zu 10.111 Anhang zum Aussenpolitischen Bericht 2010: Aktualisierung zur aussenpolitischen Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2010 vom 23. Februar 2011

2011-0510

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Anhang zum Bericht 1

Einleitung

Der Aussenpolitische Bericht 2010 deckt die Periode von Juli 2009 bis August 2010 ab. Es ist dem Bundesrat ein Anliegen, das Parlament gleichzeitig mit der Unterbreitung des Berichtes über die aktuellen aussenpolitischen Entwicklungen in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu informieren und einen Ausblick auf die aussenpolitischen Prioritäten des laufenden Jahres zu geben. In diesem Sinn präsentiert vorliegende Zusatznotiz den Fortgang in Politikbereichen, die für die schweizerische Aussenpolitik zentral sind und auch künftig wichtig bleiben.

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Aussenpolitische Entwicklungen bis Ende 2010

2.1

Europäische Integration

Zwischen August und Dezember 2010 haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU wie folgt entwickelt: Verabschiedung des Berichts über die Evaluation der schweizerischen Europapolitik Im Rahmen einer Klausursitzung hat der Bundesrat am 18. August 2010 die Europapolitik überprüft. Am 17. September 2010 hat er seinen jüngsten Bericht über die Evaluation seiner Europapolitik veröffentlicht.

Der bilaterale Weg bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht des Bundesrates am besten geeignet, die Interessen der Schweiz zu wahren sowie deren notwendige Konvergenz mit denjenigen der EU sicherzustellen. Allerdings stellen sich Herausforderungen im institutionellen Bereich, bei dem die EU vermehrt die Übernahme des massgeblichen Rechtsbestands und dessen Weiterentwicklung anstrebt. Im Juli 2010 wurde mit der EU vereinbart, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe diese Fragen erörtert und bis Ende 2010 erste Lösungsvorschläge präsentiert.

Bei der Weiterführung des bilateralen Wegs orientiert sich der Bundesrat an folgenden Eckpunkten: ­

Die Souveränität beider Parteien und das gute Funktionieren ihrer Institutionen werden gegenseitig respektiert; die automatische Übernahme von EU-Recht ist ausgeschlossen;

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institutionelle Mechanismen sollen die Umsetzung und Weiterentwicklung der Abkommen erleichtern;

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das Gleichgewicht der Interessen beider Parteien bleibt gewahrt, insbesondere durch die Vermeidung neuer Zugangshürden zu den Märkten sowie durch gleichwertige Rahmenbedingungen für beide Parteien;

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die Schweiz leistet einen Beitrag an die Lastenteilung bei der Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen in Europa. In diesem Rahmen führt sie ihre Politik der Friedenssicherung, der nachhaltigen Lösungen (bspw. in der Verkehrspolitik) sowie der Bewahrung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung weiter.

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Der Bundesrat will die Tragfähigkeit des bilateralen Weges im Lichte der Verhandlungsergebnisse beurteilen. Die anderen europapolitischen Instrumente werden wie bisher einer ständigen Überprüfung unterzogen, damit je nach Entwicklung Anpassungen vorgenommen werden können.

Verabschiedung von Schlussfolgerungen zu den Beziehungen mit der Schweiz durch den Rat der EU Der Rat der EU (Vertretung der Mitgliedstaaten) überprüft regelmässig die Beziehungen zwischen der EU und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Sein letzter Bericht zu diesem Thema datiert vom Dezember 2008. Am 14. Dezember 2010 verabschiedete er nun neue Schlussfolgerungen. Darin bezeichnete er die Beziehungen zur Schweiz als gut, intensiv und breit gefächert. Er äusserte aber in einigen Punkten auch Kritik an der Schweiz und ist der Auffassung, dass der bilaterale, sektorielle Weg in seiner bisherigen Form an seine Grenzen stösst.

Der Bundesrat teilt im Grossen und Ganzen die Feststellung des Rates in dessen Schlussfolgerungen vom 14. Dezember 2010 über die Beziehungen zur Schweiz, wonach die Beziehungen im Allgemeinen sehr gut und sehr eng sind. Er teilt aber nicht dessen Auffassung, dass der bilaterale Weg an seine Grenzen stösst. Trotzdem ist er bereit, über Massnahmen zur Anpassung des bilateralen Wegs zu sprechen, damit dieser im Interesse beider Parteien weiter entwickelt werden kann (institutionelle Fragen).

Arbeiten der gemeinsamen Arbeitsgruppe zu institutionellen Fragen Die Arbeitsgruppe zu institutionellen Fragen, die am 19. Juli 2010 von der Bundespräsidentin und dem Präsidenten der Europäischen Kommission eingesetzt wurde, hat sich mehrmals getroffen. Es geht darum, für beide Parteien befriedigende Lösungen zu finden im Hinblick auf: (i) die Anpassung der bilateralen Übereinkommen an die Weiterentwicklung des EU-Rechts; (ii) die Auslegung der Übereinkommen; (iii) die Überwachung der Anwendung der Übereinkommen; (iv) die Regelung von Streitigkeiten.

Der Bundesrat nahm an seiner Sitzung vom 22. Dezember 2010 Kenntnis vom Stand der Arbeiten der Arbeitsgruppe. Er wird seine Überlegungen 2011 weiterführen.

2.2

Nachbarschaftsbeziehungen

Steuerangelegenheiten Mit Frankreich und Deutschland konnten im Steuerdossier in der zweiten Hälfte 2010 wesentliche Fortschritte erzielt werden: Das Zusatzabkommen zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich wurde am 4. November 2010 ratifiziert und trat gleichentags in Kraft. Die beiden Finanzminister aus der Schweiz und Deutschland unterzeichneten am 27. Oktober 2010 das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen gemäss OECD-Standard und eine Erklärung zur Aufnahme von Verhandlungen im Steuerbereich. Einzig mit Italien kam man wegen fehlender Gesprächsbereitschaft seitens des italienischen Finanzministeriums im Steuerdossier nicht voran. Zudem sind die italienischen Massnahmen im Bereich Mehrwertsteuer und öffentliches Beschaffungswesen (im Zusammenhang mit den sogenannten «schwarzen Listen») bedauerlich.

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In Umsetzung des bundesrätlichen strategischen Ziels, die Integrität und die Reputation des Finanzplatzes zu erhalten, haben 2010 auch Sondierungsgespräche mit Deutschland und Grossbritannien über die Einführung einer bilateralen Abgeltungssteuer stattgefunden. Ende Oktober 2010 konnte die Schweiz erste Erfolge verbuchen, indem mit beiden Ländern je eine gemeinsame Erklärung zur Regelung offener Finanz- und Steuerfragen unterzeichnet wurde. Im Dezember 2010 hat der Bundesrat die Mandate für die Verhandlungen mit Deutschland und Grossbritannien verabschiedet. Betroffen sind steuerpflichtige Personen mit Wohnsitz in den Partnerstaaten und bestehenden Bankbeziehungen in der Schweiz. Die Verhandlungen haben Anfang 2011 begonnen.

In den Vorgesprächen hat die Schweiz eine Lösung ins Auge gefasst, die einerseits den Schutz der Privatsphäre von Bankkunden respektiert, anderseits aber auch die Durchsetzung berechtigter Steueransprüche gewährleistet. Neben einer Regularisierung von unversteuerten Altgeldern ist eine Abgeltungssteuer für künftige Erträge vorgesehen. Dieses System käme in seiner Wirkung dem automatischen Informationsaustausch im Bereich der Kapitaleinkünfte gleich.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit traf sich die deutschfranzösisch-schweizerische Regierungskommission für den Oberrhein am 9. Dezember 2010 unter deutschem Vorsitz in Offenburg, wo die Trinationale Metropolregion Oberrhein lanciert wurde, mit der alle Aktivitäten dieser Region zusammengefasst und vernetzt werden sollen. Zu diesem Zweck unterzeichneten die Vertreterinnen und Vertreter von Bern, Paris und Berlin die Erklärung von Offenburg. Am 10. Dezember 2010 übernahm die Schweiz für 18 Monate den Vorsitz der Regierungskommission. Hauptziele sind der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, der Katastrophenschutz, der Marktzugang und der Austausch zwischen den verschiedenen Instanzen, die sich in der Region mit Zusammenarbeit befassen.

2.3

Globale Finanzarchitektur

G20 Wie im aussenpolitischen Bericht dargestellt, kann sich die Schweiz indirekt in die von der G20 geführten Diskussionen einbringen: zum einen durch eine aktive Positionierung zu inhaltlichen Fragen anlässlich von bilateralen Gesprächen und Kontakten auf politischer und technischer Ebene, zum anderen durch eine aktive Beteiligung an den Arbeiten von Fachorganisationen, die für die G20 vorbereitend oder ausführend wirken, wie zum Beispiel der Internationale Währungsfonds oder das Financial Stability Board. Vor allem in der Phase der Entscheidvorbereitung hat die Schweiz reelle Mitwirkungsmöglichkeiten und hat diese auch genutzt, so zur Frage der Bankenabgaben und zur Regulierung der Grossbanken. Bei allen sich bietenden Gelegenheiten hat die Schweiz zudem auf die Gründe und ihre Bereitschaft für eine direkte Einbindung in die G20 und ihre Arbeitsgruppen hingewiesen.

Obschon es Einflussmöglichkeiten für Nichtmitglieder gibt, ist die informelle Arbeitsweise der G20 gleichwohl aus Gouvernanzüberlegungen problematisch. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass Entscheide in den dafür vorgesehenen legitimen Organen internationaler Organisationen beschlossen werden. Diesbezüglich hat die Schweiz vor allem im Rahmen der «Global Governance Group» agiert, die sich für 2452

einen Brückenschlag zwischen der G20 und der gesamten UNO-Mitgliederschaft einsetzt.

IWF Kreditverpflichtungen (Beistandsabkommen, Flexible Credit Line): Die Verpflichtung von Krediten im Rahmen laufender Programme des IWF erreichte 2010 mit rund 246 Mrd. Dollar einen historischen Höchststand. Nebst dem mit Irland Mitte Dezember abgeschlossenen Kreditabkommen von rund 30 Mrd. Dollar wurden im Januar 2011 die Abkommen mit Mexiko und Polen im Rahmen der «Flexible credit line» verlängert und substantiell erhöht (auf 72 Mrd. bzw. 30 Mrd. Dollar).

Beitritt Kasachstans zur schweizerischen Stimmrechtsgruppe: Die zentralasiatische Republik Kasachstan ist anlässlich der letzten Exekutivratswahlen vom Herbst 2010 der schweizerischen Stimmrechtsgruppe im IWF und der Weltbank beigetreten. Mit dem neuen Mitglied konnte sich die schweizerische Stimmrechtsgruppe noch ausgeprägter mit ihrem geografischen und thematischen Fokus auf zentralasiatische Länder profilieren. Der Beitritt führt zu einer Stärkung der Stimmrechtsgruppe.

Austritt Usbekistans aus der schweizerischen Stimmrechtsgruppe im IWF: Gleichzeitig verliess Usbekistan die IWF-Gruppe der Schweiz. In der Weltbank hat das Land jedoch seine Stimme wieder für den schweizerischen Exekutivdirektor abgegeben und bleibt somit vorerst Mitglied der Stimmrechtsgruppe. Der Weggang aus der Stimmrechtsgruppe wird von Usbekistan mit den engeren wirtschaftlichen und monetären Beziehungen zu Asien ­ namentlich zu Südkorea ­ begründet.

Resolution des Gouverneursrats vom 15. Dezember 2010: Der Gouverneursrat des Internationalen Währungsfonds hat am 15. Dezember 2010 eine Resolution zur Quoten- und Gouvernanzreform angenommen. Der Resolutionsentwurf folgt praktisch vollständig den Beschlüssen der Finanzminister- und Notenbankgouverneure der G20 vom 23. Oktober 2010. Er enthält folgende Elemente: ­

eine Verdoppelung der Länderquoten auf rund 476.8 Mrd. Sonderziehungsrechte (rund 756 Mrd. Dollar);

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eine namhafte Umverteilung der Quoten (6 Prozent) zugunsten schnell wachsender Schwellenländer;

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die Aufforderung an den Exekutivrat, die Berechnungsart der Quoten über die nächsten zwei Jahre erneut anzupassen. Bis Anfang 2014 sind die Quoten erneut zu überprüfen;

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einen Vorschlag zur Anpassung der Satzungen des IWF, der das Anrecht der Länder mit den fünf grössten Quoten, einen eigenen Exekutivdirektor zu bestimmen, aufhebt;

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eine Verpflichtung zum Beibehalt von 24 Exekutivratssitzen sowie zum Abbau von zwei europäischen («advanced European») Exekutivratssitzen.

Zudem soll die Zusammensetzung des Rats alle acht Jahre überprüft werden;

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die Möglichkeit für Ländergruppen mit sieben oder mehr Ländern, einen zweiten stellvertretenden Exekutivdirektor zu ernennen;

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eine erneute Überprüfung des Umfangs der Neuen Kreditvereinbarungen (NKV) des IWF in Lichte der Quotenerhöhung.

Die Schweiz wird im Zuge der Reform rund 16 Prozent ihres Quotenanteils einbüssen. Sie rutscht damit in der Rangliste der Länder mit den grössten Stimmrechtsan2453

teilen vom 17. auf den 19. Rang. Der damit einhergehende Gewichtsverlust wird jedoch in der schweizerischen Stimmrechtsgruppe durch Zugewinne der übrigen Länder ­ auch nach dem Ausscheiden von Usbekistan ­ ausgeglichen.

Die Schweiz hält am Beibehalt ihres ständigen Sitzes im IWF-Exekutivrat fest. Der Anspruch auf diesen Sitz beruht in der wirtschaftlichen Grösse der Schweiz, der systemischen Bedeutung des schweizerischen Finanzplatzes, der internationalen Bedeutung des Frankens und der namhaften Beiträge der Schweiz an die Finanzierung des IWF. Der Bundesrat verfolgt deshalb auch unter diesen erschwerten Bedingungen aktiv das Ziel, die Interessen der Schweiz im IWF optimal zu vertreten.

Geänderte Neue Kreditvereinbarungen (NKV): Die jüngste Krise hat gezeigt, dass die bestehenden NKV zu gering und zu unflexibel sind, um als massgeblicher Stabilitätsanker zu wirken. Die NKV sollen deshalb von derzeit rund 50 Mrd. Dollar auf insgesamt rund 560 Mrd. Dollar aufgestockt werden. Die Schweiz hat im November 2009 ­ vorbehältlich der parlamentarischen Zustimmung -- einen Anteil von umgerechnet rund 17 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt, der aus einer Kreditlinie der Schweizerischen Nationalbank stammt. Die NKV können erst in Kraft treten, wenn alle Teilnehmer ­ unter ihnen auch die Schweiz ­ die Abmachung über die geänderten Kreditvereinbarungen ratifiziert haben. Die entsprechende Botschaft für die Genehmigung des Beitritts der Schweiz zu dieser Abmachung ist noch vom Nationalrat zu behandeln, nachdem der Ständerat der Vorlage im Dezember 2010 zugestimmt hat.

2.4

Multilaterale Themen

UN-Generalversammlung: Präsidentschaft Deiss Seit dem 14. September 2010 stellt die Schweiz mit alt Bundesrat Joseph Deiss den Präsidenten der 65. Session der UNO-Generalversammlung. Joseph Deiss wurde am 11. Juni 2010 von der Generalversammlung per Akklamation in dieses formell höchste Amt der Vereinten Nationen gewählt, nachdem er sich in der Vorausscheidung gegen den ehemaligen Aussenminister Belgiens und früheren EU-Kommissar Louis Michel durchgesetzt hatte. Die Wahl von Joseph Deiss in dieses anspruchsvolle und prestigeträchtige Amt stellt für die Schweiz eine grosse Ehre und auch eine Anerkennung für ihr Engagement als UNO-Mitglied dar.

Die Aufgabe des Präsidenten der Generalversammlung besteht darin, für einen korrekten und geordneten Ablauf der Sitzungen dieses Organs zu sorgen. Darüber hinaus kann er Einfluss auf die Agenda nehmen. Auch kommt ihm die Rolle eines Fazilitators zu, welcher bei unterschiedlichen Positionen unter den UNO-Mitgliedstaaten konsensual wirkt.

Bilanz zum Frankophonie-Gipfel und Prioritäten der Schweizer Präsidentschaft Bilanz des Frankophoniegipfels: Die Schweiz führte vom 22. bis 24. Oktober 2010 in Montreux den 13. Frankophoniegipfel durch. Diesem gingen am 19. Oktober ein Treffen des Ständigen Rats der Frankophonie und am 20. bis 21. Oktober die Ministerkonferenz der Frankophonie voraus. Am Gipfel nahmen 70 Delegationen aus Ländern teil, die bei der Internationalen Organisation für Frankophonie (OIF) Mitglied- oder Beobachterstatus haben, darunter 38 Staats- und Regierungschefs, Vertreter von 82 internationalen Organisationen und 683 Medienschaffende.

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Der Gipfel war für die Schweiz ein grosser Erfolg. Er wurde für seine ausserordentlich gute Organisation gelobt, und er bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein inhaltsreiches Programm und ein sicheres und angenehmes Umfeld. Zudem organisierte die Schweiz den Gipfel mit einem Budget, das deutlich kleiner war als das Budget früherer Organisatoren und das um über 6 Millionen Franken unter dem vom Parlament gesprochenen Kredit (30 Mio. Franken) lag, obwohl sie nur 10 Monate Zeit hatte.

Inhaltlich war der Gipfel den «Herausforderungen und Zukunftsvisionen für die Frankophonie» gewidmet. Unter diesem Titel diskutierten die Staats- und Regierungschefs über drei Hauptthemen: ­

Die Frankophonie als Akteurin der internationalen Beziehungen und ihre Rolle in der internationalen Gouvernanz

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Die Frankophonie und die nachhaltige Entwicklung: Die frankophone Solidarität vor grossen Herausforderungen (insbesondere Nahrungssicherheit, Klimawandel, biologische Vielfalt).

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Französisch und Bildung in einer globalisierten Welt: Die Herausforderungen von Diversität und Innovation.

Mit der Erklärung von Montreux und den neun Resolutionen, die die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten, bekräftigten sie ihren Willen, die Position der Frankophonie auf internationaler Ebene zu behaupten. In den Texten sind unter anderem folgende Massnahmen vorgesehen, die auf Antrag der Schweiz aufgenommen wurden: ­

Schaffung eines Netzwerks frankophoner Hochschulen (Réseau d'excellence des sciences de l'ingénieur de la Francophonie, RESCIF) unter der Schirmherrschaft der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL)

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Bildung von Gruppen frankophoner Botschafterinnen und Botschafter in den verschiedenen Hauptstädten

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Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und Regierungen über «Good Practices» in den Bereichen Demokratie, Rechte und Freiheiten

Schliesslich nahm der Gipfel fünf neue Mitglieder mit Beobachterstatus auf: Estland, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Dominikanische Republik und Vereinigte Arabische Emirate.

Präsidium des Gipfels: Die Schweiz hat nun bis 2012 den Vorsitz des Frankophoniegipfels inne. In diesem Jahr soll der nächste Gipfel unter dem Vorsitz der Demokratischen Republik Kongo in Kinshasa stattfinden. In diesem Zusammenhang präsidiert die Schweiz die politische Kommission des Ständigen Rats der Frankophonie. Zudem präsidiert sie die Ministerkonferenz der Frankophonie, deren nächste Tagung im Dezember 2011 in Paris stattfindet. Hauptziel des Schweizer Vorsitzes ist das Follow-up zu den in Montreux eingegangenen Verpflichtungen, insbesondere was das politische Engagement der OIF in Krisenländern betrifft.

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Umwelt- und Klimapolitik Die UNO-Klimakonferenz in Cancún vom Dezember 2010 hat den multilateralen Klimaverhandlungen neuen Elan verschafft. Mexiko hat es verstanden, einen zuvor disparaten Prozess wieder aufzugleisen.

Die in Cancun verabschiedeten «Cancún Agreements» führen zahlreiche, zuvor 2009 im «Kopenhagen Accord» nur unverbindlich festgehaltene Aspekte verbindlich in den Prozess der multilateralen Klimaverhandlungen ein, insbesondere die Limitierung des globalen Temperaturanstiegs auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten.

Weiter initiieren die «Cancun Agreements» auch die Aufnahme von Verhandlungen für Unterstützungsmechanismen, die den Entwicklungsländern helfen sollen bei ihren Bestrebungen zur Bekämpfung des Klimawandels (Emissionsreduktionen) wie auch bei ihrer Anpassung an die bereits vorliegenden, beziehungsweise unaufhaltbaren Folgen des Klimawandels (Adaptation). Insbesondere sollen sich diese Verhandlungen dem Transfer von Finanzmitteln und Technologien annehmen. Als wesentliches Gefäss hierzu wurde in Cancún die Etablierung des «Green Climate Fund» beschlossen. Die Modalitäten für dessen Verwaltung und den Zugang zu Fondsmitteln sollen durch ein Komitee erarbeitet werden. Die Schweiz bemüht sich aktiv um Einsitz in dieses Komitee.

Auf der Grundlage der «Cancun Agreements» will die internationale Staatengemeinschaft bis zur nächsten UNO-Klimakonferenz von Ende 2011 in Durban, Südafrika, zielgerichtet auf die Schaffung eines globalen Klimaregimes für die Zeit nach 2012 hinarbeiten. Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmt das Kyoto-Protokoll die Höhe der Emissionsreduktionen der industrialisierten Staaten. Dabei wird es aus Sicht der Schweiz wichtig sein, dass sich auch die USA (welche das KyotoProtokoll nicht ratifiziert haben) und die grossen Schwellenländer zu verbindlichen Reduktionen und Beschränkungen ihres Emissionszuwachses bereit erklären.

Die Schweiz engagiert sich in den internationalen Klimaverhandlungen entsprechend ihrer Möglichkeiten, um das ambitionierte Ziel der diesjährigen Verabschiedung des neuen Klimaregimes erreichen zu können. Es ist dabei auch für die Entscheidungsträger der Wirtschaft wichtig, möglichst bald Klarheit über das neue globale Klimaregime zu erhalten, das ihre Tätigkeit ab 2013 in wesentlichem Masse bestimmen soll.

Ein weiterer
Meilenstein in der Umweltpolitik war die Vertragsparteienkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, die vom 18. bis 29. Oktober 2010 in Nagoya, Japan, stattfand. Dabei wurden wichtige Resultate zur Festigung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Schutz und nachhaltige Nutzung der Biodiversität erzielt. Namentlich zu erwähnen ist einerseits die Annahme des Nagoya-Protokolls über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich und andererseits die Verabschiedung des Strategieplanes 2020, der für die nächsten Jahre die Marschroute zum Schutz der Artenvielfalt vorgibt. Eines der 20 konkreten Ziele ist beispielsweise die Vergrösserung von Naturschutzflächen pro mitwirkendes Land. Die Annahme des Nagoya-Protokolls betreffend genetische Ressourcen darf als wichtigster Akt in der internationalen Umweltkooperation seit dem Kyoto-Protokolls im Jahr 1997 bezeichnet werden. Im Jahr nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen leistete dieser Erfolg einen wichtigen Beitrag, um das Vertrauen in die multilaterale Umweltdiplomatie wiederherzustellen.

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2.5

Armutsbekämpfung

Millennium Development Goals Gipfel Vom 20. Bis 22. September 2010 fand in New York der Millennium Development Goals (MDG) Gipfel statt, an dem Zwischenbilanz über die bislang erreichten Resultate gezogen und der Aktionsplan über die verbleibenden 5 Jahre (bis 2015) diskutiert wurde. Die meisten Länder und Entwicklungsakteure betrachten die MDG-Agenda nach wie vor als wichtigen Rahmen für die Reduktion von Armut und Ungleichheit in der Welt. Weitgehende Einigkeit herrschte auch in der Absicht, an den MDG-Zielwerten festzuhalten und die Anstrengungen zu intensivieren, um bis 2015 zu möglichst befriedigenden Resultaten zu gelangen.

Aussenministerin Calmy-Rey wies in ihrer Rede am Gipfel auf die bisher ungenügenden Bemühungen hin, die Millenniumsziele zu erreichen. Sie plädierte dafür, die Ursachen für die Stagnierung der Entwicklung in vielen der ärmsten Ländern offen zu diskutieren, und rief in Erinnerung, dass in der Entwicklungshilfe Rechenschaftspflicht sowohl für Geber wie Nehmer gelte.

Die Bilanz des MDG-Gipfels fällt dahingehend positiv aus, als die internationale Entwicklungspolitik teilweise kritisch hinterfragt wurde und die Aufmerksamkeit sowie das Engagement für die Millenniumsziele geschärft werden konnten. Für die Schweiz bleiben die MDG ein wertvoller Referenzrahmen, nehmen sie doch die internationale Staatengemeinschaft in die Pflicht, ihre Verantwortung gegenüber der armen und benachteiligten Weltbevölkerung wahrzunehmen.

Entwicklungsfinanzierung Das Hauptthema bei der Jahresversammlung der Weltbank im Oktober 2010 war die Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Weltbank hatte von Mitte 2009 bis Mitte 2010 einen Rekordbetrag von 72 Milliarden Dollar ausgeliehen. Die Kredite haben dazu beigetragen, die globale Nachfrage während der Krise zu stabilisieren.

Die Verhandlungen zur 16. Wiederauffüllung von IDA (Weltbank Fonds für die ärmsten Entwicklungsländer) wurden im Dezember 2010 abgeschlossen. Es konnten 50 Milliarden Dollar für die nächsten drei Jahre mobilisiert werden, was einer Erhöhung der Mittel von 18% entspricht. Dieses positive Resultat war unter anderem möglich, weil zahlreiche Schwellenländer, namentlich China mit beinahe 2 Milliarden Dollar, sich bereit erklärt haben, den Fonds mitzutragen und damit einen Teil der finanziellen Verantwortung zu übernehmen,
nachdem sie zusätzliche Stimmrechte bei der Weltbank erhalten hatten. Die Schweiz hat sich bei den Verhandlungen namentlich für eine Krisenfazilität zugunsten von fragilen Staaten und für Projekte im Zusammenhang mit Klimawandel und erneuerbaren Energien eingesetzt.

Was die globalen Fonds betrifft, nahm die Schweiz im Oktober 2010 an der dritten Konferenz zur freiwilligen Wiederauffüllung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria in New York teil. Die vom UNOGeneralsekretär präsidierte Konferenz erhielt für den Zeitraum 2011­2013 Zusagen für insgesamt etwa 11,7 Milliarden Dollar. Entsprechend den gegenwärtigen Einschränkungen im Bereich der multilateralen Verpflichtungen kündigte die Schweiz einen Beitrag in der Höhe von 21 Millionen Franken an. Sie ist aber im Verwaltungsrat des Fonds weiterhin gut vertreten: Die Stimmgruppe Kanada­Deutschland­ Schweiz steht mit ihren Spenden an dritter Stelle der Rangliste.

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Die G8-Länder haben im Juli 2010 auf Initiative Kanadas angekündigt, dass sie für die Gesundheit von Müttern und Kindern einen bedeutenden Beitrag leisten werden (Muskoka-Initiative). Mehrere Länder ausserhalb der G8, darunter die Schweiz, haben sich dieser Initiative angeschlossen. Am Rande des MDG-Gipfels im September 2010 in New York hat der UNO-Generalsekretär einen konkreten Plan für die Umsetzung der politischen Verpflichtungen der G8 vorgelegt, indem er eine Globale Strategie für die Gesundheit von Frauen und Kindern vorlegte. Die Umsetzung dieser Strategie und die konkrete Realisierung der politischen Verpflichtungen sind im Gange.

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Ausblick

Auch 2011 sieht sich die Schweiz einer Reihe von aussenpolitischen Herausforderungen gegenüber, die es mit aktivem Engagement anzugehen gilt. Diese Herausforderungen eröffnen gleichzeitig Möglichkeiten, um Einfluss zu nehmen und die vielfältigen Interessen des Landes in internationale Debatten einzubringen und bestmöglich zu wahren.

Eine wichtige Priorität der schweizerischen Aussenpolitik bleiben auch im laufenden Jahr die Beziehungen zu den Nachbarländern. Im Vordergrund stehen dabei die oben erwähnten Diskussionen im Steuerbereich. Hier geht es darum, für alle Seiten akzeptable Lösungen zu finden, die einerseits eine Regularisierung der Vergangenheit ermöglichen und andererseits die künftigen Steuerbeziehungen auf eine einvernehmliche Basis stellen.

Eine weitere Priorität sind und bleiben die Beziehungen der Schweiz zur EU, ihrem wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Partner. Dabei gilt es, den bilateralen Weg, der aus Sicht des Bundesrates weiterhin am besten geeignet ist, um die Interessen der Schweiz wahrzunehmen, zu dynamisieren und einen neuen institutionellen Rahmen zu schaffen, der einerseits den Anliegen der Schweiz für Selbstbestimmung und Marktzugang und andererseits den Bemühungen der EU um einheitliche Regeln auf dem Binnenmarkt gerecht wird.

Ebenfalls prioritär bleiben die Bestrebungen, den Einfluss der Schweiz in globalen Institutionen zu festigen und auszubauen. Im Vordergrund stehen dabei Foren wie die G20 oder der IWF, die der Überwindung der Finanzkrise dienen und in denen internationale Gouvernanzfragen diskutiert werden. Die Schweiz hat ein Interesse daran, sich aktiv in diese Diskussionen einzubringen.

Schliesslich ist es auch 2011 weiterhin wichtig, dass die Schweiz als Teil der Staatengemeinschaft sich den Herausforderungen der Globalisierung stellt und sich an der Lösung globaler Probleme beteiligt. In diesem Zusammenhang steht im laufenden Jahr die Erneuerung der Rahmenkredite für humanitäre Hilfe, für Entwicklungszusammenarbeit, für die Osthilfe und für die Friedenspolitik an. Hier kann die Schweiz Zeichen setzen, indem sie den klaren Willen bekundet, diese weltweit anerkannten Tätigkeiten ihrer Aussenpolitik zu bestätigen und auszubauen.

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