99.450 Parlamentarische Initiative Berufsausbildungspflicht für konzessionierte Privatanbieter bei Telecom, Post und Bahnen Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 13. August 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, ihrem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

Eine Kommissionsminderheit (Binder, Engelberger, Estermann, Polla, Schenk, Theiler, Vaudroz René, Weigelt) beantragt, auf den Beschlussentwurf nicht einzutreten.

13. August 2001

Im Namen der Kommission

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Der Präsident: Duri Bezzola

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2001-2072

Übersicht Die Parlamentarische Initiative (99.450) verlangt Änderungen im Post-, Fernmeldeund Personenbeförderungsgesetz. Konzessionierte Unternehmungen in diesen drei Bereichen sollen verpflichtet werden, die berufliche Grundbildung und die berufsorientierte Weiterbildung zu ermöglichen. Bis zur Ausbildung des ersten Lehrlings wird den Unternehmungen dabei eine Übergangsfrist von drei Jahren ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes gewährt.

Am 24. März 2000 gab der Nationalrat der Initiative mit 107 zu 60 Stimmen Folge.

Anlässlich der Sommersession 2000 wurde das Geschäft wiederum der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates zugeteilt. Diese arbeitete in fünf Sitzungen einen Beschlussentwurf aus und führte bei den Direktbetroffenen eine Vernehmlassung durch. Nach der Kenntnisnahme der eingegangenen Vernehmlassungsantworten verabschiedete die Kommission am 13. August 2001 den vorliegenden Beschlussentwurf mit 13 zu 8 Stimmen, bei 2 Enthaltungen. Eine Minderheit der Kommission (Binder, Engelberger, Estermann, Polla, Schenk, Theiler, Vaudroz René, Weigelt) beantragt Nichteintreten auf die Vorlage.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Inhalt der Initiative und Begründung des Initianten

Am 30. September 1999 reichte Nationalrat Rudolf Strahm eine Parlamentarische Initiative ein, welche als Konzessionsvoraussetzung eine Ausbildungsverpflichtung für Unternehmungen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur (Fernmeldewesen, Postwesen, Eisenbahnwesen) verlangt, die alle konzessionierten Anbieter, also auch die Privatanbieter, erfüllen müssen.

Mit dieser erweiterten Konzessionsvoraussetzung sollen bisherige und neue Telecom-Anbieter, Bahngesellschaften und Postdienstleistungsanbieter verpflichtet werden können, Lehrstellen in einer ausreichenden Zahl bereitzustellen.

In seiner Begründung wies der Initiant darauf hin, dass die Berufsausbildung in der Schweiz zur volkswirtschaftlichen Verpflichtung der Wirtschaft gehöre. Die Bereitstellung von Lehrstellen sei gewissermassen als Bestandteil des Service public zu bewerten.

Die Deregulierung im Telecom-Bereich habe eine Lücke in den Konzessionsvoraussetzungen sichtbar gemacht: Während die Swisscom noch 800 Lehrstellen anbiete, davon mehr als die Hälfte im Informatik- und Elektronikbereich, verzichteten die neuen Konzessionäre Diax, Sunrise und Orange weitestgehend auf Ausbildungsanstrengungen und sparten sich dabei Kosten, die andere Betriebe und Dienstleistungsanbieter auf sich nähmen. Gleichzeitig fehlten auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt 20 000 ausgebildete Informatikerinnen und Informatiker aller Stufen, und der Branchenverband Pro Telecom beklage den Fachleutemangel als gewichtigstes Wachstumshindernis.

Im Bereich der anderen konzessionierten Privatanbieter, nämlich bei der Post (Parcel und Mail Services) und bei den Eisenbahnen (Nutzer der Bahnreform) seien derzeit noch weniger Engpässe auszumachen, aber ein Ungleichgewicht zwischen dem öffentlichen Konzessionär und den konzessionierten Privatanbietern sei auch hier in Zukunft abzusehen.

Es sei von der Faustregel auszugehen, dass sechs Lehrstellen pro 100 Vollzeitbeschäftigte nötig seien, um das duale System der Berufsbildung in die Zukunft zu retten. Der Bundesrat solle auf Grund der vorgeschlagenen erweiterten Konzessionsvoraussetzung die Möglichkeit erhalten, eine Mindestzahl an Lehrstellen für die konzessionierten Anbieter vorzuschreiben. Dabei sei auf die Arbeitsmarktlage und den Bedarf an ausgebildeten Fachleuten Rücksicht zu nehmen. Es sei denkbar, dass schon allein auf
Grund einer solchen Kompetenz die Anbieter einer bestimmten Branche in Form einer Brancheneinigung Mindeststandards für die Berufsbildung freiwillig anwenden würden.

Konzessionsvoraussetzungen sollten vor allem in den folgenden drei Bereichen überprüft und ergänzt werden: ­

sicher im Fernmeldegesetz (SR 784.10) die Artikel 6, 15 und 23;

­

wünschbar im Eisenbahngesetz (SR 742.101) Artikel 9;

­

zu prüfen auch im Postgesetz (SR 783.0) Artikel 5.

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Der Initiant wies weiter darauf hin, dass die Berufsbildungsverpflichtung seinerzeit bei der gesetzgeberischen Gestaltung der Konzessionsvorschriften nicht etwa abgelehnt, sondern schlicht vergessen wurde. Diese bestehende Lücke solle mit der Parlamentarischen Initiative geschlossen werden. Es verstehe sich, dass auch im Rahmen des neuen Elektrizitätsmarktgesetzes den Kantonen eine entsprechende Konzessionsvoraussetzung für den Berufsbildungsbereich eingeräumt werden solle.

1.2

Vorprüfung

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen hörte den Initianten am 14. Februar 2000 an und begann mit der Diskussion über die Vorprüfung. Gleichentags entschied die Kommission mit 13 zu 4 Stimmen bei 5 Enthaltungen, der Initiative Folge zu geben.

Die Kommissionsmehrheit begründete ihre Position wie folgt: Der Strukturwandel ruft im Bereich der Informationsverarbeitung, wo innert 25 Jahren eine Kapazitätssteigerung mit einem Faktor 10 000 erfolgt ist, nach Unterstützungsmassnahmen.

Zudem haben die Liberalisierung der drei Unternehmungen des Bundes und der damit verbundene Arbeitsplatzabbau zu einer massiven Verunsicherung der betroffenen Arbeitnehmer und Regionen geführt. Nur wenn jetzt gewisse Korrekturen der negativen Auswirkungen erfolgen, kann allenfalls wieder eine gewisse Akzeptanz erreicht werden, die weitere Liberalisierungsschritte zulässt. Ansonsten wird es bei weiteren Liberalisierungstendenzen, z. B. auf dem Elektrizitätsmarkt, grosse Widerstände im Volk geben.

Selbst wenn in den nächsten Jahren im Informatikbereich zahlreiche neue Lehrstellen entstehen, wird nach Auffassung der Kommissionsmehrheit die in der Zwischenzeit immer noch steigende Nachfrage nicht so schnell befriedigt sein, und es rechtfertigt sich, gesetzgeberische Massnahmen zur Sicherstellung von genügend Ausbildungsplätzen zu treffen. Zudem setzt der Vorstoss die neuen Unternehmungen unter Druck, Lehrstellen zu schaffen und damit zum Erhalt des dualen Systems beizutragen. Wer eine Berufslehre absolviert hat, ist auch in der Lage, sich weiterzubilden und sich veränderten Berufsvoraussetzungen anzupassen. Der Lehrstellenmarkt ist ein Beispiel für einen Markt, der sich nicht selbst regelt. Das zeigt sich daran, dass im Industriesektor zu viele Leute ausgebildet werden, die dann keine Stelle finden, während im Dienstleistungssektor allgemein zu wenig Leute ausgebildet werden. Die Lehrbetriebe und die Branchen sind, wie die Erfahrung zeigt, nicht in der Lage, die Lehrstellenangebote von sich aus weit vorausschauend zu planen.

Die Initiative ist aus ordnungspolitischer Sicht ohnehin unproblematisch und dem echten Wettbewerb sogar förderlich, da sie alle Wettbewerbsteilnehmer den gleichen Ausbildungsbedingungen unterwirft und sie zur Übernahme der gleichen Verantwortung anhält. Gerade um in diesem Bereich eine Regelungslücke
zu schliessen und für alle Wettbewerbsteilnehmer gleiche Voraussetzungen zu schaffen, ist es notwendig, punktuell zu legiferieren.

Allerdings muss nach Auffassung der Kommissionsmehrheit den neuen Unternehmungen eine Übergangszeit zugestanden werden, während derer sie die Infrastruktur aufbauen können, die für eine seriöse Ausbildung von Lehrlingen erforderlich ist.

Zudem kann es nicht nur um Lehrstellen gehen, sondern um Ausbildungsverpflichtungen im Allgemeinen, die auch Umschulungen beinhalten.

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Die Kommissionsminderheit vertrat folgende Auffassung: Der Vorstoss sei unzweckmässig und verfrüht. Sie weist darauf hin, dass es bereits zwei Lehrstellenbeschlüsse gibt, welche die Förderung der Schaffung von Lehrstellen durch Subventionen, verbesserte Information und Werbekampagnen ermöglichen. Die Minderheit ist der Meinung, dass die heutige Lehrstellenpolitik überzeugend und zweckmässig ist und dass zurzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Zuerst müsste allenfalls abgeklärt werden, wie die Ausbildungszahlen aussehen, in welchen Bereichen allenfalls ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften besteht und auf Grund welcher Massnahmen er behoben werden könnte. Ob die Schaffung von Lehrstellen tatsächlich das richtige Mittel zur Lösung des Problems ist oder ob es Ausbildungsoffensiven auf anderer, z. B. akademischer Ebene brauche, kann erst nach diesen Abklärungen beurteilt werden. Zudem verfügen die anvisierten Anbieter zum Teil nur über wenige Mitarbeiter in der Schweiz und haben gar nicht die erforderliche Grösse und Infrastruktur, um Lehrlinge sinnvoll ausbilden zu können. Es gäbe nach Auffassung der Kommissionsminderheit auch noch weitere Firmen, die gerade im Informatikbereich ein Interesse daran hätten, Lehrstellen anzubieten und genauso gut in die Pflicht genommen werden könnten, z. B. die Hersteller und die Benutzer von Softwareprodukten.

Ausserdem sollte man nach Auffassung der Kommissionsminderheit die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen dem Markt überlassen und nicht staatlich regeln wollen. Gesamthaft besteht kein Lehrstellenmangel. Jede Wachstumsbranche hat mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Die erhöhte Nachfrage führt dann zu besseren Löhnen, was automatisch zur Folge hat, dass sich mehr Personen in diesem Bereich ausbilden lassen wollen. Die Wirtschaft hat bewiesen, dass sie interessiert ist, Lehrstellen anzubieten, aber in neuen Wirtschaftszweigen muss der Ausbildungsprozess erst in Gang kommen. Firmen wie Sunrise und Diax haben bis vor kurzem noch gar keine Lehrstellen anbieten können, da sie erst seit zwei Jahren in der Schweiz tätig sind. Dass eine Firma nicht von Anfang an Ausbildungsplätze anbietet, bevor sie überhaupt weiss, ob sie überleben wird, zeugt von einem gewissen Verantwortungsbewusstsein. Es ist falsch, die Unternehmen durch Zwang zur Bereitstellung
von Lehrstellen bringen zu wollen. Ein solcher Zwang würde gewisse Unternehmungen diskriminieren und könnte andere davon abhalten, sich in der Schweiz niederzulassen. Ein Anreizsystem ist viel flexibler und mindestens ebenso wirksam, wie die in den letzten Jahren auf Grund von Impulsprogrammen geschaffenen Lehrstellen gezeigt haben.

Aus diesen Gründen beantragt die Kommissionsminderheit, der Initiative keine Folge zu geben.

Die Kommission beschloss zudem mit 19 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, dem Rat zu beantragen, eine Motion «Umschulungsoffensive im Bereich der Informatik» (00.3005) zu überweisen, welche verlangt, dass der Bund eine zeitlich begrenzte Umschulungsoffensive startet, durch die in den Kernbereichen der Informatik zusätzliche Kompetenzen geschaffen werden und der grosse Mangel an Informatikspezialisten und -spezialistinnen behoben werden soll. Damit sollen insbesondere Fachkräfte für die Konzeption, Realisation, Integration und das Teilen und Betreiben von Software und von Verfahren geschult werden. Im Rahmen dieser Umschulungsoffensive sollen auch verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um den Frauenanteil in der Informatikbranche zu erhöhen. Dieser beträgt in der Schweiz 4 Prozent, im Ausland hingegen bis zu 50 Prozent. Anders als bei der Parlamentari5854

schen Initiative Strahm geht es nicht um die Schaffung von Ausbildungsplätzen, sondern darum, durch Umschulung rasch die benötigten Fachkräfte aus weniger zukunftsorientierten Branchen im Informatiksektor einsetzen zu können.

1.3

Behandlung im Nationalrat

Der Nationalrat gab der Initiative am 24. März 2000 mit 107 zu 60 Stimmen Folge.

Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative wiesen auf den Nachfrageüberhang an Lehrstellen im Informatikbereich hin und dass dies eine Wachstumsbremse für die Industrie der Zukunft sei. Arbeitskräfte im Informatikbereich kämen vorwiegend aus dem dualen Ausbildungssystem, deshalb müssten Massnahmen sofort eingeleitet werden, um wenigstens in einigen Jahren einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage an ausgebildeten Informatikern zu haben.

Die Kommissionsmotion wurde vom Nationalrat mit 126 zu 41 Stimmen überwiesen. Der Ständerat überwies den Vorstoss am 28. September 2000 einstimmig als Postulat beider Räte. Der Rat wählte die schwächere Form des Postulates, weil er eine Umschulungsoffensive in diesem dynamischen Markt bereits nicht mehr als zeitgemäss erachtete.

1.4

Ausarbeitung einer Vorlage

Anlässlich der Sommersession 2000 wurde die Parlamentarische Initiative zur Ausarbeitung einer Vorlage wiederum der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates zugeteilt. Die Kommission setzte an ihrer Sitzung vom 14. August 2000 eine fünfköpfige Subkommission (Simoneschi, Fehr H.-J., Föhn, Theiler, Vollmer) ein. Diese hatte den Auftrag, eine Vorlage auszuarbeiten, die anschliessend den betroffenen Unternehmen zur Stellungnahme unterbreitet werden sollte. Die Subkommission führte fünf Sitzungen durch und erarbeitete mit der Unterstützung der Verwaltung Ergänzungen im Post-, Fernmelde- und Personenbeförderungsgesetz. Auch galt es, die Bestimmungen mit dem neuen Berufsbildungsgesetz zu koordinieren. Sodann unterbreitete die Kommission die Vorlage in einer kurzen Vernehmlassung einem spezifischen Kreis von Betroffenen.

1.5

Erwägungen der Kommission

Die Mehrheit der Kommission unterstützt die von der Subkommission ausgearbeitete Vorlage. Die Erhaltung des dualen Ausbildungssystems in der Schweiz sei von grosser Wichtigkeit; wenn jetzt keine Massnahmen ergriffen werden, so werden im IT-Bereich junge Leute bald nur noch in Schulen ausgebildet und damit das duale System grundsätzlich in Frage gestellt. Zur Ausbildung der Lehrlinge müssen deshalb auch ausländische Firmen mit einem anderen Erfahrungshintergrund beitragen.

Die Übergangsfrist von drei Jahren verschafft auch jungen oder kleineren Firmen genügend Zeit, um sich entsprechend vorzubereiten. Die Mehrheit erachtet die gewählte «kann»-Formulierung als besonders geeignet, da damit keine unnötige Überregulierung geschaffen wird, sondern der Bundesrat nur bei echten Missständen ein-

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greifen muss. Mit dieser neu geschaffenen Kompetenz sollen nicht zuletzt die betroffenen Unternehmen stimuliert werden, eine vermehrte Lehrlingsausbildung zu betreiben. Die Mehrheit stellt sich auf den Standpunkt, die Ausbildungspflicht trage zu einem faireren Wettbewerb bei, da für alle Marktteilnehmer die gleichen Voraussetzungen gelten. Sie betont zudem, das Vorgehen sei mit der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) abgesprochen und koordiniert.

Eine Kommissionsminderheit ist gegen ein Eintreten auf die Vorlage, da für sie grundsätzlich kein Handlungsbedarf von Seiten des Bundes besteht. Statt einer unnötigen Reglementierung soll den Unternehmen dieser Wachstumsbranche mehr Zeit eingeräumt werden, um ihre Bemühungen um die Lehrlingsausbildung fortzusetzen. Da die Ausbildung von Lehrlingen ebenfalls im Interesse der Firmen liegt, sind diese auch motiviert, ihre Anstrengungen zu vergrössern. Die Verknüpfung der Ausbildungspflicht mit der Erteilung einer Konzession ist dagegen unglücklich und ungerecht, da auch so nicht alle Unternehmen der Branche ­ zum Beispiel Internetprovider ­ von der Regelung erfasst werden, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Es scheint wenig sinnvoll die Lehrlingsausbildung hier vorzuschreiben, da der Bund ja im neuen Berufsbildungsgesetz auf eine Ausbildungsverpflichtung verzichtet. Ferner ist es stossend, wenn der Bund private Firmen zu etwas verpflichtet, das er selber nicht vorlebt.

2

Grundzüge der Vorlage

Die Parlamentarische Initiative verlangt, dass die negativen Auswirkungen der Liberalisierung im Bereich der Ausbildung abgefedert werden. Dieses Bedürfnis ist von Bundesrat und Parlament weitgehend anerkannt. Dazu wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht und gutgeheissen. Der Bundesrat selber hat an seiner Sitzung vom 23. August 2000 beschlossen, einen Kredit von 80 Millionen Franken für flankierende regionalpolitische Massnahmen in jenen Kantonen zu beantragen, die von den Umstrukturierungen der Swisscom, der SBB und der Post besonders betroffen sind.

Seit der Einreichung der Initiative wurde im Elektrizitätsmarktgesetz (EMG, SR.731.1) in Artikel 7 Absatz 3 eine Bestimmung zum Lehrstellenangebot aufgenommen. Diese lautet: «Der Bundesrat kann die Unternehmen nach Absatz 1 zur Erleichterung der Umstrukturierung und zur nachhaltigen Qualitätssicherung zu Umschulungsmassnahmen und zur beruflichen Grundausbildung (Lehrstellenangebot) verpflichten.

Weiter hat der Nationalrat am 7. März 2001, im Rahmen des oben erwähnten Aktionsprogramms des Bundesrates in der Vorlage «Wirtschaftliche Erneuerungsgebiete. Verlängerung (00.075) in Artikel 3 Absatz 1 Buchstab b eine Bestimmung aufgenommen, die wie folgt lautet: «Bürgschaften und Steuererleichterungen können für innovative und wertschöpfungsintensive Vorhaben industrieller Unternehmen und produktionsnaher Dienstleistungsbetriebe gewährt werden, wenn die unterstützten Unternehmen mittelfristig eine berufliche Grundausbildung (Lehrstellenangebot) sicherstellen.» Der Ständerat widersetzte sich in der gleichen Frühjahrssession einer solchen Vorschrift. Er erachtete es zwar als grundsätzlich richtig, die Unterstützung ansiedlungswilliger Unternehmen vom Angebot von Lehrstellen abhängig zu machen, aber im vorliegenden Gesetz am falschen Ort, weil es um die 5856

Ansiedlung von Unternehmungen in strukturschwächeren Regionen geht. Im Differenzbereinigungsverfahren verzichtete auch der Nationalrat auf die Vorschrift.

2.1

Vernehmlassungsergebnisse

Vom 18. April bis zum 15. Mai 2001 führte die Subkommission eine Vernehmlassung zur Berufsausbildungspflicht für konzessionierte Privatanbieter bei Telecom, Post und Bahnen unter einem spezifischen Kreis von interessierten Verbänden und Unternehmen durch. Neben einer grundsätzlichen Stellungnahme hatten die Vernehmlassungsteilnehmer die Möglichkeit, drei konkrete Fragen zu beantworten.

Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über die Antworten: Grundsätzliche Einschätzung Die Einführung einer zwingenden Ausbildungspflicht wird kontrovers beurteilt: Prinzipiell begrüsst wird sie von den Gewerkschaften, SBB und Post, während der Arbeitgeber- und die Telekom-Branchenverbände diese massiv kritisieren. Eine dritte Position nehmen die Swisscom und der VöV ein, die den Grundsatz vermehrter Ausbildung begrüssen, dabei aber nicht auf Reglementierung und Zwang setzen möchten.

Ein grösseres Angebot an qualifizierten Ausbildungsplätzen und eine bessere Chancengleichheit der Geschlechter erhofft sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) von der Initiative.

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und die Schweizerische Post (Post) sehen sich in ihren Ausbildungsbemühungen, die im Einklang mit den strategischen Zielvorgaben des Bundesrates stehen, bestätigt. Durch die gleiche Pflicht auch für Privatanbieter versprechen sie sich einen gerechteren Wettbewerb.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (Arbeitgeber), die Swiss Information and Communications Technology Association (SICTA) und der Verband Inside Telecom (VIT) wehren sich aus ordnungspolitischen Gründen massiv gegen einen derartigen staatlichen Eingriff ins Berufsbildungssystem. Für sie hat sich die freie Entfaltung der Wirtschaftspartner gut bewährt und sie befürchten, dass Zwangsmassnahmen kontraproduktiv sein könnten.

Scharf kritisiert wird ferner die Verknüpfung der Ausbildungspflicht mit der Konzessionsvergabe. Orange, SICTA, VIT und Swisscable ­ Verband für Kommunikationsnetze (Swisscable) monieren, dass damit einseitig die konzessionierten Privatanbieter getroffen würden, was zu einer klaren Wettbewerbsverzerrung führe. Sie argumentieren, dass mit einer solchen Regelung nur ein kleiner Teil der im Informations- und Kommunikationsmarkt tätigen Firmen erfasst würde.

Die Post weist darauf hin, dass der Ansatz via Konzession Auflagen zu machen,
sie in einer ohnehin schwierigen Wettbewerbssituation gegenüber den privaten Paketdiensten benachteiligen würde.

Auch der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) hält die Verknüpfung von Ausbildungspflicht und Konzessionsvergabe für unglücklich. Er regt an, dass statt einer generellen Ausbildungspflicht für konzessionierte Privatanbieter der Bundesrat denjenigen Branchen, die ihren Berufsbildungspflichten nicht nachkommen, solche auferlegen können sollte.

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Nicht nur als falsch, sondern auch als überflüssig erachten Orange, SICTA, VIT und Arbeitgeber die Initiative, da viele Firmen in dieser Branche ­ die in einem sehr starken Wandel und Wachstum begriffen ist ­ erstens sehr jung seien und zweitens bereits freiwillig grosse Ausbildungsanstrengungen unternommen hätten.

Eine generelle Schwächung der Attraktivität des Standortes Schweiz für Telekommunikationsanbieter könnte sich aus einer solchen Regelung ergeben, fürchten der VIT und Orange.

Die Initiative greife am falschen Ort, bemängelt Swisscable, da beispielsweise die (konzessionierten) Kabelnetzbetreiber in erster Linie im Nicht-Informatik-Bereich tätig seien.

Für die gesamte Branche des öffentlichen Verkehrs sei die Initiative bereits materiell erfüllt, meint der VöV. Eine weitere Reglementierung in diesem Bereich sei deshalb nicht nötig und auch nicht arbeitsmarktkonform.

Frage 1: Wie schätzen Sie die konkreten Auswirkungen für die betroffenen Firmen bzw. für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein?

Eine einseitige Belastung der konzessionierten Privatanbieter und damit einen Wettbewerbsnachteil befürchten der VIT, Swisscable und die SICTA, welche zudem an der Verfassungsmässigkeit einer solchen Regelung zweifelt.

Aus Sicht der SBB und der Post würden sich die Ausbildungskosten nach der neuen Regelung gerechter auf die verschiedenen Marktteilnehmer verteilen. Auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen sie zusätzliche Chancen durch ein grösseres Aus- und Weiterbildungsangebot.

Als Auswirkungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sieht die Swisscom die Gefahr, dass Firmen ihre (beschränkten) Mittel vorwiegend in die Lehrlingsausbildung investieren würde, während die Weiterbildungsbeiträge für alle andern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekürzt werden müssten.

Der SGB erkennt dank der zusätzlichen Ausbildungsanstrengungen eine Chance zur überfälligen Frauenförderung im Telekommunikationsbereich. Ein weiterer positiver Effekt wäre, dass vermehrt seriöse Grundausbildungen statt kurzfristige Intensivumschulungen angeboten würden.

Gerade bei kleineren Unternehmen könnten mehr Lehrstellen angeboten werden, glaubt der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband (sev). Kleinere und mittlere Verkehrsunternehmen müssten sich zu Ausbildungsverbünden zusammenschliessen.
Frage 2: Wie beurteilen Sie die Zahl der Lehrstellen pro Betrieb (Faustregel: Auf 100 Vollstellen 6 Lehrstellen)?

Als eindeutig zu hoch wird diese «Lehrstellen-Quote» von Orange beurteilt.

Trotz grundsätzlicher Unterstützung schätzt der sev die Zahl von 6/100 für den Verkehrsbereich als hoch ein.

Swisscom, VIT, Swisscable und Arbeitgeber lehnen sie ab, weil eine solche Quote zu starr sei und dem dynamischen Marktumfeld keine Rechnung trage.

Auch für die Post, SBB und den VöV ist die Quote zu wenig differenziert, je nach Qualifikationsanforderung und Branchenumfeld würden sich erheblich unterschied5858

liche Ausbildungsbedürfnisse ergeben. Würde eine solche Quote aber entsprechend offener formuliert, könnten sie diese gegebenenfalls unterstützen.

Frage 3: Wie beurteilen Sie die Übergangsfrist von drei Jahren?

SGB, sev, SBB, Post und VöV erachten eine Übergangsfrist von drei Jahen als angemessen. Der SGB verlangt zudem in diesem Punkt eine zwingende «wird»(und nicht «kann»)-Formulierung.

Die Swisscom wünscht sich eine vierjährige Frist, um den Übergang optimal auf ihre vierjährigen Lehren verteilen zu können.

Als denkbar erachtet Swisscable eine dreijährige Frist, lehnt diese aber zusammen mit dem ganzen Projekt ab.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Postgesetz

Zu Art. 4a Mit einem besonderen Artikel über die Berufsbildung, kann auch die die Post zur beruflichen Grundausbildung sowie zum Angebot der berufsorientierten Weiterbildung verpflichtet werden. Für die Post gilt damit dieselbe Ausgangslage wie für die anderen Marktteilnehmer, die einer Konzession bedürfen.

Zu Art. 5 Die Konzession, die in der Regel verschiedenste Pflichten der Konzessionärin beinhaltet, ist das geeignete Instrument für die Verankerung dieser neuen Verpflichtung.

Mit der Verankerung in der Konzession ist auch bestimmt, wer für den Vollzug der Vorschrift federführend zuständig ist: die Konzessionsbehörde.

3.2

Fernmeldegesetz

Zu Art. 6 Vgl. Erläuterung zu Art. 5 Postgesetz. Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, wonach die Ausbildungsplätze in der Schweiz bereitgestellt werden müssen, ist nicht erforderlich (vgl. auch erster Satz von Bst. c, wonach die arbeitsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden müssen; auch hier ist selbstverständlich, dass damit die schweizerischen Vorschriften gemeint sind). Gegebenenfalls kann die Konzessionsbehörde eine Verpflichtung in diesem Sinn bei der Anpassung der Konzession präzisieren.

Zu Art. 68a Die Frist von drei Jahren bezieht sich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens, das heisst, spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten müssen bestehende Konzessionen angepasst und muss die Pflicht zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verankert sein. Die Frist wurde so gewählt, dass es einerseits möglich ist, die Konzessionen anzupassen, und andererseits der Konzessionärin erlaubt, genügend Zeit für Aufbau und Einrichtung der für die Ausbildung nötigen Infrastruktur einzusetzen.

5859

3.3

Personenbeförderungsgesetz

Zu Art. 4 Vgl. Erläuterungen zu Art. 5 Postgesetz und Art. 6 Fernmeldegesetz.

Zu Art. 23a Vgl. Erläuterungen zu Art. 68a Fernmeldegesetz.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Direkte finanzielle Auswirkungen ergeben sich weder für den Bund noch die Kantone.

Indirekte finanzielle Auswirkungen ergeben sich insofern, als Bund und Kantone gemäss Berufsbildungsgesetz für den beruflichen Unterricht der Jugendlichen aufzukommen haben, welche eine Grundbildung in den betroffenen Unternehmen absolvieren. Diese Mehrausgaben fallen aber in Bezug auf die Gesamtausgaben von Bund und Kantonen für die berufliche Grundbildung kaum ins Gewicht und dürften sich im Rahmen der üblichen Schwankungen zwischen den einzelnen Bildungsjahren bewegen.

4.2

Vollzugstauglichkeit

Ob die betroffenen die Unternehmen der Ausbildungspflicht überhaupt nachkommen, wird von den die Konzessionen erteilenden Behörden zu prüfen sein. Der Aufwand für diese Überprüfung wird gering sein, wenn sie im Rahmen der üblichen Kontrollen der konzessionierten Unternehmen stattfindet.

Der Vollzug wird sich im herkömmlichen Rahmen der Berufsbildung halten: Die Kantone werden die Lehrverträge zu genehmigen und zu kontrollieren haben, ob die Unternehmen ihren Pflichten als Ausbilder gemäss Berufsbildungsgesetz nachkommen; ebenso werden sie für die Organisation des beruflichen Unterrichtes besorgt sein.

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