11.075 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Russland vom 23. November 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Abkommens vom 15. November 1995 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. November 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-2116

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Übersicht Das Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Russland sieht die Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch gemäss internationalem Standard vor. Weiter wird für Dividendenzahlungen an Vorsorgeeinrichtungen, die Vertragsstaaten und ihre Zentralbanken der Nullsatz eingeführt. Die revidierte Zinsenregelung sieht die Einführung des generellen Nullsatzes vor. Schliesslich wird das Abkommen mit einer Regelung ergänzt, die für Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Immobiliengesellschaften die Besteuerungskompetenz dem Liegenschaftsstaat zuweist.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Protokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz seit jeher den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

Am 13. März 2009 hat der Bundesrat beschlossen, dass die Schweiz im Bereich des steuerlichen Informationsaustauschs den von der OECD entwickelten internationalen Standard übernimmt.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen zwischen der Schweiz und Russland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.966.51 hiernach DBA-RUS) datiert vom 15. November 1995. Es wurde bislang keiner Revision unterzogen.

Während das DBA-RUS keine besondere Bestimmung über den Informationsaustausch enthält, wird im dazugehörigen Briefwechsel vom 15. November 1995 festgehalten, dass sich der Umfang der Amtshilfe auf Informationen beschränkt, die der Durchführung des Abkommens dienen. Nach dem Entscheid des Bundesrates vom 13. März 2009, den Vorbehalt der Schweiz hinsichtlich des Informationsaustausches nach dem OECD-Musterabkommen zurückzuziehen, hat Russland den Wunsch geäussert, Verhandlungen über die Ergänzung des DBA-RUS mit einer Bestimmung zum Informationsaustausch nach internationalem Standard aufzunehmen. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesrats hat die Schweiz diesem Wunsch entsprochen und die Gelegenheit genutzt, bestimmte Punkte im Abkommen an die heutigen Gegebenheiten anzupassen und gewisse Verbesserungen zu erzielen. Dies betrifft vor allem die Einführung des Nullsatzes auf Dividendenzahlungen an Vorsorgeeinrichtungen, den generellen Nullsatz auf Zinsen sowie eine Klausel zugunsten der Schweiz für die Einführung einer Schiedsregelung.

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Die Verhandlungen fanden im November 2009 in Bern und im Mai 2010 in Moskau statt. Nach internen Konsultationen auf beiden Seiten konnte am 25. Januar 2011 anlässlich einer Sitzung des Fiskalkomitees der OECD in Paris die Paraphierung des Protokolls zur Änderung des Abkommens (nachfolgend Änderungsprotokoll) erfolgen. Weil beide Staaten sprachliche Anpassungen wünschten, wurde das Änderungsprotokoll am 6. April 2011 auf dem Korrespondenzweg erneut paraphiert. Die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls fand am 24. September 2011 anlässlich der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe in Washington statt.

Die Kantone und die am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Kreise haben die Revision des DBA-RUS begrüsst.

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Würdigung

Die Einführung des generellen Nullsatzes für Zinsen fördert grenzüberschreitende Investitionen und stärkt den Finanz- und Werkplatz der Schweiz. Die Aufhebung der Residualsteuer bei Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen erleichtert die grenzüberschreitenden Investitionen dieser institutionellen Anleger. Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch entspricht dem internationalen Standard und schränkt den Informationsaustausch auf konkrete Anfragen ein. Die von Russland eingeräumte Klausel zum Schiedsverfahren stellt sicher, dass die Schweiz in diesem Bereich von einer Änderung der russischen Abkommenspolitik rasch profitieren kann. Die Einigung über die formellen Erfordernisse an Ansässigkeitsbescheinigungen erhöht die Rechtssicherheit für schweizerische Investorinnen und Investoren in Russland und reduziert ihren administrativen Aufwand. Im vorliegenden Protokoll konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen wird.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll ändert und ergänzt gewisse Bestimmungen des DBA-RUS.

Nachfolgend wird der wesentliche Inhalt dieser Änderungen dargelegt.

Art. II des Änderungsprotokolls betreffend Art. 4 des Abkommens (Ansässige Person) Die Revision wurde dazu genutzt, den ersten Absatz der Ansässigkeitsbestimmung an den aktuellen Wortlaut des OECD-Musterabkommens anzupassen. Neu wird explizit festgehalten, dass die Vertragsstaaten und ihre politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften auch vom Ansässigkeitsbegriff erfasst werden.

In Zusammenhang mit der Ansässigkeitsbestimmung anderer als natürlicher Personen (Art. 4 Abs. 3) wurde von russischer Seite der Wunsch vorgebracht, für ihre Steuerbeamten eine präzisere Umschreibung bereitzustellen. Die bestehende Regelung, wonach eine andere als eine natürliche Person in jenem Staat ansässig ist, in welchem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, sei zu generell gefasst. Weil eine präzisere Umschreibung die Rechtssicherheit erhöht, entsprach 8958

die Schweiz dem Anliegen, beharrte aber darauf, die im Kommentar zum OECDMusterabkommen des Jahres 2008 enthaltene Umschreibung in das Änderungsprotokoll aufzunehmen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Ansässigkeitsbestimmung des DBA-RUS analog zu den anderen nach OECD-Standard ausgestalteten Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz auszulegen ist. Gemäss Ziffer 2 des im Anhang zum Änderungsprotokoll aufgeführten Protokolls (Protokoll zum Abkommen) befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer anderen als einer natürlichen Person dort, wo die entscheidenden Führungs- und Geschäftsentscheide, die für den Betrieb des Geschäfts des Rechtsträgers als Ganzes nötig sind, im Wesentlichen getroffen werden. Dabei sind sämtliche wesentlichen Tatsachen und Umstände zu prüfen.

Art. III des Änderungsprotokolls betreffend Art. 10 des Abkommens (Dividenden) Die geltende Bestimmung sieht ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates der Dividenden von 15 Prozent vor (Abs. 2 Bst. b). Ist die nutzungsberechtigte Empfängerin der Dividenden eine Gesellschaft mit einer Kapitalbeteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft von 20 Prozent und übersteigt das im Rahmen der Beteiligung investierte Kapital zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Dividenden zweihunderttausend (200 000) Schweizer Franken oder dessen Gegenwert in anderer Währung, so reduziert sich das Besteuerungsrecht des Quellenstaats auf 5 Prozent (Abs. 2 Bst. a).

Der Vorschlag der Schweiz beinhaltete die Einführung des Nullsatzes auf Beteiligungsdividenden (Kapitalanteil 10 Prozent) und auf Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen, den Staat, sowie die Zentralbanken der beiden Staaten. Dem Ansinnen für Beteiligungsdividenden den Nullsatz zu vereinbaren, war Russland nicht bereit zuzustimmen. Neben den finanziellen Auswirkungen wurde dies insbesondere mit dem Umstand begründet, dass Russland in keinem seiner Doppelbesteuerungsabkommen eine tiefere Residualbesteuerung als 5 Prozent für Beteiligungsdividenden aufweist und demnach das DBA-RUS bereits über eine sehr vorteilhafte Regelung verfügt. Hingegen war die russische Seite bereit, den Vorschlag einer Quellensteuerbefreiung von Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen, den Staat und die Zentralbanken der beiden Staaten zu akzeptieren. Der Kreis der begünstigten Vorsorgeeinrichtungen wird in Ziffer 3
des angehängten Protokolls festgelegt. Für die Schweiz umfasst dieser sämtliche Einrichtungen der ersten und zweiten Säule sowie der Säule 3a. Die kollektive Kapitalanlage, in welche ausschliesslich Vorsorgeeinrichtungen investieren, wird gleich behandelt wie die direkte Kapitalanlage durch die Vorsorgeeinrichtungen selbst.

Aus Kreisen der Schweizer Wirtschaft wurde verlangt, eine Regelung zum Anwendungsbereich der russischen Unterkapitalisierungsvorschriften zu finden. Russland wende bei der Prüfung der Zulässigkeit von Zinszahlungen im internen Verhältnis weniger strenge Vorschriften an als im internationalen Verhältnis. Dies führe bei internationalen Konzernstrukturen zu Benachteiligungen. Obwohl solche Ungleichbehandlungen nach Artikel 24 Absatz 3 DBA-RUS unzulässig sind und russische Gerichte entsprechenden Klagen von Unternehmen stattgegeben haben, wurde von Seiten der Schweiz entschieden, auf ein explizites Verbot solcher Ungleichbehandlungen im Änderungsprotokoll zu drängen. Der Vorschlag der Schweiz beinhaltete, dass die innerstaatlichen Unterkapitalisierungsvorschriften auch im Anwendungsbereich des DBA-RUS gelten. Nach Zugeständnissen der Schweiz in anderen Bereichen war die russische Seite schliesslich bereit, eine entsprechende Bestimmung in das Protokoll zum Abkommen aufzunehmen (Ziff. 4 Bst. a).

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Anlagefonds, unabhängig davon ob es sich um Immobilienfonds oder um andere Anlagefonds handelt, werden in Russland steuerlich transparent behandelt. Dies bedeutet, dass Ausschüttungen des Anlagefonds an den Inhaber der Fondsanteile je nach Herkunft des ausgeschütteten Ertrags Dividenden, Zinsen oder Kapitalgewinne darstellen. Werden die Ausschüttungen hingegen an einen Inhaber eines Fondanteils ausgerichtet, der ein Doppelbesteuerungsabkommen wie z.B. das DBA-RUS beanspruchen kann, so stellen die Erträge nach russischer Gerichtspraxis nicht Dividenden, Zinsen oder Kapitalgewinne sondern «andere Einkünfte» nach Artikel 21 DBARUS dar. Weil solche Einkünfte ausschliesslich vom Ansässigkeitsstaat des Inhabers der Fondanteile besteuert werden dürfen, ist gemäss Gerichtspraxis Russland nicht berechtigt, auf solchen Zahlungen eine Quellensteuer zu erheben. Im Rahmen der Verhandlungen hat Russland verlangt, dass diese «unrichtige» Anwendung des DBA-RUS durch eine Präzisierung im Abkommen korrigiert wird. Die Schweiz hat dieses Anliegen zuerst abgelehnt und darauf hingewiesen, dass dieses Problem im innerstaatlichen Recht Russlands gelöst werden müsse, und hat auf die im internen Recht der Schweiz getroffene Regelung verwiesen. Weil die russische Seite aber darauf bestand, dass dieses Problem auch im Änderungsprotokoll angegangen wird und Konzessionen in anderen Bereichen verweigerte, wurde von Seiten der Schweiz schliesslich einer Lösung dieses Problems zugestimmt. Diese sieht vor, dass der Ausdruck «Dividenden» neu auch Einkünfte auf Anteilen an Immobilienfonds und anderen Anlagefonds umfasst, deren Einkünfte zu mehr als 50 Prozent aus Aktien herrühren (Art. 10 Abs. 4 DBA-RUS). Demgegenüber sind Zahlungen auf Anteilen anderer Anlagefonds (ohne Immobilienfonds), deren Einkünfte zu weniger als 50 Prozent aus Aktien stammen, als Zinsen zu betrachten (Ziff. 4 Bst. b des Protokolls zum Abkommen).

Art. IV des Änderungsprotokolls betreffend Art. 11 des Abkommens (Zinsen) Die geltende Bestimmung beschränkt das Besteuerungsrecht des Quellenstaates der Zinsen auf 10 Prozent. Für Bankzinsen reduziert sich der Residualsatz auf 5 Prozent.

Für gewisse Kredite in Zusammenhang mit Waren- und Ausrüstungsverkäufen sieht das Abkommen den Nullsatz vor.

Weil zahlreiche Staaten in ihren Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland
bereits über generelle Nullsatzregelungen verfügen, wurde von Seiten der Schweizer Wirtschaft, insbesondere von Vertretern des Finanzplatzes, darauf gedrängt, ebenfalls eine solche vorteilhafte Regelung in das Änderungsprotokoll aufzunehmen.

Russland war zuerst nicht bereit, der Schweiz den generellen Nullsatz zuzugestehen.

Begründet wurde dies insbesondere damit, dass Russland bestrebt sei, die eigenen Banken zu stärken, und darum bemüht sei, im Rahmen von Änderungsprotokollen die Nullsatzregelungen mit anderen Vertragsstaaten wieder aufzuheben. Nach intensiven Verhandlungen gelang es der Schweiz schliesslich doch, im Rahmen einer Gesamtlösung diesen für den Finanzplatz Schweiz und die schweizerischen multinationalen Konzerne gewichtigen Nachteil gegenüber Konkurrenzstandorten zu beseitigen.

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Art. V und VI des Änderungsprotokolls betreffend Art. 13 des Abkommens (Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen) sowie Art. 23 des Abkommens (Vermeidung der Doppelbesteuerung) Das geltende Abkommen sieht vor, dass Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Gesellschaften nur im Staat des Veräusserers dieser Anteile besteuert werden können. Russland wünschte diesbezüglich eine Anpassung an den OECD-Standard.

Dieser sieht vor, dass Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an Immobiliengesellschaften von jenem Staat besteuert werden können, in dem das unbewegliche Vermögen gelegen ist. Von einer Immobiliengesellschaft ist die Rede, wenn der Wert der Gesellschaft zu mehr als 50 Prozent auf unbeweglichem Vermögen beruht.

Weil diese Anpassung an den OECD-Standard auch von gewissen Kantonen gewünscht wird, hat die Schweiz dem russischen Begehren keine grundsätzlichen Einwände entgegengebracht. Auf Wunsch der Schweiz wurden jedoch zwei Ausnahmen von der Besteuerung solcher Gewinne im Belegenheitsstaat eingefügt. Die erste Ausnahme erfolgt aus Praktikabilitätsgründen und sieht vor, dass Veräusserungsgewinne von Anteilen an Immobiliengesellschaften, die an einer anerkannten Börse in einem der Vertragsstaaten oder an einer anderen von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten vereinbarten Börse kotiert sind, nur im Staat des Veräusserers besteuert werden können. Weil bei Börsentransaktionen eine Veranlagung mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, erachteten beide Vertragsstaaten eine Besteuerung solcher Gewinne im Ansässigkeitsstaat des Veräusserers als sinnvoll. Die zweite Ausnahme schränkt den Begriff der «Immobiliengesellschaft» näher ein. Benützt eine Gesellschaft die Immobilien für ihre Geschäftstätigkeit, stellt sie keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft dar. Diese Einschränkung reduziert den Anwendungsbereich der Bestimmung auf Immobiliengesellschaften nach schweizerischem Verständnis, d.h. solche, die das Halten und Verwalten von Immobilien sowie den Handel mit Immobilien zum Zweck haben. Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an Betriebsgesellschaften, auch wenn deren Vermögen überwiegend aus Immobilien besteht, sind deshalb ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat des Veräusserers zu besteuern.

In Übereinstimmung mit der schweizerischen Abkommenspraxis wird ein Kapitalgewinn in
Zusammenhang mit einem Beteiligungsverkauf an einer Immobiliengesellschaft von der Schweiz nur dann steuerbefreit, wenn der hier ansässige Veräusserer nachweisen kann, dass der Gewinn in Russland besteuert wurde (Art. 23 Bst. a letzter Satz DBA-RUS).

Art. VII des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25a des Abkommens (Informationsaustausch) Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit an Bedeutung gewonnen. Mit Entscheid vom 13. März 2009 hat der Bundesrat bekanntlich beschlossen, den internationalen Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen.

Gleichzeitig hat er die Wahrung des Verfahrensschutzes, die Begrenzung der Amtshilfe auf konkrete Anfragen, faire Übergangslösungen, die Beschränkung auf Steuern, die unter das Abkommen fallen, das Subsidiaritätsprinzip sowie die Beseitigung allfälliger Diskriminierungen zu den anzustrebenden Eckwerten des Übergangs auf den internationalen Standard erklärt. Diese Elemente werden nachfolgend kommentiert.

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Die paraphierte Bestimmung übernimmt grösstenteils den Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Abweichungen betreffen die Beschränkung des Informationsaustauschs auf die unter das Abkommen fallenden Steuern sowie die Mehrwertsteuern, den Ausschluss der Weitergabe erhaltener Informationen an Aufsichtsbehörden, die Möglichkeit, die Informationen mit dem Einverständnis beider Staaten für andere Zwecke zu verwenden, sowie die Ermächtigung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen bei der Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie bei der Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen an Personen. Die Änderungen bei den Bestimmungen zum Informationsaustausch sind mit dem internationalen Standard vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind jene Informationen, die für die Durchführung des Abkommens oder die Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts auf dem Gebiet der unter das Abkommen fallenden Steuern und der Mehrwertsteuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sollen sogenannte «fishing expeditions» verhindert werden. Nicht erforderlich ist für den Informationsaustausch, dass die betroffenen Steuerpflichtigen in der Schweiz oder in Russland ansässig sind, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Ihrer üblichen Politik entsprechend beabsichtigte die Schweiz, den Informationsaustausch auf die vom Abkommen erfassten Steuern zu beschränken. Weil für Russland die Bekämpfung von Missbräuchen im Mehrwertsteuerbereich von grosser Bedeutung ist, verlangte dieses als Gegenleistung für den generellen Nullsatz auf Zinszahlungen die Erweiterung der Amtshilfe auf den Mehrwertsteuerbereich. Nach Durchführung einer informellen Konsultation wichtiger Dachverbände der Schweizer Wirtschaft wurde dem russischen Anliegen entsprochen.

Absatz 2 umfasst Geheimhaltungsregeln. Diese Bestimmung erklärt die Geheimhaltungsregeln des Staates für anwendbar, der die Informationen erhalten hat. Er hält jedoch fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung
oder Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der vom Abkommen umfassten Steuern befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden. Der letzte Satz dieses Absatzes sieht die Möglichkeit der Verwendung für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte in einem anderen Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die diesbezüglich separaten Verfahrensrechte in der Schweiz zu entziehen. Damit kann vermieden werden, dass gleiche Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals beschafft und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des ersuchten Staates ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustausches vor. Der ersuchte Staat ist weder gehalten, Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die über seine eigenen Gesetze oder seine eigene Verwaltungspraxis hinauszugehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates abweichen. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach 8962

seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis oder nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn der ersuchende Staat nicht die erforderlichen Massnahmen trifft, um zu gewährleisten, dass die ersuchten Informationen tatsächlich geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Auskünfte ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Staates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen bezüglich Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden, sowie betreffend Beteiligungsverhältnisse an Personen. Solche Informationen sind unabhängig von den Einschränkungen des Absatzes 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Auskünfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis die begehrten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens im innerstaatlichen Recht die notwendigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der durch den Absatz 5 erfassten Informationen. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss der neuen Bestimmung keinen Steuerbetrug mehr voraus. Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, gewährt der zweite Satz den Vertragsstaaten die notwendigen rechtlichen Grundlagen zur Durchsetzung des Informationsaustausches.

Das anwendbare Verfahren wird vorerst durch die Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; SR 672.204) geregelt. Diese ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten. Die Verordnung soll durch das Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in
Steuersachen (StAG) ersetzt werden. Die Botschaft zum StAG wurde vom Bundesrat am 6. Juli 2011 verabschiedet (BBl 2011 6193). Gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c ADV wird die Schweiz der Russischen Föderation keine Amtshilfe leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht. Dies wurde der russischen Delegation anlässlich der Verhandlungen mitgeteilt und von dieser zur Kenntnis genommen.

Das Auskunftsersuchen ist schriftlich zu stellen (einfache Telefonanfragen sind somit ausgeschlossen), entsprechend den diesbezüglichen Vorschriften zum internationalen Standard, insbesondere dem Modul 1 zum Informationsaustausch auf Anfrage des Manuals der OECD zur Umsetzung des Informationsaustauschs in Steuersachen.

Die Bestimmungen von Artikel 25a werden im Protokoll zum Abkommen weiter konkretisiert (Ziff. 7 des Protokolls zum Abkommen): In Buchstabe a wird der Grundsatz der Subsidiarität festgehalten. Die Vertragsstaaten sind gehalten, zuerst ihre eigenen, innerstaatlichen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor sie ein Amtshilfegesuch an den anderen Vertragsstaat stellen.

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In den Buchstaben b und c regelt das Protokoll zum Abkommen detailliert die Anforderungen an Auskunftsersuchen. Diese dienen dazu, «fishing expeditions», d.h. Ermittlungen, welche ohne präzises Ermittlungsobjekt in der Hoffnung vorgenommen werden, steuerlich relevante Informationen zu erhalten, zu vermeiden.

Gleichzeitig dürfen die Anforderungen aber nicht so ausgelegt werden, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch behindern (Ziff. 7 Bst. c). Auskunftsersuchen sind demnach in guten Treuen zu behandeln.

In Übereinstimmung mit dem heute geltenden internationalen Standard hat der ersuchende Staat die betroffene steuerpflichtige Person eindeutig zu identifizieren, wobei diese Identifikation auch auf andere Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse erfolgen kann. Ferner ist in Amtshilfegesuchen, sofern vorhanden, der Name und die Adresse des mutmasslichen Informationsinhabers (z.B. einer Bank) anzugeben. Der internationale Standard verpflichtet den ersuchten Staat aber auch Gesuche zu beantworten, die den mutmasslichen Informationsinhaber nicht zu identifizieren vermögen. Weil sich ohne diese Angaben die Informationssuche schwierig gestalten kann, lässt der Standard es zu, solche Gesuche aus Gründen der Proportionalität (d.h. Verhältnismässigkeit) und Praktikabilität (Durchführbarkeit) abzuweisen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) als zuständige Verwaltungsbehörde ist deshalb nicht verpflichtet, zur Beantwortung eines Amtshilfegesuchs, das die Bank nicht identifiziert, sämtliche der mehr als 300 in der Schweiz tätigen Banken nach Kontoinformationen zu einer bestimmten Person anzufragen.

Kommen hingegen beispielsweise nur einige wenige Banken als Informationsinhaber in Frage, so ist die ESTV auch ohne Angabe des Namens und der Adresse der Bank verpflichtet, diese anzufragen, sofern die Umstände im Gesuch schlüssig dargetan sind und damit eine «fishing expedition» ausgeschlossen werden kann. Zur Sicherstellung einer effizienten Durchführung des Informationsaustauschs muss ferner der ersuchende Staat darlegen, welche Informationen er für welche Steuerperioden und zu welchen steuerlichen Zwecken benötigt.

Aufgrund der Anforderungen des internationalen Standards an Auskunftsersuchen ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Nach dem heute geltenden Standard
beschränkt sich der Informationsaustausch auf Anfragen im Einzelfall. International sind aber Bestrebungen im Gang, den Standard zu erweitern und konkrete Anfragen auch dann zuzulassen, wenn diese auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen aufgrund zahlreicher Indizien davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Weitere Ausführungen zu dieser Thematik finden sich in Ziff. 1.2.1 der bundesrätlichen Botschaft zum StAG (BBl 2011 6193).

In Buchstabe d schliesst das Protokoll zum Abkommen ausdrücklich die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch aus. Ziffer 7 Buchstabe e hält schliesslich die Garantie der Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen fest. In der Schweiz kann die betroffene steuerpflichtige Person die Schlussverfügung der ESTV zum Austausch von Informationen mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht anfechten, das die Sache abschliessend beurteilt. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Wurde Beschwerde erhoben, so kann der Auskunftsaustausch daher erst erfolgen, wenn diese rechtskräftig abgelehnt wurde.

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Art. VIII des Änderungsprotokolls betreffend Art. 25b des Abkommens (Durchlauf) Russland wünschte die Aufnahme einer umfassenden Bestimmung gegen Missbräuche. Dieses Begehren ging der Schweiz zu weit. Sie schlug eine Missbrauchsbestimmung vor, die sich auf Durchlaufregelungen in Zusammenhang mit Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkte. Damit zeigte sich die russische Seite schliesslich einverstanden.

Die vereinbarte Lösung folgt weitgehend der Missbrauchsbestimmung, die in das schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen mit Grossbritannien aufgenommen wurde. Sie entspricht der Entwicklung der schweizerischen Abkommenspolitik auf diesem Gebiet und der von der Schweiz befolgten Praxis im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Abkommensmissbräuchen.

Es ist zu vermeiden, dass Abkommensvorteile einer Person zugute kommen, die in einem Drittstaat ohne Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Quellenstaat ansässig ist und die eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person (in den meisten Fällen eine Gesellschaft) als Empfängerin von abkommensbegünstigten Erträgen zwischenschaltet in der hauptsächlichen Absicht, in den Genuss solcher Abkommensvorteile zu gelangen. Die Auslegung der Frage, ob die Beanspruchung solcher Abkommensvorteile der Hauptzweck der Errichtung einer Gewinndurchlaufregelung war, kann im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach Artikel 25 geklärt werden.

Art. X des Änderungsprotokolls betreffend das im Anhang zum Änderungsprotokoll enthaltene Protokoll zum Abkommen Bei der Anwendung des Abkommens wurde von Seiten schweizerischer Steuerpflichtiger gemeldet, dass die russischen Behörden die von der Schweiz ausgestellten Ansässigkeitsbescheinigungen teilweise nur mit Beglaubigung und Apostille akzeptieren würden. Unter Ziffer 1 des Protokolls zum Abkommen sind die beiden Vertragsstaaten übereingekommen, zur Erleichterung der Anwendung des Abkommens auf Apostillen und Beglaubigungen zu verzichten. Dies gilt sowohl für im Rahmen der Amtshilfebestimmung ausgetauschte Informationen wie auch für Ansässigkeitsbescheinigungen. Weitere Dokumente können ebenfalls von dieser Erleichterung profitieren, sofern diese von den nach dem Abkommen zuständigen Behörden ausgestellt wurden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. h DBA-RUS).

Unter Ziffer 5 enthält das Protokoll zum Abkommen eine Klarstellung für
Kapitalzahlungen aus der 2. Säule. Es wird bestimmt, dass solche Kapitalzahlungen gleich wie Rentenzahlungen aus der 2. Säule der Vertragsstaaten nach den Regeln der Artikel 18 (Ruhegehälter) respektive 19 (Öffentlicher Dienst) zu behandeln sind.

Dem Wunsch der Schweiz, eine Schiedsklausel ins Abkommen aufzunehmen, wurden von russischer Seite zahlreiche Bedenken entgegengebracht. Trotz intensiver Bemühungen von Seiten der Schweiz gelang es nicht, Russland von den Vorteilen eines Schiedsverfahrens zu überzeugen. Russland ist allerdings bereit, eine Schiedsgerichtsklausel mit der Schweiz auszuhandeln, sobald es eine solche in ein Doppelbesteuerungsabkommen mit einem Drittstaat aufnimmt. Russland wird die Schweiz über den Abschluss eines Abkommens mit einer solchen Klausel informieren, damit die zuständigen Behörden der beiden Staaten baldmöglichst Verhandlungen über die Anpassung des DBA-RUS aufnehmen können (vgl. Ziff. 6 des Protokolls zum Abkommen).

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Art. XI des Änderungsprotokolls (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) Das Änderungsprotokoll zwischen der Schweiz und der Russischen Föderation tritt am Tag des Eingangs der letzten der beiden Notifikationen in Kraft, mit welchen die Beendigung des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens mitgeteilt wird.

Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden ab dem 1. Januar des Jahres Anwendung, das auf das Inkrafttreten folgt.

Die revidierte Bestimmung zum Informationsaustausch wird für Steuerjahre Anwendung finden, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen. Sie gilt daher ausschliesslich für Einkünfte, die der betroffenen steuerpflichtigen Person an oder nach diesem Datum zugeflossen sind, bzw.

für den Vermögensstand an oder nach diesem Datum. Für frühere Zeiträume beschränkt sich die Amtshilfe auf Informationen, die für die ordentliche Anwendung des Abkommens erforderlich sind.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Einführung des generellen Nullsatzes für Zinsen und hat grundsätzlich steuerliche Einbussen zur Folge. Diese dürften aber moderat ausfallen, weil grössere Darlehen aufgrund der nachteiligen Regelung des bestehenden DBA-RUS häufig über Drittstaaten mit vorteilhafteren Konditionen ausgerichtet wurden. Ebenfalls zu Einbussen führen die zum Nullsatz berechtigenden Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen, die Vertragsstaaten und ihre Zentralbanken. Auf der anderen Seite dürfte die Herabsetzung der Residualsätze eine Standortverbesserung darstellen und so zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen.

Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen für einheitliche Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten («global level playing field») und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Änderungsprotokoll begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Änderungsprotokolls. Das zur Genehmigung unterbreitete Änderungsprotokoll wird Bestandteil des Abkommens von 1995 sein. Dieses ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist 8966

von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Die Übernahme des internationalen Standards beim Informationsaustausch stellt eine gewichtige Neuerung der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Doppelbesteuerung dar. Dies bedeutet, dass das Änderungsprotokoll wichtige neue Verpflichtungen für die Schweiz nach sich zieht. Der Bundesbeschluss über das Änderungsprotokoll zwischen der Schweiz und Russland wird deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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