zu 10.404 Parlamentarische Initiative Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen Bericht vom 3. Dezember 2010 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 2. Februar 2011

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 3. Dezember 2010 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. Februar 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-0061

1839

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Bundesverfassung (BV)1 sieht vor, dass das Parlament die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes ausübt (Art. 169 Abs. 1 BV). Die Oberaufsicht ist ein wesentliches Element der Gewaltenteilung. Das Parlament nimmt im Rahmen der Oberaufsicht eine politische Bewertung der staatlichen Aufgabenerfüllung vor und gibt Empfehlungen für künftiges Handeln ab oder initiiert Gesetzesänderungen. Die parlamentarische Oberaufsicht veranlasst die kontrollierten Organe, die Gründe ihres Verhaltens offenzulegen, durchschaubar und verständlich zu machen, die Ergebnisse beziehungsweise das Fehlen von Ergebnissen zu rechtfertigen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Das Parlament kann jedoch nicht anstelle der zu beaufsichtigenden Organe handeln oder deren Entscheide aufheben.

Damit das Parlament seinen Aufgaben gegenüber Bundesrat und Bundesverwaltung nachkommen kann, stellt die BV der parlamentarischen Oberaufsicht Informationsrechte zur Verfügung. Den vom Gesetz vorgesehenen besonderen Delegationen von Aufsichtskommissionen können keine Geheimhaltungspflichten entgegengehalten werden (Art. 169 Abs. 2 BV). Artikel 153 Absatz 4 BV hält zudem fest, dass den parlamentarischen Kommissionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Auskunftsrechte, Einsichtsrechte und Untersuchungsbefugnisse zustehen. Deren Umfang soll durch das Gesetz geregelt werden.

Im Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 20022 (ParlG) sind deshalb die Informationsrechte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier (Art. 7 ParlG), der Legislativkommissionen (Art. 150 ParlG), der Aufsichtskommissionen (Geschäftsprüfungs- und Finanzkommissionen; Art. 153 ParlG) und der Delegationen der Aufsichtskommissionen (Geschäftsprüfungs- und Finanzdelegation; Art. 154 ParlG) sowie der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK; Art. 166 ParlG) in einem Kaskadensystem geregelt. Dabei wird der Umfang der Informationsrechte aufsteigend grösser. Die Delegationen inklusive PUK, die im Bereich der Oberaufsicht Spezialaufgaben wahrnehmen, verfügen über die umfassendsten Informationsrechte; wie in der BV vorgesehen, haben sie Anspruch auf alle Informationen.

In den vergangenen Jahren sind bei der Ausübung der parlamentarischen Informationsrechte durch die Aufsichtskommissionen
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte und dem Bundesrat über die Auslegung von Artikel 153 Absatz 4 ParlG aufgetreten. Für den Bundesrat umfassen «Unterlagen, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesrates dienen» auch die Anträge, weshalb für Letztere kein Anspruch auf Herausgabe besteht. Die GPK vertreten demgegenüber die Ansicht, dass der Vorbehalt in Artikel 153 Absatz 4 ParlG lediglich das Kollegialprinzip schützen sollte und somit nur die Mitberichte der anderen Departemente, nicht aber die Anträge an den Bundesrat inklusive Beilagen umfassen sollte. An ihrer gemeinsamen Sitzung vom 22. Januar 2010 kamen die GPK beider Räte daher zum Schluss, eine parlamentarische Initiative in die Wege zu leiten. Am 26. Februar 2010 verabschiedete die Geschäftsprü1 2

SR 101 SR 171.10

1840

fungskommission des Ständerates (GPK-S) den Initiativtext einstimmig. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) stimmte der Initiative am 30. März 2010 und damit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs einstimmig zu.

Am 3. Dezember 2010 hat die GPK-S den Entwurf zur Änderung des ParlG verabschiedet. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 unterbreitet die GPK-S dem Bundesrat den Entwurf zur Stellungnahme.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Allgemeines

Damit der Bundesrat seine von der BV vorgegebenen Aufgaben wahrnehmen kann, ist es wichtig, dass gewisse Informationen geheim gehalten werden können und nur einem kleinen Kreis zugänglich gemacht werden. Dies betrifft zum einen Informationen, die im Interesse des Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste nicht öffentlich gemacht werden. Zum anderen ist es für die Meinungsbildung im Kollegium von zentraler Bedeutung, dass grundsätzlich kein Anspruch des Parlaments auf Informationen zum Mitberichtsverfahren des Bundesrates besteht. Die Vertraulichkeit im Bundesrat ist Voraussetzung für eine freie und kollegiale Beratung. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Kollegialprinzip ausgehöhlt wird.

Der Bundesrat weist den Vorwurf zurück, er habe sich bei der Handhabung von Artikel 153 Absatz 4 ParlG gesetzeswidrig verhalten. Die Befugnis der Aufsichtskommissionen, über die Ausübung ihrer Informationsrechte endgültig zu entscheiden, betrifft nur die Bereiche, für die ihnen das Parlamentsgesetz Informationsrechte einräumt. Artikel 153 Absatz 4 zweiter Satz ParlG schränkt diesen Bereich ein und hält fest, dass die Aufsichtskommissionen keinen Anspruch auf Unterlagen haben, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesratskollegiums dienen oder die im Interesse des Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste geheim zu halten sind.

Der Bundesrat hält im Lichte des in der Verfassung verankerten Kollegialprinzips weiterhin an seiner Auslegung von Artikel 153 Absatz 4 zweiter Satz ParlG fest, wonach mit dieser Bestimmung sämtliche Unterlagen des Mitberichtsverfahrens, mithin auch die Anträge an den Bundesrat und deren Beilagen, gemeint sind. Die Aufsichtskommissionen haben somit nach geltendem Recht keinen gesetzlichen Anspruch auf Einsichtnahme in die Anträge, da diese zu den Unterlagen gehören, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesrates dienen.

Es hat sich jedoch in der Praxis eingebürgert, dass der Bundesrat den Aufsichtskommissionen einzelfallweise auch Einsicht sowohl in die Anträge wie auch in die Mitberichte gewährt.

Angesichts der strittigen Punkte bei der Auslegung der Informationsrechte sowie im Lichte der Praxis ist der Bundesrat im Grundsatz mit der Anpassung der Informationsrechte der Ratsmitglieder, der Legislativkommissionen sowie der Aufsichtskommissionen und ihrer Delegationen
einverstanden. Er beantragt allerdings eine Reihe von Änderungen gegenüber der Vorlage der GPK-S.

Die im Bericht der GPK-S neu vorgesehene Ausstandsregelung für Mitglieder der GPK und ihrer Delegation begrüsst der Bundesrat. Zu den übrigen Änderungsvorschlägen nimmt er nachfolgend Stellung.

1841

2.2

Informationsrechte der Ratsmitglieder und der Legislativkommissionen

Der Bundesrat ist einverstanden mit der neuen Formulierung der Vorbehalte in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a des Entwurfs des Parlamentsgesetzes (E-ParlG) zu den Informationsrechten der Ratsmitglieder sowie in Artikel 150 Absatz 2 E-ParlG zu den Informationsrechten der Legislativkommissionen. Er hält fest, dass der Begriff Mitberichtsverfahren auch die Anträge an den Bundesrat sowie die Beilagen zu den Anträgen beinhaltet. Ratsmitglieder und Legislativkommissionen haben somit keinen Informationsanspruch auf Einsicht in Anträge an den Bundesrat, Mitberichte und Beilagen zu den Anträgen.

Auch gegen eine Überarbeitung von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b E-ParlG hat der Bundesrat grundsätzlich nichts einzuwenden. Die vorgeschlagene Umschreibung des Ausschlussbereichs der Informationsrechte der Ratsmitglieder ist indessen zu präzisieren und im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit auf nach Artikel 6 der Informationsschutzverordnung vom 4. Juli 20073 (ISchV) vertraulich klassifizierte Informationen zu erweitern. Zudem ist sie auf die neue Fassung von Artikel 150 Absatz 2 E-ParlG über die Informationsrechte der Legislativkommissionen abzustimmen. Nach dem Bericht der GPK-S gehen die Informationsrechte der Ratsmitglieder weniger weit als diejenigen der Legislativkommissionen. Dem wird Rechnung getragen, in dem der Ausschlussbereich der Kommissionen geheime und der Ausschlussbereich der Ratsmitglieder auch vertrauliche Informationen umfasst.

2.3

Informationsrechte der Aufsichtskommissionen

2.3.1

Grundsätzliche Zustimmung zur Ausweitung

Der Bundesrat kann nachvollziehen, dass die Aufsichtskommissionen über umfassende Informationsrechte verfügen müssen, um ihre Aufgaben im Rahmen der Oberaufsicht für das Parlament wahrnehmen zu können. Dazu gehört nicht nur die Möglichkeit, direkt mit den zu beaufsichtigenden Behörden verkehren zu können und von ihnen zweckdienliche Auskünfte und Unterlagen zu verlangen. Vielmehr muss es auch möglich sein, die Beschlüsse des Bundesrats nachvollziehen zu können. Nach geltendem Recht können die GPK zwar der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), der der Bundesrat keine Informationen aus seinem Zuständigkeitsbereich vorenthalten darf, besondere Aufträge erteilen, womit sie bereits heute indirekt über einen absoluten Informationsanspruch verfügen. Unter gewissen Voraussetzungen ist der Bundesrat dennoch mit der Ausweitung der Informationsrechte auf die Herausgabe von Anträgen an den Bundesrat an die Aufsichtskommissionen einverstanden. Zum einen muss jedoch sichergestellt werden, dass keine Unberechtigten Zugang zu diesen Informationen erhalten. Die Vorlage verpflichtet die Aufsichtskommissionen, in ihrem Bereich Weisungen zum Geheimnisschutz zu erlassen. Aus Sicht des Bundesrates sind dabei insbesondere Sanktionen vorzusehen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Weisungen. So ist insbesondere das Amtsgeheimnis nach

3

SR 510.411

1842

Artikel 8 ParlG besser zu schützen4. Zum anderen sind die Verfahrensrechte des Bundesrates auszubauen und an seine rechtliche Stellung im Rahmen einer PUK anzupassen. Namentlich ist ihm das Recht einzuräumen, den Befragungen von Auskunftspersonen beizuwohnen und dabei Ergänzungsfragen zu stellen. Auch soll ihm das Recht zugestanden werden, in die herausgegebenen Unterlagen und in die Gutachten und Einvernahmeprotokolle der Aufsichtskommissionen Einsicht zu nehmen. Zudem sollen die Aufsichtskommissionen verpflichtet werden, in ihrem Bericht Stellungnahmen der betroffenen Behörden im Rahmen des Rechts auf Anhörung nach Artikel 157 ParlG auszuweisen. Handelt es sich um eine Stellungnahme des Bundesrates, so sollen die Aufsichtskommissionen verpflichtet werden, deren Nichtberücksichtigung im Bericht zu begründen.

Nicht einverstanden ist der Bundesrat jedoch damit, den Aufsichtskommissionen einen Anspruch auf eine Einsichtnahme in die Mitberichte der übrigen Departemente zum Antrag des federführenden Departments einzuräumen. Sind den Aufsichtskommissionen auch die Mitberichte zugänglich, so würde der Kreis derjenigen, die Einsicht in die Beratungen des Bundesratskollegiums erhalten, erheblich erhöht. Die freie Meinungsbildung im Bundesrat wäre nicht mehr gewährleistet und das Kollegialprinzip würde erheblich belastet. Anhand der Anträge, welchen ein Beschlussdispositiv beigefügt ist, sowie der Bundesratsbeschlüsse können die Aufsichtskommissionen ihre Oberaufsicht voll und ganz ausüben. Im Sinne einer Präzisierung möchte der Bundesrat ausserdem in Artikel 153 Absatz 6 E-ParlG nicht vom Ausschluss der «Herausgabe», sondern vom Ausschluss der «Einsichtnahme» sprechen. Im Unterschied zu Artikel 154 Absatz 2 Buchstabe a E-ParlG, wo der Begriff der «Herausgabe» bewusst verwendet wird, weil künftig einschränkende Modalitäten der Einsichtnahme wie beispielsweise ein Verbot der Erstellung von Fotokopien gegenüber den Aufsichtsdelegationen verhindert werden sollen, ist der Begriff hier sachwidrig. Die Aufsichtskommissionen sollen nämlich gar keinen Zugang zu den in Artikel 153 Absatz 6 E-ParlG genannten Dokumenten haben, auch nicht in der Form einer blossen Einsichtnahme. Die im Bericht der GPK-S zu Artikel 153 Absatz 6 Buchstabe a E-ParlG erwähnte Begründung, die Verwendung der gleichen Terminologie wie in
Artikel 154 Absatz 2 Buchstabe a E-ParlG sei konsequent, ist demnach unzutreffend.

Die Unterlagen, die den Aufsichtskommissionen ausgehändigt werden, werden nur in Papierform zugestellt. Der Bundesrat bittet die Aufsichtskommissionen, diese nicht elektronisch zu erfassen und zu verteilen.

Nach dem Entwurf der GPK-S sollen die Aufsichtskommissionen weiterhin keinen Anspruch auf die Herausgabe von geheimen Unterlagen sowie von Protokollen der Bundesratssitzungen haben. Unter den Protokollen, die vom Informationsrecht ausgenommen sind, versteht der Bundesrat alle Dokumente, die Aufzeichnungen der Verhandlungen des Bundesrates enthalten.

Gegen die Ausweitung der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nach Artikel 156 ParlG auf Personen ausserhalb der Bundesverwaltung, die früher im Dienste des 4

08.447 pa. Iv. Schutz der Vertraulichkeit der Kommissionsberatungen und Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Immunität, Bericht vom 19. August 2010 der SPK-N; BBl 2010 7345; 08.447 pa. Iv. Schutz der Vertraulichkeit der Kommissionsberatungen und Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Immunität, Stellungnahme des Bundesrates vom 20. Oktober 2010 zum Bericht der SPK-N vom 19. August 2010; BBl 2010 7385.

1843

Bundes gestanden haben, wehrt sich der Bundesrat nicht. Er geht davon aus, dass sich die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht von solchen Personen sachlich und zeitlich auf ihre Tätigkeit für den Bund beschränkt. Für diesen Bereich kann den von den Aufsichtskommissionen befragten Personen, die nicht mehr im Dienst des Bundes sind, keine Amtsgeheimnisverletzung entgegengehalten werden.

Kritisch steht der Bundesrat der neuen Regelung gegenüber, wonach die Aufsichtskommissionen ihrem Sekretariat Sachverhaltsabklärungen und Einvernahmen übertragen können. Nach Meinung des Bundesrates ist lediglich die Übertragung von Sachverhaltsabklärungen an die Sekretariate der Aufsichtskommissionen gesetzlich vorzusehen. Eine Unterstützung der Aufsichtskommissionen durch ihre Sekretariate erscheint durchaus als sinnvoll, weshalb der Bundesrat sich nicht dagegen wehrt.

Hingegen sind die Befragungen weiterhin durch die Mitglieder der Aufsichtskommissionen, die für das Parlament die von der Verfassung vorgesehene Oberaufsicht ausüben, vorzunehmen. Nur sie verfügen aus Sicht des Bundesrates durch ihre demokratische Wahl über die nötige Legitimation. Angestellte der Parlamentsdienste haben weder diese Legitimation noch die Kompetenz, Bundesangestellte oder Magistratspersonen zu befragen. Dasselbe gilt für die Tätigkeit der Aufsichtsdelegationen. Die Informationsrechte nach Artikel 154 Absatz 1 ParlG und Artikel 154 Absatz 2 E-ParlG können nur durch die Mitglieder der Aufsichtsdelegationen wahrgenommen werden.

Im Übrigen ist es ein Anliegen des Bundesrates, dass die Mitglieder des Bundesrates sich inskünftig besser auf Befragungen durch die Aufsichtskommissionen vorbereiten können. Er bittet die Aufsichtskommissionen daher, den betroffenen Mitgliedern des Bundesrats vorgängig die nötigen Angaben über den Gegenstand der Befragungen zu machen, damit sie sich anlässlich der Befragung adäquat und vollständig äussern können.

2.3.2

Ablehnung der Zwangsmassnahmen

Nicht einverstanden ist der Bundesrat, dass den Aufsichtskommissionen inskünftig Zwangsmassnahmen zur Vorführung von auskunfts- oder zeugnispflichtigen Personen eingeräumt werden sollen. Problematisch erscheint insbesondere die Systemkonformität angesichts der unterschiedlichen Aufsichts- und Überprüfungsbefugnisse der einzelnen Staatsorgane. Weiter stellen sich Fragen der Verhältnismässigkeit und der Gewaltenteilung. Das Parlament nimmt nach Artikel 169 BV gegenüber dem Bundesrat und der Bundesverwaltung, den eidgenössischen Gerichten sowie den anderen Trägern von Aufgaben des Bundes die Oberaufsicht wahr.

Dabei handelt es sich nicht um eine Aufsicht einer hierarchisch übergeordneten Behörde über eine ihr unterstellte Behörde, sondern vielmehr um eine politische Kontrolle der vom Parlament und seinen Organen beaufsichtigten Behörden. Die Aufsichtskommissionen nehmen für das Parlament eine politische Bewertung der staatlichen Aufgabenerfüllung vor und geben Empfehlungen für künftiges Handeln ab oder initiieren Gesetzesänderungen. Die kontrollierten Organe werden veranlasst, die Gründe ihres Verhaltens offenzulegen und dafür Verantwortung zu übernehmen.

Die Oberaufsicht ist daher von einer gerichtlichen Überprüfung durch Justizorgane sowie von verwaltungsrechtlichen Massnahmen des Bundesrates und weiterer Exekutivbehörden, welche die direkte Aufsicht über die ihnen unterstellten Einheiten wahrnehmen, zu unterscheiden. Der politischen Natur der Oberaufsicht entspre1844

chend sollen auch die dafür zur Verfügung stehenden Instrumente und Sanktionen ausschliesslich politischer Art sein. Aus diesem Grund sind Zwangsmassnahmen im Bereich der Oberaufsicht systemfremd; ihre Vereinbarkeit mit der BV ist fraglich.

Wie problematisch solche Zwangsmassnahmen in bestimmten Fällen auch mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip sein könnten, zeigt sich daran, dass mit der von der GPK-S vorgeschlagenen Lösung künftig auch Mitglieder des Bundesrates polizeilich vorgeführt werden könnten.

Überdies sieht der Entwurf keine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Verfügungen über die polizeiliche Vorführung vor. Eine polizeiliche Vorführung stellt jedoch unbestrittenermassen einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar.

Entgegen den Ausführungen im Bericht der GPK-S wird damit die Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV verletzt. Es trifft zwar zu, dass Artikel 29a zweiter Satz BV gesetzliche Ausnahmen zulässt. Von der Rechtsweggarantie sollen jedoch in erster Linie nicht justiziable Materien und Regierungsakte ausgenommen werden und nicht Eingriffe in Grundrechte.

Die PUK und die GPDel verfügen heute bereits über die Möglichkeit, Personen, die ihre Pflichten verletzen, falsche Aussagen machen, die Aussage oder die Herausgabe von Akten verweigern sowie die Schweigepflicht verletzen, der Strafgerichtsbarkeit zuzuführen. Die strafbaren Handlungen werden nicht durch die Aufsichtsdelegationen oder die PUK geahndet, sondern unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit, womit Artikel 29a BV Genüge getan wird. Aus der Sicht des Bundesrates bestehen somit ausreichende Sanktionsmöglichkeiten für den Fall von Verletzungen der Auskunftsund Mitwirkungspflichten.

Aus diesen Gründen spricht sich der Bundesrat für einen Verzicht auf die Einführung von Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung der Befragung von Personen vor Aufsichtskommissionen aus. Die Absätze 3 und 4 in Artikel 153 E-ParlG sind somit zu streichen.

2.3.3

Keine Zeugeneinvernahme durch die Aufsichtskommissionen

Nach dem Wortlaut von Artikel 153 Absatz 3 E-ParlG sollen die Aufsichtskommissionen offenbar neu auch Zeugen einvernehmen können. Diese Möglichkeit wird nach dem geltenden Recht aber explizit den Delegationen der Aufsichtskommissionen und der PUK vorbehalten (Art. 154, 155 und 166 ParlG). Eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen wird nicht vorgeschlagen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die PUK und die Delegationen für Zeugeneinvernahmen die geeigneteren Organe sind. Auf ein Recht für die Aufsichtskommissionen, Zeugen einzuvernehmen, ist daher zu verzichten.

2.4

Informationsrechte der Aufsichtsdelegationen

Nicht einverstanden ist der Bundesrat mit der Ausweitung der Informationsrechte der Aufsichtsdelegationen in Artikel 154 Absatz 2 Buchstabe a E-ParlG. Er lehnt es ab, dass den Aufsichtsdelegationen gesetzlich das Recht eingeräumt wird, die Herausgabe von Unterlagen verlangen zu können, die der Entscheidfindung im Bundesrat dienen oder die im Interesse der inneren und äusseren Sicherheit geheim zu 1845

halten sind. Die Verankerung des Rechts auf Herausgabe hätte zur Folge, dass den Aufsichtsdelegationen hochsensible Dokumente herausgegeben beziehungsweise solche Dokumente kopiert werden müssten. Bei der Vervielfältigung und Herausgabe von Unterlagen erhöht sich aber die Gefahr, dass der Informationsschutz nicht mehr gewährleistet werden kann.

Aus der Sicht des Bundesrates hat sich die geltende Regelung bewährt, wonach die Aufsichtsdelegationen bei Unterlagen, die der Entscheidfindung im Bundesrat dienen oder die im Interesse des Staatschutzes oder der Nachrichtendienste geheim zu halten sind, lediglich über ein Recht auf Einsichtnahme verfügen. Er hält daher im Grundsatz daran fest. Gegen eine Anpassung der Formulierungen in Artikel 154 Absatz 2 Buchstabe a E-ParlG hat der Bundesrat hingegen nichts einzuwenden. Die Einsichtnahme in die Unterlagen des Mitberichtsverfahrens hat in den Räumen der Bundeskanzlei stattzufinden. Dasselbe gilt analog für Unterlagen, die im Interesse der Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste geheim gehalten werden. Sie können am Ort ihrer Lagerung eingesehen werden. Da es sich dabei um hochsensible Daten handelt, können nur Mitglieder der Aufsichtsdelegationen Einsicht in die Unterlagen verlangen. Eine Delegation an die Sekretariate der Aufsichtskommissionen und -delegationen ist nicht möglich.

Der Bundesrat kann es grundsätzlich verstehen, dass die GPDel mit der Finanzdelegation (FinDel) bezüglich der automatischen Bedienung mit den Bundesratsbeschlüssen und den dazugehörenden Mitberichten durch den Bundesrat gleichgestellt wird. Er nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesratsbeschlüsse sowie die Mitberichte den Aufsichtsdelegationen nach der Behandlung im Bundesrat zugestellt werden.

Um den Informationsschutz weiterhin gewährleisten zu können, ist aber in Artikel 154 Absatz 3 ParlG zu präzisieren, dass die FinDel und die GPDel zu Geschäften, die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann, nur die Beschlüsse des Bundesrates laufend und regelmässig erhalten.

Im Weiteren nimmt der Bundesrat zur Kenntnis, dass die Aufsichtsdelegationen in Erwägung ziehen, einen gemeinsamen Unterlagenpool mit Bundesratsbeschlüssen inklusive Mitberichten
zu schaffen. Dabei ist es dem Bundesrat jedoch ein grosses Anliegen, dass der Informationsschutz analog den Vorgaben der ISchV sichergestellt wird. Insbesondere bittet der Bundesrat die Delegationen darum, den Grundsatz, wonach die Aufsichtskommissionen und -delegationen die Unterlagen nur auf Papier erhalten (vgl. Ziff. 2.3.1 oben), zu respektieren.

2.5

Keine Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der Geschäftsprüfungsdelegation

Die in Artikel 53 Absatz 2 E-ParlG vorgesehene Neudefinition der Überwachungstätigkeit der GPDel, die über die Bereiche des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste hinaus auf den gesamten Bereich der inneren und äusseren Sicherheit ausgeweitet werden soll, lehnt der Bundesrat ab: Mit der Einführung des sehr offenen Oberbegriffs der inneren und äusseren Sicherheit für den Tätigkeitsbereich der GPDel anstelle des bisher aufgeführten Bereichs des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste würden die Kontrolltätigkeiten der 1846

GPDel stark ausgeweitet. Dies widerspricht dem Bundesgesetz vom 21. März 19975 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS): Die Kontrollaufgaben der GPDel nach Artikel 25 BWIS sind als ausschliesslich auf die Staatsschutztätigkeit fokussierte Aufsicht zu verstehen. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf seine Botschaft vom 7. März 19946 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative «S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» sowie auf die langjährige Kontrollpraxis der GPDel. Der Gesetzgeber wollte eine Sonderaufsicht über den Nachrichtendienst, weil dessen Tätigkeiten nicht justiziabel sind und keiner Rechtsmittelkontrolle unterstehen. Ganz anders ist dies in den übrigen Bereichen der inneren oder äusseren Sicherheit, die vom herkömmlichen Staatsschutzbegriff nicht ohne Weiteres abgedeckt sind (z.B. Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen nach Art. 2 Abs. 4 Bst. f BWIS). Hier hat man es mit rechtlich überprüfbaren Verwaltungsakten zu tun, die vom Bundesverwaltungsgericht beurteilt werden können. In diesen der richterlichen Überprüfung zugänglichen Bereichen zusätzlich, d.h. neben der ordentlichen departementalen Aufsicht nach Artikel 38 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19977, auch noch eine ständige parlamentarische Kontrolltätigkeit einzuführen, wäre deshalb sowohl sachfremd als auch vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Bereits nach geltendem Recht können die Aufsichtskommissionen im Rahmen des von ihnen wahrzunehmenden Oberaufsichtsrechts über die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung (Art. 26 ParlG i.V.m. Art. 52 Abs. 1 ParlG) der GPDel jederzeit besondere Kontrollaufträge im gesamten Bereich der Bundesverwaltung erteilen, wenn sie dies zur Abklärung bestimmter Vorkommnisse für erforderlich halten (Art. 53 Abs. 3 ParlG). Mit der in Artikel 53 Absatz 2 E-ParlG neu vorgesehenen Regelung würde nun aber diese auch in den Bereichen der inneren und äusseren Sicherheit jederzeit mögliche punktuelle Kontrolltätigkeit der GPDel in eine ständige flächendeckende Überwachung der Exekutive in den Bereichen der inneren und äusseren Sicherheit umgewandelt. Tätigkeiten in diesen Bereichen üben heute zahlreiche Departemente und Verwaltungseinheiten aus. Eine solche Erweiterung der Kontrolltätigkeit
der GPDel ist nicht nur unnötig und in der Sache sowie vom Aufwand her unverhältnismässig, sondern mit Blick auf eine effiziente Arbeit des Bundesrates und auf die Wahrnehmung seiner politischen Führungsverantwortung auch von erheblicher politischer Tragweite.

Weiter ist dringend davon abzuraten, in Kompetenznormen wie Artikel 53 Absatz 2 ParlG unbestimmte Rechtsbegriffe wie «innere und äussere Sicherheit» oder «insbesondere» einzuführen. Der Begriff der «inneren und äusseren Sicherheit» ist sehr weit und lässt sich kaum klar abgrenzen. Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Staatsorganen sind so vorprogrammiert. Dies kann nicht im Interesse dieser Vorlage sein, deren Ursprung in Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Parlament beziehungsweise seinen Aufsichtsorganen und dem Bundesrat liegt, die in Zukunft gerade vermieden werden sollen.

5 6 7

SR 120 BBl 1994 II 1127 ff.

SR 172.010

1847

3

Anträge des Bundesrates

Im Sinne der vorstehenden Überlegungen stellt der Bundesrat folgende Anträge:

3.1

Informationsrechte der Ratsmitglieder und der Legislativkommissionen

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b E-ParlG ist wie folgt anzupassen: Art 7 Abs. 2 Bst. b 2

Das einzelne Ratsmitglied hat keinen Anspruch auf Informationen: b.

die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als vertraulich oder geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen Schaden zufügen kann;

Artikel 150 Absatz 2 Buchstabe b E-ParlG ist wie folgt anzupassen: Art. 150 Abs. 2 Bst. b 2

Sie haben keinen Anspruch auf Informationen: b.

3.2

die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann;

Informationsrechte der Aufsichtskommissionen

Artikel 153 E-ParlG ist wie folgt anzupassen beziehungsweise zu ergänzen: Art. 153 Abs. 1 zweiter Satz, 1bis, 3, 4, 5 und 6 (neu) 1

... Sie können einzelne Sachverhaltsabklärungen ihrem Sekretariat übertragen.

Die Aufsichtskommissionen informieren die Mitglieder des Bundesrates vorgängig umfassend über den Gegenstand der Befragung.

1bis

Die Aufsichtskommissionen orientieren den Bundesrat vorgängig über Befragungen von Personen, die ihm unterstellt sind oder unterstellt waren. Sie hören den Bundesrat auf sein Verlangen vor der Auskunftserteilung von Personen oder der Herausgabe von Unterlagen an.

3

Der Bundesrat hat das Recht, den Befragungen von Auskunftspersonen beizuwohnen und dabei Ergänzungsfragen zu stellen sowie in die herausgegebenen Unterlagen und in die Gutachten und Einvernahmeprotokolle der Aufsichtskommissionen Einsicht zu nehmen.

4

Er kann für die Wahrnehmung seiner Rechte gemäss Absatz 4 eine geeignete, mit den entsprechenden Handlungskompetenzen ausgestattete Verbindungsperson beauftragen.

5

1848

Die Aufsichtskommissionen entscheiden endgültig über die Ausübung ihrer Informationsrechte. Sie haben keinen Anspruch auf eine Einsichtnahme in:

6

a.

Mitberichte;

b.

Protokolle der Bundesratssitzungen und weitere Informationen über die Verhandlungen des Bundesrates;

c.

Unterlagen, die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann.

Artikel 157 ParlG ist mit den Absätzen 2 und 3 zu ergänzen: Art. 157 Abs. 2 (neu) und Abs. 3 (neu) Die Aufsichtskommission weist in ihrem Bericht die Stellungnahme der betroffenen Behörde aus.

2

3

Sie begründet die Nichtberücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates.

3.3

Informationsrechte der Aufsichtsdelegationen

Artikel 154 E-ParlG ist anzupassen: Art. 154 Abs. 2 Bst. a und 3 Die Delegationen der Aufsichtskommissionen haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben neben den Informationsrechten nach den Artikeln 150 und 153 das Recht:

2

a.

auf Einsichtnahme in die Protokolle der Bundesratssitzungen sowie in Unterlagen, die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann;

Die Finanzdelegation und die Geschäftsprüfungsdelegation erhalten laufend und regelmässig sämtliche Beschlüsse des Bundesrates einschliesslich der Mitberichte.

Zu Geschäften, die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit als geheim klassifiziert sind oder deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen einen schweren Schaden zufügen kann, erhalten sie die Beschlüsse. Sie legen gemeinsam die Einzelheiten der Zustellung, der Einsichtnahme und der Aufbewahrung fest.

3

3.4

Tätigkeitsbereich der Geschäftsprüfungsdelegation

Artikel 53 Absatz 2 E-ParlG ist zu streichen. Das geltende Recht wird beibehalten.

Art. 53 Abs. 2 (bisher) Die Delegation überwacht die Tätigkeit im Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste.

2

1849

1850