zu 01.458 Parlamentarische Initiative Swissair-Krise: Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission Bericht des Büros des Nationalrates vom 17. Mai 2002 Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Mai 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 17. Mai 2002 des Büros des Nationalrates betreffend Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Swissair-Krise nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsident: Kaspar Villiger Der Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme 1

Laufende Prüfung der Verantwortlichkeiten bei der SAirGroup und innerhalb der Bundesverwaltung

Der Bundesrat setzt sich für eine vollständige Transparenz bei der Prüfung der Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit der Swissair-Krise ein. Er hat deshalb anlässlich der Sondersession im November 2001 dem Parlament einen Kredit über 2 Millionen Franken zur Fortsetzung der Sonderprüfung zwecks Klärung der Verantwortlichkeiten bei der SAirGroup beantragt, dem das Parlament zugestimmt hat.

Derzeit werden die Verantwortlichkeiten der Organe dieser Gesellschaft im Rahmen einer erweiterten Sonderprüfung untersucht.

Der Bundesrat hat aber auch ein Interesse an einer lückenlosen Aufklärung der Verantwortlichkeiten innerhalb der Bundesverwaltung. Er hat von Beginn an sämtliche diesbezüglichen Abklärungen und Anfragen der parlamentarischen Kommissionen, insbesondere auch der GPK, begrüsst und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt.

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Untersuchung der GPK

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S, Subkommission EDI/UVEK) untersucht zurzeit die Aufsicht des Bundesamts für Zivilluftfahrt BAZL über die ehemalige Swissair AG, das Verhalten der übrigen Bundesorgane beim eigentlichen Krisenmanagement sowie die näheren Umstände des Groundings.

Die GPK-S hat dem Bundesrat am 19. Oktober und am 14. Dezember 2001 sowie dem UVEK am 21. Februar 2002 Fragen unterbreitet und Unterlagen herausverlangt. Das UVEK und das EFD haben diese Fragen mit Schreiben vom 31. Oktober 2001, vom 15. Januar 2002 und vom 28. Februar 2002 beantwortet sowie die verlangten Unterlagen zugestellt. Ferner wurden die Vorsteher der betroffenen Departemente, das BAZL und die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), und der Generalsekretär des UVEK befragt. Schliesslich wurden am 14. Februar 2002 Vertreter der ehemaligen SAirGroup und am 4. März 2002 Vertreter der Union Bank of Switzerland (UBS) und der Credit Suisse Group (CSG) angehört.

Zurzeit hat das BAZL einen ungefähr hundert Fragen umfassenden Katalog zu beantworten, der von zwei Rechtsexperten im Auftrag der GPK-S zusammengestellt worden ist.

Es ist vorgesehen, dass weitere Angestellte des Bundes, namentlich Vertreter des Seco, Auskünfte gegenüber der GPK-S erteilen.

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Kompetenzen der GPK

Nach Artikel 47quater des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) hat die GPK das Recht, von allen Behörden und Amtsstellen des Bundes Auskünfte einzuholen und die Herausgabe aller für die Beurteilung wesentlichen Amtsakten der Bundesverwaltung zu verlangen. Von diesen Rechten hat die GPK-S bereits Gebrauch gemacht.

Die GPK hat auch die Möglichkeit, von Personen und Amtsstellen ausserhalb der Bundesverwaltung schriftlich oder mündlich Auskünfte einzuholen und die Herausgabe von Akten zu verlangen. Die GPK-S hat diese Möglichkeit in Anspruch genommen und Vertreter der Banken und Organe der Swissair befragt. Es steht der GPK auch zu, mündliche oder schriftliche Auskünfte von kantonalen Beamten einzuholen. Dies erachtete die GPK-S bisher nicht für notwendig, vermutlich weil die Aufsichtstätigkeit über die Zivilluftfahrt dem Bund und nicht den Kantonen obliegt (Art. 87 BV).

Die GPK hat ferner die Möglichkeit, die Untersuchung an eine Delegation zu übertragen. Diese hat das Recht, von Behörden des Bundes, der Kantone und von Privatpersonen die Herausgabe von Akten zu verlangen sowie Beamte des Bundes und Privatpersonen als Zeugen einzuvernehmen (Art. 47quinquies Abs. 4 GVG).

Die GPK-S verfügt über ein erfahrenes Sekretariat und zieht nach Bedarf externe Sachverständige bei. Die Professionalität der Untersuchungen der GPK ist damit in den Augen des Bundesrates gewährleistet.

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Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK)

Seit 1963 kam das Instrument der PUK viermal zur Anwendung. Ihr Mandat kann nur die Abklärung der Verantwortlichkeiten der Bundesverwaltung umfassen (Art. 55 Abs. 1 GVG). Im Vergleich zu den bisherigen Fällen («Mirage-Affäre», «PUK EJPD», «PUK EMD» und «PUK PKB») steht der Bund beim Grounding der Swissair unbestrittenermassen ­ wenn überhaupt ­ in einem sehr viel geringeren Ausmass in der Verantwortung.

Der Bundesrat stellt fest, dass der im Entwurf des Bundesbeschlusses formulierte Auftrag in keinem Punkt über die bereits bei der GPK-S in Bearbeitung befindlichen Untersuchungsbereiche hinausgeht. Der Auftrag der vorgesehenen PUK, der sich ausschliesslich auf Vorkommnisse innerhalb der Bundesverwaltung erstrecken kann, geht weniger weit als die Untersuchungen der GPK-S, welche insbesondere im Zusammenhang mit dem Grounding der Swissairflotte die verantwortlichen Bankenvertreter und den Konzernchef der Swissair angehört hat. Weder der Auftrag, noch der Bericht des Büros verweisen auf Sachverhalte, die durch die umfangreichen, bis heute initiierten Untersuchungsmassnahmen der GPK-S nicht abgedeckt wären. Selbst die Zeugeneinvernahme, welche als wichtiges Argument für die Einsetzung einer PUK angeführt wird, ist im Rahmen einer Delegation der GPK möglich.

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Fazit

Eine Untersuchung, die sich auf die Rolle der verschiedenen Ämter der Bundes konzentriert, kann dem Phänomen des Niederganges der Swissair, das im Grounding seine symbolische Kulmination gefunden hat, nicht gerecht werden. Eine umfassende und gerechte Beurteilung der Vorgänge müsste zwangsweise vorwiegend Sachverhalte, die sich ausserhalb der Verwaltung, nämlich im Verwaltungsrat und in der Direktion der Swissair abspielten, erfassen können, ansonsten bleiben die Ermittlungsergebnisse einseitig. Eine PUK, die einen solchen umfassenden Auftrag hätte, wäre nicht von vorneherein vollumfänglich zu verwerfen. Da die PUK aber die Verantwortlichkeiten von Personen ausserhalb der Bundesverwaltung nicht überprüfen kann, stellt sie für die Abklärung dieser Vorgänge nicht das geeignete Instrument dar. Das zur Klärung zweckmässigere Instrument, die erweiterte Sonderprüfung, ist im Gang und wird finanziell durch den Bund unterstützt. Für die Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten auf Bundesebene, für die sich der Bundesrat vollumfänglich einsetzt, sind die Kompetenzen der GPK ausreichend. Es wäre deshalb nach Auffassung des Bundesrates unverhältnismässig, im vorliegenden Fall das aussergewöhnliche, kostspielige und aufwändige Untersuchungsinstrument einer PUK einzusetzen ­ und es würde den Stellenwert dieses Instrumentes für künftige Fälle stark relativieren.

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