zu 10.052 Zusatzbotschaft zur Änderung des Asylgesetzes (Kurzfristige Massnahmen) vom 23. September 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Zusatzbotschaft unterbreiten wir Ihnen in Ergänzung der Botschaft vom 26. Mai 2010 Anträge zu einer weiteren Änderung des Asylgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. September 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-1593

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Übersicht Die Verfahrensabläufe im Asylbereich sollen vereinfacht und beschleunigt werden, und der Rechtsschutz soll punktuell verbessert werden. Diese Vorlage enthält diejenigen Massnahmen, die kurzfristig umsetzbar sind und daher in die laufende Asylgesetzrevision integriert werden sollen.

Ausgangslage Am 26. Mai 2010 hat der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) verabschiedet. Die Vorlage befindet sich zurzeit in parlamentarischer Beratung im Ständerat. Am 23. November 2010 hat die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) beschlossen, auf die Vorlage einzutreten.

Gleichzeitig wurde das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, einen ergänzenden Bericht über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich zu verfassen.

Das Hauptziel der laufenden Revision des AsylG, die heutigen komplizierten und unübersichtlichen Verfahrensabläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird von der SPK-S grundsätzlich begrüsst. Sie ist jedoch der Ansicht, dass die vorgesehenen Verbesserungen das grundlegende Problem der zu langen Verfahren nicht lösen. Auch bei der Frage des Rechtsschutzes für Asylsuchende sieht die SPK-S noch Diskussionsbedarf. Vor diesem Hintergrund wurde das EJPD beauftragt, in einem Bericht weitergehende Handlungsoptionen insbesondere für eine markante Reduktion der Verfahrensdauer aufzuzeigen. Der Bericht wurde an der Sitzung der SPK-S vom 9. Mai 2011 besprochen.

Der Bericht des EJPD über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich bestätigt die These, wonach das Hauptproblem im Asylbereich bei den langen Verfahren liegt. Er enthält verschiedene Handlungsoptionen mit dem Ziel, die Verfahren markant zu beschleunigen. Kernstück des Berichts bildet die Handlungsoption 1, wonach längerfristig eine überwiegende Mehrheit der Asylverfahren in Bundeszentren rasch durchgeführt werden soll. Dazu gehört auch ein umfassender Rechtsschutz. Im Bericht werden zudem kurzfristige Massnahmen (Handlungsoption 3) aufgeführt. Auch diese dienen der Beschleunigung der erstinstanzlichen Verfahren und der Stärkung des Rechtsschutzes.

Die SPK-S hat sich anlässlich ihrer Sitzung vom 9. Mai 2011 einstimmig dafür ausgesprochen, die Handlungsoption 1 weiterzuverfolgen und die Handlungsoption 3 als sinnvolle Ergänzung in die laufende Revision des AsylG
einfliessen zu lassen.

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 6. Juni 2011 das EJPD beauftragt, bis Ende September 2011 eine Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des AsylG zu unterbreiten. Die vorliegende Zusatzbotschaft enthält die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen.

Vom 7. Juli 2011 bis zum 4. August 2011 hat das EJPD ein Anhörungsverfahren durchgeführt.

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Inhalt der zusätzlichen Änderungen des AsylG Neu soll im Rahmen des Asylverfahrens eine Vorbereitungsphase eingeführt werden.

Während dieser Phase sollen möglichst alle für die Behandlung des Asylgesuches notwendigen Vorabklärungen getroffen werden, damit das Asylverfahren rasch durchgeführt werden kann. Insbesondere soll die Anfrage beim zuständigen DublinStaat zur Aufnahme oder Wiederaufnahme einer betroffenen Person neu in der Regel bereits in der Vorbereitungsphase eingereicht werden.

Neu sollen sich Asylsuchende mit einer verfahrensrelevanten gesundheitlichen Beeinträchtigung in den Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) durch vom Bund beauftragtes medizinisches Fachpersonal kostenlos untersuchen lassen können.

Allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen müssen spätestens bei der Anhörung zu den Asylgründen geltend gemacht werden, wenn diese der betroffenen Person bekannt und für das Asyl- und Wegweisungsverfahren relevant sind. Später geltend gemachte gesundheitliche Beeinträchtigungen sollen im Asyl- und Wegweisungsverfahren nur noch dann berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person diese nachweisen kann.

Im Beschwerdeverfahren sind punktuelle Verbesserungen des Rechtsschutzes vorgesehen. So soll eine amtliche Verbeiständung (unentgeltliche Rechtsvertretung) vorgesehen werden, wenn die betroffene Person mittellos und die Beschwerde nicht aussichtslos ist. Auf die heute bestehende Voraussetzung der Notwendigkeit der Rechtsvertretung soll verzichtet werden. Von dieser Erleichterung ausgenommen sind insbesondere Beschwerden im Rahmen eines Dublin-Verfahrens sowie eines Wiedererwägungs- und Mehrfachverfahrens. Zudem sollen in allen Beschwerdeverfahren neben Anwältinnen und Anwälten auch Personen mit einem universitären juristischen Hochschulabschluss, die beruflich mit der Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befasst sind, die amtliche Verbeiständung ausüben können. Neu sollen der betroffenen Person zudem die Verfahrensakten von Amtes wegen gleichzeitig mit der Eröffnung des Asylentscheides zugestellt werden, wenn mit dem Entscheid der Vollzug der Wegweisung angeordnet wird. Bisher wird dies nur bei Nichteintretensverfahren und im Verfahren am Flughafen gemacht.

Um die Verfahrensabläufe zu vereinfachen, soll schliesslich zwischen dem EJPD und dem Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ein regelmässiger Informationsaustausch über die Koordination und die administrativen Abläufe von erst- und zweitinstanzlichen Verfahren durchgeführt werden.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Laufende Revision des AsylG und Auftrag der Staatspolitischen Kommission des Ständerates (SPK-S)

Am 26. Mai 2010 hat der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) verabschiedet.1 Die Vorlage befindet sich zurzeit in parlamentarischer Beratung im Ständerat. Im Rahmen der Eintretensdebatte der Staatspolitischen Kommission des Ständerates (SPK-S) vom 23. November 2010 wurde festgestellt, dass die Behandlung aller Asylgesuche in den letzten drei Jahren vom Eingang des Asylgesuchs bis zu einem rechtskräftigen Asylentscheid durchschnittlich 413 Tage dauerte. Werden nur diejenigen Fälle betrachtet, in denen eine Beschwerde eingereicht wurde, so waren es durchschnittlich 756 Tage.

Das Hauptziel der Revision des AsylG, die heutigen komplizierten und unübersichtlichen Verfahrensabläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird von der SPK-S begrüsst. Sie ist jedoch der Ansicht, dass die vorgesehenen Verbesserungen das grundlegende Problem der zu langen Verfahren im Asylbereich nicht lösen.

Auch bei der Frage des Rechtsschutzes für Asylsuchende sieht die SPK-S noch Diskussionsbedarf.

Am 23. November 2010 hat die SPK-S beschlossen, auf die Vorlage einzutreten.

Gleichzeitig wurde das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, einen ergänzenden Bericht über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich zu verfassen und neue, weitergehende Handlungsoptionen für eine markante Reduktion der Verfahrensdauern aufzuzeigen.

Bei der Ausarbeitung des Berichtes2 wurde das Bundesamt für Migration (BFM) vom erweiterten Fachausschuss «Asylverfahren und Unterbringung» begleitet. In diesem Fachausschuss waren die Kantone (v.a. Konferenz der kantonalen Justizund Polizeidirektorinnen und -direktoren, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden) sowie die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) und die Bundesverwaltung (Bundesamt für Justiz, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) vertreten.

1 2

BBl 2010 4455 www.bfm.admin.ch/content/dam/data/migration/rechtsgrundlagen/ gesetzgebung/asylg-aug/ersatz-nee/ber-beschleunig-asyl-d.pdf

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1.1.2

Wesentlicher Inhalt des Berichtes über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich

Der Bericht über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich bestätigt die These, wonach das grundsätzliche Problem im Asylbereich bei der durchschnittlich zu langen Dauer zwischen der Einreise und der Asylgewährung, einer vorläufigen Aufnahme oder dem Vollzug der Wegweisung bei ablehnendem Entscheid liegt.

Unter Berücksichtigung der ordentlichen und ausserordentlichen Verfahren und des Wegweisungsvollzugs beträgt die Gesamtdauer ab Einreichung des Asylgesuchs bis zur Ausreise aus der Schweiz oder bis zu einer Aufenthaltsregelung (vorläufige Aufnahme oder ausländerrechtliche Regelung) für abgewiesene Asylsuchende in den Jahren 2008­2010 rund 1400 Tage. Diese lange Verfahrensdauer erschwert einen allfälligen Vollzug der Wegweisung in den Herkunftsstaat. Zudem ändert sich in vielen Fällen im Laufe dieser langen Verfahren die ursprünglich geltend gemachte Verfolgungssituation, was beim BFM und beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) einen erheblichen Zusatzaufwand auslöst.

Die durchschnittliche Dauer bis zu einem positiven Asylentscheid ist ebenfalls zu lang: Sie betrug für die Jahre 2008­2010 336 Tage. Diese lange Dauer wirkt sich oftmals negativ auf die Integration der Betroffenen aus und kann zu hohen Folgekosten im Bereich der Sozialhilfe führen.

Die bisherigen Verbesserungs- und Beschleunigungsvorschläge im Rahmen diverser Gesetzesrevisionen enthielten zwar Lösungsansätze, die in die richtige Richtung zielten. Diese orientierten sich jedoch noch weitgehend an den gegebenen Strukturen, weshalb sie keine grundlegenden Verbesserungen im Asylbereich zu bewirken vermochten.

Ein Vergleich der Asylsysteme in den Niederlanden, Norwegen sowie Grossbritannien zeigt, dass sich diese durch eine klare und zeitlich eng verknüpfte Strukturierung der einzelnen Verfahrensschritte sowie durch kurze und verbindliche Behandlungsfristen auszeichnen. Kennzeichnend für die untersuchten Systeme ist ferner eine örtlich nahe und kooperative Zusammenarbeit aller an einem Verfahren beteiligten Akteure sowie eine professionelle Betreuung der Asylsuchenden. Dazu gehört auch ein umfassender Rechtsschutz, der eine wichtige Grundlage für rasche und faire Verfahren bildet.

Vor dem Hintergrund dieses Ländervergleichs werden im Bericht drei mögliche Handlungsoptionen aufgezeigt. Sie haben das Ziel, unter Wahrung der verfassungsund
völkerrechtlichen Verfahrensgarantien die Asylverfahren zu beschleunigen.

1. Handlungsoption: Neustrukturierung des Asylbereichs durch die Schaffung von Verfahrenszentren des Bundes Bei einer überwiegenden Mehrheit der Asylverfahren sind nach der Anhörung zu den Asylgründen keine weiteren Abklärungen erforderlich. Sie sollen nach einer Vorbereitungsphase in einem ordentlichen, wenige Tage dauernden erstinstanzlichen Verfahren abgeschlossen werden. Die Betroffenen sollen für die Dauer des ordentlichen Verfahrens in Verfahrenszentren des Bundes (nachfolgend Bundeszentren) untergebracht werden. Vor Beginn des eigentlichen Asylverfahrens soll eine Vorbereitungsphase durchgeführt werden. Diese ermöglicht es, alle zur Eröffnung und Durchführung eines Asylverfahrens notwendigen Vorabklärungen unmittelbar nach Eintritt der asylsuchenden Person in das Bundeszentrum durchzuführen. Die Asyl7329

suchenden erhalten während des gesamten Verfahrens einen umfassenden und unentgeltlichen Rechtsschutz (Rechtsbeistand). Nach einer Ablehnung des Asylgesuchs sollen die Betroffenen in den Bundeszentren intensiv auf eine freiwillige Rückkehr vorbereitet werden. Nach Ablauf der Ausreisefrist, und wenn die Betroffenen bezüglich ihrer Rückkehr nicht mit den Behörden kooperieren, sollen diese Personen von den Bundeszentren ausgeschlossen werden und keine Sozialhilfe mehr erhalten. Sowohl beim BFM als auch beim BVGer werden kurze und verbindliche Behandlungsfristen vorgesehen. Sind weitere Abklärungen erforderlich, findet ein erweitertes Verfahren statt, und es erfolgt weiterhin eine Zuweisung an die Kantone.

2. Handlungsoption: Umfassende Zuständigkeit des Bundes für den Asylbereich Zusätzlich zur ersten Handlungsoption soll der Bund neu auch für die Unterbringung in den erweiterten Verfahren sowie für den Wegweisungsvollzug nach Ablehnung eines Asylgesuchs zuständig sein.

3. Handlungsoption: Kurzfristige Massnahmen Die heute bestehenden Strukturen und Kompetenzen sollen grundsätzlich beibehalten werden. Doch sollen in Einzelbereichen Verbesserungen vorgenommen werden.

Vor dem eigentlichen Asylverfahren soll wie in den Handlungsoptionen 1 und 2 eine Vorbereitungsphase vorgesehen werden. Durch die Zusammenlegung gewisser Verfahrensschritte soll das erstinstanzliche Asylverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Mit Verwaltungsverordnungen oder Weisungen sollen konkrete zeitliche Zielvorgaben für die Behandlung von Asylgesuchen in erster und zweiter Instanz festgelegt werden. Der Vollzug von Wegweisungen ab den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes (EVZ) soll optimiert werden. Dublin-Verfahren sollen nach Möglichkeit bereits in den EVZ abgeschlossen werden. Um die administrativen Abläufe zu vereinfachen, sollen zudem Vereinbarungen über die Priorisierung von Beschwerdeentscheiden zwischen dem EJPD und dem BVGer getroffen werden können. Schliesslich soll der Rechtsschutz von Asylsuchenden punktuell verbessert werden.

Das EJPD empfiehlt die Weiterverfolgung der Handlungsoptionen 1 und 3. Es erachtet eine vollständig zentralistische Lösung (Handlungsoption 2) aus finanziellen und föderalistischen Gründen als nicht opportun.

1.1.3

Beschluss der SPK-S

Die SPK-S hat anlässlich ihrer Sitzung vom 9. Mai 2011 festgehalten, dass der Bericht ihrem Auftrag entspricht. Sie möchte erreichen, dass künftig möglichst viele Asylverfahren in Bundeszentren erheblich schneller als bisher abgewickelt werden können. Die SPK-S unterstützt die Handlungsoption 1. Zudem möchte die Kommission die im Bericht vorgeschlagenen kurzfristigen Massnahmen in die laufende Asylgesetzrevision aufnehmen (Handlungsoption 3). Die Kommission hat dieses Vorgehen einstimmig beschlossen.

Die SPK-S hat weiter beschlossen, den hängigen Erlassentwurf zur Revision des AsylG in zwei Erlassentwürfe aufzuteilen und diese zeitlich gestaffelt zu beraten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht soll dabei so vorgegangen werden, dass der hängige Erlassentwurf der Revision des AsylG an den Bundesrat zurückgewiesen werden 7330

soll mit dem Auftrag, einen neuen Erlassentwurf zu unterbreiten, der die Handlungsoption 1 umsetzt. Dabei sollen insbesondere die Beschwerdefristen sowie der Rechtsschutz neu geregelt werden. Davon betroffen sind namentlich die vorgeschlagene Beitragsleistung des Bundes an eine Verfahrens- und Chancenberatung (vgl.

Art. 17 Abs. 4 und 94 AsylG) sowie die Herabsetzung der Beschwerdefristen (vgl.

Art. 108 AsylG).

Bis Ende September 2011 sollen zudem in einer Zusatzbotschaft Vorschläge zur Umsetzung der kurzfristigen Massnahmen (Handlungsoption 3) gemäss Bericht vorgelegt werden, die über die hängige Vorlage hinausgehen. Die mit dieser Zusatzbotschaft unterbreiteten Anträge sollen zusammen mit denjenigen Teilen des hängigen Erlassentwurfs der Revision AsylG, die in keinem Zusammenhang mit der Handlungsoption 1 stehen, im Oktober 2011 in der SPK-S weiterberaten werden.

1.1.4

Weiteres Vorgehen

Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 ist der Bundesrat dem Entscheid der SPK-S gefolgt.

Er hat das EJPD beauftragt, die finanziellen, organisatorischen, rechtlichen und politischen Konsequenzen der Handlungsoption 1 des Berichtes vertieft zu prüfen.

Eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage zur Änderung des Asylgesetzes soll wenn möglich bis Ende 2012 dem Bundesrat unterbreitet werden.

Ferner hat der Bundesrat das EJPD beauftragt, bis Ende September 2011 eine Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des AsylG zu unterbreiten, mit der die Handlungsoption 3 (kurzfristige Massnahmen) umgesetzt werden soll. Die vorliegende Zusatzbotschaft enthält die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen.

Vom 7. Juli 2011 bis zum 4. August 2011 hat das EJPD ein Anhörungsverfahren zur vorliegenden Zusatzbotschaft durchgeführt (siehe dazu Ziffer 1.3).

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Einführung einer Vorbereitungsphase

Mit der Einreichung des Asylgesuches beginnt eine Vorbereitungsphase, während der möglichst alle zur Durchführung eines Asylverfahrens entscheidrelevanten Vorabklärungen unmittelbar nach Eintritt in das EVZ durchgeführt werden sollen (Art. 26 AsylG). Die Vorbereitungsphase soll auch dazu dienen, die spätere Anhörung zu den Asylgründen besser organisieren zu können. Sie soll maximal drei Wochen dauern. Während dieser Zeit sollen insbesondere die Personendaten der Betroffenen aufgenommen und registriert werden. Ferner sollen die Identität, die vorgelegten Beweismittel sowie die Reise- und Identitätsdokumente überprüft und weitere identitäts- und herkunftsspezifische Abklärungen getroffen werden. Neu soll beim zuständigen Dublin-Staat zudem eine allfällige Anfrage zur Aufnahme oder Wiederaufnahme einer betroffenen Person in der Regel bereits in der Vorbereitungsphase eingereicht werden. Dies bedingt allerdings eine Erhöhung der entsprechenden Unterbringungskapazitäten in den EVZ (vgl. Ziffer 3.1).

Um das Asylverfahren rasch durchführen zu können, sollen diese wichtigen Informationen den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BFM bei der 7331

Behandlung des Asylgesuches im Sinn einer professionellen und umfassenden Unterstützung bereits zu Beginn des Verfahrens zur Verfügung stehen. Das BFM kann in der Vorbereitungsphase Dritte mit administrativen Aufgaben betrauen. Mit der Vorbereitungsphase soll erreicht werden, dass die Asylverfahren rascher und effizienter durchgeführt werden.

1.2.2

Feststellung des medizinischen Sachverhaltes

Asylsuchende mit einer verfahrensrelevanten gesundheitlichen Beeinträchtigung sollen sich in den EVZ durch vom Bund beauftragtes medizinisches Fachpersonal untersuchen lassen können (Art. 26a AsylG). Diese Möglichkeit steht den Betroffenen kostenlos zur Verfügung. Allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen, die der betroffenen Person bekannt und für das Asyl- und Wegweisungsverfahren relevant sind, müssen unmittelbar nach Einreichung des Asylgesuches geltend gemacht werden, spätestens jedoch bei der Anhörung zu den Asylgründen oder der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Später geltend gemachte gesundheitliche Beeinträchtigungen sollen im Asyl- und Wegweisungsverfahren nur noch dann berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person diese nachweisen kann. Die blosse Glaubhaftmachung genügt nicht. Allerdings muss stets den konkreten Umständen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Ziel der vorgeschlagenen Änderung ist es, dass nachgeschobene, unbegründete medizinische Vorbringen nicht mehr berücksichtigt werden. Damit kann erreicht werden, dass der Vollzug der Wegweisung nur noch in begründeten Fällen zugunsten einer vorläufigen Aufnahme aus medizinischen Gründen aufgeschoben wird.

1.2.3

Massnahmen für einen verbesserten Rechtsschutz

Wie bereits ausgeführt, soll der hängige Erlassentwurf der Revision des AsylG3 gemäss Beschluss der SPK-S an den Bundesrat zurückgewiesen werden mit dem Auftrag, einen neuen Erlassentwurf zu unterbreiten, der die Handlungsoption 1 umsetzt. Dabei sollen insbesondere die Beschwerdefristen sowie der Rechtsschutz umfassend neu geregelt werden.

Bis zu einer neuen Regelung soll jedoch der Rechtsschutz der Asylsuchenden bereits im Rahmen der laufenden Revision punktuell verstärkt werden (vgl. Ziffer 1.1.3, siehe auch Bericht über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich, Handlungsoption 3).

Im Beschwerdeverfahren soll amtlich verbeiständet werden, wer mittellos ist, wenn die Beschwerde nicht aussichtslos ist (Art. 110a AsylG). Auf die heute geltende zusätzliche Voraussetzung der Notwendigkeit der Rechtsvertretung (vgl. Art. 65 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 19684, VwVG) soll verzichtet werden. Davon ausgenommen sind insbesondere Beschwerden im Rahmen eines Dublin-Verfahrens sowie eines Wiedererwägungs- und Mehrfachverfahrens. In solchen Verfahren wird die unentgeltliche Rechtsvertretung weiterhin nur gewährt, wenn sie im Sinn von Artikel 65 Absatz 2 VwVG notwendig ist.

3 4

Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 2010 4455 SR 172.021

7332

Zudem sollen in allen Beschwerdeverfahren neben Anwältinnen und Anwälten auch Personen mit einem universitären juristischen Hochschulabschluss, die beruflich mit der Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befasst sind, die amtliche Verbeiständung ausüben können (vgl. demgegenüber Art. 65 Abs. 2 VwVG). Dies hat den Vorteil, dass die mit der Rechtsberatung betrauten Juristinnen und Juristen ohne Anwaltspatent Asylsuchende auch im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege in Verfahren vor dem BVGer vertreten können.

Da mit einer amtlichen Verbeiständung höhere Anforderungen an die Einhaltung von Formvorschriften gestellt werden können, kann das Beschwerdeverfahren insgesamt entlastet werden. Die für die amtliche Verbeiständung zugelassenen Personen haben vertiefte Kenntnisse über das Asylverfahren, was zu einer besseren Qualität der Rechtsschriften führt. Auch in anderen Rechtsgebieten ­ vor allem im Strafrecht ­ werden insgesamt positive Erfahrungen mit der amtlichen Verbeiständung gemacht.

Des Weiteren soll eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, wonach die Akten den Asylsuchenden von Amtes wegen zusammen mit dem ablehnenden Asylentscheid zugestellt werden (Art. 17 Abs. 5 AsylG). Bisher wird dies nur bei Nichteintretensverfahren und im Verfahren am Flughafen gemacht.

1.2.4

Informationsaustausch zur Vereinfachung der administrativen Abläufe zwischen dem EJPD und dem BVGer

Im Bericht des EJPD über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich vom März 2011 wird festgestellt, dass die Asylverfahren zu lange dauern (vgl. S. 13 ff.). Die lange Verfahrensdauer betrifft sowohl das erstinstanzliche Verfahren als auch das Beschwerdeverfahren. Eine der Ursachen für die lange Verfahrensdauer ist, dass kein regelmässiger Informationsaustausch zwischen dem BVGer und dem BFM hinsichtlich einer Koordination erst- und zweitinstanzlicher Verfahren besteht. Dies gilt auch für die administrativen Abläufe. Um einen reibungslosen Verfahrensablauf insbesondere auch in Zeiten hoher Gesuchseingänge sicherzustellen, sind solche regelmässigen gegenseitigen Informationen sinnvoll und notwendig. Aus diesem Grund soll zwischen dem EJPD und dem BVGer ein regelmässiger Informationsaustausch über die Priorisierung und die administrativen Abläufe von erst- und zweitinstanzlichen Verfahren stattfinden (vgl. Art. 109a AsylG). Indem die administrativen Abläufe des BFM und des BVGer aufeinander abgestimmt werden, kann das Verfahren beschleunigt werden.

Da dieser gegenseitige Austausch zu keinen Verpflichtungen führt und lediglich administrative Fragen betrifft, bleibt die verfassungsmässige richterliche Unabhängigkeit des BVGer weiterhin vollumfänglich gewährleistet.

7333

1.3

Ergebnisse der Anhörung und Haltung des Bundesrates

1.3.1

Ausgangslage

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens vom 7. Juli 2011 bis 4. August 2011 wurden folgende Vorschläge zur Stellungnahme unterbreitet: Die Einführung einer Vorbereitungsphase (Art. 26 AsylG), eine medizinische Untersuchung in den Empfangs- und Verfahrenszentren (Art. 26a AsylG), punktuelle Verbesserungen des Rechtsschutzes (Wegfall der Voraussetzung der Notwendigkeit bei der unentgeltlichen Rechtsvertretung im Beschwerdeverfahren sowie Zulassung auch von Juristinnen und Juristen ohne Anwaltspatent zur amtlichen Verbeiständung, Art. 110a AsylG) sowie Absprachen zwischen dem EJPD und dem BVGer zur Vereinfachung der administrativen Abläufe (Art. 109a AsylG).

Insgesamt sind 37 Stellungnahmen eingegangen. Neben den Kantonen und den direkt angeschriebenen Fachgremien (BVGer, UNHCR5, SFH, santésuisse, FMH6, Schweizerischer Anwaltsverband) haben sich weitere Organisationen und politische Parteien geäussert.

1.3.2

Allgemeine Bemerkungen

Die grosse Mehrheit der Kantone begrüsst die Bestrebungen des Bundes, das Asylverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Teilweise wird in Frage gestellt, ob die vorgeschlagenen Massnahmen die Probleme im Asylbereich effektiv zu lösen vermögen (z.B. GR, ZH). Zudem dürften die Beschleunigungsvorschläge im Asylverfahren nicht zu Lasten der Kantone gehen (z.B. GE, LU, TG und sinngemäss SH sowie SO). Einige Kantone machen geltend, dass die vorgeschlagenen Massnahmen im Rahmen der Umsetzung der längerfristigen Handlungsoption 1 (Durchführung rascher Asylverfahren in Bundeszentren) sinnvoll sind (z.B. sinngemäss GR, SZ).

Vereinzelt erfolgt auch der Hinweis, dass die Vorschläge die Probleme beim Wegweisungsvollzug nicht zu lösen vermögen (FR, GE, SZ, SH, NE, SO). Sowohl die FDP.Die Liberalen (FDP) als auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) lehnen die Vorschläge ab. Diese seien nicht geeignet, die komplizierten Verfahrensabläufe zu vereinfachen und die Verfahren zu verkürzen. Die SVP verlangt unter anderem eine Beschränkung der Beschwerdemöglichkeiten. Sie betont, dass die Schweiz ihre Ressourcen auf echte Flüchtlinge beschränken müsse. Die FDP vertritt die Auffassung, dass sich die gewünschte Beschleunigung ohne Gesetzesänderung realisieren lasse und verweist auf ihre eigenen Vorschläge. Die Grüne Partei der Schweiz (GPS) begrüsst einige der vorgeschlagenen Massnahmen, z.B. die Einführung einer Vorbereitungsphase, stellt sich jedoch kritisch zu den im Bericht des EJPD dargestellten Handlungsoptionen. Diese seien vom Wunsch geprägt, Asylsuchende abzuwehren.

SFH und UNHCR, das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) sowie weitere interessierte Kreise erklären sich teilweise mit den Vorschlägen einverstanden, lehnen jedoch einzelne Beschleunigungsmassnahmen, die ihrer Meinung nach die Rechte der Betroffenen einschränken würden, grundsätzlich ab.

5 6

Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees) Verbindung der Schweizerischen Ärztinnen und Ärzte

7334

1.3.3

Wichtigste Bemerkungen zu den Änderungsvorschlägen

1.3.3.1

Einführung einer Vorbereitungsphase

Eine überwiegende Mehrheit der Kantone ist mit der Einführung einer Vorbereitungsphase (Art. 26 AsylG) einverstanden. Auch GPS, SFH und UNHCR begrüssen den Vorschlag im Grundsatz. Einige der Befürworter äussern jedoch Zweifel an dessen Wirksamkeit (z.B. BE, sinngemäss auch FR und SFH). Es wird teilweise darauf hingewiesen, dass den Bedürfnissen von verletzlichen Personen in dieser Phase besonders Rechnung zu tragen sei (z.B. GPS, SFH, SRK). Zum Teil wird gefordert, dass Anhörungen im Rahmen von Dublin-Verfahren bereits in der Vorbereitungsphase durchgeführt werden sollen (z.B. BS, LU, VD).

Drei Kantone (AG, TG und ZH) sowie FDP und SVP lehnen den Vorschlag ab. Die bezweckte Verfahrensbeschleunigung könne bereits heute mit entsprechenden organisatorischen Massnahmen ohne Gesetzesänderungen erreicht werden. Teilweise werden Bedenken dagegen geäussert, dass bestimmte Aufgaben (z.B. erkennungsdienstliche Erfassung und Erstbefragung der Betroffenen) im Rahmen der Vorbereitungsphase an Dritte delegiert (Abs. 2ter) werden sollen (z.B. FDP, GPS, SFH, UNHCR). Auch wird eine flexiblere Regelung hinsichtlich der Dauer der Vorbereitungsphase verlangt (z.B. GPS, SFH und UNHCR, vgl. Art. 26 Abs. 1bis AsylG, maximal 3 Wochen), um zum Beispiel bei einem Anstieg der Asylgesuchszahlen flexibel reagieren zu können (z.B. FR, NE, GPS, SFH, UNHCR). Einige Anhörungsadressaten schlagen vor, nur noch eine Anhörung durchzuführen. Auf die zeitraubende zweistufige Befragung zur Person und die Anhörung zu den Asylgründen soll verzichtet werden (z.B. ZH, GPS, SFH, UNHCR).

Haltung des Bundesrates Die Delegation von Aufgaben des BFM an Dritte bedarf einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Art. 26 Abs. 2ter AsylG). Der Verständlichkeit halber ist es sinnvoll und notwendig, die Vorbereitungsphase und die in dieser Phase anfallenden Aufgaben im AsylG zu definieren. Die Vorbereitungsphase dient zur Aufbereitung der wichtigsten Informationen, damit diese bereits zu Beginn des Asylverfahrens vorliegen. Der Vorschlag dient der Beschleunigung des Asylverfahrens, da möglichst alle notwendigen Vorabklärungen in der Vorbereitungsphase durchgeführt werden sollen.

Im Dublin-Verfahren wird nur das rechtliche Gehör gewährt. Dies ist grundsätzlich auch in der Vorbereitungsphase möglich, wenn Hinweise auf die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates
vorliegen.

Die Durchführung nur einer Anhörung im Asylverfahren bedarf keiner Gesetzesanpassung, da es sich bei Artikel 26 Absatz 2 AsylG (Befragung in der Vorbereitungsphase) lediglich um eine Kann-Bestimmung handelt.

An der vorgeschlagenen Maximaldauer der Vorbereitungszeit von drei Wochen (Art. 26 Abs. 1bis AsylG) soll festgehalten werden; sie dient der Beschleunigung der Asylverfahren.

Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung handelt es sich um eine administrative Aufgabe zur Vorbereitung des Asylverfahrens, die Dritten übertragen werden kann 7335

und das BFM entlastet. Im Übrigen unterstehen die Dritten der gleichen Verschwiegenheitspflicht wie das Bundespersonal. Hingegen ist der Bundesrat damit einverstanden, dass die summarische Erstbefragung zur Person weiterhin durch das BFM durchgeführt wird. Es ist wichtig, dass diese Erstbefragung durch diejenige Instanz durchgeführt wird, die auch die erstinstanzliche Verfügung erlässt. Artikel 26 Abs. 2ter AsylG soll entsprechend angepasst werden. Im Rahmen der herkunfts- und identitätsspezifischen Abklärungen (Art. 26 Abs. 2 AsylG) können Dritte jedoch Informationen zur Identität und zum Reiseweg entgegennehmen.

1.3.3.2

Medizinische Untersuchung in den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes

Eine Mehrheit der Kantone, die Versicherungsgesellschaften Groupe Mutuel und Helsana sowie santésuisse sind mit dem Vorschlag der medizinischen Untersuchungen in den EVZ (Art. 26a AsylG) grundsätzlich einverstanden. Teilweise wird jedoch dessen Wirksamkeit in Frage gestellt (z.B. BS, FR, ZG). Groupe Mutuel, Helsana und santésuisse verlangen, dass alle mit der Abklärung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehenden medizinischen Untersuchungen und Behandlungen vom Bund bezahlt werden. Groupe Mutuel und Helsana schlagen vor, dass die Zuteilung auf die Versicherer dabei im Verhältnis des jeweiligen Marktanteils der Versicherer innerhalb des Kantons erfolgen soll.

ZH, OW, FDP und SVP lehnen den Vorschlag ab. Es sei unklar, wie damit eine Beschleunigung der Verfahren erreicht werden soll. Bereits heute könnten sich Asylsuchende bei fehlenden finanziellen Mitteln kostenlos medizinisch untersuchen lassen (ZH, FDP). Es sei fraglich, ob die zur Abklärung und Behandlung erforderlichen Fachärzte und Fachärztinnen insbesondere bei psychischen Problemen zur Verfügung stehen würden. Es sei davon auszugehen, dass der Vorschlag zu einer Verzögerung der Asylverfahren führen würde.

Die GPS, die SFH, das UNHCR sowie die FMH befürworten grundsätzlich die Möglichkeit einer frühzeitigen, kostenlosen medizinischen Untersuchung. Sie lehnen jedoch die vorgeschlagene Nachweispflicht bei nachträglichen medizinischen Vorbringen ab (vgl. Art. 26a Abs. 2 Vorentwurf AsylG) und fordern eine verfahrensunabhängige gesundheitliche Grundversorgung in den EVZ. Eine rechtliche Unterscheidung, wenn medizinische Vorbringen von einer nicht durch das BFM bezeichneten Fachperson festgestellt werden, sei abzulehnen. Medizinische Vorbringen sollten auch noch anlässlich der Anhörung zu den Asylgründen vorgebracht werden können. Schliesslich müsse die medizinische Versorgung durch fachlich qualifiziertes Personal wahrgenommen werden.

Haltung des Bundesrates Mit dem Vorschlag stehen bereits zu Beginn des Asylverfahrens die notwendigen medizinischen Informationen zur Verfügung. Dies ermöglicht es dem BFM, bereits am Anfang eines Asylverfahrens die notwendigen Schritte einzuleiten (z.B. medizinische Abklärungen im Herkunftsstaat, Einholen medizinischer Gutachten). Damit kann das Verfahren beschleunigt werden. Zudem können durch eine
geeignete Integration von medizinischen Untersuchungen nach Artikel 26a, grenzsanitarischen Massnahmen nach der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern 7336

vom 9. Dezember 20057 über grenzsanitätsdienstliche Massnahmen sowie der medizinischen Betreuung an den EVZ nach Artikel 5 der Verordnung des EJPD vom 24. November 20078 zum Betrieb von Unterkünften des Bundes im Asylbereich Synergien genutzt und der Unterhalt von medizinischen Parallelstrukturen vermieden werden.

Es ist nicht notwendig, eine verfahrensunabhängige Grundversorgung in den EVZ zu schaffen. Bereits heute ist die notwendige medizinische Betreuung sichergestellt.

An der vorgeschlagenen Nachweispflicht bei nachträglichen Vorbringen ist festzuhalten; das Erbringen eines Nachweises anstatt des blossen Glaubhaftmachens ist zumutbar, weil die Betroffenen sich jederzeit medizinisch untersuchen lassen können.

Es ist wichtig, dass das BFM das entsprechende medizinische Personal bezeichnet.

Dadurch kann ein besonderes, auf die spezifische Situation der Asylsuchenden angepasstes medizinisches Wissen aufgebaut werden. Zudem können asyl- und wegweisungsspezifische medizinische Vorbringen dadurch besser beurteilt werden.

Damit wird weder die Qualität der Behandlung noch die Unabhängigkeit der medizinischen Fachperson beeinträchtigt. Die Frage, wer die medizinische Erstkonsultation in den EVZ wahrnehmen soll (Ärztinnen und Ärzte oder Krankenpersonal), muss im Rahmen der Umsetzung gelöst werden. Am Vorschlag, dass bei Konsultation einer nicht vom BFM bezeichneten Fachperson höhere Beweisanforderungen gelten, soll festgehalten werden. Auch hier ist das Erbringen des Nachweises zumutbar. Zudem steht es den Betroffenen frei, eine vom BFM bezeichnete medizinische Fachperson zu konsultieren.

Der neue Artikel 26a AsylG regelt die Feststellung des medizinischen Sachverhalts und die entsprechende Beweiserhebung bei einer verfahrensrelevanten gesundheitlichen Beeinträchtigung. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Untersuchungskosten (Gutachten) stellen Verfahrenskosten dar und werden vom BFM getragen. Machen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine medizinische Behandlung notwendig, so sind die Behandlungskosten wie bisher über das Krankenversicherungsgesetz (Art. 25 des Bundesgesetzes vom 18. März 19949 über die Krankenversicherung, KVG) abzuwickeln.

Der Vorschlag einer Zuteilung der Asylsuchenden auf die Versicherer nach ihrem Marktanteil würde voraussetzen, dass dieser jederzeit bekannt ist. Den
Kantonen entstünde ein erheblicher und unverhältnismässiger Verwaltungsaufwand, da sie mit mehreren Versicherern Verträge abschliessen müssten. Der Vorschlag würde im Übrigen dem geltenden Artikel 82a AsylG widersprechen, wonach die Wahl des Versicherers für Asylsuchende eingeschränkt werden kann. Hingegen erachtet der Bundesrat das Anliegen, wonach medizinische Vorbringen auch noch während der Anhörung zu den Asylgründen zu beachten seien, als gerechtfertigt. Artikel 26a Absatz 1 AsylG soll entsprechend angepasst werden. Es ist sicherzustellen, dass die Anhörung zu den Asylgründen in der Praxis möglichst rasch nach Einreichung des Asylgesuches durchgeführt wird. Der Klarheit halber soll zudem der Titel von Artikel 26a AsylG in «Feststellung des medizinischen Sachverhalts» umgeändert werden (ursprünglich «medizinische Untersuchung»). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um medizinische Abklärungen im Rahmen des Asylver7 8 9

SR 818.125.11 SR 142.311.23 SR 832.10

7337

fahrens handelt und die notwendige medizinische Behandlung bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen im bisherigen Rahmen durchgeführt werden sollen (vgl. hierzu auch Art. 80 Abs. 2 AsylG). Zudem soll Artikel 26a AsylG neu in drei Absätze gegliedert werden.

1.3.3.3

Massnahmen für einen verbesserten Rechtsschutz

Der Vorschlag, auf das Erfordernis der Notwendigkeit bei der Gewährung der unentgeltlichen Rechtsvertretung zu verzichten und auch Juristinnen und Juristen ohne Anwaltspatent zuzulassen (Art. 110a AsylG), wird von einer Mehrheit der Kantone, der SFH und dem UNHCR begrüsst. Teilweise äussern sie jedoch Bedenken darüber, ob damit die Beschwerdeverfahren effektiv beschleunigt werden können (z.B. FR, TG, SO). Befürchtet wird zum Teil auch, dass der Vorschlag zu hohen Folgekosten führen würde (z.B. FR). Teilweise wird die Definition für Personen, die zur amtlichen Verbeiständung zugelassen werden sollen (Art. 110a Abs. 2 Vorentwurf AsylG), als zu unpräzise erachtet (z.B. FR, sinngemäss BVGer). Die entsprechenden Fähigkeiten sollten in der Gerichtspraxis einfach überprüft werden können (z.B. BVGer).

Die Kantone BE, GR, OW, SZ und ZH sowie die FDP und SVP lehnen den Vorschlag ab. Er verursache Mehrkosten für die Verbeiständung und trage dazu bei, die Asylverfahren durch vermehrte Beschwerdeeingaben zusätzlich zu verzögern (sinngemäss auch BVGer). Nach Meinung insbesondere der FDP führt die Massnahme zu einer unnötigen Privilegierung von Asylsuchenden im Beschwerdeverfahren. Problematisch sei zudem, dass nicht anwaltliche Rechtsvertreter und Rechtsvertreterinnen an keine Standesregeln gebunden seien (SVP, BVGer).

Das BVGer erhofft sich eine Entlastung im Beschwerdeverfahren aufgrund besserer Rechtsschriften. Auch in anderen Gebieten des öffentlichen Rechts seien mit der amtlichen Verbeiständung gute Erfahrungen gemacht worden. Im Gesetzesvorschlag fehle jedoch eine Präzisierung zum Geltungsbereich. Mit der vorgeschlagenen Formulierung würde dieser auf sämtliche Beschwerdeverfahren Anwendung finden (zum Beispiel auch auf Beschwerden im Rahmen von Wiedererwägungs- und Revisionsverfahren).

Der Vorschlag, den Betroffenen die Verfahrensakten gleichzeitig mit der Eröffnung eines ablehnenden Asylentscheides auszuhändigen (Art. 17 Abs. 5 AsylG) wird von allen Kantonen mit Ausnahme des Kantons JU, der GPS, der SFH und dem UNHCR begrüsst. GPS, SFH und UNHCR schlagen vor, dass auch bei einer vorläufigen Aufnahme die Akten mit dem Entscheid zugestellt werden sollen.

Die FDP und die SVP lehnen den Vorschlag ab. Dieser sei nicht notwendig, da es dazu keine neue gesetzliche Grundlage brauche (FDP).

Haltung des
Bundesrates Die vorgeschlagene Bestimmung führt zu einer qualitativen Verbesserung der im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eingereichten Rechtsschriften. Damit kann das Beschwerdeverfahren insgesamt entlastet und der Aufwand des BVGer reduziert werden. Den Bedenken, dass die vorgeschlagene Bestimmung zu Verzögerungen und zu Mehrkosten führen würde, ist Rechnung zu tragen. Deshalb soll der Verzicht auf die Prüfung der Notwendigkeit einer amtlichen Verbeiständung eingeschränkt 7338

werden. Insbesondere sollen Beschwerden im Rahmen eines Dublin-Verfahrens oder eines Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuches davon ausgenommen werden (vgl.

Art. 110a Abs. 2 AsylG). Zudem soll die Definition für Personen, die zur amtlichen Verbeiständung zugelassen werden sollen (vgl. Art. 110a Abs. 3 AsylG), präzisiert werden. Der Klarheit halber wird Artikel 110a AsylG neu in drei Absätze gegliedert.

Die Zusendung der Akten auch bei ablehnenden Asylentscheiden mit vorläufiger Aufnahme würde zu einem unverhältnismässigen Mehraufwand beim BFM führen.

Die gesetzliche Grundlage ist notwendig, da das AsylG eine gegenüber dem VwVGweitergehende Regelung vorsieht. Die Betroffenen können so auch einen gesetzlichen Anspruch auf Zusendung der Akten geltend machen.

1.3.3.4

Vereinbarungen zur Vereinfachung der administrativen Abläufe zwischen dem EJPD und dem BVGer

Alle Kantone erklären sich mit dem Vorschlag (Art. 109a AsylG) einverstanden.

Teilweise wird die Durchsetzbarkeit sowie die Wirksamkeit der Vereinbarungen in Frage gestellt (z.B. AG, FR, sinngemäss SZ und ZG). Einzelne Anhörungsteilnehmende erachten die Änderung als nicht notwendig, da bereits heute solche technischen Absprachen möglich seien (z.B. ZH).

FDP, GPS, SVP, SFH, UNHCR sowie das BVGer lehnen den Vorschlag ab, da dafür keine Notwendigkeit bestehe. Teilweise wird auch geltend gemacht (z.B. GPS, SFH, UNHCR), dass dadurch die richterliche Unabhängigkeit und das Gewaltenteilungsprinzip tangiert werden könnten.

Haltung des Bundesrates Den Befürchtungen, wonach der Vorschlag die richterliche Unabhängigkeit gefährde, soll durch eine Neuformulierung Rechnung getragen werden. Der Begriff «Vereinbarungen» soll durch den Begriff «Informationsaustausch» ersetzt werden. Damit soll klargestellt werden, dass nur ein Informationsaustausch stattfindet, um die administrativen Abläufe zu vereinfachen und die Koordination zu verbessern. Die vorgeschlagene Bestimmung setzt ein wichtiges Signal, mit dem auch dem Anliegen der Kantone, die Beschwerdeverfahren zu beschleunigen, Rechnung getragen wird.

Indem die administrativen Abläufe des BFM und des BVGer aufeinander abgestimmt werden, kann das Verfahren beschleunigt werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Ersatz von Ausdrücken Im ganzen AsylG soll neu der Begriff «Bundesamt» durch «BFM» ersetzt werden.

Das Gleiche gilt für den Begriff «Departement», der durch den Begriff «EJPD» ersetzt werden soll. Diese redaktionellen Änderungen führen zu mehr Klarheit in den entsprechenden Gesetzesbestimmungen.

7339

Art. 17 Abs. 5 (neu) Neu sollen die Verfahrensakten von Amtes wegen gleichzeitig mit der Eröffnung des Asylentscheides der betroffenen Person bzw. ihrer Vertretung zugestellt werden, wenn mit dem Entscheid der Vollzug der Wegweisung angeordnet wird. Damit soll sichergestellt werden, dass die betroffene Person alle für den Entscheid relevanten Verfahrensakten bereits zum Zeitpunkt der Entscheideröffnung erhält. Dies wird bereits heute bei den Nichteintretensentscheiden sowie bei Entscheiden im Rahmen des Flughafenverfahrens gemacht.

Um allfällige Doppelspurigkeiten zu vermeiden und den administrativen Aufwand gering zu halten, sollen nur jene Verfahrensakten bei Entscheideröffnung zugestellt werden, die im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs auszuhändigen sind (vgl.

Art. 26f VwVG).

In den Jahren 2008­2010 wurde in durchschnittlich 67 Prozent der materiell ablehnenden Asylentscheide mit Wegweisung eine Beschwerde erhoben. In der Praxis werden im Hinblick auf das Verfassen der Beschwerdeschrift in nahezu all diesen Fällen Akteneinsichtsgesuche eingereicht. Ein frühzeitiger Versand der Verfahrensakten kann den administrativen Aufwand senken und den Verfahrensablauf vereinfachen. Zudem erhöht ein automatischer Versand die Akzeptanz der Asylentscheide.

Verfügungen des BFM, in denen das Asylgesuch abgelehnt, jedoch eine vorläufige Aufnahme angeordnet wird (vgl. Art. 83­88 des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 200510, AuG), sollen von dieser neuen Regelung ausgenommen werden. Die Beschwerdequote bei diesen Entscheiden betrug in den letzten drei Jahren lediglich 13 Prozent. Die Betroffenen haben wie bereits heute nach abgeschlossenen Instruktionsmassnahmen die Möglichkeit, beim BFM ein Akteneinsichtsgesuch einzureichen.

Die gesetzliche Grundlage ist notwendig, da das AsylG eine gegenüber dem VwVG weitergehende Regelung vorsieht. Die Betroffenen können so auch einen gesetzlichen Anspruch auf Zusendung der Akten geltend machen.

Art. 26 Sachüberschrift, Abs. 1bis (neu), Abs. 2, 2bis und 2ter (neu) Empfangs- und Verfahrenszentren, Vorbereitungsphase 1bis

Abs.

(neu)

Mit der Einreichung des Asylgesuches in einem EVZ soll neu eine Vorbereitungsphase beginnen, während der unmittelbar nach Eintritt in das EVZ möglichst alle zur Durchführung eines Asylverfahrens entscheidrelevanten Vorabklärungen getroffen werden. Die Vorbereitungsphase dient auch dazu, die spätere Anhörung zu den Asylgründen besser zu organisieren. Sie dauert maximal drei Wochen ab Einreichung des Asylgesuches.

Abs. 2 Bereits in der Vorbereitungsphase sollen zum Beispiel die Personendaten der Betroffenen aufgenommen und registriert werden; ferner sollen die Identität, die vorgelegten Beweismittel sowie Reise- und Identitätsdokumente überprüft werden. Weiter 10

SR 142.20

7340

sollen Fingerabdrücke abgenommen und mit diversen Datenbanken abgeglichen werden. Da bereits im Rahmen eines ersten Asylgesuches Fingerabdruckbogen und Fotografien erstellt werden, werden diese Massnahmen bei weiteren Asylgesuchen der gleichen Person nicht mehr vorgenommen. Dasselbe gilt bei minderjährigen Asylsuchenden unter vierzehn Jahren in elterlicher Begleitung (vgl. Art. 6 der Asylverordnung 3 vom 11. August 199911). Diese Ausnahmen werden durch den Begriff «in der Regel» erfasst. In der Vorbereitungsphase können zudem weitere hilfreiche herkunftsspezifische Abklärungen getätigt werden. Darunter kann das Erstellen eines länderspezifischen Fragenkataloges, das Sammeln von Informationen zur aktuellen politischen Lage oder die Entgegennahme von Informationen zur Identität oder zum Reiseweg fallen. Dabei handelt es sich nicht um eine formelle Befragung, die protokolliert wird. Eine solche soll wie bis anhin allein durch das BFM durchgeführt werden (vgl. Abs. 2ter).

Die Asylsuchenden sollen bereits in der Vorbereitungsphase zu ihrer Identität, zum Reiseweg und summarisch zu den Gründen befragt werden, warum sie ihr Land verlassen haben. Im Rahmen einer solchen Befragung sollen auch Dublinspezifische Abklärungen getroffen werden, so zum Beispiel die Frage, ob sich eine betroffene Person vorgängig in einem anderen Dublin-Staat aufgehalten oder dort ein Asylverfahren eingeleitet hat. Schliesslich sollen Vorarbeiten zur Antragstellung im Rahmen eines Dublin-Verfahrens getätigt werden.

Abs. 2bis Neu soll eine allfällige Dublin-Anfrage zur Aufnahme oder Wiederaufnahme von Asylsuchenden beim zuständigen Dublin-Staat in der Regel bereits in der Vorbereitungsphase eingereicht werden. Durch die zeitliche Vorgabe ­ die Vorbereitungsphase dauert maximal drei Wochen ­ ist das BFM gehalten, allfällige DublinVerfahren unverzüglich einzuleiten, wenn möglich bereits während des Aufenthaltes in den EVZ abzuschliessen und die Wegweisung in den zuständigen Dublin-Staat zu vollziehen. Dies bedingt allerdings eine Erhöhung der entsprechenden Unterbringungskapazitäten in den EVZ (vgl. Ziff. 3.1). In Ausnahmesituationen, insbesondere bei erhöhten Gesuchseingängen oder bei Kapazitätsengpässen in den EVZ, muss das BFM jedoch die Möglichkeit haben, Dublin-Anfragen zu einem späteren Zeitpunkt einzureichen. Dies wird durch
den Begriff «in der Regel» zum Ausdruck gebracht.

Abs. 2ter (neu) Die in Absatz 2 aufgeführten Tätigkeiten sollen ­ mit Ausnahme der Befragung zur Person nach Absatz 2 ­ an Dritte delegiert werden können. Es handelt sich dabei um administrative Tätigkeiten. Tätigkeiten wie die Redaktion eines Asylentscheides, die formelle Befragung zur Person oder eine Anhörung zu den Asylgründen sind Kerntätigkeiten im Asylverfahren; sie sollen deshalb weiterhin nur durch Mitarbeitende des BFM wahrgenommen werden können.

Die Regelung, wonach Aufgaben zur Sicherstellung des Betriebs der EVZ an Dritte delegiert werden können, ist heute bereits auf Verordnungsstufe verankert (vgl.

Art. 17 der Asylverordnung 1 vom 11. August 199912). Sie soll aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz neu auf Gesetzesstufe gehoben werden. Ferner wird damit den Anforderungen des Gesetzmässigkeitsprinzips Rechnung getragen, 11 12

SR 142.314 SR 142.311

7341

wonach das formelle Gesetz Art, Umfang und Zweck der Aufgabenübertragung festlegen muss.

Mit einer klar definierten und gut strukturierten Vorbereitungsphase können die Asylverfahren insgesamt beschleunigt werden. Zudem kann das BFM mit der Möglichkeit, gewisse Aufgaben an Dritte zu delegieren, administrativ entlastet werden.

Art. 26a (neu)

Feststellung des medizinischen Sachverhalts

In der Praxis werden im Rahmen von Asyl- und Wegweisungsverfahren oftmals in einem späten Verfahrensstadium medizinische Gründe geltend gemacht, die dem Vollzug der Wegweisung in den Heimatstaat entgegenstehen. Auch Mehrfach- oder Wiedererwägungsgesuche werden oftmals ausschliesslich medizinisch begründet.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BFM ist es schwierig und zeitintensiv, Asylverfahren mit medizinischen Vorbringen durchführen zu können. Zwar besteht bereits heute die Möglichkeit, entsprechende Vorbringen durch einen Vertrauensarzt oder eine Vertrauensärztin überprüfen zu lassen. Dies ist jedoch mit einem grossen Aufwand verbunden, da im geltenden AsylG keine spezifischen Regelungen zum Vorgehen bei medizinischen Vorbringen existieren.

Vor diesem Hintergrund soll neu eine Regelung zu medizinischen Vorbringen im Asylverfahren aufgenommen werden. Eine solche ermöglicht es den Betroffenen, medizinische Vorbringen frühzeitig, einfach und kostenlos durch spezialisiertes medizinisches Personal abklären zu lassen. Ein klar geregeltes Verfahren erhöht auch die Rechtssicherheit.

Abs. 1 Sind allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen der betroffenen Person bekannt und für das Asyl- und Wegweisungsverfahren relevant, müssen diese unmittelbar nach Einreichung des Asylgesuches geltend gemacht werden, spätestens jedoch bei der Anhörung zu den Asylgründen (vgl. Art. 36 Abs. 2 AsylG) oder der Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 36 Abs. 1 AsylG). Den konkreten Umständen im Einzelfall ist Rechnung zu tragen.

Beim Eintritt in die EVZ werden die Betroffenen durch ein Merkblatt und bei der Befragung zur Person mündlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie allfällige verfahrensrelevante medizinische Vorbringen unmittelbar nach Einreichung ihres Asylgesuches, spätestens jedoch bei der Anhörung oder der Gewährung des rechtlichen Gehörs, geltend machen müssen und dass sie sich durch medizinisches Fachpersonal kostenlos untersuchen lassen können.

Abs. 2 Werden gesundheitliche Beeinträchtigungen im Sinne von Absatz 1 geltend gemacht, muss sich die betroffene Person an die vom BFM bezeichnete medizinische Fachperson wenden. In der Praxis könnte diese Erstkonsultation zum Beispiel durch ausgebildetes Krankenpersonal in den EVZ wahrgenommen werden. Ist es medizinisch indiziert, wird die betroffene
Person an einen vom BFM beauftragten Facharzt oder an eine beauftragte Fachärztin weiterverwiesen.

Notwendige Behandlungskosten während des Aufenthalts in den EVZ werden wie bereits heute über das KVGabgewickelt (vgl. Kommentar zu Art. 80 Abs. 2 AsylG). Davon ausgenommen sind Kosten, die durch die Untersuchungen und Behandlungen von medizinischem Personal des BFM in den EVZ durchgeführt 7342

werden. Dies gilt auch für externe Untersuchungen und Gutachten, die nur im Hinblick auf das Asylverfahren gemacht werden. Artikel 82a AsylG, wonach unter anderem der Zugang zu den Leistungserbringern und die Wahl des Versicherers eingeschränkt werden können, findet auch bei einem Aufenthalt in den EVZ sinngemäss Anwendung.

Abs. 3 Später geltend gemachte gesundheitliche Beeinträchtigungen können im Asyl- und Wegweisungsverfahren (inklusive allfällige Wiedererwägungsverfahren) nur noch dann berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person diese nachweisen kann (vgl. auch Art. 32 Abs. 2 VwVG). Entgegen der Regel, wonach im Asylverfahren die Flüchtlingseigenschaft zumindest glaubhaft gemacht werden muss (vgl. Art. 7 AsylG), werden somit höhere Anforderungen an das Beweismass gestellt. Dasselbe gilt, wenn sich eine asylsuchende Person an einen nicht vom BFM beauftragten Arzt oder eine nicht beauftragte Ärztin wendet und ein von ihm oder ihr ausgestelltes ärztliches Attest einreicht. Bestehen Zweifel an den medizinischen Vorbringen, so kann das BFM einen Vertrauensarzt damit beauftragen, die entsprechenden Vorbringen beziehungsweise das nachträglich eingereichte ärztliche Attest zu überprüfen oder die asylsuchende Person zu untersuchen. Diese Aufgabe könnte zum Beispiel durch den regionalärztlichen Dienst einer IV-Stelle wahrgenommen werden.

Wird von einer betroffenen Person der Nachweis einer gesundheitlichen Beeinträchtigung erbracht, so kann dies auch mit der vorgeschlagenen Regelung unabhängig vom Zeitpunkt der Geltendmachung vollumfänglich bei der Prüfung des Asylgesuches berücksichtigt werden.

Beim Eintritt in die EVZ werden die Betroffenen durch ein Merkblatt und im Rahmen der Befragung zur Person auch mündlich auf die beweisrechtlichen Folgen später geltend gemachter medizinischer Vorbringen im Asylverfahren aufmerksam gemacht.

Die neue Regelung ermöglicht es Asylsuchenden, medizinische Vorbringen einfach und kostenlos abklären zu lassen. Gleichzeitig kann die Zahl der Fälle reduziert werden, in denen die Betroffenen medizinische Vorbringen erst in einem sehr späten Zeitpunkt geltend machen, einzig um den Vollzug der Wegweisung zu verhindern oder aufzuschieben.

Art. 80 Abs. 2 Wird aufgrund der Untersuchung nach Artikel 26a AsylG eine medizinische Behandlung notwendig, soll der Bund auch
während eines Aufenthaltes in den EVZ die Möglichkeit haben, die Leistungserbringer für diese Behandlung analog Artikel 82a AsylG einzuschränken. Dies soll auch für medizinisch indizierte Behandlungen gelten, die für das Asyl- und Wegweisungsverfahren nicht relevant sind, wodurch Artikel 26a AsylG nicht zur Anwendung gelangt. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung soll erreicht werden, dass für die betroffenen Personen während eines Aufenthaltes in den EVZ die gleichen Regelungen bei der Gesundheitsversorgung gelten wie nach einer Zuweisung in den Kanton (vgl. Kommentar zu Artikel 26a AsylG).

7343

Art. 109a (neu)

Informationsaustausch

Im Bericht des EJPD über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich vom März 2011 (vgl. oben Ziff. 1.1.2) wird festgestellt, dass die Asylverfahren zu lange dauern (vgl. Bericht über Beschleunigungsmassnahmen S. 13 ff.). Die lange Verfahrensdauer betrifft sowohl das erstinstanzliche Verfahren als auch das Beschwerdeverfahren. Der Bericht zeigt verschiedene mögliche Ursachen dafür auf. Als eine der Ursachen wird genannt, dass keine Absprachen mit dem BVGer hinsichtlich einer Priorisierung erst- und zweitinstanzlicher Verfahren bestehen. Es bestehen auch keine Absprachen über administrative Abläufe.

Um einen reibungslosen Verfahrensablauf sicherzustellen, ist ein regelmässiger Informationsaustausch gerade in Zeiten hoher Gesuchseingänge sinnvoll und notwendig. Indem die administrativen Abläufe des BFM und des BVGer durch gegenseitige Information aufeinander abgestimmt werden, kann das Verfahren beschleunigt werden. Da dieser gegenseitige Austausch über administrative Fragen zu keinen Rechtsverbindlichkeiten führt, ist das BVGer in seiner rechtsprechenden Tätigkeit nicht berührt. Die verfassungsmässige richterliche Unabhängigkeit bleibt weiterhin vollumfänglich gewährleistet (Art. 191c der Bundesverfassung13, BV).

Art. 110a (neu)

Unentgeltliche Rechtspflege

Abs. 1 und 2 Im Beschwerdeverfahren sollen neben den Verfahrenskosten auch die Kosten für die amtliche Verbeiständung übernommen werden, wenn die betroffene Person mittellos und die Beschwerde nicht aussichtslos ist. Die Notwendigkeit einer amtlichen Verbeiständung wird neu aufgrund der im Regelfall mangelnden Sprach- und Rechtskenntnisse der Betroffenen gesetzlich vermutet. Wie nach geltendem Recht müssen die Befreiung von der Kostentragungspflicht und die amtliche Verbeiständung von der betroffenen Person im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beantragt werden (vgl. Art. 65 Abs. 2 VwVG).

Im Gegensatz zum Anhörungsentwurf soll der erleichterte Zugang zur unentgeltlichen Rechtsvertretung nur bei den zentralen Asylentscheiden im engeren Sinn Anwendung finden (vgl. Art. 110a Abs. 1 Bst. a­d AsylG). So gelten zum Beispiel im Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen im Bereich Reisepapiere, Sonderabgabe und Vermögenswertabnahme weiterhin die Voraussetzungen nach Artikel 65 Absätze 1 und 2 VwVG.

Die Ausnahmen von Absatz 1, in denen weiterhin das Erfordernis der Notwendigkeit einer Verbeiständung gegeben sein muss, sind in Absatz 2 aufgeführt. Im Dublin-Verfahren ist ein anderer Staat völkerrechtlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Im Verfahren bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen wurde vorgängig bereits ein umfassendes Asylverfahren mit verbessertem Rechtsschutz durchgeführt. Es ist in diesen Fällen daher gerechtfertigt, dass die allgemeinen Bestimmungen des VwVG über die unentgeltliche Rechtsvertretung zur Anwendung gelangen (vgl. Art. 65 VwVG).

Da mit einer amtlichen Verbeiständung höhere Anforderungen an die Einhaltung von Formvorschriften gestellt werden können, kann das Beschwerdeverfahren insgesamt entlastet werden. Die für die amtliche Verbeiständung zugelassenen 13

SR 101

7344

Personen haben vertiefte Kenntnisse über das Asylverfahren, was zu einer besseren Qualität der Rechtsschriften führt. Auch in anderen Rechtsgebieten ­ vor allem im Strafrecht ­ werden insgesamt positive Erfahrungen mit der amtlichen Verbeiständung gemacht.

Abs. 3 In Abweichung von Artikel 65 Absatz 2 VwVG soll neu bei der amtlichen Verbeiständung im Asylbereich kein Anwaltsmonopol mehr für die unentgeltliche Rechtsvertretung bestehen. Dies soll für alle Beschwerden gestützt auf das AsylG gelten. Im Gegensatz zu Absatz 1 ist hier eine Einschränkung auf bestimmte Verfügungen nicht sinnvoll. Es ist nicht gerechtfertigt, bei Beschwerdeverfahren zum Beispiel im Bereich Reisepapiere oder bei Dublin-Verfahren am Anwaltszwang festzuhalten, obwohl diese Verfahren in der Regel weniger aufwändig und die Rechtsfragen in der Regel weniger kompliziert sind.

Die vorgeschlagene Regelung hat den Vorteil, dass die im erstinstanzlichen Verfahren mit der Rechtsberatung betrauten Personen, die teilweise keine Anwältinnen oder Anwälte sind, Asylsuchende auch im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege im Beschwerdeverfahren vertreten können. Personen, die vom BVGer als amtliche Rechtsvertreter und Rechtsvertreterinnen eingesetzt werden wollen, müssen über einen universitären juristischen Hochschulabschluss verfügen und sich beruflich mit der Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befassen. Personen, die nur über einen juristischen Bachelor-Abschluss verfügen, sollen nicht zugelassen werden, weil sie in der Regel zwar über rechtliche Grundlagenkenntnisse, nicht aber über das für die Führung von Beschwerdeverfahren erforderliche Spezialwissen verfügen.

Übergangsbestimmungen Die vorgeschlagenen Änderungen zur Zusendung der Akten bei allen Entscheiden und zur Einführung einer Vorbereitungsphase (Art. 17 und 26 AsylG) sollen nicht auf hängige Verfahren Anwendung finden. Dasselbe soll für die neuen Bestimmungen der medizinischen Untersuchung und der punktuellen Verbesserungen des Rechtsschutzes (vgl. Art. 26a und 110a AsylG) gelten. Eine Anwendung dieser Bestimmungen auf hängige Verfahren beziehungsweise Beschwerdeverfahren würde einen unverhältnismässigen Mehraufwand für das BFM und das BVGer bedeuten.

3

Auswirkungen auf den Bund und die Kantone

3.1

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Die im AsylG vorgeschlagenen Änderungen sollen längerfristig zu Einsparungen führen. Präzise Angaben zu den möglichen finanziellen Auswirkungen lassen sich jedoch nicht machen, da keine genaue Prognose über die künftige Entwicklung der Anzahl und des Profils der Asylgesucheingänge möglich ist.

Die vorgeschlagenen Änderungen können im ersten Jahr nach der Inkraftsetzung kostenneutral umgesetzt werden; längerfristig können beim Bund Einsparungen erzielt werden: Den jährlichen Mehrkosten von rund 67 Millionen Franken stehen im ersten Jahr rund 67 Millionen Franken Einsparungen gegenüber. Sieben Jahre

7345

nach der Inkraftsetzung erhöhen sich die jährlichen Einsparungen auf maximal 108 Millionen Franken.

Mehrkosten Die vorgeschlagenen Änderungen führen beim Bund zu Investitionskosten. So müssten gemäss einer ersten Einschätzung die Unterbringungskapazitäten in den EVZ von heute rund 1200 Plätzen auf rund 3000 Plätze erhöht werden. Diese Erhöhung ist notwendig, wenn künftig die Mehrheit aller Dublin-Verfahren in den EVZ durchgeführt und abgeschlossen werden soll. Eine solche zweieinhalbfache Erhöhung der Unterbringungskapazitäten führt zu jährlichen Mehrkosten von rund 60 Millionen Franken (Betriebsausgaben EVZ: rund 52,5 Millionen Franken, Raummiete: rund 7,5 Millionen Franken).

Kosten entstehen dem Bund auch für die Finanzierung der Massnahmen für einen verbesserten Rechtsschutz sowie für die medizinische Untersuchung in den EVZ während der Vorbereitungsphase (vgl. Art. 26, 26a und 110a AsylG).

Die Mehrkosten des BVGer für die amtliche Verbeiständung für Asylsuchende (vgl. Art. 110a AsylG) betragen 2­3 Millionen Franken pro Jahr. Dieser Betrag berechnet sich wie folgt: Die Beschwerdequote bei den in Artikel 110a Absatz 1 AsylG aufgeführten Entscheidarten (insgesamt rund 8000 Entscheide pro Jahr) beträgt zurzeit rund 30 Prozent. Aufgrund der erweiterten Möglichkeit, sich in diesen Fällen amtlich verbeiständen zu lassen, ist mit einer Erhöhung der Beschwerdequote auf schätzungsweise 50 Prozent zu rechnen. Rund 30 Prozent der eingereichten Beschwerden sind nicht aussichtslos und werden aufgrund der neuen Regelung voraussichtlich zu einer kostenlosen amtlichen Verbeiständung führen. Die amtliche Verbeiständung kostet pro Beschwerdeverfahren rund 2000 Franken.

Die Möglichkeit, sich in den EVZ medizinisch untersuchen zu lassen, sowie der Beizug von Vertrauensärzten und Vertrauensärztinnen des Bundes (vgl. Art. 26a AsylG) führt zu Mehrkosten von schätzungsweise 5 Millionen Franken jährlich.

Dieser Betrag berechnet sich wie folgt: In der Annahme, dass bei 15 000 Asylgesuchen pro Jahr rund 50 Prozent der Asylsuchenden sich medizinisch untersuchen lassen und sich die Durchschnittskosten einer Konsultation auf 350 Franken belaufen, ist mit Mehrkosten von 2,6 Millionen Franken zu rechnen. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass bei rund 1200 Asylsuchenden pro Jahr der Beizug eines Vertrauensarztes oder einer
Vertrauensärztin angezeigt ist. Dadurch können dem Bund weitere Mehrkosten von 2,4 Millionen Franken entstehen (ein ärztliches Gutachten kostet durchschnittlich 2000 Franken).

Einsparungen Bei einer Erhöhung der Kapazitäten in den EVZ ist davon auszugehen, dass rund 80 Prozent aller Dublin-Verfahren (rund 4800 Personen) ab EVZ vollzogen werden können. Dies führt zu Einsparungen bei den Sozialhilfe- und Nothilfekosten von rund 63,5 Millionen Franken pro Jahr: Durch den Vollzug bei Dublin-Fällen ab EVZ entfällt die einmalige Nothilfepauschale in der Höhe von 6100 Franken pro Person, die der Bund den Kantonen vergütet. Im Bereich der Nothilfe ergeben sich somit Einsparungen von rund 29 Millionen Franken jährlich. Bis zum rechtskräftigen Asylentscheid vergütet der Bund den Kantonen pro Person und Tag eine Globalpauschale von 55 Franken. Die Unterbrin7346

gung der Personen in einem Dublin-Verfahren in der EVZ führt somit zu Einsparungen von jährlich rund 34,5 Millionen Franken, da der Bund für diese Personen während 130 Tagen (durchschnittliche Dauer des Aufenthalts in den Kantonen bei Dublin-Fällen) keine Globalpauschale mehr an die Kantone entrichten muss.

Wird bei medizinischen Vorbringen, die nicht unmittelbar nach Einreichen des Asylgesuches vorgebracht werden, das Beweismass erhöht (vgl. Art. 26a Abs. 3 AsylG), ist davon auszugehen, dass rund 5­10 Prozent weniger vorläufige Aufnahmen wegen Unzumutbarkeit der Wegweisung angeordnet werden. Der Bund vergütet den Kantonen die Sozialhilfekosten während längstens sieben Jahren nach Einreise der vorläufig aufgenommenen Person (vgl. Art. 87 Abs. 3 AuG). Wird von 10 Prozent weniger vorläufigen Aufnahmen ausgegangen, entstehen dem Bund im Bereich der Sozialhilfekosten im ersten Jahr Einsparungen von maximal 3,5 Millionen Franken (350 Personen x 55 Franken pro Tag x 180 Tage). Nach sieben Jahren entstehen dem Bund im Bereich der Sozialhilfe jährliche Einsparungen von maximal 45 Millionen Franken (2275 Personen x 55 Franken pro Tag x 360 Tage).

Die mittelfristigen Einsparungen sind noch nicht in die Finanzplanung 2013­2015 eingeflossen. Der Finanzplan 2013­2015 wird nach Verabschiedung der Zusatzbotschaft durch den Bundesrat entsprechend angepasst.

3.2

Personelle Auswirkungen auf den Bund

Die Einführung einer Vorbereitungsphase in den EVZ (vgl. Art. 26 AsylG) soll schrittweise umgesetzt werden. Die damit verbundenen personellen Auswirkungen sind zum heutigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.

3.3

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Bei den Kantonen und Gemeinden sind keine Mehrkosten zu erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200814 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200815 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Anlass für die Revisionsvorschläge bilden der Auftrag der SPK-S vom 9. Mai 2011, diese in die laufende Asylgesetzrevision einfliessen zu lassen, sowie der Beschluss des Bundesrates vom 6. Juni 2011, bis Ende September 2011 eine Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des AsylG zu unterbreiten.

14 15

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

7347

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AsylG im Rahmen der vorliegenden Zusatzbotschaft stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern). Er ist mit der Verfassung und dem Völkerrecht vereinbar.

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht

5.2.1

Entwicklungen im Asylbereich innerhalb der EU

Die Europäische Union ist der Auffassung, dass das Erreichen höherer gemeinsamer Schutzstandards im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nur durch eine weitere Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Asylbereich erfolgen kann. Dies erfordert auch Änderungen bereits erlassener Rechtsakte im Asylbereich. Die vorliegende Revision des AsylG betrifft vor allem die Richtlinie über Mindestnormen für das Asylverfahren (Verfahrensrichtlinie16) und die Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern (Aufnahmerichtlinie17). Diese sind für die Schweiz nicht verbindlich. Trotzdem liegt es im schweizerischen Interesse, dass die Asylverfahren in allen europäischen Staaten einen vergleichbaren Standard aufweisen. Über das Dublin-System ist das schweizerische Asylsystem eng mit denjenigen der EU-Staaten verknüpft18.

5.2.2

Kompatibilität der schweizerischen Gesetzgebung mit dem EU-Recht

Ziel und Zweck der vorliegenden Änderungsvorschläge stimmen grundsätzlich mit denjenigen des geänderten Vorschlags der Europäischen Kommission zur Neufassung der Verfahrensrichtlinie überein. So sieht insbesondere der geänderte Vorschlag der Kommission zur Neufassung der Verfahrensrichtlinie19 eine Verstärkung des Rechtsschutzes vor. Ähnlich wie in Artikel 110a Absatz 2 AsylG ist die amtliche Verbeiständung auch auf europäischer Ebene nicht auf Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen beschränkt. Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe b des geänderten Vorschlages der Kommission sieht nämlich vor, dass die unentgeltliche Rechtsvertretung auch von sonstigen Rechtsberatern und -beraterinnen gewährt werden kann,

16

17

18 19

Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13.

Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18.

Vgl. Ziff. 5.2.1 der Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 2010 4455.

Geänderter Vorschlag der Europäischen Kommission vom 1.6.2011 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), KOM (2011) 319 endgültig.

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die nach einzelstaatlichem Recht zur Vertretung von Personen, die internationalen Schutz beantragen, bestimmt wurden.

Der geänderte Vorschlag der Kommission zur Neufassung der Aufnahmerichtlinie20 sieht des Weiteren in Artikel 22 auch vor, dass die Mitgliedstaaten frühzeitig Massnahmen treffen müssen, um besondere Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen bei der Aufnahme festzustellen. Diesen Bedürfnissen ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn sie in einer späteren Phase des Asylverfahrens geltend gemacht werden.

Allgemein gilt nach der Qualifikationsrichtlinie21 der Grundsatz, dass die antragstellende Person ihren Antrag auf internationalen Schutz zu begründen hat (Art. 4 Abs. 5). Aussagen der antragstellenden Person bedürfen unter anderem keines Nachweises, wenn die Person internationalen Schutz möglichst frühzeitig beantragt hat oder gute Gründe dafür vorbringen kann, dass dies nicht möglich war (Art. 4 Abs. 5 Bst. d). Diese Bestimmung erfährt im Vorschlag der Kommission vom 21. Oktober 200922 keine Änderung.

Hinsichtlich des erforderlichen Beweismasses bei der Geltendmachung gesundheitlicher Vorbringen stellt somit die laufende Asylgesetzrevision keine höheren Anforderungen als die geltenden europarechtlichen Vorschriften.

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Geänderter Vorschlag der Europäischen Kommission vom 1.6.2011 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern (Neufassung), KOM (2011) 320 endgültig.

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12.

Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, KOM (2009) 551 endgültig/2.

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