. Die Verfahrensleitung obliegt dem Rechtshilferichter. Er muss die nach den Umständen geeigneten Massnahmen treffen, um eine vorzeitige beziehungsweise unzulässige Verwendung der gewonnenen Informationen in einem ausländischen Verfahren zu verhindern.20 Der Beizug ausländischer Verfahrensbeteiligter darf nämlich nicht faktisch in einer Umgehung des Rechtshilfeverfahrens resultieren.

Art. 10

Zeugenaussagen im ersuchten Staat

Die Bestimmung umschreibt das im Rahmen einer Zeugeneinvernahme im ersuchten Staat zu befolgende Verfahren. Die Einvernahme erfolgt nach dem Recht des ersuchten Staates. Mit Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht kann sich die einvernommene Person aber sowohl auf das Recht des ersuchten wie auch des ersuchenden Staates berufen (Abs. 1). Verweigert der Zeuge oder die Zeugin die Aussage unter Berufung auf das Recht des ersuchenden Staates, so müssen dessen Behörden dem ersuchten Staat in einem begründeten Entscheid mitteilen, ob die Aussageverweigerung im konkreten Fall zulässig ist (Abs. 2). Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht darf in keinem Fall rechtliche Sanktionen nach sich ziehen (Abs. 3).

Art. 11 und 12 Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln, Gerichts- oder Untersuchungsakten Artikel 11 befasst sich mit einem Kernstück der Rechtshilfe. Dem ersuchenden Staat werden Gegenstände, Schriftstücke, Akten oder andere Beweismittel herausgegeben, die er für ein Strafverfahren verlangt hat. Die Modalitäten der Herausgabe entsprechen sinngemäss der Regelung in Artikel 74 IRSG.

Artikel 12 präzisiert, dass auf Ersuchen hin auch Gerichts- und Untersuchungsakten herauszugeben sind, wenn sie für ein Gerichtsverfahren von Bedeutung sind. Die Akten müssen grundsätzlich ein abgeschlossenes Verfahren betreffen. Akten aus einem laufenden Verfahren dürfen nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates herausgegeben werden.

Art. 13

Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten

Im Kampf gegen das internationale Verbrechen ist es von zentraler Bedeutung, dass nicht nur die Beweismittel für die Verfolgung des Täters oder der Täterin übermittelt werden, sondern diesen auch die Verfügungsgewalt über die deliktisch erworbenen Vermögenswerte entzogen wird. Entsprechend ist die Herausgabe des Deliktsguts ein weiterer wichtiger Pfeiler der Rechtshilfe, der die Übermittlung der Beweismittel im Sinne der Artikel 11 und 12 ergänzt. Die vorgesehene Regelung steht im Einklang mit Artikel 74a IRSG.

Absatz 1 schafft die Grundlage, damit der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte, die aus einer strafbaren Handlung herrühren, zur Einziehung oder Rückgabe an die berechtigte Person herausgeben kann. Die Bestimmung erfasst sowohl die Instrumente als auch den Ertrag einer Straftat, das Deliktsgut. Dazu gehören auch allfällige Ersatzwerte. Bevor die Her20

Urteil des Bundesgerichts 1A.259/2005 vom 15. Nov. 2005 E. 1.2 mit Hinweisen.

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ausgabe erfolgen kann, müssen die Ansprüche von Personen, die gutgläubig Rechte an den beschlagnahmten Gegenständen oder Vermögenswerten erworben haben, befriedigt worden sein.

Nach Absatz 2 ist die Herausgabe im Regelfall nur möglich, wenn der ersuchende Staat einen rechtskräftigen Einziehungsentscheid vorlegt. In Ausnahmefällen kann der ersuchte Staat von dieser Regelung abweichen und die Gegenstände oder Vermögenswerte bereits vorher herausgeben. Die vorzeitige Herausgabe kann zum Tragen kommen, wenn es klare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte deliktisch erworben worden sind und einwandfrei einer bestimmten Person oder Personengruppe zugeordnet werden können. In einem solchen Fall ist es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angezeigt, dass die Schweiz dem ersuchenden Staat das Deliktsgut bis zum Abschluss des Strafverfahrens vorenthält.21 Art. 14

Teilung eingezogener Vermögenswerte

Die Teilung eingezogener Vermögenswerte zwischen ersuchendem und ersuchtem Staat wird zunehmend als Mittel zur Förderung einer effizienteren Zusammenarbeit anerkannt. Die finanzielle Teilhabe des kooperierenden Staates am Erfolg eines Einziehungsverfahrens soll ihn veranlassen, auch künftig eine wirkungsvolle Zusammenarbeit sicherzustellen.

Absatz 1 statuiert den Grundsatz der Teilung eingezogener Vermögenswerte. Für jeden Einzelfall ist eine Teilungsvereinbarung abzuschliessen. Darin einigen sich die Vertragsparteien über die konkreten Modalitäten wie Voraussetzungen oder Verteilschlüssel (Abs. 2). Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben nach den Arti keln 11­13 des Bundesgesetzes vom 19. März 200422 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte.

Art. 15

Beschränkte Verwendung von Auskünften, Schriftstücken und Gegenständen

Artikel 15 umschreibt das für die Schweiz wichtige Spezialitätsprinzip. Er stellt klar, in welchem Umfang im Rahmen der Rechtshilfe übermittelte Informationen und Beweismittel im ersuchenden Staat verwendet werden dürfen.

Absatz 1 statuiert den Grundsatz: Dem ersuchenden Staat ist die Verwendung von auf dem Weg der Rechtshilfe erhaltenen Informationen und Beweismitteln nur in Verfahren erlaubt, die der Verfolgung eines rechtshilfefähigen Delikts dienen.

Danach darf Kolumbien, solange die Zusammenarbeit in Fiskalsachen auf Abgabebetrug beschränkt ist,23 die von der Schweiz erhaltenen Auskünfte nicht für andere fiskalische Straftaten verwenden. Das Verwertungsverbot bezieht sich darüber hinaus auch auf Taten, die als politische oder militärische Delikte zu qualifizieren sind.

Will der ersuchende Staat die erhaltenen Rechtshilfeakten für einen anderen Zweck beziehungsweise ein anderes Verfahren verwenden, muss er die Zustimmung des ersuchten Staates einholen (Abs. 2). In der Schweiz ist das Bundesamt für Justiz für die Erteilung der Zustimmung zuständig. In drei abschliessend aufgezählten Fall21 22 23

BGE 131 II 169 E. 6 (Rechtshilfe an Nigeria) SR 312.4 Vgl. Art. 3 Abs. 3 IRSG.

9302

konstellationen kann von der Einholung einer solchen Zustimmung abgesehen werden (Bst. a­c). Diese betreffen Fälle, in denen die übermittelten Auskünfte, Dokumente oder Gegenstände für ein Verfahren verwendet werden, das in einem engen Zusammenhang mit dem Strafverfahren steht, für das bereits Rechtshilfe gewährt wurde und beziehen sich ausschliesslich auf Straftaten, für welche die Rechtshilfe zulässig ist.

Art. 16­20

Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen; Erscheinen von Zeugen, Zeuginnen und Sachverständigen im ersuchenden Staat

Diese Bestimmungen decken sich weitgehend mit der Regelung im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 7­10 und Art. 12). Abweichungen bestehen in folgenden Punkten: Art. 16

Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen

Die Vorladung an eine im ersuchenden Staat strafrechtlich verfolgte Person, die sich im ersuchten Staat aufhält, muss spätestens 45 Tage vor dem für das Erscheinen festgesetzten Zeitpunkt bei der Zentralbehörde des ersuchten Staates eintreffen (Abs. 4). Im Verkehr mit den Vertragsparteien des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens beträgt diese Frist 30 Tage,24 was sich aber im Verkehr mit aussereuropäischen Staaten als zu kurz erwiesen hat.25 Art. 20

Freies Geleit

Nach den Absätzen 1 und 2 in Verbindung mit Absatz 4 geniesst die vorgeladene Person im ersuchenden Staat eine 30-tägige Schutzfrist vor Verfolgung und Freiheitsbeschränkung mit Bezug auf strafbare Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem ersuchten Staat. Wurde die Person in den ersuchenden Staat vorgeladen, um sich dort wegen einer ihr zur Last gelegten Handlung strafrechtlich zu verantworten, beschränkt sich dieser Schutz auf Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor der Abreise aus dem ersuchten Staat, die nicht in der Vorladung aufgeführt sind. Die Frist von 30 Tagen, die länger ist als die im Verkehr mit europäischen Staaten vorgesehene 15-tägige Frist, findet sich in diversen Rechtshilfeverträgen der Schweiz mit aussereuropäischen Staaten.26 Zum Schutz der vorgeladenen Person wurde die Regelung über das freie Geleit ergänzt: Diese Person darf im ersuchenden Staat weder als Angeschuldigte noch als Zeugin oder Sachverständige zu einer Aussage in einem anderen Verfahren als in demjenigen, auf das sich das Rechtshilfeersuchen bezieht, angehalten werden. Die Befragung in einem anderen als dem ursprünglichen Verfahren ist nur mit ihrer

24 25

26

Siehe Erklärung der Schweiz zu Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens (SR 0.351.1).

Vgl. entsprechend etwa Rechtshilfeverträge mit Brasilien (SR 0.351.919.81; Art. 14 Abs. 4), Mexiko (SR 0.351.956.3; Art. 15 Abs. 4) und Argentinien (BBl 2011 611; Art. 14 Abs. 4).

Vgl. etwa Art. 18 Abs. 4 des Rechtshilfevertrags mit Mexiko (SR 0.351.956.3) sowie Art. 18 Abs. 3 der Rechtshilfeverträge mit Brasilien (SR 0.351.919.81), Chile (BBl 2008 133) und Argentinien (BBl 2011 611).

9303

schriftlichen Zustimmung zulässig (Abs. 3). Eine entsprechende Bestimmung findet sich bereits im Rechtshilfevertrag mit Mexiko.27 Art. 21

Umfang der Zeugenaussage im ersuchenden Staat

Die Bestimmung regelt als Gegenstück zu Artikel 10 den Fall, dass ein Zeuge, der sich im ersuchten Staat aufhält, im ersuchenden Staat einvernommen werden soll.

Absatz 1 stellt klar, dass eine Person, die auf Grund einer Vorladung im ersuchenden Staat erscheint, um als Zeuge auszusagen, zur Aussage und zur Herausgabe von Beweismitteln verpflichtet ist, soweit ihr nach dem Recht des ersuchenden oder des ersuchten Staates kein entsprechendes Verweigerungsrecht zusteht.

Absatz 2 befasst sich mit den Modalitäten der Zeugenbefragung.

Art. 22

Zeitweilige Überführung inhaftierter Personen

Die Artikel 11 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens nachgebildete Bestimmung enthält in Absatz 4 im Interesse der überführten Person einen Zusatz betreffend Anrechnung des im ersuchenden Staat erlittenen Freiheitsentzugs. Der ersuchte Staat muss die Haftzeit, welche die Person aufgrund der Überführung im ersuchenden Staat verbracht hat, berücksichtigen und an die Dauer der ausgesprochenen Strafe anrechnen. Der gleiche Gedanke findet sich bereits in früheren bilateralen Rechtshilfeverträgen der Schweiz.28 Art. 23

Kontrollierte Lieferung

Ziel dieser Bestimmung ist es, den Rahmen für die Zusammenarbeit der Vertragsparteien in Bezug auf die Durchführung kontrollierter Lieferungen zu schaffen. Bei der kontrollierten Lieferung handelt es sich um eine Ermittlungsmethode, die sich bei der Bekämpfung des Drogenhandels und anderer Formen der schweren Kriminalität als sehr effizient erwiesen hat. Auf behördliche Anordnung kann beispielsweise eine unerlaubte oder verdächtige Sendung abgefangen und ihre Weitersendung in einen anderen Staat mit oder ohne ihren ursprünglichen Inhalt oder mit ganz oder teilweise ersetztem Inhalt genehmigt werden. Das Instrument der kontrollierten Lieferung hilft den zuständigen Behörden, die Urheber einer Straftat schneller zu eruieren.

Die kontrollierte Lieferung setzt ein Rechtshilfeersuchen voraus. Sie bedarf der Zustimmung des ersuchten Staates und untersteht dessen Rechtsvorschriften.

Jede Vertragspartei muss die Voraussetzungen schaffen, die es ihr auf ein entsprechendes Ersuchen hin gestatten, im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen betreffend einer auslieferungsfähigen Straftat die Durchführung einer kontrollierten Lieferung auf ihrem Hoheitsgebiet zu genehmigen (Abs. 1). Aus dieser Bestimmung kann keine Pflicht zur Bewilligung einer kontrollierten Lieferung abgeleitet werden, es liegt im Ermessen der ersuchten Partei, ob sie ein solches Ersuchen bewilligt oder ablehnt. Die ersuchte Vertragspartei trifft diesen Entscheid in jedem Einzelfall im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts (Abs. 2). Massgebend für die Durchführung in der Praxis ist das vom ersuchten Staat vorgesehene Verfahren. Es obliegt den 27 28

SR 0.351.956.3; Art. 18 Abs. 3 Zum Beispiel Art. 21 Abs. 4 des Rechtshilfevertrags mit den Philippinen (SR 0.351.964.5) oder Art. 20 Abs. 4 des Rechtshilfevertrags mit Chile (BBl 2008 133).

9304

zuständigen Behörden dieser Vertragspartei, gegebenenfalls tätig zu werden sowie die Massnahmen zu leiten und deren Vollzug zu überwachen (Abs. 3).

Die kontrollierte Lieferung stellt für die Schweiz keine Neuerung dar. Die vorliegende Bestimmung lehnt sich an Artikel 18 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen an. Wie dieser ermöglicht sie die kontrollierte Lieferung für auslieferungsfähige Straftaten. Nach schweizerischem Recht sind dies Straftaten, die nach dem Recht beider Staaten mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mindestens einem Jahr bedroht sind.29 Art. 24

Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Die Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien zur Übermittlung von Informationen aus dem Strafregister. In Anlehnung an die Artikel 13 und 22 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens müssen sie der anderen Vertragspartei auf Ersuchen Auskünfte aus ihrem Strafregister erteilen und einander regelmässig über die strafrechtlichen Entscheidungen unterrichten, die gegen die Staatsangehörigen dieser anderen Vertragspartei ergangen sind. Die Einzelheiten richten sich nach dem nationalen Recht.

Absatz 1 betrifft Informationen, die im Zusammenhang mit einem Strafverfahren verlangt werden. Der Umfang der zu erteilenden Auskünfte entspricht dem, was der ersuchte Staat seinen eigenen Justizbehörden im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens liefern müsste.

Eine Übermittlung von Auszügen aus dem Strafregister ist nach Absatz 2 auch für nicht strafrechtliche Zwecke möglich. Denkbar sind in diesem Zusammenhang Zivilverfahren oder Verwaltungsverfahren mit zivilrechtlichem Aspekt. Massgebend für die Übermittlung sind die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften. In der Schweiz ist die Abgabe von Strafregisterauszügen an das Ausland in Artikel 23 der VOSTRA-Verordnung vom 29. September 200630 geregelt.

Absatz 3 befasst sich mit der automatischen Mitteilung der strafrechtlichen Entscheidungen, die gegen einen Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei ergangen sind. Die Informationspflicht beschränkt sich auf die Eintragungen, wie sie sich im Strafregister finden und erfolgt in der Praxis durch die Übermittlung eines Formulars. Aus der Bestimmung kann keine Verpflichtung zur Abgabe vollständiger Urteile abgeleitet werden.

Art. 25­31

Zentralbehörde; Form des Ersuchens und Übermittlungswege; Inhalt und Ausführung des Ersuchens; Beglaubigung; Sprache; Kosten

Die Modalitäten des Rechtshilfeverfahrens sind weitgehend gleich geregelt wie in anderen Rechtshilfeverträgen. Sie gehen auf Bestimmungen im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 14­17 und Art. 20) und in dessen Zweitem Zusatzprotokoll (Art. 4 und 5) zurück. Besondere Erwähnung verdienen folgende Bestimmungen:

29 30

Art. 35 IRSG (SR 351.1). Eine identische Bestimmung findet sich im Rechtshilfevertrag mit Chile (BBl 2008 133).

SR 331

9305

Art. 25 und 28 Zentralbehörde / Ausführung des Ersuchens Als Anlaufstelle für die Übermittlung, Entgegennahme und Behandlung von Rechtshilfeersuchen dienen Zentralbehörden. Ihre Aufgaben sind vielfältig. Sie bestehen unter anderem in der Entgegennahme der ausländischen Rechtshilfeersuchen sowie der Übermittlung von Rechtshilfeersuchen der eigenen Behörden an die Zentralbehörde der anderen Vertragspartei (Art. 25 Abs. 1 und 2). Die Zentralbehörden sind ferner für die Vorprüfung der eingehenden Ersuchen und deren Weiterleitung an die zuständigen nationalen Behörden verantwortlich, wobei sie die Ausführung der Ersuchen koordinieren (Art. 25 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 2). Bei Bedarf verlangen sie vom ersuchenden Staat die Abänderung oder Ergänzung eines Ersuchens, das nicht alle vertraglich vorgesehenen Anforderungen erfüllt (Art. 28 Abs. 1). Vor der Übermittlung der rechtshilfeweise erhobenen Informationen und Beweismittel an die Zentralbehörde des ersuchenden Staates obliegt der Zentralbehörde des ersuchten Staates die Kontrolle, ob das Ersuchen vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt wurde (Art. 28 Abs. 3). Wenn zwischen ersuchender und ersuchter Behörde Schwierigkeiten oder Missverständnisse über den Umfang der Zusammenarbeit entstehen oder ein Ersuchen ergänzungsbedürftig ist, kommt den Zentralbehörden sodann eine Vermittlungsfunktion zu.

Als schweizerische Zentralbehörde wurde das Bundesamt für Justiz bezeichnet (Art. 25 Abs. 1, 1. Satz). Diesem obliegen in der Schweiz nämlich die genannten Aufgaben; sie lassen sich aus dessen gesetzlich vorgesehenen Prüfungs-, Übermittlungs- und Kontrollfunktionen ableiten (z.B. Art. 17 Abs. 2­4, 29, 78 und 79 IRSG).

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidbefugnis des Bundesamtes für Justiz im Rahmen von Artikel 79a IRSG, wonach es in gewissen Fällen selber über die Ausführung eines Rechtshilfeersuchens befinden kann.

Aufgrund seiner internen Kompetenzordnung beansprucht Kolumbien für sich zwei Behörden, die abhängig vom Stadium, in dem sich das konkrete Verfahren befindet, als Zentralstelle fungieren sollen (Art. 25 Abs. 1, 2. Satz). Vor der Anhängigmachung eines Falles beim Gericht soll die Generalstaatsanwaltschaft diese Funktion ausüben, danach das Innen- und Justizministerium. Dass die im konkreten Fall nicht zuständige Behörde die Angelegenheit unverzüglich an die zuständige Behörde weiterleitet, versteht sich dabei von selbst.

Art. 27

Inhalt des Ersuchens

In Artikel 27 werden die Angaben, die in einem Rechtshilfeersuchen enthalten sein müssen, detailliert aufgeführt. Es handelt sich dabei um die in den schweizerischen Rechtshilfeverträgen gängigen Anforderungen. Die Liste dient der Klarheit, sie soll dazu beitragen, die zeitraubende Rückweisung von Ersuchen an den ersuchenden Staat zur Ergänzung oder Verbesserung möglichst zu vermeiden.

Art. 29

Befreiung von jeder Beglaubigung und anderen Formerfordernissen

Die Befreiung von der Beglaubigungspflicht stellt vor allem im Verkehr mit lateinamerikanischen Staaten einen wichtigen Fortschritt dar, da diese Länder prozessualen Formalitäten einen grossen Wert beimessen. Nach der vereinbarten Regelung werden die in der Schweiz erhobenen und über das Bundesamt für Justiz übermittelten Beweismittel in Kolumbien ohne zusätzliche Erklärung oder Beglaubigungs-

9306

nachweise zum Beweis zugelassen. Die Bestimmung trägt zur Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens bei.

Art. 30

Sprache

Rechtshilfeersuchen sind in der Sprache des ersuchten Staates einzureichen. Ist die Schweiz ersuchter Staat, so muss ein kolumbianisches Rechtshilfeersuchen in eine der drei Amtssprachen übersetzt werden, die das Bundesamt für Justiz fallweise bestimmt. Die Übersetzungspflicht obliegt jeweils dem ersuchenden Staat. Dies gilt auch für die erhaltenen Vollzugsakten.

Art. 31

Ausführungskosten

Die ausgehandelte Kostenregelung entspricht dem auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe Üblichen: Rechtshilfe wird in der Regel unentgeltlich geleistet.

Ausnahmen sind nur in den ausdrücklich erwähnten Fällen möglich.

Art. 32

Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen

Im Rahmen der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität hat sich gezeigt, dass die Behörden eines Staates im Laufe ihrer Ermittlungen oft zu Informationen gelangen, die auch für die Justizbehörden eines anderen Staates von Bedeutung sein können. In diesen Fällen liegt es im Interesse der Strafverfolgung, dass die gesammelten Informationen diesem anderen Staat unter bestimmten Voraussetzungen übergeben werden können, noch bevor ein Rechtshilfeersuchen gestellt wurde.

Ein frühzeitiger und rascher Informationsaustausch kann im Kampf gegen die Kriminalität nämlich eine entscheidende Rolle spielen.

Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 11 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen an und findet sich auch in den jüngsten Rechtshilfeverträgen31 der Schweiz.

Absatz 1 ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne vorheriges Ersuchen eine Übermittlung von Informationen, die eine Vertragspartei im Rahmen eines eigenen Ermittlungsverfahrens erhoben hat. Eine derartige Übermittlung ist indessen nur vorgesehen, wenn sie dazu beiträgt, dass die andere Vertragspartei ein Rechtshilfeersuchen einreichen (Bst. a) oder ein Strafverfahren einleiten kann (Bst. b) oder wenn ihr dadurch die Durchführung einer laufenden Strafuntersuchung erleichtert wird (Bst. c). Der Informationsaustausch muss über die Zentralbehörden und im Rahmen des innerstaatlichen Rechts erfolgen. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, sind die Vertragsparteien nicht verpflichtet, die Bestimmung anzuwenden.

Artikel 67a IRSG regelt die Einzelheiten für den Fall, dass die Schweiz übermittelnder Staat ist.

Nach Absatz 2 kann die übermittelnde Behörde die Verwendung der Informationen einschränken, indem sie sie nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts an Bedingungen knüpft. Diese Bedingungen sind für den Empfängerstaat verbindlich.

31

Vgl. etwa die entsprechenden Verträge mit Brasilien (SR 0.351.919.81; Art. 29), Mexiko (SR 0.351.956.3; Art. 30); Chile (BBl 2008 133; Art. 32) und Argentinien (BBl 2011 611; Art. 30).

9307

Art. 33­36

Vereinbarkeit mit anderen Vereinbarungen und Formen der Zusammenarbeit; Meinungsaustausch, Beilegung von Streitigkeiten; Inkrafttreten und Kündigung

Die Schlussbestimmungen enthalten die üblichen Klauseln. Artikel 33 klärt im Sinne des Günstigkeitsprinzips das Verhältnis zwischen dem Vertrag und anderen internationalen oder nationalen Rechtsvorschriften. Bei Fragen oder Schwierigkeiten bezüglich der Anwendung des Vertrags, seiner Umsetzung oder eines konkreten Einzelfalls erfolgt nach Artikel 34 ein Meinungsaustausch zwischen den Zentralbehörden. Können diese einmal entstandene Streitigkeiten nicht beilegen, so ist nach Artikel 35 der diplomatische Weg zu beschreiten. Diese Kompromisslösung im Verhältnis zu Staaten, die kein Schiedsgericht als Streitschlichtungsorgan akzeptieren können oder wollen, findet sich in verschiedenen von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen.32 Artikel 36 beschreibt das Verfahren für das Inkrafttreten und die Kündigung des Vertrags.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone

Mit dem Vertrag erweitert sich der Aufgabenbereich der mit Rechtshilfe in Strafsachen befassten Behörden. Dies gilt in besonderem Mass für das Bundesamt für Justiz, das als Zentralbehörde den Rechtshilfeverkehr von und nach Kolumbien sicherzustellen hat, daneben etwa auch für die Bundesanwaltschaft wie auch für das Bundesamt für Polizei, welches mit Vollzugshandlungen betraut werden kann.

Das Ausmass des Arbeitsanfalls, der zusätzlich auf die schweizerischen Behörden zukommt, hängt von der Anzahl und der Komplexität der Rechtshilfefälle ab. Aufgrund der heutigen Einschätzung dürfte der Vertrag auf Bundesebene keinen finanziellen Mehraufwand oder zusätzlichen Personalbedarf zur Folge haben.

Mit Bezug auf die Kantone kann je nach Umfang der Ersuchen und Aufwand, der für deren Erledigung notwendig ist, eine Mehrbelastung einzelner kantonaler, mit Rechtshilfe befasster Behörden nicht völlig ausgeschlossen werden.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Der Vertrag wird für die Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht keine Auswirkungen haben.

32

Vgl. etwa die Rechtshilfeverträge mit Hongkong (SR 0.351.941.6; Art. 37), den Philippinen (SR 0.351.964.5; Art. 32), Chile (BBl 2008 133; Art. 37); ähnlich auch Argentinien (BBl 2011 611; Art. 35).

9308

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 200833 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit und Erlassform

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) ist der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge fällt damit in seine Zuständigkeit. Der Bundesrat unterzeichnet die völkerrechtlichen Verträge mit ausländischen Staaten und unterbreitet diese der Bundesversammlung zur Genehmigung (Art. 184 Abs. 2 BV). Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen Sache der Bundesversammlung.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Beim Rechtshilfevertrag mit Kolumbien sind die ersten zwei Voraussetzungen nicht gegeben: Nach Artikel 36 Absatz 2 ist der Vertrag kündbar, und er sieht auch nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt zu prüfen, ob die dritte Voraussetzung erfüllt ist, das heisst ob der Vertrag wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass eines Bundesgesetzes erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200234 sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Der mit Kolumbien ausgehandelte Vertrag enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Er begründet für die Vertragsparteien die Verpflichtung, einander eine möglichst umfassende Rechtshilfe zu gewähren. Diese Verpflichtung hat auch Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen. Diese Bestimmungen müssen als wichtig angesehen werden, da sie nach Artikel 164 Absatz 1 BV nur in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden könnten, wenn sie auf nationaler Ebene erlassen werden müssten. Demzufolge untersteht der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge.

33 34

BBl 2008 753 822 SR 171.10

9309

5.2

Vernehmlassung

Beim vorliegenden Vertrag wurde im Sinne von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200535 auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Inhalt des Vertrages stimmt im Wesentlichen mit jenem bereits abgeschlossener Verträge überein. Er geht weder über die Vorgaben des Rechtshilfegesetzes hinaus, noch weicht er substanziell von den bilateralen oder multilateralen Übereinkommen ab, welche die Schweiz in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Der Vertrag mit Kolumbien baut das Vertragsnetz im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen vielmehr weiter aus und setzt damit die bundesrätliche Politik fort, die schweizerischen Sicherheitsinteressen durch vernetzte internationale Kooperation zu wahren. Bei keinem der früheren Rechtshilfeverträge wurde die politische Akzeptanz in Zweifel gezogen.

35

SR 172.061

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