Bericht des Bundesrates über die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern der natürlichen Personen vom 9. Januar 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Gestützt auf Artikel 219 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer und Artikel 70 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden unterbreiten wir Ihnen den Bericht über die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der Steuern der natürlichen Personen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung

9. Januar 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11730

Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-2730

2181

Übersicht Bei der Verabschiedung des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) und des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) im Jahr 1990 beschloss das Parlament, den Kantonen für die Besteuerung der natürlichen Personen die Wahl zwischen zwei Systemen der zeitlichen Bemessung zu lassen: der zweijährigen Vergangenheitsbemessung und der einjährigen Gegenwartsbemessung. Dies war allerdings lediglich eine Übergangslösung auf dem Weg hin zu einer Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung. Das Gesetz lud denn auch den Bundesrat ein, der Bundesversammlung nach Ablauf einer Frist von acht Jahren seit Inkrafttreten dieser neuen Bestimmungen (1993 für das StHG und 1995 für das DBG) dem Parlament Bericht und Antrag auf Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung zu erstatten.

Mit dem vorliegenden Bericht wird dieser Auftrag erfüllt. Der Bundesrat stellt darin fest, dass sich die Lage seit 1990 grundlegend verändert hat. Damals wurde hauptsächlich die zweijährige Vergangenheitsbemessung angewendet. Im Jahr 2001, nach Ablauf der achtjährigen Übergangsfrist, die den Kantonen für die Anpassung ihrer Gesetzgebung eingeräumt wurde, haben die meisten Kantone auf die Gegenwartsbemessung umgestellt. Ab 2003 wird diese Umstellung für die kantonalen und die direkten Bundessteuern voraussichtlich abgeschlossen sein. Der Bundesrat beantragt, von dieser Entwicklung Kenntnis zu nehmen und die Bemessung der Steuern der natürlichen Personen im Sinn der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung zu vereinheitlichen.

2182

Botschaft 1

Auftrag des Bundesrates

Artikel 42quinquies der Bundesverfassung vom 19. Mai 1874 und Artikel 129 Absatz 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 legen als eines der Ziele der Steuerharmonisierung die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung fest. Diese Vereinheitlichung wurde 1990 für die Gewinn- und Kapitalsteuer der juristischen Personen oppositionslos erreicht, indem man zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung überging. Dieses Bemessungssystem setzte sich rasch durch und wurde in den meisten Kantonen bereits 1995 eingeführt, zum Zeitpunkt also, zu dem das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) in Kraft trat. Heute wird es in der ganzen Schweiz angewendet.

Umstrittener war in der Diskussion um die Steuerharmonisierung dagegen, welches Bemessungssystem für die direkten Steuern der natürlichen Personen gewählt werden sollte. Der Bundesrat beantragte in seiner Botschaft vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung die Einführung der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung. Bis zu jenem Zeitpunkt wandte einzig der Kanton BaselStadt dieses System an. Auch die Koordinationskommission war für dieses System eingetreten, während sich die Finanzdirektorenkonferenz mehrheitlich für die zweijährige Vergangenheitsbemessung ausgesprochen hatte. Der Ständerat befasste sich als erste Kammer mit dieser Frage. Nach seiner Auffassung sollte die Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung beibehalten werden. Der Nationalrat hingegen folgte dem Antrag des Bundesrates. Diese Differenz zwischen den beiden Räten zu bereinigen erwies sich als ausserordentlich schwierig. Das Parlament kam schliesslich zu einem überraschenden Kompromiss: Sowohl das DBG wie auch das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, beides Erlasse vom 14. Dezember 1990 (StHG), räumten den Kantonen die Wahl zwischen den beiden geltenden Systemen ein. Diese Lösung hatte den Vorteil, die Kantone, welche die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung bevorzugten, nicht zu einem Verzicht auf dieses System zu zwingen. Gleichzeitig erhielten die anderen Kantone Bedenkzeit. Überraschend an dieser Lösung war, dass sie für die direkte Bundessteuer die parallele Anwendung zweier Systeme zur zeitlichen Bemessung der Steuern der
natürlichen Personen zuliess.

Nach Auffassung des Parlaments konnte diese Lösung jedoch nur eine Übergangslösung sein. Vor einer definitiven Wahl sollte jedoch geschaut werden, wie sich die rechtliche Situation in den Kantonen in den nächsten Jahren entwickeln würde.

Deshalb erteilen die Artikel 70 StHG und 219 DBG dem Bundesrat den Auftrag, der Bundesversammlung acht Jahre nach dem Inkrafttreten des StHG (1993) und des DBG (1995) Bericht zu erstatten und Antrag auf die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung zu stellen. Die Kantone mussten ebenfalls innert acht Jahren nach dem Inkrafttreten des StHG, also auf Ende 2000, ihre Gesetzgebung den Vorschriften über die Steuerharmonisierung angepasst haben.

2183

2

Die Systeme der zeitlichen Bemessung der Steuern natürlicher Personen

2.1

Definition und Vergleich der Bemessungssysteme

2.1.1

Definitionen

Die direkten Einkommens- und Vermögenssteuern der natürlichen Personen werden periodisch erhoben. Das Gesetz muss deshalb das System der zeitlichen Bemessung festlegen. Man unterscheidet dabei: ­

die Steuerperiode: Zeitraum, in der Regel das Kalenderjahr, für den die Steuer geschuldet ist;

­

die Bemessungsperiode: Zeitraum, in dem die der Steuerbemessung zu Grunde liegenden Einkünfte erzielt werden;

­

die Veranlagungsperiode: Zeitraum, in dem das Veranlagungsverfahren durchgeführt wird;

­

die Bezugsperiode: Zeitraum, während dem die Steuer bezogen wird.

Im System der Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung sind Steuerperiode und Bemessungsperiode grundsätzlich deckungsgleich und mit dem Kalenderjahr identisch. Die Veranlagungsperiode folgt der Steuerperiode. Steuergegenstand sind die während der Steuerperiode tatsächlich erzielten Einkünfte. Die Bezugsperiode erstreckt sich in der Regel über ein Jahr.

Im System der Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung werden geschätzte Einkünfte besteuert. Man geht davon aus, dass die Einkünfte der Bemessungsperiode, die der Steuerperiode vorangegangen ist, den während der Steuerperiode erzielten entsprechen. Die Veranlagung kann deshalb während der Steuerperiode durchgeführt werden. Im System der Praenumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung gibt es einjährige und mehrjährige Steuer- und Bemessungsperioden. Dieses System sieht als Korrektiv die Zwischenveranlagung vor für den Fall, dass sich die tatsächlichen Einkünfte der Steuerperiode, infolge gesetzlich abschliessend aufgezählten Gründe, von den Einkünften der Bemessungsperiode unterscheiden. Ein entsprechendes Korrektiv ist auch nötig auf den Beginn und das Ende der Steuerpflicht hin. In diesen Fällen werden die Steuern ganz oder teilweise auf Grund der während der Steuerperiode tatsächlich erzielten Einkünfte veranlagt.

2.1.2

Die beiden im StHG vorgesehenen Bemessungssysteme im Vergleich

Das StHG lässt den Kantonen die Wahl zwischen der zweijährigen Pränumerandound der einjährigen Postnumerandobesteuerung.

Der Bundesrat hat die Vor- und Nachteile dieser beiden Systeme in seiner Botschaft vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung dargelegt (Kapitel 141). Steuertechnisch gilt die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung aus verschiedenen Gründen allgemein als das bessere System: Die steuerpflichtige Person versteuert die effektiv erzielten Einkünfte; Bemessungslücken am Ende der Steuerpflicht und Zwischenveranlagungen können vermieden werden; und dieses 2184

System kann ebenfalls problemlos beim Beginn der Steuerpflicht angewendet werden; zudem erleichtert es die interkantonalen und internationalen Aufteilungen. Gegen dieses System spricht, dass die Steuerpflichtigen jedes Jahr eine Steuererklärung ausfüllen müssen. Ein weiterer Nachteil kann darin liegen, dass die öffentlichen Gemeinwesen im Laufe einer Steuerperiode Raten beziehen müssen, die auf geschätzten Einkünften basieren, weil die Steuer erst nach Ende der Steuerperiode berechnet werden kann. Es kann also durchaus sein, dass die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Bezug der Steuern im System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung komplexer sind als im System der zweijährigen Praenumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung.

Die Vorteile der Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung hängen vor allem mit dem Zwei-Jahres-Rhythmus von Steuerperiode, Bemessungsperiode und Veranlagungsperiode zusammen: Die Steuerpflichtigen müssen nur alle zwei Jahre eine Steuererklärung einreichen; das steuerbare Einkommen wird auf Grund eines Durchschnittswerts der Einkünfte von zwei Jahren ermittelt. Dadurch lassen sich allzu starke Schwankungen des steuerbaren Einkommens von einem Jahr zum andern beziehungsweise von einer Steuerperiode zur nächsten in einem gewissen Mass vermeiden. Die Steuer wird in der Regel für beide Jahre der Steuerperiode im ersten Jahr der Veranlagungsperiode festgelegt. Diese Regel kann für die öffentlichen Gemeinwesen den Bezug der Steuerraten und die Haushaltsprognosen erleichtern.

Aus wirtschafts- und konjunkturpolitischer Sicht hat die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung den grossen Vorzug, den zeitlichen Abstand zwischen Erzielung der Einkünfte und Erhebung der auf dieser Grundlage berechneten Steuern zu verringern und damit zu vermeiden, dass das System zur zeitlichen Bemessung negative Auswirkungen einer instabilen Konjunktur zusätzlich verstärkt.

In den parlamentarischen Beratungen waren die Argumente, die für das System der zweijährigen Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung angeführt wurden, vorwiegend praktischer Natur. Damals wandten fast alle Kantone dieses System an. Ein Wechsel hätte eine umfangreiche Aufstockung des Personalbestandes bedingt. Zwar führte man die Informatisierung der
Veranlagungsverfahren zu Gunsten der Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung an; doch die Kantone waren damals in diesem Bereich noch nicht so weit, als dass sie sich für dieses System hätten entscheiden können. Man vertrat die Auffassung, es sei für die Steuerpflichtigen von grossem Vorteil, nur alle zwei Jahre eine Steuererklärung ausfüllen zu müssen. Auf diesen Vorteil wollte man nicht verzichten. Zudem seien die mit einem Systemwechsel verbundenen Probleme nicht zu unterschätzen. Vorab seien Lösungen zu suchen für die Probleme der Bemessungslücken und des Bezugs.

Neben diesen Gründen, die gegen die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung angeführt wurden, war es schwierig abzusehen, wie sich dieses Bemessungssystem auswirken würde. Deshalb beauftragte im März 1990 die kantonale Finanzdirektorenkonferenz eine Expertengruppe, die mit einem Systemwechsel verbundenen rechtlichen und praktischen Probleme dazulegen und Lösungsansätze zu unterbreiten. Dieser Bericht wurde 1993 publiziert.

1990 behielten noch die Argumente für die zweijährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung die Oberhand. Dennoch war das Parlament der Auffassung, man könne die Kantone, welche die einjährige Besteuerung anwandten oder

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die zu einem solchen System übergehen wollten, nicht zur zweijährigen Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung verpflichten. Darum waren die kantonalen Parlamente frei, am System der Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung festzuhalten oder dieses System zu übernehmen.

2.2

Entwicklung der Situation in den Kantonen im vergangenen Jahrzehnt

1990 erhob einzig der Kanton Basel-Stadt die Steuern nach dem System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung. Einige wenige Kantone (Solothurn, Neuenburg, Genf, Jura) wandten die einjährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung an. Die grosse Mehrheit der Kantone wie auch der Bund für die direkte Bundessteuer aber praktizierten die zweijährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung.

Um die Mitte der 90er-Jahre beschlossen verschiedene Kantone den Übergang zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbesteuerung. Dazu gehörten auch die Kantone, die bisher die vom StHG ausgeschlossene einjährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung anwandten. 1999 vollzogen Zürich und Thurgau den Wechsel und schlossen damit zum Kanton Basel-Stadt auf, der die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung für die direkte Bundessteuer bereits 1995 eingeführt hatte. Diesem Beispiel folgten alle anderen Kantone im Jahr 2001, abgesehen von den Kantonen Tessin, Waadt und Wallis, die der zweijährigen Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung treu blieben. Die Regierungen und Parlamente dieser Kantone haben den Wechsel auf 2003 beschlossen oder sind daran, diesen Beschluss zu fassen.

Diese Umstellung auf die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung scheint nicht mehr rückkehrbar zu sein. In seiner Botschaft vom 24. Oktober 2001 zur Armeereform XXI und zur Revision der Militärgesetzgebung hat der Bundesrat dieser Umstellung Rechnung getragen. Er schlägt eine Änderung mehrerer Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1959 über den Wehrpflichtersatz vor, um eine Angleichung des Veranlagungs- und Bezugsverfahrens an das System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung bei der direkten Bundessteuer zu erreichen. Anstelle des bisherigen Systems mit einer provisorischen Veranlagung und einer definitiven Veranlagung soll der provisorische Bezug mit anschliessender definitiver Veranlagung treten. Auch die AHVBehörden haben von der Umstellung Kenntnis genommen und ihr System zur zeitlichen Bemessung der AHV-Beiträge selbstständig erwerbender Beitragspflichtiger auf 2001 so angepasst, dass die in einem Jahr geschuldeten Beiträge auf Grund der Einkünfte dieses Jahres berechnet werden.
Verschiedene Gründe erklären diesen Umschwung innerhalb eines Jahrzehnts. Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass die zweijährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Grenzen und Schwächen hat. Die Veränderungen in der Arbeitswelt haben die Schätzungen, auf denen dieses System gründet, ernsthaft in Frage gestellt. Ein weiterer Faktor war die zunehmende Mobilität. Dadurch ist klar geworden, dass dieses System der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird. Dank der Fortschritte, die die Kantone im Bereich der Informatik gemacht haben, konnten nicht nur die Probleme im Zusammen2186

hang mit dem Bezug gelöst werden, sondern auch ein Systemwechsel ins Auge gefasst werden, ohne dass dazu der Personalbestand wesentlich hätte aufgestockt werden müssen. Auch die mit einem Systemwechsel verbundenen Probleme der Veranlagung konnten gelöst werden. Das Parlament hat 1998 mit Wirkung auf den 1. Januar 1999 Bestimmungen verabschiedet, die die Frage der Bemessungslücken regeln (vgl. die Art. 218 DBG und 69 StHG).

3

Vereinheitlichung der Systeme der zeitlichen Bemessung

3.1

Die Pflicht zur Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung

Am 12. Juni 1977 haben Volk und Stände einem Verfassungsentwurf zugestimmt, der den Bund mit der Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden beauftragt. Artikel 42quinquies der Bundesverfassung vom 19. Mai 1874 sieht vor, dass der Bund auf dem Wege der Bundesgesetzgebung Grundsätze für die Gesetzgebung der Kantone und Gemeinden über Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht erlässt.

Diese Bestimmung wurde in Artikel 129 Absatz 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 übernommen: «Die Harmonisierung erstreckt sich auf Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht». Für die direkten Steuern der juristischen Personen ist die Harmonisierung schon verwirklicht. Um so mehr wird nun die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern für natürliche Personen zur vordringlichen Harmonisierungsaufgabe.

3.2

Die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung als einziges System der zeitlichen Bemessung für natürliche Personen

Wie sich die Lage heute präsentiert, ist die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung durch die Übernahme der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbesteuerung unumstritten. Alle Kantone haben diesen Entscheid zu Gunsten eines Systems gefällt, dessen Vorzüge sowohl der Bundesrat als auch die Lehre anerkannt haben und das überdies bereits für die Besteuerung der natürlichen Personen an der Quelle und für die Besteuerung der juristischen Personen angewendet wird.

3.3

Merkmale der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung

Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts wurden die Umrisse der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung schärfer. Dazu haben der Expertenbericht von 1993 und die Verordnung des Bundesrates vom 16. September 1992

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über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen wesentlich beigetragen.

Im System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung sind Steuerperiode und Bemessungsperiode deckungsgleich. Sie entsprechen für die natürlichen Personen dem Kalenderjahr. Die Einkommenssteuer der Steuerperiode N berücksichtigt die im Jahr N erzielten Einkünfte. Bei den selbstständig erwerbenden Steuerpflichtigen, die ihre Rechnung nicht auf Ende Kalendarjahr abschliessen, ist das Rechnungsergebnis massgebend, das in die Steuerperiode fällt. Wenn sich die Steuerpflicht auf weniger als ein Jahr erstreckt, so wird die Einkommenssteuer auf den in diesem Zeitraum erzielten Einkünften veranlagt. Die periodisch erzielten Einkünfte werden zur Bestimmung des Steuersatzes auf das ganze Jahr umgerechnet.

Das StHG und das DBG sehen für Kapitalleistungen aus der beruflichen Vorsorge, Zahlungen bei Tod sowie für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile eine separate steuerliche Behandlung vor. Auf kantonaler Ebene unterliegen die privaten und in einigen Kantonen die geschäftlichen Grundstückgewinne ebenfalls einer von der allgemeinen Einkommenssteuer verschiedenen Besteuerung. Das Vermögen am Ende einer Steuerperiode wird der Berechnung der Vermögenssteuer für diesen Zeitraum zu Grunde gelegt. Erstreckt sich die Steuerpflicht auf weniger als ein Jahr, so verringert sich die Vermögenssteuer entsprechend.

Die Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung gründet auf einem EinJahresrhythmus. Steuerperiode und Bemessungsperiode dauern je ein Jahr, ebenso die Veranlagungsperiode. Entsprechend ist jedes Jahr eine Steuererklärung einzureichen.

Im System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung ist die familiäre Situation am Ende der Steuerperiode massgebend. Das StHG hat diesen Grundsatz zwar nicht ausdrücklich festgelegt. Dennoch gilt er generell in den Kantonen. Für die direkte Bundessteuer sind dieser Grundsatz und die sich daraus ergebenden Regelungen für Ereignisse wie Heirat, Trennung oder Tod des Ehepartners oder der Ehepartnerin in der Verordnung vom 16. September 1992 über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen festgelegt.

4

Auswirkungen des Entscheids für die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung

4.1

Auswirkungen auf die Gesetzgebungen des Bundes und der Kantone

Das DBG und das StHG müssen so geändert werden, dass die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung das einzige Bemessungssystem für natürliche Personen ist. Die erforderlichen Änderungen sind im Wesentlichen rein formeller Art; denn gegenwärtig enthalten beide Erlasse die Grundprinzipien für beide Systeme. Das formelle Vorgehen besteht nun darin, die Bestimmungen zur zweijährigen Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung zu streichen und diejenigen zu belassen, die die Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung betreffen. Man wird zudem prüfen müssen, ob gewisse materielle Fragen zur Anwendung dieses Systems zur zeitlichen Bemessung nicht auf Verordnungs-,

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sondern auf Gesetzesstufe geregelt werden sollten. Für die direkte Bundessteuer sind wahrscheinlich die Vorschriften der Verordnung des Bundesrates vom 16. September 1992 über die zeitliche Bemessung der direkten Steuern bei natürlichen Personen auf Gesetzesstufe zu heben. Das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren im interkantonalen Verhältnis trägt bestimmten Auswirkungen der Verallgemeinerung der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung für die direkten Steuern und für die Verrechnungssteuer bereits Rechnung. Es wird zu prüfen sein, ob dieses erste Massnahmenpaket ausreicht oder ergänzt werden muss.

In den meisten Kantonen ging mit dem Systemwechsel eine eingehende Prüfung der Modalitäten bei der Erhebung der direkten Steuern und beim Bezug von Ratenzahlungen während der Steuerperiode einher. Für die direkte Bundessteuer sah es gut aus: Der Systemwechsel hatte keine Steuerausfälle zur Folge. Dennoch muss geprüft werden, ob alle Bestimmungen über die Erhebung dieser Steuer im Einklang mit dem System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung stehen.

In den internationalen Beziehungen bringt der Systemwechsel willkommene Vereinfachungen. Die beabsichtigten Anpassungen könnten allenfalls die Auswirkungen einer Veränderung der Steuerpflicht während der Steuerperiode (Übergang von einer beschränkten Steuerpflicht zu einer unbeschränkten oder umgekehrt) betreffen.

Was die pauschale Steueranrechnung in der Schweiz der im Ausland erhobenen Quellensteuer anbelangt, so wurden die entsprechenden Anpassungen der schweizerischen Gesetzgebung schon im Jahr 2000 vorgenommen.

In den Kantonen wurden die Gesetzgebungen, soweit notwendig, im Zeitpunkt des Systemwechsels angepasst. Die Anpassungen, die die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der Steuern der natürlichen Personen notwendig macht, sind deshalb von untergeordneter Bedeutung (wie z.B. die jährliche Veranlagung auf Grund einer ebenfalls jährlich einzureichenden Steuererklärung). Anders verhält es sich möglicherweise im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der kantonalen Vorschriften zu den Auswirkungen einer Zivilstandsänderung (namentlich durch Heirat) während der Steuerperiode.

4.2

Inkrafttreten

Die drei Kantone, die 2001 noch die zweijährige Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung praktizieren, haben bereits die Massnahmen ergriffen, die für einen Übergang zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung im Jahr 2003 notwendig sind. Eine Vereinheitlichung der Steuersysteme auf jenen Zeitpunkt scheint also möglich. Auf Bundesebene müssen aber Bestimmungen geändert werden, um diesen Wechsel rechtlich zu verankern. Diese Änderungen sollten mit denjenigen des Steuerpakets 2001 koordiniert werden. Auch die Kantone werden ihre Gesetzgebung über die zeitliche Bemessung in verschiedenen Punkten technischer Art teilweise revidieren müssen. In gewissen Fällen können diese Änderungen, wenn sie auch nur ein Detail betreffen, gravierende finanzielle und organisatorische Auswirkungen zeitigen. Unter diesen Umständen ist eine Vereinheitlichung des Systems zur zeitlichen Bemessung der natürlichen Personen auf Gesetzesebene ab der Steuerperiode 2005 realistisch.

2189

4.3

Personelle und finanzielle Auswirkungen

Der Wechsel zum System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung wurde in den Kantonen wie auch für die Bundessteuer im Wesentlichen in den Jahren 1999 bis 2001 vollzogen. Für den Bund hatte er keine personellen Auswirkungen. In den Kantonen konnten die Auswirkungen auf den Personalbestand dank der Reorganisation der Steuerbehörden und einer zunehmenden Informatisierung begrenzt werden.

Der Systemwechsel wirkte sich auf den Ertrag der direkten Bundessteuern auf dem Einkommen natürlicher Personen und damit auf den Bundeshaushalt aus. Einerseits musste der veränderten Bemessungsbasis Rechnung getragen werden (Veranlagung auf Grund der im Jahr des Wechsels erzielten Einkünfte und nicht mehr auf Grund des Einkommensdurchschnitts der beiden dem Wechsel vorangegangenen Jahre).

Anderseits waren bei der Veranlagung des Übergangsjahres die Abzüge und Steuertarife für die einjährige Postnumerandobesteuerung zu berücksichtigen. Nach Artikel 220 Absatz 2 DBG muss der Bundesrat dafür sorgen, dass die Steuerlast in den Kantonen unabhängig von der zeitlichen Bemessung ausgeglichen ist. Wenn die Unterschiede je nach Bemessungssystem unverhältnismässig ausfallen, ändert er die Abzüge und die Steuertarife für die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung. Diese Korrekturen haben seit 1995 zu einer Erhöhung der Abzüge um 10 Prozent und zu einer Senkung der Steuertarife um 10 Prozent geführt.

Im Rahmen des Übergangs zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung werden die ausserordentlichen Einkünfte, die in der dem Wechsel vorangegangenen Zweijahresperiode erzielt wurden, separat besteuert. Fielen in dieser Zeit ausserordentliche Lasten an, so können sie vom steuerbaren Einkommen der beiden dem Wechsel vorangegangenen oder folgenden Steuerjahre abgezogen werden. Für die Schätzung des Ertrags aus der direkten Bundessteuer ging man davon aus, dass der Ertrag der Steuern auf ausserordentlichen Einkünften die Ausfälle, die auf Grund des Abzugs der ausserordentlichen Aufwendungen entstehen, wettgemacht werden dürften.

Der Übergang der Kantone Zürich und Thurgau zum System der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung hat den Ertrag aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen von 1663 Millionen (1999 Pränumerandobesteuerung)
auf 1593 Millionen (1999 Postnumerandobesteuerung) gedrückt. Die Änderung der Bemessungsgrundlage hat zwar zu einer Einnahmensteigerung von 125 Millionen geführt. Dieser stehen aber Mindereingänge von 195 Millionen gegenüber, die auf die Anpassung der Abzüge und der Steuertarife zurückgehen. Im Jahr 2001 ging die Mehrheit der Kantone (BE, LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, FR, SO, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, NE, GE und JU) zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung über. Daraus ergibt sich voraussichtlich ebenfalls eine Ertragseinbusse von 83 Millionen. Der Ertrag aus der Einkommenssteuer der natürlichen Personen sinkt damit von 3784 Millionen (Pränumerandobesteuerung 2001) auf 3701 Millionen (Postnumerandobesteuerung 2001). Für die drei Kantone, die den Wechsel erst 2003 vollziehen (TI, VD, VS), sind die Einnahmen für die Steuerperiode 2003 um 7 Millionen tiefer.

2190

In den Kantonen können die Auswirkungen des Systemwechsels (1999 oder 2001) nicht getrennt werden von den finanziellen Folgen der Anpassung verschiedener, oft sehr wichtiger Bestimmungen der kantonalen Steuergesetzgebungen an das harmonisierte Recht. Deshalb ist auf eine Einschätzung der finanziellen Auswirkungen des Systemwechsels auf kantonaler Ebene zu verzichten.

4.4

Wirtschaftliche Auswirkungen

Der Übergang zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung sollte eigentlich die Wirtschaftszyklen nicht stark tangieren. Schon vor diesem Wechsel wurden die Steuern in zahlreichen Kantonen ratenweise bezogen; die Masse der jährlich bezahlten Einkommens- und Vermögenssteuern hat sich also im Zuge des Systemwechsels kaum verändert. Die Übergangsbestimmungen des Bundesrechts haben im Übrigen Verzerrungen, die sich aus den mit dem Systemwechsel verbundenen Bemessungslücken ergeben könnten, auf ein gewisses Mass eingeschränkt (Aufteilung der ausserordentlichen Einkünfte, Beschränkung oder Übertrag bestimmter Aufwendungen wie Gebäudeunterhaltskosten oder Einkauf in die zweite Säule).

Längerfristig wird die generelle Anwendung des Systems der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung dazu beitragen, die antizyklischen Auswirkungen des zeitlichen Bemessungssystems zu begrenzen, weil der zeitliche Abstand zwischen Erzielung der Einkünfte und der Bezahlung der direkten Steuern verringert wird.

4.5

Weitere Auswirkungen

Mit der Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung wird ein bedeutender Schritt hin zur formellen Harmonisierung der direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden gemacht. Sie trägt entscheidend zur Annäherung der Steuergesetzgebungen bei. Sie kann zudem den Weg ebnen für die Suche nach neuen Lösungen zur Vereinfachung des interkantonalen Verhältnisses.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die einjährige Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung für die während der Steuerperiode erzielten Einkünfte ist das in Europa generell verbreitete Bemessungssystem. Im Bereich der direkten Steuern findet also eine Annäherung an die europäische Steuergesetzgebung statt.

6

Verfassungsmässigkeit

Dieser Bericht stützt sich auf die Artikel 70 StHG und 219 DBG. Die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern der natürlichen Personen gehört zum Harmonisierungsauftrag nach Artikel 129 Absatz 2 der Bundesverfassung.

2191

7

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung Kenntnis zu nehmen: ­

von der mehrheitlichen und bald einheitlichen Anwendung der einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung der natürlichen Personen

­

von der Absicht des Bundesrates, der Bundesversammlung eine Botschaft über die Vereinheitlichung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern bei natürlichen Personen zu unterbreiten.

2192

Anhang

Zeitliche Bemessung der natürlichen Personen Entwicklung von 1990 bis 2001 System zur zeitlichen Bemessung zweijährige Vergangenheitsbemessung

Einjährige Gegenwartsbemessung

Einjährige Vergangenheits bemessung

Andere Systeme

SO, NE, GE, JU

ZH1

SO, NE, GE, JU

ZH1

SO, NE, GE, JU

NW2

Lage 1990 Direkte Bundessteuer Direkte Kantonssteuer

Alle Kantone BE, LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, FR, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TG, TI, VD, VS

BS

Alle Kantone ausser BS

BS

BE, LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, FR, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TG, TI, VD, VS

BS

Alle Kantone ausser BS, ZH, TG BE, LU, UR, SZ, OW, GL, ZG, FR, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TI, VD, VS

BS, ZH, TG BS, ZH, TG

Direkte Bundessteuer

TI, VD, VS

Direkte Kantonssteuer

TI, VD, VS3

Alle Kantone ausser TI, VD, VS Alle Kantone ausser TI, VD, VS

Lage 1995 Direkte Bundessteuer Direkte Kantonssteuer

Lage 1999 Direkte Bundessteuer Direkte Kantonssteuer Lage 2001

1 2 3

Zürich hatte ein gemischtes Bemessungssystem auf halbem Weg zwischen der einjährigen und der zweijährigen Bemessung.

Der Kanton Nidwalden ging in zwei Etappen zur Postnumerandobesteuerung über.

Diese drei Kantone wollen den Wechsel zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung auf das Jahr 2003 vollziehen.

2193