11.045 Botschaft über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 Friedensförderung, Menschenrechte, Demokratie, humanitäre Politik und Migration vom 29. Juni 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über einen Rahmenkredit für die Finanzierung der Weiterführung von Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgendes Postulat abzuschreiben: 2009 P 09.3003

Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung (S 2.3.09, Sicherheitspolitische Kommission SR)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Juni 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-1615

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Übersicht Die Förderung der menschlichen Sicherheit, welche Friedensförderung, Menschenrechte, Demokratie, humanitäre Politik und Migration umfasst, ist ein wichtiges Instrument der Schweizer Aussenpolitik.

Seit dem 1. Januar 2004 wird die in der Bundesverfassung und im Gesetz1 verankerte Förderung der menschlichen Sicherheit über einen Rahmenkredit finanziert.

Dieses Finanzierungsmodell hat sich bewährt: Es erlaubt eine mehrjährige Planung und gewährleistet damit Wirksamkeit, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit des Engagements.

Der Bundesrat beantragt einen neuen Rahmenkredit über 310 Millionen Franken mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren, beginnend am 1. Mai 2012. Ausgehend von den 260 Millionen Franken, welche im Finanzplan vorgesehen sind, beantragt der Bundesrat eine Erhöhung des Rahmenkredits um 50 Millionen Franken, welche hauptsächlich in ein Spezialprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten fliessen sollen. Diese zusätzlichen Mittel werden innerhalb des EDA kompensiert.

Das Spezialprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten soll der Schweiz erlauben, zur Konsolidierung der Demokratisierungsprozesse beizutragen, die im Zuge der 2011 in mehreren Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens ausgebrochenen Volksaufständen ausgelöst wurden. Ziel ist es, den damit verbundenen Herausforderungen im Bereich der menschlichen Sicherheit - insbesondere im Bereich des demokratischen Pluralismus, der Achtung der Menschenrechte und der internationalen Migration ­ noch besser zu begegnen.

Sinn und Zweck der Förderung der menschlichen Sicherheit (Ziff. 1) Kein Beispiel könnte Sinn und Zweck der Förderung der menschlichen Sicherheit besser veranschaulichen als die jüngsten Entwicklungen in Nordafrika und im Mittleren Osten. Die Volksaufstände vor den Türen Europas, bei denen mehr Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde gefordert wurden, eröffnen neue Perspektiven für Demokratie und Rechtsstaat in dieser Region. Die Herausforderungen sind gross und vielschichtig. Die Schweiz ist zur Zusammenarbeit aufgerufen, damit dieser Wandel friedlich und unter Einbezug aller Betroffenen verläuft und letztlich in neue, stabile demokratische Strukturen mündet, welche den Schutz der Menschenrechte garantieren. Da die Schweiz die eingeforderten Rechte und Werte ebenfalls anerkennt, sind
einerseits Zeichen der Solidarität gefragt; andererseits geht es angesichts der möglichen Folgen solcher Umwälzungen für die Wirtschaft, die Politik, die überregionale Sicherheit und die internationalen Migrationen auch um die eigenen Interessen des Landes.

1

Art. 54 Abs. 2 BV (SR 101). Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (SR 193.9).

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Die Solidarität mit betroffenen Bevölkerungsgruppen und mit weniger privilegierten Ländern basiert auf der langen humanitären Tradition der Schweiz. Mit dem Nutzen, den die Schweiz aus der Weltwirtschaft zieht, muss das Interesse einhergehen, sich für eine Wiederherstellung der Stabilität in Krisengebieten einzusetzen. Sie kann dies ­ ergänzend zu anderen Massnahmen des Bundes ­ durch ein solidarisches und angemessenes Engagement im Bereich der internationalen Friedensbemühungen, der Förderung der Menschenrechte und der Demokratie erreichen.

Diese Komplementarität wird in erster Linie über die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit des Bundes erzielt, deren Kernauftrag darin besteht, einen Beitrag zur Reduktion der weltweiten Armut zu leisten. Diese drei Politikbereiche müssen sich ergänzen und in sich kohärent sein, denn die Entwicklungsanstrengungen sind nur nachhaltig in einer Gesellschaft, in der die menschliche Sicherheit ein gewisses Niveau erreicht hat. In fragilen Staaten, d.h. in Staaten, in denen die staatlichen Strukturen zusammenbrechen und die bewaffnete Gewalt zunimmt, besteht zudem die Gefahr, dass die in den letzten Jahrzehnten erzielten Entwicklungsfortschritte ins Stocken geraten oder zunichte gemacht werden. Ohne Frieden und ohne Menschenrechte gibt es keine Sicherheit für die Menschen; ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklung. Diese Aussage trifft heute mehr denn je zu, wie dies der Weltentwicklungsbericht 2011 deutlich veranschaulicht.

Das Engagement der Schweiz liegt auch in ihrem eigenen Interesse. Mit der Förderung stabilerer internationaler Beziehungen und einer sicheren und gerechteren Welt trägt die Schweiz auch zur Sicherheit und zum Wohlstand im eigenen Land bei.

Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind derart gewachsen, dass selbst ein Konflikt oder eine Krise in einer weit entfernten Region häufig direkte Auswirkungen auf die Schweiz haben kann: Gefährdung von Schweizer Investitionen und des Exports; Gefahren für unsere Bürgerinnen und Bürger. Fragile Staaten oder Staaten in Konfliktsituationen bilden einen guten Nährboden für die organisierte Kriminalität, für bewaffnete Gewalt, für die Verbreitung von Waffen oder für die Entstehung grenzüberschreitender Terrornetzwerke. Wir sind mit Erschütterungen der Weltwirtschaft konfrontiert, die sehr empfindlich
auf Gefährdungen der Handelsströme, Verkehrswege und Energieressourcen reagiert, und gleichzeitig mit dem Migrationsdruck aus Ländern, in denen Unsicherheit, Menschenrechtsverletzungen, mangelnde Perspektiven oder Umweltzerstörung den Alltag prägen.

Die Komplexität und die Wechselwirkung von Veränderungen und Krisen, welche die Welt erschüttern, sind Vorzeichen neuer Herausforderungen. Auch wenn gewisse geopolitische Entwicklungen viel Potenzial aufweisen, bleiben Spannungen und Instabilitäten in Gebieten Europas, Afrikas, im Nahen und Mittleren Osten, in Asien und Lateinamerika bestehen. Grosse Teile der Weltbevölkerung wurden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geschwächt; die Auswirkungen auf die menschliche Sicherheit stehen jedoch in vielen Fällen noch aus. Auch die globalen Umweltveränderungen bergen ein grosses Krisenpotenzial.

Das allgemeine Engagement für Frieden, Achtung der Menschenrechte und menschliche Sicherheit stellt eine strategische Antwort auf diese Herausforderungen und Risiken dar, wie die Verwendung des Rahmenkredits 2008­2012 zeigt.

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Ergebnisse des Rahmenkredits 2008­2012 (Ziff. 2) In den letzten Jahren hat die Schweiz als einflussreiche Akteurin und Mitakteurin einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Friedens, der Menschenrechte, der Demokratie, der humanitären Politik und der Migration geleistet. Es gelang ihr, sich sowohl in Konfliktregionen als auch auf zwischenstaatlicher Ebene und in internationalen Organisationen zu positionieren, indem sie auf Dialog und die Berücksichtigung gegenseitiger Interessen setzte. Das Engagement der Schweiz wertet zudem ihr Image und den Einfluss ihrer Aussenpolitik auf und stärkt das Beziehungsnetz mit ihren internationalen Partnern, wie die ausgewählten Beispiele im Folgenden belegen. Die Schweiz hat sich in Regionen und Themenbereichen engagiert, die für sie von Interesse sind und wo ihre Aktivitäten einen Mehrwert liefern.

In den Schwerpunktländern und -regionen der Schweizer Aussenpolitik bemühte sich der Bund, den Bedürfnissen der betreffenden Staaten und der lokalen Bevölkerung im Bereich der menschlichen Sicherheit gerecht zu werden und dabei gleichzeitig die Interessen unseres Landes zu wahren. Der Entscheid über die Aufnahme von Aktivitäten in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region gründet auf einer Gesamtbeurteilung der Tätigkeit des Bundes. Die Schweiz war insbesondere in folgenden Regionen präsent: ­

Im Westbalkan (Südosteuropa) verfügt die Schweiz nur schon aufgrund der geographischen Nähe über wichtige Interessen (bezüglich Konfliktprävention, Sicherheit, Migrationsfragen und Wirtschaft). Parallel zu den Programmen der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit führt die Schweiz zahlreiche Aktivitäten im Bereich der Friedens- und Menschenrechtspolitik durch. Die Schwerpunkte liegen hier bei der Vertrauensbildung zwischen verschiedenen Gemeinschaften und verschiedenen Staaten, bei der Aufarbeitung der Vergangenheit und der transitionellen Justiz sowie bei der Förderung der Rechte von Minderheiten.

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2009 konnten in Zürich dank der Vermittlung der Schweiz zwischen Armenien und der Türkei die Protokolle zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern unterzeichnet werden. Diese Protokolle regeln die Modalitäten, die notwendig sind für eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, eine Öffnung der Grenzen, die Einrichtung einer Institution für den Aufbau der bilateralen Beziehungen und die Schaffung einer «Historischen Kommission». Hohe Vertreterinnen und Vertreter aus den USA, Russland, Frankreich und der Europäischen Union wohnten der Zeremonie bei, um ihre Unterstützung und Zustimmung in dieser Angelegenheit zu bekräftigen. Die Schweiz steht seither in engem Kontakt mit allen Partnern und ist bereit, bei der Umsetzung dieser Abkommen unterstützend mitzuwirken.

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In Zentralasien, einer aufstrebenden Region mit grossem Wirtschaftspotenzial und Energieressourcen, deren Länder zum grössten Teil Mitglieder der Schweizer Stimmrechtsgruppe bei den internationalen Finanzinstitutionen sind, standen Tadschikistan und Kirgisistan im Fokus der Aufmerksamkeit.

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In Kirgisistan spielt die Schweiz eine Rolle als Fazilitatorin des nationalen Dialogs, der nach den gewaltsamen Übergriffen von 2010 eingeleitet wurde.

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Im Nahen Osten, wo die Schweiz vielfältige Interessen hat, konzentriert sie sich auf die Friedensförderung sowie die Achtung des Völkerrechts, der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Sie verfolgt eine Strategie des Dialogs mit allen Akteuren und bemüht sich, Verhandlungen zu fördern und innovative Lösungen zu finden. Diese Bestrebungen ergänzen diejenigen der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit, wo sich die Schweiz prioritär für den Schutz der Rechte der Zivilbevölkerung und verletzlicher Gruppen einsetzt.

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Subsahara-Afrika verfügt über immense Reichtümer und Ressourcen. Die afrikanischen Länder werden aufgrund ihrer Rohstoffe von allen Seiten umworben und gewinnen dadurch auf der internationalen Bühne an Einfluss. Ein langfristig stabiles Umfeld im Zeichen des Friedens würde die Möglichkeit bieten, diese Potenziale auszuschöpfen. Allerdings bleiben die Herausforderungen zahlreich: institutionelle Instabilität, inter-ethnische Spannungen und extreme Armut, die Wanderungsbewegungen und Unsicherheit verursachen. Gewisse dieser Faktoren gefährden die Bemühungen jahrzehntelanger Entwicklungszusammenarbeit. Aus diesen Gründen sind die schweizerischen Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit ­ ergänzend und koordiniert mit den Bestrebungen der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe ­ in den letzten Jahren intensiviert worden. In Burundi und im Sudan leistete die Schweiz einen bedeutenden und viel beachteten Beitrag zu den Friedensbemühungen. In West- und Zentralafrika hat sie ihr Engagement für Frieden und Menschenrechte verstärkt, wobei sie aufgrund ihrer frankophonen Kultur und ihrer Netzwerke über einen besonderen Vorteil verfügt. Diese Aktivitäten entsprechen nicht nur den Bedürfnissen vor Ort, sondern erlauben es der Schweiz auch, für die Länder des afrikanischen Kontinents weiterhin eine Partnerin zu bleiben, obschon das relative Gewicht des Schweizer Engagements durch den Auftritt neuer Mächte auf diesem Kontinent geringer wird.

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In Asien war die Schweiz mit ihrer Politik der menschlichen Sicherheit nicht nur in China aktiv, mit dem sie einen Menschenrechtsdialog führte, der 1991 auf Wunsch Chinas aufgenommen worden war, sondern auch in allen anderen Ländern, die im Aussenpolitischen Bericht 2010 als Entwicklungspartner bezeichnet werden. In Ländern, in denen die Entwicklungsinstrumente der DEZA und des SECO in bedeutendem Ausmass und gezielt zur Armutsbekämpfung und zur Stärkung der Gouvernanz eingesetzt werden, unterstützt und ergänzt die Politik der menschlichen Sicherheit diese Bestrebungen mit Erfolg. So leistete die Schweiz einen wesentlichen Beitrag zu den Friedensbemühungen in Nepal und zum Reformprozess im Bereich der Menschenrechte in Vietnam.

Als neutraler Staat hat die Schweiz ein vitales Interesse an der Wahrung von Frieden und Sicherheit und an der Achtung des Völkerrechts. Aus diesem Grund legt sie grossen Wert auf einen globalen Konsens bezüglich Normen, Garantien für eine

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stärkere Wahrung der Rechte sowie wirksame Durchführungsmechanismen, die alle massgebenden Akteure für die menschliche Sicherheit einbeziehen. Die Schweiz beteiligt sich an der Stärkung der «Global Governance» durch ehrgeizige und sichtbare Initiativen in den Bereichen Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, humanitäre Politik und Migration. So ist ihre Wiederwahl in den UNO-Menschenrechtsrat ein Zeichen der Anerkennung dafür, dass sich die Schweiz für einen effizienten und solide arbeitenden Rat einsetzt, dessen Gründung auf ihre Initiative zurückgeht.

Weitere Schweizer Initiativen bringen konkrete Ergebnisse und werden fortgeführt: Organisation der zweiten Überprüfungskonferenz der Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung (2011), einer Initiative, mit der bis 2015 ein messbarer Rückgang der bewaffneten Gewalt erreicht werden soll; Verabschiedung eines internationalen Verhaltenskodexes durch eine sehr grosse Anzahl privater Sicherheitsunternehmen aus der ganzen Welt, der sie zur Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts verpflichtet; Lancierung einer Agenda für Menschenrechte aus Anlass des sechzigsten Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (2008). Die Schweiz hat zudem als erstes Land eine Strategie für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten verabschiedet. Ferner beteiligte sich die Schweiz an der Erarbeitung von neuen Konzepten und Instrumenten für eine bessere staatenübergreifende Steuerung der internationalen Migration (Migrationspartnerschaften, Schutz der Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland), und sie übernahm 2011 das Präsidium des «Global Forum on Migration and Development», der wichtigsten internationalen Plattform in diesem Bereich.

Diese Ergebnisse, zu denen die schweizerische Diplomatie beigetragen hat, sind umso höher einzustufen, als das polarisierte weltpolitische Klima der letzten Jahre einer konstruktiven Politik der menschlichen Sicherheit nicht immer förderlich war.

Sie zeigen, dass unser Land dank seiner Unparteilichkeit und dank höchster Fachkompetenz im Bereich der Förderung der menschlichen Sicherheit international einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Die Schweiz ist eine geschätzte Akteurin und ihre Kompetenzen auf dem Gebiet des Friedens werden häufig von den Konfliktparteien selbst nachgefragt. Aufgrund
ihrer Neutralität, ihrer humanitären Tradition, ihrer fehlenden kolonialen Vergangenheit, ihrer soliden Netzwerke und dank der Bedeutung Genfs als internationale Plattform ist die Schweiz gegenüber anderen Ländern im Vorteil. Die Schweiz hat politische Chancen, die sich boten, ergriffen und nicht gezögert, langfristige Anstrengungen beharrlich fortzuführen. Dabei konnte sie sich auch auf die Kapazitäten verlässlicher Partner abstützen. Erwähnenswert ist auch, dass die Aktivitäten der Schweiz in erster Linie auf den Einsatz hochqualifizierter Personen ­ Mediatorinnen und Mediatoren, Expertinnen und Experten oder Beraterinnen und Beratern ­ zurückzuführen sind, die diese aktive Rolle ermöglicht haben. Mit einer kontinuierlichen Steuerung, beruhend auf klaren Grundsätzen und strategischen Indikatoren, war gewährleistet, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal genutzt werden konnten.

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Förderung der menschlichen Sicherheit 2012­2016 (Ziff. 3­7) Die Ergebnisse bestätigen die Richtigkeit der bisherigen Strategie. Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Vorteile und das Knowhow der Schweiz genutzt werden sollen, um das Erreichte zu konsolidieren und den tiefgreifenden Veränderungen des internationalen soziopolitischen Umfelds entschlossen zu begegnen. Er ist überzeugt, dass die Zeit reif ist für einen quantitativen und qualitativen Sprung in Form einer substanziellen Erhöhung der Finanzierung der Politik der menschlichen Sicherheit, deren längerfristiger Nutzen für den Frieden und die Menschenrechte zunehmend anerkannt wird.

Die folgenden sechs Ziele sollen finanziell gefördert werden: ­

Beitrag zur Prävention und Beilegung von Konflikten durch die aktive Vermittlung oder Fazilitation in Friedensprozessen und durch die Unterstützung von Vermittlungen in Bereichen mit hohem Mehrwert für einen nachhaltigen Frieden;

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Beitrag vor Ort zur Herstellung und Wahrung eines dauerhaften Friedens durch die Umsetzung von wirkungsvollen Programmen der zivilen Friedensförderung vor Ort;

­

Beitrag zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes durch eine verstärkte und neu ausgerichtete Menschenrechtspolitik, die in ausgewählten Ländern von konkreten Projekten vor Ort begleitet wird;

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Unterstützung von multilateralen Friedensmissionen, Wahlbeobachtungen und bilateralen Programmen durch Entsendung von Expertinnen und Experten des Schweizerischen Expertenpools für zivile Friedensförderung;

­

Voranbringen der Diskussion und der Festlegung globaler und regionaler Politiken in der UNO und in anderen internationalen Organisationen durch diplomatische Initiativen, die von Massnahmen begleitet werden;

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Förderung der Reflexion und Bündelung von Wissen, Erfahrungen und operativen Kapazitäten dank Partnerschaften mit internationalen Organisationen, gleichgesinnten Ländern und Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Um die Wirkung der eingesetzten Mittel zu erhöhen, sollen die Mittel des neuen Rahmenkredits gezielt auf die Regionen gelenkt werden, die für die Schweiz von strategischem Interesse und aus Stabilitätsüberlegungen relevant sind: Mittelmeerraum (Balkan, Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika), Kaukasus und Zentralasien, vereinzelte Schwerpunkte in Subsahara-Afrika (Ziff. 3.1). Für Nordafrika und den Mittleren Osten wird ein Spezialprogramm entwickelt. Dieses Programm der menschlichen Sicherheit stellt eine Ergänzung zu den Aktivitäten der übrigen Akteure des Bundes, insbesondere im humanitären Bereich, dar. Der Rahmenkredit enthält auch eine strategische Reserve, die es dem Bund ermöglichen soll, auf neue politische Herausforderungen und Opportunitäten in anderen Ländern und Regionen zu reagieren.

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Ferner erfolgt eine Konzentration auf sechs zentrale Themen (Ziff. 3.2), bei denen die Schweiz über ein ausgewiesenes und anerkanntes Fachwissen verfügt. «Frieden und Sicherheit», «Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung», «Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten», «Förderung und Schutz der Menschenrechte», «Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten», «Migration und Bekämpfung des Menschenhandels». Der Bund hat in den letzten acht Jahren sein Engagement in diesen Bereichen erhöht und so auf die Anfragen aufgrund seines Fachwissens aus dem Ausland reagiert. Ein Teil des Kredits ist zudem für Initiativen im Bereich der Abrüstung, der Rüstungskontrolle und der Nonproliferation bestimmt. Der Bundesrat hatte 2010 in seinem Aussenpolitischen Bericht sowie in seinem Sicherheitspolitischen Bericht darauf hingewiesen, dass die Schweiz ein stärkeres Engagement in diesem Bereich plant, weil hier ein massgeblicher Beitrag zur Stärkung der menschlichen Sicherheit geleistet werden kann.

Im Vergleich zu den Vorjahren will die Schweiz die Konfliktprävention (Ziff. 3.1), die in menschlicher, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht wirkungsvoller und viel weniger kostspielig ist als ein reaktives Konfliktmanagement, neu gewichten.

Die Botschaft unterstreicht weiter die Bedeutung einer verbesserten Kohärenz der Politik, indem die Schweiz integrierte Ansätze erarbeitet, die alle massgeblichen Akteure des Bundes einbeziehen (Ziff. 3.4). Es zeigt sich, dass wirksame Ergebnisse dort erzielt werden, wo die verschiedenen politischen Instrumente des Bundes ­ wie beispielsweise die Friedenspolitik, die Entwicklungszusammenarbeit, die humanitäre Hilfe, die Menschenrechtspolitik (verstärkt und neu ausgerichtet), die Sicherheitspolitik oder auch die Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeibereich sowie die Migrationspolitik ­ möglichst kohärent eingesetzt werden, sodass sie sich gegenseitig stärken.

Ein stärkeres Engagement der Schweiz sollte eine Stärkung des Profils der Schweiz innerhalb der OECD-Länder ermöglichen, die ihre Gesamtmittel zugunsten der menschlichen Sicherheit zwischen 2006 und 20092 von 1731 Millionen Dollar auf 2990 Millionen Dollar (+72 %) erhöht haben. Aus den Daten der OECD für das vergangene Jahrzehnt geht insbesondere hervor, dass mit der Schweiz vergleichbare Länder
wie Norwegen, Finnland und Dänemark ihre Mittel aufgestockt und ihre Anstrengungen im Bereich der menschlichen Sicherheit intensiviert haben, um den weltweiten Anforderungen gerecht zu werden (Ziff. 4).

Anhang Anhang 1 dieser Botschaft legt Zahlen zur Verwendung der Mittel des Rahmenkredits 2008­2012 vor.

Anhang 2 gibt eine Übersicht über die schweizerische Friedens- und Abrüstungspolitik. Darin wird deutlich, dass es zusätzliche Anstrengungen braucht, um die Aktivitäten der menschlichen Sicherheit, der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe aufeinander abzustimmen und zu ergänzen.

2

Für 2010 sind noch keine Zahlen verfügbar.

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Damit wird dem Postulat 09.3003 vom 19. Januar 2009 (Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung) der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats Rechnung getragen; dieses verlangte vom Bundesrat, «einen Bericht zu erstellen, der einerseits einen Überblick über die künftige Friedensförderungsstrategie des Bundesrates sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich vermittelt und andererseits über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik Auskunft gibt, die der Bundesrat in Zukunft zu verfolgen gedenkt. Zu diesem Zweck prüft er insbesondere, ob es zweckmässig wäre, diese Massnahmen in einen einzigen MehrjahresRahmenkredit zu fassen.» Der Bundesrat hat dieses Postulat am 25. Februar 2009 angenommen und beantragt mit dem vorliegenden Bericht dessen Abschreibung.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Sinn und Zweck der Förderung der menschlichen Sicherheit durch die Schweiz

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2 Verwendung des Rahmenkredits 2008­2012 2.1 Aktivitäten und Ergebnisse 2.2 Verwendung der Mittel aus dem Rahmenkredit

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3 Förderung der menschlichen Sicherheit 2012­2016 3.1 Strategische Ziele, Grundsätze und Indikatoren 3.2 Theme 3.2.1 Frieden und Sicherheit 3.2.1.1 Internationale und nationale Friedensarchitekturen 3.2.1.2 Abrüstung und Nonproliferation für Frieden und menschliche Sicherheit 3.2.1.3 Gender, Frieden und Sicherheit 3.2.1.4 Religiöse Faktoren, Weltbilder und Konfliktbeilegung 3.2.2 Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung 3.2.3 Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten 3.2.4 Förderung und Schutz der Menschenrechte 3.2.5 Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten 3.2.6 Migration und Bekämpfung des Menschenhandels 3.3 Instrumente 3.3.1 Mediation, Fazilitation und politischer Dialog 3.3.2 Programme zur zivilen Friedensförderung 3.3.3 Verstärkte Menschenrechtspolitik 3.3.4 Schweizer Expertenpool 3.3.5 Diplomatische Initiativen 3.3.6 Partnerschaften 3.4 Die menschliche Sicherheit in der Schweizer Aussenpolitik 3.4.1 Eine umfangreichere, globale Querschnittsaufgabe 3.4.2 Kohärenz und Komplementarität 3.5 Aufteilung der Verpflichtungen zulasten des Rahmenkredits 3.6 Steuerung, Projektmanagement, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung 3.7 Organisation und Personal

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4 Inhalt des Finanzbeschlusses 4.1 Antrag des Bundesrats 4.2 Umfang des Rahmenkredits 4.3 Laufzeit des Rahmenkredits

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5 Konsequenzen 5.1 Auswirkungen für den Bund 5.1.1 Finanzielle Auswirkungen 5.1.2 Personelle Auswirkungen

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5.2 Auswirkungen für die Kantone und Gemeinden 5.3 Wirtschaftliche Auswirkungen

6381 6381

6 Legislaturprogramm

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7 Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit sowie Erlassform 7.2 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

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Anhänge 1 Verteilung der Mittel des Rahmenkredits 2008­2010 2 Überblick über die schweizerische Friedens- und Abrüstungspolitik

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Bundesbeschluss über einen Rahmenkredit zur Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit (Entwurf)

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Botschaft 1

Sinn und Zweck der Förderung der menschlichen Sicherheit durch die Schweiz

Die Förderung der menschlichen Sicherheit, zu der die Friedensförderung, die Menschenrechte, die Demokratie, die humanitäre Politik und die Migration zählen, ist ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik. Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 nennt namentlich die Achtung der Menschenrechte, die Förderung der Demokratie und das Hinwirken auf das friedliche Zusammenleben der Völker als aussenpolitische Ziele der Schweiz.3 Seit den 1990er-Jahren verfügt die Schweiz über die rechtlichen Rahmenbedingungen4, Instrumente und Kompetenzen, die für die Verwirklichung diese Ziele erforderlich sind. Sie konnte dadurch auf aktuelle Herausforderungen und globale Risiken, die den Frieden und die menschliche Sicherheit gefährden, und auf die zunehmenden Anfragen von Partnerländern und Konfliktparteien, die um Unterstützung ersuchten, reagieren. Unser Land ist folglich in der Lage, auf der internationalen Bühne verantwortungsbewusst, effizient und glaubwürdig aufzutreten sowie gleichzeitig seine Interessen zu wahren und einen Mehrwert einzubringen.

Kein Beispiel könnte das Ziel der Förderung der menschlichen Sicherheit besser veranschaulichen als die jüngsten Entwicklungen in Nordafrika und im Mittleren Osten. Die Volksaufstände vor den Türen Europas, bei denen mehr Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde gefordert wurden, öffnen unerwartete Perspektiven für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in dieser Region. Die Herausforderungen sind vielfältig. Die Schweiz ist zur Zusammenarbeit aufgerufen, damit dieser Wandel friedlich und unter Einbezug aller Betroffenen verläuft und den Weg für neue demokratische und stabile Strukturen ebnet, welche auch die Menschenrechte respektieren. Da die Schweiz die eingeforderten Rechte und Werte ebenfalls anerkennt, sind einerseits Zeichen der Solidarität gefragt; andererseits geht es angesichts der möglichen Folgen solcher Umwälzungen für die Wirtschaft, die Politik, die überregionale Sicherheit und die internationalen Migrationen auch um die eigenen Interessen des Landes.

Der Begriff der menschlichen Sicherheit Im Gegensatz zum traditionellen Sicherheitsverständnis, das ausschliesslich den Schutz des staatlichen Hoheitsgebietes umfasst, steht beim Begriff der menschlichen Sicherheit der Schutz des Individuums und der Gemeinschaft im Vordergrund.
Nach dem Ende des Kalten Krieges war in allen Teilen der Welt zu beobachten, dass interne Konflikte, Vertreibungen, Willkür, politische und kriminelle Gewalt, Armut und Hunger eine weitaus grössere Bedrohung für die Sicherheit des Menschen darstellen als Kriege zwischen Staaten. Der Begriff der menschlichen Sicherheit

3 4

Art. 54 Abs. 2 (SR 101) Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (SR 193.9) verdeutlicht die in der Bundesverfassung enthaltenen Ziele und sieht für deren Umsetzung einen mehrjährigen Rahmenkredit vor.

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wurde in den 1990er-Jahren entwickelt, um mit diesen Bedrohungen umgehen zu können.

Im engeren Sinn wird der Begriff der menschlichen Sicherheit als die Freiheit zu einem Leben ohne Furcht verstanden. Gefördert wird sie durch Aktivitäten im Bereich von Frieden, Menschenrechten, Demokratie, humanitärer Politik und Migrationsaussenpolitik, die alle Bestandteil dieser Botschaft sind. In einem weiteren Sicherheitsverständnis wird sie auch als die Freiheit zu einem Leben ohne Mangel definiert. Hier ist es die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe, welche mit ihren Aktivitäten einen massgeblichen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten.

Die Frage der Komplementarität zwischen der menschlichen Sicherheit im engeren Sinn einerseits und der Armutsbekämpfung andererseits ist besonders in fragilen oder geschwächten Staaten relevant. Letztere sind in einer Abwärtsspirale von Unsicherheit und Armut gefangen, die ihrerseits Gewalt und Not hervorruft. Der Weltbankbericht 2011 zeigt auf, dass keiner der fragilen oder sich in einem Konflikt befindlichen Staaten mit niedrigem Einkommen auch nur ein einziges Millenniumsentwicklungsziel erreicht hat.5 Da dieser Trend weiter zunimmt ­ der Menschen, die unter extremer Armut leiden, leben in einem fragilen Umfeld ­ müssen die Instrumente der menschlichen Sicherheit, der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe aufeinander abgestimmt werden und sich besser ergänzen.

Gefragt sind stärkere Partnerschaften zwischen den diplomatischen Akteuren und den Entwicklungsakteuren. Obwohl sie sich ergänzen, sind die Aufgaben dieser beiden Gebiete sehr unterschiedlich. Während die Entwicklungszusammenarbeit den Schwerpunkt auf langfristige und strukturelle Hilfe legt, um die Armut zu bekämpfen und die weltweiten Herausforderungen zu bewältigen, verfolgt die Politik der menschlichen Sicherheit hingegen einen anderen Ansatz. Sie unterstützt Friedensprozesse und -verhandlungen, fördert Begleitmassnahmen bei politisch-diplomatischen Verhandlungen, stellt ihr Fachwissen und Knowhow bereit, die bei der Lösung von Konflikten oft entscheidend sind. Im Bereich der menschlichen Sicherheit ist mehr Flexibilität gefordert, um in einem gegebenen Kontext und in einem engeren Zeitrahmen auf die Bedürfnisse eingehen zu können. Dabei stehen hier bei der konkreten Arbeit eher
die Prozesse und weniger die Strukturen im Vordergrund.

Solidarität und Einfluss In der langen humanitären Tradition der Schweiz gründet auch ihre Solidarität mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen und mit den weniger privilegierten Ländern.

Die Schweiz ist nicht nur gehalten, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, die sich aus den Menschenrechten, dem humanitären Völkerrecht und dem Flüchtlingsrecht ergeben, sondern sie hat die Förderung dieser Rechte überdies zu einer der fünf Prioritäten ihrer Aussenpolitik gemacht.6 Auch aufgrund der Vorteile der globalen Verflechtung der Weltwirtschaft, von der auch die Schweiz profitiert, sollte sie sich für eine Wiederherstellung der Stabilität 5 6

Weltbank, Weltentwicklungsbericht 2011 zum Thema «Konflikt, Sicherheit und Entwicklung».

In seinem Aussenpolitischen Bericht 2000 erklärte der Bundesrat, er wolle «einen wesentlichen und deutlich sichtbaren Beitrag zur Verhütung gewaltsamer Konflikte leisten», «eine eigenständige und profilierte humanitäre Politik der Schweiz betreiben» und «seine Bestrebungen zur Achtung und Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat mit entsprechenden Massnahmen verstärken».

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in Krisengebieten einsetzen. Sie kann dies durch ein solidarisches und angemessenes Engagement im Bereich der internationalen Friedensbestrebungen, der Förderung der Menschenrechte und der Demokratie tun und dabei andere Massnahmen des Bundes ergänzen.

Das Engagement der Schweiz und die damit verbundene Bereitstellung von Knowhow werten zudem ihr Image und den Einfluss ihrer Aussenpolitik auf und stärken das Beziehungsnetz mit ihren internationalen Partnern. Dank ihren konkreten Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit knüpft sie nicht nur Beziehungen mit den Akteuren aus den Konfliktregionen, sondern auch mit wichtigen Ländern und Mächten, die sich für mehr Stabilität einsetzen und dabei durchaus auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Diese Beziehungen und Netzwerke sind für die Schweiz von grösster Bedeutung und eröffnen ihr Zugang zu Bereichen, die nicht direkt mit der menschlichen Sicherheit zusammenhängen. Die verschiedenen Engagements der Schweiz im Kaukasus stärken nicht nur ihre Beziehungen mit den Ländern dieser Region, sondern auch mit Russland, den USA und den interessierten europäischen Ländern. In Südosteuropa verläuft der Einsatz der Schweiz parallel zur Entwicklung der Beziehungen mit den USA und der EU, welche in dieser Region ebenfalls sehr aktiv sind. Im Rahmen bedeutender multilateraler Initiativen arbeitet die Schweiz mehrheitlich mit überregionalen Gruppen zusammen, was sich gleichzeitig positiv auf die bilateralen Kontakte und Partnernetzwerke auswirkt.

Das Gewicht eines Landes auf der internationalen Bühne hängt nicht nur von den herkömmlichen Macht- und Einflussfaktoren wie der wirtschaftlichen oder militärischen Schlagkraft ab. Heute spielt die Fähigkeit, globale Probleme zu lösen, eine entscheidende Rolle. Im Rahmen ihrer Politik der menschlichen Sicherheit und ihrer verschiedenen thematischen Aktivitäten trägt die Schweiz dazu bei, Antworten auf die grossen aktuellen Herausforderungen zu finden und die internationale Stabilität zu verbessern. Sie konnte ihr Ansehen und ihre Position in der internationalen Politik stärken, was es ihr erlaubt, ihre nationalen Interessen besser zu wahren.

Mit anderen Worten hängen heute der Einfluss und das Ansehen eines Landes auf internationaler Ebene mehr denn je von seiner Glaubwürdigkeit ab. Glaubwürdig ist, wer tut,
was er sagt. Die Demokratie und die Menschenrechte sind auf deren Förderung angewiesen, das Gleiche gilt für den Frieden. Probleme brauchen Lösungen, und Lösungen erfordern Partnerschaften. Die Schweiz geniesst aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Stabilität, ihrer direkten Demokratie, ihrer Unabhängigkeit, dem universellen Charakter ihrer Aussenbeziehungen sowie ihrem solidarischen Handeln hohes Ansehen. Sie gilt als Gewinnerin der Globalisierung und wird zu Recht als solche wahrgenommen. Sie verstand es besser als andere Länder, für politische Stabilität zu sorgen. Ein noch grösseres Engagement und die Möglichkeit, besser und rascher auf Bedürfnisse zu reagieren, werden die Glaubwürdigkeit unseres Landes noch erhöhen.

Mit dieser Botschaft will der Bundesrat die bisherigen Bemühungen fortsetzen sowie angemessene Instrumente entwickeln, um noch besser auf die zahlreichen Anforderungen und Bedürfnisse einzugehen.

Angesichts der globalen Herausforderungen, Bedrohungen und Risiken die eigenen Interessen wahren Das Engagement der Schweiz steht auch in ihrem eigenen Interesse. Ziel ist es, zu stabileren internationalen Beziehungen und zu einer sicheren und gerechteren Welt 6324

beizutragen und dadurch auch die Sicherheit und den Wohlstand im eigenen Land zu festigen. Die gegenseitige Abhängigkeit ist derart gewachsen, dass ein Konflikt oder eine Krise in einer weit entfernten Region direkte Auswirkungen auf die Schweiz haben kann: Gefährdung der Schweizer Investitionen, der Exporte und der guten Ergebnisse jahrzehntelanger Entwicklungszusammenarbeit, Erhöhung der Rohstoffpreise, Gefahren für unsere Bürgerinnen und Bürger, die in einen Konflikt oder in Geiselhaft geraten können. Fragile Staaten oder Staaten in Konfliktsituationen bilden einen guten Nährboden für die organisierte Kriminalität, für bewaffnete Gewalt, für die Verbreitung von Waffen oder für die Entstehung grenzüberschreitender Terrornetzwerke.7 Wir erleben die Erschütterungen der Weltwirtschaft, die sehr empfindlich auf Gefährdungen der Handelsströme, Verkehrswege und Energieressourcen reagiert, und wir sind mit einem Migrationsdruck aus Ländern konfrontiert, in denen Unsicherheit, Willkür, mangelnde Perspektiven oder Umweltzerstörung herrschen.

Die Komplexität und die Wechselwirkung von Veränderungen und Krisen, welche die Welt erschüttern, sind Vorzeichen für neue Herausforderungen. Auch wenn gewisse geopolitische Entwicklungen viel Potenzial aufweisen, bleiben Spannungen und Instabilität in Europa, Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, in Asien und Lateinamerika bestehen. Die Berichte der Rotkreuz- und der RothalbmondGesellschaften sind alarmierend. Sie gehen davon aus, dass weite Teile der Weltbevölkerung durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geschwächt worden sind und dass mit zahlreichen Auswirkungen auf den Zugang zu den Grundrechten und auf die Stabilität gerechnet werden muss. Die ökologischen Krisen weltweit, namentlich der Klimawandel und die Wüstenbildung, bergen ebenfalls ein grosses Krisenpotenzial.

Das Engagement zugunsten des Friedens und der menschlichen Sicherheit stellt als Ergänzung zu den übrigen aussenpolitischen Instrumenten eine strategische Antwort auf diese Krisen und Herausforderungen dar, was anhand der Verwendung des Rahmenkredits 2008­2012 dargelegt wird.

2

Verwendung des Rahmenkredits 2008­2012

In den letzten Jahren hat die Schweiz als einflussreiche Akteurin und Mitakteurin einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Friedens, der Menschenrechte, der Demokratie, der humanitären Politik und der Migrationsaussenpolitik geleistet. Es gelang ihr, sich sowohl in Konfliktregionen als auch auf zwischenstaatlicher Ebene und in internationalen Organisationen zu positionieren, indem sie auf Dialog und die Wahrung gegenseitiger Interessen setzte.

Von 2008­2011 wandte die Schweiz 240 Millionen Franken für dieses Engagement auf. Nahezu alle Mittel, die für diese Aktivitäten eingesetzt wurden (97 % ab 2010), sind nach den Kriterien der OECD als öffentliche Entwicklungshilfe (APD) anrechenbar.

7

Derzeit gibt es rund fünfzig fragile Staaten. Ihre Anzahl wird infolge der wirtschaftlichen und sozialen Krisen wahrscheinlich noch ansteigen (Listen fragiler Staaten sind enthalten in: «Country Policy and Institutional Assessment», CPIA, Weltbank, 2007; «Index of State Weakness in the Developing World», Brookings Institution, 2008; «Country Indicators for Foreign Policy», CIFP, Carleton University, 2007).

6325

2.1

Aktivitäten und Ergebnisse

Die Schweiz engagiert sich in Regionen und für Themen, die für sie von Interesse sind und wo ihre Aktivitäten einen Mehrwert darstellen.

Mediation, Dialog und Programme in ausgewählten Ländern und Regionen Die geografischen Aktivitäten der menschlichen Sicherheit gehören zu den Prioritäten der Schweizer Aussenpolitik, die gesamtheitlich betrachtet werden muss. Der Bundesrat beschreibt diese Aktivitäten ausführlich in seinem Aussenpolitischen Bericht 2010.8 Der Entscheid über die Aufnahme von Aktivitäten in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region gründet auf grundsätzlichen Überlegungen betreffend das Engagement des Bundes, oft als eine mehrjährige Strategie formuliert. Es geht darum, auf die tatsächlichen Bedürfnisse der betroffenen Länder und lokalen Bevölkerungsgruppen einzutreten ­ wie die Begleitung von Massnahmen des demokratischen Übergangs oder die Förderung von Friedensprozessen ­ und dabei die Interessen der Schweiz zu wahren. In den folgenden Absätzen wird dieses Engagement anhand einiger Beispiele aus verschiedenen Regionen, veranschaulicht: Südosteuropa stellt eine Schwerpunktregion der Schweizer Aussenpolitik dar. Laut der Strategie des Bundesrates für den Westbalkan von 2005 konzentrieren sich die Interessen der Schweiz in der Region oder im Zusammenhang mit der Region im Wesentlichen auf vier Bereiche: erstens auf die Stabilität in der Region selbst, und zwar im Sinne von Konfliktprävention, da sich Konflikte auf die Schweiz auswirken können; zweitens auf die Sicherheit im Sinne von Sicherheit für den gesamten europäischen Kontinent wie auch für die innere Sicherheit der Schweiz; drittens auf die Wirtschaft im Bestreben, das mittelfristige Potenzial der Region bestmöglich zu nutzen; und viertens auf die Migration. Die Schweiz führte deshalb gleichzeitig zahlreiche Aktivitäten auf der Ebene der Friedenspolitik und der Menschenrechte sowie der Programme der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch.

Sie ging ebenfalls Migrationspartnerschaften mit Bosnien und Herzegowina, mit dem Kosovo und mit Serbien ein. Sie wählte dabei drei Arbeitsschwerpunkte: Konflikttransformation und Vertrauensbildung (Confidence Building) zwischen verschiedenen Gemeinschaften oder Staaten, Aufarbeitung der Vergangenheit und Übergangsjustiz und Förderung von Minderheitenrechten mit
dem Ziel, mehr politische Mitwirkung zu ermöglichen und zur Schaffung eines entsprechenden Verfassungs-, Rechts- und institutionellen Rahmens beizutragen. Darüber hinaus beteiligt sich die Schweiz an zivilen und militärischen Einsätzen der NATO und der EU im Kosovo (KFOR/Swisscoy, EULEX, ICO) und in Bosnien und Herzegowina (EUFOR).

Auch das geographisch relativ nahe liegende Zentralasien hat für die Schweiz eine besondere Bedeutung. Die Länder dieser aufstrebenden Region verfügen über ein ansehnliches Wirtschaftspotenzial und Energieressourcen, sind Mitglieder der OSZE und pflegen vielfältige Beziehungen zu Russland, China, Indien und zum Westen.

Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan gehören zur Schweizer Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen (Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank), im Globalen Umweltfonds (GEF) und mit Ausnahme 8

Aussenpolitischer Bericht 2010 vom 10. Dezember 2010 (BBl 2011 1013).

6326

von Kasachstan in der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD). Frieden, Schutz der Menschenrechte und demokratische Strukturen sind jedoch weitere wichtige Voraussetzungen, um das grosse Potenzial dieser Region auszuschöpfen. Eine schwere Bedrohung für die Stabilität der Region stellten die gewaltsamen Übergriffe im Juni 2010 gegen die usbekische Bevölkerung im Süden Kirgisistans dar, nachdem die Lage nach dem Sturz von Präsident Bakijew im April und der Bildung einer provisorischen Regierung von Unsicherheit geprägt war. Die Schweiz leistete einen Beitrag zur multilateralen humanitären Hilfe für die vertriebene usbekische Bevölkerung und setzte sich ausserdem dafür ein, dass die neue kirgisische Regierung die für eine friedliche Konsolidierung ihrer Autorität erforderliche Unterstützung erhielt, nachdem diese versichert hatte, sich von den Vorgehensweisen des bisherigen Regimes zu distanzieren. Die Schweiz förderte auch die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und unterstützte die Organisation von Parlamentswahlen, welche die Rückkehr des Landes zu einer demokratisch legitimierten Ordnung erlauben sollen.

Aktuell unterstützt sie die sogenannte «Community Security Initiative» der OSZE, eine Initiative im polizeilichen Bereich, die zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage im Süden Kirgisistans, sowie zu einer besser ausgebildeten Gemeindepolizei beitragen will und die längerfristig die Schaffung von ethnisch gemischten Ordnungskräften vorsieht. Die Schweiz wurde in dem 2011 lancierten nationalen Dialog mit einer Vermittlerrolle betraut (s. Kasten). Sie engagiert sich ausserdem auch in Tadschikistan mit konkreten Projekten im Bereich der Menschenrechte.

Schweizer Vermittlung ­ vier Beispiele Vermittlung zwischen Armenien und der Türkei 2009 konnten in Zürich dank der Vermittlung der Schweiz zwischen Armenien und der Türkei die Protokolle zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern unterzeichnet werden. Diese Protokolle regeln die Modalitäten, die notwendig sind für eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, eine Öffnung der Grenzen, die Einrichtung einer Institution für den Aufbau der bilateralen Beziehungen und die Schaffung einer «Historischen Kommission». Hohe Vertreterinnen und Vertreter aus den USA, Russland, Frankreich und der Europäischen Union wohnten der Zeremonie
bei, um ihre Unterstützung und Zustimmung in dieser Angelegenheit zu bekräftigen. Die Schweiz steht seither in engem Kontakt mit allen Partnern und ist bereit, die Umsetzung dieser Abkommen zu erleichtern.

Vermittlung zwischen der Russischen Föderation und Georgien Die Schweiz nimmt für die Russische Föderation und für Georgien ein Schutzmachtmandat wahr. Sie vertritt die Interessen beider Parteien bei der jeweils anderen Partei. Die beiden Staaten stimmten im Rahmen dieses Mandats einer Vermittlung durch die Schweiz zu, die zum Ziel hat, die Verhandlungen der Russischen Föderation für einen Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) zu erleichtern. Georgien hat sich gegen diesen Beitritt ausgesprochen. Ein erstes Treffen zwischen den beiden Parteien fand im März 2011 in der Schweiz statt.

Es folgten weitere Treffen, an denen alle drei Parteien teilnahmen, sowie Gespräche in Russland und in Georgien. Die Schweiz strebt eine Konsenslösung an, was den Beitritt der Russischen Föderation zur WTO anbelangt.

6327

Ein Dialog zwischen serbischen Führungskräften aus dem Kosovo und aus Serbien Die Schweiz ermöglicht in Zusammenarbeit mit einem nichtstaatlichen Partner einen erstmaligen Dialog zwischen serbischen Führungskräften aus dem Kosovo und aus Serbien. Für die Teilnehmenden ­ Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Fachwelt, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft ­ geht es darum, jene Politiken zu beeinflussen, die Auswirkungen auf die Lebensbedingungen im Kosovo haben. In breit abgestützten Konsultationen wurden konkrete Vorschläge zuhanden der Behörden ausgearbeitet. Diese sehen eine Verbesserung der Situation und der Zukunftsperspektiven der Serben im Kosovo vor. Dieser Dialog gab den Serben mehr Visibilität und stärkte ihre Teilhabe am Wahlprozess und in den kosovarischen Institutionen. Gleichzeitig förderte sie die Zusammenarbeit unter den politischen Führungskräften und ermöglichte es ihnen, ihre Interessen bei Behörden besser einzubringen. Es ist die einzige Dialogplattform, die alle serbischen Führungspersonen sämtlicher politischer Gruppierungen vereint. Die Schweiz wird diesen Dialog auf Anfrage der Teilnehmenden weiterhin unterstützten, um die Interessen der Minderheiten im Kosovo besser wahrzunehmen.

Ein nationaler Dialog in Kirgisistan Der Staatsstreich und die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen usbekischen und kirgisischen Gruppen vom Juni 2010 in Och und in Dschalalabat (Südkirgisistan) forderten etliche Tote und Verletzte. In diesem schwierigen Umfeld entstand die Idee eines nationalen Dialogs, um die grössten Probleme des Landes besser zu identifizieren. Die Schweiz hat sich dabei bereit erklärt, als Fazilitatorin in Zusammenarbeit mit der Nicht-Regierungs-Organisation International Alert den Prozess zu begleiten. Die Verantwortung für diesen partizipativen und inklusiven Dialog liegt vollumfänglich bei Akteuren vor Ort. Er soll einerseits Vertrauen und eine Wiederaufnahme der Beziehungen der beiden Länder fördern und andererseits zur menschlichen Sicherheit und Stabilität in Kirgisistan beitragen.

Die Schweiz hat vielfältige Interessen im Nahen Osten, einer Region, die in ihrer geografischen Nähe liegt. Aus strategischen Gründen ist der Frieden und die Stabilität in der Region der Schweiz ebenso wie der gesamten internationalen Gemeinschaft ein grosses Anliegen. Die Schweiz
trägt in der ganzen Region zur Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen, zur Einhaltung der Menschenrechte, zum Aufbau der Demokratie und zur Schaffung eines Klimas zur Förderung des Friedens und des Dialogs bei. Diese Massnahmen helfen auch die Sicherheit der Schweiz zu bewahren. Die Schweiz unterhält insbesondere wichtige wirtschaftliche Beziehungen mit verschiedenen Ländern der Region, sowohl durch Exporte (Israel ist der drittgrösste Handelspartner der Schweiz im Nahen Osten) als auch durch Investitionen. Die Prioritäten der Schweiz im Nahen Osten sind die Friedensförderung und die Wahrung des Völkerrechts, der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts. Dies gilt insbesondere für Aktivitäten, welche die Bemühungen der USA und der EU in dieser Region unterstützen. Die schweizerischen Initiativen plädieren für eine diplomatische Lösung betreffend die Spannungen in der Region. Die Schweiz praktiziert deshalb eine umfassende Strategie des Dialogs mit allen Akteuren und 6328

bemüht sich damit, Verhandlungen und Lösungsansätze zu fördern. Sie konnte sich dank innovativen Vorschlägen und einer ausgewogenen Vermittlerrolle in einem komplexen Umfeld positionieren. Alle Parteien wurden angehört, wie beispielsweise im Rahmen des israelisch-palästinensischen Konflikts oder im Libanon. Die Schweiz unterstützt zudem Prozesse, die in der Region das Terrain für eine Beilegung des Konflikts ebnen, namentlich in Bezug auf eine sichere Wasserversorgung im Nahen Osten. Diese Anstrengungen ergänzen die Aktivitäten der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit.

Subsahara-Afrika verfügt über enorme Reichtümer und Potenziale. Die afrikanischen Länder werden von den Grossmächten, die an den Ressourcen des Kontinents interessiert sind, umworben und gewinnen dadurch an internationalem Einfluss. Ein stabiles und friedliches politisches Umfeld würde die Möglichkeit bieten, das immense Potenzial der Region auszuschöpfen. Die Herausforderungen sind jedoch zahlreich: die institutionelle Fragilität gewisser Staaten, die schwache Rechtsstaatlichkeit, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Straflosigkeit, interethnische Spannungen, extreme Armut und mangelnde wirtschaftliche Perspektiven, die zu starken Migrationsströmen innerhalb der Region und nach Europa führen oder das Aufkommen von kriminellen oder terroristischen Gruppierungen. Einige dieser Faktoren gefährden sogar die während den letzten Jahrzehnten unternommenen Anstrengungen in den Schwerpunktländern der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Dank ihrem Engagement in Subsahara-Afrika konnte die Schweiz mit fast allen Ländern der Region gute Beziehungen aufbauen. Unter anderem wurden die Aktivitäten der menschlichen Sicherheit in den letzten Jahren stark ausgebaut und mit den Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe abgestimmt. In Burundi spielte die Schweiz im Rahmen der EDA-Strategie 2009­2012 für die Region der Grossen Seen eine wesentliche Rolle bei der Umwandlung der letzten bewaffneten burundischen Bewegung in eine politische Partei. Dabei erhielt die Schweiz aufgrund ihres Engagements eine bedeutende internationale Funktion: Sie leitet seit Mitte 2009 zum zweiten Mal die «BurundiKonfiguration» der UNO-Kommission für Friedenskonsolidierung, was ihr einerseits erlaubt, den Übergang zu einem
dauerhaften Frieden und einer nachhaltigen Entwicklung des Landes zu unterstützen, und ihr andererseits einen privilegierten Zugang zum UNO-Sicherheitsrat ermöglicht. Im Sudan geniesst die Schweiz das Vertrauen aller Parteien, nicht zuletzt dank ihrem langjährigen Engagement und ihrer Rolle bei den Verhandlungen über das Waffenstillstandsabkommen in den Nuba-Bergen und das umfassenden Friedensabkommen von 2005. Im Südsudan unterstützte sie die Vorbereitungen für einen Übergang zur Unabhängigkeit im Hinblick auf das Referendum vom Januar 2011. Ihre Guten Dienste und ihr Beitrag in den Bereichen Gouvernanz, Föderalismus und Dezentralisierung werden stets sehr geschätzt. In Darfur wurde die Expertise der Schweiz im Rahmen von Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union und der UNO mehrere Male eingeholt.

Auch hier ergänzen die friedensfördernden Massnahmen das Engagement der humanitären Hilfe der Schweiz vor Ort. Hinzu kommt die Präsenz von zivilen Experten des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) im Sicherheitssektor im Südsudan. In Zentral- und Westafrika, einer der ärmsten Regionen der Welt, in der sich nebst politischer Instabilität auch Terrorismus und das organisierte Verbrechen breit machen, hat die Schweiz ihr Engagement zugunsten der Friedenspolitik in Mali, im Niger und im Tschad verstärkt. Sie stellt ihr Knowhow den nationalen und regionalen Institutionen zur Verfügung, um die lokalen Kompetenzen im Bereich der Konfliktlösung zu stärken. Im Vergleich zu 6329

anderen Akteuren in der Region verfügt die Schweiz über einen besonderen Mehrwert: ihre frankophone Kultur und ihre frankophonen Netzwerke, namentlich über ihren Vorsitz 2011/12 in der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF).

Ausserdem nehmen im Rahmen des Expertenpools für zivile Friedensförderung Polizei- und Zoll-Fachleute in UNO-Missionen in der Côte d'Ivoire (ONUCI), in Guinea Bissau (ONUGBIS) und neu auch in Liberia (UNMIL) teil. Das EDA hat zudem neu ausgerichtete Menschenrechtsdialoge mit Senegal und Nigeria eröffnet, und das EJPD und das EDA haben gemeinsam mit Nigeria eine Migrationspartnerschaft abgeschlossen, die die Migrationsinteressen beider Länder berücksichtigt (Migration und Entwicklung). Diese geschätzten Aktivitäten decken nicht nur lokale Bedürfnisse, sondern geben der Schweiz auch die Möglichkeit, ihre Partnerschaft mit den Ländern Afrikas aufrechtzuerhalten in einem Augenblick, in dem neue Mächte (China, Indien und Brasilien) ins Spiel kommen und die relative Bedeutung des schweizerischen Engagements auf dem Kontinent zurückgeht und mit ihm auch Einflussmöglichkeiten.

In Asien war die Schweiz mit ihrer Politik der menschlichen Sicherheit nicht nur in China aktiv, mit dem sie einen Menschenrechtsdialog führte, der 1991 auf Ersuchen Chinas aufgenommen worden war, sondern auch in allen anderen Ländern, die im Aussenpolitischen Bericht 2010 als Entwicklungspartner bezeichnet werden. In diesen Ländern, in denen die Entwicklungsinstrumente der DEZA und des SECO breit und gezielt zur Armutsreduktion und Verbesserung der Gouvernanz eingesetzt werden, unterstützt und ergänzt die Politik der menschlichen Sicherheit diese Anstrengungen mit Erfolg. In Nepal wurde am 21. November 2006 ein Friedensabkommen unterzeichnet, das einen zehnjährigen Bürgerkrieg mit 16 000 Toten beendete. Das Engagement der Schweiz im Bereich Mediation und Frieden hat massgeblich zu diesem Ergebnis beigetragen. Die Schweizer Mediatorinnen und Mediatoren haben diesen Prozess sehr eng und diskret begleitet. Ihre Dienste waren ebenfalls während der Umsetzungsphase des Friedensabkommens gefragt, insbesondere bei der Schaffung einer föderalen Staatsstruktur, der Reform des Sicherheitssystems und der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Das Vertrauen gegenüber der Schweiz ist über die Jahre gewachsen. Dazu
beigetragen haben die über fünfzig Jahre bestehende schweizerische Entwicklungszusammenarbeit, sowie ein konsequentes Engagement für die Menschenrechte. In Vietnam, wirkt die Schweiz mittels eines Dialogs an der Konsolidierung des Rechtsstaats mit. Behandelt werden heikle Themen im Zusammenhang mit der Todesstrafe, Strafverfahren und Strafvollzug, Minderheitenrechte, Religionsfreiheit sowie Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Todesstrafe, der Folter und der administrativen Haft. Zahlreiche Synergien konnten dank den Programmen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit genutzt werden. Der Dialog, der auf Wunsch der vietnamesischen Behörden 2004 wieder aufgenommen wurde, trägt Früchte: er hat den laufenden Reformprozess gefördert und die Beziehungen zwischen der Schweiz und Vietnam positiv beeinflusst.

Diplomatische Initiativen und multilaterale Aktivitäten Die Schweiz hat als neutrales Land ein vitales Interesse an der Erhaltung von Frieden und Sicherheit sowie an der Einhaltung des Völkerrechts. Aus diesem Grund ist es ihr wichtig, dass auf internationaler Ebene ein Konsens über die Standards betreffend die Garantien für eine bessere Einhaltung des Rechts und dessen wirksame Umsetzungsmechanismen besteht und dass alle relevanten Akteure für die menschliche Sicherheit einbezogen werden.

6330

In den letzten Jahren leistete die Schweiz einen wesentlichen Beitrag an die internationale Gouvernanz durch wegweisende und sichtbare Initiativen in den Bereichen Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, humanitäre Politik und Migration. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen und als Vertragsstaat der wesentlichen Übereinkommen im Bereich Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht und Migrationsrecht setzt sie sich vehement für den Schutz dieser Rechte ein, namentlich wenn es um die am stärksten verwundbaren Bevölkerungsgruppen geht.

Die Schweiz konnte dank kontinuierlichen Anstrengungen während der letzten Jahre sowie einer Zusammenarbeit mit führenden Partnern folgende Ergebnisse erzielen: ­

Die Einsetzung des Menschenrechtsrates, seine Ansiedlung in Genf und die zweimalige Wahl der Schweiz in den Menschenrechtsrat zählen zu den grossen Erfolgen der Schweiz seit ihrem UNO-Beitritt. Während ihres ersten Mandats (2006­2009) setzte sich die Schweiz mit Nachdruck dafür ein, dass der Rat zu einer soliden und effizienten Institution wurde. Sie erklärte sich 2008 als eines der ersten Länder freiwillig zu einer allgemeinen regelmässigen Überprüfung bereit. Ihre Wiederwahl im Jahre 2010 bietet ihr die Möglichkeit, uneingeschränkt an den Debatten über die für 2011 vorgesehene Revision des Rates teilzunehmen ­ fünf Jahre nach seiner Gründung.

Mit der Aufnahme des «Universal Human Rights Index» ­ einer vom EDA und der Universität Bern entwickelten und dem UNHCR 2010 angebotenen Datenbank ­ in die Arbeitsprozesse des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCR) hat die Schweiz zur Verbesserung des Monitorings betreffend internationale Empfehlungen beigetragen, namentlich im Hinblick auf den zweiten 2011 begonnenen Zyklus der allgemeinen regelmässigen Überprüfung.

­

Die Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung, die 2006 von der Schweiz lanciert und mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) organisiert worden war, zählte 2010 bereits 108 Unterzeichnerstaaten. Ziel ist eine messbare Reduktion der bewaffneten Gewalt bis 2015. Es besteht dringender Handlungsbedarf, weil die bewaffnete Gewalt in all ihren Formen (Kriminalität, Krieg) die Entwicklungsbemühungen gefährdet. Laut UNDP übersteigen die Kosten dieser Gewalt die weltweiten Ausgaben der öffentlichen Entwicklungshilfe. Eine Überprüfungskonferenz auf Ministerebene ­ die zweite nach 2008 ­ soll Ende 2011 in Genf Bilanz ziehen. Die Schweiz leitet eine Arbeitsgruppe mit 14 Ländern und Mitgliederorganisationen, welche die Regierungen auf die negativen Auswirkungen und die Kosten der bewaffneten Gewalt aufmerksam macht, die Ausarbeitung von Indikatoren und Forschungsaktivitäten unterstützt, sowie die Integration der Problematik in die jeweiligen Entwicklungspolitiken fördert. 2009 verfasste der UNO-Generalsekretär einen Bericht zu diesem Thema, der auf eine von der Schweiz 2008 eingereichte Resolution zurückgeht. Im April hat die Weltbank im Rahmen ihres Weltentwicklungsberichts, der dem Thema «Konflikte, Sicherheit und Entwicklung» gewidmet ist, ihre Empfehlungen abgeben.

­

Immer häufiger werden Privatunternehmen in Konfliktgebieten mit Sicherheitsmissionen beauftragt. Auf Initiative der Schweiz verabschiedeten zahlreiche private Sicherheitsdienstleister aus aller Welt im November 2010 in Genf einen internationalen Verhaltenskodex, mit dem sie sich verpflichten, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Dieser 6331

Kodex umfasst ebenfalls operationelle Normen sowie ein Überwachungsund Verantwortungsdispositiv. Ausgearbeitet wurde dieser gemeinsam mit der «Académie de droit international humanitaire et des droits humains» und dem Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF), zwei Partnerinstitutionen der Schweiz mit Sitz in Genf. Der Prozess wurde auch massgeblich von den USA und Grossbritannien sowie Branchenverbänden und Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützt.

­

Aus Anlass des sechzigsten Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 2008 lancierte die Schweiz eine Agenda für die Menschenrechte, die als Reflexionsrahmen für die nächsten zehn Jahre dienen soll.

2009 wurde diese Idee dank der Forschungstätigkeit verschiedener Universitätseinrichtungen aus mehreren Ländern vertieft. Die Initiative wird nun mit der Unterstützung einer Gruppe befreundeter Länder weitergeführt.

­

Die Schweiz rief zusammen mit der Internationalen Vereinigung für die Verhütung der Folter (APT) das Projekt «Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger schützen» ins Leben. Mit Unterstützung von Persönlichkeiten aus der Schweiz soll dieses Projekt Patenschaften für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger aufstellen, um die Öffentlichkeit auf ihre Arbeit und ihre Risiken der Verfolgung aufmerksam zu machen und ihren Schutz zu gewährleisten. Die letzte Aktion im März 2010, eine Mission im Osten der Demokratischen Republik Kongo, erlaubte es, die Risiken beim Einsatz für die Menschenrechte der Opfer sexueller Gewalt zu untersuchen, welche Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger ­ darunter vorwiegend Frauen ­ eingehen.

­

Die Zivilbevölkerung zahlt einen enorm hohen Preis für die innerstaatlichen Konflikte, welche sich zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts abspielen. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen war die Schweiz 2009 das erste Land, das eine Strategie zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten verabschiedete. Die diplomatischen, operationellen und rechtlichen Instrumente der Schweiz sollen komplementär eingesetzt werden, um eine doppelte Herausforderung zu bewältigen: Erstens sollen die Staaten und bewaffneten nichtstaatlichen Gruppierungen angehalten werden, das Völkerrecht in bewaffneten Konflikten und in Gewaltsituationen einzuhalten, und zweitens sollen angemessene operationelle Antworten auf die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung gegeben werden. Mit ihrer Strategie verstärkte die Schweiz ihre Schutzaktivitäten zugunsten der verwundbarsten Gruppen: intern Vertriebene, Flüchtlinge, Frauen und Kinder. Die Schweiz beteiligte sich ebenfalls an einem System zur Überwachung und Berichterstattung betreffend Einschränkungen beim humanitären Zugang, das dem Generalsekretär und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt wurde. In Kolumbien und im Sudan stärkte die Schweiz mit ihrem Engagement die Schutzkapazitäten der lokalen Akteure (traditionelle Führer, Opfervereinigungen, Behörden). Die Bemühungen der Schweiz wurden im Bericht des UNO-Generalsekretärs über den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten (2010) ausdrücklich gewürdigt.

­

Die Schweiz ist von der internationalen Migration direkt betroffen. Daher trug sie zur Ausarbeitung neuer Konzepte und Instrumente bei, die eine Verbesserung des internationalen Migrationsmanagements ermöglichen. Sie berücksichtigen sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen der

6332

Migration und setzen auf Partnerschaften zwischen den betroffenen Akteuren. Unter der Leitung des Bundesamts für Migration (BFM) und des EDA hat die Schweiz Migrationspartnerschaften mit Bosnien und Herzegowina, mit dem Kosovo, mit Serbien und Nigeria abgeschlossen. Diese Partnerschaften bieten unserem Land eine Plattform für einen entsprechenden Dialog mit den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten. Gemeinsam können somit Lösungen gefunden werden, die die Interessen aller Parteien berücksichtigen: Fragen zur Rückübernahme, Programme zur freiwilligen Rückkehr, Massnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels, Synergien zwischen Migration und Entwicklung oder Austauschmöglichkeiten im Bereich Aus- und Weiterbildung. Im Rahmen ihrer Strategie zum Schutz der Flüchtlinge in den Herkunftsregionen unterstützt die Schweiz die Erstaufnahmeländer beim Aufbau ihrer nationalen Kapazitäten zum Schutz der Flüchtlinge und bei der Suche nach nachhaltigen Lösungen vor Ort. In Abstimmung mit verschiedenen Bundesämtern, namentlich der DEZA und dem BFM, wurden im Jemen, der zahlreiche Flüchtlinge aus dem Horn Afrikas aufnimmt, und in Syrien, dem wichtigsten Aufnahmeland von Flüchtlingen aus dem Irak, Pilotprojekte durchgeführt. Auf multilateraler Ebene arbeitet die Politische Abteilung IV des EDA seit mehreren Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem BFM und der DEZA zusammen um den internationalen Migrationsdialog zu verstärken. Die Schweiz hat 2011 den Vorsitz des Globalen Forums für Migration und Entwicklung inne, was als ansehnlicher Erfolg gewertet werden kann. Weltweit ist dieses Forum das wichtigste Forum in seinem Bereich.

Erkenntnisse Das weltpolitische Klima der letzten Jahre war sowohl für eine vermittelnde Friedenspolitik als auch für eine konstruktive Politik der menschlichen Sicherheit nicht immer günstig. Umso mehr darf man sich über die Erfolge freuen zur denen auch die Schweiz massgeblich beigetragen hat. Die Nahrungs-, Finanz- und Wirtschaftskrisen mit ihren Folgen, die wieder entstehende Polarisierung der Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern oder zwischen westlichen Staaten und Staaten mit einer anderen Weltanschauung unterstreichen die Notwendigkeit, globale und nachhaltige Lösungen zu finden.

Verschiedene Faktoren haben zu diesen Ergebnissen beigetragen. Sie zeigen,
dass unser Land dank seiner Unparteilichkeit und dank höchster Fachkompetenz im Bereich der Förderung der menschlichen Sicherheit international einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Die Schweiz ist eine geschätzte Akteurin und ihre Kompetenzen auf dem Gebiet des Friedens werden häufig von den Konfliktparteien selbst nachgefragt. Ausserdem verfügt die Schweiz über unbestreitbare Trümpfe in der zivilen Friedensförderung und der menschlichen Sicherheit: Da sie keinem Militärbündnis angehört, da sie nicht das Gewicht hat, Lösungen aufzuoktroyieren, und da sie über keine koloniale Vergangenheit verfügt, hat sie auch keine versteckte Agenda. Dank ihrer Geschichte, ihrer politischen Kultur und ihrer langen Tradition der Guten Dienste und des Dialogs verfügt die Schweiz über eine anerkannte Expertise im Umgang mit demokratischen Mechanismen in einem multikulturellen Staat. Die Schutzmachtmandate, mit denen sie betraut wurde, namentlich die Interessenvertretung der USA oder Russlands, zeigen deutlich, dass die Schweiz als neutrale und vertrauenswürdige Vermittlerin gilt, die Glaubwürdigkeit und eine solide Unabhängigkeit in ihrem Tätigkeitsbereich bietet. Sie kann auch auf ein sehr gutes Netz 6333

staatlicher und nichtstaatlicher Partner zurückgreifen, und verfügt mit dem internationalen Genf über eine internationale Plattform und ein einzigartiges Kompetenzzentrum. Berücksichtigt man all diese Vorteile, so ist unser Land in der Lage, einen wichtigen Mehrwert in den Schlüsselbereichen Friedensförderung und menschliche Sicherheit zu erbringen. Diese komparativen Vorteile erlauben es der Schweiz, sich dort zu engagieren, wo sich politische Gelegenheiten bieten.

Die Erfolge einer diplomatischen Initiative, eines Friedensprozesses oder der Menschenrechtspolitik sind oft das Ergebnis langwieriger Anstrengungen, die viel Durchhaltewillen und zuverlässige Partner erfordern. Denn selbst in einem günstigen Klima sind Blockaden, Verhärtungen und Rückschläge nicht selten, namentlich bei Friedensprozessen. Man kann auch beobachten, dass häufig gute Ergebnisse im Feld erzielt werden, wenn verschiedene politische Instrumente des Bundes gleichzeitig und aufeinander abgestimmt eingesetzt werden: Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeibereich sowie Migrationspolitik. Erwähnenswert ist auch, dass die Aktivitäten in erster Linie auf den Einsatz hochqualifizierter Personen (Mediatorinnen und Mediatoren, Expertinnen und Experten oder Beraterinnen und Berater) zurückzuführen sind, die diese aktive Rolle ermöglicht haben. Mit einer kontinuierlichen Steuerung, beruhend auf klaren Grundsätzen und strategischen Indikatoren, war gewährleistet, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal genutzt werden konnten.

Die Politik der menschlichen Sicherheit kann nicht ein für alle Mal festgelegt werden. Die Art der heutigen bewaffneten Konflikte und ein internationales Umfeld im Wandel erfordern innovative und gut durchdachte Strategien, eine Anpassung der Konzepte und Instrumente, eine Erneuerung der Partnerschaften und eine Stärkung der Koordination unter den Akteuren. Die vorliegende Botschaft nimmt sich diesen Punkten an.

2.2

Verwendung der Mittel aus dem Rahmenkredit

Der Einsatz der Finanzmittel 2008­2012 richtete sich nach den strategischen Zielen, die der Bundesrat festgelegt hat.9 Ein ausführlicher Bericht über die Verwendung der Mittel aus dem Rahmenkredit 2008­2012 für jedes dieser Ziele liegt dieser Botschaft bei (s. Anhang 1).

3

Förderung der menschlichen Sicherheit 2012­2016

3.1

Strategische Ziele, Grundsätze und Indikatoren

Im Einklang mit den aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz möchte der Bundesrat mit konkreten Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit, die dank den beantragten Mitteln ermöglicht werden, zur Lösung globaler Probleme beitragen.

9

Botschaft des Bundesrats vom 15. Juni 2007 über die Weiterführung von Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (BBl 2007 4733) sowie Bericht des Bundesrats vom 25. März 2009 in Beantwortung des Schreibens der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats vom 3. Dez. 2008 (nicht publiziert).

6334

Der Bundesrat verfolgt mit der vorliegenden Botschaft hauptsächlich sechs Ziele: ­

Beitrag zur Prävention und Beilegung von Konflikten durch die aktive Rolle als Vermittlerin oder Fazilitatorin in Friedensprozessen und durch die Unterstützung von Vermittlungen in Bereichen, in denen die Schweiz einen hohen Mehrwert einbringen kann;

­

Beitrag vor Ort zur Herstellung und Wahrung eines dauerhaften Friedens, der durch die Umsetzung von wirkungsvollen Programmen der zivilen Friedensförderung, einschliesslich gezielter Abrüstungsmassnahmen, den Bedürfnissen der Bevölkerung in Krisen- oder Konfliktregionen gerecht wird;

­

Beitrag zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes durch eine verstärkte und neu ausgerichtete Menschenrechtspolitik, die in ausgewählten Ländern von konkreten Projekten vor Ort begleitet wird;

­

Unterstützung von multilateralen Friedensmissionen, Wahlbeobachtungen und bilateralen Programmen durch Entsendung von Expertinnen und Experten des Schweizerischen Expertenpools für zivile Friedensförderung;

­

Förderung der Diskussionen und der Erarbeitung globaler und regionaler Politiken in der UNO und in andern internationalen Organisationen durch diplomatische Initiativen und entsprechenden Massnahmen zu deren Umsetzung zu Themen im Zusammenhang mit Frieden, Menschenrechten, Abrüstung, humanitärer Arbeit und Migration;

­

Förderung innovativer Reflexion und der Bündelung von Wissen, Erfahrungen und operativen Kapazitäten dank Partnerschaften, welche die Schweiz mit universellen und regionalen internationalen Organisationen, gleich gesinnten Ländern und Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft abschliesst. Durch solche Partnerschaften wird die Wirksamkeit ihres Vorgehens erhöht.

Die Politische Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die mit der Umsetzung der Politik für menschliche Sicherheit beauftragt ist, orientiert sich bei der Verwirklichung dieser Ziele an neun Grundsätzen der strategischen Führung und an den unten beschriebenen Arbeitsmethoden. Sie definiert qualitative und quantitative Indikatoren zur Sicherstellung eines sinnvollen und effizienten Mitteleinsatzes.

Grundsatz 1: Thematische Fokussierung Das EDA konzentriert im Bereich der menschlichen Sicherheit sein Handeln auf sechs Leitthemen, bei denen es einen glaubwürdigen und wirksamen Beitrag zur Verwirklichung der oben beschriebenen Ziele leisten kann. Das EDA möchte sich nicht verzetteln, sondern in wenigen Bereichen aktiv werden, in denen die Schweiz ­ zum Teil seit vielen Jahren ­ ein anerkanntes und gefragtes Knowhow erworben hat und somit ihrer Arbeit verglichen mit jener anderer Staaten oder internationalen Organisationen einen wirklichen Mehrwert verleiht.

Im Vordergrund stehen vier Themen, die sich vorwiegend mit Konfliktprävention, Gewährleistung von nachhaltigen Friedensprozessen und Schutz der Zivilbevölkerung befassen:

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­

Frieden und Sicherheit (Ziff. 3.2.1) ­ Hier geht es u.a. um Waffen mit gravierenden humanitären Auswirkungen wie Antipersonenminen, Atomwaffen oder Kleinwaffen, deren Verbreitung zu einer Verschärfung der bewaffneten Gewalt führen; Reform des Sicherheitssektors; internationale Überlegungen zu internationalen Friedenssicherungseinsätzen. Bereits 2005 erzielte die Schweiz einen diplomatischen Erfolg: Die UNO-Generalversammlung verabschiedete das Instrument für die Rückverfolgung der Kleinwaffen, das auf eine schweizerische Initiative zurückgeht.10 Im Rahmen des Unterthemas Religiöse Faktoren, Weltbilder und Konfliktbeilegung stellt die Schweiz der internationalen Staatengemeinschaft ihr einmaliges Fachwissen zur Verfügung, das sie in mehrjähriger Arbeit in Konflikten erworben hat, in denen diese verschiedenen Faktoren entscheidend miteinander verknüpft sind. Die Schweiz ist zudem sehr aktiv hinsichtlich des Unterthemas Gender, Frieden und Sicherheit, namentlich weil sie sich für die Umsetzung der Resolution 1325 des Sicherheitsrats11 einsetzt, in der Überzeugung, dass menschliche Sicherheit und nachhaltiger Frieden nur möglich sind, wenn Männer und Frauen paritätisch in alle Prozesse einbezogen werden;

­

Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung (Ziff. 3.2.2) ­ Bei diesem Thema besitzt die Schweiz wegen ihres politischen Systems und ihrer Geschichte grosse Glaubwürdigkeit;

­

Vergangenheitsarbeit und Prävention von Völkermord und Gräueltaten (Ziff. 3.2.3) ­ Die Schweiz engagiert sich seit vielen Jahren für dieses Thema und hat auf internationaler Ebene Anerkennung und ein sichtbares Profil erlangt. Ihr Engagement ist eng mit ihrer humanitären Tradition und der Bekämpfung der Straflosigkeit (Internationaler Strafgerichtshof) sowie mit ihrer Unterstützung für die Förderung eines dauerhaften und rechtmässigen Friedens verbunden;

­

Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten (Ziff. 3.2.5) ­ Die doppelte Eigenschaft als Depositarstaat und Hohe Vertragspartei der Genfer Übereinkommen verleiht dem Bund bei den Aktivitäten zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die bewaffneten Konfliktparteien besondere Autorität und Legitimität.

Hinzu kommen zwei Themen, die dazu beitragen, Lösungen für die grossen aktuellen und globalen Herausforderungen zu finden, die Menschenwürde zu stärken sowie die neue Rolle nichtstaatlicher Akteure, besonders des Privatsektors, für die menschliche Sicherheit zu berücksichtigen: ­

10

11

Förderung und Schutz der Menschenrechte (Ziff. 3.2.4) ­ In diesem Bereich führt die Schweiz bereits seit Langem viele wesentliche und erfolgreiche Initiativen durch und ist angesichts ihres Engagements für die Achtung dieser Rechte in ihrem eigenen Hoheitsgebiet glaubwürdig. Sie hat zudem dank Initiativen im Bereich des Unterthemas Wirtschaft und menschliche Sicherheit an Glaubwürdigkeit dazu gewonnen. Als Staat mit einem liberalen Wirtschaftssystem und Sitz vieler international tätiger Grossunternehmen verfügt Internationales Instrument zur raschen und verlässlichen Identifizierung und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen, von der UNO-Generalversammlung am 8. Dez. 2005 angenommen.

Resolution 1325 des Sicherheitsrats vom 31. Okt. 2000, auch bekannt als UNOResolution «Frauen, Frieden und Sicherheit», S/RES/1325 (2000).

6336

die Schweiz über eine ausgezeichnete Vernetzung mit allen Akteuren.

Gleichzeitig bietet sie jedoch Angriffsfläche für Kritik, wenn in der Schweiz ansässige Unternehmen die Menschenrechte im Ausland verletzen; ­

Migration und Bekämpfung des Menschenhandels (Ziff. 3.2.6) ­ Es liegt im unmittelbaren Interesse der Schweiz, dass die internationale Migration sicher, regulär und unter Achtung der Rechte der Migrantinnen und Migranten erfolgt sowie der Interessen der Herkunfts-, Transit- und Zielländer.

Diese Themen sind in zahlreiche geografische Projekte und Programme integriert bzw. bilden Gegenstand von diplomatischen Initiativen der Schweiz. Die meisten sind in einem Aktionsplan (Gender, Frieden und Sicherheit) oder in intra- oder interdepartementalen Mehrjahreskonzepten und -strategien niedergelegt (Kleinwaffen, Kampf gegen Minen, Vergangenheitsarbeit, Schutz der Zivilbevölkerung usw.).

Das themenbezogene Fachwissen wurde während mehreren Jahren aufgebaut und in der Verwaltung sowie zusammen mit externen Partnern kontinuierlich vertieft. Aus Effizienz- und Ressourcengründen verzichtet das EDA darauf, themenbezogene Kompetenzen vollständig zu erwerben, sondern unterstützt Partner mit Fachkenntnissen (Hochschuleinrichtungen, internationale Organisationen, Stiftungen, NGO), die in einem bestimmten Bereich ihr Wissen untermauern können.

Grundsatz 2: Geografische Konzentration Das EDA setzt seine Ressourcen konzentriert und gebündelt ein, um die Wirksamkeit der Massnahmen zu erhöhen. Bei seinem Engagement für Frieden und Menschenreche wählt das EDA Konfliktgebiete und Regionen mit unzureichendem Schutz dieser Rechte und des humanitären Völkerrechts nach den folgenden Kriterien aus: ­

Wirksamkeit: Besteht die Aussicht, dass ein schweizerisches Engagement den Wandel positiv beeinflusst und durch einen nützlichen, bedeutenden, ja sogar einzigartigen Beitrag zur Förderung von Frieden, Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht einen Mehrwert bringt?

­

Interessen des Bundes: Hat ein Konflikt oder eine humanitäre Krise wirtschafts-, migrations- oder sicherheitspolitische, humanitäre, ökologische oder entwicklungspolitische Auswirkungen auf die Schweiz?

­

Relevanz und Nachfrage: Entspricht das Engagement der Schweiz einer Nachfrage und ist es seitens der Konfliktparteien oder der internationalen Gemeinschaft erwünscht? Für die Zusammenarbeit im Menschenrechtsbereich: Ist die Regierung eines Partnerlandes zu Reformen bereit?

­

Einstiegspunkte und komparative Vorteile der Schweiz: Bestehen besondere historische, politische oder wirtschaftliche Beziehungen mit der ausgewählten Region? Besitzt die Schweiz zur Lösung des Konflikts bzw. zur Stärkung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts besonders nützliche und spezifische Kompetenzen?

Synergien: Sind Synergien mit andern Aktivitäten des Bundes zu erzielen ­
namentlich mit der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, der militärischen Friedensförderung, dem globalen Umweltschutz oder mit internationalen Missionen?
Kalkulierbares Risiko: Steht das politische Risiko, das die Schweiz eingeht,
im Verhältnis zum erwarteten Gewinn?

6337

Angesichts dieser Kriterien wird die Schweiz die Mittel des neuen Rahmenkredits noch stärker auf die Regionen konzentrieren, welche für sie von strategischem Interesse bzw. mit Blick auf die Stabilität von besonderer Relevanz sind: Mittelmeerraum (Balkan, Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika), Kaukasus und Zentralasien sowie punktuelle Prioritäten im Afrika südlich der Sahara. Zu diesen Ländern und Regionen kommen die Länder hinzu, mit denen eine Zusammenarbeit zur Förderung der Menschenrechte stattfindet (Ziff. 3.3.3).

In jedem Schwerpunktland und jeder Schwerpunktregion werden im Prinzip Mittel in Höhe von mindestens einer Million Franken jährlich eingesetzt. Die Schweizer Vertretung vor Ort (Botschaft oder Kooperationsbüro) wird durch eine Friedensberaterin oder einen Friedensberater verstärkt. Die vorliegende Botschaft legt gegenüber der Botschaft 2008­2011 neue geografische Prioritäten fest: Neben dem Sonderprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten führt die Schweiz ein Programm für menschliche Sicherheit in West- und Zentralafrika durch, gestützt auf ihre frankophonen Netzwerke und die existierenden humanitären bzw. Entwicklungsprogramme in dieser Region. Dagegen gehört Sri Lanka nicht mehr zu den Schwerpunktländern, weil sich die Verhältnisse vor Ort in den letzten Jahren verändert haben (Ziff. 3.3.2).

Die Liste der Schwerpunktländer und -regionen wird nach einer Analyse der politischen Entwicklungen und des möglichen Handlungsspielraums jedes Jahr überprüft und angepasst. Für jedes Programm ist eine Ausstiegsstrategie vorgesehen, gestützt auf regelmässige Evaluationen, die die folgenden Kriterien berücksichtigen: ­

Relevanz: Sind die Kriterien weiterhin gültig, die zur Entscheidung für das Engagement in einem bestimmten Kontext geführt haben?

­

Stabilität und Zeithorizont: Welche Transformations- oder Reformphase ist im Gange zum Zeitpunkt des Engagements? Ist die Nachkonfliktphase ausreichend stabil? Besteht ein hohes Risiko erneuter Gewaltausbrüche?

­

Wirksamkeit: Leisten die schweizerischen Instrumente einen signifikanten Beitrag an den Wandel? Erfordert der Kontext den Einsatz einer breiten Palette schweizerischer Instrumente, oder genügen gezielte Interventionen?

Wie lässt sich die ergänzende Wirkung mit den Massnahmen anderer Akteure des Bundes, z.B. der DEZA, bestmöglich gewährleisten?

­

Dauerhaftigkeit: Was geschieht im Fall eines Ausstiegs mit den erzielten Ergebnissen und den Projekten der Schweiz? Können die Bedürfnisse von andern Partnern gedeckt werden?

­

Wirkung: Könnte das Engagement der Schweiz in einem andern Kontext (Region, Land) mittelfristig eine höhere Wirkung auf die menschliche Sicherheit erzielen?

Neben dem Sonderprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten sollte insgesamt über die Hälfte des gesamthaft verfügbaren Budgets auf die geografischen Engagements entfallen (Indikator: 55 %). Von diesem Anteil sind drei Viertel des Budgets für die Schwerpunktgebiete bestimmt. Das restliche Viertel fliesst in Pilotprogramme in andern Regionen (Ziff. 3.3.2) sowie in die jährlichen strategischen Reserven, die es ermöglichen sollen, auf aktuelle Entwicklungen und auf sich abzeichnende politische Chancen zu reagieren.

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Grundsatz 3: Synergetischer Einsatz aller verfügbaren Mittel Der Bund kann bei den Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit die ganze Bandbreite des politischen Handelns abdecken: Konsultationen betreffend Projekt vor Ort; bilaterale politische Demarchen; Bereitstellung von Beratung, Schulung und konzeptuellen Forschungsergebnissen sowie Entsendungen von Experten bis hin zur multilateralen Gestaltung neuer Politiken und neuer Normen sowie der Schaffung von Mechanismen und Institutionen. Die entsprechenden Massnahmen können je nach Situation kombiniert oder angepasst werden. Auch zur Erzielung von Synergieeffekten werden diese Handlungsmöglichkeiten bei der Gestaltung und Durchführung von schweizerischen Programmen und Initiativen im Bereich der menschlichen Sicherheit ergriffen.

Grundsatz 4: Mehrjähriges Engagement Die heutigen bewaffneten Konflikte lassen sich mit punktuellen, isolierten und auf schnelle, sichtbare Ergebnisse abzielenden Interventionen nicht dauerhaft beilegen.

Gleiches gilt für die Förderung der Menschenrechte oder die Lancierung einer themenbezogenen diplomatischen Initiative. In den weitaus meisten Fällen setzt eine wirksame und glaubwürdige Politik ein mittelfristiges Engagement voraus, damit Vertrauen aufgebaut und eine konstruktive Reformdynamik entwickelt werden kann.

Allerdings können unerwartete politische Ereignisse plötzlich vielversprechende Handlungsräume erschliessen oder im Gegenteil die Anpassung oder sogar Einstellung von Aktivitäten erzwingen. Die Ressourcenplanung des EDA muss daher flexibel sein, damit es solche Chancen nutzen und auf Veränderungen reagieren kann. Der Rahmenkredit ermöglicht eine mehrjährige Planung und gleichzeitig einen flexiblen und wirksamen Einsatz verschiedener Instrumente. Die allermeisten Engagements sind in Mittelfriststrategien eingebunden, welche die Aktionen inhaltlich festlegen und die Integration im Rahmen der gesamten Aussenpolitik des Bundes gewährleisten (siehe auch Ziff. 5).

Grundsatz 5: Obere und mittlere Hierarchieebene Das EDA konzentriert sich auf die Zusammenarbeit mit den politischen Schlüsselakteuren und richtet seine Tätigkeit in einem bestimmten Friedensprozess vor allem auf die Führung der Konfliktparteien aus, unabhängig davon, ob diese offiziell oder aus einer eher informellen Position heraus
handeln. Politische Schlüsselakteure sind in rund zwei Drittel der Aktivitäten einbezogen («Track» 1 und 1,5). Die Zusammenarbeit mit einflussreichen Persönlichkeiten und Organisationen der Zivilgesellschaft wird jedoch nicht vernachlässigt, da sie häufig vielversprechende alternative Zugriffspunkte bietet.

Grundsatz 6: Die Schweiz als Akteurin Die Schweiz gilt als Akteurin ihrer Politik, wenn sie selbst ein Projekt einleitet oder umsetzt; sie ist Mitakteurin, wenn sie in entscheidendem Masse als Partnerin beteiligt ist; schliesslich ist sie Geberin, wenn sie eine Tätigkeit finanziert, sich aber nicht an der Leitung beteiligt.

Der Rahmenkredit erlaubt der Schweiz als direkte Akteurin oder als einflussreiche Mitakteurin der Politik der menschlichen Sicherheit aufzutreten. Zwei Drittel der finanziellen Verpflichtungen des Rahmenkredits sollten deshalb Projekten gewidmet werden, in denen die Schweiz Akteurin oder Mitakteurin ist.

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Grundsatz 7: Geschlechterperspektive: die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen Bei der Konzeption und Umsetzung von Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit müssen die unterschiedlichen Rollen und Bedürfnisse von Männern und Frauen einbezogen werden. Dies bezweckt eine gleichwertige Beteiligung der Frauen an der Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit. Bei Personalentsendungen wird auf ein ausgewogenes Verhältnis von Expertinnen und Experten geachtet. Künftig sollten 60 % der Einsätze die Geschlechterperspektive gezielt einbeziehen.

Grundsatz 8: Ausrichtung auf die Prävention von bewaffneten Konflikten und Waffengewalt Obwohl es besser ist, bewaffneten Konflikten und andern Gewaltsituationen vorzubeugen, als nachträglich und damit zu spät darauf zu reagieren, gibt es in der internationalen Gemeinschaft noch keine eigentliche Präventionskultur. Die Prävention ist in menschlicher, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht wirksamer und sehr viel weniger kostspielig als die Reaktion mit Nothilfe, Friedenssicherung, Wiederaufbau und Friedenskonsolidierung.

Angesichts der möglichen Risiken, die von fragilen Staaten ausgehen (in denen sich der Terrorismus oder das organisierte Verbrechen entwickeln oder deren Krisen auf die Nachbarländer übergreifen können) sowie angesichts der erwiesenen Kosten aus Konsequenzen mangelnder Präventionsmassnahmen ­ z.B. Auswirkungen auf die Entwicklung, Zunahme von friedenssichernden Missionen ­ hat die Prävention während des letzten Jahrzehnts an Bedeutung gewonnen. Neue Risikofaktoren wie der Klimawandel und die Umweltzerstörung verlangen noch dringendere Anstrengungen zur Verhütung von bewaffneten Konflikten und anderen Gewaltsituationen.

Der Bund möchte zur Festigung der regionalen, nationalen und internationalen Strukturen zur Prävention von bewaffneten Konflikten und andern Gewaltsituationen beitragen. Dazu setzt er auf drei Pfeiler der Prävention: Erstens sollen die internationalen und regionalen Präventionsstrukturen und -mechanismen effizienter gestaltet werden; zweitens sollen nationale und lokale Mechanismen für die friedliche Konfliktbeilegung gefördert werden (u.a. durch Projekte auf bilateraler Ebene); drittens soll der rasche und kohärente Einsatz im Krisenfall sichergestellt werden (präventive Diplomatie). Das
Streben nach Synergien, die Erarbeitung von gemeinsamen Strategien und die Kombination der verschiedenen Präventionsinstrumente sind für ein wirksames Handeln zwischen allen relevanten Akteuren des Bundes, besonders im Bereich Frieden, Entwicklung, Sicherheit und Völkerrecht, unverzichtbar. Prävention erfordert sowohl ein langfristiges Engagement zu den eigentlichen Ursachen der bewaffneten Konflikte als auch kurz- und mittelfristige Reaktionen, um die Dynamik von bewaffneten Konflikten und Gewalt zu beeinflussen.

Die Schweiz setzt konkret die verschiedenen Instrumente in unterschiedlicher Kombination ein und passt sie jeweils an, um aktiv zur Prävention neuer bewaffneter Konflikte und anderer Gewaltsituationen beizutragen: Bekämpfung der Waffenproliferation, Programme für die zivile Friedensförderung, Festigung von Rechtsstaat und Demokratie, Teilnahme an internationalen Friedenseinsätzen, Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer und Wiederaufbau. Die Schweiz möchte sich auch künftig für eine Stärkung von Kapazitäten und eine Klärung der Aufgaben der verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure auf globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene einsetzen.

6340

Grundsatz 9: Dialog als Mittel zur Förderung der menschlichen Sicherheit Zu den historischen Stärken der Schweiz gehört ihre Fähigkeit, als verlässlicher und glaubwürdiger Ansprechpartner den Dialog zu fördern. Gerade in einem von internationalen Spannungen geprägten Umfeld ist es wichtig, zwischen unterschiedlichen Positionen Brücken zu schlagen. Der Dialog erwies sich bislang als besonders zweckdienliches Mittel der schweizerischen Aussenpolitik: Er sicherte der Schweiz bemerkenswerte Erfolge und eine etablierte Stellung in der internationalen Staatengemeinschaft.

In den letzten Jahren förderte die Schweiz den Dialog in internationalen Gremien, in den Beziehungen mit den Staaten sowie im Rahmen ihrer Tätigkeit im Feld, um die Achtung der Menschenrechte voranzutreiben und den Frieden zu fördern. Künftig möchte die Schweiz das Instrument des Dialogs noch stärker in den Mittelpunkt stellen.

Neben diesen neun Grundsätzen richtet sich die Schweiz bei der Verwirklichung dieser genannten Ziele insbesondere nach den vom Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der OECD aufgestellten zehn «Prinzipien für ein zweckmässiges internationales Engagement in fragilen Staaten und Situationen» ­ in Einhaltung der internationalen Normen und sofern diese auf das diplomatische Vorgehen anwendbar sind.12

3.2

Themen

Die Schweiz konzentriert sich auf sechs Themen, bei denen sie über ein erwiesenes und anerkanntes Fachwissen verfügt, das ihr im internationalen Vergleich einen Mehrwert verleiht.

3.2.1

Frieden und Sicherheit

3.2.1.1

Internationale und nationale Friedensarchitekturen

Frieden, Sicherheit, Menschenrechte und Entwicklung sind untrennbar; die UNO, die EU, die OSZE, die OECD, die NATO sowie andere Organisationen und Akteure verfolgen zunehmend einen gesamtheitlichen Ansatz, um die Herausforderungen in diesem Bereich zu bewältigen. Derzeit wird beispielsweise ein institutionelles Friedenskonsolidierungssystem («Peacebuilding Architecture») aufgebaut. Es werden 12

Im April 2007 nahm der OECD-Entwicklungshilfeausschuss die folgenden Prinzipien an: Prinzip 1: Den Kontext als Ausgangspunkt nehmen Prinzip 2: Schaden vermeiden Prinzip 3: Die Staatsbildung als zentrales Ziel betrachten Prinzip 4: Der Prävention den Vorrang geben Prinzip 5: Die Zusammenhänge von Politik-, Sicherheits- und Entwicklungszielen erkennen Prinzip 6: Nichtdiskriminierung als Basis für inklusive und stabile Gesellschaften fördern Prinzip 7: Die Massnahmen in verschiedenen Kontexten auf verschiedene Weise auf lokale Prioritäten ausrichten Prinzip 8: Praktische Koordinationsmechanismen zwischen internationalen Akteuren vereinbaren Prinzip 9: Schnell handeln ... aber lange genug engagiert bleiben, damit sich Erfolge einstellen können Prinzip 10: Ausgrenzung vermeiden

6341

zudem integrierte und globale Strategien entwickelt und umfassende Bemühungen unternommen, um die bestehenden Institutionen zu erneuern. Die Schweiz unterstützt diese Entwicklung aktiv und setzt sich besonders in den folgenden Bereichen ein: Die Schweiz trägt wesentlich zu den internationalen Arbeiten für die Friedenskonsolidierung im multilateralen Rahmen bei, indem sie in der UNO und andern multilateralen Gremien Vorschläge zu Fragen der Kohärenz und Koordination von internationalen Bemühungen und der guten Praktiken unterbreitet. Zudem engagiert sich die Schweiz für Lösungen für die Herausforderung der Friedenssicherung, die mit der Frage der Friedenskonsolidierung eng zusammenhängt. Dabei verfolgt sie einen abgestimmten Ansatz auf nationaler Ebene («whole of government approach»).

Die meisten heutigen Konflikte sind innerstaatlicher Art und finden in einem fragilen Umfeld statt. Dies macht internationale Friedensicherungsmissionen (Peacekeeping Missions) zu einem zunehmend komplexen Unterfangen. Diese Missionen erfordern die koordinierte und ergänzende Zusammenarbeit der verschiedenen Komponenten. Die UNO versucht zivile und militärische Ressourcen in sogenannten integrierten Missionen zu bündeln sofern die Umstände sich dafür eignen. Die EU verfolgt denselben Ansatz. Die Schweiz wird sich weiterhin an der konzeptuellen und operationellen Entwicklung in diesem Bereich sowie an besonderen Missionen im Feld beteiligen. Bei integrierten Missionen sind beispielsweise in der UNO und in der Schweiz Überlegungen zur Zusammenführung der zivilen und militärischen Ressourcen in im Gange.

Die Frage der Reform des Sicherheitssektors («Security System Reform», SSR) bietet seit rund zehn Jahren einen Rahmen für Reformen in den Bereichen Streitkräfte, Polizei, Zoll, Justiz, Nachrichtendienste sowie Kontrolle dieser Institutionen durch Parlament und Zivilgesellschaft. Die internationalen Akteure haben die SSR in ihre friedens-, entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Kooperationsprogramme integriert. Das gilt auch für die Schweiz, welche selbst ein aufschlussreiches Beispiel dafür darstellt, wie Sicherheitssysteme in einem dezentralen Staat funktionieren können. Mit dem Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF) verfügt sie über eine kompetente, erfahrene und weltweit anerkannte
Partnerinstitution.

Die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung («Disarmament, Demobilisation and Reintegration», DDR) von ehemaligen Kämpfern spielt für die Friedenskonsolidierung oft eine wesentliche Rolle. Dieser Bereich umfasst Aspekte der Entwicklungs- und Sicherheitspolitik sowie der humanitären Politik. Die Schweiz wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Grundlagen für die DDR geschaffen werden, namentlich in den Friedensverhandlungen und den Programmen zur Friedenskonsolidierung, an denen sie sich beteiligt.

3.2.1.2

Abrüstung und Nonproliferation für Frieden und menschliche Sicherheit

Seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Übereinkommen) von 1999 sind beeindruckende Erfolge erzielt worden, doch es bleibt viel Arbeit übrig: 39 Vertragsstaaten müssen immer 6342

noch verminte Gebiete räumen. Die Schweiz beteiligt sich an der Vernichtung der Bestände, den Minenräumungskampagnen, der Sensibilisierung für Minengefahren und der Opferhilfe. Sie unterstützt das Genfer Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung, das wichtigste Kompetenzzentrum, bei dem auch die Unterstützungseinheit für die Vertragsstaaten des Ottawa-Übereinkommens angesiedelt ist.

Daneben engagiert sich die Schweiz für die allgemeine Ratifizierung des Übereinkommens und bemüht sich, das Verbot der Antipersonenminen auch bei nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen durchzusetzen. Sie setzt sich für die Lösung der akuten humanitären Probleme ein, die durch andere explosive Kriegsmunitionsrückstände einschliesslich Streumunition verursacht werden. 2011 wird das Übereinkommen über Streumunition (Oslo-Übereinkommen) dem Parlament zur Ratifizierung unterbreitet. Die Massnahmen zur Umsetzung des Ottawa-Übereinkommens und des Oslo-Übereinkommens sind insgesamt eng miteinander verbunden. Die aktuelle Strategie des Bundes zur Minenbekämpfung wird deshalb angepasst, um insbesondere die explosiven Kriegsmunitionsrückstände und die Problematik der Streumunition zu berücksichtigen.

Kleinwaffen und leichte Waffen fordern jedes Jahr Hunderttausende von Menschenleben. Sie sind leicht zu beschaffen und einfach zu bedienen. Die unerlaubte Verbreitung und der Missbrauch dieser Waffen gefährden die menschliche Sicherheit gravierend, verlängern und verschärfen Konflikte und behindern die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die Schweiz beteiligt sich seit Ende der 1990er-Jahre auf internationaler Ebene und in der UNO aktiv an der Bekämpfung des unerlaubten Handels von Kleinwaffen und deren Missbrauchs. Die seit 2008 bestehende Strategie wird für den Zeitraum 2012­2015 angepasst werden. Sie unterstützt das wichtigste Kompetenzzentrum für Kleinwaffen, das «Small Arms Survey» in Genf, welches auf eine Initiative der Schweiz gegen bewaffnete Gewalt und deren Auswirkungen auf die sozioökonomische Entwicklung zurückgeht (Ziff. 3.3.5).

Im Rahmen der UNO beteiligt sich die Schweiz aktiv an den Verhandlungen über ein Abkommen über den Handel mit konventionellen Waffen, dem sogenannten Waffenhandelsvertrag (TCA). Der TCA legt rechtlich verbindliche internationale Normen für den Import, den Export und den
internationalen Transfer solcher Waffen fest. Er soll dazu beitragen, den illegalen Waffenhandel namentlich in Afrika zu unterbinden. Dieser ist dort mitverantwortlich für schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts und beeinträchtigt die nachhaltige Entwicklung. Die Schweiz bringt ihre Erfahrung in diese Verhandlungen ein, weil sie über eine strenge Gesetzgebung und Praxis bezüglich WaffenexportKontrolle, eine lange humanitäre Tradition und ein konkretes Knowhow im Bereich der Friedenspolitik und der Politik der menschlichen Sicherheit verfügt.

Im Aussenpolitischen Bericht 201013 und im Bericht über die Sicherheitspolitik 201014 erklärte der Bundesrat, dass die Schweiz sich vermehrt in den Bereichen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nonproliferation einsetzen wird. Die nukleare Abrüstung soll dabei einen Schwerpunkt bilden (Ziff. 3.3.5). Eine engagierte Abrüstungspolitik bildet die natürliche Ergänzung einer Politik der aktiven Friedensförderung. Sie strebt das gleiche Verfassungsziel wie die zivile Friedensförderung an, 13 14

Aussenpolitischer Bericht 2010 vom 10. Dezember 2010, BBl 2011 1013.

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 23. Juni 2010, BBl 2010 5133.

6343

nämlich das friedliche Zusammenleben der Völker, und trägt massgeblich zur Festigung der menschlichen Sicherheit bei. Die Abrüstungs- und Rüstungskontrollthematik ist heute geprägt durch komplexe Herausforderungen, aber auch durch neue Chancen, die lange ersehnte Fortschritte ermöglichen könnten.

Die Schweiz hat bislang zwar in der Abrüstung von bestimmten konventionellen Waffen mit verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung (Minen, Kleinwaffen usw.) eine aktive Rolle gespielt, nicht aber in der Abrüstung insgesamt (Massenvernichtungswaffen, schwere konventionelle Waffen und deren Verbreitung). Ein stärkeres Engagement der Schweiz erweist sich als notwendig und angemessen. Die Schweiz ist dank ihrer soliden Erfahrungen mit Guten Diensten und diplomatischen Initiativen besonders gut aufgestellt, um hier eine wichtige Rolle zu spielen. Zudem pflegt sie gute Beziehungen zu praktisch allen Ländern, einschliesslich der Grossmächte. Ihre humanitäre Tradition und ihre immerwährende Neutralität verpflichten sie zum Gewaltverzicht und zum Fernbleiben von militärischen Bündnissen. Schliesslich verzichtet die Schweiz auf Massenvernichtungswaffen und verfolgt eine Doktrin des defensiven Einsatzes der Streitwaffe. Künftig sollen dem Abrüstungsbereich jedes Jahr umfassende Mittel (eine Million Franken für 2011) aus dem laufenden Rahmenkredit gewidmet werden. Damit leistet der Bundesrat dem Postulat 09.3003 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates vom 19. Januar 2009 Folge (Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung); in der vorliegenden Botschaft wird die Abschreibung des Postulats beantragt. Der Bundesrat hatte das Postulat am 25. Februar 2009 angenommen (siehe Anhang 2).

Nach Auffassung des Bundesrates ist es aufgrund der Mittel, die im Rahmen des aktuellen Rahmenkredits gesprochen wurden, nicht angezeigt, einen neuen Rahmenkredit für die zusätzliche Finanzierung des schweizerischen Engagements für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtproliferation zu beantragen.

3.2.1.3

Gender, Frieden und Sicherheit

Die Politik der Schweiz im Bereich der menschlichen Sicherheit beruht auf zwei grundlegenden Erkenntnissen: 1.) Bewaffnete Konflikte und Gewalt betreffen Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise. 2.) Menschliche Sicherheit und nachhaltiger Frieden sind nur dann möglich, wenn Frauen und Männer paritätisch in alle Prozesse einbezogen werden. Daraus folgt, dass eine erfolgreiche Friedenspolitik die geschlechtsspezifischen Rollen und Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigen muss. In der Resolution des UNO-Sicherheitsrats 1325 (S/RES/1325) zu Frauen, Frieden und Sicherheit vom 31. Oktober 2000 werden die entsprechenden Anforderungen definiert. Die Resolution verpflichtet die Staaten, alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien und alle in der Friedensförderung engagierten Akteure zu Folgendem: ­

Verstärkung der Teilnahme von Frauen an der Friedensförderung;

­

Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Schutz der Bedürfnisse und Rechte von Frauen und Mädchen während und nach bewaffneten Konflikten;

­

Integration einer gendersensitiven Perspektive in alle Projekte und Programme der Friedensförderung.

6344

Diese Punkte wurden vor Kurzem in mehreren Nachfolgeresolutionen weiter vertieft. Die Resolution 1820 des Sicherheitsrats fokussiert sich auf die Prävention von sexueller Gewalt, die Bekämpfung der Straflosigkeit der Täter und auf den Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen. In der Resolution 1888 wird insbesondere das neue Amt des Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs gegen sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten geschaffen.

Um die komplexen und transversalen Forderungen aus diesen Resolutionen systematisch in ihre Friedensförderungspolitik einzubeziehen, hat die Schweiz 2007 als eines der ersten Länder einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet. Die zweite Umsetzungsphase (2010­2012) ist im Oktober 2010 angelaufen. Der Stand der Umsetzung wird regelmässig evaluiert und die Ergebnisse werden in einem Fortschrittsbericht festgehalten.

Eine konkret durchgeführte Massnahme zum Nachweis der Integration des geschlechtsspezifischen Ansatzes (Gender Mainstreaming) in die Programme und Projekte zur Förderung der menschlichen Sicherheit besteht darin, in Kreditgesuchen einen Gender-Marker zu verwenden. Mit einem solchen Marker kann die Gender-Dimension über die Mittelflüsse zugunsten von Aktivitäten der menschlichen Sicherheit weiter ausgewertet werden («Gender Responsible Budgeting»).

3.2.1.4

Religiöse Faktoren, Weltbilder und Konfliktbeilegung

Religiöse und politische Faktoren spielen für die Beilegung vieler aktueller Konflikte eine Schlüsselrolle. Das EDA befasst sich zusammen mit Partnerinnen und Partnern in der Schweiz und im Ausland mit Konflikten, in denen diese verschiedenen Faktoren entscheidend miteinander verbunden sind. Dabei verfolgt es einen in religiöser Hinsicht neutralen Ansatz, um die Gesprächspartner nicht durch eine Interpretation ihrer Verhaltensweisen oder Einstellungen zu bevormunden. Das EDA beschränkt sich ebenso wenig nur auf Konflikte, bei denen der islamische Extremismus als Faktor eine Rolle spielt, selbst wenn dieser zurzeit weltweit grosse Aufmerksamkeit weckt. Das EDA befasst sich auch mit politischen Problemen, bei denen nationalistische oder tendenziell radikale Bestrebungen von religiös inspirierten Bewegungen als Faktoren zu berücksichtigen sind.

Unter den konkreten Initiativen zur Konflikttransformation, die auf das Zusammentreffen unterschiedlicher Wertsysteme und Weltbilder zurückgehen, sind insbesondere das Engagement in der Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen sowie Dialogprojekte von gemeinsamem Interesse zu nennen. Diese zielen darauf ab, Vertrauen zwischen säkularen politischen und religiös inspirierten politischen Akteuren oder zwischen Akteuren unterschiedlicher religiöser Prägungen zu schaffen.

3.2.2

Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung

Missbrauch von Macht und Ressourcen kommen in der Regel in politischen Systemen vor, die weder Gewaltenteilung noch effektive Kontrolle kennen. Weitere Merkmale solcher Systeme sind seltene Machtwechsel, unfaire Wahlprozesse,

6345

Unterdrückung der Opposition, Diskriminierung von Minderheiten sowie Korruption.

Mit ihrem Status als älteste Demokratie der Welt ist die Schweiz gut aufgestellt, um im Rahmen ihrer Politik der menschlichen Sicherheit und der Entwicklungszusammenarbeit die Festigung der demokratischen Strukturen und Prozesse zu unterstützen. Die sichtbare und dauerhafte Begleitung der Demokratisierungsprozesse im Rahmen der Aktivitäten für die menschliche Sicherheit erfordert umfassende Finanz- und Humanressourcen. Die vorliegende Botschaft sieht deshalb vor, die Mittel für die Unterstützung der Demokratisierung aufzustocken und sie für Aktivitäten im Zusammenhang mit bestimmten Friedensprozessen einzusetzen oder Akteuren der operationellen Konfliktprävention (kurz- und mittelfristig) zur Verfügung zu stellen.

In diesem Rahmen wird die Schweiz auch künftig die Wahlvorbereitung und -abwicklung unterstützen, sich für die Prävention von Wahlkonflikten und für die Ausarbeitung von Verfassungen einsetzen sowie Beratung zu Föderalismus und Gewaltenteilung vermitteln. Dabei will sie die eigenen bewährten innerstaatlichen Erfahrungen mit dem Föderalismus, der sprachliche und kulturelle Minderheiten fördert, stärker einbringen. Allerdings gibt es kein Patentrezept für den Aufbau von politischen Strukturen. Das schweizerische Fachwissen muss deshalb sorgfältig eingesetzt werden und sich an den konkreten Bedürfnissen einer bestimmten Gesellschaft orientieren.

Prävention von Wahlkonflikten Wahlen haben eine stabilisierende Wirkung, wenn sie korrekt und transparent durchgeführt werden. Sie können aber auch zu Gewalt führen und damit Frieden und Demokratie insbesondere in fragilen Staaten gefährden.

Seit einigen Jahren leistet die Schweiz gezielt fachliche Hilfe zur Prävention von Wahlkonflikten. Dabei investiert sie in die systematische Analyse von Konfliktfaktoren rund um Wahlen und nimmt an der internationalen Diskussion zur Entwicklung von Präventionsmassnahmen teil. Schweizer Wahlexpertinnen und -experten aus Kantonen und Gemeinden sind bereit, ihr Fachwissen anzubieten.

Die Bemühungen in diesem Bereich sind noch zu vertiefen, indem die Wahlumstände und -organisation u.a. durch die folgenden Instrumente verbessert werden: Bereitstellung von Fachwissen für Überprüfungen des Rechtsrahmens der Wahlen, der diskriminierungsfrei
und gegen Wahlbetrug abschreckend sein muss; Förderung von Transparenz-Instrumenten, um das Vertrauen in den Wahlprozess zu erhöhen; Erleichterung des Dialogs zwischen den politischen Parteien und der Wahlkommission, um die Wahlregeln zu klären und besser zu befolgen usw. Die Auswahl der geeigneten Instrumente richtet sich jedoch stets nach den jeweiligen Bedürfnissen und Umständen. Die Koordination mit andern Diensten und Organisationen ist unverzichtbar, um ein Hilfsprogramm im erforderlichen Umfang anzubieten, damit die Wahlen in den Ländern, in denen sich die Schweiz engagiert, nicht destabilisierend wirken, sondern einen Faktor zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Frieden bilden.

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3.2.3

Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten

Bei bewaffneten Konflikten kommt es oft zu gravierenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, die vor allem die Zivilbevölkerung treffen. Diese Rechtsverletzungen hinterlassen tiefe Wunden in der Gesellschaft und führen dazu, dass Konflikte erneut ausbrechen.

Um die Umwandlung der Konflikte in einen dauerhaften Frieden weiter zu unterstützen, hat der Bund eine interdepartementale Taskforce zur Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten gebildet. Die Schweiz wird sich zudem dafür einsetzen, dass Friedensabkommen systematisch Massnahmen gegen die Straflosigkeit, für die Versöhnung und die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit umfassen.

Konkret wird sie die Gesellschaften unterstützen, die bewaffnete Konflikte erfahren haben, um in der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Bekämpfung der Straflosigkeit einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Dabei sollen Massnahmen wie die Einsetzung von Untersuchungs- und Wahrheitskommissionen, die Schaffung spezifischer Gerichte, die Einführung von Entschädigungs- und Wiedergutmachungsprogrammen für die Opfer sowie die Reform der Sicherheitsinstitutionen kombiniert werden, um Garantien der Nichtwiederholung zu bieten. Daneben wird die Schweiz die Arbeit der Regierungen und der Akteure der Zivilgesellschaft geschlechtsspezifisch und konkret begleiten, um Verschwundene wiederzufinden (Exhumierungen), den Familien der Opfer zu helfen, die Archive über Menschenrechtsverletzungen zu erhalten und ehemalige Kämpferinnen und Kämpfer dauerhaft wiedereinzugliedern.

Bei der Bekämpfung der Straflosigkeit orientiert sich die Schweiz an den einschlägigen internationalen Prinzipien, die einen strategischen Bezugsrahmen für auf die Opferrechte ausgerichtete Massnahmen und die Pflichten der Staaten hinsichtlich Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantie der Nichtwiederholung der Rechtsverletzungen bilden («Joinet»-Grundsätze).

Auf bilateraler Ebene wird die Schweiz weiterhin durch Beratung, technische und politische Begleitung und finanzielle Unterstützung zahlreiche Initiativen unterstützen, insbesondere in Guatemala (z.B. Internationale Kommission gegen Straflosigkeit), in Kolumbien (Arbeitsgruppe Historisches Gedächtnis der Nationalen Kommission für Wiedergutmachung und Versöhnung), in Südosteuropa (z.B. Suche nach
Verschwundenen), im Kaukasus und in der Region der Grossen Seen.

Völkermord wird in der Absicht begangen, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche zu zerstören und ist gemäss internationalem Recht ein Verbrechen; die internationale Gemeinschaft ist zur Prävention und/oder Beendigung des Völkermords verpflichtet. Die Schweiz wird sich auch künftig bemühen, Genozid und Massengräuel zu verhüten. Sie wird weiterhin auf allen Kontinenten regionale Foren mitorganisieren, um ein weites Netz von hochrangigen Behördenvertreterinnen und -vertretern zu knüpfen, die in den jeweiligen Ländern Frühwarnsysteme aufbauen sollen. Schliesslich beteiligt sie sich weiter an der Arbeit des Internationalen Forums über den Holocaust und unterstützt die Aktivitäten des Büros des Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs für die Verhütung von Völkermord und Massengräueln.

6347

3.2.4

Förderung und Schutz der Menschenrechte

Die schweizerische Menschenrechtspolitik richtet sich im Wesentlichen nach drei Themenschwerpunkten: Schutz und Förderung der bürgerlichen und politischen Grundrechte, Schutz und Förderung bestimmter wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte sowie Schutz der Rechte besonders verletzlicher Menschen. Dieses Engagement geht mit der Einbindung der Menschenrechte in andere Politikfelder (Mainstreaming) und der Stärkung der internationalen Institutionen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte einher, einschliesslich der Initiativen, an denen sich der Privatsektor mitbeteiligt.

Schutz und Förderung der bürgerlichen und politischen Rechte Das Recht auf Leben ist das erste Menschenrecht. Die Schweiz setzt sich für ein weltweites Moratorium bei der Todesstrafe ein und strebt ihre Abschaffung an. Ab Ende 2011 wird die Schweiz in Genf das Sekretariat der neu geschaffenen Internationalen Kommission gegen die Todesstrafe beherbergen. Zugleich fordert sie die Staaten auf, welche an dieser Strafe festhalten, die völkerrechtlichen Mindestanforderungen einzuhalten, namentlich das Verbot der Hinrichtung bestimmter Personen wie Minderjährige oder geistig Behinderte.

Das Verbot der Folter duldet keine Ausnahme. Das uneingeschränkte Folterverbot gilt auch im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung. Die Schweiz engagiert sich in ihren bilateralen und multilateralen Beziehungen besonders für Präventionsmassnahmen bereits in den ersten Stunden nach einer Verhaftung sowie für die regelmässige Kontrolle der Haftbedingungen durch unabhängige Beobachter. Die Schweiz appelliert an die Staaten, den bestehenden Rechtsinstrumenten beizutreten, und gewährt dem Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen weiterhin ihre Unterstützung.

Die Freiheit der Meinungsäusserung bildet den Eckstein jeder Demokratie und einen wesentlichen Bestandteil jeder Gesellschaft, die die Grundrechte achtet. Die Schweiz wird sich in diesem Bereich weiterhin engagieren, indem sie die Bestrebungen bestimmter Länder, die Meinungsfreiheit einzuschränken, nachdrücklich verurteilt und sie die Stimme der Zivilgesellschaft dort unterstützt, wo sie verstummt ist oder erstickt wird.

Schutz und Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte Angesichts der
Globalisierung und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen sowie angesichts der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrisen sollten die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stärker weiterentwickelt werden. Sie stehen daher ganz oben auf der Tagesordnung des Menschenrechtsrats und bilden das Kernstück der Millenniumsentwicklungsziele.

Der Bund wird sich weiterhin für die allgemeine Anerkennung des Rechts auf Wasser und sanitäre Versorgung auf internationaler Ebene einsetzen. In puncto Recht auf Nahrung engagiert sich die Schweiz für einen diskriminierungsfreien Zugang zu Nahrung gerade für verletzliche Gruppen; dazu müssen jedoch bestimmte Fragen hinsichtlich des Zugangs zu Grund und Boden geklärt werden. Beim Recht auf Gesundheit wird die Schweiz weiterhin dafür plädieren, die sozioökonomischen Faktoren, die den Menschen ein gesundes Leben überhaupt ermöglichen, ebenso zu

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berücksichtigen wie die Menschenrechte, wie etwa der Zugang zu Trinkwasser oder das Diskriminierungsverbot.

Stärkung der Menschenrechte von verletzlichen Gruppen Die Frauenrechte bilden einen festen Bestandteil der grundlegenden Menschenrechte. Die Stärkung der Frauenrechte und insbesondere die Thematik der weiblichen Beschneidung und Genitalverstümmelungen stellen deshalb eine Priorität der schweizerischen Politik dar.

Was die Rechte der Kinder betrifft, wird die Schweiz ihre Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit wie in den vergangenen Jahren vor allem auf die Rechte von Kindern in bewaffneten Konflikten konzentrieren. Sie wird dem Büro der Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte weiterhin politische und finanzielle Unterstützung gewähren. Zudem wird sie eine Initiative zur Durchsetzung der völkerrechtlichen Normen bei nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen unterstützen. Schliesslich möchte sie an den Vorverhandlungen zu einem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes teilnehmen, das ein Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Zugleich befasst sie sich mit verschiedenen Grundsatzfragen, u.a. etwa der Frage, wer im Namen der Kinder auftreten kann, die Opfer von Rechtsverletzungen werden.

Das Engagement der Schweiz für den Schutz der Mitglieder von Minderheiten beruht auf der Überzeugung, dass die Achtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und der Rechtsgleichheit, der Schutz und die Förderung der kulturellen, religiösen und sprachlichen Identität von Angehörigen nationaler Minderheiten und ihre Mitwirkung am politischen und gesellschaftlichen Leben der Stabilität sowie dem Wohlstand eines Landes förderlich sind und wesentlich zur Konfliktprävention beitragen. Die Schweiz fördert Konflikttransformationsprozesse, bei denen es beispielsweise um die Machtverteilung zwischen Mehrheit und Minderheit auf politischer, diplomatischer und zivilgesellschaftlicher Ebene aufgrund ihrer technischen und methodologischen Kompetenzen und finanziellen Mittel geht. Die Schweiz wird sich auch künftig für die Stärkung der bestehenden internationalen Mindestnormen im Minderheitenschutz einsetzen.

Die Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger spielen bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte eine entscheidende Rolle. In
vielen Ländern wird ihre Tätigkeit durch Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der freien Meinungsäusserung behindert. Bisweilen gerät sogar ihr Leben in Gefahr. Die Schweiz setzt sich vor allem für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger ein, indem sie bei Staaten interveniert, deren Behörden diese Personen schikanieren. Ausserdem bietet sie einigen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern eine Patenschaft durch Schweizer Persönlichkeiten an.

Homosexuelle, bisexuelle und transsexuelle Menschen (LGBT) sind in vielen Ländern heute noch unterschiedlichsten Arten von Diskriminierung ausgesetzt, die mehrere Lebensbereiche berühren. Die LGBT riskieren Verhaftung, Folter und in manchen Ländern sogar Hinrichtung. Die Schweiz wird sich daher an der notwendigen Sensibilisierung und Diskussion beteiligen, um zwischen entgegengesetzten Auffassungen zu vermitteln. Gleichzeitig macht sie sich für den Grundsatz stark, dass die Menschenrechte unterschiedslos für alle gelten, ungeachtet der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität.

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Mainstreaming ­ Integration der Menschenrechtsperspektive Die schrittweise Integration der Menschenrechtsperspektive (Mainstreaming) in die Festlegung und Umsetzung anderer Politiken fördert die Kohärenz der Schweizer Aussenpolitik. Ziel ist es, die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung mit Menschenrechtsfragen vertraut zu machen, institutionelle Strukturen, welche die Sensibilisierung und Weiterbildung gewährleisten, aufzubauen sowie die Zusammenarbeit und Kohärenz zwischen den Ämtern zu verbessern. Die Kooperation und Unterstützung des neu gegründeten Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte wird diese Bemühungen mittragen.

Stärkung der Institutionen Ein weiterer Themenschwerpunkt bildet die Stärkung der nationalen und internationalen Institutionen für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte, die traditionell im Vordergrund der schweizerischen Politik stehen.

Der Bundesrat hat am 1. Juli 2009 beschlossen, das Pilotprojekt «Einkauf von Leistungen bei einem akademischen Kompetenzzentrum im Bereich der Menschenrechte» in die Wege zu leiten. Dieses Kompetenzzentrum soll die Umsetzungskapazitäten im Bereich Menschenrechte in der Schweiz ausbauen. Dazu vermittelt es seinen Klientinnen und Klienten Information, Beratung, Instrumente und Plattformen für den Austausch. Die Leistungen des Zentrums werden einerseits vom Bund und andererseits von Kantonen, Gemeinden sowie vom Privatsektor in Anspruch genommen. Für die Grundfinanzierung stellt der Bund (EDA und EJPD ) ab 2011 für die Dauer von fünf Jahren einen jährlichen Basisbeitrag von einer Million Franken bereit. Ein interdepartementaler Lenkungsausschuss kontrolliert die Verwendung dieses Beitrags.

Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte Zum Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte unter der Federführung der Universität Bern gehören die Universitäten Bern, Freiburg, Neuenburg und Zürich zusammen mit dem Universitäts-Institut Kurt Bösch in Sitten, der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Luzern und dem Verein Humanrights.ch.

Die Arbeit des Zentrums gliedert sich nach Themen, die heute in der Schweiz zur Diskussion stehen und zu denen internationale Gremien in den letzten Jahren Empfehlungen formuliert haben: «Polizei und Justiz», «Kindheit und Jugend», «Migration», «institutionelle Fragen», «Genderpolitik»,
«Wirtschaft und Menschenrechte».

Nach vier Jahren werden die Aktivitäten und Ergebnisse des Zentrums evaluiert.

Der Bundesrat wird dann gestützt auf diese Evaluation über die Zukunft des Zentrums entscheiden.

In den Vereinten Nationen wird die Schweizer Menschenrechtspolitik vor allem im Menschenrechtsrat in Genf, im Dritten Ausschuss der Generalversammlung in New York sowie im Rahmen der Partnerschaft mit dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte eingebracht. Die Konsolidierung des Menschenrechtsrats, der verstärkte Einsatz seiner Instrumente und die bessere Berücksichtigung des verfüg6350

baren Fachwissens stehen im Mittelpunkt des schweizerischen Vorgehens. Besondere Bedeutung wird der Umsetzung von Empfehlungen der allgemeinen regelmässigen Überprüfung, der Wahrung der Unabhängigkeit in Sonderverfahren und einer angemessenen Mittelausstattung für das Büro des Präsidenten des Menschenrechtsrats beigemessen. Dank des pragmatischen, konstruktiven und offenen Ansatzes kann die Schweiz dazu beitragen, Spannungen zwischen politischen Gruppen abzubauen und im Menschenrechtsrat Konsenslösungen zu identifizieren. Damit die Schweiz diese Rolle langfristig wahrnehmen kann, wird eventuell eine neue Kandidatur für den Menschenrechtsrat für den Zeitraum 2013­2016 in Betracht gezogen.

Ausserdem möchte die Schweiz die Reform der Vertragsorgane unterstützen und sie festigen. Dieses Vorhaben setzt kontinuierliche Beziehungen mit universitären und parauniversitären Institutionen sowie ein dichtes Netz von nationalen und internationalen NGO voraus (Ziff. 3.3.6).

Die Schweiz engagiert sich aktiv in regionalen Organisationen: Sie arbeitet namentlich mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates sowie verschiedenen Institutionen der OSZE zusammen, darunter dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), der Beauftragten für Medienfreiheit und dem Hohen Kommissar für nationale Minderheiten. Daneben behält sie die Entwicklungen in anderen Kontinenten genau im Auge. So unterstützt sie zum Beispiel die Arbeit der Sonderberichterstatterin über Meinungsäusserungsfreiheit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und befasst sich mit der Einsetzung der Zwischenstaatlichen Kommission für Menschenrechte des Verbands Südostasiatischer Staaten (ASEAN). Schliesslich begleitet die Schweiz mehrere Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Menschenrechtsbildung und -erziehung tätig sind und stellt auf diese Weise sicher, dass die Stimme der Zivilgesellschaft in den internationalen Gremien Gehör erhält.

Wirtschaft und menschliche Sicherheit Vor allem wegen der Globalisierung der Wirtschaft beschäftigen sich immer mehr transnationale Unternehmen mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten in den Ländern, in denen sie aktiv sind, namentlich wenn es sich um Entwicklungs- oder Tansitionsländer mit schwachen staatlichen Strukturen oder Unruhen handelt. Gesellschaft,
Investoren, Vertragspartner und Verbraucher richten zunehmend die Erwartung an die Unternehmen, dass sie die Menschenrechte achten und in der Praxis sogenannte konfliktsensitive Ansätze verfolgen. Daneben kann das Potenzial für die Förderung der Menschenrechte, für die Unterstützung von Friedensprozessen sowie für die Verhütung einer Konfliktverschärfung in vielen Unternehmen noch besser ausgeschöpft werden.

Als wichtiger Standort von international tätigen Unternehmen gestaltet die Schweiz die Rahmenbedingungen der internationalen Wirtschaftstätigkeit seit Langem mit.

Sie fördert die Formulierung internationaler Standards für die verantwortungsvolle Unternehmensführung, zum Beispiel 2010 mit dem Verhaltenskodex für private Sicherheitsfirmen (Ziff. 2.2) oder mit der Teilnahme an den «Freiwilligen Grundsätzen für Sicherheit und Menschenrechte», einer Initiative der Förderindustrie für die Einhaltung dieser Rechte, an der sich auch Nichtregierungsorganisationen und Staaten beteiligen. Der Rechtsrahmen umfasst die Instrumente der IAO, der OECD, der internationalen Entwicklungsbanken sowie den Globalen Pakt der Vereinten Nationen und das UNO-Rahmenwerk über die Unternehmensverantwortung «Schützen, achten und Rechtsschutz gewähren».

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Die Politische Direktion des EDA wird in den nächsten Jahren gemeinsam mit der DEZA und dem SECO und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und interessierten Unternehmen Methoden und Instrumente erarbeiten, die darauf abzielen, den schädlichen Einfluss wirtschaftlicher Tätigkeiten auf die Ausübung der Menschenrechte, auf die Beseitigung struktureller Armut und auf Konflikte abzubauen. Zudem wird sie positive Beiträge der Privatwirtschaft zur menschlichen Sicherheit fördern.

3.2.5

Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten

Die Zivilbevölkerung zahlt in den innerstaatlichen Konflikten des frühen 21. Jahrhunderts einen hohen Tribut. Die humanitären Akteure stehen vor einer doppelten Herausforderung: Staaten und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen zur Achtung des Völkerrechts in Konflikten und andern bewaffneten Gewaltsituationen zu veranlassen sowie vor Ort den Bedürfnissen der Zivilpersonen angemessene operationelle Antworten zu liefern. Die Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Umsetzung der «Stratege des EDA für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten» bildet in normativer, politischer und operationeller Hinsicht den Bezugsrahmen für dieses Engagement. Die Politische Direktion des EDA trägt mit den folgenden Initiativen dazu bei: Die Völkerrechtsnormen gewähren in bewaffneten Konflikten einen Mindestschutz, der unterschiedslos für alle betroffenen Zivilpersonen gilt. Der Bund engagiert sich für die Klärung, Stärkung und Einhaltung dieses Rahmenwerks durch alle Konfliktparteien. Die Schweiz wird zum Beispiel weiterhin für Instrumente zur verbesserten Normenbefolgung durch nichtstaatliche bewaffnete Akteure eintreten und diese der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Zugleich wird sie sich für eine Stärkung der Mechanismen zur Rechtsumsetzung engagieren.

Daneben setzt sich der Bund für eine Verbesserung der operationellen Reaktionsmöglichkeiten im Feld ein. Der Zugang zu den Opfern, die Sicherheit des humanitären Personals und der Schutz von besonders verletzlichen Gruppen (Frauen, Kinder, Flüchtlinge und Vertriebene) bilden die Hauptachsen ihres internationalen Engagements. Die Schweiz leistet namentlich durch ihre Zusammenarbeit mit dem «Program on Humanitarian Policy and Conflict Research» der Universität Harvard oder durch die Aufnahme informeller Dialoge unter Fachleuten einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der internationalen humanitären Politik. Zudem wird sie sich dafür einsetzen, dass Hindernisse beim Zugang zu humanitärer Hilfe erkannt und durch die Förderung konkreter Projekte Lösungen gefunden werden.

Um die Binnenvertriebenen ­ als eine besonders verletzliche Gruppe der Zivilbevölkerung ­ besser zu schützen, unterstützt der Bund den UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Binnenvertriebenen. Dieser wird
den Dialog mit den Regierungen fortsetzen und vermehrt mit internationalen Organisationen sowie staatlichen Institutionen zusammenarbeiten, damit die Leitlinien betreffend Binnenvertreibungen umgesetzt werden.

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3.2.6

Migration und Bekämpfung des Menschenhandels

Ungefähr 200 Millionen Menschen, d.h. 3 % der Weltbevölkerung, sind Migrantinnen und Migranten. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) zählte 2009 über 67 Millionen Vertriebene, davon 15 Millionen Flüchtlinge. Migrationsbewegungen betreffen immer mehr Menschen und Länder. Die Migrationsströme gehen nicht nur in Richtung der Industrieländer, sondern vor allem in Richtung der Entwicklungsländer, wo sie eine bereits schwierige Lage häufig noch verschärfen.

Zudem wird heute dem Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung, Klimawandel und Migration grössere Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Schweiz setzt sich für eine sichere und geregelte internationale Migration ein, welche die Rechte und Interessen aller Beteiligten wahrt. Eine wirksame und innovative Migrationspolitik bekämpft die negativen Auswirkungen der Migration, fördert die damit verbundenen Chancen und gewährleistet die Einhaltung der internationalen Schutznormen. Ein erfolgreiches Migrationsmanagement setzt die koordinierte Zusammenarbeit aller betroffenen nationalen und internationalen Akteure voraus (Herkunfts-, Transit- und Zielländer). Auf Ebene des Bundes werden die Akteure der menschlichen Sicherheit des EDA weiterhin eng mit dem BFM und der DEZA zusammenarbeiten.

Auf multilateraler Ebene wird die Schweiz den internationalen Migrationsdialog weiterhin unterstützen. Der in multilateralen Foren durchgeführte Dialog erlaubt der Schweiz zum einen, sich über die Prioritäten und Interessen anderer Länder im Migrationsbereich zu informieren, und zum andern, ihre Erfahrungen auszutauschen.

Die beiden Aspekte spielen bei der gemeinsamen Suche und Erarbeitung von Lösungen, die den Herausforderungen und Chancen der regionalen sowie globalen Migration gerecht werden, eine Schlüsselrolle. Die Akteure der menschlichen Sicherheit des EDA werden ihre enge Zusammenarbeit mit dem BFM und der DEZA fortsetzen. Die Schweiz hatte das Privileg, im Jahr 2011 den Vorsitz des 2006 auf Betreiben des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan gegründeten Globalen Forums für Migration und Entwicklung, eine wichtige Plattform, zu präsidieren. Dieses allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offenstehende Forum soll den informellen Erfahrungsaustausch und die konkrete Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit und Aufnahmeländern der Migrantinnen und
Migranten vertiefen. Neben diesem praxisorientierten Dialog verfolgt die Schweiz das Ziel, die Migrationsthematik in der UNO durch die Förderung des politischen Dialogs zu verankern.

Die Schweiz fördert die Politikentwicklung in neuen Themenbereichen wie die Migration aufgrund des Klimawandels, den gemischten Wanderbewegungen (Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge) sowie die Zusammenhänge zwischen Konfliktprävention und Migration.

Auf bilateraler Ebene bilden die Migrationspartnerschaften, die seit 2008 im schweizerischen Ausländergesetz verankert sind, eine innovative Antwort auf die immer komplexere internationale Migration und die widersprüchlichen Interessen der betroffenen Staaten. Das Instrument der Migrationspartnerschaften ermöglicht der Schweiz, einen fairen Ausgleich ihrer eigenen Interessen und jener der Herkunfts- oder Transitstaaten herzustellen. Zu den Schlüsselelementen der Migrationspartnerschaften gehören die Rückübernahme und die Rückkehrhilfsprogramme, aber auch die Bekämpfung des Menschenhandels, Migration und Entwicklung sowie Möglichkeiten der regulären Migration (Visapolitik, Aufenthalt zwecks Aus- und 6353

Weiterbildung). Erste Migrationspartnerschaften wurden bereits mit Balkanländern (Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Serbien) und Afrika (Nigeria) geschlossen.

Die Bemühungen sollen fortgesetzt werden.

Die Suche nach nachhaltigen Lösungen vor Ort für Flüchtlinge und andere schutzberechtigte Personen bildet eine wichtige Priorität des humanitären Engagements der Schweiz. Die Schweiz hat eine Strategie zur Stärkung des Schutzes von Flüchtlingen in den Herkunftsregionen («Protection in the Region») entwickelt, um ihre Hilfe für schutzbedürftige Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern zu verstärken. Pilotprojekte werden in Jemen (für Flüchtlinge aus Somalia) und Syrien (für Flüchtlinge aus dem Irak) umgesetzt.

Menschenhandel ist ein schweres Verbrechen, das häufig mit der organisierten Kriminalität zusammenhängt und eine gravierende Menschenrechtsverletzung bildet.

Der Menschenhandel betrifft weltweit mehrere Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, und benutzt die Schweiz als Zielland. Diese Menschen fallen der sexuellen Ausbeutung, Zwangsarbeit, Zwangsehen oder dem Organhandel zum Opfer. Armut, Perspektivlosigkeit und Abhängigkeit erzeugen einen starken Migrationsdruck, der von Menschenhändlern skrupellos ausgenutzt wird. Die Schweiz unterstützt in Herkunftsländern Programme für den Opferschutz, die Prävention und die Bekämpfung der Straflosigkeit. Auf bilateraler Ebene setzt sie sich für eine verstärkte transnationale Zusammenarbeit ein und plädiert in internationalen Organisationen für die Entwicklung und Verbreitung von internationalen Normen und Standards zur Bekämpfung des Menschenhandels.

3.3

Instrumente

Der Bund setzt sechs bewährte Instrumente zur Förderung der menschlichen Sicherheit ein: Mediation und Fazilitation, Friedensförderungsprogramme, Menschenrechtspolitik, Expertenpool, diplomatische Initiativen und Partnerschaften.

Die unter Ziffer 3.2 behandelten Themen hängen eng mit diesen Instrumenten zusammen, da sie in die geografischen Projekte und Programme integriert sind bzw.

Gegenstand von diplomatischen Initiativen bilden.

3.3.1

Mediation, Fazilitation und politischer Dialog

Die Rolle der Schweiz entwickelt sich weiter Die Schweiz ist bekannt für ihre traditionelle Vermittlerrolle und ihre Guten Dienste, was namentlich die jüngsten Schutzmachtmandate der Schweiz für Russland und Georgien bestätigen.

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Mediation zu einem der wichtigsten Instrumente geworden, mit dem sich die internationale Gemeinschaft an der Beilegung bewaffneter Konflikte beteiligt. Dies ist verschiedenen Faktoren zuzuschreiben.

Heute werden die meisten bewaffneten Konflikte innerhalb einzelner Staaten ausgetragen. Dabei geht es im Wesentlichen um gewaltsame Auseinandersetzungen um die politische Macht, die Nutzung von Rohstoffen, mehr Autonomie oder Unabhän6354

gigkeit für ethnische Minderheiten oder um soziale Gerechtigkeit. Eine dauerhafte Lösung dieser Konflikte ist in der Regel nur über Verhandlungen möglich. Ein gutes Friedensabkommen bildet eine solide Basis, um den Rückfall eines Landes in Gewalt und Chaos zu verhindern.

In diesem Kontext sind die Guten Dienste vor allem als Vermittlung zwischen Regierungen und bewaffneten nichtstaatlichen Gruppierungen gefragt. Friedensverhandlungen sind komplexe Prozesse, weil die Konfliktparteien eine Einigung zu verschiedensten Themen finden müssen: Demobilisierung, Entwaffnung und Wiedereingliederung von Rebellengruppen ins zivile Leben oder in die offizielle Armee; politische Machtteilung zwischen Mehrheit und Minderheit(en); zentrale, autonome, föderalistische oder geteilte Staatsstrukturen; Wahlen und Aufbau neuer staatlicher Institutionen; Sicherheitssektor-Reformen oder Einigungen über die Verwendung der Einnahmen aus Rohstoffen und Steuern; Vergangenheitsarbeit.

Die Verhandlungen und Mediationen verlaufen selten linear. Bereits die Kontaktaufnahme mit Konfliktparteien ­ namentlich mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppierungen ­ und die Vorbereitung von Friedensverhandlungen können sich über Jahre hinziehen. Rückschläge sind sowohl in der Verhandlungsphase als auch nach dem Abschluss eines Friedensabkommens (z.B. Norduganda, Nepal) an der Tagesordnung.

Mediationen, Fazilitationen und Mediationsunterstützung Die Schweiz verfügt über das Fachwissen und die notwendige Erfahrung und wird deshalb regelmässig von Streitparteien zu Friedensverhandlungen eingeladen. In den letzten zehn Jahren hat sie sich an rund dreissig Friedensprozessen beteiligt, wobei sie eigene Mediationen durchführte oder wesentliche Beiträge in internationalen Teams erbrachte.

Angesichts der internationalen Aktualität und ihrer Erfahrungen will sich die Schweiz im Bereich der Mediation noch stärker engagieren. Sie will in ihrem Angebot der Guten Dienste und der Mediation proaktiv bleiben sowie ihr Netzwerk von hochqualifizierten Spezialisten stärken, um noch mehr Experten in regionale und internationale Teams entsenden zu können. Auch in die Bereiche Forschung und Analyse wird sie investieren.

Konkret wird die Schweiz in ihrer Rolle als Akteurin zur Durchführung von Mediationen und Fazilitationen in erster Linie eigenes diplomatisches
und spezialisiertes Personal einsetzen: Sonderbeauftragte mit dem Titel eines Botschafters (Naher Osten, Sudan und Horn von Afrika), vor Ort tätige Schweizer Friedensberater (Nepal, Indonesien, Sudan, Burundi, Westafrika, Tschad, Balkan, Kolumbien) und Sondergesandte (Niger, Tschad).

Sie wird auch weiterhin verschiedene Friedensverhandlungen empfangen, wie beispielsweise die im Anschluss an den Konflikt zwischen Georgien und Russland 2008 ins Leben gerufenen Genfer Gespräche (Geneva Talks).

Die Schweiz wird ausserdem intensiv mit internationalen und regionalen Organisationen unter anderem mit der UNO zusammenarbeiten und diesen Expertinnen und Experten Fachwissen zur Verfügung stellen (z.B. Workshops zur Entwicklung von Kompetenzen für Friedensverhandlungen). Zwei Schweizer Mediationsexperten werden den UNO-Mediator im Rahmen der Verhandlungen zwischen Marokko und dem Front Polisario betreffend der Westsahara unterstützen. Die Schweiz wird auch

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künftig bereit sein, zur Beilegung internationaler Streitigkeiten und insbesondere von Territorialstreitigkeiten beizutragen, wenn es die Umstände ermöglichen.

Die Schweiz will die Wirksamkeit dieses Instruments mittels Mediationsunterstützung noch stärken. Sie wird weiterhin eigenes und externes Personal in Mediationsprozessen und -themen ausbilden, angewandte Forschung unterstützen und der internationalen Gemeinschaft praxisnahe Publikationen zur Verfügung stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Schweiz einen Mediationsverantwortlichen ernannt und das «Mediation Support Project» gegründet, dem Expertinnen und Experten der Stiftung «Swisspeace» und des «Center for Security Studies» der ETH Zürich angehören.

Die Schweiz wird zudem weiterhin mit der «Mediation Support Unit» der UNO zusammenarbeiten, die für Vermittlungsarbeit zuständig ist. Sie wird diese finanziell unterstützen und auch künftig zur Weiterentwicklung der Richtlinien und der Politik im Bereich Mediation beitragen. Sie tut dies zu ihrem eigenen Nutzen, da die UNO und ihre Unterorganisationen die wichtigsten Vermittler in Friedensverhandlungen sind und bleiben.

Die Schweiz wird auch ihre Zusammenarbeit mit auf Mediation spezialisierten NGO fortsetzen. Eine solche Zusammenarbeit bietet insbesondere dann Vorteile, wenn es um Konflikte in Staaten geht, die keine Einmischung anderer Staaten oder internationaler Organisationen dulden. Sie sind oft auch die einzigen internationalen Akteure, die über Jahre hinweg in Kontakt mit bewaffneten Gruppierungen bleiben und diese schliesslich zur Aufnahme von Friedensverhandlungen bewegen können.

Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren Die Dialogförderung gehört zu den traditionellen Stärken der Schweiz, manchmal gehen jedoch die Meinungen darüber auseinander, mit welchen Akteuren überhaupt ein Dialog geführt werden soll, da gewisse Regierungen, politische Persönlichkeiten oder nichtstaatliche bewaffnete Gruppen das Völkerrecht manchmal schwer verletzen. Die Schweiz verurteilt Gesetzesverstösse und terroristische Aktivitäten mit Nachdruck. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass nur ein Einbezug aller wichtigen Parteien in die Konfliktlösung eine echte und dauerhafte Beilegung eines Konflikts ermöglicht. Einen Dialog mit bewaffneten nichtstaatlichen Akteuren zu führen, bedeutet jedoch nicht,
ihre Handlungen gutzuheissen oder gar einen Straferlass zu befürworten. Die Schweiz gibt klar zu verstehen, dass der Friedensprozess über die Einhaltung der Bestimmungen und Grundsätze des Völkerrechts führt (Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht und internationales Strafrecht) und dass dieser Punkt nicht verhandelbar ist. Im Übrigen stellt sie der internationalen Gemeinschaft Werkzeuge zur Verfügung, die zu einer besseren Einhaltung der Gesetze durch nichtstaatliche bewaffnete Akteure beitragen können (Ziff. 3.3.6). Bedeutende internationale Akteure beneiden die Schweiz um ihren alle Akteure einschliessenden Ansatz, ihre Dialogfähigkeit und ihre Gesprächskanäle, die eine Nische unserer Diplomatie sind.

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3.3.2

Programme zur zivilen Friedensförderung

Die beim Bund für die menschliche Sicherheit verantwortlichen Akteure führen in verschiedenen Regionen und Ländern Programme zur zivilen Friedensförderung durch.

Südosteuropa ­ Der Bund will sein Engagement in Südosteuropa fortführen. Auf der Grundlage eines neuen mittelfristigen Zusammenarbeitsprogramms (2010­2012) wird er sich auf Bosnien und Herzegowina sowie den Kosovo konzentrieren. Die Schweiz wird auch Programme unterstützen, die eine regionale Wirkung erzielen und die Beziehungen zwischen Staaten und Bevölkerung der Region verbessern sollen. Zentrale Themen sind Vergangenheitsarbeit, Minderheitenschutz und eine bessere Vertretung von Minderheiten in Institutionen. Ausserdem will sie den politischen Dialog fördern und auch künftig die humanitäre Entminung unterstützen. Sie wird sich weiterhin konsequent dafür einsetzen, dass die Völker in dieser Region die Vergangenheit aufarbeiten und einen Versöhnungsprozess aufnehmen. Dazu wird sie lokale Initiativen durch Projektfinanzierungen begleiten oder Personal für internationale Missionen unter anderem in den Bereichen Justiz und Menschenrechte zur Verfügung stellen. Durch ihr kohärentes Engagement in der Region wird die Schweiz als Akteurin anerkannt und geschätzt.

Naher und Mittlerer Osten ­ In dieser Weltregion konzentrieren sich die Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit des Bundes auf die Förderung der Menschenrechte, des Völkerrechts und des humanitären Völkerrechts, wobei eine multilaterale Politik verfolgt wird und lokale Initiativen des öffentlichen Sektors, der Zivilgesellschaft und von Hochschulen unterstützt werden. Die Schweiz trägt auch zur Suche nach einem dauerhaften Frieden bei, indem sie Ansätze und Treffen auf regionaler Ebene in enger Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren unterstützt. Sie engagiert sich vor allem für die Vorschläge der «Genfer Initiative». So beteiligt sich die Schweiz im Rahmen des Dialogs zwischen den betroffenen Gemeinschaften aktiv an der Suche nach Lösungen im israelischpalästinensischen Konflikt und im Libanon. Schliesslich unterstützt der Bund einen regionalen Prozess zwischen mehreren Staaten im Bereich der nachhaltigen Wasserbewirtschaftung, der als Instrument zur Förderung der Entwicklung und des Friedens dienen soll.

Region der Grossen Seen ­ In Burundi basiert
die Tätigkeit des Bundes auf der Strategie 2009­2012 des EDA. Die Schweiz engagiert sich für Dialogmöglichkeiten in Burundi, um ein Wiederaufflammen des Konflikts zu verhindern. Dies tut sie in Absprache mit der Burundi-Konfiguration und der Kommission für Friedenskonsolidierung der UNO, die sie derzeit präsidiert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung der Vergangenheitsarbeit, der Stärkung des Rechtsstaates und der Einhaltung der Menschenrechte. Die Aktivitäten der Schweiz im Bereich der humanitären Entminung und der Reform des Sicherheitssektors werden auch künftig mit dem VBS koordiniert. Die Schweiz prüft auch die Bedingungen für eine Wiederaufnahme eines Programms zur Friedensförderung in der Demokratischen Republik Kongo, wo sie bereits mit der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe präsent ist.

West- und Zentralafrika ­ Die Schweiz verfolgt seit 2006 die Entwicklung der Lage im Gebiet der Sahelzone und der Sahara besonders aufmerksam. Sie hat ein friedenspolitisches Programm für West- und Zentralafrika entwickelt, das seit 2009 Gegenstand einer Aktionsstrategie ist. Die Schweiz ist seit Langem durch die Ent6357

wicklungszusammenarbeit oder die humanitäre Hilfe präsent und konzentriert sich auf Mali, Niger und Tschad. Mit Unterstützung ihres französischsprachigen Netzwerks trägt sie in Zusammenarbeit mit afrikanischen und internationalen Partnern zum Aufbau nationaler, regionaler und subregionaler Kapazitäten bei, die zur Konfliktlösung und zur Friedenskonsolidierung notwendig sind. Sie setzt sich ausserdem für einen politischen, alle Konfliktparteien einbeziehenden Dialog ein, und sie stellt ihr Fachwissen im Bereich der zivilen Friedensförderung zur Verfügung.

Nepal ­ In Nepal wird sich der Bund unter anderem auch weiterhin für die Umsetzung des Friedensabkommens und die Stärkung der staatlichen Strukturen einsetzen.

Dabei stützt er sich auf die vom EDA ausgearbeitete Kooperationsstrategie 2009­ 2012. Er wird die Überlegungen zum Thema Föderalismus, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung sowie die Reform der Sicherheitskräfte unterstützen und ein Programm für Vergangenheitsarbeit vorbereiten. Konkret unterstützt die Schweiz beispielsweise weiterhin lokale Mediatoren sowie die Wiedereingliederung maoistischer Streitkräfte ins Zivilleben und in die reguläre Armee. Zudem wird sie ihr Engagement für die Achtung der Menschenrechte fortsetzen.

Kolumbien ­ In Kolumbien wird die Schweiz weiterhin für einen dauerhaften und wirksamen Frieden eintreten. Sie ist auch künftig bereit, jegliche Friedensbemühungen zu erleichtern und wird zugleich ihre Unterstützung für zivilgesellschaftliche Initiativen anbieten. Sie wird ihre Aktivitäten zugunsten der Achtung der Rechte der Opfer, der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie der internationalen Normen im Bereich der Bekämpfung der Straflosigkeit und der Vergangenheitsarbeit fortsetzen. Zudem wird sie in Fragen des Schutzes und der Förderung der Rechte von vertriebenen Personen aktiv sein. Derzeit wird die Möglichkeit einer gemeinsamen Strategie (2013­2015) mit der humanitären Hilfe der DEZA und dem SECO geprüft, um die Bemühungen der Schweiz zu harmonisieren und dazu beizutragen, dass die Chancen einer langfristigen Konfliktbeilegung steigen. Auf der Grundlage einer für 2011 geplanten Programmevaluierung wird eine neue Mittelfriststrategie festgelegt. Die Schweiz ist weiterhin bereit, zu einem künftigen Friedensprozess beizutragen und eine Rolle als
Fazilitatorin zu übernehmen, wenn sich die Möglichkeit bietet.

In Nordafrika und im Mittleren Osten wird ein Spezialprogramm ausgearbeitet (siehe unten).

Punktuelle Interventionen und Pilotprojekte Die Schweiz muss bei der Entwicklung ihrer Friedensförderungspolitik über einen gewissen Handlungsspielraum verfügen. Manchmal ist es notwendig, ein Programm teilweise oder ganz auslaufen zu lassen, wenn kein Entwicklungspotenzial mehr vorhanden ist oder die für den Einsatz erforderlichen Bedingungen nicht mehr gegeben sind. Es ist zudem wichtig, auf Anfragen reagieren zu können und die Zweckmässigkeit eines neuen Engagements zu prüfen, wenn ein Einsatz der Schweiz gewünscht wird.

So wird in Sri Lanka die Menschenrechtssituation, die sich in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert hat, im Mittelpunkt der Aktivitäten der Schweiz stehen. Die Wirkung der Friedensförderung wird begrenzt bleiben, solange sich das politische Klima nicht verbessert. Die Schweiz ist jedoch nach wie vor bereit, ihr Engagement für den Frieden wieder zu intensivieren.

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Neu wird sich der Bund zudem im Kaukasus und in Zentralasien engagieren. Bereits präsent ist die Schweiz in diesen beiden Regionen im Bereich der menschlichen Sicherheit (nationaler Dialog in Kirgisistan; humanitärer Dialog im Nordkaukasus) und durch die Entwicklungszusammenarbeit oder die humanitäre Hilfe. Sie ist deshalb gut positioniert, um im Bereich der Friedensförderung und der Menschenrechte entscheidende Beiträge zu leisten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese beiden Regionalkontexte mittelfristig ein grosses Engagement erfordern könnten.

Humanitärer Dialog im Nordkaukasus Seit 2005 unterstützt die Schweiz gemeinsam mit Schweden das Projekt «Humanitärer Dialog zur Stärkung der menschlichen Sicherheit im Nordkaukasus», das die Situation der Zivilbevölkerung in verschiedenen nordkaukasischen Republiken der Russischen Föderation verbessern soll. Vertretungen der nationalen, regionalen und lokalen russischen Behörden sowie der Zivilgesellschaft treffen sich regelmässig, um Massnahmen zur Stärkung der menschlichen Sicherheit vor Ort vor allem für die Suche nach Vermissten und die psychologische Rehabilitation der Opfer der Konflikte in den 1990er-Jahren zu identifizieren.

Auch vor Ort werden Aktivitäten entwickelt. Das 2006 gegründete «Centre for Civil Assistance to Search for missing people» sammelt zum Beispiel Daten über Personen, die verschwunden sind. Auf dem Internet hat es eine Liste mit rund 7000 Namen veröffentlicht. Es bietet auch Kurse mit psychosozialer Hilfe für die am meisten von den Konflikten betroffenen Gruppen an, wie intern Vertriebene und Familien von Opfern. Das Projekt wird vom Bund finanziert und begleitet und von zwei russischen NGO und der Stiftung «Swisspeace» umgesetzt.

Sonderprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten Dank des bereits bestehenden soliden Kontaktnetzes in diesen Regionen, das insbesondere durch ihr Engagement im Bereich der Konfliktlösung und -prävention sowie der Förderung der Menschenrechte entstanden ist, kann die Schweiz die Instrumente für die menschliche Sicherheit rasch bereitstellen. Konkret handelt es sich dabei um Mediationen und Fazilitationen, Programme zur zivilen Friedensförderung, humanitäre Politik, bilaterale Menschenrechtsprojekte, die Bereitstellung von Expertinnen und Experten, Partnerschaften und diplomatische Initiativen.
Bei Anfragen auf bilateraler und multilateraler Ebene kann die Schweiz mit Feldprojekten, multilateralen Aktionen, politischen Konsultationen und Demarchen oder mit Beratungen und Schulungen in folgenden Bereichen aktiv werden: ­

Entwicklung und Begleitung politischer Transformationsprozesse (Transitions- und Konsolidierungsphase): Fazilitation im politischen Dialog; Schaffung konfessionell und religiös neutraler Mediationsräume, die es ermöglichen, alle betroffenen, dialogbereiten politischen Akteure einzubeziehen sowie ihnen gezielte fachliche Unterstützung anzubieten;

­

Stärkung und Schutz der Menschenrechte: Partnerschaft mit dem Hochkommissariat für Menschenrechte, Unterstützung für die Zivilgesellschaft

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und die nationalen Kapazitäten, Projekte und Programme zu Menschenrechtsfragen in ausgewählten Ländern; ­

Demokratisierungsprozesse, Wahlen und Gewaltenteilung: Erforderliches Fachwissen bereitstellen, um einen geeigneten Rahmen für den Übergang zu einer Demokratie zu schaffen (Prozess mit Verfassungserarbeitung, politischer Vertretung und politischem System, politischer Agenda und Strukturen, Wahlprozessen, Stärkung der gesetzlichen Grundlagen für die Wahlen, Unterstützung bei der Organisation und der Beobachtung von Wahlen), Minderheitenschutz, Dezentralisierung, Unterstützung der aktiven Zivilbevölkerung in Demokratisierungsfragen;

­

Migration: Schutz gefährdetete Migrantinnen und Migranten, Migrationszusammenarbeit mittels Nutzung bestehender Instrumente der Migrationsaussenpolitik der Schweiz (Schutz in der Region, Migrationspartnerschaften);

­

Schutz der Zivilpersonen: Schutz der Zivilpersonen bei bewaffneten innerstaatlichen Gewalt- und Konfliktsituationen, namentlich für besonders verletzliche Personen wie Vertriebene, Flüchtlinge, Frauen und Kinder, Förderung der Einhaltung und Umsetzung des humanitären Völkerrechts, Unterstützung für humanitären Partner des Bundes auf internationaler (UNO-Organisationen, IKRK, NGO) und nationaler Ebene in Bereichen, welche die humanitäre Hilfe des Bundes ergänzen;

­

Vergangenheitsarbeit und Versöhnung: Untersuchungen zu schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, Unterstützung bei der Erarbeitung von Strategien zur Kombination der verschiedenen Elemente im Kampf gegen Straffreiheit; Förderung von Wahrheit und Gerechtigkeit/Justiz, Wiedergutmachung und Garantie für die Nichtwiederholung sowie Versöhnungsinitiativen in Übereinstimmung mit den Normen und Standards des Völkerrechts;

­

Unterstützung für die Sicherheitssektorreformen (Armee, Polizei, Nachrichtendienste, Justiz, Strafvollzugssystem) namentlich durch das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte DCAF; Unterstützung der Bemühungen im Bereich der Kontrolle von Kleinwaffen und leichten Waffen.

Bei jeder dieser Komponenten wird der Bund gegebenenfalls die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Männern im Sinne der UNO-Resolution 1325 «Frauen, Frieden und Sicherheit» berücksichtigen. Er wird sich auch an der Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit orientieren, welche die OECD am 2. März 2005 angenommen hat. Zudem wird er auf eine kohärente Tätigkeit achten: Das Programm zur menschlichen Sicherheit wird die Aktivitäten der übrigen Akteure des Bundes, namentlich mögliche langfristige Vorhaben der DEZA, ergänzen. Bei der Umsetzung des Programms wird darauf geachtet, dass die Aktivitäten mit allen zuständigen Stellen des Bundes abgestimmt werden.

Das oben ausgeführte Engagement erfolgt mittelfristig und ist Teil eines Sonderprogramms für Nordafrika und den Mittleren Osten, das mehrere Länder der Region abdeckt. Dieses Regionalprogramm wird auch die Auswirkungen der aktuellen Ereignisse auf den Friedensprozess im Nahen Osten und in Afrika südlich der Sahara berücksichtigen.

6360

3.3.3

Verstärkte Menschenrechtspolitik

Die Frage der Menschenrechte soll künftig nicht mehr nur in isolierten und nach strikten Vorgaben geführten sogenannten «Bilateralen Menschenrechtsdialogen» mit ausgewählten Partnern stattfinden, sondern zum festen Bestandteil aller politischen Konsultationen der Schweiz auf bi- und multilateraler Ebene werden. Um ihre Politik in diesem Bereich zu verbessern und den heutigen globalen Gegebenheiten anzupassen, soll die Schweiz alle Platformen ihrer bi- und multilateralen Beziehungen zur Förderung der Menschenrechte konsequent und kohärent nutzen. Der bisherige Rahmen der Menschenrechtspolitik soll mithin erweitert, aber auch flexibler gestaltet werden, um situativer auf die Probleme einzutreten und wenn immer möglich eine bessere Einhaltung der Menschenrechte zu erzielen. Das bisherige Instrument des formellen Menschenrechtsdialogs erzielte in gewissen Ländern wohl Ergebnisse und einzelne Fortschritte (insbesondere auf technischer Ebene), war indessen zu sehr und zu exklusiv auf die Veränderung des normativen Rahmens in einzelnen Ländern allein über das Gespräch ausgerichtet. Aufgrund beschränkter Kriterien trug dieses Modell den tatsächlichen Verhältnissen in den jeweiligen Partnerländern sowie den laufenden Entwicklungen zu wenig Rechnung und lief zudem Gefahr, als isoliertes Gefäss zur Förderung der Menschenrechte marginalisiert zu werden. Dementsprechend soll das Instrument des Dialogs im althergebrachten Sinn neu ausgerichtet und in einen übergeordneten Rahmen gestellt werden: Die Frage der Menschenrechte wird diversifiziert und vermehrt in allen Bereichen der Schweizerischen Aussenpolitik integriert.

Beibehalten und im Rahmen der vorhandenen Ressourcen noch verstärkt werden konkrete Projektzusammenarbeit und Expertenaustausch mit ausgewählten Ländern.

Gemäss langjähriger Erfahrung hat sich dies oft als bestes Mittel erwiesen, um effektiv konkrete Verbesserungen im Menschenrechtsbereich zu erzielen. Voraussetzung dafür ist, dass beide Seiten zu einem ernsthaften, kritischen und konstruktiven Austausch bereit sind und effektiv ein Veränderungspotenzial im Bereich dieser Zusammenarbeit auf technischer Ebene besteht.

Klare Prioritäten, die Förderung von internationalen Mechanismen zur verstärkten Umsetzung der Menschenrechte, die Unterstützung von Menschenrechtsakteuren,die Berücksichtigung
der Gender-Dimension, ein langfristig angelegter und qualitativ guter Austausch auf technischer Ebene, die Nutzung von Partnerschaften und ein Dispositiv, um die Menschrechtspolitik zu evaluieren sowie Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft über Fortschritte und Ergebnisse zu informieren sind besonders zu betonen. Der zunehmende Gebrauch anderer bilateraler oder multilateraler Instrumente (Demarchen, Resolutionen, öffentliche Stellungnahmen) geht mit der Verstärkung der neu ausgerichteten Menschenrechtspolitik einher. Es ist essentiell, die menschenrechtspolitischen Ziele und Belange in die allgemeine Politik miteinzubeziehen, bei bilateralen Kontakten auf Regierungsebene systematisch anzusprechen und in die multilateralen Gremien einzubringen.

3.3.4

Schweizer Expertenpool

Mitte der 1990er-Jahre stellte die internationale Gemeinschaft fest, dass der traditionelle Ansatz der Friedenssicherung ­ der sich hauptsächlich auf die Überwachung eines Waffenstillstandes mit militärischen Mitteln beschränkte ­ den Herausforde6361

rungen heutiger Formen bewaffneter Konflikte nicht mehr gewachsen war. Die Zunahme der Friedenssicherungseinsätze der UNO und der regionalen und subregionalen Friedensoperationen sowie die beträchtlich gestiegenen zivilen Aufgaben und Rollen im Rahmen komplexer Operationen nach dem Kalten Krieg haben gezeigt, wie wichtig ziviles Fachwissen für die Friedenssicherung und die Stabilisierung, ganz besonders aber für die Friedenskonsolidierung und den Wiederaufbau sind. Die grösste Herausforderung war, entsprechend ausgebildetes Personal zu finden, das in der Lage ist, in einem schwierigen Umfeld die Entwaffnung der Kriegsteilnehmer und ihre Reintegration ins zivile Leben, den Wiederaufbau staatlicher Strukturen, die Organisation von Wahlen oder den Schutz und die Förderung der Menschenrechte voranzutreiben.

Heute verstärken die internationalen Organisationen (UNO, OSZE, EU, Afrikanische Union usw.) ihre Anstrengungen und Strategien und bauen ihre Kapazitäten und ihren Personalbestand im Bereich der zivilen Friedensförderung aus. Mit ihrer langjährigen Erfahrung bei der Entsendung ziviler Experten ins Ausland ist die Schweiz in einer guten Ausgangslage, um im internationalen Dialog über diese Fragen ein gewichtiges Wort mitzureden und vor Ort einen konkreten Beitrag zur menschlichen Sicherheit zu leisten.

Seit seiner Gründung im Jahr 2000 bildet der Schweizer Expertenpool für die zivile Friedensförderung hochqualifizierte Expertinnen und Experten aus und stellt sie den internationalen Institutionen zur Verfügung. Ihr Fachwissen und ihre Professionalität werden sehr geschätzt und prägen die Visibilität des Schweizer Engagements nachhaltig. Alle Expertinnen und Experten besuchen international empfohlene oder vorgeschriebene Grundausbildungen (z.B. in Sicherheitsfragen) und haben dank einem Weiterbildungsprogramm die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und Kompetenzen weiterzuentwickeln. Die Ausbildung wird in Zusammenarbeit mit dem VBS gewährleistet, da das Fachwissen der verschiedenen (zivilen, militärischen und humanitären) Akteure vor Ort und ihre Fähigkeit, in sogenannten integrierten Missionen zusammenzuarbeiten, sehr wichtig sind.

Jedes Jahr leisten rund 220 zivile Expertinnen und Experten der zivilen Friedensund Menschenrechtsförderung in über 30 Ländern einen kürzeren oder längeren Einsatz. Im
Durchschnitt sind rund 90 Personen gleichzeitig im Einsatz. Der Frauenanteil im Expertenpool liegt bei rund 40 %.

Die Auswahl der Länder, Organisationen und Stellen, für die Personal entsandt wird, erfolgt auch in Zukunft aufgrund der geografischen und thematischen Schwerpunkte der schweizerischen Friedens- und Menschenrechtsförderung (Ziff. 3.1). Thematisch fokussiert die Schweiz ihr Engagement weiterhin auf die Bereiche Mediation und Fazilitation bei Friedensabkommen, Staatsaufbau, Rechtsstaatlichkeit (Justiz), Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht sowie Wahlen und Vergangenheitsarbeit.

Der Einsatz von Schweizer Expertinnen und Experten in Auslandmissionen ist ein wichtiger Bestandteil der gezielten und nachhaltigen Umsetzung des Engagements der Schweiz in ihren Schwerpunktbereichen und garantiert dessen Sichtbarkeit.

Rund drei Viertel der Einsätze erfolgen am Sitz internationaler Organisationen oder in Feldmissionen. Die bedeutendsten Partner der Schweiz werden weiterhin die UNO, die OSZE, die EU und der Europarat bleiben, dazu kommen Einsätze für Organisationen wie beispielsweise die Mission in Hebron («Temporary International Presence in the City of Hebron», TIPH), die Internationale Kommission gegen die 6362

Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) oder Ad-hoc-Untersuchungskommissionen.

Rund ein Viertel der Einsätze erfolgt in einem bilateralen Rahmen zur Unterstützung der wichtigsten Schweizer Programme zur Förderung der menschlichen Sicherheit.

Einsätze des Expertenpools im Jahr 2010 (% der Gesamtkosten) OSZE / ODHIR / EU Wahlbeobachtungen 11.6%

Ausbildung 1.9%

Administration 3.7% UNO 22.1%

TIPH 7.3%

OSZE 0.5%

Bilateral 15.9% EU 17.5% Europarat 4.1% Diverse internationale Organisationen 15.4%

Schweizer Expertinnen und Experten in internationalen Untersuchungskommissionen Schweizer Expertinnen und Experten nehmen in internationalen Untersuchungskommissionen verschiedene Aufgaben wahr. Da diese Einsätze hochqualifiziertes Spezialwissen verlangen, arbeitet das EDA für die Rekrutierung eng mit der Bundesanwaltschaft, dem Bundesamt für Polizei und den entsprechenden kantonalen Stellen zusammen. Ende 2009 war eine Schweizer Expertin Mitglied der UNO-Untersuchungskommission, die im Auftrag des UNO-Sicherheitsrates in Conakry (Guinea) die Umstände der gewaltsamen Auseinandersetzungen vom 28. September 2009 untersuchte. Die Empfehlungen der Kommission wurden in der Folge im Sicherheitsrat der UNO besprochen und führten zur Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, der allfällige Strafverfahren in die Wege leiten soll.

6363

Teilnahme an Wahlbeobachtungsmissionen Die Mitwirkung bei Wahlbeobachtungen war ein weiterer Aufgabenbereich der Unterstützung einzelner Wahlen. Diese Einsätze unter der Leitung der OSZE, der EU oder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben zum Ziel, gerechte, freie, transparente und demokratische Wahlen zu garantieren und damit demokratische Strukturen und Prozesse zu stärken, so dass nachhaltige und sozial gerechte Friedenslösungen erzielt werden können. Sie ermöglichen es der Schweiz nicht nur, die Rechtmässigkeit eines Wahlprozesses zu beobachten, sondern geben ihr auch Gelegenheit zu zeigen, dass sie an der friedlichen und demokratischen Entwicklung eines Landes interessiert ist. Zwischen 2008 und 2010 nahmen 252 Schweizer Expertinnen und Experten im Rahmen von 45 Missionen in 33 Ländern15 an Wahlbeobachtungen teil. Im Übrigen wurde eine Schweizer Diplomatin zur Leiterin der OSZE-Wahlbeobachtungsmission in der Ukraine ernannt. Die schweizerischen Beobachterinnen und Beobachter werden für ihre Aufgaben durch einen Expertenpool, dem sie angehören, speziell ausgebildet und geniessen in den Partnerorganisationen einen ausgezeichneten Ruf.

In den kommenden Jahren wird die erfolgreiche Tätigkeit des Schweizer Expertenpools in folgenden Bereichen vertieft: Friedenserhaltende Operationen: Ein grosser Teil der Expertinnen und Experten werden in sogenannten integrierten Friedenssicherungseinsätzen der UNO, EU, OSZE und weiterer Organisationen eingesetzt. Um die nachhaltige Wirkung dieser Einsätze zu erhöhen, wird die Schweiz: ­

das Konzept zur Auswahl der Stellen konsolidieren, für die Personal zur Verfügung gestellt werden soll, die Wirkungsevaluation der Einsätze verbessern und die Erfahrungen der Expertinnen und Experten verstärkt in die Planung einbeziehen;

­

den Dialog mit internationalen Organisationen und anderen Staaten über operationelle Fragen im Zusammenhang mit Friedensoperationen intensivieren und dabei ihr Fachwissen stärker einbringen;

­

sich für eine Erhöhung der Zahl der Schweizer Spezialistinnen und Spezialisten in hochrangigen Ämtern bei multilateralen Friedensmissionen einsetzen, um den Schweizer Beitrag noch sichtbarer zu machen und den Einfluss des Schweizer Fachwissens in den Friedensoperationen zu verstärken.

Expertinnen und Experten im Bereich Polizei, Grenzwache und Zollwesen: Die Nachfrage nach hochqualifizierten Polizeiberatern, Grenzwächtern und Zollexperten für internationale Friedensoperationen hat sich in den letzten 15 Jahren verzehnfacht. Die für die UNO, die EU, die OSZE und andere Organisationen im Einsatz stehenden Expertinnen und Experten beraten die lokale Polizei beim Aufbau von Polizeistrukturen, bei Polizeireformen sowie im Kampf gegen das organisierte 15

Namentlich Georgien, Serbien, Armenien, Montenegro, Nepal, Paraguay, Mazedonien, Angola, Ruanda, Weissrussland, Aserbaidschan, Bangladesch, Salvador, Bolivien, Moldawien, Libanon, Albanien, Kirgistan, Afghanistan, Mosambik, Kosovo, Ukraine, Togo, Tadschikistan, Sudan, Äthiopien, Kolumbien, Burundi, Guinea Conakry, Bosnien, Tansania, Côte d'Ivoire und Haiti.

6364

Verbrechen, die Korruption und den Drogen- und Menschenhandel. Diese Aktivitäten erhöhen die nachhaltige Wirkung der Friedensförderung und sind im direkten Interesse der Schweiz. Seit 2008 kann der Expertenpool jedes Jahr bis zu 30 spezialisierte Expertinnen und Experten in internationalen Friedensmissionen einsetzen.

Rechtstaatsaufbau und kombinierte Einsätze im Sicherheits- und Justizbereich: Die Zahl der kombinierten Einsätze mit Polizeiberatern und Juristen (Untersuchungsrichter, Richter, Staatsanwälte, Menschenrechtsberater) nimmt stark zu. Hier geht es darum, Reformen des Sicherheitssystems und den Aufbau des Rechtsstaates zu unterstützen (z.B. EULEX-Mission im Kosovo). Der Bund bemüht sich in erster Linie, Konzepte zu entwickeln, um den anhaltenden Mangel an qualifiziertem Personal für solche Missionen zu beheben.

Untersuchungskommissionen: In den letzten Jahren hat die Staatengemeinschaft verschiedentlich Bereitschaft gezeigt, die Hintergründe gewalttätiger Konflikte aufzuklären, weshalb vermehrt internationale Untersuchungskommissionen eingesetzt wurden. Es ist vorgesehen, dieses Fachwissen weiterzuentwickeln und noch mehr qualifizierte Expertinnen und Experten in unabhängige Untersuchungskommissionen zu entsenden.

Wahlbeobachtung und Monitoring: Die Wahlbeobachtung im Rahmen internationaler Missionen, die sich seit vielen Jahren bewährt, wird mit Beobachtern oder Leitern von internationalen Missionen fortgesetzt. Die wichtigsten Partner der Schweiz in diesem Bereich bleiben die OSZE (ODIHR), die EU und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Eine Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, etwa der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF), wird von Fall zu Fall geprüft.

3.3.5

Diplomatische Initiativen

Mit diplomatischen Initiativen zu Nischenthemen will der Bundesrat auch in den kommenden Jahren zur Weiterentwicklung der internationalen Strukturen und Standards zur Konsolidierung von Frieden und Sicherheit, zur Stärkung der Menschenrechte sowie zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten beitragen.

Bewaffnete Gewalt und Entwicklung 2006 nahmen 42 Staaten die «Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung» an. Die zusammen mit dem UNO-Entwicklungsprogramm UNDP lancierte Schweizer Initiative hat zum Ziel, die bewaffnete Gewalt bis 2015 messbar zu verringern (vgl. Ziff. 2.1).

Wie an der ersten ministeriellen Überprüfungskonferenz im Jahr 2008 vereinbart, werden die Schweiz und das UNDP die 108 Unterzeichnerstaaten im Herbst 2011 zur zweiten Überprüfungskonferenz nach Genf einladen, um Zwischenbilanz zu ziehen und die weiteren Massnahmen bis 2015 und darüber hinaus festzulegen.

Zur Weiterführung dieser Initiative wird die Schweiz auch in Zukunft auf die Fachkompetenz des Small Arms Survey (SAS) zurückgreifen, dem wichtigsten internationalen Forschungsinstitut im Bereich der Kleinwaffen und leichte Waffen, das am «Institut de Hautes Etudes Internationales et du Développement» in Genf (IHEID)

6365

eingerichtet wurde. Das Sekretariat der Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung ist dem SAS angegliedert.

Todesstrafe Der 4. Weltkongress zur Abschaffung der Todesstrafe fand mit aktiver organisatorischer Beteilung der Schweiz 2009 in Genf statt und lancierte eine neue Initiative zur Schaffung einer Internationale Kommission gegen die Todesstrafe, bei der sich bedeutende Persönlichkeiten beteiligen. Sie will bis 2015 ein weltweites Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe erreichen. Die Schweiz wird ab Ende 2011 das Sekretariat dieser Kommission in Genf beherbergen und sich sowohl auf bilateraler wie auf multilateraler Ebene für die Einführung dieses weltweiten Moratoriums einsetzen (Ziff. 3.2.4).

Initiative im Bereich der Abrüstung, der Rüstungskontrolle und der Nonproliferation Die Schweiz hat sich bisher besonders für die Abrüstung bestimmter konventioneller Waffen eingesetzt, die verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben (Minen, Kleinwaffen und leichte Waffen usw.). Sie verfügt in diesem Bereich über eine wichtige Plattform: das internationale und humanitäre Genf ist ein Zentrum für Initiativen zur Abrüstung im Zusammenhang mit der menschlichen Sicherheit. Mit dem neuen Rahmenkredit will sich die Schweiz die nötigen Mittel geben, um einen substanziellen Beitrag an die Nichtweiterverbreitung der nuklearen Waffen zu leisten.

Die nukleare Bedrohung ist nach wie vor ernst zu nehmen und stellt noch immer ein grosses Risiko sowohl für den Frieden wie für die menschliche Sicherheit dar. Die Schweizer Initiative in diesem Bereich wird unter anderem die folgenden Aktivitäten umfassen: Engagement im Hinblick auf ein Kernwaffenverbot Anders als die übrigen Massenvernichtungswaffen ­ chemische und biologische Waffen ­ sind Kernwaffen noch nicht verboten. Bei ihrem Einsatz würde jedoch die Zivilbevölkerung nicht verschont, und das humanitäre Recht würde verletzt. Die Zeit für Verhandlungen über ein Übereinkommen, das Kernwaffen verbieten würde, scheint noch nicht reif. Trotzdem kann und muss das Terrain für solche Verhandlungen vorbereitet werden. Es gilt, den Einsatz von Kernwaffen zu delegitimieren, indem die katastrophalen humanitären Folgen eines solchen Einsatzes und die damit verbundene Verletzung des humanitären Rechts hervorgehoben werden. Die Schweiz hat sich
anlässlich der 8. Überprüfungskonferenz des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) im Jahr 2010 für diesen Ansatz stark gemacht und wird ihre Aktivitäten in diesem Bereich intensivieren.

«De-Alerting» Eine grosse Zahl von Kernwaffen wird heute noch auf der gleichen Alarmstufe bereitgehalten wie im Kalten Krieg. Allein aufgrund von Informationen aus Frühwarnsystemen können Tausende von Sprengköpfen innerhalb von wenigen Minuten abgefeuert werden. Fehlalarme sind verschiedentlich vorgekommen. Die Schweiz setzt sich seit 2007 speziell für die Herabsetzung der Alarmstufe von Kernwaffen ein (Einreichung einer Resolution in der UNO-Generalversammlung zusammen mit

6366

Chile, Nigeria, Neuseeland und Malaysia, Erstellung einer Studie mit Unterstützung amerikanischer und russischer Experten) und will diese Aktivitäten weiterführen.

Institutionelle Reformen im Bereich der Abrüstung und der Nonproliferation Die Abrüstungsbemühungen, angefangen bei der Abrüstungskonferenz, leiden seit vielen Jahren unter Blockaden, während ihre Institutionen im Bereich der Nonproliferation von Kernwaffen wie etwa die IAEA mit immer mehr Aufgaben konfrontiert sind und den Einsatz ihrer Ressourcen optimieren müssen. Die Schweiz wird sich für pragmatische Anpassungen bei den Strukturen und den geltenden Abläufen einsetzen, damit sie zweckmässig funktionieren.

Stärkung des internationalen Genf im Bereich der Abrüstung Genf beherbergt multilaterale Gremien und Prozesse im Bereich der Abrüstung sowie Think Tanks und Nichtregierungsorganisationen. Die Schweiz hat grosses Interesse daran, dass diese Institutionen in Genf bleiben oder ihre Präsenz sogar ausbauen und dass sich weitere Organisationen im Kanton niederlassen. Sie bemüht sich, die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Verstärkung der Guten Dienste Die Schweiz, die seit langem Verhandlungen im Bereich der internationalen Sicherheit ermöglicht und beherbergt, wird weiterhin Unterstützung für Besprechungen und Verhandlungen über die nukleare Abrüstung anbieten.

3.3.6

Partnerschaften

Wie die vorhergehenden Ziffern gezeigt haben, ist die Förderung der menschlichen Sicherheit eine kollektive Aufgabe. Die Schweiz stützt sich dabei auf ein breites Netz von internationalen Organisationen, gleich gesinnten Staaten, nichtstaatlichen Institutionen und wissenschaftlichen Institutionen, die ihre eigenen Kapazitäten ergänzen und sie darin unterstützen, ihre Anliegen wirkungsvoll zu vertreten.

Multilaterale und bilaterale Partnerschaften Die UNO ist der wichtigste weltweite Akteur in Friedens-, Menschenrechts- und humanitären Fragen. Die Zusammenarbeit erfolgt auf verschiedenen Ebenen: Als Mitgliedstaat beteiligt sich die Schweiz anteilsmässig an den Kosten von Friedensmissionen und am ordentlichen Budget. Sie leistet darüber hinaus gezielt freiwillige Beiträge an Unterorganisationen, Agenturen, Fonds und Programme der UNO in Bereichen, die sie besonders interessieren und stärkt so die Wirksamkeit dieser Aktivitäten. Seit mehreren Jahren stellt sie der UNO auch qualifizierte Expertinnen und Experten zur Verfügung. Schliesslich trägt die Schweiz mit verschiedenen Initiativen zur Stärkung und zum Ausbau der UNO-Strukturen bei, etwa mit ihrem intensiven Engagement bei der Überprüfung des Menschenrechtsrates 2010 und 2011 oder mit ihren Anstrengungen zum Ausbau des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte.

Weitere wichtige Partner für die menschliche Sicherheit sind die OSZE, der Europarat, die Europäische Union und eine ganze Reihe von regionalen Organisationen und Programmen wie die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS), die Internationale Organisation der Frankophonie (OIF) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Zudem unterhält die Schweiz enge Partner6367

schaften mit gleichgesinnten Ländern in Form von periodischen Treffen zum Meinungsaustausch, Absprachen über multilaterale Interventionen, zur Lancierung gemeinsamer Initiativen sowie zur Nutzung von Synergien und Komplementaritäten bei bilateralen Aktionen. Regelmässige Konsultationen finden zum Beispiel mit Norwegen oder mit Mitgliedern des «International Network on Conflict and Fagility» (INCAF) der OECD statt. Gewisse Aktivitäten stützen sich auch auf die Zusammenarbeit mit Ländern wie Russland und den USA. Auch im Rahmen des politischen Dialogs, den die Schweiz mit weiteren wichtigen Partnern (z.B. China und Indien) führt, und bei fast allen Besuchen und bilateralen Treffen stehen jeweils Fragen der menschlichen Sicherheit auf dem Programm.

Partnerschaften mit nichtstaatlichen Institutionen und der Wissenschaft Um internationale diplomatische Initiativen, Projekte und Programme oder gar Mediationen erfolgreich durchführen zu können, stützt sich das EDA seit mehreren Jahren auch auf das Expertenwissen von nichtstaatlichen und wissenschaftlichen Institutionen. Die Politische Direktion des EDA ist strategische Partnerschaften mit rund zwanzig Institutionen eingegangen, wofür sie etwa 14 % ihres Budgets ausgeben wird. Die Kriterien einer strategischen Partnerschaft sind in einer Mittelfriststrategie festgehalten. In der Regel erhält der strategische Partner einen Grundbeitrag.

Die gegenseitigen Leistungen sind genau definiert, und die Institution wird regelmässig evaluiert. Ein strategischer Partner muss in erster Linie einen Mehrwert auf höherer politischer Ebene schaffen. Er kann zum Beispiel Zugang zu wichtigen Akteuren verschaffen, zur Bildung von Allianzen beitragen, besonders relevante Erkenntnisse liefern, zentrale strategische Ideen vorbringen, testen und verbreiten, Ansatzpunkte für bilaterale oder multilaterale Aktionen identifizieren, unsere Methoden besser bekannt machen und weiterentwickeln oder einen Beitrag zur Stärkung des multilateralen Systems leisten.

Diese externen Partner ergänzen mit ihrem Fachwissen, ihrem Einflussbereich und ihrer Präsenz vor Ort ganz generell die Möglichkeiten der Schweiz im Bereich der menschlichen Sicherheit, wodurch die eingeleiteten Bemühungen verstärkt und deren Wirkungen vergrössert werden können. Aus diesem Grund will die Schweiz ihre Kompetenzen auch in Zukunft in Anspruch nehmen.

3.4

Die menschliche Sicherheit in der Schweizer Aussenpolitik

3.4.1

Eine umfangreichere, globale Querschnittsaufgabe

Die Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit, um die es im vorliegenden Kreditbegehren geht, sind ein wichtiger Teil der Schweizer Friedens-, Menschenrechts- und Migrationspolitik sowie ihrer humanitären Arbeit. Wirksamkeit entfalten sie jedoch nur im Gesamtkontext aller Aktivitäten des Bundes in den genannten Bereichen.

Die Friedenspolitik der Schweiz umfasst alle Aktivitäten der verschiedenen Bundesakteure zur Schaffung und Erhaltung des Friedens.16 Diese Aktivitäten ergänzen sich. In Beantwortung des Postulats 09.3003 der Sicherheitspolitischen Kommission 16

Diese Akteure sind vor allem einzelne Bereiche der Diplomatie, der zivilen und militärischen Sicherheit, der Entwicklungszusammenarbeit und der Justiz.

6368

des Ständerats vom 19. Januar 2009 (Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung)17 präsentiert der Bundesrat im Anhang 2 zum vorliegenden Bericht eine detaillierte Übersicht über die Aktivitäten der Schweiz im Bereich Frieden und Abrüstung, über die bestehenden Synergien und über die Bemühungen zur Gewährleistung der Kohärenz.

Die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz ist eine Querschnittsaufgabe, die zahlreiche Bereiche umfasst, insbesondere die Diplomatie, die Entwicklungszusammenarbeit, die Aussenwirtschaftspolitik, die Friedensförderung, die Migrationspolitik und die Tätigkeit von Polizei und Justiz. Im Hinblick auf die Kohärenz stellen sich hier besondere Herausforderungen. Der Bundesrat legt dem Parlament am Ende jeder Legislaturperiode einen detaillierten Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz vor.18 Auch die humanitäre Politik und das Engagement im Migrationsbereich sind Aufgaben, die von mehreren Bundesakteuren in enger Zusammenarbeit erfüllt werden.19

3.4.2

Kohärenz und Komplementarität

Die Schweizer Politik im Bereich der menschlichen Sicherheit kann nur dann wirklich kohärent und effektiv sein, wenn alle relevanten Akteure der Bundesverwaltung zusammenspannen und ihre Aktivitäten koordinieren (Whole-of-Government Approach). Diese Kohärenz erfordert auch die Einbindung weiterer Organisationen, d.h.

der Zivilgesellschaft und des Privatsektors sowie der staatlichen und nichtstaatlichen internationalen Akteure (Whole-of-System Approach). Dies gilt auch für die Entwicklungspolitik, die ihre Wirkung in fragilen oder von Krisen geprägten Kontexten ohne die Instrumente der menschlichen Sicherheit nicht entfalten kann (s. Beilage S.

81, 82 und 83 sowie S. 88 und 89, was die Zusammenhänge mit der Humanitären Hilfe anbelangt).

Auf Bundesebene Auf Bundesebene wird die Kohärenz durch den Informationsaustausch, die Erarbeitung gemeinsamer Strategien und allgemeiner Aktionspläne, die operationelle Koordination konkreter Programme unter Federführung des EDA und die Vermittlung bei Interessenkonflikten gewährleistet.

Die Bundesverwaltung hat in den letzten Jahren immer genauere Analyse- und Informationsinstrumente entwickelt, um die Lage in einer Region zu verfolgen und die Wirkung der Schweizer Aktivitäten in einem Partnerland zu bewerten. Dank diesen Instrumenten kann sich die Verwaltung ein einheitliches und klares Bild machen.

17

18 19

Dieses Postulat beauftragte den Bundesrat, «einen Bericht zu erstellen, der einerseits einen Überblick über die künftige Friedensförderungsstrategie des Bundesrates sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich vermittelt und andererseits über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik Auskunft gibt, die der Bundesrat in Zukunft zu verfolgen gedenkt. Zu diesem Zweck prüft er insbesondere, ob es zweckmässig wäre, diese Massnahmen in einen einzigen Mehrjahres-Rahmenkredit zu fassen.» Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2007­2011), BBl 2011 1269.

Aussenpolitischer Bericht 2010 (Ziff. 4.3).

6369

Zudem hat der Bundesrat eine Reihe von internen Konsultations- und Entscheidungsmechanismen eingeführt, um die Kohärenz zwischen friedens- und menschenrechtspolitischen Aktivitäten und anderen politischen Aktionen zu erhöhen. Zu erwähnen sind neben verschiedenen geografisch und thematisch ausgerichteten, dienststellenübergreifenden Ausschüssen und operationellen Arbeitsgruppen die strategischen Koordinationsausschüsse zur Friedensförderung (Kerngruppe Frieden), zur internationalen Menschenrechtspolitik (Kerngruppe Internationale Menschenrechtspolitik) und zur Migrationsaussenpolitik (Ausschuss für Internationale Migrationszusammenarbeit), in denen alle betroffenen Departemente und Bundesstellen vertreten sind, sowie der Steuerungsausschuss DEZA-PA IV, in dem sich die mit der Entwicklung, der humanitären Hilfe und der menschlichen Sicherheit befassten Dienststellen des EDA regelmässig treffen. Diese gut eingespielten Gremien dienen sowohl der operationellen Koordination spezieller Einsätze als auch dem Informationsaustausch und der Vorbereitung von allgemeinen departementsinternen und departementsübergreifenden Plänen. Der Bundesrat ist überzeugt, dass der eingeschlagene Weg mit der effizienten Nutzung der bestehenden Koordinationsund Konsultationsmechanismen der richtige ist.

Trotzdem bleibt die Kohärenz der Schweizer Politik im Bereich der menschlichen Sicherheit eine ständige Herausforderung. In Zukunft wird die Kohärenz noch verstärkt, indem die Ausarbeitung integrierter Schweizer Ansätze in den Vordergrund gestellt wird. Es werden basierend auf genauen Konfliktanalysen vermehrt gemeinsame Strategien sowie Planungs- und Steuerungsinstrumente für die Akteure im Bereich der zivilen und militärischen Friedensförderung, der Entwicklungszusammenarbeit, der Menschenrechte, der Sicherheit, der humanitären Arbeit, der Abrüstung, der Nonproliferation und des Umweltschutzes entwickelt20. Dabei werden Knowhow, Auftrag und Verantwortlichkeiten jedes einzelnen dieser Akteure respektiert. Die Weiterbildung des Personals und der Austausch von Expertinnen und Experten zwischen den Dienststellen werden gefördert. So wird die Schweiz in der Lage sein, sich auf internationaler Ebene in Fragen der menschlichen Sicherheit noch mehr zu profilieren und ihre Unterstützung für Länder und Regionen, in denen sie mit
konkreten Projekten oder Programmen tätig ist, noch effektiver zu gestalten.

Wenn es schliesslich bei einem bestimmten Entscheid innenpolitische Divergenzen gibt, kann der Bundesrat von Fall zu Fall eine Güterabwägung vornehmen. Dabei beachtet er das Völkerrecht, die Bundesverfassung und die Bundesgesetze. Bei besonders umstrittenen Fragen, die die menschliche Sicherheit betreffen, etwa bei der Bewilligung von Rüstungsexporten, der Inanspruchnahme der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) oder bei bestimmten Freihandelsabkommen, kommen weiterhin transparente institutionalisierte Entscheidverfahren unter Beizug der betroffenen Departemente und Ämter zur Anwendung.

Um die Kohärenz seiner Aussenpolitik zu verstärken, führte der Bundesrat 1998 eine politische Konditionalität für Bereiche ein, die die menschliche Sicherheit mehr oder weniger stark betreffen (Menschenrechte und Minderheiten, Demokratisierungsprozesse, Friedens- und Sicherheitspolitik, gute Regierungsführung, Rückübernahme). 2003 wurde beschlossen, anstelle der Konditionalitätsklauseln eine

20

Solche integrierte Ansätze gibt es zum Beispiel bereits im Bereich der Minen, des Schutzes der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, der Kleinwaffen und leichten Waffen sowie für bestimmte Länder (z.B. Nepal) und Regionen.

6370

differenzierte und flexible Praxis einzuführen, die sich verstärkt oder neu auch auf die in diesem Bericht beschriebenen Instrumente stützt.21 Auf internationaler Ebene Die internationale Gemeinschaft hat erkannt, dass es für einen effizienten Einsatz der verfügbaren Mittel notwendig ist, zusammenzuarbeiten, eine bessere Verständigung anzustreben und Initiativen zu fördern, die sich gegenseitig verstärken. Auf Anregung der Schweiz haben die Akteure der Friedensarbeit ihre Absicht erklärt, auf nationaler («Whole-of-Government Approach») und globaler Ebene («Wholeof-System Approach»)22 noch kohärenter, koordinierter und besser aufeinander abgestimmt23 auf Konflikte und Instabilitäten zu reagieren (Ziff. 3.2.1).

Die Schweiz wird weiterhin aktiv zu dieser Entwicklung beitragen. Sie wird ihre Anstrengungen verstärken, dabei ihre Zusammenarbeit mit den übrigen internationalen und regionalen Akteuren weiter pflegen und sich um eine bessere Kohärenz des multilateralen Engagements bemühen. Mit Ländern und Gemeinschaften, die von Konflikten und bewaffneter Gewalt betroffen sind, wird sie den ständigen Dialog fördern, um damit die Eigenverantwortung («Ownership») und die nationalen Kapazitäten zu stärken. Sie wird mit ihren aussenpolitischen Instrumenten die Reformprozesse der UNO und der internationalen Finanzinstitutionen sowie die Arbeiten der OECD zur Verbesserung der Wirksamkeit der Hilfe in fragilen Situationen und Konfliktsituationen besonders aufmerksam verfolgen und sich an ihnen beteiligen.

3.5

Aufteilung der Verpflichtungen zulasten des Rahmenkredits

Der Rahmenkredit für die menschliche Sicherheit wird gemäss den in dieser Botschaft aufgezeigten strategischen Schwerpunkten den verschiedenen Regionen, Themen und Instrumenten zugewiesen. Die Verwendung der Mittel im Einzelnen wird mittels Kennzahlen gesteuert, die das EDA in einem internen Planungsdokument präzisiert. In Anbetracht der Erfahrungen bis 2010 und der in den vorherigen Ziffern dargestellten Herausforderungen kann davon ausgegangen werden, dass die Mittel etwa wie folgt aufgeteilt werden:

21 22 23

Bericht des Bundesrats vom 25. Aug. 2010 zur Umsetzung der Konditionalität in der Aussenpolitik (Beantwortung des Postulats Leuthard 02.3591).

S. Roadmap der 3C-Konferenz, 19.20. März 2009, Genf, www.3c-conference2009.ch.

Sogenannter 3C-Ansatz

6371

Aufteilung der Mittel nach den wichtigsten Instrumenten

Strategische Partnerschaften 14% Politikentwicklung und diplomatische Initiativen 16%

Menschenrechtspolitik 2%

40 % 28 % 14 % 16 % 2%

Schweizer Expertenpool für zivile Friedensförderung 28%

Gute Dienste, Mediation und Programme der zivilen Konfliktbearbeitung 40%

Gute Dienste, Mediation und zivile Friedensförderung Schweizer Expertenpool für zivile Friedensförderung Strategische Partnerschaften Politikentwicklung und diplomatische Initiativen Menschenrechtspolitik

Die Aufteilung auf die wichtigsten Instrumente ist in den letzten Jahren relativ stabil geblieben. Die Programme der zivilen Konfliktbearbeitung und der Konfliktprävention sowie die Entsendung von Schweizer Expertinnen und Experten beanspruchen naturgemäss einen Grossteil der finanziellen Mittel. Die klassischen diplomatischen Instrumente wie Mediation, Menschenrechtsförderung und diplomatische Initiativen benötigen vor allem personelle Ressourcen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist von folgender Aufteilung des Kredits 2012­2016 auszugehen (Richtwerte): Die zivile Friedensförderung wird den grössten Anteil ausmachen (40 %). Die Entsendung von Schweizer Expertinnen und Experten wird ebenfalls einen beträchtlichen Teil der Mittel beanspruchen (rund 25 %). Der Bereich Politikentwicklung und diplomatische Initiativen wird etwa 16 % des Kredits in Anspruch nehmen. Auf die Zusammenarbeit mit strategischen Partnern dürften höchstens 14 % des Budgets entfallen. Für die Menschenrechtspolitik, die vor allem personelle Ressourcen erfordern, werden rund 2 % eingesetzt.

6372

Aufteilung der Ausgaben nach geografischen Kriterien

20 % 30 % 25 % 20 % 5%

Südosteuropa und andere Regionen Europa Afrika Asien Naher Osten (ohne das Sonderprogramm für Nordafrika und den Nahen und Mittleren Osten) Lateinamerika

Die geografische Aufteilung sieht für die nächsten Jahre wie folgt aus (Richtwerte): Das Friedensengagement in Südosteuropa wird wegen der grossen Bedeutung der Region für die Schweiz weiterhin umfangreich sein (20 %). Die meisten bewaffneten Konflikte finden zurzeit in Afrika und Asien statt, was eine Weiterführung des Schweizer Engagements im Umfang von 30 % des Budgets für Afrika und 25 % für Asien rechtfertigt. 20 % des Budgets sind für den Nahen und Mittleren Osten vorgesehen (ohne das Sonderprogramm für Nordafrika und den Nahen und Mittleren Osten). In Lateinamerika bleibt die Schweiz weiterhin in Kolumbien und in geringerem Ausmass in anderen Ländern (Guatemala, Dialog mit Kuba) engagiert; sie wird rund 5 % des Budgets für diese Region ausgeben.

Diese Zahlen sind indessen nur als ungefähre Grössenangaben zu verstehen, da die Schweiz auch in Zukunft rasch auf unvorhergesehene politische Entwicklungen reagieren und ihre Planung entsprechend anpassen will.

3.6

Steuerung, Projektmanagement, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung

Strategische Steuerung Für die Durchführung der Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und zur Stärkung der Menschenrechte ist die Politische Abteilung IV ­ Menschliche Sicherheit in der Politischen Direktion des EDA zuständig.

6373

Die Politische Abteilung IV orientiert sich bei ihrer Arbeit am Bundesgesetz vom 19. Dezember 200324 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte sowie an den strategischen Vorgaben von Bundesrat und Parlament (Legislaturziele, Aussenpolitische Berichte, Jahresziele des Bundesrates).

Die in den Schwerpunktländern und -regionen bzw. im Rahmen thematischer Initiativen durchgeführten Programme stützen sich auf Mittelfristkonzepte und Mittelfriststrategien. Alle diese Dokumente unterliegen einer internen bzw. interdepartementalen Vernehmlassung, wodurch ein integriertes Vorgehen auf nationaler Ebene («Whole-of-Government Approach») und die Kohärenz der Schweizer Aussenpolitik sichergestellt wird.

Für jedes Projekt wird eine Projektbeschreibung ausgearbeitet. Projekte bis 500 000 Franken werden von der Abteilung bewilligt, Projekte zwischen 500 000 und 1 Million Franken durch den Direktor der Politischen Direktion. Projekte, die zwischen 1 und 5 Millionen Franken kosten, werden von der Vorsteherin des EDA bewilligt.

Strategisches Controlling Die strategische Kohärenz wird durch eine Kontrolleinheit gewährleistet (strategisches Controlling). Diese erfasst für jeden Kreditantrag die relevanten Kennzahlen und überprüft, ob die in der vorliegenden Botschaft festgehaltenen Ziele erfüllt sind.

Sie erarbeitet einen internen Jahresbericht und schlägt wenn nötig Optimierungsmassnahmen vor. Das Parlament wird ebenfalls jährlich in Form von speziellen Berichten oder im Rahmen des Aussenpolitischen Berichts informiert.

Projektzyklusmanagement (PCM) Die finanzielle Überwachung der Verpflichtungen erfolgt mittels Projektzyklusmanagement («Project Cycle Management», PCM). Es umfasst Instrumente für die Planung, Durchführung und Evaluation, die auf das spezifische Umfeld der Förderung der menschlichen Sicherheit abgestimmt sind.

Qualitätssicherung In jeder Phase des Projektzyklusmanagements wird die Qualität mit folgenden Instrumenten gewährleistet:

24

­

Internes strategisches Controlling;

­

Ergebnisorientierte interne Jahresplanung;

­

Laufende Projektbegleitung und -kontrolle;

­

Aus- und Weiterbildung des Personals;

­

Systematische Evaluation: Jedes Jahr wird ein grosser Teil der Projekte, Programme und Partnerschaften gemäss den Evaluationsstandards von OECD-DAC und Seval (Schweizerische Evaluationsgesellschaft) extern evaluiert. Die Programmverantwortlichen führen auch Selbstevaluationen durch.

­

Wissensmanagement: Die Politische Abteilung IV, deren Personal sich aus versetzbaren Diplomatinnen und Diplomaten und nicht versetzbaren wissen-

SR 193.9

6374

schaftlichen Mitarbeitenden und Fachleuten für menschliche Sicherheit zusammensetzt, hat wirksame Instrumente zum Wissensaustausch aufgebaut.

3.7

Organisation und Personal

Die Politische Abteilung IV ­ Menschliche Sicherheit im EDA besteht aus fünf thematischen Sektionen (Friedenspolitik, multilaterale Friedenspolitik, Menschenrechtspolitik, humanitäre Politik und Migration), einer Sektion für die Entsendung von Schweizer Expertinnen und Experten, einem Stab (strategisches Controlling, Policy Unit, Gender Focal Point) und einer Sektion Unterstützung (Finanzen und Administration). Vier Sonderbeauftragte für Friedensprozesse und Menschenrechtspolitik sind der Abteilung unterstellt oder administrativ angegliedert; sie werden nach Bedarf vom Bundesrat ernannt.

Da das moderate Wachstum des Rahmenkredits vor allem der Vertiefung des Engagements der Schweiz dienen soll, kann die bestehende Organisation ­ mit personellen Verstärkungen ­ beibehalten werden, wie ein externes (nicht veröffentlichtes) Audit bereits Anfang 2007 bestätigt hat.

Diese Personalverstärkung ist aus folgenden Gründen gerechtfertigt: Die Schweiz will eine aktive Politik betreiben. Die Wirksamkeit ihrer Anstrengungen basiert daher zu einem grossen Teil auf Personen: Mediatoren, Experten und Berater im Bereich Vermittlung und Entwicklung internationaler Normen. Dies gilt sowohl für die sichtbaren Aktivitäten wie auch für die zahlreicheren Aktionen hinter den Kulissen. Mit der Erhöhung des Rahmenkredits kann für diese Missionen und für die Durchführung von Projekten und Programmen zusätzliches hochqualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt werden. Ausserdem erfolgen Aktionen zur Förderung der menschlichen Sicherheit meist in einem heiklen politischen Umfeld und erfordern Diskretion und Vertrauen, weshalb sie eben oft nicht an externe Akteure delegiert werden können. Und auch wenn das EDA in einer bestimmten Phase mit anerkannten schweizerischen, lokalen oder internationalen Partnern zusammenarbeitet, muss es diese unbedingt ständig begleiten und dafür über die nötigen personellen Ressourcen verfügen.

Zudem steht das EDA vor neuen Aufgaben: Initiativen im Bereich Kleinwaffen und leichte Waffen, Minen, die Erarbeitung von Massnahmen zur Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung, die Begleitung des Schweizer Kompetenzzentrums für Menschenrechte von 2011­2015, der Vollzug der vom EJPD übernommenen Aufgaben zur Rekrutierung von Polizisten für internationale Friedensmissionen, die Durchführung neuer
Mediationen, Finanzmanagement der Initiativen im Bereich der Abrüstung und der Nonproliferation, Aktivitäten im Bereich Demokratie und Wahlen, neue thematische Initiativen wie Migrationspartnerschaften, Verstärkung der Aktivitäten in Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten. Anfang 2011 umfasste die Abteilung 70 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich einschliesslich Administrativ- und Sekretariatspersonal 63,72 Vollzeitstellen (6372 Stellenprozente) teilten. Davon werden 26 Stellen über den aktuellen Rahmenkredit finanziert, was maximal 7 % des Kredits beansprucht. Aus den erwähnten Gründen wird vorgeschlagen, in Zukunft keine maximale Stellenzahl festzulegen und höchstens 10 % des Rahmenkredits für die über diesen Kredit zu finanzierenden 6375

Stellen zu reservieren. Mit dem beantragten Rahmenkredit kann Personal finanziert werden, das direkt für die Förderung der menschlichen Sicherheit eingesetzt wird.

Die Stellen werden entsprechend der Laufzeit der aus dem Kredit finanzierten Massnahmen befristet. Rund 28 % des Rahmenkredits ist für die Entsendung von Expertinnen und Experten des Pools für zivile Friedensförderung bestimmt, davon sind drei Viertel für multilaterale Missionen vorgesehen.

4

Inhalt des Finanzbeschlusses

4.1

Antrag des Bundesrats

Der Bundesrat beantragt dem Parlament zum dritten Mal einen Rahmenkredit für die Finanzierung von Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit (Frieden, Menschenrechte, humanitäre Politik und Migration). Zuständig für die Verwendung des Kredits ist das EDA (Politische Abteilung IV ­ Menschliche Sicherheit).

Als finanzielles Planungsinstrument stellt der Rahmenkredit die Kontinuität und die Weiterführung der Aufgabenerfüllung sicher; er erleichtert die mittelfristige Planung und erlaubt es dem Parlament, den Umfang der benötigten Mittel und die strategische Ausrichtung des Mitteleinsatzes regelmässig zu überprüfen. Gemäss Artikel 21 Absatz 1 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200525 (FHG) braucht es für die korrekte Abwicklung der geplanten Aufgaben einen Verpflichtungskredit.

4.2

Umfang des Rahmenkredits

Der beantragte Rahmenkredit beträgt 310 Millionen Franken. Ausgehend von den 260 Millionen Franken, welche im Finanzplan vorgesehen sind, beantragt der Bundesrat eine Erhöhung des Rahmenkredits von 50 Millionen Franken, welche hauptsächlich in ein Spezialprogramm für Nordafrika und den Mittleren Osten fliessen sollen. Diese zusätzlichen Mittel werden innerhalb des EDA kompensiert.

Der jährliche Betrag beläuft sich demnach auf durchschnittlich 77,5 Millionen Franken (inklusive des Spezialprogramms für Nordafrika und den Mittleren Osten).

2011 betrug das Budget der menschlichen Sicherheit 62,826 Millionen Franken.

25

SR 611.0

6376

Grafik X Entwicklung der finanziellen Mittel 2004­2010 (effektive Ausgaben in Millionen Franken)

Voranschlag 2011: 62,826 Millionen Franken Die beantragten Mittel sind folgendermassen begründet: Schwerpunkt der schweizerischen Aussenpolitik Die Bundesverfassung nennt die Förderung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten als zentrale Anliegen der schweizerischen Aussenpolitik. Im Aussenpolitischen Bericht 200026 hatte der Bundesrat festgehalten, dass er künftig «einen wesentlichen und deutlich sichtbaren Beitrag zur Verhütung gewaltsamer Konflikte leisten», «eine eigenständige und profilierte humanitäre Politik betreiben» und «seine Bestrebungen zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit entsprechenden Massnahmen verstärken» wolle. Mit der Bewilligung des ersten Rahmenkredits im Jahr 2003 und des zweiten im Jahr 2007 hiess das Parlament diese strategische Ausrichtung und eine kontinuierliche Erhöhung der Mittel für ihre Umsetzung gut. Jetzt gilt es, diesen Weg weiterzugehen.

Die erzielten Resultate (Ziff. 2.1) bestätigen, dass die bisherige Strategie richtig ist.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Trümpfe und das Knowhow der Schweiz jetzt genutzt werden sollen, um die Errungenschaften zu konsolidieren und den tiefgreifenden Veränderungen im internationalen Umfeld entschlossen zu begegnen.

Er ist überzeugt, dass es nun Zeit ist, durch die substanzielle Erhöhung der Mittel für die Politik zur Förderung der menschlichen Sicherheit einen quantitativen und qualitativen Sprung zu machen. Dies gilt umso mehr, als das EDA vor neuen Aufgaben steht, ganz besonders in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten und namentlich auch mit der Lancierung von Initiativen im Bereich der Abrüstung und der Nonproliferation.

26

BBl 2001 261

6377

Auf den steigenden globalen Bedarf reagieren und in die Prävention investieren Der internationale Bedarf an Personal und finanziellen Mitteln für die zivile Förderung der menschlichen Sicherheit nimmt zu.

Einerseits sind in den letzten Jahren zwar verschiedene Konflikte beigelegt worden, doch zahlreiche Gebiete sind noch immer geprägt von Instabilität und Spannungen.

In nahegelegenen Regionen oder solchen, mit denen die Schweiz besonders verbunden ist ­ Nordafrika, der Mittlere Osten und Zentralasien ­ sind neue Probleme und neue Einsatzmöglichkeiten aufgetaucht.

Anderseits ist sich die internationale Gemeinschaft bewusst geworden, dass die Kosten für die Prävention bewaffneter Gewalt, die Friedenssicherung und die Verbesserung der Menschenrechtssituation deutlich geringer sind als jene der finanziellen, wirtschaftlichen, menschlichen und sozialen Folgen von Konflikten. So bezifferte eine von der Schweiz mitfinanzierte Studie von 2008 die Kosten der Konflikte im Mittleren Osten in den letzten zwanzig Jahren auf 12 000 Milliarden Dollar.

Schätzungen zufolge machen zivile Opfer in den heutigen Konflikten nahezu 90 % aller Todesfälle aus. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Frauen und Kinder. In ihrem eigenen Interesse und aufgrund ihrer langen humanitären Tradition ist die Schweiz verpflichtet, einen substanziellen Beitrag zu leisten, indem sie ihre Aktivitäten konsolidiert und weiter ausbaut.

Die Sicherheit verstärken Die Förderung der menschlichen Sicherheit ist eine strategische Antwort auf die heutigen Sicherheitsrisiken wie den Zerfall staatlicher Strukturen in fragilen Staaten, die Bedrohung durch Terrorismus und gewalttätigen Extremismus, die Verbreitung von Waffen und die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Damit können die Auswirkungen von Konflikten, bewaffneter Gewalt und das Versagen des Rechtsstaates auf die wirtschaftliche Stabilität, die Rohstoffpreise, die Sicherheit des Flugverkehrs oder die Verbreitung von Krankheiten gemildert werden. Die Schweiz beteiligt sich somit an der Lösung globaler Probleme, weil sie dank stabileren internationalen Beziehungen ihre eigene Sicherheit stärken und ihren Wohlstand sichern kann. Sie ist auch solidarisch, indem sie einen Beitrag zur Unterstützung von weniger privilegierten Ländern leistet.

Globale Gouvernanz der internationalen
Migration Dutzende Millionen Menschen fliehen auf der ganzen Welt vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und Armut. Die Förderung der menschlichen Sicherheit setzt bei den Ursachen der Zwangsmigration und des Menschenhandels an. Sie schliesst auch den Schutz der Migrantinnen und Migranten und ihrer Rechte mit ein. Sie leistet ausserdem einen aktiven Beitrag im Hinblick auf ein internationales Migrationsmanagement, das dafür sorgt, dass die Migration sicher, geregelt und unter Wahrung der Rechte und Interessen aller beteiligten Personen erfolgt.

Gute Dienste und Vermittlung als Antwort auf die Erwartungen an einen neutralen Staat wie die Schweiz Das Schweizer Knowhow im Bereich der Guten Dienste ist immer öfter gefragt, denn die Schweiz wird als neutrale und vertrauenswürdige Vermittlerin wahrgenommen und verfügt über Glaubwürdigkeit und eine grosse Unabhängigkeit in ihrem Handeln. Dies sind bemerkenswerte Ergebnisse angesichts ihrer relativ begrenzten finanziellen Aufwendungen. Es wäre sehr kontraproduktiv, wenn in 6378

Zukunft solche Anfragen abgelehnt werden müssten. Mit diesen Bemühungen können die Erwartungen an einen neutralen Staat auf angesehene und würdige Art erfüllt werden, was auch dem Image und den Interessen der Schweiz entgegenkommt.

Anerkanntes und gefragtes Fachwissen Aufgrund ihrer Geschichte und ihrer politischen Kultur verfügt die Schweiz über ein breites, anerkanntes Fachwissen von hohem Mehrwert in den für Frieden und menschliche Sicherheit zentralen Bereichen wie Demokratie, Föderalismus, Machtteilung, Respektierung von Minderheiten, Vergangenheitsarbeit, Förderung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Die Bemühungen unseres Landes werden noch durch die Tatsache unterstützt, dass die Schweiz über ein ausgezeichnetes Netz von zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Partnern und mit dem internationalen Genf über eine internationale Plattform und ein einzigartiges Wissenszentrum verfügt. Die Schweiz wird wie andere Länder von der internationalen Gemeinschaft und von Ländern in Krisensituationen zunehmend um Hilfe angegangen. Es wäre schade, wenn diese guten Voraussetzungen nicht mit einem entsprechenden Engagement genutzt würden.

Die Förderung der menschlichen Sicherheit zeigt Wirkung Im letzten Jahrzehnt ist es dank Mediationsprozessen gelungen, mehrere Konflikte zu beenden, und die Zahl der direkten Opfer von bewaffneten Konflikten, Genoziden und schweren Menschenrechtsverletzungen sowie die Anzahl von Gewaltflüchtlingen ist weltweit ebenfalls zurückgegangen. Laut wissenschaftlichen Studien sind diese Fortschritte namentlich den verstärkten Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um Eindämmung der Konflikte, um Förderung des humanitären Völkerrechts und um Schutz der Menschenrechte zu verdanken. Wie die aktuellen internationalen Entwicklungen zeigen, gibt es aber immer noch zahlreiche Herausforderungen bezüglich bewaffneter Konflikte (über 50 laufende Konflikte), Krisenbewältigung, Migration und Schutz der Grundrechte. Diese Herausforderungen werden immer komplexer.

Internationaler Vergleich Mit der Verstärkung des Schweizer Engagements sollte die Schweiz ihr Profil gegenüber den übrigen OECD-Ländern festigen können. Die OECD-Länder haben ihre Budgets für Tätigkeiten im Bereich der menschlichen Sicherheit zwischen 2006 und 2009 von insgesamt 1731 Millionen auf 2990
Millionen Dollar erhöht. Die Daten der OECD für das letzte Jahrzehnt zeigen insbesondere, dass mit der Schweiz vergleichbare Länder wie Norwegen, Finnland und Dänemark ihr Budget ausgebaut und ihre Bemühungen zugunsten der menschlichen Sicherheit entsprechend den internationalen Erfordernissen intensiviert haben.

Hohes Ansehen der Schweiz Die politische Tätigkeit der Schweiz zur Förderung der menschlichen Sicherheit in den letzten Jahren hat ihr auf internationaler Ebene zu mehr Ansehen und ihrer Aussenpolitik zu mehr Beachtung verholfen. Ihr Fachwissen war immer wieder gefragt, und die Schweiz hat mit begrenzten Mitteln bemerkenswerte Resultate erzielt (Ziff. 2.1). Diese Erfolge sind Teil ihrer humanitären Tradition und der Politik der Guten Dienste und tragen massgeblich zu einem positiven Image bei. Sie

6379

verschaffen der Schweiz aussenpolitischen Handlungsspielraum und wirken bei den wichtigsten internationalen Akteuren als Türöffner.

Gezielte Anstrengungen und Komplementarität Wie der Bundesrat in seinem Bericht vom 25. März 2009 an die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats ausführte, hat die Schweiz 2005 die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit ihrer Aktivitäten im Bereich der menschlichen Sicherheit aus Sicht der Aussenpolitik evaluiert. Sie hat die Lehren daraus gezogen und eine thematische und geografische Konzentration vorgenommen. Um die Wirksamkeit ihrer Engagements zu garantieren, werden sie weiterhin geografisch auf die Schwerpunktregionen konzentriert. Diese Schwerpunkte werden jedes Jahr überprüft. Im Übrigen werden die Bemühungen im Bereich der menschlichen Sicherheit durch die anderen Aktivitäten der Schweiz zugunsten von Frieden, Sicherheit, Wahrung des Völkerrechts, Abrüstung und Steuerung der internationalen Migration ergänzt und verstärkt.

Effektiv und effizient Die Schweiz hat wirksame und effiziente Instrumente aufgebaut (Mediation und Fazilitation, Programme der zivilen Friedensförderung, diplomatische Initiativen, Expertenpool für zivile Friedensförderung und Partnerschaften) und/oder richtet sie in diesem Sinne neu aus (Politik und konkrete Zusammenarbeit im Menschenrechtsbereich), die noch stärker dotiert und öfter und besser eingesetzt werden könnten.

Mit den in dieser Botschaft beantragten Mitteln könnten mehr Schweizerinnen und Schweizer in internationale Missionen entsandt werden. Damit würde die kritische Grösse erreicht, um auch umfangreichere Friedensengagements zu realisieren und flexibler auf Opportunitäten reagieren zu können.

4.3

Laufzeit des Rahmenkredits

Die Laufzeit des Rahmenkredits beträgt vier Jahre (2012­2016) und deckt sich mit der Legislaturperiode. Damit ist gewährleistet, dass das Parlament das Engagement des Bundes mindestens einmal in jeder Legislaturperiode einer genauen Prüfung unterzieht. Die Budgetkredite werden im Rahmen des jährlichen Voranschlags des Bundes beantragt.

5

Konsequenzen

5.1

Auswirkungen für den Bund

5.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Mit dem vorliegenden Bericht werden die eidgenössischen Räte ersucht, für die Jahre 2012­2016 einen Rahmenkredit von 310 Millionen Franken zu sprechen, damit die Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit weitergeführt werden können (siehe Ziff. 3).

6380

5.1.2

Personelle Auswirkungen

Der Rahmenkredit hat keine Auswirkungen auf das Personal der Verwaltung. Die befristeten Stellen von Personen, die für die Umsetzung der Massnahmen zur Förderung der menschlichen Sicherheit erforderlich sind, werden über den Rahmenkredit finanziert (Ziff. 3.7).

5.2

Auswirkungen für die Kantone und Gemeinden

Der Vollzug des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses obliegt einzig dem Bund und hat keine Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

Durch die Unterstützung der in Genf ansässigen zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Institutionen wird Genf jedoch als internationales und humanitäres Zentrum gestärkt und gewinnt weiter an Attraktivität. Positive Auswirkungen insbesondere durch die Vernetzung von Wissen, Forschung und Ausbildung werden auch auf das akademische Umfeld erwartet. Dies gilt ganz besonders für die Unterstützung des neu geschaffenen Schweizer Kompetenzzentrums für Menschenrechte.

5.3

Wirtschaftliche Auswirkungen

Der Vollzug des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses hat ­ mit Ausnahme der Stärkung der Rolle Genfs als internationales und humanitäres Zentrum ­ keine grösseren wirtschaftlichen Auswirkungen.

6

Legislaturprogramm

Die vorliegende Botschaft wurde in der Botschaft vom 23. Januar 200827 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit sowie Erlassform

Der zur Genehmigung unterbreitete Bundesbeschluss stützt sich auf Artikel 167 BV, aus dem sich die Budgetkompetenz der Bundesversammlung ergibt, sowie auf Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 200328 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte, nach welchem die Mittel für derartige Massnahmen als Rahmenkredite für jeweils mehrere Jahre bewilligt werden. Da es sich um einen Finanzbeschluss handelt, ist nach Artikel 25 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200229 die Form des einfachen Bundesbeschlusses vorgesehen.

27 28 29

BBl 2008 753 SR 193.9 SR 171.10

6381

7.2

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gestützt auf Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV30 unterliegt der vorgeschlagene Bundesbeschluss der Ausgabenbremse und benötigt deshalb die Zustimmung der Mehrheit beider Räte.

30

SR 101

6382

Anhang 1

Verteilung der Mittel des Rahmenkredits 2008­2012 Der Einsatz der Finanzmittel richtete sich nach den vom Bundesrat definierten strategischen Zielen31. Mit diesen Zielen verbunden waren strategische Kennzahlen sowie Benchmarks für die Qualitätskontrolle, welche die Steuerung der Aktivitäten und eine regelmässige Überprüfung der Erreichung der gesteckten Ziele ermöglichten. Die Kennzahlen und Benchmarks sind im Laufe des Berichtszeitraums noch weiter ausgefeilt worden32.

Die schweizerische Politik zur Förderung der menschlichen Sicherheit 2008­2010 verfolgte die nachstehenden strategischen Ziele: ­

Die Schweiz konzentrierte ihre Tätigkeit auf sieben Schwerpunktländer und -regionen.

­

Sie konzentrierte ihre Aktivitäten auf Schwerpunktthemen.

­

Sie handelte so oft wie möglich als Akteurin oder Mitakteurin ihrer Politik.

­

Sie arbeitete wo immer möglich mit den politischen Schlüsselakteuren zusammen (Interventionsebene ­ «Track» ­ 1 und 1,5).

­

Sie kooperierte mit sorgfältig ausgewählten Partnern.

­

Sie integrierte die geschlechterspezifische Dimension systematisch in ihre Projekte und Programme.

­

Sie evaluierte regelmässig 20 % ihres Tätigkeitsportefeuilles.

1. Sieben Schwerpunktländer und -regionen Das EDA bündelte seine Mittel und setzte sie gezielt in sieben Schwerpunktländern und -regionen ein. 2010 waren dies Südosteuropa, Naher Osten, Nepal, Sudan und Horn von Afrika, Region der grossen Seen, Kolumbien sowie West- und Zentralafrika. Die nachstehende Tabelle zeigt die Aufteilung der Ausgaben von 2008­2010 nach Region:

31

32

Botschaft des Bundesrats vom 15. Juni 2007 über die Weiterführung von Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (BBl 2007 4733) sowie Bericht des Bundesrats vom 25. März 2009 in Beantwortung des Schreibens der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats vom 3. Dezember 2008 (nicht publiziert).

Diese Kennzahlen finden sich im Bericht des Bundesrats über die Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte von 2007 zuhanden der Aussenpolitischen Kommissionen. Sie wurden im internen Papier des EDA «Mittelfristplanung 2009­2012 ­ PA IV: Von der Pionierphase zur Konsolidierung» vom Juli 2009 noch weiter ausgearbeitet.

6383

Grafik 1 Geografische Aufschlüsselung der Ausgaben in Prozent (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010)

Südosteuropa und übriges Europa 30%

Lateinamerika 11%

Afrika 24%

Naher Osten 20%

Asien 15%

Die nachstehende Tabelle zeigt die Ausgaben von 2008­2010 nach Region und Jahr in Millionen Franken: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Region in Mio. CHF

2008

2009

2010

Südosteuropa und andere Regionen Europas Asien Naher Osten Afrika Lateinamerika

6,7 3,5 4,6 5,0 2,4

7,0 3,6 5,0 5,2 2,9

7,7 3,8 4,8 7,4 2,7

22,2

23,7

26,4

Total

Rund 80 % der für geografische Aktivitäten bestimmten Mittel wurden den Schwerpunktländern und -regionen zugeteilt. Die übrigen 20 % wurden je nach den politischen Möglichkeiten, die sich eröffneten, flexibel auf andere Länder oder Regionen verteilt. Die geografischen Aktivitäten absorbierten etwa 58 % der verfügbaren Mittel; 42 % des Budgets wurden für thematische politische Aktivitäten eingesetzt.

In den letzten Jahren zeigte sich eine leichte Tendenz zur Umschichtung der verfügbaren Mittel zugunsten des sogenannten politischen Bereichs (diplomatische Initiativen, Partnerschaften) und zulasten des sogenannten geografischen Bereichs (Programme in einer bestimmten Region). Diese Tendenz entspricht einer wachsenden Nachfrage nach politischen Massnahmen.

6384

2. Schwerpunktthemen Grafik 2 Zivile Konfliktbearbeitung, Förderung der Menschenrechte, humanitäre Politik und Migration (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010)

Förderung der Menschenrechte 19%

humanitäre Politik und Migration 9% zivile Konfliktbearbeitung 72%

72 % der Mittel des Rahmenkredits wurden für die zivile Friedensförderung verwendet (einschl. Entsendung von Expertinnen und Experten für Einsätze vor Ort), 19 % für Menschenrechte und 9 % für humanitäre Politik und Migration.

Die nachstehende Tabelle zeigt die thematische Aufschlüsselung der Ausgaben in den Jahren 2008­2010: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Themen in Mio. CHF

2008

2009

2010

Zivile Konfliktbearbeitung Förderung der Menschenrechte Humanitäre Politik und Migration

22,2 5,5 3,0

23,2 6,0 2,8

24,6 6,9 3,4

Total

30,7

32,0

34,9

3. Die Schweiz als Akteurin ihrer Politik Der Rahmenkredit hat es der Schweiz ermöglicht, in erster Linie direkte Akteurin oder einflussreiche Mitakteurin ihrer Politik der menschlichen Sicherheit zu sein. Im Zeitraum 2008­2010 wurden so 61 % der finanziellen Verpflichtungen für Projekte eingesetzt, in denen die Schweiz Akteurin oder Mitakteurin ist. Der Grossteil der finanziellen und personellen Ressourcen wird für die Entsendung von Expertinnen und Experten sowie für Gute Dienste, Mediation und Programme der zivilen Friedensförderung eingesetzt. Die Schweiz hat finanzielle Beiträge an Drittprojekte geleistet, wenn sie ein gemeinsames Vorgehen als sinnvoll erachtete.

6385

Es hat sich gezeigt, dass für die Rolle der Akteurin nicht nur profundes Fachwissen und Managementqualitäten erforderlich sind, sondern dass diese Rolle auch in Bezug auf personelle Ressourcen sehr anspruchsvoll ist. In diesem Punkt zeigten sich Grenzen.

Grafik 3 Die Schweiz als Akteurin, Mitakteurin und Geberin (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010)

Akteurin 30%

Geberin 39%

Mitakteurin 31%

Die nachstehende Tabelle zeigt die Aufschlüsselung der Ausgaben nach Rolle in den Jahren 2008­2010: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Rolle in Mio. CHF

2008

2009

2010

Akteurin Mitakteurin Geberin

18,1 17,8 20,6

18,3 17,5 24,0

16,2 20,8 25,8

Total

56,5

59,8

62,8

4. Aufschlüsselung nach Interventionsebene Eine Analyse der Ausgaben im Berichtszeitraum zeigt, dass die mit dem Rahmenkredit finanzierten Tätigkeiten im Wesentlichen politische und diplomatische Engagements der Ebenen 1 und 1,5 betrafen. Sie wurden ergänzt durch Engagements der Ebenen 2 (Zivilgesellschaft) und 3 (örtliche Bevölkerung).

70 % der Tätigkeiten entfielen auf die Zusammenarbeit mit politischen Schlüsselakteuren (Interventionsebenen/Tracks 1 und 1,5). Beispielsweise ging es dem EDA darum, einen Dialog zwischen einer amtierenden Regierung und den Anführern einer Rebellion zu fördern oder zu versuchen, eine Regierungspolitik zu beeinflussen. Die systematische Zusammenarbeit mit einflussreichen Persönlichkeiten und 6386

Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (Interventionsebene/ Track 2: 11 %) wurde jedoch ebenfalls nicht vernachlässigt, denn diese können einen Friedensprozess breit abstützen oder eine Entwicklung der Regierungspolitik fördern. In geringerem Masse arbeitete das EDA auch auf der Interventionsebene 3 (Track 3: 2 %), der Ebene des Gemeinwesens. Zentrale Anliegen wie Versöhnung müssen nämlich von der breiten Bevölkerung aufgenommen werden, damit ein Frieden dauerhaft ist. Die «Multitrack»-Arbeit (17 %) verbindet mehrere Interventionsebenen.

Grafik 4 Aufschlüsselung der Ressourcen nach Interventionsebene (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010)

Track 3 2% Track 2 11%

Track 1 36%

Multritrack 17%

Track 1.5 34%

Die nachstehende Tabelle zeigt die Aufschlüsselung der Ausgaben nach Interventionsebene in den Jahren 2008­2010: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Interventionsebene in Mio. CHF

2008

2009

2010

Track 1 Track 1.5 Track 2 Track 3 Multritrack

20,4 18,1 7,4 1,4 9,0

21,2 20,5 6,6 0,7 10,9

22,4 22,0 5,4 2,0 10,9

Total

56,3

59,9

62,7

6387

5. Aufteilung der tatsächlichen Ausgaben nach den wichtigsten Instrumenten Das Instrument der Guten Dienste, der Mediation und der Programme zur zivilen Konfliktbearbeitung bildete den wichtigsten Ausgabenposten, gefolgt von der Entsendung von Experten ins Ausland.

Grafik 5 Aufteilung der Ausgaben nach den wichtigsten Instrumenten (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010)

Die nachstehende Tabelle zeigt die prozentuale Aufteilung in den Jahren 2008­2010 im Detail sowie die Ausgaben nach Instrument im Jahr 2010: Aufteilung der Ausgaben nach den wichtigsten Instrumenten

2008

2009

2010

Durchschnitt

Ausgaben 2010 in Mio. CHF

Expertenpool für zivile Friedensförderung Gute Dienste, Mediation und Programme zur zivilen Konfliktbearbeitung Menschenrechtsdialoge Politikentwicklung und diplomatische Initiativen Strategische Partnerschaften

29,0 %

26,0 %

25,5 %

26,8 %

16,0

35,0 %

40,0 %

40,7 %

38,6 %

25,5

2,0 % 17,0 %

1,0 % 18,0 %

1,0 % 18,0 %

1,3 % 17,7 %

0,6

17,0 %

15,0 %

14,8 %

15,6 %

Total

6388

11,3 9,3 62,7

6. Die Partner des EDA Das EDA wäre ohne die Mitarbeit spezialisierter Partner, seien dies internationale Nichtregierungsorganisationen (44 %), Regierungsorganisationen oder die Vereinten Nationen (37 %), sowie akademischer und privater Partner (12 %) nicht in der Lage gewesen, seinen Auftrag zu erfüllen. Eine langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit wurde insbesondere mit rund zwanzig strategischen Partnern aufgebaut.

Grafik 6 Zusammenarbeit mit den Partnern des EDA (Durchschnitt in % der tatsächlichen Ausgaben 2008­2010) Centri di Genfer Ginevra, Zentren, akademische partner und accademici e private privati Partner 12% 12%

nicht Non classificati aufgeschlüsselt (combinazioni) (Kombinationen) 7% 7% UNO, ONU, staatliche organizzazioni Organisationen 37% governative

37% Organizzazioni internationale internazionali, Organisationen, ONG NGO 44%

Die nachstehende Tabelle zeigt die detaillierte Aufschlüsselung der Ausgaben nach Partnern in den Jahren 2008­2010: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Partnern in Mio. CHF

2008

2009

2010

UNO, andere Regierungsorganisationen Internationale und nationale NGO Genfer Zentren, akademische und private Partner Nicht aufgeschlüsselt (Kombinationen)

15,8 29,4 7,9 3,4

25,4 24,9 7,8 1,7

24,7 24,4 5,6 8,1

Total

56,5

59,8

62,8

6389

7. Gender Mainstreaming Die Schweiz verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz bei der Umsetzung der Gleichstellung von Mann und Frau. In ihren Projekten und Programmen zur Friedensförderung und menschlichen Sicherheit berücksichtigt sie deshalb systematisch die geschlechterspezifische Dimension. Im Berichtszeitraum wurde dem geschlechterspezifischen Aspekt eine wachsende Bedeutung zugemessen. Das EDA legte darüber hinaus Wert auf eine realistische Evaluierung der Anwendung einer solchen Massnahme und auf die Verbesserung der Voraussetzungen für deren Umsetzung. Bei rund 66 % der Anträge für Projektfinanzierungen wurde die Gendersensitivität als «ausgeprägt» oder sogar «erheblich» eingestuft.

Grafik 7 Evaluierung der Gendersensitivität 2008­2010

keine 13%

ausgeprägt 14%

gering 22%

erheblich 52%

Die nachstehende Tabelle zeigt die detaillierte Aufschlüsselung der Ausgaben nach Gendersensitivität in den Jahren 2008­2010: Aufschlüsselung der Ausgaben nach Gendersensitivität in Mio. CHF

Ausgeprägt Erheblich Gering Keine

6390

2008

2009

2010

6,4 22,0 18,0 6,6

5,4 17,8 9,5 8,0

9,5 41,1 6,6 5,6

Anhang 2

Überblick über die schweizerische Friedens- und Abrüstungspolitik Auf den folgenden Seiten wird ein Überblick über die Friedens- und Abrüstungspolitik der Schweiz gegeben. In dieser Beilage wird deutlich, dass es zusätzliche Anstrengungen braucht, um die Aktivitäten der menschlichen Sicherheit, der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe aufeinander abzustimmen und zu ergänzen. Damit soll dem Postulat 09.3003 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats vom 19. Januar 2009 (Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung) Rechnung getragen werden, mit dem der Bundesrat gebeten wird, «einen Bericht zu erstellen, der einerseits einen Überblick über die künftige Friedensförderungsstrategie des Bundesrates sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich vermittelt und andererseits über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik Auskunft gibt, die der Bundesrat in Zukunft zu verfolgen gedenkt. Zu diesem Zweck prüft er insbesondere, ob es zweckmässig wäre, diese Massnahmen in einen einzigen Mehrjahres-Rahmenkredit zu fassen.» Der Bundesrat hat am 25. Februar 2009 die Annahme dieses Postulats beantragt.

Ziele und Handlungsbereiche Die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker ist eine multidimensionale und eine Querschnittsaufgabe. Damit ihre Tätigkeit den aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Frieden und Sicherheit gerecht wird, verfolgt die Schweiz sechs konkrete Ziele, die einander ergänzen: 1.

Förderung der friedlichen Streitbeilegung und der Friedenskonsolidierung.

Durch Eingreifen in die Dynamik eines Konflikts soll vermieden werden, dass dieser offen ausbricht, sich verschärft oder erneut aufflammt.

2.

Angehen der strukturellen Ursachen von Konflikten. Es geht darum, die Ursachen sozialer Spannungen zu verringern und die nationalen Institutionen zu stärken, die gewaltlose Wege zur Problemlösung bieten.

3.

Stabilisierung von Konfliktsituationen, so dass ein Konflikt nicht eskaliert oder erneut aufflammt, und Beitrag zum Friedensaufbau.

4.

Stärkung der globalen Architektur zur Verhütung und Verringerung bewaffneter Gewalt, indem solide internationale Standards und Mechanismen gefördert werden.

5.

Aktiver Beitrag zur Abrüstung, zur Rüstungskontrolle und zur Nonproliferation. Insbesondere soll zur Stärkung rechtsverbindlicher internationaler Abkommen und zur Förderung einer irreversiblen, transparenten und überprüfbaren Abrüstung beigetragen werden.

6.

Schutz und Unterstützung von Personen und Gemeinschaften, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind.

Um diese sechs Ziele zu verwirklichen, setzt die Schweiz die gesamte Palette der diplomatischen, militärischen und Entwicklungsmassnahmen ein, die ihr zur Verfügung steht, von der Lancierung von Initiativen auf multilateraler Ebene bis zu Projekten vor Ort.

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Ziele

Handlungsbereiche

1. Förderung der friedlichen Streitbeilegung und der Friedenskonsolidierung 2. Angehen der strukturellen Ursachen von Konflikten 3. Stabilisierung von Konfliktsituationen, so dass ein Konflikt nicht eskaliert oder erneut aufflammt, und Beitrag zum Friedensaufbau 4. Stärkung der globalen Architektur zur Verhütung und Verringerung bewaffneter Gewalt 5. Aktiver Beitrag zur Abrüstung, zur Rüstungskontrolle und zur Nonproliferation 6. Schutz und Unterstützung von Personen und Gemeinschaften, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind

Zivile Friedensförderung / Entwicklungszusammenarbeit Entwicklungszusammenarbeit / Zivile Friedensförderung Militärische Friedensförderung / Sicherheitspolitik Völkerrecht / zivile Friedensförderung / Entwicklungszusammenarbeit / Politik in internationalen Organisationen Sicherheitspolitik / zivile Friedensförderung Humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit, Völkerrecht, humanitäre Politik, Sicherheitspolitik

Die Schweiz will mit einem kohärenten und gezielten Vorgehen zur Verhütung von Konflikten und zur Förderung des Friedens beitragen, damit die Welt sicherer und stabiler wird.

Der Begriff des Friedens Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Gewalt sowie ein stabiles und möglichst niedriges Rüstungsniveau (negativer Frieden). Diese Faktoren sind zwar wichtig, doch Frieden erfordert sehr viel mehr. Die Schweiz setzt sich nicht nur für die Einstellung der Feindseligkeiten ein, sondern sucht auch einen Frieden zu gestalten, der auf nachhaltiger Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit sowie der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie beruht (positiver Frieden)33.

Hierbei stützt sie sich auf die in der Bundesverfassung verankerten Werte. Sie geht davon aus, dass Frieden im weiteren Sinne die Voraussetzung dafür ist, dass Einzelpersonen, Gemeinschaften, Gesellschaften und Staaten ihr Potenzial uneingeschränkt entfalten können.

Konkret: Wenn Bemühungen um eine Einstellung der Feindseligkeiten zu einem Friedensabkommen geführt haben, müssen unbedingt die nächsten Etappen eines Stabilisierungsprozesses bedacht werden (d.h. was zu tun bleibt). Es ist für Sicherheit und Entwaffnung zu sorgen, die sozioökonomischen Grundlagen sind wiederaufzubauen, im Interesse eines dauerhaften Friedens muss ein politischer Rahmen geschaffen werden, der auf den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, der Beteiligung der Minderheiten und der Nichtdiskriminierung beruht, und schliesslich sind Versöhnung und Gerechtigkeit zu fördern.

33

«Negativer Frieden» und «positiver Frieden» sind grundlegende Konzepte aus der Friedensforschung. Sie beruhen auf dem analytischen Modell zur Typologie der Gewalt, das Ende der 1960er-Jahre von Johan Galtung entwickelt wurde und auch heute noch aktuell ist. Negativer Frieden ist die Abwesenheit von Krieg oder direkter physischer Gewalt zwischen Gruppen, positiver Frieden bedeutet die Abwesenheit von struktureller Gewalt.

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1. Förderung der friedlichen Streitbeilegung und der Friedenskonsolidierung Rolle der zivilen Friedensförderung Die politischen Instrumente der Friedensförderung, die zur Verwirklichung dieses Ziels eingesetzt werden, sind in der Botschaft des Bundesrats über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 aufgeführt, der dieser Bericht angehängt ist.

Kohärenz und Komplementarität Die nachfolgenden Abschnitte, die der Umsetzung der übrigen Ziele des Bundesrats bei der Förderung von Frieden und Sicherheit gewidmet sind, befassen sich mit der Frage der Kohärenz und der Komplementarität zwischen ziviler Friedensförderung und den übrigen Handlungsbereichen des Bundes.

2. Angehen der strukturellen Ursachen von Konflikten und bewaffneter Gewalt Rolle der Entwicklungszusammenarbeit Armut, ungleicher Zugang zu Ressourcen, begleitet von erheblichen Einkommensunterschieden, gehören zu den wichtigsten strukturellen Ursachen von Konflikten.

Die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit34 ­ deren Ziel die Verringerung der Armut ist ­ können erheblich zur Krisenprävention, zum Abbau von Spannungen und zur Förderung der Menschenrechte beitragen. Dazu müssen sie so konzipiert und realisiert werden, dass sie die wesentlichen Ursachen der Konflikte berücksichtigen, unter denen die betroffenen Regionen leiden. Sie können insbesondere die Minderung von sozioökonomischen, ökologischen, politischen, kulturellen oder genderbezogenen Spannungen erleichtern.

Aus diesem Grund nehmen die Krisenprävention und die nachhaltige Lösung von Konflikten in der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Platz ein, und der Bundesrat führt sie in seiner Botschaft vom Frühjahr 200835 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern als eine strategische Priorität auf. Dies wird auch ein Schwerpunktthema in der nächsten Botschaft sein, die der Bundesrat dem Parlament für den Zeitraum 2013­2016 vorlegen wird.

Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit leistet in zwei Bereichen einen wichtigen Beitrag: erstens bei der Förderung der strukturellen Stabilität und der Demokratisierung, zweitens bei der Stärkung der nationalen Kompetenzen und Institutionen zur Gewaltprävention und zur Erleichterung der
gewaltlosen Konflikttransformation. Sie legt Wert darauf, dass in solche Prozesse die verschiedenen nationalen Akteure, insbesondere die Zivilgesellschaft, einbezogen werden, einschliesslich marginalisierter Gruppen wie Vertriebene und Frauen.

34

35

Die Tätigkeiten der Konfliktprävention mittels Entwicklungszusammenarbeit stützen sich auf das Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (SR 974.0) sowie auf mehrere Strategiepapiere: Botschaft über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern vom 14. März 2008; Leitlinien Friedensentwicklung und Strategie 2010 der DEZA. Ihre Akteure sind das EDA (DEZA) und das EVD (SECO), die eng mit zivilen und militärischen Akteuren der Friedensförderung und der Sicherheit zusammenarbeiten.

BBl 2008 2959

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Dabei stützt sie sich auf ihre speziellen Leitlinien Friedensentwicklung, die die Bedingungen und Grundsätze des Engagements klären. Sie stützt sich ferner auf ihr Konzept des «konfliktsensitiven Programm-Managements» (Conflict-Sensitive Programme Management, CSPM), das auf der Devise «nicht schaden» beruht.

Dieses Konzept zeigt Möglichkeiten auf, auf Konfliktursachen einzuwirken oder zur Konfliktlösung beizutragen. Die Schweiz ist eines der am weitesten fortgeschrittenen Länder in diesem Bereich; sie hat auch ausländische Akteure in dieser Methode ausgebildet, wobei ihr vor allem ihre Erfahrungen in Nepal zugute kamen36. Ergänzend berücksichtigt sie die zehn Grundsätze des Entwicklungsausschusses (DAC) der OECD für das internationale Engagement in fragilen Staaten sowie die Empfehlungen der «Accra Agenda for Action» von 2008, die sich speziell mit der Verbesserung der Wirksamkeit der Hilfe für Länder befassen, die unter Fragilität oder Konflikten leiden.

Auf multilateraler Ebene bemüht sich die Entwicklungszusammenarbeit, ihr Partnernetzwerk und den interinstitutionellen Dialog über Fragen der Übergangszeit nach Konflikten zu stärken; hierbei ist das Ziel, die Wirksamkeit der individuellen Reaktion und der Beteiligung an der Koordination des internationalen operationellen Systems zu verbessern, namentlich mit den Vereinten Nationen, der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank.

Die Einrichtung eines Netzwerks Konflikte und Menschenrechte innerhalb der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit entspricht dem Willen, in den kommenden Jahren beim konfliktsensitiven Programm-Management (CSPM) vor Ort noch leistungsfähiger zu werden und ein wirksames Zusammenspiel von bilateralen und multilateralen Bemühungen sicherzustellen.

Kohärenz und Komplementarität In Zukunft wird die Entwicklungszusammenarbeit noch vermehrt in fragilen und Konfliktsituationen arbeiten müssen, denn die Gefahr, dass sich die internen Konflikte wie auch die gewaltsamen Konflikte mehren, ist in den ärmsten Ländern besonders gross. Die komplementären Instrumente der zivilen Friedensförderung der Politischen Direktion des EDA (s. unten) werden weiterhin genutzt werden, um Strukturen für die gewaltlose Konflikttransformation zu schaffen und zu stärken.

Die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für
Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) wirken langfristig krisenverhütend, mildern Spannungen und fördern die Menschenrechte.

Die zivile Friedensförderung ermöglicht es der Schweiz, in Situationen mit hohem Gewalt- und Eskalationspotenzial zu arbeiten, und sie ist bestrebt, auf deren Dynamik einzuwirken. Mit diplomatischen Mitteln unterstützt die Schweiz Prozesse, die auf Verhinderung einer Verschlimmerung, die Wiederherstellung des Friedens und dessen Konsolidierung ausgerichtet sind. In einem bestimmten Friedensprozess richtet sie ihre Tätigkeit auf die politischen Schlüsselakteure aus, d.h. die Führer der Konfliktparteien, unabhängig davon, ob diese in offizieller Eigenschaft oder aus einer weniger formellen Position heraus handeln. Ihr Einsatz erfolgt in der Regel mittelfristig, teils auch kurzfristig, wenn die politische Opportunität es erfordert.

36

Siehe: «Context- Sensitive Engagement: Lessons Learned from Swiss Experiences in South Asia for Aid Effectiveness in fragile Scenarios», vorbereitet für das dritte hochrangige Forum über die Wirksamkeit der Hilfe in Accra, Sept. 2008.

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Angesichts der engen Verbindungen zwischen Frieden, Sicherheit und Entwicklung beabsichtigt die Schweiz, ihren ganzheitlichen Ansatz in fragilen und Konfliktsituationen zu verstärken. Die Friedensförderung und die Entwicklungszusammenarbeit müssen zwingend gemeinsame strategische Ausrichtungen verfolgen. Die Politische Direktion (PD) und die DEZA werden ihre geografischen und thematischen Schwerpunkte weiterhin eng absprechen. Regelmässige Koordinationssitzungen zwischen PD und DEZA und ein Steuerungsausschuss, der die Arbeit der Politischen Abteilung IV (PA IV) und der DEZA koordiniert, dienen der Kooperation sowohl in der Konzeptions- als auch in der Umsetzungsphase. Wo DEZA und PA IV in denselben Ländern tätig sind, erfolgt der Einsatz koordiniert, grundsätzlich im Rahmen gemeinsamer Länderstrategien.

3. Stabilisierung von Konfliktsituationen, so dass ein Konflikt nicht eskaliert oder erneut aufflammt, und Beitrag zum Friedensaufbau Rolle der militärischen Friedensförderung Die militärische Friedensförderung, eine der vier grundlegenden Aufgaben der Schweizer Armee gemäss dem Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (MG), gehört zu den Bereichen des internationalen Krisenmanagements, die am stärksten in Bewegung sind. Diese Dynamik ist das Ergebnis eines ständigen Lernprozesses der internationalen Gemeinschaft, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges mit einer wachsenden Komplexität von Krisen und Konflikten konfrontiert sieht.

Der Bundesrat hat sich in seinem Sicherheitspolitischen Bericht 2010 eine Erhöhung der Kapazitäten der militärischen Friedensförderung zum Ziel gesetzt. Bei der Entsendung militärischer Kontingente sieht der Bundesrat zudem eine Konzentration auf die Bereiche Lufttransport, terrestrische Logistik- und Transportleistungen sowie Nischenleistungen in Sanität, Nachrichtendienst und im Sicherheitsbereich vor.

Bei unbewaffneten Einzelpersonen und Kleindetachementen wird das Schwergewicht auf die vermehrte Entsendung von Militärbeobachtern, Stabsoffizieren und Experten der humanitären Minenräumung gelegt. Zudem ist die Bereitstellung von Militärexperten im Bereich Kleinwaffen und leichte Waffen, Beseitigung der Lagerbestände und Zerstörung von Munition, Reform des Sicherheitssektors sowie Entwaffnung und Wiedereingliederung von Kämpfern in die Gesellschaft
vorgesehen.

Kohärenz und Komplementarität Angesichts der Konfliktfaktoren und -mechanismen ist es heutzutage unerlässlich, zivile und militärische Instrumente der Friedensförderung zu koordinieren. Häufig ist ein nachhaltiger ziviler Beitrag praktisch unmöglich ohne militärische Unterstützung, zumindest in den Frühphasen der Konfliktbewältigung und -beendigung.

Diese wichtige Schnittstelle zwischen Verteidigung/Militär, Friedensförderung und Entwicklung muss in den kommenden vier Jahren noch gestärkt werden. Es geht darum, das entsprechende Fachwissen weiterzuentwickeln und einzusetzen sowie die betreffenden Projekte und Akteure im Rahmen eines koordinierten Vorgehens des Bundes zu unterstützen.

Im EDA ist innerhalb der Politischen Direktion die Politische Abteilung IV für die Konzeption der Friedenspolitik und die Umsetzung der Massnahmen der zivilen Friedensförderung verantwortlich. Diese Arbeit, die in enger Abstimmung mit dem Politischen Sekretariat (Fragen der internationalen Sicherheitspolitik), mit der 6395

Politischen Abteilung III (UNO-Koordination), mit der DEZA und dem Integrationsbüro (EDA/EVD) erfolgt, umfasst Aspekte der friedenserhaltenden Operationen und der Friedensförderung in multilateralem Rahmen.

Im VBS sind das Generalsekretariat (Sicherheitspolitik) und der Stab der Armee (Dienststelle Internationale Beziehungen Verteidigung) für Fragen der Sicherheitspolitik und internationale Einsätze der Friedensförderung mit zivilen und militärischen Mitteln des VBS zuständig. Letztere werden vom Kompetenzzentrum Swissint organisiert.

Die zivile und militärische Friedensförderung der Schweiz erfolgt im Rahmen von multilateralen und bilateralen Programmen. Militärisch-zivile Schnittstellen der schweizerischen Friedensförderung ergeben sich daher zum einen in konzeptioneller Hinsicht in Bezug auf relevantes Fachwissen und Kapazitäten und zum anderen in operationeller Hinsicht bei der Teilnahme an multilateralen Friedensmissionen.

In folgenden thematischen Schlüsselbereichen der Friedensförderung kommen militärisches und ziviles Fachwissen zusammen: ­

Beobachtung («Monitoring») von Waffenstillstands- und Friedensabkommen durch militärische und/oder zivile Kräfte

­

Subsidiärer Schutz der Zivilbevölkerung («Protection») durch militärische und polizeiliche Komponenten internationaler Friedensmissionen

­

Reform des Sicherheitssystems (Armee, Polizei, Grenzschutz, Nachrichtendienste) nach demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien

­

Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Mitglieder bewaffneter Gruppen

­

Kontrollmechanismen für Kleinwaffen und leichte Waffen (SALW) sowie Abbau überschüssiger Bestände an SALW und Munition

­

Humanitäre Minenräumung

­

Zusammenarbeit bei der Gewährleistung eines sicheren Umfelds vor, während und nach Wahlen

Innerhalb der Bundesverwaltung, in erster Linie zwischen VBS und EDA, bestehen zur zivil-militärischen Zusammenarbeit in der Friedensförderung verschiedene gut funktionierende Koordinationsmechanismen. Die von der PA IV geleitete Kerngruppe Frieden dient der Absprache über die grundsätzliche Ausrichtung aller Aktivitäten beider Departemente in der Friedensförderung und der Klärung konzeptioneller Fragen. Weitere Koordinationsorgane zu spezifischen Themen sind: ­

der Koordinationsausschuss humanitäre Minenräumung

­

die interdepartementale Arbeitsgruppe über Kleinwaffen und leichte Waffen (IDAG SALW)

­

die interdepartementale Arbeitsgruppe zur Reform des Sicherheitssektors (IDAG SSR)

­

gemeinsame länderspezifische Koordinationsgruppen zu Engagements in bestimmten Ländern (z.B. Sudan)

6396

­

ein Steuerungsausschuss VBS/EDA unter dem Vorsitz des EDA für die Koordinierung der schweizerischen Beiträge an die drei Genfer Zentren37

Im Übrigen sind die bilateralen Programme zur zivilen Friedensförderung gut mit den im Bericht über die Sicherheitspolitik der Schweiz aufgeführten Aktivitäten der militärischen Friedensförderung des Bundes abgestimmt, insbesondere in den Bereichen humanitäre Minenräumung, Reform des Sicherheitssektors, Kleinwaffen und leichte Waffen, Beseitigung von Lagerbeständen und Zerstörung von Munition und ­ indirekt ­ Entsendung von Schweizer Kontingenten in Friedensmissionen der UNO oder der OSZE.

4. Stärkung der globalen Architektur zur Verhütung und Verringerung bewaffneter Gewalt Eine wirksame Konfliktprävention, die Einschränkung der bewaffneten Gewalt und die Friedenskonsolidierung erfordern auf globaler Ebene effiziente Mechanismen, einen Konsens über die Standards sowie eine verstärkte Achtung des Völkerrechts.

Diplomatische Initiativen und multilaterale Engagements in den Bereichen Frieden und Sicherheit Die Schweiz leistet ihren Beitrag zur Erarbeitung einer globalen Friedenspolitik und zur Stärkung des internationalen Systems der Konfliktbeilegung und der Rechtsanwendung im Rahmen ihrer Schwerpunkte in den Bereichen Frieden und Sicherheit.

Besonders aktiv wirkt sie in den Vereinten Nationen mit, dem einzigen internationalen Gremium, das in der Lage ist, sich weltweiten Herausforderungen zu stellen. Sie wird die UNO auch weiterhin mit Fachwissen, Personal und finanziellen Beiträgen unterstützen, z.B. im Bereich der Mediation. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die Überlegungen zur institutionellen Reform für die Konfliktprävention und die Friedenssicherung und -konsolidierung vorankommen. Beispielsweise wird sie im Rahmen der Kommission für Friedenskonsolidierung ihre Erfahrungen einbringen können.

Sie wird weiterhin aktiv an der Entwicklung diplomatischer Initiativen mitarbeiten, z.B. in der UNO-Generalversammlung, aber auch in anderen multilateralen Gremien, insbesondere dem Wirtschafts- und Sozialrat, dem Sicherheitsrat und den Verwaltungsräten der wichtigsten Partnerorganisationen sowie im Rahmen der Allianz der Zivilisationen. Mehrere Initiativen (bewaffnete Gewalt und Entwicklung, Minenräumung, Reformen des Sicherheitssektors, Wirtschaftsakteure und menschliche Sicherheit) werden in der Botschaft des Bundesrats über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 beschrieben, der dieser Bericht angehängt ist (Ziff. 3.3.5).

37

Die Beiträge an die drei Genfer Zentren (Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte, Genfer internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung) wurden dem Parlament 2010 in einer separaten Botschaft unterbreitet (BBl 2010 8191). Sie sind daher nicht Teil dieser Botschaft.

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Weitere wichtige Engagements zugunsten von Frieden und Sicherheit sind: Die Reform des UNO-Sicherheitsrats: Gemäss den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen trägt der Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Die Schweiz setzt sich nach wie vor für die Verbesserung seiner Arbeitsweise ein.

Der europäische Sicherheitsdialog: Die Schweiz begrüsst die Vorschläge zur Erneuerung der Grundlagen der europäischen Sicherheit. In materieller Hinsicht ist es wichtig, die Instrumente der Konfliktprävention konsequenter anzuwenden und die Instrumente der Krisenbewältigung zu verbessern.

Gezielte Sanktionen: Sanktionen sind ein wichtiges Instrument, um die Achtung des Völkerrechts durchzusetzen und um Frieden und Sicherheit zu wahren. Sanktionen sind ein politisches Instrument und werden zu politischen Zwecken eingesetzt, ob sie nun aufgrund von Kapitel VII der UNO-Charta verhängt werden oder nicht. Sie müssen somit vorübergehender Natur sein und aufgehoben werden, sobald der Frieden nicht mehr bedroht ist. Ebenso darf humanitäre Hilfe nicht von politischen Bedingungen abhängig gemacht werden. Als UNO-Mitglied ist die Schweiz verpflichtet, vom Sicherheitsrat verhängte Sanktionen umzusetzen. Häufig erfolgen diese Sanktionen in Form eines Waffenembargos, einer Sperrung von Vermögenswerten, von Reisebeschränkungen oder eines Handelsembargos für bestimmte natürliche Ressourcen.

Unterstützung von internationalen Mechanismen zur friedlichen Streitbeilegung: Gemäss der Charta der Vereinten Nationen sind alle Staaten verpflichtet, ihre Streitigkeiten friedlich beizulegen. Die Schweiz unterstützt die entsprechenden internationalen Mechanismen vorbehaltlos, insbesondere den Internationalen Gerichtshof, der das wichtigste Justizorgan der UNO ist. Sie setzt sich dafür ein, dass möglichst viele Staaten dessen Zuständigkeit anerkennen. Sie kann überdies den Gerichtshof in seiner Aufgabe, Rechtsgutachten abzugeben, unterstützen, indem sie ihm solche Gutachten vorlegt.

Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs: Die internationale Strafgerichtsbarkeit, insbesondere der Internationale Strafgerichtshof, kann ebenfalls als ein Instrument der Konfliktprävention angesehen werden, da sie es ermöglicht, die schwersten Verbrechen ­ Völkermord,
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ­ zu ahnden; bleiben solche Verbrechen ungestraft, bilden sie einen Nährboden für künftige Konflikte.

Förderung und Schutz der Menschenrechte: Systematische Verletzungen der Menschenrechte sind eine Ursache und oft auch eine Folge von Konflikten.

Sonstige Instrumente, die bei der Konfliktprävention eine Rolle spielen: Es gibt noch andere Ursachen von Konflikten, die die Verletzlichkeit von Staaten, Gemeinwesen und ganzen Regionen wie auch die Gefahr von Gewalt und Instabilität erhöhen. Um sie wirksam zu bekämpfen, ist ein Vorgehen auf weltweiter systemischer Ebene erforderlich. Neben ihren Aktivitäten und Aktionen im Bereich der menschlichen Sicherheit sowie der Förderung von Frieden und Abrüstung beteiligt sich die Schweiz unter anderem an den internationalen Bestrebungen zur Förderung einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung, eines effizienten Migrationsmanagement, das die menschliche Würde respektiert, am Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Umweltzerstörung; ferner leistet sie auch einen Beitrag zur Gesundheitsförderung und zur Pandemiebekämpfung.

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5. Aktiver Beitrag zur Abrüstung, zur Rüstungskontrolle und zur Nonproliferation Rolle der Sicherheitspolitik Da die Schweiz aufgrund ihrer ständigen Neutralität weder einem Militär- noch einem Verteidigungsbündnis angehört, muss sie ihre nationale Sicherheit über ihr Verteidigungsdispositiv hinaus durch ihre Aussenpolitik sicherstellen. Angesichts der Herausforderungen des derzeitigen geopolitischen Umfeldes und der weltweiten Auswirkungen von bewaffneten Konflikten ist die schweizerische Politik der Abrüstung, der Rüstungskontrolle und der Nonproliferation im Wesentlichen auf nationale und internationale Sicherheit und Stabilität sowie die Schaffung eines Klimas des Vertrauens bei einem möglichst geringen Rüstungsniveau ausgerichtet. Unter anderem setzt sie sich für die vollständige Abschaffung der Massenvernichtungswaffen ein und ist bestrebt zu verhindern, dass sie in die Hände von Terroristen gelangen.

Des Weiteren will sie die destabilisierende Anhäufung und den illegalen Handel mit konventionellen Waffen verhindern, die Transparenz im Rüstungsbereich fördern und ein Verbot von Waffen durchzusetzen, die übermässiges Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken.

Die in der schweizerischen Abrüstungs-, Rüstungskontroll- und Nonproliferationspolitik eingesetzten Massnahmen sind insbesondere die diplomatische Initiative, Mitwirkung in multilateralen Abrüstungs- und Nonproliferationsprozessen, finanzielle Beiträge zur Waffenvernichtung, verbesserte Verwaltung der Waffenbestände, Umsetzung von Massnahmen gegen die Verbreitung von Waffen und Technologien sowie die Beteiligung an Verifizierungssystemen.

Kohärenz und Komplementarität Bei der zivilen Friedensförderung engagiert sich die Schweiz im Bereich der Abrüstung konventioneller Waffen, die verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben (Minen, Waffen mit Streumunition, Kleinwaffen und leichte Waffen).

Wie in der Botschaft des Bundesrats über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 beschrieben, der dieser Bericht angehängt ist (Ziff. 3.2.1 und 3.3.5), wird sich die Schweiz verstärkt für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nonproliferation einsetzen. Eine engagierte Abrüstungspolitik ist nämlich die natürliche Ergänzung einer aktiven Friedensförderungspolitik. Sie dient dem
gleichen verfassungsmässigen Ziel, dem friedlichen Zusammenleben der Völker, und trägt erheblich zur Stärkung der menschlichen Sicherheit bei. Jedes Jahr wird ein beträchtlicher Teil des für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit bereitgestellten Budgets (1 Million Franken im Jahr 2011) für diesen Bereich verwendet. Damit trägt der Bundesrat dem Postulat 09.3003 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats vom 19. Januar 2009 (Gesamtstrategie für Friedensförderung und Abrüstung) Rechnung.

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6. Schutz und Unterstützung von Personen und Gemeinschaften, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind Rolle der humanitären Hilfe und des Schutzes der Zivilbevölkerung Der Bund schützt und unterstützt Personen und Gemeinschaften, die unter bewaffneten Konflikten leiden. Er tut dies auf verschiedenen Ebenen mittels humanitärer Hilfe und Massnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung bei bewaffneten Konflikten.

Hauptziel dieses Engagements ist es, die verheerenden Folgen bewaffneter Konflikte und das menschliche Leid zu lindern, das sie verursachen. Die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker ist kein direktes Ziel; es ist also auch kein Instrument der Friedenspolitik. Es bestehen jedoch Schnittstellen mit der zivilen und militärischen Friedensförderung sowie mit der Abrüstung, die erwähnt werden müssen.

Der Bundesrat hat seinen Willen zur Umsetzung einer humanitären, unabhängigen schweizerischen Politik mit einem klaren Profil geäussert, und er fördert die Kernbereiche «humanitäre Aktionen der Schweiz, insbesondere die humanitäre Hilfe» und «humanitäres Völkerrecht, insbesondere dessen weltweite Verankerung und Weiterentwicklung».

Daher betreibt die Schweiz eine Aussenpolitik, die auf der Universalität, der Pflege guter Beziehungen mit allen Staaten und der Einhaltung des Rechts, insbesondere der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, beruht. Die humanitäre Hilfe des Bundes setzt sich somit folgende Ziele: Vor, während und nach Ereignissen mit schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung trägt sie dazu bei, Risiken zu mindern, Zerstörung und Elend vorzubeugen, Leben zu schützen und zu retten und Leiden zu lindern. Sie unterstützt die Opfer bei Wiederaufbau und beginnender Versöhnung, fordert für sie die humanitären Grundsätze ein und hilft, ihnen eine Stimme zu geben.

Das Engagement zugunsten des Schutzes der Zivilbevölkerung bei bewaffneten Konflikten ist in der Botschaft des Bundesrats über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 beschrieben, der dieser Bericht angehängt ist (Ziff. 3.2.5). Es gilt allen Opfern von bewaffneten Konflikten und stützt sich auf völkerrechtliche Verträge. Die Massnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten zielen zwar nicht in erster Linie auf die Verhütung von Konflikten
und die Förderung des Friedens ab, sie können jedoch unter Umständen dazu beitragen. Wenn beispielsweise die Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte und die Rechte von Flüchtlingen beachten, kann dies zur Vertrauensbildung beitragen und dadurch die Basis für eine politische Lösung des Konflikts legen.

Kohärenz und Komplementarität Die Förderung der menschlichen Sicherheit unterscheidet sich von der humanitären Hilfe des Bundes. Ihr Ziel ist, durch Präventions- oder Hilfsmassnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens beizutragen, wenn es bedroht ist, sowie zur Linderung von Leid. Die humanitäre Hilfe des Bundes ist für Menschen bestimmt, die Opfer einer Natur- und/oder Technologiekatastrophe oder eines bewaffneten Konflikts sind.

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Wegen der Komplexität der humanitären Situationen sind ein ständiger Dialog und ein Zusammenspiel der verschiedenen aussenpolitischen Instrumente der Schweiz erforderlich, insbesondere der Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, der Förderung und Erhaltung des Friedens, der Wirtschaft und der Sicherheit; sie müssen das Handeln anderer Departemente und Bundesämter ergänzen. Ebenso wirken auf internationaler Ebene die aussenpolitischen Instrumente der Schweiz mit verschiedenen Partnern, Regierungen, multilateralen Akteuren und Hilfswerken zusammen. Eine Herausforderung, die sich auch in Zukunft stellen wird, ist der Einbezug der humanitären Akteure in friedenserhaltende Operationen.

Zwar anerkennt die Schweiz durchaus den besonderen Charakter der humanitären Hilfe und dass es wichtig ist, den humanitären Bereich zu respektieren, doch hält sie die Koordination zwischen den verschiedenen einschlägigen Akteuren im Umfeld internationaler Friedensmissionen für wesentlich. Im Übrigen verfügt die humanitäre Hilfe des Bundes über Leitlinien zur Koordination zwischen humanitären Akteuren und friedenserhaltenden Missionen.

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