11.044 Botschaft zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes vom 6. Juli 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Steueramtshilfegesetz.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2010

M 09.4335

Die Amtshilfe bei Doppelbesteuerungsabkommen.

Regelung auf Gesetzesstufe (N 19.3.10; Baumann, S 15.9.10)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. Juli 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-0629

6193

Übersicht Das Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAG) enthält die verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum Vollzug der Amtshilfe nach den Doppelbesteuerungsabkommen und nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen. Mit Inkrafttreten des StAG wird die seit dem 1. Oktober 2010 geltende Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen aufgehoben.

Ausgangslage Im Frühjahr 2009 hat der Bundesrat beschlossen, in Zukunft bei der Amtshilfe in Steuersachen den Standard nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECDMA) zu übernehmen. Die Umsetzung dieses Beschlusses erforderte die Anpassung bestehender und den Abschluss neuer Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Die Amtshilfeklausel der einzelnen DBA enthält die materiell-rechtlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und dem anderen Vertragsstaat. Der verfahrensrechtliche Vollzug der Amtshilfe muss jedoch im Landesrecht erfolgen. Zu diesem Zweck soll das Steueramtshilfegesetz erlassen werden.

Inhalt der Vorlage Das StAG regelt den Vollzug der Amtshilfe nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) vollzieht die Amtshilfe aufgrund ausländischer Ersuchen und stellt die schweizerischen Ersuchen. Das Gesetz enthält den Grundsatz, dass die Amtshilfe ausschliesslich auf Ersuchen im Einzelfall geleistet wird. Auf ein Gesuch wird unter anderem dann nicht eingetreten, wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen ­ z.B. durch illegale Beschaffung von Daten ­ erlangt wurden.

Das Gesetz legt weiter fest, von wem und mit welchen Massnahmen die verlangten Informationen zu beschaffen sind, wer über das hängige Ersuchen zu informieren ist und wem ein Mitwirkungsrecht zukommt. Die Informationsübermittlung kann bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen im vereinfachten Verfahren oder mit Eröffnung einer Schlussverfügung im ordentlichen Verfahren erfolgen. Das StAG enthält zudem besondere Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren. Schliesslich dürfen ins Ausland übermittelte Bankinformationen zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts nur verwendet werden, soweit sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Internationale Entwicklungen 1.2.1 Arbeiten der OECD im Fiskalbereich 1.2.2 Peer-Review der Schweiz im Global Forum on Transparency and Exchange of Information on Tax Purposes 1.3 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.3.1 Grundzüge der Vernehmlassungsvorlage 1.3.2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 1.3.3 Neuerungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Allgemeine Bestimmungen 2.2 Ausländische Amtshilfeersuchen 2.3 Informationsbeschaffung 2.4 Informationsübermittlung 2.5 Schweizerische Amtshilfeersuchen 2.6 Schlussbestimmungen 2.7 Änderung bisherigen Rechts 2.7.1 Bundesgerichtsgesetz vom 17 Juni 2005 2.7.2 Zollgesetz vom 18. März 2005 2.7.3 Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 2009 2.7.4 Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 zum Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft 2.7.5 Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

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3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

6231 6231 6232

Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAG) (Entwurf)

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6229 6229

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Im Frühjahr 2009 hat der Bundesrat beschlossen, in Zukunft bei der Amtshilfe in Steuersachen den Standard nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECDMA) zu übernehmen. Die Umsetzung dieses Beschlusses erfolgt durch die Anpassung bestehender bzw. den Abschluss neuer Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Seither hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) mit zahlreichen Staaten Verhandlungen durchgeführt und eine Amtshilfeklausel gemäss OECD-Standard (Informationsaustausch im Einzelfall, auf konkrete und begründete Aufrage sowie unter Beachtung des Verbots der Beweisausforschung) in die bestehenden bzw. in neue Abkommen aufgenommen. In der Sommersession 2010 haben die eidgenössischen Räte die ersten zehn Abkommen mit einer Amtshilfeklausel nach OECDStandard genehmigt. Das erste revidierte DBA ist am 4. November 2010 in Kraft getreten, nachdem beide Vertragsstaaten, die Schweiz und Frankreich, es ratifiziert und die Ratifizierungserklärungen ausgetauscht hatten.

Die Amtshilfeklausel gemäss OECD-Standard verpflichtet die Vertragsstaaten, diejenigen Massnahmen zur Informationsbeschaffung durchzuführen, die auch im innerstaatlichen Recht vorgesehen sind (Art. 26 Abs. 3 Bst. a und Abs. 4 OECDMA). Allerdings dürfen die Vertragsstaaten diese Verpflichtung nicht so auslegen, als erlaube sie die Ablehnung der Erteilung von Informationen, nur weil sie sich im Besitz einer Bank, einer anderen Finanzinstitution, eines Beauftragten, Bevollmächtigten oder Treuhänders befinden oder weil sie sich auf Beteiligungen an einer juristischen Person beziehen (Art. 26 Abs. 5 OECD-MA). Damit wird die Schweiz ­ über das interne Recht hinausgehend ­ verpflichtet, solche Informationen einzufordern, wenn das anwendbare Abkommen deren Übermittlung vorsieht.

Die Amtshilfeklausel in den einzelnen DBA enthält die materiell-rechtlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und dem anderen Vertragsstaat. Diese Grundlagen sind für die Schweiz bindend und können durch innerstaatliches Recht nicht abgeändert werden. Die Schweiz kann mithin die in den Amtshilfeklauseln der einzelnen DBA festgelegte Amtshilfe nicht durch ihr Landesrecht einschränken. Der verfahrensrechtliche Vollzug der Amtshilfe muss jedoch im Landesrecht erfolgen. Da es im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Praxisausübung
bereits ab Herbst 2010 eines Erlasses bedurfte, der diesen Vollzug der in den DBA neu verankerten Amtshilfe regelt, ist am 1. Oktober 2010 die Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; SR 672.204) in Kraft gesetzt worden. Das Parlament hat den Bundesrat aber beauftragt, einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der in den Abkommen nach OECD-Standard vorgesehenen Amtshilfe zuhanden der eidgenössischen Räte vorzulegen (vgl. z.B. Motion 09.4335 Baumann, «Die Amtshilfe bei Doppelbesteuerungsabkommen. Regelung auf Gesetzesstufe», oder Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 18. Juni 2010 über die Genehmigung eines Zusatzabkommens zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich, BBl 2010 4343). Eine Regelung auf Gesetzesstufe öffnet den Handlungsspielraum, wo es

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erforderlich erscheint, von bestehenden gesetzlichen Bestimmungen wie etwa denjenigen zum Verwaltungsverfahren abzuweichen.

Mit Bundesratsbeschluss vom 20. Januar 2010 wurde das EFD beauftragt, zum Zweck der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes eine begleitende Arbeitsgruppe einzusetzen, bestehend aus den betroffenen Fachämtern der Bundesverwaltung (SIF, ESTV, BJ, EZV, GS-EFD, FINMA) aus externen Experten (SBVg, SwissHoldings, Treuhand Suisse) sowie aus Vertreterinnen und und Vertretern der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren. Nach insgesamt fünf Sitzungen legte die Arbeitsgruppe einen Gesetzesentwurf vor. Auf der Basis dieses Entwurfs eröffnete der Bundesrat am 12. Januar 2011 eine Vernehmlassung, die bis zum 13. April 2011 dauerte.

1.2

Internationale Entwicklungen

1.2.1

Arbeiten der OECD im Fiskalbereich

Im Rahmen der Arbeiten der OECD im Fiskalbereich wird in der mit Fragen zum Informationsaustausch befassten Working Party 10 über die Erweiterungen des Standards zum Informationsaustausch diskutiert und der Kommentar zu Artikel 26 des OECD-MA grundlegend revidiert. Dieser bestimmt die Auslegung der dem Artikel 26 OECD-MA nachgebildeten Amtshilfeklauseln in den DBA. Dem Kommentar kommt auf internationaler Ebene grosses Gewicht zu, da zu erwarten ist, dass die ausführenden Behörden sich nahezu wortwörtlich daran halten werden.

Plangemäss wird die zuständige Arbeitsgruppe der OECD ihre Arbeiten im Oktober 2011 abschliessen; danach werden das Fiskalkomitee und schliesslich der OECDRat über die Neukommentierung befinden. Erfahrungsgemäss ist es unwahrscheinlich, dass die Arbeiten der Arbeitsgruppe in den beiden nachfolgenden Gremien noch geändert werden. Mitte 2012 soll die Neukommentierung in Kraft treten.

Inhaltlich ist damit zu rechnen, dass die Neukommentierung auch Gruppenanfragen vorsehen wird. Zusätzlich wird sie voraussichtlich in Bezug auf die Kompetenz zur Prüfung der voraussichtlichen Relevanz von Informationen vorsehen, dass nicht mehr der ersuchte Staat über diesen Punkt entscheiden kann.

Da Artikel 4 Absatz 1 StAG vorsieht, dass die Amtshilfe ausschliesslich auf Ersuchen im Einzelfall geleistet wird, und da er Gruppenanfragen somit ausschliesst, ist demzufolge möglicherweise in diesem Punkt bereits in absehbarer Zeit eine Revision an die Hand zu nehmen. Trotzdem schlagen wir vor, den internationalen Standard so umzusetzen, wie er heute besteht.

1.2.2

Peer-Review der Schweiz im Global Forum on Transparency and Exchange of Information on Tax Purposes

Der Peer-Review-Bericht der Schweiz, welcher Anfang Juni 2011 veröffentlicht wurde, enthält Empfehlungen, deren Inhalt auch die ADV und damit indirekt den Entwurf des StAG beschlagen. Die Empfehlungen des Global Forums sind zwar rechtlich nicht verbindlich, aber es ist schwer, sich ihnen zu entziehen, ohne dass

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deren Nichtberücksichtigung mittelfristig zu sanktionierenden Massnahmen anderer Staaten führt. Zu erwähnen sind insbesondere folgende Empfehlungen: a.

Es seien steuerrechtliche Vorschriften zu prüfen zur Behebung der Mängel der Inhaberaktien. Das StAG ist nicht der richtige Ort, um die Umsetzung dieser Empfehlung zu prüfen, denn sie beschlägt die innerstaatliche Rechtsordnung.

b.

Das rechtliche Gehör zugunsten der steuerpflichtigen Person sei zu umfassend und es sei zu prüfen, unter welchen Umständen Ausnahmen von der Notifikation der steuerpflichtigen Person zugelassen werden sollten. Dieser Empfehlung trägt diese Vorlage so weit wie möglich Rechnung (vgl.

Ziff. 1.3.3 Bst. e).

c.

Die von der Schweiz verlangten Angaben in ausländischen Ersuchen sollen mit dem internationalen Standard übereinstimmen. Insbesondere die Identifikation der betroffenen Person soll auch auf andere Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse möglich sein. Der Bundesrat hat mit seiner Botschaft vom 6. April 20111 bereits auf diese Empfehlung reagiert, und der Entwurf des StAG trägt ihr in Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben a und e Rechnung.

d.

In bestimmten Fällen werde es nötig werden, Tax Information Exchange Agreements, d.h. auf den Informationsaustausch beschränkte Abkommen, anstelle von DBA abzuschliessen. Der vorliegende Entwurf sieht vor, dass Amtshilfe nicht nur gestützt auf DBA, sondern auch gestützt auf andere Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen, geleistet wird (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. b StAG).

1.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

1.3.1

Grundzüge der Vernehmlassungsvorlage

Mit der Regelung der verfahrensmässigen Umsetzung der Amtshilfe im StAG soll Rechtssicherheit hinsichtlich der Zuständigkeiten, des Verfahrens und des Rechtsschutzes erreicht werden.

Das in die Vernehmlassung gegebene StAG übernahm in den Grundzügen die Regelungen der ADV, führte jedoch auch einige Neuerungen ein. Im Gegensatz zur ADV, welche ausschliesslich den Vollzug der Amtshilfe nach den DBA betrifft, regelt das StAG den Vollzug der Amtshilfe nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen (Art. 1 StAG). Die ESTV vollzieht die Amtshilfe aufgrund ausländischer Ersuchen und stellt die schweizerischen Ersuchen (Art. 2). Das Gesetz enthält den Grundsatz, dass die Amtshilfe ausschliesslich auf Ersuchen im Einzelfall geleistet wird (Art. 4 Abs. 1). Auf ein Gesuch wird unter anderem dann nicht eingetreten, wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen ­ z.B. durch illegale Beschaffung von Daten ­ erlangt wurden (Art. 7 Bst. c).

1

BBl 2011 3749

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Das Gesetz legt weiter fest, von wem und mit welchen Massnahmen die verlangten Informationen zu beschaffen sind, wer über das hängige Ersuchen zu informieren ist und wem ein Mitwirkungsrecht zukommt (Art. 8­15). Die Beschaffung von Informationen bei der vom Amtshilfegesuch betroffenen Person (vgl. Art. 9) wird abweichend von der Informationsbeschaffung bei der Informationsinhaberin bzw. beim Informationsinhaber oder bei anderen Instanzen geregelt. Der betroffenen Person wird insbesondere ausdrücklich ermöglicht, die Herausgabe von Informationen im Verwaltungsverfahren trotz der grundsätzlich bestehenden Mitwirkungspflicht zu verweigern, wenn sie glaubhaft machen kann, dass die Informationen in einem hängigen oder künftigen in- oder ausländischen Verwaltungsstrafverfahren oder allgemeinen Strafverfahren gegen sie verwendet werden könnten. Die Information kann bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen im vereinfachten Verfahren oder mit Eröffnung einer Schlussverfügung im ordentlichen Verfahren übermittelt werden (Art. 16­21). Das StAG enthält schliesslich besondere Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren (Art. 19).

Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren aufgefordert, sich insbesondere zu den in Artikel 21 StAG vorgesehenen Varianten zu äussern. Dort fragt sich, ob die schweizerischen Steuerbehörden Bankinformationen, die sie nach schweizerischem Steuerrecht nicht hätten erhalten können, die aber für die Erteilung der Amtshilfe eingeholt und übermittelt wurden, auch gebrauchen dürfen, oder ob die bisherige Selbstbeschränkung der Schweiz in diesem Punkt aufrechterhalten werden soll.

Die im Zollbereich und im Mehrwertsteuerbereich bestehenden Lücken in der Regelung der Amtshilfe nach dem Abkommen vom 26. Oktober 20042 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (im Folgenden Betrugsbekämpfungsabkommen oder BBA; das Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten, wird aber seit dem 8. April 2009 provisorisch angewandt) wurden schliesslich durch eine Revision des Zollgesetzes vom 18. März 20053 und des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 20094 geschlossen.

1.3.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüssen die Vorlage praktisch einhellig. Einzig die Erklärung von Bern spricht sich gegen das Gesetz aus, da es den automatischen Informationsaustausch verhindere und keine Amtshilfe gegenüber Staaten zulasse, mit denen die Schweiz kein DBA abgeschlossen habe.

Von den Punkten, die in den befürwortenden Stellungnahmen kritisch beurteilt wurden oder umstritten waren, sind folgende hervorzuheben: a.

2 3 4

Leistung von Amtshilfe ausschliesslich auf Ersuchen im Einzelfall (Art. 4 Abs. 1): Viele begrüssen ausdrücklich die Einschränkung auf den Einzelfall; andere hingegen wollen die Einschränkung aufheben oder werfen die Frage auf, ob nicht eine offenere Formulierung zu wählen wäre, da auf internatioSR 0.351.926.81 SR 631.0 SR 641.20

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naler Ebene noch unklar sei, ob künftig nicht auch Sammelanfragen möglich sein müssten, die keine Beweisausforschung darstellen.

b.

Verzicht auf eine Aufzählung der Anforderungen an ein Ersuchen (Art. 6): Einige verlangen die Übernahme der in der ADV genannten Anforderungen, da dies der Rechtssicherheit diene. Andere unterstützen den Verzicht auf die Anforderungen im Gesetz, da sie in den DBA vorgesehen seien. Eine Minderheit wünscht eine Verringerung der Anforderungen an ein Ersuchen.

c.

Nichteintreten auf ein Ersuchen, welches auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind (Art. 7 Bst. c): Einige schlagen ein differenziertes Vorgehen vor, welches die Amtshilfe zulassen würde, wenn dem ersuchenden Staat unaufgefordert und unentgeltlich Informationen zugespielt wurden, welche durch strafbare Handlungen erlangt worden sind. Damit die Schweiz international nicht unter Druck gerate, wird erwogen, eine offenere Formulierung zu wählen, die mehr Spielraum zulässt. Eine Minderheit will auf ein Verbot der Amtshilfe bei gestohlenen Daten ganz verzichten, wogegen die Mehrheit die Regelung ausdrücklich begrüsst.

d.

Verwendung der Bankinformationen zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts (Art. 21 Abs. 2): Hier wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausdrücklich eingeladen, sich zu zwei Varianten zu äussern. Das Resultat lässt allerdings keinen eindeutigen Schluss zu. Mehrere Stimmen sprechen sich dafür aus, dass Bankinformationen nur weiterverwendet werden dürfen, soweit sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können. In weiteren Stellungnahmen wird verlangt, diese Einschränkung zu streichen.

e.

Selbstbeschränkung der Schweiz bezüglich Ersuchen zu Bankinformationen (Art. 22 Abs. 6): Verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen die Bestimmung streichen, wonach Amtshilfeersuchen zu Bankinformationen nur gestellt werden dürfen, soweit diese Informationen nach schweizerischem Recht beschafft werden könnten.

f.

Zweite Beschwerdeinstanz: Von verschiedenen Seiten wird die Einführung einer zweiten Rechtsmittelinstanz gefordert. Es fehle an einem rechtlichen oder sachlichen Grund, Amts- und Rechtshilfe unterschiedlich zu behandeln.

1.3.3

Neuerungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

Gegenüber dem Entwurf, der in die Vernehmlassung ging, weist die Vorlage folgende Änderungen auf: a.

6200

Für den Fall, dass das anwendbare Abkommen keine Bestimmungen über den Inhalt eines Ersuchens enthält und sich aus dem Abkommen nichts anderes ableiten lässt, wird der notwendige Inhalt der Amtshilfeersuchen ­ im Wortlaut des internationalen Standards ­ in Artikel 6 StAG übernommen.

Sollten sich die internationalen Standards verändern und Bundesrat und Parlament beschliessen, diese Änderungen zu übernehmen, müsste in Zukunft nur das StAG revidiert werden, um die Standards weiterhin zu

erfüllen. Das schliesst nicht aus, dass gewisse Vertragsstaaten auf einer Überarbeitung des DBA beharren werden.

5 6

b.

Um der überwiesenen Motion 09.3362 der Kommission für Rechtsfragen NR (Anpassung der Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis in den verschiedenen Verfahrensrechten des Bundes) Rechnung zu tragen, wird in Artikel 8 Absatz 6 vorgesehen, dass das Anwaltsgeheimnis geschützt bleibt und Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 20005 (BGFA) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt sind, die Herausgabe von Unterlagen und Informationen, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, verweigern können.. Dieser Schutz des Berufsgeheimnisses entspricht im Übrigen Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe c OECD-MA.

c.

Neu werden die betroffene Person und die Informationsinhaberin oder der Informationsinhaber verpflichtet, alle relevanten Informationen herauszugeben, die sich in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle befinden (Art. 9 Abs. 3 und 10 Abs. 3). Diese Formulierung entspricht dem internationalen Standard und verpflichtet die Informationsinhaberin und den Informationsinhaber, alle Informationen herauszugeben, die sich in der eigenen rechtlichen oder faktischen Kontrollsphäre befinden.

d.

In Artikel 9 Absatz 3 wurde das Recht der betroffenen Person, die Herausgabe der Informationen zu verweigern, wenn sie glaubhaft machen kann, dass die Informationen in einem hängigen oder künftigen in- oder ausländischen Verwaltungsstrafverfahren oder allgemeinen Strafverfahren gegen sie verwendet werden könnten, gestrichen. Nach schweizerischem Recht besteht kein Grund für eine Verweigerung der Mitwirkungspflicht, soweit die Informationen einzig für die Steuerfestsetzung im ausländischen Staat verlangt und gebraucht werden. Im Strafverfahren, wo der Grundsatz gilt, dass der Beschuldigte sich nicht selbst belasten muss, ist ihre Verwertbarkeit jedoch zu überprüfen. Findet das Steuerstrafverfahren im Ausland statt, obliegt es dem ausländischen Staat, diese Verwertbarkeit in Anwendung seiner Verfahrensgrundsätze zu überprüfen. In Bezug auf die Verwertbarkeit im Inland wurde neu in Artikel 21 Absatz 3 eine Beschränkung eingefügt.

e.

Um dem internationalen Standard Rechnung zu tragen, wird vorgesehen, dass die ESTV auf Ersuchen der ausländischen Behörde einer beschwerdeberechtigten Person die Akteneinsicht nach Artikel 27 des Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 19686 (VwVG) und die Anhörung nach Artikel 30 Absatz 2 VwVG verweigern kann, soweit die ausländische Behörde Geheimhaltungsgründe hinsichtlich des Verfahrens oder gewisser Aktenstücke glaubhaft macht (Art. 15 Abs. 2). Im gleichen Zusammenhang wird vorgesehen, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nach Massgabe von Artikel 55 Absätze 2­4 entzogen werden kann (Art. 19 Abs. 3).

f.

Es wurde dem verschiedentlich geäusserten Anliegen Rechnung getragen, dass die Fälle, in denen die Kosten des Amtshilfeverfahrens auf die betroffene Person, die Informationsinhaberin oder den Informationsinhaber überSR 935.61 SR 172.021

6201

wälzt werden können, auf Gesetzesstufe präzisiert werden. Artikel 18 Absatz 2 wurde entsprechend angepasst.

g.

Ins Ausland übermittelte Bankinformationen dürfen zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts nur verwendet werden, soweit sie nach schweizerischen Recht hätten beschafft werden können (Art. 21 Abs. 2).

h.

Es wird eine zweite Beschwerdeinstanz vorgesehen (Anhang Ziff. 1).

Obwohl die Vernehmlassungsvorlage keine zweite Instanz vorsah, ist sie von verschiedenen Seiten, insbesondere von den Kantonen, gefordert worden. Der daraus resultierenden Verfahrensverlängerung wird entgegengewirkt, indem das Bundesgericht verpflichtet wird, innerhalb von 15 Tagen über das Eintreten zu entscheiden.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion Baumann (09.4335, Die Amtshilfe bei Doppelbesteuerungsabkommen.

Regelung auf Gesetzesstufe) beauftragt den Bundesrat, als Ersatz für die Verordnung mit den verfahrensrechtlichen Vorschriften zu den nach Artikel 26 des OECDMusterabkommens abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen dem Parlament so rasch wie möglich einen Gesetzentwurf zu unterbreiten. Die Motion wird mit vorliegender Botschaft umgesetzt und kann abgeschrieben werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Gegenstand und Geltungsbereich

Abs. 1 Die materiell-rechtlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und ihren Vertragsstaaten zur Leistung von Amtshilfe sind zurzeit in den DBA geregelt. Das StAG regelt den organisatorischen Vollzug der Amtshilfe einerseits nach den DBA (Bst. a). Diese kann sowohl Amtshilfe zur Durchführung des Abkommens (Ziff. 1) wie auch zur Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates umfassen (Ziff. 2). Während der Informationsaustausch nach den Abkommen gemäss OECD-Standard beide Bereiche beinhaltet, umfasst der Grossteil der seit dem Entscheid des Bundesrats vom Frühjahr 2009 noch nicht revidierten Abkommen lediglich den Austausch von Informationen zur Durchführung der Abkommen. Je nach DBA beinhaltet die Amtshilfe nach StAG daher entweder nur den Austausch von Informationen zwecks korrekter Anwendung des Abkommens oder aber auch einen solchen zur Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts.

Weil die Schweiz in Zukunft möglicherweise neben DBA auch bilaterale Abkommen abschliessen wird, die ausschliesslich den Informationsaustausch in Steuersachen beschlagen, umfassen die Vollzugsregeln des StAG auch diese anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen (Bst. b). Solche Abkommen werden mit Staaten abgeschlossen, die 6202

keine umfassende Besteuerung der Einkünfte der bei ihnen ansässigen Personen kennen, womit sich der Abschluss eines DBA erübrigt.

Das StAG ist auch auf die Amtshilfe nach dem Abkommen vom 26. Oktober 20047 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen anwendbar, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (im Folgenden Zinsbesteuerungsabkommen oder ZBstA). Artikel 10 ZBstA verweist bezüglich des Verfahrensrechts nämlich auf die Vorschriften der DBA zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft.

Damit erscheint es gerechtfertigt, für die Amtshilfe gestützt auf das ZBstA und diejenige nach den DBA ein einheitliches Verfahren vorzusehen. Dies bedingt die Aufhebung der Artikel 16­24 des Zinsbesteuerungsgesetzes vom 17. Dezember 20048 (ZBstG).

Das StAG ist hingegen nicht auf das Betrugsbekämpfungsabkommen anwendbar.

Dieses beschlägt nämlich, im Gegensatz zum StAG, nicht nur den Bereich des Steuerrechts, sondern auch Abgaben und Subventionen. Entsprechend bezieht sich auch die Amtshilfe im Rahmen des Abkommens auf alle diese Bereiche. Zudem sieht das Abkommen neben dem Informationsaustausch auch gewisse Sicherungsmassnahmen vor.

Ebenfalls nicht Gegenstand des StAG ist die Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuerforderungen (diese werden ab dem Zeitpunkt der Festlegung des Steuerbetrages vollstreckt) nach Artikel 27 OECD-MA. Sie gehört nicht zum von der Schweiz übernommenen Standard nach Artikel 26 OECD-MA. Die Schweiz hat bisher in keinem Abkommen eine dem Artikel 27 OECD-MA entsprechende umfassende Regelung zur Leistung von Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuerforderungen vereinbart.9 Im Unterschied zur ADV kommt das StAG auf sämtliche DBA zur Anwendung und nicht nur auf jene, die nach dem 1. Oktober 2010 (dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung der ADV) in Kraft getreten oder revidiert worden sind.

Abschliessend ist festzuhalten, dass das StAG eine sektorielle, auf den Steuerbereich zugeschnittene Regelung enthält, die auf andere Bereiche wie etwa den Finanzmarkt nicht anwendbar ist. Für die Amtshilfe im Finanzmarktbereich gelten andere Grundsätze, Verfahrenszwecke und Regeln, die nur sehr eingeschränkt mit dem StAG vereinbar
sind.10 Abs. 2 Enthält das im Einzelfall anwendbare Abkommen vom StAG abweichende Bestimmungen, so gehen diese als Staatsvertragsrecht dem Landesrecht vor.

Ermöglicht die Amtshilfeklausel eines DBA nur den Austausch von Informationen zur richtigen Anwendung des Abkommens, so begründet das StAG keine Pflicht zu einem weitergehenden Informationsaustausch. Gleiches gilt für ältere Abkommen, gemäss denen Amtshilfe zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts nur zulässig 7 8 9 10

SR 0.641.926.81 SR 641.91 Das DBA mit Österreich sieht allerdings eine beschränkte Unterstützung bei der Steuereintreibung vor (vgl. Art. 26a des DBA; SR 0.672.916.31).

Vgl. Art. 42 FINMAG, SR 956.1

6203

ist, wenn vom ersuchenden Staat ein Steuerbetrug oder ein Delikt mit ähnlichem Unrechtsgehalt glaubhaft gemacht wird.

Art. 2

Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die internationale Amtshilfe nach den DBA sowie nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen, liegt einheitlich bei der ESTV. Sie nimmt die Amtshilfeersuchen des Auslandes entgegen, vollzieht sie und stellt die schweizerischen Ersuchen an das Ausland.

Der Begriff der Amtshilfe umfasst im Einzelfall auch die Gewährung von Unterstützung bei der Zustellung von amtlichen Schriftstücken und Dokumenten betreffend die Eintreibung der unter ein bestimmtes Abkommen fallenden Steuern, wenn das Abkommen dies vorsieht (so der am 4. November 2010 in Kraft getretene Art. 28bis des DBA zwischen der Schweiz und Frankreich)11. Weiter ist ausnahmsweise im Einzelfall Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steueransprüchen geschuldet (so Art. 26a des DBA zwischen der Schweiz und Österreich12).

Art. 3

Begriffe

Artikel 3 definiert zwei Schlüsselbegriffe des Gesetzes.

Bst. a Betroffene Person ist die Person, über die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt werden. In der Regel werden nur Informationen über die betroffene Person übermittelt (vgl. Art. 17 Abs. 2). Die Verwendbarkeit der übermittelten Informationen (vgl. Art. 20 Abs. 2) wird zudem auf die betroffene Person beschränkt.

Bst. b Informationsinhaberin oder Informationsinhaber ist die Person, die in der Schweiz über die im Amtshilfeersuchen verlangten Informationen verfügt, d.h. die diese Informationen in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle hat. Diese Formulierung entspricht dem internationalen Standard und verpflichtet die Informationsinhaberin und den Informationsinhaber, alle Informationen herauszugeben, die sich in der eigenen rechtlichen oder faktischen Kontrollsphäre befinden. Die betroffene Person nach Buchstabe a und die schweizerischen Behörden nach den Artikeln 11 und 12 fallen nicht unter den Begriff und unterstehen in Bezug auf die Informationsbeschaffung anderen Regeln.

Art. 4

Grundsätze

Abs. 1 Amtshilfe wird nur geleistet auf Ersuchen im Einzelfall. Damit werden sowohl der automatische Informationsaustausch wie auch die spontane Amtshilfeleistung grundsätzlich ausgeschlossen. Ausgeschlossen werden mit dieser Bestimmung sog. Gruppen- oder Sammelanfragen, bei denen die ausländische Behörde Informationen über eine unbestimmte Anzahl Personen aufgrund ihres mutmasslichen Verhaltens ver11 12

SR 0.672.934.91 SR 0.672.916.31

6204

langt. Solche Anfragen gehören zurzeit nicht zum internationalen Standard und es soll ihnen daher bis auf Weiteres nicht Folge gegeben werden.

In diesem Zusammenhang ist nochmals (vgl. Ziff. 1.2.1) darauf hinzuweisen, dass der Kommentar zu Artikel 26 OECD-MA grundlegend revidiert wird. Dieser bestimmt die Auslegung der dem Artikel 26 OECD-MA nachgebildeten Amtshilfeklauseln in den DBA. Dem Kommentar kommt auf internationaler Ebene grosses Gewicht zu, da zu erwarten ist, dass die ausführenden Behörden sich nahezu wortwörtlich daran halten.

Plangemäss wird die zuständige Arbeitsgruppe der OECD ihre Arbeiten im Oktober 2011 abschliessen; Mitte 2012 soll die Neukommentierung in Kraft treten. Inhaltlich ist damit zu rechnen, dass die Neukommentierung auch Gruppenanfragen vorsehen wird. Es ist demzufolge möglicherweise in diesem Punkt bereits in absehbarer Zeit eine Revision an die Hand zu nehmen. Die gewählte Definition der Gruppenanfragen und ihre Abgrenzung gegenüber unzulässigen Beweisausforschungen wird aus Schweizer Sicht eine zentrale Rolle spielen. Dabei wird es zudem wichtig sein, dass innerhalb einer Gruppe jede einzelne betroffene Person klar bezeichnet werden kann und ihre Beschwerderechte geltend machen kann.

Abs. 2 Alle an der Amtshilfe Beteiligten sind zu zügigem Handeln angehalten. So hat einerseits die ESTV selbst ihr Verfahren zügig durchzuführen. Anderseits kann sie unter Hinweis auf diese Anordnung die verlangten Informationen innert kurzer Frist einholen und Fristverlängerungen verweigern, wenn nicht besondere Umstände sie rechtfertigen. Die Anordnung zu zügigem Handeln findet sich auch in der Amtshilfebestimmung von Artikel 38 Absatz 4 des Börsengesetzes vom 24. März 199513 (BEHG).

Abs. 3 Es ist unzulässig, Informationen über Personen zu übermitteln, die offensichtlich nicht von der zu untersuchenden Angelegenheit betroffen sind. Dabei ist insbesondere an Personen zu denken, die in Dokumenten über die betroffene Person zufällig auftauchen und mit dem Steuerzweck, zu welchem der ersuchende Staat die Informationen wünscht, in keinem Zusammenhang stehen, wie Bankmitarbeiter, Mitinhaberinnen von Konten oder Bevollmächtigte. Daten über Vermögenszuflüsse und -abflüsse verraten regelmässig Angaben über Drittpersonen. Macht die Unterbindung dieser Informationen eine Amtshilfe wertlos, so kann eine Übermittlung erwogen werden. In diesem Fall erhalten diese Personen jedoch eine Beschwerdemöglichkeit (vgl. Art. 19 Abs. 2).

Art. 5

Anwendbares Verfahrensrecht

Abs. 1 Soweit die Bestimmungen des StAG nichts anderes bestimmen, ist das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196814 (VwVG) anwendbar. Mit dieser Bestimmung wird ausdrücklich geklärt, dass das Amtshilfeverfahren ein Verwaltungs- und nicht ein Verwaltungsstrafverfahren ist.

13 14

SR 954.1 SR 172.021

6205

Abs. 2 Da das Amtshilfeverfahren zügig durchzuführen ist (vgl. Art. 4 Abs. 2), kommt im Geltungsbereich des StAG Artikel 22a Absatz 1 VwVG über den Stillstand gesetzlicher oder behördlicher Fristen nicht zur Anwendung. Diese Regelung ist vergleichbar mit dem Verfahren zur direkten Bundessteuer, in dem nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Regeln des kantonalen Rechts über den Stillstand der Fristen nicht zur Anwendung kommen und die Frist von 30 Tagen zur Erhebung einer Einsprache oder Beschwerde nach den Artikeln 132 und 140 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199015 über die direkte Bundessteuer (DBG) abschliessend gilt (vgl. etwa BGE 2A.70/2006 E. 3, 2A.474/2003 E. 2.2). Die gleiche Regel ist auch in anderen Bereich der Amtshilfe anwendbar, so z.B. in Artikel 38 Absatz 5 BEHG16.

2.2

Ausländische Amtshilfeersuchen

Art. 6

Ersuchen

Abs. 1 Der ersuchende Staat muss sein Ersuchen schriftlich in einer der drei schweizerischen Amtssprachen oder in Englisch stellen. Welche Angaben im Ersuchen erforderlich sind, richtet sich nach dem anwendbaren Abkommen.

Abs. 2 Die Bestimmung von Artikel 26 OECD-MA ist darauf ausgelegt, ausschliesslich voraussichtlich erhebliche Informationen zu übermitteln und dadurch sog. «fishing expeditions» zu verhindern. Demnach bietet der Artikel keine rechtliche Grundlage für «fishing expeditions» oder für Informationsanfragen, die für die Besteuerung einer bestimmten steuerpflichtigen Person nicht relevant sind. Auch sollte der ersuchende Staat nach den dortigen Ausführungen darlegen, inwieweit die erbetenen Informationen voraussichtlich relevant sind. Ausserdem sollte er alle innerstaatlichen Mittel zur Erlangung der Informationen, die ihm ohne unverhältnismässigen Aufwand zur Verfügung stehen, ausgeschöpft haben, bevor er den Vertragspartner um Hilfe bittet.17 Der internationale Standard, der in Artikel 6 wortwörtlich übernommen wird, sieht zu diesem Zweck vor, welche Angaben der ersuchende Staat liefern muss, um diese voraussichtliche Erheblichkeit der Informationen zu belegen. Es sind dies:

15 16 17

a.

die Identität der betroffenen Person, wobei die Identifikation auch auf andere Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse erfolgen kann;

b.

eine Beschreibung der verlangten Informationen sowie Angaben zur Form, in der der ersuchende Staat diese Informationen zu erhalten wünscht;

c.

der Steuerzweck, für den die Informationen verlangt werden;

SR 642.11 SR 954.1 http://www.oecd.org/document/ 29/0,3343,de_34968570_34968855_42362141_1_1_1_1,00&&en-USS_01DBC.html

6206

d.

die Gründe zur Annahme, dass die verlangten Informationen sich im ersuchten Staat oder Besitz oder unter der Kontrolle einer Informationsinhaberin oder eines Informationsinhabers befinden, die oder der der im ersuchten Staat ansässig ist;

e.

der Name und die Adresse der mutmasslichen Informationsinhaberin oder des mutmasslichen Informationsinhabers, soweit bekannt;

f.

die Erklärung, dass das Ersuchen den gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben sowie der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates entspricht, sodass die ersuchende Behörde diese Informationen, wenn sie sich in ihrer Zuständigkeit befinden würden, in Anwendung ihres Rechts oder im ordentlichen Rahmen ihrer Verwaltungspraxis erhalten könnte;

g.

die Erklärung, welche präzisiert, dass der ersuchende Staat die nach seinem innerstaatlichen Steuerverfahren üblichen Auskunftsquellen ausgeschöpft hat.

Diese Anforderungen an ein Ersuchen kommen zum Tragen, wenn das anwendbare Abkommen keine Bestimmungen über den Inhalt eines Ersuchens enthält und sich aus dem Abkommen nichts anderes ableiten lässt.

Buchstaben a und e dieser Bestimmung tragen der Empfehlung des Peer-ReviewBerichts der Schweiz vom Juni 2011 Rechnung, wonach die von der Schweiz verlangten Angaben in ausländischen Ersuchen mit dem internationalen Standard übereinstimmen sollen (vgl. Ziff. 1.2.2).

Abs. 3 Erfüllt das Ersuchen die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht, so teilt die ESTV dies der ersuchenden Behörde schriftlich mit und räumt ihr die Gelegenheit ein, das Ersuchen schriftlich zu ergänzen.

Art. 7

Nichteintreten

Artikel 7 nennt verschiedene Gründe, bei deren Vorliegen die ESTV auf das Ersuchen nicht eintritt. Zu beachten ist, dass ein Nichteintreten keine Verfügung der ESTV erfordert; die ESTV ist vielmehr frei, in welcher Form sie dem ersuchenden Staat ihr Nichteintreten kundtun will.

Bst. a Ein Ersuchen darf nicht gestellt werden mit dem Zweck, Beweisausforschung zu betreiben. Entsprechend diesem Grundsatz wird auf solche Ersuchen nicht eingetreten. Er entspricht der Regelung von Artikel 26 OECD-MA, wonach «fishing expeditions» nicht erlaubt sind (vgl. auch Kommentar zu Art. 6 Abs. 2).

Bst. b Ein Vertragsstaat darf von der ESTV nur diejenigen Informationen verlangen, welche die Amtshilfebestimmungen des anwendbaren Abkommens vorsehen. Dies sind entsprechend dem Gegenstand und Geltungsbereich des Gesetzes die zur Durchführung der Abkommen bzw. zur Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Steuerrechts erforderlichen Informationen.

Fordert ein Vertragsstaat die Übermittlung anderer Informationen, so tritt die ESTV auf das Ersuchen nicht ein. Umfasst ein Ersuchen sowohl nicht abkommenskonfor6207

me als auch abkommenskonforme Informationen, so wird hinsichtlich letzterer auf das Ersuchen eingetreten.

Bst. c Auf das Ersuchen wird schliesslich nicht eingetreten, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Eine Verletzung von Treu und Glauben liegt insbesondere vor, wenn das Ersuchen auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind. Dabei ist insbesondere an den Fall zu denken, wo sich eine Person Bankdaten illegal beschafft und diese einem Staat übermittelt bzw. verkauft.

Der Grundsatz von Treu und Glauben ist völkerrechtlich in Artikel 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 196918 über das Recht der Verträge verankert. Nach dieser Bestimmung ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Mit der Regelung von Buchstabe c wird klargestellt, dass das Ersuchen eines Staates gestützt auf illegal beschaffte Bankdaten dem Zweck und der Bedeutung eines DBA widerspricht und damit als treuwidrig zu qualifizieren ist.

2.3

Informationsbeschaffung

Art. 8

Grundsätze

Abs. 1 Zur Beschaffung der im Ersuchen verlangten Informationen dürfen nur Massnahmen durchgeführt werden, die nach schweizerischem Recht zur Veranlagung und Durchsetzung der Steuern, die Gegenstand des Ersuchens sind, durchgeführt werden könnten. Dieser Grundsatz entspricht Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe a OECD-MA.

Die Massnahmen sind je nach Art der Steuer unterschiedlich. Die meisten von der Schweiz neu verhandelten DBA beschränken den Informationsaustausch auf die unter das jeweilige DBA fallenden Steuern. Dies sind in den meisten Fällen die Steuern auf Einkommen und Vermögen. Deshalb dürfen grundsätzlich nur die Massnahmen durchgeführt werden, die im schweizerischen Recht für die Veranlagung und Durchsetzung der Steuern auf Einkommen und Vermögen vorgesehen sind. Nur in wenigen DBA besteht keine solche Beschränkung, sodass auch Massnahmen angewendet werden können, die nach schweizerischem Recht für die Veranlagung und Durchsetzung anderer, insbesondere indirekter, Steuern zulässig sind.

Weiter unterscheiden sich die anwendbaren Massnahmen analog zum schweizerischen Recht je nachdem, ob sich die verlangten Informationen bei der betroffenen Person (Art. 9) oder bei der Informationsinhaberin bzw. beim Informationsinhaber (Art. 10) befinden.

Abs. 2 Betreffend inländische Steuerpflichtige sind die Schweizer Behörden nicht befugt, im Bereich der direkten Steuern in einem Veranlagungs- oder Steuerhinterziehungs18

SR 0.111

6208

verfahren bei Banken und anderen Finanzintermediären Bankinformationen oder Informationen einzuholen, die sich auf Beteiligungen an einer Person beziehen (vgl.

Art. 127 Abs. 2 DBG19 und Art. 43 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199020 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], wonach das gesetzlich geschützte Berufsgeheimnis vorbehalten ist); dies ist lediglich im Falle eines Steuerbetrugs oder einer fortgesetzten schweren Steuerhinterziehung möglich (vgl. Art. 190 DBG).

Nach Artikel 26 Absatz 5 OECD-MA ist es einem Vertragsstaat jedoch nicht erlaubt, die Erteilung von Informationen nur deshalb abzulehnen, weil diese sich im Besitz einer Bank, einer anderen Finanzinstitution, eines Beauftragten, Bevollmächtigten oder Treuhänders bzw. einer treuhänderisch handelnden Person, befinden oder weil sie sich auf Beteiligungen an einer Person beziehen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, wurde in die DBA der Schweiz neben dem Wortlaut von Artikel 26 Absatz 5 OECD-MA der Zusatz aufgenommen, dass die Steuerbehörden des ersuchten Vertragsstaates, ungeachtet von Artikel 26 Absatz 3 OECD-MA oder entgegenstehender Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, über die Befugnis verfügen müssen, die Offenlegung von Bank- oder Eigentümerinformationen durchzusetzen.

Absatz 2 nimmt die Regelung von Artikel 26 Absatz 5 OECD-MA und dem in den schweizerischen DBA enthaltenen Zusatz auf, indem er bestimmt, dass die Informationen, die sich im Besitz einer Bank, einer anderen Finanzinstitution, einer beauftragten oder bevollmächtigten Person, einer Treuhänderin oder eines Treuhänders befinden oder die sich auf Beteiligungen an einer Person beziehen, verlangt werden können, wenn das anwendbare Abkommen ihre Übermittlung vorsieht.

Abs. 3 Ist die ESTV nicht selbst im Besitz der Informationen, so wendet sie sich an diejenigen Personen oder Behörden nach den Artikeln 9­12, von denen sie annehmen kann, dass sie über die Informationen verfügen. Sie kann die Informationen gleichzeitig bei verschiedenen Personen und Behörden verlangen und muss sich dabei nicht an eine bestimmte Reihenfolge halten.

Abs. 4 Die ersuchende Behörde hat keinen Anspruch auf Akteneinsicht oder Anwesenheit bei den Verfahrenshandlungen in der Schweiz.

Abs. 5 Die Kosten, die aus der Informationsbeschaffung
entstehen, werden nicht erstattet.

Dies gilt unabhängig davon, wem und wo die Kosten anfallen.

Abs. 6 Das Anwaltsgeheimnis bleibt geschützt, und Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200021 (BGFA) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt sind,,können die Herausgabe von Unterlagen und Informationen, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, verweigern. Unterlagen, die der Anwalt oder die Anwältin in einer anderen Eigenschaft, z.B. als Finanzintermediär im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 19 20 21

SR 642.11 SR 642.14 SR 935.61

6209

199722, besitzt, unterstehen hingegen der Herausgabepflicht. Dieser Schutz des Anwaltsgeheimnisses entspricht im Übrigen Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe c OECD-MA.

Es sei darauf hingewiesen, dass der Bundesrat voraussichtlich auf Ende 2011 eine Botschaft vorlegen wird, die die Motion der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Anpassung der Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis in den verschiedenen Verfahrensrechten des Bundes» (09.3362) umsetzen soll.

Art. 9

Beschaffung von Informationen bei der betroffenen Person

Abs. 1 Ist eine (im Ausland steuerpflichtige) betroffene Person in der Schweiz beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig, so verlangt die ESTV von ihr die Herausgabe derjenigen in ihrem Besitz befindlichen Informationen, die voraussichtlich für die Beantwortung des Ersuchens erforderlich sind, soweit das schweizerische Steuerrecht oder das anwendbare Abkommen die Herausgabe vorsieht (vgl. Art. 8 Abs. 1).

Die ESTV kann, wie einer inländischen steuerpflichtigen Person gegenüber, alle Arten von Informationen ­ auch Bank- und Eigentümerinformationen ­ verlangen.

Sie setzt der betroffenen Person für die Herausgabe der Informationen eine Frist, die dem Einzelfall angemessen ist.

Abs. 2 Damit die betroffene Person der Aufforderung zur Herausgabe der Informationen nachkommen kann, informiert die ESTV sie über den dafür notwendigen Inhalt des Ersuchens. Eine weitergehende Information der betroffenen Person oder gar die Weiterleitung des Gesuchs der ausländischen Behörde käme in Konflikt mit den Anforderungen des internationalen Standards (vgl. Ziff. 1.2).

Abs. 3 Die betroffene Person muss alle in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle befindlichen relevanten Informationen herausgeben. Sowohl nach dem geltenden schweizerischen Verwaltungsverfahrensrecht als auch nach den DBA besteht eine Verpflichtung der steuerpflichtigen bzw. betroffenen Person zur Herausgabe aller in ihrem Besitz befindlichen relevanten Informationen, also auch von Bank- und Eigentümerinformationen. Im Bereich der direkten Bundessteuer richten sich die Pflichten der steuerpflichtigen Person nach den Artikeln 124­126 DBG.

Soweit die Informationen einzig für die Steuerfestsetzung im ausländischen Staat verlangt und gebraucht werden, besteht nach schweizerischem Recht kein Grund für eine Verweigerung der Mitwirkungspflicht. Im Strafverfahren, wo der Grundsatz gilt, dass der Beschuldigte sich nicht selbst belasten muss23, ist ihre Verwertbarkeit jedoch zu überprüfen. Findet das Steuerstrafverfahren im Ausland statt, so obliegt es dem ausländischen Staat, diese Verwertbarkeit in Anwendung seiner Verfahrensgrundsätze zu überprüfen. Für Strafverfahren, die in der Schweiz stattfinden, ist Artikel 21 Absatz 3 anwendbar.

22 23

SR 955.0 Vgl. dazu etwa Hauser Robert/Schweri Erhard/Hartmann Karl, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, § 61 Rz. 5.

6210

Abs. 4 Soweit für die Ausführung des Ersuchens erforderlich, führt die ESTV neben der in Absatz 1 genannten Aufforderung zur Herausgabe von Informationen weitere im schweizerischen Steuerrecht (z.B. im DBG, im StHG oder in kantonalen Steuergesetzen) für die jeweilige Steuerart vorgesehene Verwaltungsmassnahmen durch.

Dies können z.B. Buchprüfungen oder Augenscheine sein. Die ESTV informiert die für die Veranlagung der betroffenen Person zuständige kantonale Steuerverwaltung über die Massnahmen, um ihr Gelegenheit zur Teilnahme an deren Durchführung zu geben.

Abs. 5 Leistet die betroffene Person einer von der ESTV unter Hinweis auf die Strafdrohung dieser Bestimmung ergangenen vollstreckbaren Verfügung zur Herausgabe der Informationen vorsätzlich keine Folge, so wird sie mit Busse bis zu 10 000 Franken bestraft. Allerdings kann eine Busse nach dieser Bestimmung erst ausgesprochen werden, wenn die Verfügung zur Herausgabe von Informationen, welche zwar sofort vollstreckt, aber erst mit der Schlussverfügung angefochten werden kann (vgl.

Art. 19 Abs. 1), rechtskräftig ist. Diese Bestimmung geht der allgemeinen Regelung von Artikel 292 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) vor. Der Bussenrahmen entspricht demjenigen von Artikel 174 Absatz 2 DBG.

Art. 10

Beschaffung von Informationen bei der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber

Abs. 1 Die ESTV verlangt von der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber die Herausgabe der in eigenem Besitz befindlichen Informationen, die voraussichtlich für die Beantwortung des Ersuchens erforderlich sind, soweit das schweizerische Steuerrecht oder das anwendbare Abkommen die Herausgabe vorsieht (vgl.

Art. 8 Abs. 1).

Für die DBA, bei denen der Informationsaustausch auf die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen beschränkt ist, sind diesbezüglich einerseits die Artikel 127­129 DBG bzw. Artikel 43­45 StHG massgebend. Anderseits können nach Massgabe von Artikel 8 Absatz 2 bei der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber ungeachtet des schweizerischen Steuerrechts Bank- und Eigentümerinformationen beschafft werden. Für DBA, deren Amtshilfeklausel weitere Steuern umfasst, sind zusätzlich die weiteren anwendbaren Steuergesetze heranzuziehen.

Artikel 127 DBG statuiert eine Bescheinigungspflicht Dritter gegenüber der steuerpflichtigen Person. So sind zur Ausstellung schriftlicher Bescheinigungen verpflichtet: a) Arbeitgeber über ihre Leistungen an Arbeitnehmer; b) Gläubiger und Schuldner über Bestand, Höhe, Verzinsung und Sicherstellung von Forderungen; c) Versicherer über den Rückkaufswert von Versicherungen und über die aus dem Versicherungsverhältnis ausbezahlten oder geschuldeten Leistungen; d) Treuhänder, Vermögensverwalter, Pfandgläubiger, Beauftragte und andere Personen, die Vermögen des Steuerpflichtigen in Besitz oder in Verwaltung haben oder hatten, über dieses Vermögen und seine Erträgnisse; e) Personen, die mit dem Steuerpflichtigen Geschäfte tätigen oder getätigt haben, über die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen (Art. 127 Abs. 1 DBG). Reicht der Steuerpflichtige trotz Mahnung die nötigen Bescheinigungen nicht ein, so kann die Veranlagungsbehörde sie vom Dritten 6211

einfordern. Das gesetzlich geschützte Berufsgeheimnis ­ worunter auch das Bankgeheimnis fällt ­ bleibt vorbehalten (Art. 127 Abs. 2 DBG).

In sinngemässer Anwendung von Artikel 127 DBG können diese Informationen im Rahmen der internationalen Amtshilfe direkt von der Informationsinhaberin oder vom Informationsinhaber verlangt werden, wenn aus dem Ersuchen hervorgeht, dass der ersuchende Staat alle in seinem innerstaatlichen Steuerverfahren vorgesehenen Mittel zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat (vgl. Art. 6 Abs. 2 Bst. g). Handelt es sich bei den verlangten Informationen um Bank- oder Eigentümerinformationen, so entfaltet das Berufsgeheimnis nach Artikel 127 Absatz 2 DBG aufgrund von Artikel 8 Absatz 2 keine Wirkung, und die Informationen können bei der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber verlangt werden. Der ersuchende Staat muss grundsätzlich auch in diesem Fall alle innerstaatlichen Mittel ausgeschöpft haben, da es sich hierbei gleichzeitig um eine allgemeine Voraussetzung für die Gewährung der Amtshilfe handelt.

Die Artikel 128 und 129 DBG statuieren sodann Auskunftspflichten Dritter in Bezug auf die aufgeführten Informationen. Diese Informationen können im Amtshilfeverfahren direkt von der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber, die Dritte im Sinne der Bestimmungen sind, verlangt werden. Im Wesentlichen sind nach diesen Bestimmungen Informationen über die Anteile, Ansprüche und Bezüge der betroffenen Person als Gesellschafterin, Miteigentümerin und Gesamteigentümerin (Art. 128 DBG), über Leistungen, die an die betroffene Person als Organ einer juristischen Person ausgerichtet worden sind (Art. 129 Abs. 1 Bst. a DBG), über Leistungen einer Stiftung oder einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge an die betroffene Person als Begünstigte bzw. Vorsorgenehmerin (Art. 129 Abs. 1 Bst. b DBG) sowie über den Anteil der betroffenen Person an Einkommen und Vermögen einer einfachen Gesellschaft oder Personengesellschaft (Art. 129 Abs. 1 Bst. c DBG) herauszugeben.

Die ESTV setzt der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber zur Herausgabe der Informationen eine Frist, die dem Einzelfall angemessen ist.

Abs. 2 Damit die Informationsinhaberin oder der Informationsinhaber der Aufforderung zur Informationsbeschaffung nachkommen
kann, informiert die ESTV sie bzw. ihn über den dafür notwendigen Inhalt des Ersuchens. Eine weitergehende Information der Informationsinhaberin oder des Informationsinhabers oder gar die Weiterleitung des Gesuchs der ausländischen Behörde käme in Konflikt mit den Anforderungen des internationalen Standards (vgl. Ziff. 1.2).

Abs. 3 Die Informationsinhaberin oder der Informationsinhaber muss alle relevanten Informationen herausgeben, die sich in eigenem Besitz oder unter eigener Kontrolle befinden. Diese Formulierung entspricht dem internationalen Standard und verpflichtet die Informationsinhaberin und den Informationsinhaber, alle Informationen herauszugeben, die sich in der eigenen rechtlichen oder faktischen Kontrollsphäre befinden. Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf diejenigen Informationen, welche die ESTV nach Absatz 1 verlangen kann.

6212

Abs. 4 Leistet die Informationsinhaberin oder der Informationsinhaber einer von der ESTV unter Hinweis auf die Strafdrohung dieser Bestimmung ergangenen vollstreckbaren Verfügung zur Herausgabe der Informationen vorsätzlich keine Folge, so wird sie oder er mit Busse bis zu 10 000 Franken bestraft. Allerdings kann eine Busse nach dieser Bestimmung erst ausgesprochen werden, wenn die Verfügung zur Herausgabe von Informationen, welche zwar sofort vollstreckt werden aber erst mit der Schlussverfügung angefochten werden kann (vgl. Art. 19 Abs. 1), rechtskräftig ist. Diese Bestimmung geht der allgemeinen Regelung von Artikel 292 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) vor. Der Bussenrahmen entspricht demjenigen von Artikel 174 Absatz 2 DBG.

Art. 11

Beschaffung von Informationen im Besitz der kantonalen Steuerverwaltungen

Abs. 1 Die ESTV verlangt von den zuständigen kantonalen Steuerverwaltungen die Übermittlung derjenigen Informationen, die voraussichtlich für die Beantwortung des Amtshilfeersuchens erforderlich sind, soweit das schweizerische Steuerrecht oder das anwendbare Abkommen die Herausgabe vorsieht (vgl. Art. 8 Abs. 1). Die kantonalen Steuerverwaltungen müssen der ESTV alle in ihrem Besitz befindlichen relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Sind sie nicht im Besitz der verlangten Informationen, so teilen sie dies der ESTV mit. Soweit notwendig, kann die ESTV die Übermittlung des vollständigen Steuerdossiers verlangen. Die gegenseitige Unterstützung der Steuerbehörden in der Erfüllung ihrer Aufgabe ist ebenfalls in Artikel 111 DBG vorgesehen.

Abs. 2 Die ESTV übermittelt den kantonalen Steuerverwaltungen den vollständigen Inhalt des Ersuchens. Sie setzt für die Übermittlung der Informationen eine Frist.

Art. 12

Beschaffung von Informationen im Besitz anderer schweizerischer Behörden

Abs. 1 Die ESTV verlangt von den Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden ­ dies können Verwaltungs- oder Justizbehörden sein ­ die Übermittlung der in ihrem Besitz befindlichen Informationen, die voraussichtlich für die Beantwortung des Amtshilfeersuchens erforderlich sind, soweit das schweizerische Steuerrecht oder das anwendbare Abkommen die Herausgabe vorsieht (vgl. Art. 8 Abs. 1). Die Zulässigkeit der Übermittlung richtet sich nach Artikel 8 Absätze 1 und 2. Dies bedeutet, dass die Behörden im Amtshilfeverfahren diejenigen Informationen übermitteln, zu deren Übermittlung an die Steuerbehörden sie auch nach schweizerischem Recht befugt sind. Gemäss dem Landesrecht sind die Behörden grundsätzlich auch verpflichtet, der ESTV die in ihrem Besitz befindlichen Bank- oder Eigentümerinformationen zu übermitteln. Eine der Übermittlung allenfalls entgegenste-

6213

hende Bestimmung findet sich z.B. in Artikel 40 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200724 und in Artikel 112 Absatz 3 DBG.

Abs. 2 Die ESTV informiert die Behörden über den wesentlichen Inhalt des Ersuchens und setzt für die Übermittlung der Informationen eine Frist. Auch hier käme eine weitergehende Information der betroffenen Behörde, welche keine Steuerbehörde ist, oder gar die Weiterleitung des Gesuchs der ausländischen Behörde in Konflikt mit den Anforderungen des internationalen Standards (vgl. Ziff. 1.2).

Art. 13

Zwangsmassnahmen

Abs. 1 Zwangsmassnahmen können einerseits angeordnet werden, wenn das schweizerische Recht deren Durchführung vorsieht (Bst. a). Im Bereich der direkten Steuern (Einkommenssteuern) ist die Anwendung von Zwangsmassnahmen möglich, sofern im Ersuchen der Verdacht auf Steuerbetrug oder auf schwere Steuerwiderhandlungen im Sinne von Artikel 190 DBG glaubhaft gemacht wird. Wird vom ersuchenden Staat hingegen ein Sachverhalt geschildert, der nach schweizerischem Recht als gewöhnliche Steuerhinterziehung zu qualifizieren ist, kann die ESTV keine Zwangsmassnahmen durchführen. Auch kann etwa die schweizerische Muttergesellschaft nicht gezwungen werden, Angaben zu Transferpreisen zwecks Veranlagung einer im ersuchenden Staat ansässigen Tochtergesellschaft zu liefern.

Im Bereich der vom Bund erhobenen indirekten Steuern (z.B. der Mehrwertsteuer) ist die Anwendung von Zwangsmassnahmen möglich, sofern im Ersuchen der Verdacht auf Abgabebetrug oder Steuerhinterziehung glaubhaft gemacht wird. In den genannten Bereichen sind Zwangsmassnahmen gegenüber der betroffenen Person und der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber möglich.

Andererseits können Zwangsmassnahmen auch angeordnet werden zur Einforderung von Bank- und Eigentümerinformationen nach Artikel 8 Absatz 2 (Bst. b). In diesem Bereich kann Zwang sowohl der betroffenen Person als auch der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber gegenüber ausgeübt werden, und zwar unabhängig davon, ob ein Betrug oder eine schwere Steuerwiderhandlung vorliegt oder nicht.

Abs. 2 Da es somit durchaus vorkommen kann, dass Zwangsmassnahmen eingesetzt werden müssen, obwohl keine Straftat vorliegt (vgl. Abs. 1 Bst. b), ist es gerechtfertigt, die Arten möglicher Zwangsmassnahmen gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsstrafrecht einzuschränken. Der ESTV stehen zur Beschaffung von Informationen lediglich drei Arten von Zwangsmassnahmen zur Verfügung: die Durchsuchung von Räumen oder von Gegenständen, Dokumenten und Unterlagen in Schriftform oder auf Bild- oder Datenträgern (Bst. a), die Beschlagnahme von Gegenständen, Dokumenten und Unterlagen in Schriftform oder auf Bild- oder Datenträgern (Bst. b) sowie die polizeiliche Vorführung gehörig vorgeladener Zeuginnen und Zeugen (Bst. c). Dieser Katalog von Massnahmen ist abschliessend. Sämtliche Haftmassnahmen sollen im Rahmen der Steueramtshilfe nicht angewendet werden können.

24

SR 956.1

6214

Der Massnahmenkatalog entspricht im Wesentlichen auch den Massnahmen, die der ESTV für eine Untersuchung nach Artikel 190 DBG zur Verfügung stehen.

Die polizeiliche Vorführung beschränkt sich ausschliesslich auf Zeuginnen und Zeugen, unter Ausschluss der betroffenen Person. Diese unterliegt der Mitwirkungspflicht, die mit einer Busse durchgesetzt wird (vgl. Art. 9 Abs. 3 und 5), und soll daher nicht auch noch Zwangsmassnahmen verwaltungsstrafrechtlicher Art unterworfen werden.

Die Zwangsmassnahmen können in allen Fällen, wo Zwang möglich ist, angewendet werden, d.h. auch zur Erlangung von Bank- und Eigentümerinformationen, und zwar in diesem Fall unabhängig davon, ob ein Steuerbetrug oder eine schwere Steuerwiderhandlung vorliegt oder nicht.

Abs. 3 Die Anordnung der Zwangsmassnahmen erfolgt durch den Direktor oder die Direktorin der ESTV oder durch die zur Stellvertretung befugte Person.

Abs. 4 Die mit dem Vollzug der Informationsbeschaffung betraute Person darf von sich aus eine Zwangsmassnahme durchführen, wenn Gefahr im Verzug ist und die Zwangsmassnahme nicht rechtzeitig nach Absatz 3 angeordnet werden kann. Um Bestand zu haben, muss diese Zwangsmassnahme jedoch vom Direktor oder von der Direktorin der ESTV oder von der zur Stellvertretung befugten Person innert drei Werktagen genehmigt werden.

Abs. 5 Die Polizeibehörden der Kantone und Gemeinden sowie andere Behörden unterstützen die ESTV bei der Durchführung der Zwangsmassnahmen.

Abs. 6 An der Durchführung der Zwangsmassnahmen können die betroffenen kantonalen Steuerverwaltungen teilnehmen.

Abs. 7 Zusätzlich zu den Bestimmungen in den Absätzen 1­6 sind die Artikel 42 sowie 45­50 Absätze 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) anwendbar, welche die Durchführung der in Absatz 2 aufgeführten Zwangsmassnahmen detailliert regeln. Das Siegelungsverfahren nach Artikel 50 Absatz 3 VStrR kommt jedoch nicht zur Anwendung. Diese Einschränkung, die der Verfahrensbeschleunigung dient, kann in Kauf genommen werden, da das Amtshilfeverfahren nicht strafrechtlicher Natur ist.

Art. 14

Information der beschwerdeberechtigten Personen

Abs. 1 Die betroffene Person wird von der ESTV über das hängige Ersuchen informiert, soweit die ausländische Behörde nicht Geheimhaltungsgründe hinsichtlich des Verfahrens glaubhaft macht. Bestehen keine begründeten Einwände der ersuchenden ausländischen Behörde, so ist die betroffene Person unverzüglich nach Eingang des Amtshilfeersuchens bei der ESTV zu informieren. Werden von der ausländischen 6215

Behörde Geheimhaltungsgründe glaubhaft gemacht, so kann es angebracht sein, mit der Information der betroffenen Person zuzuwarten. Dies korrespondiert mit der in Artikel 27 VwVG und Artikel 15 Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit, in den genannten Fällen die Akteneinsicht zu verweigern. Müsste die ESTV die betroffene Person in jedem Fall sofort informieren, so bestünde die Gefahr, dass belastende Beweisstücke vernichtet würden und damit keine Amtshilfe mehr möglich wäre.

Abs. 2 Neben der betroffenen Person nach Absatz 1 informiert die ESTV die weiteren Personen, von deren Beschwerdeberechtigung nach Artikel 19 Absatz 2 sie aufgrund der Akten ausgehen muss, über das Amtshilfeverfahren. Dies kann z.B. die Mitinhaberin oder der Mitinhaber eines Bankkontos sein, wenn die diese Person betreffenden Informationen in den Akten nicht geschwärzt werden können oder für die ausländische Behörde für die Veranlagung der betroffenen Person voraussichtlich erheblich sind.

Abs. 3 Ist eine nach Absatz 1 oder 2 beschwerdeberechtigte Person in der Schweiz ansässig, so bereitet deren Information durch die ESTV keine Probleme; die ESTV kontaktiert die Person direkt. Ist eine solche Person hingegen im Ausland ansässig, so ersucht die ESTV die Informationsinhaberin oder den Informationsinhaber, diese Person aufzufordern, in der Schweiz eine zur Zustellung bevollmächtigte Person zu bezeichnen. Die ESTV setzt der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber zur Aufforderung der zu informierenden Person eine Frist. Der Weg über die Informationsinhaberin bzw. den Informationsinhaber wird in vielen Fällen der einfachste und schnellste sein, insbesondere wenn es um Bankinformationen geht, hat doch jede Bank normalerweise die Möglichkeit, ihre Kundinnen und Kunden zu kontaktieren. Dabei ist die ESTV bei einer über die Informationsinhaberin oder den Informationsinhaber erfolgenden Information der betroffenen Person nicht davon entbunden, einen Nachweis für die Zustellung der Informationen über das Zustelldomizil zu erbringen.

Abs. 4 Die ESTV kann die im Ausland ansässige beschwerdeberechtigte Person direkt informieren, sofern die ersuchende Behörde diesem Vorgehen im Einzelfall ausdrücklich zustimmt. Die Zustellung des Informationsschreibens ist ein amtlicher Akt, der ohne Zustimmung der ersuchenden Behörde im Hoheitsgebiet
des Vertragsstaates nicht ausgeführt werden darf.

Abs. 5 Kann eine beschwerdeberechtigte Person nicht erreicht werden, so informiert die ESTV sie auf dem Weg der ersuchenden Behörde oder allenfalls durch Veröffentlichung im Bundesblatt über das Ersuchen. Sie fordert sie auf, eine zur Zustellung bevollmächtigte Person zu bezeichnen, und setzt hierfür eine Frist.

Art. 15

Mitwirkungsrecht und Akteneinsicht

Abs. 1 Die nach Artikel 19 Absatz 2 beschwerdeberechtigten Personen können sich grundsätzlich am Verfahren beteiligen und Akteneinsicht nehmen.

6216

Abs. 2 Nach dem auch hier anwendbaren Artikel 27 VwVG25 darf die ESTV die Einsichtnahme in die Akten verweigern, wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, wesentliche private Interessen oder das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung die Geheimhaltung erfordern. Diese Einschränkung der Verfahrensbeteiligung und des Akteneinsichtsrechts nach Absatz 1 genügt dem internationalen Standard nicht, der verlangt, dass es in Ausnahmefällen (z.B. in besonders dringenden Fällen oder wenn die Information der betroffenen Person eine laufende Untersuchung gefährden könnte) möglich sein muss, Informationen auszutauschen, ohne die betroffene Person vorgängig zu informieren. Um dem internationalen Standard Rechnung zu tragen, wird vorgesehen, dass die ESTV auf Ersuchen der ausländischen Behörde einer beschwerdeberechtigten Person die Akteneinsicht nach Artikel 27 VwVG sowie die Anhörung nach Artikel 30 Absatz 2 VwVG verweigern kann, soweit diese Geheimhaltungsgründe hinsichtlich des Verfahrens oder gewisser Aktenstücke glaubhaft macht. Dies erlaubt es der ausländischen Behörde zu verlangen, dass die beschwerdeberechtigten Personen nicht unmittelbar nach Einreichen des Amtshilfegesuches darüber informiert werden und zuerst die relevanten Informationen eingeholt werden. So kann Kollusion oder Beweisvernichtung vorgebeugt werden. Es erlaubt ihr zudem, die Offenlegung gewisser Informationen oder Aktenstücke aus dem Amtshilfegesuch ganz oder für eine gewisse Zeit zu verweigern. Am Grundsatz, dass Informationen erst übermittelt werden können, wenn die beschwerdeberechtigte Person ihre Einwilligung gegeben oder die Schlussverfügung rechtskräftig ist, wird hingegen festgehalten (vgl. Art. 16 Abs. 2 und 20 Abs. 1).

2.4

Informationsübermittlung

Art. 16

Vereinfachtes Verfahren

Abs. 1 Die nach Artikel 19 Absatz 2 beschwerdeberechtigten Personen können der Übermittlung der Informationen an die ersuchende Behörde zustimmen, indem sie dies der ESTV schriftlich mitteilen. Die einmal erteilte Zustimmung kann nicht widerrufen werden.

Abs. 2 Liegt eine Zustimmung der beschwerdeberechtigten Personen nach Absatz 1 vor, so schliesst die ESTV das Verfahren ab, indem sie die Informationen unter Hinweis auf die erfolgte Zustimmung an die ersuchende Behörde übermittelt.

Abs. 3 Es ist denkbar, dass bei Vorhandensein mehrerer beschwerdeberechtigter Personen nicht alle der Aushändigung der Informationen zustimmen oder eine beschwerdeberechtigte Person sich der Aushändigung eines Teils der verlangten Informationen widersetzt. In diesem Fall werden nur diejenigen Informationen nach Absatz 2

25

SR 172.021

6217

übermittelt, bezüglich welcher uneingeschränkte Zustimmung vorliegt. Für die übrigen Informationen wird das ordentliche Verfahren nach Artikel 17 durchgeführt.

Art. 17

Ordentliches Verfahren

Abs. 1 Können die im Ersuchen angeforderten Informationen nicht im vereinfachten Verfahren nach Artikel 16 übermittelt werden, so eröffnet die ESTV jeder nach Artikel 19 Absatz 2 beschwerdeberechtigten Person eine Schlussverfügung. Die Schlussverfügung begründet die Amtshilfeleistung und bestimmt den Umfang der zu übermittelnden Informationen. Die ESTV wird in der Praxis je nach beschwerdeberechtigter Person verschiedene Schlussverfügungen erlassen. Während jene an die betroffene Person ausführlicher Natur ist, beschränkt sich die an eine andere beschwerdeberechtigte Person gerichtete Schlussverfügung aus Gründen der Geheimhaltung auf die diese Person betreffenden Informationen.

Abs. 2 Die ESTV darf Informationen, die voraussichtlich nicht erheblich sind, nicht übermitteln. Solche Informationen werden von der ESTV ausgesondert oder unkenntlich gemacht. Diese Bestimmung ist vereinbar mit Artikel 26 Absatz 1 OECD-MA, wonach die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die voraussichtlich erheblichen Informationen austauschen.

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls auf die Neukommentierung von Artikel 26 OECD-MA zu verweisen (vgl. Ziff. 1.2.1). Es ist damit zu rechnen, dass nach der Neukommentierung nicht mehr der ersuchte Staat über die voraussichtliche Relevanz von Informationen entscheiden kann. Es ist also absehbar, dass diese Bestimmung in nächster Zeit revidiert werden muss.

Abs. 3 Einer im Ausland ansässigen beschwerdeberechtigten Person eröffnet die ESTV die Schlussverfügung über die zur Zustellung bevollmächtigte Person. Ist keine solche bezeichnet worden, so eröffnet sie die Verfügung durch Veröffentlichung im Bundesblatt. Diese Bestimmung präzisiert Artikel 36 VwVG, der in bestimmten Fällen die Veröffentlichung von Verfügungen in einem amtlichen Blatt vorsieht.

Abs. 4 Über den Erlass und den Inhalt der Schlussverfügung informiert die ESTV gleichzeitig die betroffenen kantonalen Steuerverwaltungen.

Art. 18

Kosten

Abs. 1 Für die Ausführung der Amtshilfeersuchen werden in der Regel keine Kosten erhoben, und zwar weder bei der betroffenen Person noch bei der Informationsinhaberin oder beim Informationsinhaber.

Abs. 2 Die Erfahrungen zeigen, dass es Situationen gibt, in denen die Kosten des Verfahrens einen ausserordentlichen Umfang erreichen und die betroffene Person, die 6218

Informationsinhaberin oder der Informationsinhaber durch ihr eigenes Fehlverhalten das Verfahren ungebührend belastet haben. In solchen Fällen muss es möglich sein, die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch entstanden sind, diesen Personen ganz oder teilweise aufzuerlegen. Ein solcher Fall war die UBS AG, der die Kosten, die dem Bund für die Behandlung zweier Amtshilfegesuche des Internal Revenue Service der Vereinigten Staaten von Amerika entstanden, in Rechnung gestellt werden sollten. Dafür wurde mangels rechtlicher Grundlage ein Bundesbeschluss26 gefasst. Die vorliegende Bestimmung schafft die erforderliche Rechtsgrundlage für zukünftige, ähnlich gelagerte Fälle.

Abs. 3 Der Bundesrat umschreibt die Voraussetzungen nach Absatz 2 näher und regelt die Einzelheiten.

Art. 19

Beschwerdeverfahren

Abs. 1 Anfechtbar ist erst die Schlussverfügung; jede ihr vorangehende Verfügung, einschliesslich einer Verfügung über Zwangsmassnahmen, ist sofort vollstreckbar und kann nur zusammen mit der Schlussverfügung angefochten werden.

Abs. 2 Zur Beschwerde berechtigt sind die betroffene Person sowie weitere Personen unter den Voraussetzungen von Artikel 48 VwVG.

Abs. 3 Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Artikel 55 Absätze 2­4 VwVG ist jedoch anwendbar. Die ESTV kann somit einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen. Mit dieser Bestimmung wird den Anforderungen des internationalen Standards Rechnung getragen. Ohne so weit zu gehen, die Information der betroffenen Person und ihre Verfahrensrechte vollständig auszuhebeln, soll der ESTV zumindest die Möglichkeit gegeben werden, Ausnahmesituationen berücksichtigen zu können und die Informationsübermittlung vorzunehmen, bevor das Beschwerdeverfahren abgeschlossen ist.

Abs. 4 Wie in Artikel 4 Absatz 2 festgelegt, muss das Amtshilfeverfahren rasch durchgeführt werden. Zur Beschleunigung des Verfahrens findet daher grundsätzlich nur ein Schriftenwechsel statt. Der Beschwerdeinstanz soll aber die Möglichkeit haben, einen zweiten Schriftenwechsel durchzuführen, wenn z.B. der Sachverhalt weiterer Klärung bedarf.

Abs. 5 Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

26

SR 952.2

6219

Art. 20

Abschluss des Verfahrens

Abs. 1 Ist die Schlussverfügung oder der Beschwerdeentscheid rechtskräftig geworden oder wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen, so übermittelt die ESTV die zum Austausch bestimmten Informationen an die ersuchende Behörde.

Abs. 2 Gemäss Artikel 26 Absatz 2 OECD-MA sind die übermittelten Informationen vom Vertragsstaat geheim zu halten und dürfen nur bestimmten Personen oder Behörden zugänglich gemacht werden, welche die Informationen zu festgelegten Zwecken zu verwenden haben. In Übereinstimmung mit dieser Bestimmung sehen sämtliche DBA vor, dass die ersuchende Behörde die erhaltenen Informationen vertraulich zu behandeln hat und nur für die im Abkommen vorgesehenen Zwecke verwenden darf.

Die Informationen dürfen einzig den Personen oder Behörden (einschliesslich der Gerichte und der Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, der Vollstreckung, der Strafverfolgung oder der Entscheidung von Rechtsmitteln befasst sind. Einige DBA sehen zusätzlich vor, dass die Informationen auch den Aufsichtsbehörden zugänglich gemacht werden dürfen.

Diese Personen und Behörden dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden.

Nach Absatz 2 weist die ESTV die ersuchende Behörde auf diese Einschränkung der Verwendbarkeit der übermittelten Informationen sowie auf die Geheimhaltungspflichten nach den Amtshilfebestimmungen des anwendbaren Abkommens hin.

Abs. 3 Die nach Artikel 26 OECD-MA revidierten DBA enthalten in der Regel eine Klausel, wonach ein Vertragsstaat die erhaltenen Informationen für andere Zwecke als für Steuerzwecke verwenden kann, wenn solche Informationen nach dem Recht beider Staaten für solche andere Zwecke verwendet werden dürfen und die zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser anderen Verwendung zustimmt. Zuständig für die Erteilung einer solchen Zustimmung ist die ESTV. Sollen die erhaltenen Informationen zur Verfolgung anderer, nicht fiskalischer Delikte an Strafbehörden weitergeleitet werden, so erteilt die ESTV die Zustimmung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Justiz. Diese Bestimmung ist vergleichbar mit Artikel 38 Absatz 6 BEHG.

Art. 21

Verwendung der Informationen zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts

Abs. 1 Zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts dürfen nur die der ersuchenden Behörde übermittelten Informationen verwendet werden. Die Verwendung weiterer Informationen, die im Rahmen des Amtshilfeverfahrens erhoben, aber nicht übermittelt wurden, ist unzulässig.

Zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts dürfen mit Ausnahme von Bankinformationen (vgl. Abs. 2) alle der ersuchenden Behörde übermittelten Informationen verwendet werden. Dabei kann es sich auch um Informationen zu Beteiligungsverhältnissen handeln oder um Informationen, die sich im Besitz eines Treu6220

händers befanden. Dies entspricht den Artikeln 111 und 112 DBG, wonach die kantonalen und eidgenössischen Steuerbehörden alle von anderen Behörden rechtmässig beschafften Unterlagen einsehen und verwerten dürfen, auch wenn es sich dabei um Informationen handelt, die im ordentlichen Veranlagungsverfahren nicht hätten beschafft werden können.

Abs. 2 Der Bundesrat hat am 13. März 2009 entschieden, dass sich durch die Übernahme des OECD-Standards für inländische Steuerpflichtige hinsichtlich Bankinformationen nichts ändern soll. Absatz 2 nimmt diesen Entscheid auf, indem er bestimmt, dass Bankinformationen nur weiterverwendet werden dürfen, soweit sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können. Den kantonalen Steuerbehörden ist eine Beschaffung von Bankinformationen für die direkten Steuern nur bei Vorliegen von Betrugstatbeständen und bei schwerer Steuerhinterziehung möglich.

Mit Ausnahme dieser Fälle sollen amtshilfeweise erhobene Bankinformationen somit für die Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts nicht verwendet werden können.

Absatz 2 entspricht Artikel 15 Absatz 3 ADV. Mit Aufnahme der Bestimmung in das StAG auferlegt sich die Schweiz weiterhin eine Selbstbeschränkung, und sie nimmt damit in diesem Punkt eine Schlechterstellung der inländischen gegenüber den ausländischen Steuerbehörden in Kauf. Zudem braucht der ersuchende Staat nach der Art. 26 OECD-MA entsprechenden Amtshilfepraxis nicht mehr darzulegen, weshalb nach schweizerischem Recht ein Steuerbetrug vorliege. Dies kann zur Folge haben, dass die notwendigen Angaben für die Beurteilung, ob die Schweizer Steuerbehörden diese nach schweizerischem Recht überhaupt hätten beschaffen können, im Einzelfall nicht vorliegen.

Abs. 3 Nach Artikel 9 Absatz 3 ist die betroffene Person verpflichtet, alle in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle befindlichen relevanten Informationen herauszugeben.

Diese Mitwirkungspflicht kann im Moment, wo alle der ersuchenden Behörde übermittelten Informationen zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts verwendet werden dürfen und die Informationen in der Schweiz also gewissermassen indirekt anfallen, mit dem im Strafverfahren geltenden Grundsatz kollidieren, wonach der Beschuldigte sich nicht selbst belasten muss27. Daher ist in Bezug auf die Verwendung übermittelter Informationen
durch inländische Behörden eine Einschränkung erforderlich. Die Bestimmung sieht entsprechend vor, dass Informationen, die aufgrund der Mitwirkungspflicht einer Person erlangt worden sind, in einem Strafverfahren gegen diese Person nur verwendet werden dürfen, wenn die Person zustimmt oder die Informationen auch ohne ihre Mitwirkung hätten erlangt werden können.

27

Vgl. dazu etwa Hauser Robert/Schweri Erhard/Hartmann Karl, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, § 61 Rz. 5.

6221

2.5

Schweizerische Amtshilfeersuchen

Art. 22 Abs. 1 Die interessierten Steuerbehörden richten ihr Ersuchen um internationale Amtshilfe an die ESTV, welche für schweizerische Ersuchen ins Ausland zuständig ist (vgl.

Art. 2).

Abs. 2 Die ESTV prüft das Ersuchen und entscheidet, ob die Voraussetzungen nach den Amtshilfebestimmungen des anwendbaren Abkommens erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, so teilt sie dies der ersuchenden Behörde schriftlich mit. Diese kann ihr Ersuchen schriftlich ergänzen.

Abs. 3 Die ESTV leitet das Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde weiter und begleitet das Amtshilfeverfahren bis zu seinem Abschluss.

Abs. 4 Gegen schweizerische Ersuchen um internationale Amtshilfe kann ­ anders als bei ausländischen Ersuchen ­ keine Beschwerde erhoben werden. Der Rechtsschutz der betroffenen Person ist durch das ordentliche schweizerische Steuerverfahren gewährleistet. So kann sie sich gegen den Einbezug von Informationen aus dem Ausland mittels Anfechtung der betroffenen Veranlagungsverfügung zur Wehr setzen. Gegebenenfalls kann die betroffene Person im ersuchten Staat Beschwerde erheben.

Abs. 5 Die ESTV leitet die aus dem Ausland erhaltenen Informationen an die interessierten Steuerbehörden weiter. Dabei verweist sie auf die Einschränkungen hinsichtlich deren Verwendung und die Geheimhaltungspflichten nach den Amtshilfebestimmungen des anwendbaren Abkommens.

Abs. 6 Anders als im schweizerischen Recht, aber entsprechend Artikel 26 Absatz 5 OECD-MA und dessen Zusatz in den DBA der Schweiz können die ersuchten Informationen auch bei Banken und anderen Personen eingefordert werden, wenn das anwendbare Abkommen die Übermittlung von Informationen vorsieht, die sich im Besitz einer Bank, einer anderen Finanzinstitution, einer beauftragten oder bevollmächtigten Person, einer Treuhänderin oder eines Treuhänders befinden oder die sich auf Beteiligungen an einer juristischen Person beziehen. Der jeweilige Vertragsstaat ist im Gegenzug verpflichtet, für die Schweiz alle Informationen zu beschaffen, die auch die Schweiz gemäss dem anwendbaren Abkommen für ihn beschaffen muss. Mit Absatz 6 wird darauf verzichtet, diese Verpflichtung einzulösen. Bankinformationen dürfen mittels eines Amtshilfeersuchens also nur verlangt werden, soweit diese Informationen nach schweizerischem Recht beschafft werden könnten (d.h. also bei Betrugstatbeständen und schwerer Steuerhinterziehung).

6222

Die Bestimmung bewirkt einen Konkurrenzvorteil für ausländische Bankenplätze, da die Schweiz sie nicht um Lieferung von Bankinformationen ersuchen kann, während sie diese selber liefern muss. Diese Selbstbeschränkung rechtfertigt sich aufgrund der Tatsache, dass hier die Frage tangiert ist, welche Informationen schweizerische Steuerbehörden nach Landesrecht zu Veranlagungszwecken beschaffen dürfen. Der sich abzeichnenden Grundsatzdiskussion, ob aufgrund der Entwicklungen in der internationalen Amtshilfe der Zugang zu Bankinformationen auch in der Schweiz erweitert werden soll, soll hier nicht vorgegriffen werden.

2.6

Schlussbestimmungen

Art. 23

Änderung bisherigen Rechts

Vgl. Ziff. 2.7.

Art. 24

Übergangsbestimmungen

Die Ausführungsbestimmungen der bisher geltenden DBA stützen sich auf Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 195128 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wonach die Regelung des Verfahrens zum Austausch von Meldungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in die Zuständigkeit des Bundesrates fällt. Mit Erlass des StAG wird diese Bestimmung aufgehoben (vgl.

Ziff. 2.7.4).

Mit Aufhebung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesbeschlusses verlieren die Ausführungsbestimmungen der geltenden DBA ihre Rechtsgrundlage. Aus diesem Grund bestimmt Artikel 24 übergangshalber, dass diese Ausführungsbestimmungen weiter gelten für Amtshilfeersuchen, die bei Inkrafttreten des StAG bereits eingereicht waren.

2.7

Änderung bisherigen Rechts

2.7.1

Bundesgerichtsgesetz vom 17 Juni 200529

Art. 42 Abs. 2 Nach einem neuen Artikel 84a kann auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden, wenn es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. Kommentar zu Art. 84a). Entsprechend ist in Artikel 42 Absatz 2 auch auf diese Bestimmung zu verweisen.

Art. 83 Bst. h Nach einem neuen Artikel 84a ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig, wenn es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen 28 29

SR 672.2 SR 173.110

6223

Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Entsprechend wird diese Ausnahme in Artikel 83 Buchstabe h vorgesehen.

Art. 84a (neu)

Internationale Amtshilfe in Steuersachen

Die Beurteilung von Beschwerden gegen eine Schlussverfügung nach Artikel 17 StAG fällt in die Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200530). In einem Bereich wie der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen, in dem sich aufgrund der internationalen Entwicklungen in letzter Zeit und in absehbarer Zukunft immer wieder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, ist die Möglichkeit eines Weiterzugs an das Bundesgericht wünschbar. Aus diesem Grund wird ein neuer Artikel 84a eingefügt.

Er sieht vor, dass gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen die Beschwerde nur zulässig ist, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Es wird Aufgabe der Rechtsprechung sein, für die internationale Amtshilfe in Steuerfragen zu definieren, wann ein bedeutender Fall vorliegt.

Art. 100 Abs. 2 Bst. b Um die Verzögerung des Verfahrens durch die in Artikel 84a vorgesehene Weiterzugsmöglichkeit so gering wie möglich zu halten, wird die Beschwerdefrist, wie bei Entscheiden auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, auf 10 Tage festgelegt.

Art. 107 Abs. 3 Der Entscheid über die Eintretensfrage, ob die Voraussetzungen für eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen nach Artikel 84a gegeben sind oder nicht, soll ­ wie auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ­ innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels erfolgen.

2.7.2

Zollgesetz vom 18. März 200531

Einleitung Im Zug der Ausarbeitung des StAG stellte sich die Frage, ob die Amtshilfebestimmungen des Betrugsbekämpfungsabkommens ­ wie jene des Zinsbesteuerungsabkommens (vgl. dazu Ziff. 2.7.4) ­ zum Zweck der Zusammenführung vergleichbarer Regelungsbereiche in das StAG zu integrieren seien. Das BBA beschlägt aber ­ anders als die Abkommen zum Informationsaustausch in Steuersachen, welche durch das StAG geregelt werden ­ nicht nur den Bereich des Steuerrechts, sondern auch Abgaben und Subventionen. Entsprechend bezieht sich die Amtshilfe im Rahmen des Abkommens auf alle diese Bereiche. Bei der Amtshilfe nach BBA handelt es sich also um die Aufklärung von materiellem Strafrecht oder Verwaltungs- und 30 31

SR 173.32 SR 631.0

6224

Steuer(straf)recht. Neben dem Informationsaustausch sieht das BBA darüber hinaus auch gewisse Sicherungsmassnahmen vor. Diese Unterschiede erklären und rechtfertigen eine vom StAG abweichende Regelung der Amtshilfe im BBA.

Allerdings bestehen im BBA gewisse Regelungslücken, namentlich was die Rechtsmittel betrifft. Das vorliegende Projekt bietet die Gelegenheit, sie über punktuelle Anpassungen im Zollgesetz und im Mehrwertsteuergesetz (vgl. Ziff. 2.7.3) zu schliessen.

Anzumerken ist, dass die vorgeschlagenen Bestimmungen sich auf Amtshilfeersuchen betreffend den Warenverkehr beschränken und nicht auf solche betreffend Ausschreibungsverfahren anwendbar sind, welche sich auch im Geltungsbereich des BBA befinden. Ein entsprechender Fall ist, soweit ersichtlich, noch nicht aufgetreten. Gegebenenfalls wäre es an den dafür zuständigen Behörden, die Schliessung vorhandener Regelungslücken an die Hand zu nehmen.

2. Kapitel: Amtshilfe unter inländischen Behörden Art. 114 Der Inhalt dieser Bestimmung bleibt unverändert. Jedoch wird die Sachüberschrift aufgehoben.

3. Kapitel: Internationale Amtshilfe Art. 115

Gegenstand und Geltungsbereich

Abs. 1 Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausländischen Behörden auf deren Ersuchen Amtshilfe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben leisten. Dazu gehört namentlich die Sicherstellung der ordnungsgemässen Anwendung des Zollrechts und die Verhütung, Aufdeckung und Verfolgung von Widerhandlungen gegen das Zollrecht.

Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen des Zollgesetzes ist, dass ein völkerrechtlicher Vertrag dies vorsieht. Zu denken ist hier insbesondere an das Betrugsbekämpfungsabkommen. Nicht anwendbar ist die Amtshilfe gemäss Zollgesetz in jedem Fall beim Vorliegen eines auf ein DBA gestütztes Amtshilfeersuchen.

In diesem Fall ist nach den Artikeln 1 und 2 StAG die ESTV alleine zuständig, unabhängig von den betroffenen Steuerarten, also auch wenn das Gesuch die Mehrwertsteuer betrifft (vgl. auch Art. 75a MWSTG, Ziff. 2.7.3).

Abs. 2 Wenn ein völkerrechtlicher Vertrag dies vorsieht, kann die EZV die Amtshilfe auch von Amtes wegen, das heisst spontan leisten.

6225

Art. 115a

Zuständigkeit

Abs. 1 Zuständig für den Vollzug der Amtshilfe aufgrund ausländischer Ersuchen und das Stellen schweizerischer Ersuchen ist die EZV. Im Bereich der indirekten Steuern ist die Oberzolldirektion Zentralstelle. Der zuständige Zollfahndungsdienst vollzieht die Amtshilfe, falls die Zollverwaltung in der Schweiz für das Geschäft zuständig wäre.

Abs. 2 Die Zuständigkeit der EZV ergibt sich aus den Aufgaben, die ihr das Landesrecht im Zollbereich überträgt. Betrifft das ausländische Ersuchen einen Bereich, der durch einen nichtzollrechtlichen Erlass geregelt ist, welcher eine andere Zuständigkeit als diejenige der EZV vorsieht, so übermittelt die EZV das Ersuchen an die zuständige Behörde.

Abs. 3 Im Fall ihrer Nichtzuständigkeit im Sinne von Absatz 2 vollzieht die EZV mit Unterstützung der zuständigen Behörde die Amtshilfe, sofern diese nicht in der Lage ist, die ersuchten Massnahmen durchzuführen. Zu denken ist etwa an den Fall, wo die Behörde keine Strafuntersuchungen durchführen kann.

Art. 115b

Ersuchen

Diese Bestimmung ist gleich wie Artikel 6 Absätze 1 und 2 StAG formuliert, sodass auf dessen Kommentierung verwiesen werden kann.

Art. 115c

Zulässige Massnahmen

Analog zu Artikel 8 Absatz 1 StAG dürfen zum Zweck der Herausgabe von Informationen, Schriftstücken, Gegenständen oder Vermögenswerten nur Massnahmen durchgeführt werden, die im schweizerischen Recht vorgesehen sind und die im Zollrecht oder in den nichtzollrechtlichen Erlassen des Bundes angewendet werden können.

Art. 115d

Mitwirkungspflicht

Abs. 1 Im Rahmen der nach Artikel 115c zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kann die EZV die vom Ersuchen betroffene Person zur Mitwirkung verpflichten und sie insbesondere zur Herausgabe aller in ihrem Besitz befindlichen relevanten Informationen, Daten und Unterlagen verpflichten.

Abs. 2 Allerdings kann die zur Mitwirkung verpflichtete betroffene Person die Mitwirkung oder die Zeugenaussage verweigern, wenn sie einem gesetzlich geschützten Berufsgeheimnis, insbesondere dem Anwalts- oder dem Bankgeheimnis, untersteht oder ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die zu übermittelnden Informationen, Schriftstücke oder Gegenstände in einem hängigen

6226

oder künftigen in- oder ausländischen Strafverfahren gegen sie verwendet werden könnten.

Abs. 3 Verweigert die betroffene Person die Mitwirkung oder Zeugenaussage, so erlässt die EZV eine Verfügung über die Pflicht zur Mitwirkung und zur Herausgabe von Informationen, Daten und Unterlagen.

Art. 115e

Zwangsmassnahmen

Abs. 1 Sind für die Ermittlungen Zwangsmassnahmen nötig, so können solche angeordnet werden, sofern das schweizerische Recht oder das Völkerrecht deren Durchführung vorsieht.

Abs. 2 In Bezug auf die Arten möglicher Zwangsmassnahmen und deren Vollzug sind die Artikel 45­60 VStrR32 heranzuziehen. Da es sich bei den Ermittlungen der EZV in der Regel um verwaltungsstrafrechtliche Verstösse handelt, rechtfertigt es sich nicht, die Arten möglicher Zwangsmassnahmen einzuschränken.

Art. 115f

Mitwirkungsrecht

Diese Bestimmung weicht in einigen Punkten von Artikel 15 Absatz 1 StAG ab.

Während nach StAG nicht nur die vom Amtshilfegesuch betroffene Person, sondern bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen auch weitere Personen ein Beschwerderecht haben und ihnen somit ein Mitwirkungsrecht zusteht, ist nach dem Zollgesetz lediglich die vom Amtshilfegesuch betroffene Person Partei im Verfahren und kann ein entsprechendes Mitwirkungsrecht haben. Ein solches steht ihr zudem nur dann zu, wenn sie nach Artikel 115d zur Mitwirkung verpflichtet worden ist oder nach Artikel 115e Zwangsmassnahmen angeordnet worden sind. Ebenfalls nicht vorgesehen ist die Artikel 27 VwVG überschiessende Möglichkeit der Einschränkung der Akteneinsicht, da die relevanten internationalen Standards den Zollbereich nicht berühren.

Art. 115g

Vereinfachtes Verfahren

Diese Bestimmungen sind gleich wie die Artikel 16 Absätze 1­3 StAG formuliert, sodass grundsätzlich auf deren Kommentierung verwiesen werden kann. Ein Unterschied ist hier die Bezeichnung der Personen, denen ein Mitwirkungsrecht zusteht (vgl. Kommentar zu Art. 115f). Ein weiterer Unterschied liegt in der Tatsache, dass ­ anders als im StAG ­ Gegenstand der Amtshilfe nach Zollgesetz nicht nur Informationen, sondern auch Schriftstücke, Gegenstände und Vermögenswerte sein können.

32

SR 313.0

6227

Art. 115h

Ordentliches Verfahren

Auch diese Bestimmungen haben ihr Gegenstück im StAG; es kann daher auf den Kommentar zu Artikel 17 Absätze 1 und 2 StAG verwiesen werden. Ein Unterschied ist ein weiteres Mal die Bezeichnung der Personen, denen eine Schlussverfügung zugestellt werden muss. Da nach Zollgesetz im Verfahren lediglich der betroffenen Person Parteistellung zukommt, ist auch nur sie Adressatin der Schlussverfügung (vgl. im Übrigen Kommentar zu Art. 115f). Ein weiterer Unterschied liegt auch hier im möglichen Gegenstand der Amtshilfe (vgl. Kommentar zu Art. 115g).

Art. 115i

Rechtsmittel

Abs. 1 Zwischenverfügungen, einschliesslich Verfügungen über Zwangsmassnahmen, sind sofort vollstreckbar. Sie können nicht selbstständig angefochten werden. Diese Regelung dient der Verfahrensbeschleunigung. Vorbehalten bleibt Absatz 2.

Abs. 2 Einzige Ausnahme bilden diejenigen Zwischenverfügungen, welche durch die Beschlagnahme oder Sperre von Vermögenswerten und Wertgegenständen einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken. Diese Verfügungen können sofort angefochten werden. Die Beschwerde nach Absatz 3 hat in diesen Fällen grundsätzlich aufschiebende Wirkung.

Abs. 3 Gegen Zwischenverfügungen nach Absatz 2 und die Schlussverfügung der EZV steht der Rechtsweg an das Bundesverwaltungsgericht offen. Dieses entscheidet endgültig. Die Beschwerdeberechtigung richtet sich nach Artikel 48 VwVG.

2.7.3 Art. 75a

Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 200933 Internationale Amtshilfe

Abs. 1 Im Rahmen ihrer Zuständigkeit kann die ESTV ausländischen Behörden auf deren Ersuchen Amtshilfe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben leisten. Dies sind namentlich die Sicherstellung der ordnungsgemässen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts sowie die Verhütung, Aufdeckung und Verfolgung von Widerhandlungen gegen das Mehrwertsteuerrecht. Voraussetzung dafür ist, dass ein völkerrechtlicher Vertrag dies vorsieht.

Nicht anwendbar ist die Amtshilfe gemäss Zollgesetz in jedem Fall beim Vorliegen eines auf ein DBA gestützten Amtshilfeersuchens. In diesem Fall ist nach den Artikeln 1 und 2 StAG die ESTV alleine zuständig, unabhängig von den betroffenen Steuerarten, also auch wenn das Gesuch die Mehrwertsteuer betrifft.

33

SR 641.20

6228

Abs. 2 Die ESTV vollzieht die Amtshilfe, die in ihren Zuständigkeitsbereich gemäss Mehrwertsteuergesetz fällt, in analoger Anwendung der Artikel 115a­115i des Zollgesetzes. Dieser Verweis rechtfertigt sich dadurch, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine indirekte Steuer handelt. Die Bestimmungen des Zollgesetzes, welche die Amtshilfe insbesondere bei der Umsetzung des Betrugsbekämpfungsabkommens regeln, liegen aus diesem Grund näher als diejenigen des StAG, welches hauptsächlich auf die Amtshilfe bei direkten Steuern zugeschnitten ist.

2.7.4

Bundesgesetz vom 17. Dezember 200434 zum Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft

Art. 16 Die Bestimmungen des Zinsbesteuerungsabkommens35 über den Informationsaustausch (Art. 10) wurden bisher in den Artikeln 16­24 des Zinsbesteuerungsgesetzes ausgeführt. Mit der Einführung des StAG kann die Amtshilfe nach dem Zinsbesteuerungsabkommen den Bestimmungen des StAG unterstellt werden.

Art. 17­24 Durch die Unterstellung der Amtshilfe nach dem Zinsbesteuerungsabkommen unter das StAG sind diese den Informationsaustausch ausführenden Bestimmungen aufzuheben.

2.7.5

Titel

Bundesbeschluss vom 22. Juni 195136 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Bundesgesetz über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist allgemeinverbindlich. Die neue Bundesverfassung37 hat diese Erlassform abgeschafft.

Deshalb wird den eidgenössischen Räten die Umwandlung des Bundesbeschlusses in ein Bundesgesetz über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beantragt.

34 35 36 37

SR 641.91 SR 0.641.926.81 SR 672.2 SR 101

6229

Art. 2 Abs. 1 Bst. d Gemäss Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesbeschlusses fällt die Regelung des Verfahrens, das bei einem Austausch von Meldungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu befolgen ist, in die Zuständigkeit des Bundesrates. Mit Erlass des StAG, dessen Gegenstand nach Artikel 1 der organisatorische Vollzug der Amtshilfe ist, wird diese Bestimmung hinfällig und ist aufzuheben.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage weist im Vergleich zu der am 1. Oktober 2010 in Kraft getretenen ADV hinsichtlich der Organisation der Amtshilfe keine ins Gewicht fallenden Änderungen auf. Entsprechend sind keine zusätzlichen finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt zu erwarten. Unabhängig von dieser Vorlage ist jedoch zu bemerken, dass bei einer grossen Zunahme der von ausländischen Staaten oder von der Schweiz gestellten Amtshilfeersuchen die bei der ESTV vorhandenen Ressourcen ungenügend sein könnten.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Es sind nur geringfügige finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone zu erwarten.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Das StAG schafft für den Anwendungsbereich des Gesetzes eine klare und transparente Regelung des Amtshilfevollzugs. Die Vorlage bringt damit Rechtssicherheit, was vom Ausland und von den durch Amtshilfe tangierten Personen und Institutionen positiv beurteilt werden dürfte. Die Erhöhung der Rechtssicherheit könnte weiter zu einem Zufluss an ausländischen Vermögen führen. Stabile rechtliche Rahmenbedingungen sind ein ausschlaggebender Faktor in jedem wirtschaftlichen Entscheidfindungsprozess und damit zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.

Durch die Inkraftsetzung des StAG wird dem Ausland gegenüber signalisiert, dass die Schweiz die Übernahme des Standards nach Artikel 26 OECD-MA bei der Amtshilfe in Steuersachen effektiv umsetzt. Die Inkraftsetzung des StAG stellt ferner eine wichtige Massnahme zur Umsetzung der Vierten Stossrichtung der Finanzmarktpolitik des Bundesrates: «Sicherstellung der Integrität des Finanzplatzes» dar, denn die Rechtssicherheit im Vollzug der Amtshilfe trägt zur Integrität des Finanzplatzes bei. Dies wiederum stärkt das Vertrauen insbesondere von Bankkundinnen und -kunden in den Schweizer Finanzplatz, erhöht aber in erster Linie die Akzeptanz des Finanzplatzes im internationalen Umfeld.

Neben den Auswirkungen, die mit dem Erlass des StAG zusammenhängen, ist an die volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu denken, die sich aus der Revision bestehender bzw. dem Erlass neuer DBA infolge der Übernahme des Standards von 6230

Artikel 26 OECD-MA ergeben haben oder noch ergeben werden. Diese Auswirkungen sind bedeutender und weitgreifender als die vorgehend umschriebenen. Sie sind aber in einer der Ausarbeitung des StAG vorgelagerten Phase ausgelöst worden und stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Vorlage, weshalb nicht weiter darauf eingegangen wird.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200838 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200839 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Der Grund dafür ergibt sich aus der Tatsache, dass das vorliegende Gesetz mit der im Frühjahr 2009 vom Bundesrat beschlossenen Übernahme des Standards nach Artikel 26 OECD-MA und der darauf folgenden Anpassung bestehender bzw. dem Abschluss neuer DBA notwendig wurde.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Das StAG stützt sich auf Artikel 173 Absatz 2 BV. Es regelt den landesrechtlichen Vollzug der Amtshilfe nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen. Das Gesetz strebt eine einheitliche Verfahrensregelung an, indem es insbesondere festlegt, dass die ESTV die Amtshilfe aufgrund ausländischer Ersuchen vollzieht und die schweizerischen Ersuchen stellt. Weiter enthält es die Anforderungen an ein Ersuchen und definiert, von wem und mit welchen Massnahmen ­ einschliesslich Zwangsmassnahmen ­ die verlangten Informationen zu beschaffen sind, wer über das hängige Ersuchen zu informieren ist und wem ein Mitwirkungsrecht zukommt. Schliesslich regelt es das Beschwerdeverfahren.

Dem Bund steht gestützt auf Artikel 129 Absatz 2 BV die Kompetenz zur Steuerharmonisierung zu. Diese Kompetenz bezieht sich allerdings auf die direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden (Art. 129 Abs. 1 BV). Daher ist für den vorliegenden Entwurf nicht diese Bestimmung, sondern Artikel 173 Absatz 2 BV heranzuziehen, wonach die Bundesversammlung Geschäfte behandelt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen und keiner anderen Behörde zugewiesen sind. Da die landesrechtliche Regelung des Vollzugs der internationalen Amtshilfe im Steuerbereich zwischen Staaten nicht in die Gesetzgebungskompetenz der Kantone oder einer anderen Bundesbehörde fällt, ist die Abstützung auf Artikel 173 Absatz 2 BV gerechtfertigt.

38 39

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

6231

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Nach Artikel 18 Absatz 3 StAG präzisiert der Bundesrat die Voraussetzungen, unter welchen die Kosten ganz oder teilweise der betroffenen Person oder der Informationsinhaberin oder dem Informationsinhaber in Rechnung gestellt werden können.

Diese Delegation entspricht der allgemeinen Vorgehensweise in Gebührenfragen.

6232