02.400 Parlamentarische Initiative Unterstützung zur Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 24. Januar 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, ihrem beiliegenden Gesetzesentwurf und dem Entwurf für eine Verordnung der Bundesversammlung zuzustimmen.

24. Januar 2002

Im Namen der Kommission

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Der Präsident: Charles-Albert Antille

2002-0236

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Übersicht Die Bundesverfassung weist dem Parlament und damit auch jedem seiner Mitglieder zentrale Aufgaben in unserem Bundesstaate zu. Die Ratsmitglieder haben die Aufgabe, die Interessen ihrer Wählerschaft bei der Gesetzgebung, bei der Wahl des Bundesrates, bei der Oberaufsicht über die Verwaltung, bei der Festlegung der Ausgaben des Bundes usw. zu vertreten. Die verschiedenen Interessen sollen sich in einem öffentlichen parlamentarischen Verfahren auseinander setzen; in einem demokratischen Entscheidprozess sollen tragfähige Mehrheitslösungen gefunden werden.

Die Erfüllung dieser Aufgaben stellt immer höhere Ansprüche. Die Belastung der einzelnen Ratsmitglieder ist derart gestiegen, dass die Ausübung des parlamentarischen Mandates für eine immer grössere Anzahl von Ratsmitgliedern mit grösseren finanziellen Opfern verbunden ist. Man muss sich ein Ratsmandat leisten können.

Das bedeutet, dass für viele interessierte und fähige Bürgerinnen und Bürger die Übernahme eines solchen Mandates gar nicht in Frage kommen kann. Die Repräsentativität des Parlamentes wird dadurch tendenziell gefährdet.

Zwar entwickelt das Parlament dauernd effizientere Verfahren zur besseren Bewältigung der Geschäftslast; damit allein wird sich das Problem der Überlastung nicht lösen lassen. Theoretisch denkbar wäre ein Verzicht auf Aufgaben des Parlamentes und damit auch auf Rechte des Parlamentes und seiner Mitglieder. Diese Aufgaben und diese Rechte sind aber in der Bundesverfassung festgelegt; eine entsprechende «Reform» wäre aufwändig und in demokratischer Optik auch gar nicht erwünscht.

Die Einführung eines Berufsparlamentes könnte zwar einen Beitrag zur Lösung der genannten Probleme der Überlastung und der Gefährdung der Repräsentativität leisten, würde aber gravierende Nachteile mit sich bringen. Die Staatspolitische Kommission (SPK) möchte daran festhalten, dass die Ratsmitglieder in der Regel ihren angestammten Beruf auch während ihrer Amtszeit in beschränktem Ausmass weiter ausüben, dadurch in besserem Kontakt mit ihrer Wählerschaft bleiben und Erkenntnisse aus ihrer Berufstätigkeit unmittelbar in ihre parlamentarische Tätigkeit einbringen können. Die Kommission möchte jeden weiteren Schritt in Richtung Berufsparlament vermeiden und verzichtet daher auf eine Erhöhung des eigentlichen Einkommens der Ratsmitglieder.
Die Lösung der SPK besteht darin, dass den Ratsmitgliedern wesentlich bessere Hilfsmittel zur Unterstützung bei der Ausübung ihres parlamentarischen Mandates zur Verfügung gestellt werden sollen. Insbesondere die Anstellung von persönlichen Mitarbeitenden soll es dem Ratsmitglied ermöglichen, sich auf seine wesentlichen, politischen Aufgaben konzentrieren zu können. Es soll entlastet werden von zeitaufwändigen administrativen Arbeiten (Informationen sammeln und aufbereiten, Akten zusammenstellen, Korrespondenzen erledigen usw.). Keine vergleichbare Funktion in Wirtschaft oder Verwaltung ist heute denkbar ohne eine solche Unterstützung.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Definition der Aufgaben des Parlamentes

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Definition der Aufgaben des Parlamentes im Schweizerischen Bundesstaat befasst. Die Ausarbeitung der am 18. April 1999 von Volk und Ständen angenommenen neuen Bundesverfassung hat die Gelegenheit geboten, die verfassungsmässigen Aufgaben der Bundesversammlung zu präzisieren und insbesondere auch ihr Verhältnis zum Bundesrat zu klären. Die Grundlage dazu lieferte der Zusatzbericht der SPK beider Räte vom 6. März 1997 zur Verfassungsreform (BBl 1997 III 245 ff.).

Die Neudefinition der Aufgaben des Parlamentes auf Verfassungsebene musste anschliessend auf der Ebene des Gesetzes umgesetzt werden. Die SPK hat mit Bericht vom 1. März 2001 (BBl 2001 3467 ff.) ihrem Rat den Entwurf für ein neues Parlamentsgesetz unterbreitet.

Wem Aufgaben zugewiesen werden, der sollte auch die zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen Mittel erhalten. Es lag nahe, dass sich der SPK bei der Ausarbeitung des Parlamentsgesetzes die Frage stellen musste, ob die heute den einzelnen Ratsmitgliedern zur Verfügung stehende Unterstützung noch genügt, um die in der Bundesverfassung und im Parlamentsgesetz definierten Aufgaben in den vorgesehenen Verfahren auf befriedigende Art und Weise wahrnehmen zu können. Die SPK hat am 30. März 2000 beschlossen, dass parallel zum Parlamentsgesetz die Entschädigung und die Infrastruktur der Ratsmitglieder diskutiert und eine separate Vorlage zu diesem Thema ausgearbeitet werden soll.

1.2

Das heutige Entschädigungsgesetz und seine Entstehungsgeschichte

Das Einkommen auf Grund der parlamentarischen Arbeit und die damit verbundenen Entschädigungen werden im Entschädigungsgesetz vom 18. März 1988 (SR 171.21) und im Bundesbeschluss zum Entschädigungsgesetz vom 18. März 1988 (SR 171.211) geregelt. Die Regelung baut auf drei Grundpfeilern auf: Erstens erhalten die Ratsmitglieder für ihre Tätigkeit eine Jahrespauschale als steuerbares Einkommen (Fr. 12 000.­) und eine Jahrespauschale für Spesen (Fr. 18 000.­); zweitens können die Ratsmitglieder für jeden Sitzungstag der Räte und Organe der Bundesversammlung ein Taggeld geltend machen (Fr. 400.­), das ebenfalls als steuerbares Einkommen zu betrachten ist; drittens werden die Auslagen für Mahlzeiten, Übernachtungen, Reisen und besondere Aufgaben im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit entschädigt. Die Beträge des Taggeldes und des Auslagenersatzes für Mahlzeiten, Übernachtungen und Reisen werden im Bundesbeschluss zum Entschädigungsgesetz geregelt. Die Jahrespauschalen werden demgegenüber im Entschädigungsgesetz selber festgesetzt (Art. 2). Der tiefe Betrag der Einkommens-

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jahrespauschale soll den ehrenamtlichen Charakter der parlamentarischen Arbeit bezeugen.

Eine erste grundlegende Diskussion über das Entschädigungssystem führte die Studienkommission «Zukunft des Parlaments» von 1974 (BBl 1978 II 1091 ff.). Die daraus resultierende Partialrevision (1983) und Totalrevision (1988) des Taggeldergesetzes (Vorläufer des Entschädigungsgesetzes) waren aber nur sanfte Modifizierungen.

Erst bei der Parlamentsreform von 1991 arbeitete das Parlament eine Vorlage aus, die im Bereich Infrastruktur und Entschädigung grundlegende Neuerungen vorschlug. Die Vorlage bestand aus drei verschiedenen Gesetzen, gegen die je das Referendum ergriffen wurde. In der Volksabstimmung vom 27. September 1992 wurden die Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes angenommen, die Revision des Entschädigungsgesetzes sowie das neue Infrastrukturgesetz hingegen abgelehnt. Letztere zwei Vorlagen hatten die Erhöhung der Einkommen und Entschädigungen und die Verbesserung der Infrastruktur der Parlamentsmitglieder zum Ziel. Neben einer «Grundentschädigung» von 50 000 Franken und einem Taggeld von 400 Franken hätten die Ratsmitglieder auch einen Kredit zur Anstellung von persönlichen Mitarbeitenden erhalten und wären für die Kosten ihrer Administration und Infrastruktur mit einem jährlichen Beitrag von 24 000 Franken entschädigt worden.

Die für die Ausarbeitung zuständigen Kommissionen prüften verschiedene Modelle für das Einkommen und die Entschädigung der Ratsmitglieder. Zur Diskussion stand ein Modell, nach dem die Ratsmitglieder jährlich mit einer fixen Pauschale besoldet worden wären; bei einem zweiten Modell hätten die Ratsmitglieder wählen können, ob sie ihr parlamentarisches Mandat als ein Voll- oder Halbamt ausüben wollen, womit sie entsprechend ihrer Wahl besoldet worden wären; eine dritte Lösung zielte darauf ab, den Erwerbs- und Lohnausfall der Ratsmitglieder zu ersetzen. Dem hergebrachten Modell des «Grundlohns» mit zusätzlichem Taggeld konnten jedoch am meisten Vorteile abgewonnen werden, weil einerseits der reale Aufwand der Ratsmitglieder adäquat und flexibel entschädigt werden kann und weil andererseits alle Ratsmitglieder unter die gleichen Bemessungsgrundlagen fallen. Die Kommission ging von einer «Grundentschädigung» von 80 000 Franken aus, sodass die Ratsmitglieder für 80­100 Sitzungstage
pro Jahr gesamthaft Bezüge von 112 000­120 000 Franken erhalten hätten. Die Räte kürzten die «Grundentschädigung» auf 50 000 Franken, sodass die Referendumsvorlage durchschnittliche Bezüge zwischen 82 000 und 90 000 Franken gebracht hätte (BBl 1991 III 796 ff.).

Als Folge des Volksentscheides von 1992 wurde die Entschädigungsproblematik in den 90er Jahren nicht mehr grundsätzlich diskutiert. Nur kleinere, meistens teuerungsbedingte Teilrevisionen wurden vorgenommen.

Im Herbst 1993 beantragte das Büro des Nationalrates mit einer parlamentarischen Initiative die Erhöhung der Fraktionsbeiträge um rund 15 Prozent (93.442). Der Grundbeitrag an jede Fraktion sollte neu 70 000 Franken und der Beitrag pro Mitglied 12 000 Franken betragen. Im Differenzbereinigungsverfahren wurde der Grundbeitrag auf 58 000 Franken und der Beitrag pro Mitglied auf 10 500 Franken korrigiert, sodass die reale Erhöhung dem Teuerungsausgleich zwischen 1990 und 1993 entsprach.

Auf Initiative des Büros des Nationalrates (96.400) wurde 1996 die Vorsorgeregelung für die Parlamentsmitglieder BVG-konform ausgestaltet. Die Parlamentsmit3988

glieder erhalten gemäss dieser Regelung einen Vorsorgebeitrag entsprechend dem zulässigen Höchstbetrag an anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a; Stand 1.1.2002: 5933 Franken).

Ebenfalls im Rahmen der Vorlage 96.400 wurden die Spesenentschädigungen leicht erhöht. Zur Diskussion standen die Reise-, Distanz-, Mahlzeiten- und Übernachtungsentschädigungen.

1999 glichen die Räte die Fraktionsbeiträge mit einer parlamentarischen Initiative des Büros des Nationalrates nochmals der Teuerung an (99.414). Neu erhalten die Fraktionen 60 000 Franken als Grundbeitrag und pro Mitglied 11 000 Franken. Eine Erhöhung der Entschädigung der Ratsmitglieder zu einem Zeitpunkt, als zur Sanierung der Bundesfinanzen Ausgaben gekürzt werden mussten, lehnten bereits die Büros in ihrem Bericht ab.

Auf der Grundlage der Vorlage der Ratsbüros vom 25. August 2000 (00.434) hat die Verordnung der Bundesversammlung vom 6. Oktober 2000 das seit 1990 unverändert gebliebene Einkommen der Ratsmitglieder (,,Jahresentschädigung als Entgelt für Vorbereitungsarbeiten" und Taggelder) mit einer Erhöhung des Taggeldes von 300 auf 400 Franken an die seit 1990 aufgelaufene Teuerung angepasst. Gleichzeitig wurden die Fraktionsbeiträge auf einen Grundbeitrag an jede Fraktion von 90 000 Franken und einen Beitrag pro Mitglied von 16 500 Franken deutlich erhöht.

1.3

Erste Diskussionen und Grundsatzentscheide in der Kommission

Im Rahmen der Ausarbeitung des neuen Parlamentsgesetzes (01.401) diskutierte die SPK am 30. März 2000 das Entschädigungssystem. Sie befand, dass eine vertiefte Auseinandersetzung nach neun Jahren angebracht ist und traktandierte für die Sitzung vom 31. August 2000 eine Grundsatzdiskussion.

An dieser Sitzung fasste die Kommission insbesondere den Grundsatzentscheid, dass der Bereich der Infrastruktur ausgebaut werden sollte. Die Ratsmitglieder sollen einen Betrag erhalten, mit dem sie persönliche Mitarbeitende anstellen können.

Die Kommission lehnte es aber ab, die Einkommensjahrespauschale wesentlich zu erhöhen und Kinderzulagen einzuführen.

In ihrer Sitzung vom 26. April 2001 diskutierte die Kommission den vom Sekretariat auf Grund der Grundsatzentscheide vorgelegten Vorentwurf einer Vorlage. Sie befand, dass die Diskussion um das Einkommen und die Entschädigung der Ratsmitglieder seit der Abstimmung von 1991 einer heftigen Polarisierung ausgesetzt ist.

Um die Diskussion zu versachlichen, sollte deshalb zuerst ein Gutachten eingeholt werden, das den Wert der parlamentarischen Arbeit untersucht.

In der gleichen Sitzung unterstützte die Kommission das Begehren der parlamentarischen Initiative Maury Pasquier (01.415), die ein Sitzungstaggeld für den Krankheitsfall einführen will. Dieses soll zusammen mit einer Revision der Bestimmungen über die berufliche Vorsorge der Ratsmitglieder in einer zweiten separaten Vorlage dem Rat unterbreitet werden.

3989

1.4

Untersuchung der Firma «Eco'Diagnostic»

Mit Genehmigung des Büros des Nationalrates vom 11. Juni 2001 beauftragte die Kommission die Firma Eco'Diagnostic1 aus Genf mit der Ausarbeitung des Gutachtens. Ausgehend von Befragungen von Parlamentsmitgliedern und der Analyse des gegenwärtigen Anreizsystems sollte das Gutachten hauptsächlich ein analytisches Profil der parlamentarischen Arbeit liefern und einen Arbeitswertvergleich zu Wirtschaft, Bund und Non-profit-Organisationen anstellen. Das Gutachten wurde in der Sitzung vom 8. November 2001 vorgestellt und von der Kommission zur Kenntnis genommen.2 Das Gutachten kommt zum Schluss, dass das Einkommen und die Entschädigungen der Ratsmitglieder gemessen an ihrem Aufwand, aber auch im Vergleich zu ähnlichen Tätigkeiten in der Privatwirtschaft nicht angemessen ist. Eine Übersicht über die momentane Arbeitsbelastung der Ratsmitglieder ergibt sich aus den Resultaten der Umfrage bei den Ratsmitgliedern.3 Für die parlamentarische Arbeit wendet ein Ratsmitglied durchschnittlich 56 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit auf. 82,6 Prozent der Ratsmitglieder reduzierten deshalb ihre berufliche Tätigkeit; 47,4 Prozent der Ratsmitglieder nahmen eine Reduzierung des Gesamteinkommens in Kauf. Das parlamentarische Mandat führt nicht unbedingt zu einem beruflichen Fortkommen.

Bei fast 60 Prozent der Parlamentarierinnen und bei 37,4 Prozent der Parlamentarier wirkt sich das parlamentarische Mandat hemmend auf das berufliche Fortkommen aus. Nur gerade 15,4 Prozent der Parlamentarierinnen und 26,1 Prozent der Parlamentarier können dagegen eine Förderung verzeichnen.

Gesamthaft bezeichnen sich nur noch 32,5 Prozent der Ratsmitglieder als «Milizpolitikerin oder -politiker». 46,8 Prozent sehen sich als «Halbberufspolitikerin oder -politiker» und 20,8 Prozent (10% mehr gegenüber der Umfrage von 1991) als «Berufspolitikerin und -politiker». Die zeitliche Belastung durch das parlamentarische Mandat ist von Rat zu Rat und von Ratsmitglied zu Ratsmitglied verschieden. Dementsprechend wird auch das Entschädigungssystem unterschiedlich bewertet. Die Mitglieder des Ständerates (87%) und die Parlamentarierinnen (78,4%) empfinden Einkommen und Entschädigungen am stärksten als ungenügend. Aber auch für die Hälfte derjenigen Ratsmitglieder, die sich als Milizpolitiker betrachten, sind das Einkommen und die Entschädigungen ungenügend.
Die Ratsmitglieder bewerten die Leistungen der Parlamentsdienste als gut bis sehr gut, möchten aber den Bereich Infrastruktur weiter ausbauen. Mehr als 80 Prozent der Ratsmitglieder wünschen vor allem eine inhaltliche oder administrative Unterstützung in Form von persönlichen Mitarbeitenden. Damit könnten sie bis zu 46 Prozent der Arbeit delegieren, die sie nicht stufengerecht wahrnehmen. Aus der Umfrage ergibt sich, dass sich heute nur gerade 29 Prozent der befragten Ratsmitglieder eine solche Infrastruktur aus privaten Mitteln leisten können.

1 2

3

Projektleitung: Paul Krüger; wissenschaftliche Verantwortung: Alain M. Schoenenberger; konzeptionelle Recherchen und Umsetzung: Michael Derrer.

Es kann bei der Dokumentationszentrale der Parlamentsdienste, 3003 Bern bezogen werden und ist im Internet einsehbar unter http://www.parlament.ch (Rubrik «E-Doc», Unterrubrik «Veröffentlichungen/Kommissionsberichte»).

Die Gutachterin befragte dazu mittels Fragebogen alle Ratsmitglieder und lud zwölf Mitglieder des Nationalrates und des Ständerates zu einem vertiefenden Gespräch ein.

Von den 246 verschickten Fragebögen wurden 161 ausgefüllt zurückgeschickt. Das entspricht einer statistischen Auswertungsquote von 65,5%.

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2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Die Aufgaben der Ratsmitglieder

Die Analyse der Aufgaben der Ratsmitglieder und die Analyse allfälliger Probleme bei der Erfüllung dieser Aufgaben muss die Grundlage liefern für die Zuteilung von Mitteln zur Bewältigung der Aufgaben.

Die Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999 weist der Bundesversammlung ­ und damit auch jedem einzelnen ihrer Mitglieder ­ eine zentrale Funktion im demokratischen Rechtsstaat zu. An erster Stelle steht dabei die Aufgabe der Gesetzgebung und der Ausarbeitung von Verfassungsänderungen. Das Parlament legt damit die Grundlagen jedes staatlichen Handelns fest und bestimmt in mannigfacher Beziehung die Lebensumstände der Menschen, die in diesem Lande leben. Vorbehalten bleiben die Initiativ- und Referendumsrechte der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger, wobei das Referendumsrecht auf den Parlamentsrechten aufbaut. Neben der Gesetzgebung hat die Bundesversammlung und haben ihre einzelnen Mitglieder auch die Aufgabe, die Wahl der obersten Magistratspersonen vorzunehmen, die Ausgaben des Bundes festzulegen und die Oberaufsicht über die Tätigkeit der anderen Bundesbehörden und Träger von Aufgaben des Bundes auszuüben. Zu diesen traditionellen Aufgaben des Parlamentes kommen die Mitwirkung bei den wichtigen Planungen, die Beteiligung an der Gestaltung der Aussenpolitik und die Überprüfung der Wirksamkeit der Massnahmen des Bundes.

Indem die Bundesversammlung alle diese Zuständigkeiten ausübt, nimmt sie eine Repräsentations- und Legitimationsfunktion wahr, die eigentliche «raison d'être» eines Parlamentes. Die Mitglieder der Bundesversammlung haben die zentrale Aufgabe, ihre Wählerinnen und Wähler mit ihren vielfältigen und unterschiedlichen Interessen zu vertreten. Durch die öffentliche parlamentarische Auseinandersetzung und durch die demokratische Entscheidfindung stellt das Parlament die Legitimität staatlichen Handelns her. Diese Legitimität ist Voraussetzung für die Akzeptanz und damit für die Effektivität staatlichen Handelns. Wer sich im Parlament vertreten fühlt, wer sieht, dass dort seine Meinungen und Interessen artikuliert und öffentlich diskutiert werden, wer sieht, dass Verwaltung und Regierung kontrolliert werden und dass bei Missständen eingegriffen wird, der kann den Staat als «seinen» Staat empfinden.

Die neue Bundesverfassung akzentuiert das individualistische Repräsentationsverständnis
des schweizerischen Parlamentarismus, indem sie neben dem Initiativrecht des einzelnen Ratsmitglieds auch sein Antragsrecht garantiert. Anders als in anderen Parlamenten kann ein einzelnes Ratsmitglied in der Bundesversammlung nicht nur im grösseren Kollektiv einer Fraktion Wirkung entfalten, sondern sollte sich auch als individuelle Repräsentantin oder als individueller Repräsentant ihrer oder seiner Wählerschaft im Rat einbringen können.

Die Aufgaben der Ratsmitglieder sind in den letzten Jahrzehnten immer anspruchsvoller geworden. Neue Politikbereiche, die vor 30 oder 40 Jahren noch nicht oder nur am Rande aktuell waren, wie z.B. die Asyl- oder die Umweltpolitik, verlangen nach Lösungen. Die Gesellschaft hat sich zunehmend fragmentiert: Neben die traditionellen grösseren Interessengruppen wie z.B. die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerverbände ist eine immer grössere Anzahl von partikulären Interessengruppen getreten, die alle legitimerweise im Parlament vertreten sein wollen.

3991

2.2

Probleme bei der Aufgabenerfüllung: Überlastung der Ratsmitglieder und gefährdete Repräsentativität des Parlamentes

Das Gutachten der Firma «Eco'Diagnostic» (siehe Ziff. 14) bestätigt den subjektiven Eindruck der meisten Ratsmitglieder und Beobachter des Parlamentsbetriebes: Der Aufwand für die Ausübung des parlamentarischen Mandates hat ein sehr hohes Ausmass erreicht. Die Ratsmitglieder widmen im Durchschnitt 56,7 Prozent ihrer gesamten Arbeitszeit ihrem parlamentarischen Mandat. Über 40 Prozent der Ratsmitglieder arbeiten 60­70 Stunden in der Woche, über 20 Prozent sogar mehr als 70 Stunden in der Woche.

Die starke Belastung der Ratsmitglieder durch ihr parlamentarisches Mandat hat zur Folge, dass über 80 Prozent der Ratsmitglieder ihre angestammte berufliche Tätigkeit wegen dem Parlamentsmandat reduzieren mussten. Fast die Hälfte der Ratsmitglieder hat wegen ihrem parlamentarischen Mandat einen Einkommensverlust erlitten. Mit anderen Worten: Offensichtlich ist die Übernahme eines parlamentarischen Mandates in sehr vielen Fällen mit Opfern verbunden. Man muss sich ein solches Mandat leisten können. Für viele Kategorien von Stimmberechtigten kommt die Übernahme eines solchen Mandates allein schon aus finanziellen Gründen nicht in Frage oder wird zumindest äusserst schwierig. Ist das Ratsmitglied Arbeitnehmer, so braucht es einen grosszügigen Arbeitgeber. Ist das Ratsmitglied selbstständig erwerbend, so muss es während seiner Abwesenheit vom Betrieb eine Vertretung bezahlen können.

An die Stelle eigener finanzieller Mittel oder zusätzlich zu solchen Mitteln können auch fremde Ressourcen treten. Zirka 30 Prozent der Ratsmitglieder erhalten von ihrer nichtparlamentarischen Berufstätigkeit her organisatorische, räumliche oder personelle Unterstützung. Die privilegierte Stellung dieser Gruppe erscheint unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit aller Stimmberechtigten, ein parlamentarisches Mandat ausüben zu können, besonders problematisch.

2.3

Lösungsvorschläge

2.3.1

Berufsparlament?

Die Einführung eines Berufsparlamentes könnte die genannten Probleme, die heute bei der Erfüllung der Aufgaben der Ratsmitglieder auftreten, lösen. Jede wählbare Person könnte ein parlamentarisches Mandat auch tatsächlich übernehmen. Dank der Entlastung vom ausserparlamentarischen Beruf würde mehr Zeit für das parlamentarische Mandat zur Verfügung stehen.

Die Kommission möchte aber daran festhalten, dass die Ratsmitglieder ihren angestammten Beruf in der Regel auch während ihrer Amtszeit in beschränktem Ausmass weiter ausüben. Die Ratsmitglieder können auf diese Weise in ihrem Alltag in besserem Kontakt mit ihrer Wählerschaft bleiben; sie gewinnen Erkenntnisse aus ihrer Berufstätigkeit, die sie unmittelbar in ihre parlamentarische Tätigkeit einbringen können. Politik und Gesellschaft bleiben in engem Kontakt, statt sich voneinander zu entfremden.

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Die Kommission möchte jeden weiteren Schritt in Richtung Berufsparlament vermeiden und verzichtet daher auf eine Erhöhung des eigentlichen Einkommens der Ratsmitglieder. Dieses besteht heute aus dem «Entgelt für Vorbereitungsarbeiten» von 12 000 Franken (Jahrespauschale) und den Taggeldern von 400 Franken pro Sitzungstag. Daraus resultiert ein steuerbares Durchschnittseinkommen von ca.

56 000 Franken für Mitglieder des Nationalrates und zirka 65 000 Franken für Mitglieder des Ständerates. Es ist klar, dass es sich bei diesen Beträgen in der Regel nur um Teilzeiteinkommen handeln wird. Die Ratsmitglieder werden angesichts der Höhe dieses Einkommens in der Regel veranlasst sein, weiterhin auch ihrer angestammten Berufstätigkeit nachzugehen.

2.3.2

Effizientere Verfahren und Aufgabenverzicht?

Immer wieder ist das Argument zu hören, die Überlastung des Parlamentes sei «hausgemacht». Die Effizienz des Parlamentsbetriebes lasse schwer zu wünschen übrig. «Statt Prioritäten zu setzen und klare Grundzüge der Politik festzulegen, wird in Bern weiterhin um Details gerungen, fehlt eine klare Orientierung, und die Parlamentarier verlieren sich in einem Kampf an allen Fronten» (aus den Argumenten des Referendumskomitees im «Abstimmungsbüchlein» für die Volksabstimmung vom 27. September 1992).

Selbstverständlich ist es Aufgabe des Parlamentes, möglichst effiziente Verfahren zur Bewältigung der Geschäftslast anzuwenden. Die SPK hat nach jahrelanger intensiver Vorarbeit am 1. März 2001 den Entwurf eines neuen Parlamentsgesetzes vorgelegt. In diesem Rahmen wurde das ganze parlamentarische Verfahren systematisch unter dem Gesichtspunkt überprüft, wie die Verfahren effizienter ausgestaltet werden können.

Reformen des Verfahrens sind zwar sicher nötig und werden auch immer wieder vorgenommen; mit ihnen allein wird das Problem der Überlastung des Parlamentes und seiner Mitglieder sicher nicht gelöst werden können.

Eine Entlastung könnte nur dann herbeigeführt werden, wenn die Aufgaben und damit auch die Rechte des Parlamentes und seiner Mitglieder spürbar reduziert würden. Diese Aufgaben und Rechte sind nun allerdings gerade vor kurzer Zeit nach intensiver Überprüfung und Diskussion mit der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 bekräftigt und teilweise sogar ausgebaut worden. Man hätte auch in die andere Richtung gehen und parlamentarische Aufgaben und Rechte abbauen können. Andere Länder kennen z.B. kein umfassendes individuelles Antrags- und Initiativrecht jedes Ratsmitglieds, oder Vorlagen der Regierung können durch das Parlament nicht im Detail abgeändert werden. Solche Vorschläge standen aber nie zur Diskussion; dazu konnte unter demokratischem Gesichtspunkt auch gar kein Anlass bestehen.

Es bleibt das Postulat im Raum stehen, dass sich das Parlament vermehrt auf die Behandlung der wesentlichen Fragen beschränken sollte. Doch wer ist dazu befugt, darüber zu entscheiden, was wesentlich ist und was nicht? Niemand anderes als das Parlament selbst bzw. vor allem seine vorberatenden Kommissionen können im demokratischen Staat diese notwendige Selektionsfunktion wahrnehmen. Allgemeine Appelle zur Beschränkung auf das «Wesentliche», die meistens von der stillschweigenden Voraussetzung ausgehen, dass nur die eigenen Anliegen wesentlich sind, 3993

sind dabei wenig hilfreich. Nützlicher sind geeignete Verfahren zur Selektion der mehrheitsfähigen Anliegen.

Bei jeder Verfahrensreform ist allerdings zu bedenken, dass die Leistung eines Parlamentes nicht nur an seiner Effizienz im Sinne des «Outputs» gemessen werden darf. Der «Input», d.h. das Einbringen von Ideen und von Interessen, ist im Hinblick auf die Erfüllung der zentralen Aufgabe der Repräsentation der Gesellschaft und der Legitimation staatlichen Handelns (siehe oben Ziff. 2.1) von ebenso grosser Bedeutung.

2.3.3

Bessere Unterstützung der Ratsmitglieder

Wenn das Einkommen der Ratsmitglieder nicht erhöht werden soll und ihre verfassungsmässigen Aufgaben und Rechte nicht reduziert werden sollen, so bleibt eine weitere mögliche Lösung: Den Ratsmitgliedern sollen wesentlich bessere Hilfsmittel zur Unterstützung bei der Ausübung ihres parlamentarischen Mandates zur Verfügung gestellt werden.

Die parlamentarische Infrastruktur ist zwar in den letzten Jahren bereits erheblich ausgebaut worden. Mit den getroffenen Massnahmen wurden aber in erster Linie die parlamentarischen Organe (Kommissionen und Fraktionen) unterstützt, weniger die einzelnen Ratsmitglieder. Die Unterstützung der Fraktionssekretariate wurde seit 1990 mehr als vervierfacht; die Erfahrung zeigt, dass die einzelnen Fraktionsmitglieder davon wenig profitiert haben. Der Ausbau der Parlamentsdienste zu Beginn der 90er-jahre diente vor allem dem Aufbau leistungsfähiger Sekretariate der ständigen Kommissionen. Der Ausbau der Informatikdienstleistungen diente zwar auch den einzelnen Ratsmitgliedern. Demgegenüber ist die Dokumentationszentrale der Parlamentsdienste, die den einzelnen Ratsmitgliedern für die inhaltliche Unterstützung zur Verfügung steht, seit den 80er-jahren nicht weiter ausgebaut worden.

Die Umfrage der Firma «Eco'Diagnostic» hat mit aller Deutlichkeit ergeben, dass das grösste Manko bei der personellen Unterstützung der einzelnen Ratsmitglieder besteht. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen in den meisten anderen europäischen Parlamenten stehen den Mitgliedern der eidgenössischen Räte keine Mittel zur Verfügung, um administrative oder wissenschaftliche Hilfskräfte anstellen zu können. 84,7 Prozent der antwortenden Ratsmitglieder erklärten sich mit der Aussage «einverstanden» oder «eher einverstanden», dass jedes Ratsmitglied über ein entsprechendes Budget verfügen sollte. Die Untersuchung von «Eco'Diagnostic» hat weiter ergeben, dass fast die Hälfte des Aufwandes der Ratsmitglieder auf Aktivitäten fällt, die sie an solche Hilfskräfte delegieren könnten.

Die Anstellung von persönlichen Mitarbeitenden würde also dem Ratsmitglied ermöglichen, sich auf seine wesentlichen, politischen Aufgaben konzentrieren zu können. Es könnte sich entlasten von zeitaufwändigen administrativen Arbeiten (Informationen sammeln und aufbereiten, Akten zusammenstellen, Korrespondenzen erledigen
usw.). Keine vergleichbare Funktion in Wirtschaft oder Verwaltung ist heute denkbar ohne eine solche Unterstützung.

Indem jedes Ratsmitglied die Möglichkeit erhält, persönliche Mitarbeitende anzustellen, würde auch die Privilegierung der Ratsmitglieder etwas vermindert, welchen

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heute bereits von Seite Dritter (Verbände, grössere Unternehmungen usw.) solche personelle Unterstützung zur Verfügung gestellt wird.

Die heutige pauschale Jahresentschädigung von 18 000 Franken «als Entgelt für allgemeine Unkosten und Inkonvenienzen» wird beibehalten «als Beitrag zur Deckung der Sachausgaben, die der Erfüllung des parlamentarischen Mandates dienen». Zur Anstellung von persönlichen Mitarbeitenden und zur Erteilung von Aufträgen, die der Erfüllung des parlamentarischen Mandates dienen, wird neu ein Kredit von 40 000 Franken zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag wird dem Ratsmitglied nicht direkt ausbezahlt. Die Administration der Anstellungsverhältnisse und der Aufträge erfolgt über die Parlamentsdienste. Diese Regelung bringt gegenüber der Auszahlung eines Pauschalbetrages an das Ratsmitglied verschiedene Vorteile mit sich.

Einerseits kann kein Anlass zu Verdächtigungen entstehen, dass dieser Betrag schlussendlich doch nur der «Bereicherung» des Ratsmitglieds dient, statt für die Unterstützung bei der Ausübung des Parlamentsmandates verwendet zu werden.

Andererseits wird das Ratsmitglied auch zusätzlich entlastet, indem ihm die recht aufwändige Personaladministration (Lohnzahlungen, Pensionskassenregelungen usw.) abgenommen wird. Vertragspartner sind aber das Ratsmitglied und sein persönlicher Mitarbeiter. Das heisst, dass natürlich das Ratsmitglied zuständig ist für die Auswahl seiner persönlichen Mitarbeiter; alles Weitere wird ihm aber von der dafür spezialisierten Dienststelle der Parlamentsdienste abgenommen. Die Verwaltungsdelegation legt verbindlich Normverträge für die Anstellung fest, was eine einheitliche Praxis garantiert und Missständen vorbeugt. Die Sozialleistungen für die persönlichen Mitarbeitenden müssen ebenfalls durch den Kredit finanziert werden.

Der Betrag von 40 000 Franken (für Entlöhnung und Sozialleistungen) ist relativ bescheiden und erlaubt einem Ratsmitglied die Anstellung einer Teilzeitkraft, die höchstens ein Halbzeitpensum wahrnimmt. Es dürfte daher in vielen Fällen zweckmässig sein, dass zwei oder mehrere Ratsmitglieder ihre Kredite verbinden, um zusammen eine Vollzeitkraft und/oder mehrere persönliche Mitarbeitende mit verschiedenen Aufgaben (z.B. administrative oder wissenschaftliche Unterstützung, Tätigkeit im Wohnkanton oder in Bern) anzustellen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Änderung des Entschädigungsgesetzes (neu: Parlamentsinfrastrukturgesetz)

Titel, Terminologie im Allgemeinen Der neue Kurztitel «Parlamentsinfrastrukturgesetz» gibt den Inhalt des Gesetzes zwar auch nicht vollständig, aber umfassender wieder als der bisherige Kurztitel «Entschädigungsgesetz».

Der Begriff der «Entschädigungen» wird bisher in undifferenzierter Form sowohl für das steuerbare (Teilzeit-)Einkommen der Ratsmitglieder als auch für die nicht steuerbaren eigentlichen Spesenentschädigungen verwendet. Die erstere Verwendung entspricht nicht den Tatsachen und dem sonst üblichen Sprachgebrauch. Die undifferenzierte Verwendung des Begriffs «Entschädigung» dürfte mitverantwortlich sein dafür, dass in der Öffentlichkeit immer wieder die Einkommen und die eigentlichen

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Entschädigungen addiert und beides zusammen in irreführender Weise als Gesamteinkommen der Ratsmitglieder dargestellt wird.

Art. 1 Artikel 1 Absatz 1 wiederholt in seiner heutigen Form («Die Mitglieder des Nationalrates werden vom Bund entschädigt») fast wörtlich Artikel 79 der alten BV von 1874. Absatz 2 entspricht Artikel 81 der alten BV, wonach die Mitglieder des Ständerates von den Kantonen entschädigt werden. Das Gesetz differenziert dann allerdings gegenüber dem Wortlaut der alten BV, dass die Kantone nur die Teilnahme an den Ratssitzungen entschädigen und die Jahresentschädigung übernehmen. Im Übrigen, d.h. insbesondere für die Teilnahme an den Kommissionssitzungen, werden die Mitglieder des Ständerates vom Bund entschädigt.

Nachdem die genannten Bestimmungen der BV von 1874 in der neuen BV nicht übernommen worden sind und die Regelung dieser Frage also dem Gesetzgeber überlassen bleibt, können die beiden Räte bezüglich Einkommen und Entschädigung der Ratsmitglieder neu gleich behandelt werden. Die SPK hatte bereits in ihrer Vorlage vom 21. Oktober 1994, deren Behandlung später wegen der Reaktivierung der Bestrebungen für eine Totalrevision der Bundesverfassung ausgesetzt worden war, unter verschiedenen anderen Punkten unter anderem auch diese Gleichbehandlung der Räte vorgeschlagen (BBl 1995 I 1133). Die Kantone hatten in der Vernehmlassung diesem Vorschlag mit grosser Mehrheit zugestimmt. Wie bereits Jean-François Aubert festgestellt hatte (Komm. aBV, Art. 83, Rz. 2), passt die teilweise Entschädigung der Mitglieder des Ständerates durch die Kantone schlecht zum Charakter des Ständerates als Bundesbehörde.

Im Weiteren soll auch in Artikel 1 die Terminologie den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und der Begriff «Entschädigung» nicht mehr für das Einkommen der Ratsmitglieder verwendet werden (vgl. Erläuterungen zum Titel der Vorlage).

Art. 2 In Artikel 2 wird neu nur noch das steuerbare (Teilzeit-)Einkommen der Ratsmitglieder geregelt. Die Jahrespauschale dient wie bisher der «Vorbereitung der Ratsarbeit» (d.h. der Rats- und Kommissionssitzungen). Die bisher im selben Artikel enthaltene nicht steuerbare pauschale Aufwandentschädigung wird in den neuen Artikel 3a transferiert.

Die Höhe des Jahreseinkommens wird neu auf Verordnungsstufe geregelt (siehe dazu die Erläuterung unter Ziffer
5.2, Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen), dort aber auf derselben Höhe belassen (siehe dazu die Erläuterung unter Ziff. 2.3.1, Berufsparlament?).

Art. 3a und 3b Die pauschale jährliche Aufwandentschädigung, die bisher zusammen mit dem steuerbaren Jahreseinkommen in Artikel 2 geregelt wurde, wird klar getrennt vom Jahreseinkommen und in einem separaten Artikel aufgenommen. Dieser neue Artikel wird nach dem Artikel 3 über die Taggelder platziert, da die Taggelder ja ebenfalls zum Einkommen und damit in die Nachbarschaft von Artikel 2 gehören. Zugleich wird der Verwendungszweck dieser Aufwandentschädigung präzisiert, indem nicht 3996

wie bisher von reichlich unbestimmten «allgemeinen Unkosten und Inkonvenienzen», sondern von «Sachausgaben» gesprochen wird.

Die Höhe der Entschädigungen wird neu auf Verordnungsstufe geregelt (siehe dazu die Erläuterung unter Ziff. 5.2, Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen). Dort wird die bisherige Pauschalentschädigung von 18 000 Franken substanziell erhöht auf insgesamt 58 000 Franken (Pauschalentschädigung für Sachausgaben von 18 000 Franken und Kredit von maximal 40 000 Franken für die Anstellung von persönlichen Mitarbeitenden). Siehe dazu die Erläuterung unter Ziffer 2.3.3, Bessere Unterstützung der Ratsmitglieder.

Art. 5 Artikel 5 regelt bisher einerseits zahlreiche nicht gesetzeswürdige Einzelheiten der Reiseentschädigung, bietet aber andererseits keine genügende gesetzliche Grundlage für die Ausrichtung von Entschädigungen für gewisse Reisekosten, die bei der parlamentarischen Reisetätigkeit in der Praxis anfallen (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 4 der Verordnung zum Parlamentsinfrastrukturgesetz). Die neue Formulierung deckt alle Formen der Reiseentschädigung ab; die Einzelheiten werden in der Verordnung geregelt.

Art. 14 Die Terminologie von Artikel 14 muss angepasst werden. Der nicht dem Referendum unterstehende «Bundesbeschluss» wird gemäss Artikel 163 Absatz 1 BV zu einer Verordnung der Bundesversammlung. Die «Entschädigungen» werden zu «Einkommen und Entschädigungen» (vgl. die Erläuterungen zum Titel). Die Erwähnung der Regelung der Fortzahlung im Krankheitsfall ist nicht notwendig, da diese Regelung ebenfalls Teil der «Ausführung dieses Gesetzes» ist.

Der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung obliegt gemäss Artikel 38 des Entwurfes zum Parlamentsgesetz «die oberste Leitung der Parlamentsverwaltung» (BBl 2001 3632). Die administrativen Zuständigkeiten im Anwendungsbereich des Parlamentsinfrastrukturgesetzes werden daher von den Ratsbüros an die Verwaltungsdelegation übertragen (vgl. auch Art. 1a, Art. 3 Abs. 5, Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 4 des nachfolgenden Verordnungsentwurfs).

3.2

Änderung des Bundesbeschlusses zum Entschädigungsgesetz (neu: Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsinfrastrukturgesetz)

Art. 1 und 1a Vgl. Ziffer 2.3.3 und die Erläuterungen zu Artikel 2, 3a und 3b des Gesetzes.

Der Verzicht auf die bisher in Artikel 1 Absatz 1 vorgenommene Festlegung, dass die Jahrespauschalen «in vierteljährlichen Raten» ausbezahlt werden, ermöglicht einen Wechsel zu einem anderen Auszahlungsmodus, falls dies aus technischen Gründen zweckmässig erscheint.

3997

Art. 3 In Analogie zur Änderung von Artikel 14 Absatz 2 Entschädigungsgesetz wird auch hier eine bisher von den Ratsbüros wahrgenommene Kompetenz an die Verwaltungsdelegation übertragen.

Art. 4 Einige Regelungen werden vom Gesetz (Art. 5 Entschädigungsgesetz) in die Verordnung herabgestuft: ­

Absatz 1 entspricht Artikel 5 Absatz 1 Entschädigungsgesetz.

­

Absatz 2 entspricht Artikel 5 Absatz 3 Entschädigungsgesetz. Eine kleine Änderung besteht darin, dass der Bund nicht eine Kaskoversicherung abschliessen muss, sondern Schäden auch direkt decken kann.

­

Absatz 3 entspricht Artikel 5 Absatz 2bis Entschädigungsgesetz. Es handelt sich hier in der Praxis um die Sonderregelung für Ratsmitglieder im Einzugsbereich des Flughafens Lugano-Agno.

Bei Reisen im Ausland werden heute nur Flug- und Bahnreisen vergütet (Art. 5 Abs. 4 Entschädigungsgesetz). Für Fahrten zu Sitzungsorten im nahen Ausland oder zu im nahen Ausland gelegenen Flugplätzen wird aber manchmal auch das Privatauto benützt. Der Wortlaut des neuen Absatzes 4 der Verordnung ermöglicht eine Entschädigung auch für derartige Fahrten. Der neue Absatz 4 bringt auch eine einheitliche und klare Regelung für die Fälle, bei denen das Ratsmitglied sein Bahnoder Flugbillett selbst besorgt. Gemäss Artikel 4 Absatz 2 des Bundesbeschlusses sollte die Rückerstattung bei Flugpreisen maximal 50 Prozent des Preises eines Billettes in der Business-Class betragen; bei Bahnreisen sollten die effektiven Kosten vergütet werden. In der Praxis hat man schon bisher auf die mit diesen Bestimmungen verbundene aufwändige Kontrolle der effektiven Kosten verzichtet und die Hälfte der Kosten eines Billetts in der Business-Class (unter Berücksichtigung der dem Bund zustehenden Rabatte) bzw. den Gegenwert eines Bahnbilletts 1. Klasse vergütet. Diese Praxis wird durch den Wortlaut von Absatz 4 legalisiert.

Art. 5 Gemäss dem heute geltenden Artikel 5 würde kein Anspruch bestehen auf eine Distanzentschädigung für die Teilnahme an Anlässen gemäss Absatz 2 (Teilnahme an Veranstaltungen von Bundesbehörden ohne Auftrag des Büros oder einer Kommission). Warum hier zwischen Distanzentschädigung und den anderen Entschädigungen unterschieden werden soll, ist nicht einzusehen. In der Praxis wird denn auch die Distanzentschädigung dennoch ausgerichtet; diese Praxis soll legalisiert werden.

Art. 6 In Analogie zur Änderung von Artikel 14 Absatz 2 Entschädigungsgesetz wird auch hier eine bisher von den Ratsbüros wahrgenommene Kompetenz an die Verwaltungsdelegation übertragen.

3998

4

Personelle und finanzielle Auswirkungen

Heute betragen die Ausgaben für die Eidgenössischen Räte zirka 59,3 Millionen Franken pro Jahr, davon 33,1 Millionen Franken für das Parlament und 26,2 Millionen Franken für die Parlamentsdienste (Voranschlag 2002). Werden die Vorschläge der Kommission realisiert, so würden, bezogen auf den Voranschlag für das Jahr 2002, die Ausgaben um 14,3 Millionen Franken auf 73,6 Millionen Franken pro Jahr, davon 46,1 Millionen Franken für das Parlament und 27,5 Millionen Franken für die Parlamentsdienste, ansteigen. Der neue Betrag macht 0,15 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes von 51 249,2 Millionen Franken (Voranschlag 2002) aus.

Die vorgeschlagenen Massnahmen führen im Einzelnen zu folgenden jährlichen Mehrausgaben gegenüber dem geltenden Recht: Mehrausgaben in Mio Franken

­ Übernahme der Jahrespauschalen und aller Taggelder der Mitglieder des Ständerates durch den Bund (Art. 1 Parlamentsinfrastrukturgesetz)

+ 3,2

­ Kredit für persönliche Mitarbeitende (Art. 1a Verordnung zum Parlamentsinfrastrukturgesetz)

+ 9,8

Folgende Auswirkungen auf den Personalbestand der Parlamentsdienste sind zu erwarten: ­

Personaladministration der persönlichen Mitarbeitenden: zusätzliche 4 Stellen

­

Informatikausbildung und -support der persönlichen Mitarbeitenden: zusätzliche 2 Stellen

­

Aufwand für persönliche Mitarbeitende in anderen Bereichen (Dokumentationszentrale, Zentrales Sekretariat usw.): zusätzlich 4 Stellen

10 zusätzliche Stellen verursachen einen jährlichen Mehraufwand von zirka 1,3 Millionen Franken.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Artikel 79 der alten BV von 1874, wonach die Mitglieder des Nationalrates vom Bunde entschädigt werden, und Artikel 81, wonach die Mitglieder des Ständerates von den Kantonen entschädigt werden, sind in der neuen BV von 1999 nicht übernommen worden, weil eine Regelung auf Gesetzesstufe genügt (Botschaft des Bundesrates, BBl 1997 I 378). Diese gesetzliche Regelung stützt sich auf Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g BV, wonach die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden auf Gesetzesstufe zu erfolgen haben.

3999

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Höhe des Betrages der Jahresentschädigung ist bisher in Artikel 2 des Entschädigungsgesetzes geregelt. Für alle anderen Beträge (Taggeld, Beiträge an die Fraktionen usw.) wird demgegenüber nur der Grundsatz im Gesetz verankert; die Höhe des Betrages wird im «Bundesbeschluss zum Entschädigungsgesetz» festgesetzt.

Dieser Bundesbeschluss stellt gemäss der Terminologie von Artikel 163 BV eine Verordnung der Bundesversammlung dar und ist nicht dem Referendum unterstellt.

Die Bundesversammlung darf gemäss Artikel 7 GVG Verordnungen erlassen, soweit sie durch Bundesverfassung oder Bundesgesetz dazu ermächtigt ist. Diese Ermächtigung erfolgt im vorliegenden Fall durch Artikel 14 Entschädigungsgesetz.

Neu soll auch die Höhe des Betrages der Jahreseinkommen und -entschädigungen auf Verordnungsstufe festgelegt werden. Artikel 164 BV verlangt, dass die «grundlegenden Bestimmungen» im Gesetz enthalten sein müssen. Die Festsetzung der Höhe eines Betrages ist keine grundlegende Bestimmung. Diese Festsetzung kann in einer Verordnung auf der Grundlage einer gesetzlichen Bestimmung erfolgen, welche den Zweck des Beitrages und den Empfängerkreis festlegt. Die Ausnahme von Artikel 2 Entschädigungsgesetz ist nicht gerechtfertigt; dieser Regelungsgegenstand unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den anderen Entschädigungen des Entschädigungsgesetzes. Das zeigt sich schon darin, dass die Summe der Taggelder, welche ein Ratsmitglied gestützt auf Artikel 3 pro Jahr erhält, erheblich höher ist als jede der beiden bisherigen Jahresentschädigungen gemäss Artikel 2. Auch ausserhalb des Parlamentsrechts findet sich die Höhe von Entschädigungen und Löhnen nicht im Gesetz. Artikel 1 des «Bundesgesetzes über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen» (SR 172.121) ermächtigt die Bundesversammlung, die Höhe dieser Besoldungen mit einer Parlamentsverordnung zu regeln. Artikel 15 des Bundespersonalgesetzes (SR 172.220.1) beschränkt sich auf die Aussage, dass der Lohn der Bundesbediensteten «nach Funktion, Erfahrung und Leistung» bemessen werden soll. Die Mindestlöhne werden durch Bundesratsverordnung festgesetzt, die Höchstlöhne bleiben ungeregelt.

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