02.009 Bericht über den Vote électronique Chancen, Risiken und Machbarkeit elektronischer Ausübung politischer Rechte vom 9. Januar 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Bericht über Chancen, Risiken und Machbarkeit eines Vote électronique mit Antrag auf Kenntnisnahme.

Dieser Bericht enthält eine Auslegeordnung über die staatspolitischen, rechtlichen und technischen Aspekte eines Vote électronique. Ohne bereits einen Entscheid über die Einführung des Vote électronique gefällt zu haben, sieht der Bundesrat Chancen der neuen Technologien auch für die Demokratie. Er erhofft sich vom Bericht eine breite politische Debatte über die Wünschbarkeit des Einsatzes der Kommunikationstechnologien für Abstimmungen und Wahlen sowie über die Rahmenbedingungen, die dafür festzulegen wären. Aufgrund dieser Diskussion wird der Bundesrat detaillierte Konzepte zur Lösung der vielfältigen Fragen erarbeiten. In einem ersten Schritt wird mit Gewinn eine Harmonisierung der Stimmregister eingeleitet werden: Sie ist für einen Vote électronique zwingende Voraussetzung, bringt aber auch unabhängig davon für die politischen Rechte des Bundes wie für die Statistik Vorteile.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Januar 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-2575

645

Inhalt Dieser Bericht gibt eine erste Auslegeordnung über Chancen, Risiken, Probleme und Lösungsmöglichkeiten für die Einführung eines Vote électronique und unterbreitet Vorschläge zu dessen etappenweiser Einführung.

Übersicht Ausgangslage Mit diesem Bericht kommt der Bundesrat einem Auftrag der Richtlinienmotion «Nutzung der Informationstechnologie für die direkte Demokratie» nach, die einen vertieften Bericht über die Vor- und Nachteile eines Vote électronique verlangt.

Weitere parlamentarische Vorstösse haben den Bundesrat aufgefordert, den Übergang zur Informationsgesellschaft und insbesondere die Nutzung der Informationstechnologie für die halbdirekte Demokratie in der Schweiz voranzutreiben.

Was heisst Vote électronique?

Unter Vote électronique wird in diesem Bericht verstanden: ­

die Möglichkeit, elektronisch abzustimmen und zu wählen;

­

die Möglichkeit, Referenden und Initiativen auf elektronischem Weg zu unterzeichnen;

­

elektronische Wahl- und Abstimmungsinformation durch Behörden.

Der Vote électronique kann schrittweise eingeführt werden. Auch ohne die Einführung des elektronischen Abstimmens und Wählens und ohne Einflussmöglichkeiten der Behörden werden die elektronischen Kommunikationsmittel in Zukunft vermehrt bei Wahl- und Abstimmungskampagnen eingesetzt und deren Dynamik verändern.

Chancen Elektronische Kommunikationsmittel erleichtern den Zugang zu Informationen und schaffen neue Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten. Für die Demokratie bringt dies Chancen auf verschiedenen Ebenen: ­

politische Verfahren werden den neuen gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst;

­

die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen wird erleichtert;

­

die herkömmlichen Formen der Demokratie werden durch attraktive neue Formen der Teilnahme ergänzt;

­

die Stimmbeteiligung kann möglicherweise gesteigert werden;

­

das demokratische Prinzip «eine Person ­ eine Stimme» kann gegen klassische Missbräuche besser geschützt werden;

646

­

die Übernahme einer Vorreiterrolle beim Vote électronique ermöglicht der Schweiz, bei der Verhinderung von Missbrauchsmöglichkeiten Massstäbe zu setzen;

­

bei einem Vote électronique lassen sich mit Zustimmung der Stimmberechtigten die Motive der Stimmabgabe leichter ergründen.

Risiken und Herausforderungen Die Einführung neuer Kommunikationstechnologien bringt auf allen Ebenen Veränderungen, die neue Herausforderungen an die Politik und teilweise Risiken enthalten: ­

der Abstimmungsvorgang bedarf neuer Formen;

­

die raumgebunden föderalistischen Strukturen (Ständemehr, Wahlkreise) werden möglicherweise verwischt;

­

durch die möglichen Beschleunigungen der Abläufe können Meinungsbildungsprozesse beeinträchtigt werden;

­

der digitale Graben zwischen Menschen mit und ohne Zugang zum Internet könnte Ungleichheiten bei der Teilnahme am politischen Leben schaffen;

­

das Zustandekommen von Volksinitiativen und Referenden darf nicht so stark erleichtert werden, dass es die ordentliche Rechtsetzung blockiert;

­

es gibt Missbrauchsgefahren, gegen die Lösungen gefunden werden müssen.

Dritte könnten die neuen Technologien missbrauchen und in das Abstimmungsgeschehen eingreifen. Der gegenwärtige Stand der Informatik lässt es beispielsweise zu, dass irgendjemand ein Programm entwickelt, welches eine bestimmte Anzeige auf dem Bildschirm erscheinen lässt, etwas Abweichendes speichert und wieder etwas anderes ausdruckt. Allfällige technische Pannen und Fehlerquellen sind bei der elektronischen Stimmabgabe schwieriger zu eruieren als bei herkömmlichen Verfahren, und die öffentliche Kontrolle über Nachzählungen wird erschwert. Auch die elektronische Stimmabgabe und Unterzeichnung von Initiativen, Referenden und Nationalratswahlvorschlägen bieten erhebliche technische Sicherheitsprobleme;

­

auch wenn heute viele der technischen Probleme bekannt sind, bedeutet dies noch nicht, dass diese auch gelöst werden können. Können grundlegende Zweifel der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Zuverlässigkeit der elektronischen Ausübung der politischen Rechte nicht aus dem Weg geräumt werden, gefährdet dies das Funktionieren des demokratischen Systems.

Der Vote électronique erfordert umfassende Begleitmassnahmen Ein Konzept, in dem der Vote électronique lediglich als kleine technische Erweiterung des bisherigen Systems verstanden wird, müsste scheitern. Notwendig ist vielmehr die Einbettung in ein umfassendes Konzept von Begleitmassnahmen vor allem auf Informationsebene: Die Bürgerinnen und Bürger müssen informiert werden und sich selbst über Themenportale, Anfragemöglichkeiten oder Mailinglisten informieren können.

647

Etappierung Die Einführung des Vote électronique ist ein komplexes Vorhaben. Falls es realisiert werden soll, wird deshalb eine Etappierung in der folgenden Reihenfolge vorgeschlagen: ­

Harmonisierung der Stimmregister bzw. Schaffung eines einheitlichen eidgenössischen Stimmregisters;

­

Ermöglichung elektronischer Abstimmungen;

­

Ermöglichung elektronischer Wahlen;

­

Ermöglichung elektronischer Unterzeichnung von Referenden und Initiativen;

­

Ermöglichung elektronischer Einreichung von Wahlvorschlägen für Nationalratswahlen.

Zu einigen technischen Fragen werden Lösungsvarianten dargestellt und bewertet.

Alle Etappen müssen begleitet sein von Massnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung.

Realisierbarkeit Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Einführung des Vote électronique ein ehrgeiziges Vorhaben ist. Es setzt allerdings die Lösung komplexer und schwieriger Sicherheitsprobleme und daher auch den politischen Willen und die Mitarbeit aller Beteiligten auf der Ebene von Bund, Kantonen und Gemeinden voraus. Der Staat muss zudem die nötigen Rahmenbedingungen auf rechtlicher, finanzieller und politischer Ebene schaffen.

648

Bericht 1

Ausgangslage

In den letzten Jahren hat die Informations- und Kommunikationstechnologie rasante Entwicklungen erfahren. Auch staatliche und politische Institutionen sind davon beeinflusst: Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden, Politiker und Parteien benutzen immer stärker das Internet, um Informationen einfacher an die Öffentlichkeit zu bringen.

Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, auch die Ausübung politischer Rechte über elektronische Verfahren zu ermöglichen. Dies kann der Demokratie möglicherweise neue Chancen eröffnen. Vereinfachungen der Stimmabgabe entsprechen dabei einer allgemeinen Entwicklung. Seit dem 15. November 1994 kann in Bundesangelegenheiten zwischen brieflicher Stimmabgabe und persönlichem Urnengang frei gewählt werden. Mittlerweile hat sich die briefliche Stimmabgabe in städtischen Agglomerationen stark durchgesetzt. In Basel-Stadt und Genf geben über 90 Prozent aller Stimmenden ihr Votum brieflich ab; in anderen Kantonen verläuft die Entwicklung zwar weniger rasch, aber doch gleichgerichtet.

1.1

Auftrag des Parlaments

Verschiedene parlamentarische Vorstösse haben den Bundesrat aufgefordert zu prüfen, ob und wie in der Schweiz die Informationsgesellschaft gestärkt werden kann1. Es wird festgestellt, dass die Verwaltungen der wirtschaftlich stärksten Länder, namentlich in Europa, eine nach der anderen ausgeklügelte Informationssysteme einführen. In der heutigen Gesellschaft werden Informationen zunehmend schneller verbreitet. In einem solchen Umfeld ist es die Pflicht eines Landes, seinen Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich mit den neusten Entwicklungen der Technik vertraut zu machen und diese zu nutzen. Nur so kann es im Wettbewerb bestehen.

Nach Auffassung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist der Zugang zu den staatlichen Organen und zu deren Leistungen zu erleichtern, zu intensivieren und zu individualisieren. Bereits in seiner Strategie für eine Informationsgesellschaft Schweiz vom 18. Februar 1998 erwähnte der Bundesrat, es sei zu prüfen, inwiefern die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien im demokratischen Ent1

a.

b.

c.

d.

e.

Vgl. insbesondere folgende Vorstösse: Motion der Freisinnig-demokratischen Fraktion (00.3298) vom 19. Juni 2000: «E-Switzerland. Gesetzesänderungen, Zeitplan und Mittel», vom Nationalrat als Postulat überwiesen am 6. Oktober 2000 (AB 2000 N 1196); Postulat Helen Leumann-Würsch (00.3347) vom 22. Juni 2000: «E-Switzerland.

Gesetzesänderungen, Zeitplan und Mittel», überwiesen am 18. September 2000 (AB 2000 S 485f); Interpellation Briner (00.3242) vom 5. Juni 2000: «E-Government. Strategie des Bundesrates», beantwortet am 18. September 2000 (AB 2000 S 485f); Postulat Maya Lalive d'Epinay (00.3271) vom 13. Juni 2000: «Informations- und Kommunikationstechnologien. Bewusstseinsbildung», überwiesen am 6. Oktober 2000 (AB 2000 N 1193); Interpellation Maillard (00.3402) vom 23. Juni 2000: «Informationsgesellschaft. Vom Slogan zur Politik», im Nationalrat noch nicht beraten.

649

scheidfindungsprozess genutzt werden könnten2. Stimmberechtigte der fünften Schweiz können ihr Stimmrecht oft nicht ausüben, wenn ihre briefliche Stimmabgabe postalisch im Ausland zu wenig rasch befördert wird. Die Auslandschweizer-Organisation drängt daher ebenfalls auf eine rasche Entwicklung des Vote électronique.

Mögliche Vor- und Nachteile des Vote électronique beurteilen Die Motion «Nutzung der Informationstechnologie für die direkte Demokratie»3 hat einen vertieften Bericht über «die Chancen und Risiken der E-Demokratie» verlangt.

Sie vermutet, dass die Mittel der neuen Informationsgesellschaft eine Chance für die direkte Demokratie sein können, namentlich was die Stimmbeteiligung anbelangt.

Der Abwärtstrend könnte durch die Einführung der elektronischen Stimmabgabe zumindest aufgehalten werden.

Die Vorstösse weisen mit Nachdruck darauf hin, dass die Einführung eines Vote électronique, nicht nur Studien über die technische Machbarkeit, sondern auch politische Überlegungen und Beurteilungen erfordern. Zudem müssen in der Öffentlichkeit eine Informationskampagne zu diesem Thema durchgeführt und ein Budget bereitgestellt werden.

1.2

Organisation der Arbeiten

Im Bestreben, ein wirksames und koordiniertes Vorgehen im ganzen Bereich des E-Government zu gewährleisten, hat der Bundesrat die Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft eingesetzt und eine entsprechende Strategie verabschiedet. In diesem Rahmen hat die Bundeskanzlei die Frage der elektronischen Verwaltung an der Staatsschreiberkonferenz vom April 2000 aufgeworfen und erste Ideen zu den beiden Projekten Vote électronique und Guichet virtuel vorgestellt. Die Kantone zeigten sich sehr interessiert. Deshalb wurde beschlossen, die Fragen der elektronischen Stimmabgabe und des Guichet virtuel in gemeinsamen Arbeitsgruppen unter der Leitung der Bundeskanzlei weiter zu verfolgen. In der Zwischenzeit hat diese eine Organisationsstruktur mit je einer Arbeitsgruppe für die beiden Projekte geschaffen.

Eine Umfrage hat gezeigt, dass sich alle Kantone am Projekt zur elektronischen Stimmabgabe beteiligen wollen, der Stand der Elektronisierung der Verwaltungen kantonal jedoch sehr unterschiedlich ist (siehe Ergänzende Dokumentation 2).

2 3

650

2. Bericht der Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft an den Bundesrat. Biel 2000, S. 40 ff.

Motion (00.3190) der Spezialkommission des Nationalrats 00.016 vom 9. Mai 2000: «Nutzung der Informationstechnologie für die direkte Demokratie», überwiesen vom Nationalrat am 20. Juni 2000 (AB 2000 N 769), vom Ständerat am 3. Oktober 2000 (AB 2000 S 655); ferner die Motion (00.3208) der Spezialkommission des Nationalrats 00.016 vom 29. Mai 2000: «E-Switzerland», im hier interessierenden Punkt 3 (E-Demokratie: Abstimmungsverfahren einschliesslich Erleichterungen für Auslandschweizer bzw. Auslandschweizerinnen) als Motion überwiesen vom Nationalrat am 20. Juni 2000 (AB 2000 N 769), vom Ständerat am 3. Oktober 2000 (AB 2000 S 655).

Vorprojekt zur elektronischen Stimmabgabe Gestützt auf eine Verfügung der Bundeskanzlei vom 30. Juni 2000 wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Diese Gruppe umfasste Vertreterinnen und Vertreter der Kantone Zürich, Bern, St. Gallen, Tessin, Genf und Neuenburg sowie des Bundesamtes für Statistik. Zudem berücksichtigte sie die Anliegen der Gemeinden und der Auslandschweizer. Die Arbeitsgruppe führte eine Umfrage unter den Kantonen zur elektronischen Stimmabgabe durch. Diese betraf die bestehende Gesetzesgrundlage, laufende Projekte sowie das Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Bund. Im Hinblick auf Pilotprojekte sind mit den Kantonen Genf, Neuenburg und Zürich Vereinbarungen abgeschlossen worden. Ferner prüfte die Arbeitsgruppe die verschiedenen technischen Fragen, welche elektronische Abstimmungssysteme aufwerfen, sowie die Voraussetzungen auf Bundesebene für die Schaffung eines harmonisierten Stimmregisters.

2

Rahmenbedingungen des Vote électronique

2.1

Was ist der Vote électronique?

Unter Vote électronique wird in diesem Bericht verstanden: Elektronisches Abstimmen und Wählen: a.

das Wählen und Abstimmen auf verschiedenen politischen Ebenen mit elektronischen Mitteln, zum Beispiel per Internet. Dazu gehören insbesondere das Abgeben, die Entgegennahme, die Prüfung und das Auszählen elektronischer Stimmen;

b.

Rationalisierungen beim Ermitteln der Wahl- und Abstimmungsresultate, bei der Statistik und bei der Publikation der Ergebnisse;

c.

die elektronische Unterstützung verschiedener administrativer Tätigkeiten der Behörden und kandidierender Gruppierungen im Vorfeld von Nationalratswahlen.

Elektronische Referenden und Initiativen: d.

die elektronische Sammlung von digitalen Unterschriften, deren Prüfung und Zählung.

Elektronische Wahl- und Abstimmungsinformation durch Behörden: e.

die elektronische Bereitstellung eines Informationsangebots zu Wahlen und Abstimmungen für die Stimmberechtigten («Bundesbüchlein», Bereitstellung von Formularen usw.);

f.

Kommunikation: Elektronische Beantwortung von Fragen, Wünschen und Anregungen (Mailing).

In diesem Bericht stehen Fragen zum elektronischen Abstimmen und Wählen im Vordergrund (Buchstaben a bis c), in zweiter Linie auch Fragen zu elektronischen Initiativen und Referenden (Buchstabe d). Elektronische Wahl- und Abstimmungsinformation (Buchstabe e) sowie Mailing (Buchstabe f) werden über den Guichet virtuel zugänglich gemacht. Sie stellen eine flankierende Massnahme zur Ausübung der politischen Rechte dar. Sie sind jedoch auch für die traditionellen Formen der

651

Stimmabgabe von grossem Nutzen. Internetinformationen lassen sich mit geringerem Aufwand aufdatieren als gedruckte und verteilte Erläuterungen.

2.2

Praktische Anforderungen

Unabhängig von der Ausgestaltung im Einzelnen muss der Vote électronique folgende Anforderungen berücksichtigen: a.

Für die Stimmberechtigten muss der Vote électronique möglichst einfach, praxisnah und sicher sein.

b.

Der Vote électronique darf Bürgerinnen und Bürger, die keinen Zugang zu elektronischen Kommunikationsmitteln haben, nicht benachteiligen.

c.

Die Stimmberechtigten sollen ihre Stimme in einem einzigen Ablauf für Bundes-, Kantons- und Gemeindevorlagen abgeben können.

d.

Die bestehenden Rechte der Kantone und Gemeinden sollen nicht geschmälert werden.

e.

Das Stimm- und Wahlverfahren soll so weit möglich bereits bestehende Infrastruktur verwenden. Die Geräte, an denen die Stimmberechtigten ihre Stimme abgeben, sollen möglichst nicht mit speziellen (etwa kryptographischen) Hard- und Softwaremodulen versehen werden müssen.

f.

Die technische Infrastruktur muss zuverlässig sein.

2.3

Rechtliche Anforderungen: Freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe

Artikel 34 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101) garantiert die politischen Rechte und verlangt dafür freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe. Dies bedeutet nach Artikel 8 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR, SR 161.1): ­

einfaches Verfahren der Stimmabgabe;

­

Kontrolle der Stimmberechtigung;

­

Verhinderung von Missbräuchen;

­

Erfassung sämtlicher Stimmen;

­

Wahrung des Stimmgeheimnisses.

Das Bundesgericht lehnt Abstriche an diesen Erfordernissen mit ausführlicher Begründung ab (BGE 121 I 187­195).

652

2.4

Der Vote électronique ­ ein schweizerisches Gesamtwerk

Die Einführung des Vote électronique macht nur Sinn, wenn er sich auf die drei Ebenen von Bund, Kantonen und Gemeinden erstreckt. Es wäre unzweckmässig, wenn am gleichen Abstimmungstermin einige Abstimmungsfragen elektronisch beantwortet werden könnten, andere aber nicht. Für die Realisierung des Vote électronique ist deshalb von Anfang an eine ganzheitliche Lösung anzustreben, die in sich möglichst einfach aufgebaut ist. Notwendig ist ein koordiniertes Vorgehen mit Vorgaben des Bundes. Nur so besteht die Chance, ein für Gemeinden, Kantone und Bund kompatibles System zu entwickeln. Dies soll nicht verhindern, dass jeder Kanton seine eigene massgeschneiderte Lösung erhält. Vermieden werden muss, dass jeder Kanton von Grund auf sein eigenes Projekt entwickeln muss. Dies wäre ineffizient, würde zu einem elektronischen Wildwuchs führen und unnötige Folgekosten bewirken.

2.5

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Zukunft

Die Einführung des Vote électronique ist ein Projekt der Zukunft. Sowohl Organisation und Verfahren im Bereich der politischen Rechte als auch die hohen Sicherheitsanforderungen (Stimmgeheimnis, Vorkehrungen gegen Manipulation) und die Komplexität der dafür nötigen elektronischen Systeme machen für die Entwicklung Jahre erforderlich. Ebenfalls weiterer Untersuchungen bedarf es in Bezug auf die staatspolitischen Auswirkungen, insbesondere auf den Einfluss des Vote électronique auf das Stimm- und Wahlverfahren und auf die Legitimation des Urnenganges. Die rasante Entwicklung seit dem Einzug der Elektronik ins tägliche Leben zeigt, dass den Herausforderungen, die auch vor der Ausübung demokratischer Rechte nicht halt machen werden, nur dann fristgerecht begegnet werden kann, wenn die Politik die Entwicklung umgehend zu steuern beginnt.

3

Chancen und Risiken

3.1

Chancen: Attraktive und zeitgemässe Demokratie

Heute steigt das Bedürfnis nach Erleichterung der Stimmabgabe. Der Urnengang, im 19. Jahrhundert noch Regelfall demokratischer Rechtsausübung, ist Formen realer Rechtsausübung gewichen, die vor 150 bzw. 40 Jahren noch verpönt waren: etwa der brieflichen Stimmabgabe. Gemeindeversammlungen sind heute in aller Regel höchstens noch von einem Bruchteil jener Stimmberechtigten besucht, welche an Urnengängen regelmässig teilnehmen. Solche Entwicklungen entsprechen allgemeinen Tendenzen der modernen Gestaltung des öffentlichen und privaten Lebens, welche immer mehr die Benutzung technischer Kommunikationsmittel an die Stelle der persönlichen Teilnahme an Ereignissen setzt. Die Benützung des Internets und anderer elektronischer Kommunikationsmittel gehört mittlerweile zum Standard in der Geschäfts- und Privatwelt ­ jedenfalls, soweit nicht besondere Bedürfnisse nach Vertraulichkeit und Sicherheit von Willenskundgaben bestehen. Mit der Einführung des Vote électronique würde der Staat in der Politik nachvollziehen, was andernorts zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

653

a. Ergänzung der herkömmlichen Formen Der Vote électronique soll die herkömmlichen Formen der Demokratie wie den Urnengang oder die briefliche Stimmabgabe nicht ablösen, sondern ergänzen. Er wird damit eine Dienstleistung für einen grossen Teil der Bevölkerung, der das Internet berufsbedingt und auch privat nutzt. Zur Zeit sind dies vorab noch Männer, Gutgebildete und Gutverdienende. Die Tendenz der letzten Jahre zeigt jedoch deutlich, dass sich der Kreis weiter öffnen wird. Studien ergeben, dass die Zahl der das Internet nutzenden Personen in der Schweiz von 7% (1996) auf 44% (2000) angestiegen ist. Die Schweiz gehört schon jetzt zu den Ländern, die am weitesten entwickelt sind, was den Zugang zum Internet angeht. Eine Untersuchung zum Kanton Genf (IPSO-Untersuchung März 2001) zeigt ferner, dass im Durchschnitt jede zweite stimmberechtigte Person das Internet nutzt (47,2%). Das Genfer Centre d'étude et de documentation sur la démocratie directe (C2D) sieht daher durch die Einführung des Vote électronique potenziell die Hälfte aller Stimmberechtigten im Kanton Genf tangiert4.

b. Erleichterung der Stimmabgabe Die Einführung elektronischer Verfahren ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, ihre politischen Rechte zeitlich und örtlich unabhängiger auszuüben. Wesentliche Vorteile bringt sie auch körperlich behinderten Personen sowie Auslandschweizerinnen und -schweizern. Letztere können bis heute wegen der verzögerten postalischen Zustellung der Abstimmungsunterlagen nur lückenweise am demokratischen Prozess teilnehmen.

c. Schnellere Bereitstellung von Informationen Der Forderung nach bürgernaher Politik kann durch die elektronische Bereitstellung aktueller, vernetzter, kohärenter und zuverlässiger Information besser nachgekommen werden als auf konventionellem Weg.

d. Auswirkungen auf die Stimmbeteiligung Vielfach wird erwartet, dass die Erleichterung der Stimmabgabe bei elektronischen Wahl- und Abstimmungssystemen die Wahlbeteiligung spürbar steigern dürfte. Dies ist nicht unbegründet: Die Einführung und die in vielen Kantonen intensive Nutzung der brieflichen Stimmabgabe zeigt, dass heute die Vereinfachung der Stimmabgabe ein wichtiges Kriterium für die demokratische Mitbestimmung bildet.

Politologische Expertengutachten gehen allerdings weit auseinander in der Einschätzung, wie stark das Angebot
des Vote électronique die Nutzung der Kommunikationsmittel sowie die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen beeinflusst. Nach der Untersuchung des C2D könnte die Attraktivität des neuen Mediums Internet bei gewissen Bevölkerungsteilen die Mitwirkung am demokratischen Prozess steigern.

4

654

Centre d'étude et de documentation sur la démocratie directe (C2D) / Faculté de droit de l'Université de Genève: Le contexte socio-politique et le cadre juridique de l'introduction du e-voting dans le canton de Genève. Rapport rédigé à la demande de la Chancellerie d'Etat. Genève 2001, p. 7­16. Der Einschätzung des C2D liegen Entwicklungen des Stimmrechts im Kanton Genf zu Grunde, die sich von gesamtschweizerischen Entwicklungen abheben. Daher unterscheiden sich die Einschätzungen des C2D von jenen, die Prof. Wolf Linder aus den gesamtschweizerischen Vox-Analysen gewonnen hat (vgl. Ziff. 8).

Ob diese Vermutung zutrifft, hängt jedoch wesentlich davon ab, wie der Vote électronique gestaltet wird und wie das Vertrauen der Bevölkerung in die Geheimhaltung der elektronisch erfassten Daten gewonnen werden kann. Denn die Erfahrung aus dem elektronischen Geschäftsverkehr zeigt, dass nur ein Teil der das Internet nutzenden Personen auch Transaktionen online durchführt.

Berechnungen über Veränderungen der Stimmbeteiligung in verschiedenen Kantonen nach Einführung der voraussetzungslosen Möglichkeit der Briefwahl zeigen, dass an einzelnen Orten die Stimmbeteiligung spürbar gestiegen ist; die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig, und gegenläufige Tendenzen sind ebenso anzutreffen. Unklar sind die Ursachen für eine Zu- oder Abnahme der Stimmbeteiligung, die bekanntlich auch stark vom Inhalt einer Vorlage und von der aktuellen politischen Lage abhängt. So ist neben der Möglichkeit einer Partizipationssteigerung durch die elektronische Ausübung politischer Rechte auch ein Substitutionseffekt denkbar: Vielleicht machen lediglich Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die bereits regelmässig ihre politischen Rechte ausüben, vom neuen Medium Gebrauch.

Prof. Wolf Linder relativiert optimistische wie skeptische Schätzungen über die Auswirkungen des Vote électronique. Diejenigen Personen, welche elektronische Abstimmungsverfahren spontan benutzen werden, sind mehrheitlich auch jene, die ohnehin regelmässig stimmen, dies unabhängig davon, ob sie es auch auf elektronischem Wege tun können. Deshalb ist es unerlässlich, die nicht Wählenden genauer zu betrachten. Von Prof. Linder wird das Steigerungspotenzial der Stimmbeteiligung durch einen Vote électronique auf weniger als zwei Prozent veranschlagt (siehe Ergänzende Dokumentation 12 d).

e. Möglichkeiten zu besserer Auswertung von Abstimmungen In elektronischen Abstimmungssystemen kann die Möglichkeit vorgesehen werden, dass Stimmende gleichzeitig mit der Stimmabgabe zur Vorlage fakultativ Fragen beantworten und Meinungen äussern. Dies schafft die Möglichkeit, dass Abstimmungsresultate elektronisch interpretiert werden können. Damit könnte den Haltungen der Stimmberechtigten vermehrt Rechnung getragen werden. Unter Vorbehalt einer strikten Anonymisierung der Stimmabgabe wären Auswertungen von Abstimmungen möglich, die sehr genaue Daten liefern können. Daraus
könnte eine Zunahme des Einflusses der Bürgerschaft auf die Entscheidungen in der Politik entstehen.

Dieser mögliche Gewinn an Demokratie ist nicht zu unterschätzen.

f. Vorteilhafte Marktstellung durch Wissensvorsprung Ein rasches Vorgehen in der Vorprojektierungsphase zum Vote électronique eröffnet der Schweiz die Chance, eine marktbestimmende Stellung zu nutzen, die angesichts der Bestrebungen in anderen Staaten später verspielt sein könnte. Gegenüber anderen Staaten verfügt die Schweiz für die Einführung des Vote électronique über gewichtige Standortvorteile: Sie ist weitgehend alphabetisiert, elektrisch erschlossen, überblickbar klein und die amtlichen Stimmregister werden laufend nachgeführt. Wegen der Mehrsprachigkeit und der föderalistischen Struktur liessen sich die Erfahrungen auf grössere Staaten extrapolieren.

g. Vorreiterrolle der Schweiz Die Schweiz unterscheidet sich in ihren direktdemokratischen Rechten praktisch von allen andern souveränen Staaten. Auf längere Frist zeigen sich jedoch in verschiede655

nen Staaten Tendenzen, die Volksrechte weiter auszubauen. Mit der Einführung des Vote électronique könnte die Schweiz auf dem Gebiet der elektronischen Demokratie eine Vorreiterrolle im internationalen Bereich wahrnehmen. Ihr praktisches Beispiel könnte zeigen, dass die neuen elektronischen Möglichkeiten auch in grossräumigeren staatlichen Gebilden, insbesondere auch in supranationalen Organisationen, die Einführung von Elementen der direkten Demokratie erleichtern und fördern könnten.

3.2

Risiken: Beeinträchtigung der politischen Organisation und Verfahren

a. Entritualisierung des Abstimmungsvorgangs Der Staat wahrt seit jeher sein eigenes, allgemein erkennbares Monopol auf Volksabstimmungen. Abstimmungen werden in ihrer Bedeutung gegenüber alltäglicher Kommunikation durch besondere Mitteilungsformen und Rituale hervorgehoben.

Wenn nun Abstimmungen über die gleichen Kanäle und in der gleichen medialen Einkleidung erfolgen wie gewöhnliche Internetangebote und Meinungsumfragen, birgt dies das Risiko, dass sich die politischen Entscheidungs- und Mitteilungsformen nicht mehr von den übrigen Internet-Angeboten unterscheiden. Das Verbot der Einflussnahme bei der Stimmabgabe durch Propaganda im Stimmlokal lässt sich bei der elektronischen Ausübung der politischen Rechte nicht mehr so einfach durchsetzen. Werbeeinblendungen auf dem Bildschirm oder ein direkter Link einer Propaganda-Seite auf die Abstimmungsseite können die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger jedoch mindestens so stark bei der Stimmabgabe beeinflussen und eine voreilige, unüberlegte Stimmabgabe bewirken wie Propaganda vor dem traditionellen Urnenlokal. Andererseits kann gerade das Medium Internet den Meinungsbildungsprozess über die bisherigen Kanäle hinaus fördern.

b. Tangierung der ortsgebundenen föderalistischen Strukturen Wenn politische Rechte in grösserem Umfang auf elektronischem Wege ausgeübt werden können, könnte dies die föderalistischen Strukturen der Schweiz dadurch tangieren, dass in diesem Falle die Ausübung nicht an bestimmte Örtlichkeiten gebunden ist und weltweit von überall her ausgeübt werden kann. Denn eine Eigenart der schweizerischen Demokratie ist ihre örtliche Gebundenheit von Rechten und Entscheidungen. Das Verständnis für den Sinn von Ständemehr und Wahlkreisen etwa könnte dadurch schwinden.

c. Entwertung der Volksrechte Elektronische Infrastrukturen können das Sammeln von Unterschriften und die politische Information durch alle Beteiligten erleichtern. Wegen der niedrigen Kosten können Initiativen und Referenden viel leichter durchgeführt werden, und ihre Zahl könnte damit ansteigen. Erfahrungsgemäss belasten eine hohe Zahl von Unterschriftensammlungen und die nachfolgenden Volksabstimmungen letztlich das politische System der direkten Demokratie dadurch, dass es blockiert werden kann oder aber die einzelnen wesentlichen Probleme nicht mehr wahrgenommen und nicht
mehr differenziert ausdiskutiert werden können. Sollten die Instrumente des Vote électronique in dieser ausgedehnten Weise genutzt werden, könnte auch die wichtige Abgrenzung zwischen Unterschriftensammlungen für Initiativen und Referenden als 656

politischen Handlungen und privaten, unverbindlichen Meinungsumfragen undeutlich werden. Es muss durch klare Rahmenbedingungen sichergestellt werden, dass die politische Kultur der direkten Demokratie auch beim erleichterten Zugang zu deren Mitteln und Rechten aufrechterhalten wird.

d. Digitaler Graben Es wird immer Personen geben, die wenig oder keinen Zugang zu elektronischen Kommunikationsmitteln, zum Beispiel zum Internet, haben. Unter dem Schlagwort des digitalen Grabens (digital divide) wird das Phänomen beschrieben, dass sich die Gesellschaft in dieser Hinsicht in zwei Gruppen spaltet. Die Einführung des Vote électronique könnte diese Spaltung vertiefen, sofern nicht von vorneherein sichergestellt ist, dass keine Bevölkerungsgruppe aus dem demokratischen Entscheidungsprozess ausgegrenzt wird. Deshalb sind neben dem Vote électronique auch die bisherigen Formen wie Urnengang und briefliche Stimmabgabe beizubehalten.

Freilich befinden sich, wie bereits erwähnt, auf der digitalen Seite des Grabens mehrheitlich Personen, die ohnehin regelmässig stimmen, unabhängig davon, ob sie es auch auf elektronischem Wege tun können. Deshalb ist es unerlässlich, die nicht Wählenden genauer zu betrachten. Unter Umständen liegen die Gründe für ein Gefälle nicht primär in der Benutzung technischer Mittel. Auch wenn innerhalb der wahlberechtigten Bevölkerung ein digitaler Graben besteht, braucht ein Vote électronique keineswegs die Vertretung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verzerren.

e. Missbrauch durch Dritte Neue Medien werden meist nicht nur für die ursprünglich vorgesehenen Zwecke eingesetzt. Wer eine Infrastruktur wie das Internet zur Verfügung stellt, hat nur bedingt die Kontrolle über dessen faktische Nutzung. Vorteilen wie verbesserter und vereinfachter Kommunikation zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern stehen Gefahren wie Hasspropaganda, Verbreitung rassistischen Gedankenguts oder ­ spezifisch im Bereich des Vote électronique ­ Versuche von Stimmenversteigerung gegenüber, wie Voteswap-Versuche bei den Präsidentschaftswahlen 2000 in den USA gezeigt haben.

3.3

Herausforderungen: Veränderungen der politischen Prozesse

Ein Vote électronique wird keine lediglich technische Bereicherung eines im Übrigen unverändert weiter funktionierenden Systems sein; er wird vielmehr das System als Ganzes verändern. Diese Veränderungen brauchen in sich weder gut noch schlecht zu sein; trotzdem muss man sich ihnen stellen und gegebenenfalls darauf Einfluss nehmen.

a. Welche Aufnahme dürfen neue Verfahren erwarten?

Die Legitimation von Recht ruht in der gemeinsamen Überzeugung seiner «Richtigkeit» bei den Rechtsunterworfenen. Diese leitet sich aus der (für eine Friedensordnung unverzichtbaren) Anerkennung des verfahrensmässig legitimen Zustandekommens des Rechts ab. Nach schweizerischem Verständnis spielt für die Legitimität direktdemokratischer Entscheide der dialogische Ablauf des Entscheidungsprozesses über verschiedene Etappen eine wesentliche Rolle. Sie kosten Zeit, verringern aber 657

auch das Risiko spontaner Überreaktionen und das Entstehen einer widersprüchlichen und lückenhaften Gesetzgebung durch sprunghaft-unstete Entscheidungen.

Die Frage ist, wie die politischen Mitspieler auf solche Veränderungen reagieren, ob sie Entscheidungen, die im Rahmen des Vote électronique zu Stande gekommen sind, noch als legitim akzeptieren.

b. Funktionswandel der Parteien Durch die Einführung des Vote électronique kann auch die Rolle der Parteien in der Politik tangiert werden. Einerseits können sie in ihren Einflussmöglichkeiten geschwächt werden. Die politischen Parteien leiden zwar schon seit Jahrzehnten an politischem Steuerungsverlust. Diese Entwicklung ist unabhängig von den technologischen Entwicklungen der jüngsten Zeit entstanden. Aber der Vote électronique kann sie verstärken. Andererseits werden die Parteien vor neue Herausforderungen gestellt werden. Sie müssen ihre Präsenz auch in elektronischen Medien ständig behaupten. Dies bedeutet einen zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand. Es wird Aufgabe der Parteien sein, sich diesen Herausforderungen von Beginn weg mit einer entsprechenden Strategie zu stellen.

Für Proporzwahlen scheinen allerdings Ängste über einen weiteren Funktionsverlust der politischen Parteien durch Internetwahlen weniger begründet. Die Umsetzung eines Vote électronique dürfte wesentlich länger als eine Legislatur dauern. Und Proporzwahlen sind Teamspiele: Sitzgewinne sind nur bei starkem Gruppenauftritt möglich. Die Ablösung der Parteien durch rein kommerziell orientierte Internetanbieter erscheint wenig wahrscheinlich, und globalem Kopieren ganzer Kandidatenreihen interessengebundener Anbieter von «Auswahlhelfer-Seiten» kann durch technische Vorkehren ein Riegel geschoben werden. Dieser kann inhaltlich dem heutigen Verbot systematischen Einsammelns, Ausfüllens und Verteilens handschriftlich veränderter Wahlzettel nachgebildet werden.

c. Komplexere politische Kommunikation Abstimmungs- und Wahlkampagnen werden mit elektronischen Mitteln wesentlich vielfältiger geführt werden können. Die elektronische Bereitstellung von Unterlagen wird laufende Anpassungen an den Verlauf der öffentlichen Diskussion möglich machen. Dies erfordert auch eine ständige Präsenz und Reaktion der beteiligten politischen Mitspieler in ihrem Informationsangebot. Dies wird
wiederum höhere finanzielle und personelle Anforderungen an sie stellen.

Zumindest in einer ersten Phase werden sich ferner elektronisch Stimmende in Alter und Geschlecht von den übrigen Stimmenden unterscheiden. Sie dürften zuweilen auf andere Argumentationsketten ansprechen und mit einiger Wahrscheinlichkeit nur während sehr kurzer Zeit beeinflussbar sein (insbesondere dort, wo die Stimmabgabe beim selben Einloggen wie die Informationsbeschaffung erfolgt, dies aber individuell zu verschiedensten Zeitpunkten). Auch dies hat wahrscheinlich einen höheren Aufwand bei der politischen Information zur Folge.

d. Konkurrenzdruck auf traditionelle Verfahren Die Mehrkosten, die durch die parallele Ausübung politischer Rechte nach den traditionellen Verfahren und auf elektronischem Weg entstehen, können mit der Zeit einen Druck zur Aufgabe des doppelspurigen Verfahrens (elektronisches Verfahren neben brieflicher Stimmabgabe und Urnengang) auslösen.

658

Die Einführung des Vote électronique macht nur Sinn, soweit er sich auf die Ebenen von Bund, Kantonen und Gemeinden erstreckt. Die Umstellung auf den Vote électronique könnte je nach Intensität und Umfang auf der Ebene der Landsgemeindekantone und insbesondere auf der Gemeindeebene weitergehende Folgen haben. Es ist wohl nicht auszuschliessen, dass nach flächendeckender Einführung des Vote électronique die Forderung nach konsequentem Abstimmen nach neuem Modus erhoben wird. Dies führt unter Umständen zum Ende der Bürgerversammlungen.

Freilich sind sie nicht erst vor dem Hintergrund des Vote électronique durch Urnenabstimmungen ersetzt worden. Diese Entwicklung ist auch nicht von vornherein als demokratiefeindlich zu beurteilen. In der Versammlungsdemokratie kann z.B. das Stimmgeheimnis nicht gewahrt werden.

e. Verkürzung der Meinungsbildungsprozesse Die mögliche Beschleunigung der Information, der Wahlen, Abstimmungen und des Sammelns von Unterschriften könnte die Zeit für die Debatten und das Reifen von Überzeugungen verkürzen, die erst Demokratie und Rechtsüberzeugung bewirken.

Ob eine mögliche Beschleunigung als Chance oder Gefahr verstanden wird, hängt von der Beurteilung ab, wie die allgemein beschleunigten Prozesse des täglichen Lebens wahrgenommen werden. Damit Entscheidungsprozesse dennoch reifen können und Demokratie nicht zur hastigen Non-Stop-Mitbestimmung wird, müssen für die elektronische Stimmabgabe spezielle Fristen festgelegt werden.

f. Elektronischer Informationsüberfluss Die unstrukturierte Vielfalt elektronischer Kommunikationsangebote kann vorab bei politisch komplexen Abstimmungssituationen breite Teile der Stimmberechtigten verdriessen oder gar überfordern. Kommerzialisierung elektronischer Kommunikation und geringere Transparenz und Verantwortlichkeit der Sender und der Informationsquellen könnten sich auf die politische Diskussion nachteilig auswirken. Die Informationsflut auf dem Internet stellt hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitung und -bewertung der Bürgerinnen und Bürger. So entsteht Transparenz nicht automatisch bei blossem Zugang zu einer grossen Menge an Information.

Vielmehr müssen die Informationen für ein besseres Verständnis kognitiv verarbeitet werden. Für den Vote électronique wird es wichtig sein, amtliche Informationen, die übers Internet
angeboten werden, als solche auszuweisen, um sie klar gegen nicht offizielle abgrenzen zu können. Das gleichzeitige und umfangreiche Angebot offizieller und ungefilterter nicht offizieller Informationen auf demselben Medium ist eine neue Herausforderung für die politischen Meinungsbildungsprozesse.

g. Auswirkungen auf das individuelle Abstimmungs- und Wahlverhalten Das Abstimmungs- und Wahlverhalten wird einerseits geprägt von persönlichen Interessen und Werthaltungen sowie dem beruflichen oder familiären Milieu, andererseits von Information von Behörden und Dritten sowie der eigentlichen Wahl- und Abstimmungspropaganda. Die Verlagerung dieser Informationen auf das Internet könnte eine Veränderung des Verhaltens und durch die zeitliche Nähe von Propaganda und Stimmabgabe eine Emotionalisierung bewirken. Allerdings darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die vermehrte Nutzung des Internets für Abstimmungs- und Wahlpropaganda unabhängig von der Einführung des Abstimmens per

659

Mausklick erfolgen wird und dass auch bei dessen Einführung die traditionellen Informationskanäle weiterhin spielen werden.

h. Auswirkungen auf die Zusammensetzung der aktiven Wählerschaft Unter der Voraussetzung, dass sich die Stimmbeteiligung nicht stark erhöht, ist davon auszugehen, dass sich mit dem Vote électronique an der heutigen Zusammensetzung der aktiven Wählerschaft kaum etwas ändert. Professor Linder vermutet, dass eine Verschärfung des Repräsentationsdefizites nach soziodemografischen Merkmalen unwahrscheinlich ist.

3.4

Wahrung der Sicherheit als grosse Herausforderung

Stimmgeheimnis und Sicherheit der Stimmabgabe Eine zentrale Frage für die Realisierung elektronischer Wahlen und Abstimmungen ist die Wahrung des Stimmgeheimnisses, ein Grundsatz, der zwar nicht in der Bundesverfassung verankert ist, aber in Gesetz, Praxis und Doktrin als absolut unbestritten anerkannt wird5. Das Stimmgeheimnis verfolgt keinen primären Zweck, sondern dient als Mittel zur Wahrung der Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, namentlich der Sicherung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit. Alle Stimmberechtigten sollen ihre Stimme so abgeben können, dass weder im Moment der Abstimmung noch später nachgeprüft werden kann, wie eine einzelne Person gestimmt hat. Zu vermeiden ist auch jede unerwünschte Einwirkung auf die Willensbildung und -kundgabe bei Abstimmungen und Wahlen. Für den Vote électronique ist kein grundsätzlich weniger weit gehender Schutz des Stimmgeheimnisses anzustreben.

Allerdings dürfte ein Stimmgeheimnisschutz genügen, der jenem der strengen Praxis zum Stimmgeheimnis bei der brieflichen Stimmabgabe entspricht. Aber auch dieses Erfordernis stellt schwierige Anforderungen an die Funktionssicherheit elektronischer Wahl- und Abstimmungssysteme.

Technische Sicherheit Die elektronische Kommunikation bleibt nach wie vor pannenanfällig. Das Internet ist ein komplexes, heterogenes Netzwerk, welches keiner globalen Sicherheitskontrolle unterliegt. Nicht nur Ausfälle von Computersystemen und Fehlbedienungen, auch Missbrauch und Attacken von aussen können den Vote électronique gefährden. Diese Aspekte werden im Einzelnen in Kapitel 4 dargestellt.

Praktische Unmöglichkeit traditioneller Nachzählungen und Kontrollen Die Stimmabgabe nach traditionellem System ­ einschliesslich schriftlicher Stimmabgabe und einschliesslich gedruckter Erfassungsbelege für die elektronische Stimmenauszählung ­ beruht auf physischen Elementen (Stimmregister, Stimmrechtsausweis, Stimmzettel bzw. Erfassungsbeleg, Urnen, handschriftliche Unterschriften usw.), und die Angriffspunkte für Manipulationen sind im eigentlichen Sinn «sichtbar». Dies ermöglicht es auch, in Fällen von Pannen oder Missbräuchen für alle visuell überprüfbare Nachzählungen und Kontrollen durchzuführen. Unter gewissen Umständen wird den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern bei der traditionellen 5

660

Vgl. statt vieler Pierre Tschannen: Stimmrecht und politische Verständigung.

Basel/Frankfurt am Main 1995, S. 134 ff. mit zahlreichen Nachweisen.

Auszählung der Stimmen ein Anspruch auf Nachzählung gewährt (BGE 114 Ia 47).

Beim Vote électronique vermag diese Massnahme das Vertrauen so lange nicht zu fördern, als das technologische Wissen nicht stärker verbreitet ist. Zwar wird es Informatikdiensten unter Umständen noch möglich sein, Fehlerquellen zu eruieren und elektronische Abläufe zu rekonstruieren. Das «gewöhnliche» Mitglied eines Wahlund Abstimmungsbüros wird aber keine unmittelbare Aufsicht über die Stimmabgabe mehr ausüben können. Vielmehr wird das Feld der am Abstimmungsverfahren Beteiligten über die Gruppe der Stimmberechtigten und Behörden hinaus geöffnet und schliesst Techniker, die nicht stimmberechtigt sein müssen, mit ein. Dies kann einen Vertrauensverlust in das Abstimmungsverfahren nach sich ziehen. Deshalb muss die Kontrollfunktion bei der Einführung des Vote électronique durch technisch und politisch Verantwortliche wahrgenommen werden, die das Vertrauen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger geniessen. Offen bleibt, ob dies genügt.

Fazit Elektronische Formen der Ausübung politischer Rechte dürfen nicht bereitgestellt werden, ohne dass die Fragen der Sicherheit, des Stimmgeheimnisses und der Verhinderung von Missbräuchen gelöst sind. Ohne Vertrauen kann keine Demokratie leben.

3.5

Vergleich mit dem Ausland

Ein Vergleich mit der Ausübung von Volksrechten in anderen Staaten zeigt, dass sich die Verhältnisse in der Schweiz von denen im Ausland in den meisten Aspekten stark unterscheiden. Somit lassen sich kaum Rückschlüsse ableiten auf Chancen und Gefahren für die Einführung eines Vote électronique in der Schweiz. Auch kann die Schweiz wegen der abweichenden Rahmenbedingungen etwa zu Stimmregister, Stimmgeheimnis, Stimmerleichterungen, Stimmzwang oder Volksrechten praktisch keine ausländischen Erfahrungen nutzen.

Ausländische Erfahrungen mit einem Vote électronique kaum weiter gediehen als schweizerische Ausländische Versuche zu elektronischen Abstimmungen und Wahlen sind bisher entgegen Medienberichten nicht nennbar weiter gediehen als schweizerische Pilotprojekte. Wahlen öffentlicher Territorialkörperschaften im Internet auf Distanz wurden lediglich simuliert6. Internetbasierte Wahlen auf Distanz wurden erst bei einigen Anlässen nicht öffentlicher Art durchgeführt7. So genannte Internetwahlen in Brest 6

7

Vgl. mit detaillierten Belegen Oliver René Rüss: Wahlen im Internet.

Wahlrechtsgrundsätze und Einsatz von digitalen Signaturen. In: Multimedia und Recht 2 (2000), S. 73; Christoph Bieber: E-Voting und Interaktivität. Zur Rahmung elektronischer Wahlprozesse. Studie für die Schweizerische Bundeskanzlei. Manuskript Giessen 2001, S. 9; Centre d'étude et de documentation sur la démocratie directe (C2D)/Faculté de droit de l'Université de Genève: Le contexte socio-politique et le cadre juridique de l'introduction du e-voting dans le canton de Genève. Rapport rédigé à la demande de la Chancellerie d'Etat. Genève 2001, p. 22­32.

Demokratische Primärwahlen in Arizona 11. März 2000, parteiinterne Wahlen der italienischen Radikalen 8. Dezember 2000, Bestellung der Leitung der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ICANN vom 1. bis 10. Oktober 2000, Studentenratswahlen in Osnabrück Februar 2000 und in Umea (Schweden) Mai 2001.

Die Summe aller Personen, die an einer dieser Internetwahlen teilgenommen haben,

661

(September 2000) und Paris (März 2001) fanden einzig im Urnenlokal selber statt.

In einzelnen Teilen Australiens wurde im Oktober 2001 eine elektronische Teilnahme an Wahlen ebenfalls im Urnenlokal unter Nutzung eines internen Netzwerkes ermöglicht.

Weniger ausgebautes Stimmregisterwesen im Ausland In der Schweiz werden die Stimmregister ständig nachgeführt. Die Registrierung ist von Amtes wegen obligatorisch und umfasst sämtliche von Rechts wegen Stimmberechtigten; alles Eigenschaften, die in anderen Staaten höchstens zum Teil zutreffen.

Keine oder nur bedingte Stimmerleichterungen Die Schweiz kennt weltweit nahezu einmalig ausgebaute Stimmerleichterungen.

Von den derzeitigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union lässt beispielsweise heute nur knapp die Hälfte eine briefliche Stimmabgabe zu (Dänemark, Deutschland, Grossbritannien, Irland, Niederlande, Portugal und Schweden), und auch sie tun es zu einem guten Teil nur unter erheblichen Auflagen und Einschränkungen.

Volksrechte Die meisten demokratischen Staaten kennen die Möglichkeit direktdemokratischer Sachentscheidungen in Volksabstimmungen und Referenden, allerdings in Formen, die im Vergleich zur Schweiz fast immer wesentliche Einschränkungen zeigen. Verschiedene Staaten kennen Möglichkeiten des Plebiszits, bei denen Volksabstimmungen von staatlichen Autoritäten angeordnet werden und jegliche Unterschriftensammlung entfällt. Die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung von Stimmrecht und Volksrechten sind in Tabelle 1 zusammengestellt:

erreicht weltweit noch nicht einmal 100 000.

662

663

Spanien USA

Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Schweiz

X

X X

X X

X

X X

X X X

X X

X X X

Griechenland Grossbritannien Irland

von Amtes wegen

X

X X

X X

X X X

X

X X

X X

X X X

X

X

X X

X X

X X X

X

X

X X

X X

X X X

X

X X

g

¼ Jahr

X

½ Jahr

f

h

i

k

keine

X X

l

restriktiv

X

1 Jahr

e

m

ausgebaute

X X

n

mit Sanktionen

X

2-4 Jahre

d

o

Lex imperfecta

X X

p

kein

Finnland Frankreich

nur auf private Meldung

c

q

r

X

s

frei

Volksanstoss

Volksrechte keine

X X

StimmZwang nur Behördenplebiszit

b

Stimmerleichterungen

nur am Amtsschalter

X X

StimmGeheimnis

X

t

zweistufig

Belgien Dänemark Deutschland

Periodizität

Nachführung der Stimmregister

X

u

einstufig

a

Souveräner Staat

Kriterium

­ ­

­ ­ ­ ­ ­ ­

­ ­ ­

­ ­

­ ­ ­

v

Tabelle 1

r: + Gesetzes-Volksinitiative -k/l/m/n: je einige Gliedstaaten; p/q: Bund + einige Gliedstaaten; u: einige Gliedstaaten

n: nur SH; p: alle übrigen Kantone

r: + obligatorisches Verfassungsrevisionsreferendum

n: nur Senatswahl; p: alle andern Wahlen + Plebiszite

q: Bund nur Landeseinteilung; s/t: Bundesländer

w

erfüllt

teilweise erfüllt

nicht erfüllt

X (Kolonnen b­g für die Zeilen von Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweden und Spanien sowie Kolonnen s­u für die Zeile Spanien) bedeuten: hierfür wurde kein detaillierter Rechtsvergleich angestellt, weil er angesichts der übrigen Unterschiede zwischen einem Staat und der Schweiz keinen hilfreichen Erkenntnisgewinn verspricht.

Vergleichbarkeit der Voraussetzungen für die Einführung eines Vote électronique in der Schweiz, in den EU-Staaten und in den USA Vergleichbarkeit zur Schweiz

explizit in der Verfassung verankert

nicht explizit in der Verfassung verankert

4

Aspekte der Sicherheit

4.1

Sicherheitsanforderungen

Gleich hohe Sicherheit wie bei bestehenden Verfahren Elektronische Wahl- und Abstimmungssysteme und die elektronische Sammlung von Unterschriften müssen unter allen Umständen sicher funktionieren und vor möglichen Gefahren und Einwirkungen von aussen geschützt sein. Sie müssen dabei ebenso viel Sicherheit bieten wie die gegenwärtig geltenden Systeme. Das bedeutet allerdings nicht hundertprozentige Sicherheit. Auch das geltende Abstimmungssystem kennt Schwachstellen. Auf Grund der föderalistisch gewachsenen demokratischen Traditionen hat sich bis heute eine Vielfalt von Mechanismen zu den politischen Rechten entwickelt, die nie vereinheitlicht wurden und deren Verschiedenheit im Einzelfall eine wirksame Kontrolle gegen Missbrauch vereitelt. Die mancherorts noch manuelle Führung der Stimmregister nach kantonal unterschiedlichen Regeln etwa verunmöglicht angesichts der 18-monatigen Sammelfrist ein effizientes Unterbinden von Mehrfachunterzeichnungen einer Volksinitiative durch dieselbe Person vor und nach ihrem Wohnortswechsel. Wander- und Krankenurnen sowie Stellvertretung neben Urnengang, vorzeitiger und brieflicher Stimmabgabe eröffnen Manipulationsmöglichkeiten.

Ausserdem wird die konventionelle Art der Stimmregisterführung durch hohe Mobilität und entsprechend starke Bevölkerungsfluktuation sowie äusserst kleinräumige Gemeindestrukturen zunehmend verteuert und schwerfälliger. Für die Ausübung der Volksrechte und die häufigen Volksabstimmungen müssen die Stimmregister permanent nachgeführt werden, wodurch kleinere Gemeindeverwaltungen immer mehr an Kapazitätsgrenzen gelangen. Städtische Agglomerationsgebiete bekunden ihrerseits zunehmend Mühe, die Ausmittlung von Abstimmungs- und Wahlergebnissen im Milizsystem zu bewältigen. Im Ergebnis gibt es weder bei der Ausmittlung der Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen und Wahlen noch beim Zustandekommen von Volksbegehren eine Nulltoleranz. Eine solche wäre mit vernünftigem Aufwand und konventionellen Mitteln innert nützlicher Frist gar nie zu erreichen.

Sicherheitsanforderungen für den Vote électronique Elektronische Abstimmungssysteme müssen namentlich folgenden Sicherheitsanforderungen genügen: a.

Elektronisch abgegebene Stimmen dürfen weder abgefangen noch verändert oder umgeleitet werden können.

b.

Vom Inhalt elektronisch abgegebener Stimmen dürfen Dritte keine Kenntnis erlangen können.

c.

Nur stimmberechtigte Personen können teilnehmen.

d.

Jede stimmberechtigte Person hat eine und nur eine Stimme.

e.

Der Datenschutz muss gewährleistet sein.

f.

Im Falle einer Panne darf keine bereits abgegebene elektronische Stimme verloren gehen.

664

Zur Erreichung dieser Ziele sind etwa folgende technische Massnahmen denkbar: a.

Gebrauch von Firewalls;

b.

die strikte Trennung von Personendaten und Stimmentscheid;

c.

getrennte Speicherung von Personendaten und Abstimmungsresultaten in verschiedenen Servern;

d.

der Betrieb einer Vielzahl von Servern und deren Unterbringung in Hochsicherheitsräumen;

e.

Sicherheitsmassnahmen für die Übermittlung der Stimmabgabe.

Die Sicherheitsrisiken können in ihrer Gesamtheit nur über praktische Erfahrungen erfasst werden. Deshalb werden Pilotprojekte vorbereitet (vgl. dazu Ziff. 5.4).

4.2

Technische Mindestinfrastruktur zur Gewährleistung der Sicherheit

Bevor Anforderungen an bestimmte Hard- und Softwarekonfigurationen festgelegt werden, wird ein logisches Sicherheitskonzept erarbeitet werden müssen. Es wird auch Anforderungen an Gebäude, Räume, Kommunikation, Zugangsberechtigungen und weitere Teile der Infrastruktur enthalten müssen. Dies ist eine primär technische Aufgabe, die von Spezialisten gelöst werden muss.

Eine denkbare minimale technische Infrastruktur könnte etwa folgende Elemente umfassen: a.

eine Verifikationsmöglichkeit je Urnenlokal zur Überprüfung allfälliger doppelter Stimmabgaben;

b.

zwei unabhängige Provider zur Gewährleistung des Kommunikationsflusses;

c.

Installierung von Firewalls auf verschiedenen Ebenen als Sicherheitsbarrieren;

d.

mehrere Security-Server zur Entschlüsselung der eintreffenden Anfragen und zur Verschlüsselung der Ergebnisse;

e.

mehrere Stimmregister-Server (physisches Abbild des auf die massgebenden Informationen reduzierten Stimmregisters, wie es aus dem Einwohnerregister abgeleitet ist);

f.

mehrere Abstimmungsserver zur Protokollierung der Stimmentscheide.

Solche oder ähnliche minimale, dem aktuellen technischen Stand entsprechende Voraussetzungen sind ­ ob auf Stufe Gemeinde, Kanton oder Bund ­ je nach Lösung unabdingbar und mehrfach aufzubauen. Sie sind zudem so auszulegen, dass Spitzenwerte von über 100 000 Anfragen je Stunde problemlos bewältigt werden können.

4.3

Technische Probleme

Nicht zu unterschätzen sind die technischen Probleme bei der Einführung von elektronischen Wahl- und Abstimmungssystemen auf Grund der Vielfalt der Systeme und Anwendungen, die einbezogen werden müssen: Unterschiedliche Browser und 665

Betriebssysteme, die über verschiedenste Provider angeschlossen sind, ergeben ein äusserst komplexes System. Auf jeder Ebene können Kompatibilitätsprobleme auftreten. Auch die Bedienung der verschiedenen Anwendungen ist nicht für alle gleich einfach. Die Stimmberechtigten müssen bei Problemen unterstützt werden; ein entsprechender Helpdesk muss jederzeit erreichbar sein.

4.4

Identifikation und Sicherheit

Ein spezieller Sicherheitsaspekt ist die Frage, wie bei elektronischen Wahlen und Abstimmungen Abstimmende unter Wahrung des Stimmgeheimnisses so identifiziert werden können, dass Stimmrechtsmissbrauch verhindert werden kann.

4.4.1

Identifikationsprinzipien

Für die elektronische Identifikation einer Person stehen grundsätzlich folgende drei Prinzipien zur Diskussion: a. Identifikation für eine Mehrzahl von Anwendungen und Kontakten Eine Person erhält eine einzige, unbeschränkt verwendbare Identifikation für alle Kontakte und Anwendungen. Diesbezüglich werden Synergien zwischen dem Vote électronique und digitaler Identitätskarte näher zu studieren sein.

b. Identifikation für eine einzelne Anwendung und für eine Mehrzahl von Kontakten Zu jeder für die Öffentlichkeit freigegebenen elektronischen Anwendung wird eine individuelle, spezielle Identifikation geschaffen, die in dieser Anwendung unbeschränkt gültig ist. Beispiele in der Geschäftswelt sind Kreditkarten oder individuelle Zugänge zum eigenen Bankkonto.

c. Temporäre Identifikation (anlassbeschränkte Identifikation) Pro Anlass innerhalb einer Anwendung, also zum Beispiel für jede Abstimmung oder Wahl, wird für jede Person eine Identifikation geschaffen, die nur für diesen Anlass gültig ist. Ein Beispiel im Bankenverkehr sind Streichlisten, bei denen jede Identifikationszahl nur einmal verwendet werden kann.

4.4.2

Identifikationsmittel

Als Identifikationsmittel stehen heute einige taugliche Verfahren zur Verfügung. Eine Aufzählung an dieser Stelle kann allerdings nicht abschliessend sein, da laufend weitere Verfahren entwickelt und erprobt werden. Sie beschränkt sich deshalb auf die derzeit gängigsten Verfahren: a. Passwort oder PIN-Code (Personal Identification Number) Die Benutzerin bzw. der Benutzer eines Systems benötigt eine Zahl oder ein Wort, um Zugang zu einem System zu erhalten. Neben dem einfachen Verfahren (PINCode 1) sind auch erweiterte Verfahren denkbar, bei denen zusätzlich zum PIN-

666

Code 1 noch eine weitere Zahl, der PIN-Code 2 angegeben werden muss, zum Beispiel das Geburtsdatum, eine Zahl aus einer Streichliste usw.

b. Datenträger mit persönlichen Daten Zur Identifizierung können auch Datenträger, die persönliche Daten enthalten, verwendet werden. Heute gängige Typen sind etwa: 1. Eine SIM-Card (Subscriber Identity Module Card) ist ein in Mobiltelefonen benutzter Chip, auf dem die für die Zugangsberechtigung erforderlichen Daten sowie weitere persönliche Informationen eines Netzbenutzers oder einer Netzbenutzerin gespeichert sind. Die Übermittlung und Überprüfung dieser Daten kann zur Identifizierung einer Person benutzt werden.

2. Eine CD-Card ist eine Mini-CD-ROM in Kreditkartengrösse, die in allen handelsüblichen CD-ROM-Laufwerken gelesen werden kann.

3. Eine Smart-Card ist eine Plastikkarte in Kreditkartengrösse, die einen Datenspeicher enthält; gewisse Typen von Smart Cards können auch einfache Programme ausführen, zum Beispiel Sicherheitsüberprüfungen oder Datenverschlüsselungen vornehmen, Daten bearbeiten oder Transaktionen durchführen.

Die verschiedenen Identifikationsmittel und die verschiedenen Identifikationsprinzipien können in einem gewissen Mass beliebig kombiniert werden. Im Banken- und Geschäftsverkehr (Bankomat, Kreditkarte usw.) wird ein PIN-Code als anwendungsbezogenes Identifikationsmittel eingesetzt, wobei teilweise auch Streichlisten als zusätzliche temporäre Identifikationsmittel verwendet werden. Als anwendungsbezogene oder globale Identifikationsmittel kommen vor allem physische Träger persönlicher Informationen in Frage, vor allem wenn damit eine Vielzahl von Daten geprüft werden muss, persönliche Daten verändert oder Transaktionen ausgeführt werden sollen. Die verschiedenen Identifikationssysteme haben jeweils Vor- und Nachteile auf unterschiedlichen Ebenen; manche sind universell verwendbar, jedoch stark geräteabhängig. Geräteunabhängige Verfahren sind umgekehrt relativ unsicher.

Einen Überblick über Vor- und Nachteile der verschiedenen Identifikationsmittel gibt Tabelle 2:

Vor und Nachteile der verschiedenen Identifikationsmittel Tabelle 2 Nr.

Identifikationsmittel

SIM-Card

PIN-Code 1

PIN-Code 2

CD-Card

Smart-Card

Ja, zusätzlicher administrativer Aufwand für CodePflege Ja

Kriterium

1

Softwarekosten für Generierung des Codes

Ja, Handy benötigt

Ja

Ja, zusätzlich Abdeckung des PINCodes

Ja

2

Administrativer Aufwand für CodeVerwaltung

Ja

Nein

Nein

Ja

667

Nr.

Identifikationsmittel

SIM-Card

PIN-Code 1

PIN-Code 2

CD-Card

Smart-Card

Zusätzliche Herstellungskosten für Stimmzettel Logistikkosten Zusätzlicher Hardwarebedarf

Keine

Niedrig

Niedrig Keine (Zusatzfrage)

Keine

Hoch Nein

Niedrig Nein

Niedrig Nein

Hoch Ja

6 7

Identifikation Authentifikation

8

Eindeutig Nicht eindeutig Nein

Eindeutig Nicht eindeutig Nein

9

Installationssupport nötig Kosten für Helpdesk

Eindeutig Nicht eindeutig Nein

Hoch Nein, Hardwareprobleme je nach Format möglich Eindeutig Nicht eindeutig Nein

10

Sicherheit

Geringe Kosten Ausreichend

Geringe Kosten Hoch

Hoch

Hoch

Kriterium

3 4 5

Hoch

Eindeutig Nicht eindeutig Ja

Grau unterlegte Felder zeigen Nachteile, weisse Felder Vorteile eines Identifikationsmittels an (Entwicklungsstand 2001; die Entwicklung in diesem Gebiet erfolgt sehr rasch, so dass die hier aufgeführten Vor- und Nachteile vor einer konkreten Umsetzung nochmals überprüft werden müssen).

4.5

Gefährdungen der Sicherheit durch Angriffe von aussen

Elektronische Abstimmungs- und Wahlsysteme sind an vier wesentlichen Punkten verletzbar: a.

bei den Back-Office-Geräten (Server);

b.

bei den Endbenutzer-Geräten (Client, Handy);

c.

auf den Kommunikationswegen (Weg zwischen Endbenutzer-Geräten und Back-Office-Geräten);

d.

bei der Ausgabe der Identifikationsmittel.

Während Server und Client vor allem mit Viren aller Art, insbesondere mit Trojanischen Pferden, infiziert werden können, bedrohen die Denial-of-Service-Attacken (Blockieren eines Servers durch eine gezielte Überlastung mit fehlerhaften oder unvollständig abgewickelten Protokoll-Anfragen) die Kommunikationswege unmittelbar. Endbenutzer-Geräte können so manipuliert werden, dass Bildschirminhalte, Tastatureingaben oder die Kommunikation mit angeschlossenen Peripheriegeräten von Unberechtigten mitverfolgt und gespeichert werden können. All diese Angriffe können irgendwo auf dem Globus ausgelöst werden. Rasch wechselnde Software und immer neue Formen von Viren bedingen somit häufige Tests von InternetAbstimmungs- und -Wahlsystemen.

668

Abwehrmassnahmen gegen Angriffe von aussen Als Abwehrmassnahmen werden etwa folgende Vorkehrungen vorgeschlagen: a.

Open-Source-Methode: Lösungsansätze, bei denen der Programmcode einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird;

b.

Durchführung der elektronischen Stimmabgabe in einem Virtual Private Network (VPN). Das ist ein Netzwerk, das nur bestimmten Personen für einen bestimmten Zweck zugänglich ist, hier also den Stimmberechtigten für Abstimmungen und Wahlen;

c.

Auslieferung der für die elektronische Stimmabgabe erforderlichen Programme und Verbindungsmechanismen auf einer für jede Wählerin und jeden Wähler individuell parametrierten CD-Rom;

d.

Einsatz eines vom Staat betriebenen Modem-Pools. Das ist ein Pool, der aus zahlreichen Modems besteht, die an das Rechnersystem der Verwaltung angeschlossen sind. Die Stimmberechtigten können ihre Heimcomputer via Telefonleitung mit diesen Modems verbinden und dadurch mit dem Rechnersystem der Verwaltung direkt Kontakt aufnehmen, ohne den sicherheitsanfälligen Umweg über das Internet machen zu müssen. Ob ein solcher Modem-Pool technisch realisierbar wäre, erscheint allerdings mehr als fraglich;

e.

Call-Back-Verfahren: Jede Stimmabgabe muss durch einen (telefonischen) Rückruf bestätigt werden.

Zwischenergebnis Generell ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: a.

Mehr Sicherheit kann heute Einschränkungen beim Komfort und Akzeptanzverlust zur Folge haben. Zukünftige technische Entwicklungen erlauben möglicherweise eine höhere Sicherheit ohne Komfortverlust.

b.

Je höher die Sicherheitsansprüche sind, desto höher können die Kosten ausfallen.

c.

Solange auf bereits vorinstallierte Teile des Betriebssystems zurückgegriffen werden muss, können Virusattacken nicht ausgeschlossen werden. Nur eine CD mit komplettem Betriebssystem könnte dies allenfalls überbrücken. Eine solche Lösung ist sehr kostspielig.

d.

Denial-of-service-Attacken gefährden die Sicherheit nicht; sie verhindern lediglich die erfolgreiche Einwahl in ein elektronisches Abstimmungssystem. Dieses Risiko ist qualitativ nicht verschieden von den Risiken bei konventionellen Abstimmungen, wie die katastrophenbedingte Verhinderung des Urnengangs in Brig und Umgebung 1993 gezeigt hat. Denial-ofservice-Attacken können abgewehrt werden, wenn sie von einem oder wenigen Absendern her ausgeübt werden. Notfalls muss der Server geschlossen werden. Die Ausübung der politischen Rechte ist diesfalls nur noch an der Urne möglich.

e.

Je offener ein elektronisches Abstimmungssystem angelegt wird, desto flexibler, durchschaubarer und effizienter wird es und desto grösser dürfte die Akzeptanz eines derartigen Verfahrens ausfallen.

669

f.

Elektronische Systeme können nur durch vom System selbst abhängige, technische Verfahren kontrolliert werden. Kommerzielle Systeme sind oft intransparent. Dies erschwert die Überprüfung der Verfahren.

g.

Die Open-Source-Methode im Sinne einer umfassenden Kommunikation sämtlicher Programmteile an eine breite Öffentlichkeit scheint kaum wünschenswert. Jedoch müssen technisch und politisch verantwortliche Stellen über uneingeschränkte Einsichtsmöglichkeiten in den Quelltext verfügen.

4.6

Schadensrisiko bei elektronischer Stimmabgabe

Die Durchführung elektronischer Abstimmungen und Wahlen ist ein komplexes Ereignis, weil ein breiter Personenkreis mitwirkt: alle, die ihre Stimme elektronisch abgeben, und alle, die bei der Ausmittlung der Ergebnisse in irgendeiner Art mittun.

Im Unterschied etwa zu E-Banking besteht ausserdem bei «Fehlbuchungen» der Stimme auf Grund betrügerischer Aktivitäten keine Möglichkeit der «Rückbuchung einer Wahlstimme» (dies verstiesse gegen das Geheimhaltungsgebot). Zudem lassen sich keine klaren Haftungsregeln festlegen, weil Schädigungsinteresse und Schadens- und Nutzenpotenzial nicht in gleicher Weise zugeordnet werden können. Die Unterschiede zwischen Bankomat und elektronischer Stimmabgabe lassen sich wie folgt darstellen:

Schadensrisiko bei der elektronischen Stimmabgabe. Vergleich zum Bankomaten Tabelle 3 Kriterium

bei Ausweisverlust oder -weggabe der elektronischen Bankkarte

des elektronischen Stimmrechtsausweises

Schadensrisiko

bei der Inhaberin bzw. dem Inhaber der Bankkarte

bei der Allgemeinheit

Gewinnchance

bei der missbräuchlich handelnden Person, die die Karte rechtmässig oder unrechtmässig besitzt

­ bei stimmunwilligen Stimmberechtigten (> Risiko des Stimmenverkaufs)

4.7

­ bei stimmwilligen nicht (mehr) Stimmberechtigten

Sicherheits- und Risikomanagement

Das Sicherheitsmanagement für den Vote électronique kann nicht darin bestehen, einzelne Komponenten isoliert gegen Risiken zu schützen. Vielmehr gelten folgende Grundsätze: Die Antwort auf Bedrohungen der Sicherheit heisst Risikomanagement Absolute, andauernde Sicherheit ist eine Illusion. Die Bedrohung mit Software, die zu böswilligen Angriffen auf das Funktionieren von Internetkommunikation und 670

Anwendungen konzipiert und eingesetzt wird, so genannte Malware, wird stark zunehmen. Viren können auch in bisher unberührten Gebieten wie etwa der Mobiltelefonie, Verkehrsleitsystemen, Kühlschränken, in der Autoelektronik oder in Herzschrittmachern auftauchen. Sie werden auch die digitale Signatur nicht verschonen.

Schaden wird durch manipulierte «Vertragsabschlüsse» ebenso entstehen können wie durch entsprechend fehlerhafte «Stimmabgabe». Diese Fragen werden akzentuiert durch die Zunahme der Komplexität von Computersystemen und Netzwerken, denn Komplexität ist Gegner Nummer eins von Sicherheit. Die Gegenstrategie heisst Risikomanagement: Die Risikoanalyse muss aufzeigen, welchen Bedrohungen mit welchen Massnahmen in vertretbarem Kosten-Nutzen-Verhältnis begegnet werden soll.

Sicherheitsmassnahmen müssen auf einem Gesamtkonzept basieren Sicherheit besteht aus mehreren Komponenten. Alle Komponenten zusammen bilden ein Ganzes, und die einzelnen Sicherheitsbestrebungen ergänzen einander zu einem Sicherheitskonzept. Die einzelnen Komponenten können ihre Wirksamkeit erst im Verbund mit den anderen Vorkehrungen entfalten. Für einen wirksamen Schutz vor schädlichen Virenattacken oder sonstigen Manipulationen ist der Einbezug aller Mitwirkenden in die Sicherheitsarbeit unerlässlich.

Ein Sicherheitskonzept muss jede Ebene der Anwendung berücksichtigen Sicherheitsmassnahmen müssen auf allen Ebenen der Anwendung eines Systems getroffen werden. Im Pilotprojekt des Kantons Zürich beispielweise (siehe Ziff. 5.4.3) werden vier Sicherheitsebenen unterschieden (siehe Grafik 1): Die vier Sicherheitsebenen im Projekt Elektronisches Wahl- und Abstimmungsverfahren des Kantons Zürich Grafik 1

671

a. Technische Sicherheit Die technische Infrastruktur muss so aufgebaut sein, dass die Abläufe und Daten gegen Angriffe (z. B. Hacker) geschützt sind und auch bei Fehlbedienungen weder Programme zusammenbrechen noch Daten verloren gehen können. Die technologische Entwicklung bestimmt die Sicherheitsvorkehrungen auf technischer Ebene.

Diese müssen mit steigender Komplexität der Technologie zwangsweise zunehmen und bedürfen wegen der fortwährend ändernden Bedingungen der ständigen Qualitätskontrolle und flexiblen Anpassung. Die technische Sicherheit ist zwar ein wesentliches Moment, kann für sich allein aber nicht genügen.

b. Sicherheit bei der Aufbau- und Ablauforganisation Das grösste Sicherheitspotenzial kommt der Aufbau- und Ablauforganisation zu.

Diese soll eine flexible Reaktion auf Sicherheitsmängel ermöglichen und darf daher weder technischen noch gerätespezifischen Gegebenheiten unterliegen.

c. Strafrechtlicher Schutz Die Schwelle für leichtsinnige Attacken auf das Sicherheitssystem muss mit strafrechtlichen Massnahmen deutlich erhöht werden. Offen ist dabei, ob dies durch Revision des Schweizerischen Strafgesetzbuches geschehen muss oder ob ein internationales Übereinkommen denkbar wäre.

d. Sicherheit bei der Anwendung Einen gewissen Einfluss auf die Sicherheit hat auch das Verhalten von Benutzerinnen und Benutzern eines Systems. Allerdings muss das System so konzipiert werden, dass Fehlverhalten und Missbrauch durch die Benutzerinnen und Benutzer möglichst ausgeschlossen sind. Sicherheitstechnische Vorkehrungen sollten den Benutzerinnen und Benutzern selbst, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend auferlegt werden; sonst wird das Interesse an einem Vote électronique schnell abnehmen. Die Gewährleistung der Sicherheit darf auch nicht dazu führen, dass nur technisch begabte Leute übers Internet abstimmen können. Auf kostenwirksame Komponenten zu Lasten der Benutzerinnen und Benutzer ist zu verzichten.

Die Beibehaltung traditioneller Verfahren verringert die Abhängigkeit von einem Vote électronique Wenn der Vote électronique ergänzend, nicht alternativ zu den konventionellen Formen eingeführt wird, wird grundsätzlich vermieden, dass die Demokratie völlig von der prekären Verfügbarkeit elektronischer Kommunikationsmittel abhängig wird.

4.8

Fazit: Sicherheitsmanagement ist ein politischer Entscheid

Der Entscheid darüber, welchen Sicherheitsgrad ein System erreichen, welchen Komfort es für die Bürgerinnen und Bürger bieten und welche Akzeptanz es geniessen muss, damit sich seine Realisierung lohnt, ist ein politischer Entscheid.

Sache der Politik ist es auch, das Risikomanagement zu definieren. Die Festlegung eines minimalen Sicherheitsstandards setzt eine schonungslose Analyse der Stärken und Schwächen der bestehenden konventionellen und der künftigen Systeme voraus.

672

Eine Hauptgefahr elektronischer Abstimmungen besteht darin, dass Abstimmungsergebnisse manipuliert werden und nicht mehr für alle nachvollziehbare Nachzählungen sie aufdecken könnten. Es wird daher aufzuzeigen sein, welche Manipulationsgefahren bei welchen Bearbeitungsschritten entstehen und wie sie ausgeschlossen oder doch eingegrenzt werden können. Die Politik wird zu entscheiden haben, ob das gewählte System mit den verbleibenden Restrisiken den Anforderungen genügen kann. In jedem Fall wird ein derart empfindliches System erst für den Betrieb freigegeben werden dürfen, wenn es detailliert auf Leistungsfähigkeit und Pannenresistenz getestet ist. Dies erfordert Zeit und Sorgfalt. Gegenwärtig bestehen auf Bundesebene weder Qualitäts-Standards zu Wahlsystemen noch Sicherheits-Standards bezüglich sensibler Informatikanwendungen. Auf dem Markt existieren gegenwärtig keine rein elektronischen Geräte, deren Funktionieren ebenso verlässlich ist wie die traditionellen Verfahrenskontrollmöglichkeiten.

5

Realisierung des Vote électronique

5.1

Etappierung

5.1.1

Realisierung in vier Schritten

In der konkreten Situation erscheint die schrittweise Realisierung des Vote électronique der Erfolg versprechendste Weg: Der Vote électronique in seiner vollen Entfaltung wird ein komplexes System mit vielen Beteiligten auf vielen verschiedenen Ebenen sein. Auch liegen bislang wenig oder keine konkreten Erfahrungen mit elektronischen Abstimmungen oder Wahlen vor, erst recht keine mit elektronischen Unterschriftensammlungen. Das Vorgehen in Etappen ermöglicht, Erfahrungen in begrenzten Bereichen zu sammeln, die auf die kommenden angewendet werden können.

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die Politikerinnen und Politiker und die Behörden müssen sich an die neuen Verfahren und Strukturen gewöhnen und mit ihnen umgehen lernen. Die Einführung eines Vote électronique ist nur erfolgreich, wenn sie von den direkt Beteiligten nachhaltig akzeptiert wird. Die Akzeptanz ist grösser, wenn die Einführung in überschaubaren Schritten erfolgt. Die folgende Etappierung erscheint sinnvoll: 1. Etappe: Elektronisches Abstimmen Bürgerinnen und Bürger sollen ihren politischen Willen nicht nur durch den Gang an die Urne oder durch die briefliche Stimmabgabe ausdrücken können, sondern auch unter Zuhilfenahme digitaler Mittel, und zwar auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene. Integrale Bestandteile dieser Phase bilden die Übermittlung, die Kontrolle, die Auszählung und Verbreitung der Ergebnisse, die Geheimhaltung sowie die Gewährung der Sicherheit.

2. Etappe: Elektronisches Wählen In einer zweiten Phase sollen die gewonnenen Erfahrungen aus der ersten Etappe auf den komplexeren Bereich der Wahlen, prioritär der Nationalratswahlen, ausgedehnt werden. Hierbei soll zunächst nur die Abwicklung der Wahl im eigentlichen Sinn, das heisst die Stimmabgabe und das Auszählen und Auswerten der Wahlzettel elektronisch erfolgen; ausgeklammert bleibt vorerst das Wahlvorschlagswesen.

673

3. Etappe: Elektronische Unterschriftensammlungen In dieser Phase sollen Volksinitiativen und Referenden auf Wunsch auch elektronisch unterzeichnet und geprüft werden können.

4. Etappe: Elektronische Wahlvorschläge In der letzten Teiletappe sollen Wahlvorschläge für Nationalratswahlen elektronisch eingereicht, überprüft und validiert werden können.

5.1.2

Gleichzeitige Realisierung der Etappen auf allen politischen Ebenen

Die Einführung des Vote électronique ist nur dort sinnvoll, wo sie auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene gleichzeitig Anwendung findet. Für die Abstimmenden wäre es kaum nachvollziehbar und würde dem Zweck des elektronischen Abstimmens und Wählens zuwiderlaufen, wenn sie bei gleichzeitigen Vorlagen des Bundes, des Kantons und der Gemeinde ihre Stimme bloss für die Bundesvorlage elektronisch abgeben könnten und für die anderen Vorlagen den brieflichen Weg oder den Gang an die Urne wählen müssten. Das heisst nicht, dass das System in der ganzen Schweiz gleichzeitig eingeführt werden müsste, auch eine kantonsweise Umsetzung macht Sinn, wenn die zugehörigen Gemeinden mitmachen.

5.1.3

Parallele Verwendung der traditionellen Verfahren und des Vote électronique

Da elektronische Infrastrukturen nicht allen Bürgerinnen und Bürgern in gleicher Weise zugänglich sind oder bei einigen auf geringere Akzeptanz stossen könnten, muss der Vote électronique so eingeführt werden, dass auch traditionelle Verfahren der Stimmabgabe möglich bleiben. Es sind allerdings viele Möglichkeiten denkbar, wie auch über traditionelle Abstimmungsunterlagen die Daten elektronisch erfasst und verarbeitet werden können.

5.1.4

Weitere Ausbauarbeiten vor und zwischen den einzelnen Etappen

Bevor die einzelnen Etappen in Angriff genommen werden, können bereits Vorarbeiten geleistet werden. Einzelne dieser Vorarbeiten sind schon realisiert, andere sind ohne grossen Aufwand realisierbar.

a. Bereits realisierte Vorarbeiten ­

Die Bundeskanzlei stellt bereits heute die Abstimmungserläuterungen in allen Amtssprachen auf dem Internet zur Verfügung.

­

Die Abstimmungsanordnung mit den Daten und Vorlagen wird den Kantonen und Gemeinden elektronisch übermittelt. Rückfragen werden damit sukzessive überflüssig, die Informationen rascher, präziser, umfassender und allgemeiner zugänglich.

674

­

Die Bundeskanzlei bietet bereits heute auf dem Internet zu allen laufenden eidgenössischen Referenden und Volksinitiativen Unterschriftenlisten zum Herunterladen und Unterzeichnen an und ermöglicht damit beispielsweise Auslandschweizerinnen und -schweizern eine rasche, umfassende Information über laufende Volksbegehren sowie die sofortige Beschaffung und Unterzeichnung der Unterschriftenlisten.

b. Guichet virtuel des Bundes Parallel zum Projekt des Vote électronique läuft als gemeinsames Projekt von Bund und Kantonen das Projekt Guichet virtuel. Bei diesem Vorhaben soll in einem ersten Schritt ein gemeinsames Eingangstor auf das bestehende Informationsangebot von Bund, Kantonen und Gemeinden geschaffen werden. Benützerinnen und Benützer sollen über ein einfaches Wegweisersystem schnell und unkompliziert die Anlaufstelle bei den Behörden finden. In einem zweiten Schritt soll ein umfassendes Kommunikations- und Transaktionsportal geschaffen werden. Der Bund stellt dafür die technologische Plattform zur Verfügung. Der Guichet virtuel soll bereits Ende 2002 in eine erste Betriebs- und Aufbauphase überführt werden. Der Normalbetrieb des entwickelten Guichet virtuel soll 2005 aufgenommen werden können. Wird der Vote électronique eingeführt, werden die Strukturen des Guichet virtuel natürlich auch dafür nutzbar gemacht werden.

c. Leicht realisierbare sonstige Vorarbeiten Bevor einzelne Etappen vollständig realisiert werden, lassen sich Vorarbeiten wie die folgenden ohne grösseren Aufwand leisten: ­

Formulare für gesamthafte Stimmrechtsbescheinigungen zu Volksbegehren (Art. 62 Abs. 4 BPR) lassen sich eidgenössisch anfertigen und den Gemeinden über Internet zur Verfügung stellen. Für die Erstellung von Gesamtbescheinigungen soll für eidgenössische Referenden und Volksinitiativen die Datenbank der Bundeskanzlei abgerufen werden können. Dies eliminiert Fehlerquellen und Ursachen für ungültige Unterschriften, die nicht den Unterzeichnerinnen, Unterzeichnern und Komitees anzulasten sind; ausserdem haben die Gemeinden weniger Arbeit.

­

Ergebnisformulare für eidgenössische Volksabstimmungen lassen sich eidgenössisch erstellen und Kantonen und Gemeinden über Internet zur Verfügung stellen. Kostenintensive Fehler lassen sich dabei durch elektronische Überprüfungsmechanismen (Plausibilitätskontrollen) umgehend erkennen, korrigieren, bei der Übermittlung reduzieren und eliminieren, und Bund, Kantone und Gemeinden haben weniger Arbeit. Dies gilt sowohl für die provisorischen Abstimmungsergebnisse am Abstimmungssonntag als auch für die definitive Erwahrung.

­

Ergebnisformulare für Nationalratswahlen lassen sich eidgenössisch erstellen und Kantonen und Gemeinden über Internet zur Verfügung stellen. Auch hier können kostenintensive Fehler verringert werden.

­

Für die Wahlvorschläge zu Nationalratswahlen kann die Bundeskanzlei im Internet Musterformulare entwickeln und den Kantonen zur Verfügung stellen, die diese ihrerseits den interessierten Gruppierungen auf dem Internet anbieten. Diese sollen die Wahlvorschläge herunterladen und ausfüllen können. Es wird noch geraume Zeit beanspruchen, bis es möglich wird, die

675

Wahlvorschläge direkt übers Internet digitalisiert unterzeichnen und einreichen zu können. Das Gleiche gilt für die elektronische Überprüfung von Doppelunterzeichnungen und Mehrfachkandidaturen.

5.2

Schaffung der Voraussetzungen im Bereich der Stimmregister

Anpassung und Harmonisierung der Stimmregister Eine unabdingbare Voraussetzung für die Einführung aller Formen eines Vote électronique ist die entsprechende Anpassung der Stimmregister. Stimmregister dienen dazu, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Abstimmungen, Wahlen und Unterschriftensammlungen bei Referenden und Initiativen zu identifizieren und ihre Stimmberechtigung zu überprüfen. Hierzu müssen die festgelegten Identifikationsmerkmale mit Daten wie Personalien und Stimmrechtskriterien usw. verglichen werden, die in einer oder mehreren Datenbanken gehalten werden. Ein solches Register unterscheidet sich von einem traditionellen Einwohnerregister (Name, Vorname, Adresse, Zivilstand, Geburtsdatum usw.) nur durch die zusätzlichen Angaben über die Ausübung der politischen Rechte (Erlangung der Stimmberechtigung, allfällige Verbote usw.). Es würde also genügen, wenn man die bestehenden Einwohnerregister mit Angaben über stimmberechtigte Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ergänzen würde und mit bestimmten Filtern daraus ein reduziertes Stimmregister als Datenbank herstellen würde ohne die Personen, die die Kriterien für das Stimmrecht nicht erfüllen, und bei Stimmberechtigten ohne die persönlichen Angaben, die für die Ausübung des Stimmrechts nicht relevant sind. Der Bund und die Kantone hätten darin nur Einsicht in die tatsächlich stimmrechtsrelevanten Angaben über die Bürgerinnen und Bürger.

Bereits heute führt jede Gemeinde ein eigenes Einwohnerregister. Es wäre sowohl aus Zeit- wie aus Kostengründen sinnvoll, ein solches Stimmregister auf dieser Basis aufzubauen. Die einzelnen Behörden führen die Stimmregister allerdings zum Teil in sehr unterschiedlicher Form. Die verschiedenen Register müssen deshalb harmonisiert werden. Die Frage ist, ob die Vereinheitlichung dezentral oder zentral vorgenommen werden soll.

Lösungsansätze Die Arbeitsgruppe der Bundeskanzlei hat dazu drei verschiedene Lösungsansätze geprüft: a. Ereignisbezogenes virtuelles Bundesregister (dezentrale Lösung) Dieser Lösungsansatz entspricht weitgehend dem Ist-Zustand. In der Regel führen die Gemeinden die Stimmregister, prüfen die Stimmberechtigung und mitteln die Wahl- und Abstimmungsergebnisse aus. Die Kantone stellen allenfalls Programme zur Abwicklung des Abstimmungsvorgangs per Computer sowie zur Pflege der
Stimmregister bereit. Zumeist sind die Gemeinden selbständig verantwortlich für die Führung der Stimmregister und die Abwicklung von Abstimmungen und Wahlen.

b. Permanentes virtuelles Bundesregister Die Kantone stützen sich auf ein kantonales Stimmregister, das vom Kanton verwaltet und von den Gemeinden alimentiert wird. Die Kantone sind die Verantwortli676

chen für die Stimmregister und die elektronische Abwicklung von Wahlen und Abstimmungen und stellen die entsprechenden Informatikmittel zur Verfügung. Eine vom Bund eingesetzte Stelle übernimmt allenfalls Koordinations- und Organisationsaufgaben, indem sie die einzelnen Stimmregister der Kantone zu einem landesweiten Stimmregister vernetzt und etwa in den Bereichen der Vergabe von Identifikationen oder der Prüfung von Mehrfachkandidaturen bei Wahlen in Aktion treten könnte.

c. Zentralisierte Datenbank auf Bundesebene Abstimmungen, Wahlen und Stimmregister werden zentral vom Bund organisiert.

Kantone und Gemeinden werden lediglich mit bestimmten Ausführungsaufgaben betraut, unter anderen mit der Alimentierung der Register. Eine zentrale Organisation stellt Server und Programme für die Abstimmung per Computer bereit. Eine solch tief greifende Zentralisierung ginge wohl ans Mark des föderalistischen Pfeilers schweizerischen Staatsverständnisses und würde weitgehende Verfassungsänderungen erfordern.

Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsansätze Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. Von der technischen Seite her wäre wohl die Einführung eines zentralisierten Modells am vorteilhaftesten. Dieses bedingt allerdings hohe Investitionskosten und den Aufbau einer komplexen Organisation mit hohen Betriebskosten. Politisch würde es einen grossen Verzicht bei Gemeinden und Kantonen auf Autonomie und Selbständigkeit für die Führung von Einwohnerregistern bedeuten. Auch dürfte sich dieser Ansatz höchstens mittel- oder langfristig realisieren lassen.

Ein dezentrales Modell (Vernetzung von Einwohnerregistern bei den Gemeinden) wäre dagegen rascher und ­ für den Bund ­ kostengünstiger einzurichten. Es bedingt aber den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur in allen 26 Kantonen und würde deshalb gesamtschweizerisch ebenfalls nur langsam operationell.

Gleichzeitig ist allerdings zu bedenken, dass in verschiedenen Kantonen bereits Anstrengungen unternommen werden, um bestehende Register zu vereinheitlichen.

Wichtige Schritte zu einer Vereinheitlichung der Einwohnerregister wurden auch im Zusammenhang mit den Massnahmen des Bundes zur Harmonisierung der Einwohnerregister anlässlich der letzten Volkszählung getan. Die Notwendigkeit und das Bedürfnis, Register zu vereinheitlichen und zu elektronischen
Datenbanken auszugestalten, werden in den nächsten Jahren unabhängig von elektronischen Abstimmungen und Wahlen zunehmen. Die Realisierung des Vote électronique wird von solchen Arbeiten profitieren können.

Jedes neue Modell für die Führung von Stimmregistern muss von den Kantonen und Gemeinden mitgetragen werden. Eine Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Modell hängt deshalb wesentlich von den Entscheidungen der einzelnen Kantone ab.

Bei allen drei Lösungsansätzen sind die Arbeiten im Rahmen der Umsetzung von Artikel 65 Absatz 2 der neuen Bundesverfassung zu berücksichtigen. Der Bundesrat hat die Umsetzung dieser Verfassungsbestimmung in die Legislaturplanung 1999­2003 aufgenommen. Am 4. April 2001 hat er beschlossen, den Vote électronique damit zu koordinieren. Die Bundeskanzlei und das Bundesamt für Statistik (BFS) haben die hierzu notwendigen Schritte eingeleitet.

677

5.3

Schaffung der Voraussetzungen im rechtlichen Bereich

5.3.1

Harmonisierung der Stimmregister

Die Harmonisierung der Stimmregister bedingt die Schaffung einer ausreichenden Rechtsgrundlage. Die neue Bundesverfassung gibt dem Bund in Artikel 65 Absatz 2 zwar die Kompetenz, Vorschriften über die Harmonisierung und Führung amtlicher Register zu erlassen, dies jedoch einzig, um den Erhebungsaufwand gering zu halten. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Verfassungsgrundlage ausreicht, um auf Gesetzesstufe Harmonisierungsvorschriften auch im Hinblick auf die Einrichtung eines Vote électronique zu erlassen oder ob der anders lautende Zweck eine neue Verfassungsgrundlage erfordert. Auf eine neue Verfassungsgrundlage kann höchstens dann verzichtet werden, wenn die Harmonisierung der Einwohnerregister zu statistischen Zwecken automatisch alle Erfordernisse abdecken sollte, die sich für die Erstellung von Kopien für das Stimmregister ergeben. Die Harmonisierung der Stimmregister setzt in jedem Fall geeignete Massnahmen bei den Einwohnerregistern voraus. Dazu bereitet das Bundesamt für Statistik derzeit die nötigen Rechtsgrundlagen vor.

5.3.2

Der Vote électronique

Die formalen Anforderungen an die Durchführung von Abstimmungen, Wahlen, Referenden und Initiativen sind im BPR und der Verordnung vom 24. Mai 1978 über die politischen Rechte (VPR, SR 161.11), für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Bundesgesetz und in der Verordnung über die politischen Rechte der Auslandschweizer (SR 161.5 und 161.51) geregelt.

Diese Erlasse setzen selbstverständlich das herkömmliche Abstimmungs- und Wahlverfahren mit der Abgabe von Wahlzetteln in Papierform voraus. In gewissen Einzelregelungen werden für die Übermittlung von Informationen auch andere Formen ermöglicht. Das Bundesgesetz über die politischen Rechte statuiert in Artikel 5 Absatz 1 für die Stimmabgabe, dass «kantonale Erfassungsbelege für elektronische Datenverarbeitung» den für die Stimmabgabe obligatorischen amtlichen Stimm- und Wahlzetteln «gleichgestellt» sind. Für Nationalratswahlen wird diese Bestimmung ergänzt durch die Anordnung, dass ein Kanton, der «statt Wahlzettel Erfassungsbelege» erstellt, den «Stimmberechtigten zusätzlich eine Zusammenstellung der Angaben über sämtliche Kandidaten sowie über Listenbezeichnungen, Listenverbindungen und Unterlistenverbindungen» zustellen lassen muss (Art. 33 BPR).

Für Nationalratswahlen und Bundesabstimmungen gilt, dass «der Bundesrat die Kantonsregierungen ermächtigen» kann, «für die Ermittlung der Wahl- und Abstimmungsergebnisse mit technischen Mitteln von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen zu erlassen» (Art. 84 BPR); sie bedürfen allerdings «der Genehmigung des Bundesrates».

Für Volksabstimmungen hat die Kantonsregierung die nach kantonalem Recht zuständigen Gemeinde-, Kreis- oder Bezirksbehörden anzuweisen, «das Abstimmungsergebnis umgehend telefonisch, per Telefax oder in anderer geeigneter elektronischer Form der kantonalen Zentralstelle zu melden» (Art. 5 Abs. 1 VPR). Für das Anmeldeverfahren bei Nationalratswahlen statuiert Artikel 8 Absatz 3 VPR, 678

dass der «Bundesrat ... einem Kanton ausnahmsweise auf begründetes Begehren eine Änderung der Formulare gestatten» kann. Dieses Verfahren will in erster Linie die elektronische Resultatsermittlung erleichtern.

Bereits bei der Schaffung des BPR wurden die Normen über technische Hilfsmittel ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung begründet8; als Voraussetzung für die Genehmigung solcher Hilfsmittel durch den Bundesrat wurde genannt, dass «die Eignung und Zuverlässigkeit der technischen Mittel und namentlich auch die Wahrung des Stimmgeheimnisses gewährleistet sind».

Die Gleichstellung elektronischer Erfassungsbelege mit den obligatorischen amtlichen Stimm- und Wahlzetteln anlässlich der Revision vom 18. März 1994 wurde mit der rasanten Veränderung der technischen Randbedingungen zur Durchführung eidgenössischer Urnengänge begründet9: Mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung zeichnen sich danach Rationalisierungs-, Kontroll- und Beschleunigungsmöglichkeiten in der Resultatsermittlung ab, wenn an Stelle klassischer Stimm- und Wahlzettel elektronisch lesbare Erfassungsbelege, wie sie sich beispielsweise bei den Tessiner Grossratswahlen bereits seit 1979 bewährt haben, unter entsprechenden (haftungsbedingten) Kontrollvorkehren auch für eidgenössische Urnengänge zugelassen werden.

Anlässlich der gleichen Revisionsbestrebungen lehnte es der Bundesrat jedoch vorderhand noch ab, bereits eine Rechtsgrundlage für die Stimmabgabe per Heimcomputer vorzuschlagen10: «Derzeit sind auch die Voraussetzungen für eine solche Rechtsänderung angesichts ungelöster Fragenkomplexe wie Datentransfer, Verhinderung von Missbräuchen und vor allem Sicherung des Stimmgeheimnisses nicht gegeben. Die Entwicklung bleibt jedoch auch im Zusammenhang mit der Regierungsreform weiterzuverfolgen und auf praktikable Lösungen hin zu prüfen.»

5.3.3

8 9 10

Fazit

a.

Die bestehenden Rechtsgrundlagen sehen die Möglichkeit elektronischer Hilfsmittel allein für die Resultatsermittlung vor. Für die Stimmabgabe insbesondere von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern besteht jedoch noch eine Lücke. Die Lücke muss geschlossen werden zunächst mit Vorschlägen zu Rechtsgrundlagen für entsprechende Pilotprojekte im Rahmen einer Revision der Bundesgesetzgebung über die politischen Rechte, für die von Juni bis September 2001 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wurde. Der Bundesrat unterbreitet den eidgenössischen Räten demnächst die Botschaft mit entsprechenden Anträgen. Sobald diese Rechtsänderungen in Kraft stehen, können ausgewählte Pilotprojekte auch für eidgenössische Urnengänge bewilligt werden.

b.

Noch offen ist derzeit, ob nach der Harmonisierung der Einwohnerregister zu statistischen Zwecken weitergehende Harmonisierungsmassnahmen für die Vereinheitlichung der Stimmregister nötig sind. Diese würden neue Verfassungsgrundlagen benötigen.

BBl 1975 II 1358.

BBl 1993 III 472f.

BBl 1993 III 471.

679

c.

5.4

Eidgenössische Volksabstimmungen werden grossenteils von kantonalen Behörden durchgeführt. Werden sie elektronisch vollzogen, so könnten sich Änderungen der Datenschutzgesetzgebung aufdrängen.

Pilotprojekte

Konkrete Ansätze für bestimmte technische und organisatorische Herausforderungen werden am besten im Rahmen von Pilotprojekten erprobt und ausgewertet. Dies gilt insbesondere für die Fragen der Sicherheit, der konkreten Durchführbarkeit und Akzeptanz sowie der Partizipation einzelner Bevölkerungsgruppen. Pilotprojekte sind bereits in den Kantonen Genf, Neuenburg und Zürich in Bearbeitung. Von Interesse sind diese auch deshalb, weil jeder Kanton unterschiedliche Wege einschlägt. Die Kantone Genf und Neuenburg verfügen bereits über die nötigen Gesetzesgrundlagen. Im Kanton Zürich sind diese erst noch zu erlassen.

5.4.1

Genfer Pilotprojekt

Elektronisches Abstimmen und Wählen Der Kanton Genf führt ein Pilotprojekt zum elektronischen Abstimmen und Wählen durch. Die erste elektronische Abstimmung soll im Jahr 2002 durchgeführt werden.

Umfassendes Online-Konzept Das Genfer Projekt zur elektronischen Stimmabgabe fügt sich in ein globales Konzept des Kantons Genf für eine Online-Verwaltung ein, das auch andere Bereiche umfasst, wie die Förderung des Internet-Zugangs für alle und die Entwicklung interaktiver Online-Dienste, ein Konzept für einen Guichet universel zur Steigerung der Qualität der Verwaltungsdienste und die Entwicklung eines staatlichen Intranets, um die interne Kommunikation zu erleichtern und den Service public zu stärken. Genf ist für ein solches Pilotprojekt besonders geeignet, weil die Genfer Gesetzgebung dem Staatsrat erlaubt, das elektronische Verfahren versuchsweise einzuführen, weil die briefliche Stimmabgabe mit einem Anteil von 90 Prozent überdurchschnittlich weit verbreitet ist und das Stimmregister bereits zentralisiert und informatisiert ist.

Identifikation über Passwort, Geheimcode und Angabe des Geburtsjahres Zur Identifizierung der Abstimmenden, zur Wahrung des Stimmgeheimnisses und für die Sicherheit der Stimmabgabe wurde ein Verfahren gewählt, das möglichst nahe an den Erfahrungen mit der brieflichen Stimmabgabe anschliesst und damit für die Abstimmenden nur eine Ausweitung der vertrauten brieflichen Stimmabgabe darstellt: Die Identifikation der Stimmenden geschieht durch ein Passwort, das auf dem Abstimmungsmaterial als verdecktes Rubbelfeld gedruckt wird. Wer elektronisch abstimmen will, muss das Passwort freirubbeln und erhält damit und mit der zusätzlichen Angabe seines Geburtsjahres Zugang zum elektronischen Wahlsystem.

Dort kann die Person ihre Stimme mit einem «elektronischen Abstimmungszettel» abgeben. Danach kann die Stimme nicht mehr abgegeben werden. Eine Vorankündigung und eine kostenaufwändige Verwaltung der Identifizierungscodes werden damit hinfällig. Zudem werden von Anfang an alle elektronisch abstimmen können.

680

Die Identifikation über den Rubbelcode soll zu einem späteren Zeitpunkt durch einen elektronischen Schlüssel oder eine elektronische Karte ersetzt werden.

Aufbewahrung der Stimmen in einer «elektronischen Urne» Die elektronisch «eingeworfenen» «Abstimmungszettel» werden unabhängig vom Stimmregister in einer elektronischen Urne aufbewahrt. Diese ist eine verschlüsselte Datei. Die Schlüssel dazu haben die Personen, die die Auszählung der Stimmen im Namen der Stimmberechtigten überwachen. Die elektronische Urne wird erst im Moment der Auszählung geleert. Deren Inhalt wird zu den brieflich und zu den im Abstimmungslokal abgegebenen Stimmen hinzugezählt.

Einfache Verhinderung doppelter Stimmabgaben Ist der Code auf dem Stimmausweis bereits freigerubbelt, muss die Stimmberechtigung im Wahllokal überprüft werden. Somit kann niemand, der elektronisch abgestimmt hat, ein zweites Mal an der Urne abstimmen. Letzter Termin für die Stimmabgabe per Internet ist Samstagmittag; nach diesem Zeitpunkt ist es auch nicht mehr möglich, brieflich zu stimmen.

Einführung nach erfolgreichem Probelauf Die erste Etappe des Projekts besteht in einem «Probelauf» unter möglichst wirklichkeitsnahen Bedingungen. Dieser wird in Schulen im Rahmen des staatsbürgerlichen Unterrichts und am Rande einer der kommenden Abstimmungen auf Bundes- und auf Kantonsebene stattfinden. Verläuft er positiv, kann das elektronische Abstimmungsverfahren offiziell eingeführt werden.

5.4.2

Neuenburger Pilotprojekt

Umfassende Einführung gleich zu Beginn Die Neuenburger Projekte zur elektronischen Ausübung politischer Rechte und zur Einführung einer elektronischen Signatur sind Teil eines übergreifenden Projekts zu einem einzigen Guichet virtuel. Angesichts der bestehenden Infrastrukturen und der intensiven Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden hat der Kanton Neuenburg beschlossen, gleich von Anfang an die meisten Leistungen, die mit dem Vote électronique zusammenhängen, anzubieten, nämlich: ­

Die elektronische Stimmabgabe bei Abstimmungen auf Gemeinde-, auf Kantons- wie auch auf Bundesebene;

­

Die elektronische Stimmabgabe bei Wahlen auf Gemeinde- (Gemeinderat), auf Kantons- (Grosser Rat, Staats- und Ständerat) und Bundesebene (Nationalrat);

­

Die elektronische Unterzeichnung von Initiativen und Referenden auf Gemeinde- und Kantonsebene.

Abstimmen und Wählen ab Ende 2002 Die elektronische Stimmabgabe bei Abstimmungen und Wahlen auf der Ebene von Kanton und Gemeinden soll ab Ende 2002 möglich sein. Die elektronische Stimmabgabe ist als Ergänzung zu den beiden bestehenden Stimmabgabesystemen (Brief

681

und Urne) konzipiert. Sie soll auf die Zukunft vorbereiten und eine neue, von Ort und Distanz unabhängige Art der Stimmabgabe ermöglichen.

Elektronische Signatur ab Ende 2002 Das Projekt zur elektronischen Signatur ist etwas weniger ambitiös als die elektronische Stimmabgabe. Dank ihr sollen die Referenden und Initiativen nicht nur von Hand, sondern auch elektronisch unterzeichnet werden können. Die formelle Kontrolle wird weiterhin Sache der Neuenburger Gemeindebehörden sein. Diese neue Dienstleistung sollte ab Ende 2002 funktionieren.

Enge Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden Die Neuenburger Projekte zur elektronischen Ausübung politischer Rechte und zur elektronischen Signatur beruhen darauf, dass zwar die Verwaltung dezentralisiert von den 62 Gemeinden des Kantons geführt wird, dass aber Kanton und Gemeinden im Informatikbereich, namentlich bei der Verwaltung der Einwohnerdaten und bei den Kommunikationsinfrastrukturen (Informatiknetz, Website und Intranet), eng zusammenarbeiten: ­

55 Gemeinden sind im Neuenburger Informatiknetz zusammengeschlossen.

Dadurch können die administrativen Tätigkeiten für 98 Prozent der Bevölkerung online abgewickelt werden.

­

58 Gemeinden benutzen die vom Informatikdienst der Stadt Neuenburg betreuten Anwendungen, was 93 Prozent der Bevölkerung entspricht (4 Gemeinden, darunter Le Locle haben eine eigene Lösung).

­

Der Staat Neuenburg verfügt über eine zentrale Datenbank mit Personendaten, die jeden Abend auf Grund von Änderungsdateien aus den angeschlossenen Gemeinden oder auf Grund von Disketten für die Gemeinden, die nicht angeschlossen sind, aktualisiert wird.

­

Die drei wichtigsten Informatikzentren des Kantons ­ das elektronische Verwaltungszentrum der Stadt Neuenburg, der kommunale Informatikdienst von La Chaux-de-Fonds und der Dienst zur Datenbearbeitung des Kantons ­ haben im Jahr 2001 gemeinsam beschlossen, einen einzigen Guichet virtuel für alle Einwohnerinnen und Einwohner zu schaffen.

Abstimmen über den Zugang zum Guichet virtuel mit Passwort Das elektronische Abstimmen wird als eine der verschiedenen Dienstleistungen des Guichet virtuel angeboten. Wer elektronisch abstimmen will, muss zuerst die generellen Zugangsrechte zum Guichet virtuel bekommen; auf Antrag und nach Identitätsnachweis erhält eine stimmberechtigte Person einen Zugangscode mit einem Passwort. Das Verfahren entspricht etwa den heute üblichen Verfahren beim Telebanking.

Stimmabgabe nur mit zusätzlicher Geheimzahl Bei einer Abstimmung wird zunächst ein zentrales Stimmregister geschaffen.

Gestützt darauf erhält jede Stimmbürgerin und jeder Stimmbürger zusätzlich eine spezielle Geheimzahl, die mit dem Abstimmungsmaterial zugesandt wird. Um elektronisch abzustimmen, muss sich die stimmberechtigte Person im Guichet virtuel mit dem Zugangscode und dem Passwort einloggen und dort die Dienstleistung «Abstimmen» wählen. Die Stimmabgabe erfordert zusätzlich die Eingabe der Geheim682

zahl. Elektronisch abgestimmt werden kann bis Samstag Mitternacht. Die abgegebenen Stimmen werden in einer verschlüsselten elektronischen Urne gespeichert.

Gestützt auf das zentrale Stimmregister, die elektronisch abgegebenen Stimmen und die (brieflich oder direkt in der Urne) abgegebenen Stimmausweise wird überprüft, dass jede stimmberechtigte Person nur einmal gestimmt hat. Bei der Auszählung der Stimmen werden die elektronisch eingegangenen Stimmen den übrigen Stimmen hinzugezählt.

Sicherheitsmassnahmen Als Sicherungsmassnahmen sind unter anderen vorgesehen: ­

strikte Trennung der unterschiedlichen Daten ohne jegliche Möglichkeit, eine Verbindung zwischen der stimmenden Person und ihrer Stimme herzustellen;

­

absolute Vertraulichkeit der Abstimmungs- oder Wahlergebnisse durch Verschlüsselung aller Stimmen;

­

gesicherter Zugang zum Guichet virtuel über den Namen, ein Passwort und eine Nummernliste oder elektronische Karte. Vor Erhalt des Zugangsschlüssels ist ein amtliches Gesuch einzureichen und ein Zusammenarbeitsvertrag zu unterzeichnen, der die Rechte und Pflichten beider Parteien festlegt;

­

zusätzliche Sicherheit bei der Stimmabgabe durch die Verwendung eines persönlichen und vertraulichen Codes;

­

vorgängige Tests der Lösungen mit einer ausgewählten Bevölkerungsgruppe (Teil der kantonalen und der kommunalen Verwaltungen);

­

externe Überprüfung der Informatikprogramme, der Umgebungssicherheit und der Sicherheit des Zugangs zu den Anwendungen;

­

Installierung von Firewalls auf verschiedenen Ebenen;

­

Information der Bevölkerung über die Medien, über den Guichet virtuel und über die Unterlagen zu jeder Abstimmung und zu jeder Wahl.

5.4.3

Zürcher Pilotprojekt

Elektronisches Wahl- und Abstimmungsverfahren trotz dezentraler Strukturen Das Pilotprojekt des Kantons Zürich will bis 2003 ein elektronisches Wahl- und Abstimmungssystem bereitstellen. Damit soll der Nachweis erbracht werden, dass auch mit den dezentralen Strukturen, die der Kanton Zürich wie die meisten anderen Kantone aufweist, ein umfassendes derartiges System möglich ist. Die erste Aufgabe dabei ist der Aufbau eines kantonalen Stimmregisters. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der Kanton Zürich ein Kanton mit einer ausgeprägt dezentralen Organisation ist. Er beherbergt einerseits Kleinstgemeinden mit weniger als zweihundert Stimmberechtigten, andererseits aber die Stadt Zürich mit 216 000 Stimmberechtigten.

Dazu kommt, dass jede Gemeinde ihr eigenes EDV-System verwendet und jede ihr eigenes Einwohner- und Stimmregister auf unterschiedlichsten Systemen führt.

683

Dezentrales Stimmregister unter Kantonsführung Der Aufbau des kantonalen Stimmregisters erfolgt in Form einer Sicht auf die Tabellen der gemeindeeigenen Datenbanken, zusammengefügt auf der Ebene des Kantons (so genannte View). Das Stimmregister wird vom Kanton Zürich geführt, für die Lieferung und laufende Aktualisierung der Daten sind die Gemeinden zuständig, die auch die Dateneignerinnen sind. Es handelt sich dabei nicht um ein zentrales Einwohnerregister; ein solches wäre zwar wünschenswert, ist politisch jedoch nur schwer realisierbar.

EDV für Abstimmungen und Wahlen durch Kanton betreut Für die elektronischen Wahlen und Abstimmungen stellt der Kanton ein umfassendes elektronisches Wahl- und Abstimmungssystem zur Verfügung und übernimmt die Betreuung und Wartung dieser Systeme und Komponenten. Zudem beschafft, installiert und betreibt der Kanton die zentralen Systemkomponenten und EDVSysteme für die elektronischen Wahl- und Abstimmungsverfahren.

Stimmberechtigung über Zutrittspasswort und Barcode Vor jeder Wahl oder Abstimmung wird ein virtuelles Stimmregister neu generiert.

Das virtuelle Stimmregister ist eine Datenbank, die zu jedem Wahl- oder Abstimmungstermin neu aus dem Einwohnerregister generiert wird. Jeder stimmberechtigten Person wird dabei ein automatisch generierter Nummerncode als Identifikationsschlüssel zugewiesen. Der Nummerncode dient als Zutrittspasswort zum elektronischen Wahl- und Abstimmungssystem. Der Nummerncode wird zusammen mit einem ebenfalls durch das Abstimmungssystem erzeugten Barcode auf dem Stimmausweis aufgedruckt. Bei der brieflichen Stimmabgabe oder der Stimmabgabe an der Urne wird mittels des Barcodes geprüft, ob die betreffende Person bereits elektronisch abgestimmt hat; wenn dies der Fall ist, ist die Stimmabgabe ungültig oder der Stimmausweis wird ihr (an der Urne) abgenommen. Da im Kanton Zürich die Gemeinden für die Ausmittlung der Wahl- und Abstimmungsresultate zuständig sind, müssen die Gemeinden über die entsprechenden Geräte verfügen, Zugang zu den entsprechenden Daten des virtuellen Stimmregisters haben und die Daten der elektronischen Stimmen erhalten.

Umfassendes Wahl- und Abstimmungssystem Der Kanton Zürich erstellt als einziger der drei Pilotkantone ein umfassendes elektronisches Wahl- und Abstimmungssystem. Das schliesst alle zur Zeit auf
dem Markt existierenden Endbenutzergeräte wie PC, TV, Handy, Organizer usw. ein.

Entsprechend wird auch das Systemdesign, die Aufbau- und Ablauforganisation bereits auf diese Gerätevielfalt hin ausgelegt werden.

6

Kosten und Nutzen

6.1

Kurzfristiger Investitionsbedarf

Kurzfristig bringt die Einführung von Anwendungen des Vote électronique zweifellos einen grösseren Investitionsbedarf mit sich. Die Kosten lassen sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nur ungefähr schätzen. Einerseits sind die technischen Entwicklungen im Bereich der Informatik und der elektronischen Kommunikation nur

684

schwierig abschätzbar. Auch dürften sich die technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen mit zunehmender Dauer verbessern. Eine Gemeinde ohne Informatik- und entsprechende Kommunikationsmittel dürfte im Jahre 2010 nur noch schwerlich aufzufinden sein. Diese Entwicklung hin zu total informatisierten Verwaltungsstrukturen müsste sich auch im Kostenbereich positiv niederschlagen, indem allenfalls erforderliche zusätzliche Infrastrukturen auf bereits existierenden aufbauen könnten. Derartige Einsparungen zu quantifizieren erweist sich jedoch als ebenso schwierig wie die Berücksichtigung des seit etlichen Jahren anhaltenden Preiszerfalls im Bereich der Hardware-Komponenten.

Deshalb hat die Arbeitsgruppe der Bundeskanzlei zwei entgegengesetzte KostenGrobschätzungen für die Einführung von elektronischen Abstimmungs- und Wahlsystemen erstellt. Während die Maximalkostenrechnung von Gemeinden und Urnenlokalen ohne jegliche Infrastruktur ausgeht, setzt die Minimalkostenrechnung derartige Infrastrukturen als gegeben voraus. Ausserdem divergieren die beiden Modelle auch bezüglich der Hardware-Konfiguration. Während die Maximalkostenrechnung eher dem Typus «FatClient» (jeder externe Benutzer verfügt über einen kompletten Computer mit Betriebssystem und lokalen Anwendungsprogrammen, die via Netzwerk mit einem Server kommunizieren) zuzurechnen ist, basiert die Minimalkostenrechnung auf dem «ThinClient»-Konzept (die Applikation läuft auf dem Server, der Benutzer besitzt selbst keine Anwendungsprogramme, sondern ist mit einem Server verbunden, auf dem die Aktionen des Benutzers ausgeführt werden; sämtliche Eingaben und Befehle werden über ein Netzwerk übertragen). Letzteres setzt weit weniger Hardware und kaum Software beim Client voraus. Entsprechend gering würden in diesem Falle die Kosten an der Peripherie ausfallen, wogegen der Hauptanteil der Hard- und Softwarekosten im Serverbereich anfallen dürfte. Die Schätzungen über die Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten derartiger Lösungen sind in Tabelle 4 zusammengestellt.

Geschätzte Gesamtkosten für die Einführung des Vote électronique für die ersten zehn Jahre Tabelle 4 Angaben in Millionen Franken

Kosten für 3000 Gemeinden einmalige Investitionskosten jährlich wiederkehrende Kosten summiert auf zehn Jahre Mehraufwand pro Urnengang summiert auf zehn Jahre

Maximal 22.50 135.00 300.00

Minimal 0.00 51.00 300.00

Total für 3000 Gemeinden in Millionen Franken

457.50

351.00

Kosten für 26 Kantone einmalige Investitionskosten jährlich wiederkehrende Kosten summiert auf zehn Jahre Mehraufwand pro Urnengang summiert auf zehn Jahre

Maximal 29.12 76.18 30.28

Minimal 2.86 0.44 21.00

Total für 26 Kantone in Millionen Franken

135.58

24.30

685

Angaben in Millionen Franken

Kosten für den Bund einmalige Investitionskosten jährlich wiederkehrende Kosten summiert auf zehn Jahre Mehraufwand pro Urnengang summiert auf zehn Jahre

Maximal 2.10 5.33 18.84

Minimal 1.35 4.28 18.50

Total für den Bund in Millionen Franken

26.27

24.13

Gesamtkostenschätzung zu Lasten der öffentlichen Hand für 3000 Gemeinden für 26 Kantone für den Bund

Maximal 457.50 135.58 26.27

Minimal 351.00 24.30 24.13

Total geschätzte Gesamtkosten der öffentlichen Hand für die ersten zehn Jahre in Millionen Franken

619.35

399.43

Die maximale Schätzung von 620 Millionen und die minimale von 400 Millionen Franken verstehen sich unter den Annahmen, dass weiterhin jährlich im Durchschnitt vier Urnengänge anstehen, dass sich die Anzahl der Gemeinden nicht erheblich verändert, dass sich aber die Zahl der Abstimmungslokale je Gemeinde bei Abstimmungen tendenziell vermindert (infolge der verschiedenen Stimmerleichterungen benützen immer weniger Stimmberechtigte die Abstimmung direkt an der Urne).

Kostensenkungen sind denkbar, indem Wissen und Erfahrungen genutzt werden, die sich etwa aus dem Aufbau von Infrastrukturen für die Benutzung digitaler Signaturen (Public-Key-Infrastrukturen PKI) ergeben, der in der Bundesverwaltung, bei Kantonen und privaten Organisationen im Gang ist.

6.2

Langfristiges Einsparungspotenzial

Die Einführung des Vote électronique wird nicht nur Kosten generieren, sondern auch Einsparungen ermöglichen, etwa indem der extensive Betrieb von Urnenlokalen rationalisiert werden könnte oder Stimmberechtigte auf die Zustellung schriftlicher Unterlagen für die briefliche Stimmabgabe verzichten könnten. Auch bei der Prüfung von Unterschriften und Stimmberechtigungen, der Ausmittlung der Abstimmungsergebnisse und der Überprüfung von Wahlvorschlägen besteht langfristig ein erhebliches Einsparungspotenzial.

Die rein finanziellen Einsparungen dürften noch auf Jahrzehnte hinaus geringer bleiben als die geschätzten Gesamtkosten. Schätzungen der Arbeitsgruppe der Bundeskanzlei gelangten zu einem jährlichen Einsparungspotenzial von 15 Millionen Franken für die gesamte öffentliche Hand. Diese Einsparungen dürften frühestens in 20 Jahren wirksam werden. Das grösste Einsparungspotenzial liegt in der Automatisierung der Stimmrechtsbescheinigungen.

Bei der Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen sollte berücksichtigt werden, dass die Sicherheitsmechanismen nicht nur für den Vote électronique, sondern ebenso für E-Commerce nutzbar sein werden. Die Kosten der Sicherheit brauchen nicht jedes Mal neu anzufallen. Diese allgemeinen Investitionskosten zu Gunsten der Sicherheit werden daher wohl kaum sinnvoll von jedem Bereich je neu getragen. Sind 686

sie aber von der öffentlichen Hand zu tragen, so liegt es nahe, dass diese die Investitionen auch für ihre eigenen Entscheidungsmechanismen nutzbar macht.

6.3

Indirekte Kostenfolgen

Die Einführung des Vote électronique bringt weitere, indirekte Kostenfolgen sowohl für die staatlichen Institutionen wie für Dritte: Der Vote électronique wird auch eine Nachfrage nach neuen Dienstleistungen im politischen Leben auslösen, und dies wird bei allen Akteuren politischen Handelns zeitlich, personell und finanziell seinen Preis haben. Bund, Kantone, Gemeinden, Parteien und Verbände werden neben der konventionellen zusätzlich in wachsendem Masse elektronische Information und Kommunikation anbieten müssen. Zusätzliche Kosten werden durch die nötige attraktive Aufmachung elektronischer Information entstehen, obwohl die Homepages höchstens für jeweils einige Wochen einzurichten sind. Diese Zusatzkosten dürften für kantonale und kommunale Urnengänge wegen des kleineren Einzugsgebietes im Verhältnis noch weit teurer sein als für eidgenössische Abstimmungskämpfe. Befürworter- und Gegnerkomitees in Abstimmungskämpfen haben bei parallel laufenden Stimmabgabemöglichkeiten (Urnengang, briefliche und elektronische Stimmabgabe) einen zusätzlichen Aufwand für die Bereitstellung elektronischer Informationsangebote. Dieser Aufwand kann umso grösser sein, als die technischen Möglichkeiten laufende Anpassungen der Argumentation an den Verlauf der öffentlichen Diskussion machbar und politisch notwendig erscheinen lassen.

7

Weiteres Vorgehen und Zeitplan

Parallel zu den Pilotprojekten muss dem Aufbau eines eidgenössischen Stimmregisters erste Priorität zukommen, weil sonst die Realisierung elektronischer Abstimmungs- und Wahlsysteme nicht möglich ist. Dieser Aufbau muss in zwei Schritten erfolgen: a.

Harmonisierung der kommunalen Einwohner- und Stimmregister gemäss eidgenössischen Vorschriften;

b.

Aufbau eines ­ ganz oder teilweise virtuellen oder eines realen ­ elektronischen eidgenössischen Stimmregisters.

Entsprechend dem Etappierungsplan in Ziffer 5.1 gelten danach die folgenden Prioritäten: ­

Aufbau eines Systems für elektronische Abstimmungen;

­

Aufbau eines Systems für elektronische Wahlen;

­

Entwicklung von Verfahren zur elektronischen Unterzeichnung von Referenden und Initiativen (digitale Signatur).

Die Erstellung einer digitalen Signatur wird auf Bundesebene bereits in anderen Zusammenhängen diskutiert (vgl. beispielsweise Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die elektronische Signatur BGES, Entwurf zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur ZertES (Entwurf), BBl 2001 5716 ff, Entwurf zum Bundesgesetz über das Bundesgericht, BBl 2001 4480 ff.).

687

Parallel zum Aufbau von Abstimmungs- und Wahlsystemen sind die Informationsangebote der Behörden (Guichet virtuel, Online-Verwaltung, Internet-Angebote von amtlichen Texten, Anleitungen usw.) auszubauen und anzupassen.

Für die nächsten Schritte auf dem Weg zur elektronischen Ausübung politischer Rechte empfiehlt sich damit folgender Zeitplan: 2002 Parlamentarische Beratung des Berichts; Revision des BPR betreffend Rechtsgrundlage für Pilotprojekte; 2003 Auswertung der Beratungsergebnisse; Projektierung, Evaluation der Lösungsmöglichkeiten; Pilotprojekte Genf, Neuenburg und Zürich; 2004 Auswertung aller Pilotprojekte; Projektierung einer Lösung; Vorentwurf zu Rechtsänderungen für die Harmonisierung der Stimmregister; Vernehmlassungsverfahren bei Kantonen, Parteien und weiteren interessierten Organisationen; 2005 Auswertung des Vernehmlassungsverfahrens, Entscheid über Lösungen, Botschaft an die eidgenössischen Räte.

Am meisten Zeit, Personal und Geld dürfte die anschliessende Umsetzung der Rechtsänderungen auf allen Stufen des Staatswesens beanspruchen. Aus heutiger Sicht ist die elektronische Ausübung politischer Rechte in ihrem Endausbau ein höchst ehrgeiziges Projekt, das über lange Zeit grossen Durchhaltewillen erfordern wird.

8

Schlussfolgerungen ­ politischer Ausblick

8.1

Das technische und gesellschaftliche Umfeld ist in raschem Wandel begriffen

Eine Einführung des Vote électronique muss vor dem Hintergrund der technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beurteilt werden, die gegenwärtig im Gange sind. Diese Entwicklungen sind im Einzelnen zwar schwierig vorhersehbar, und Prognosen erweisen sich meist innert kurzer Zeit als überholt. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber: Was heute noch kaum praktikabel erscheint, kann morgen bereits selbstverständlich sein. Instrumente wie das Internet oder die Mobiltelefonie wurden in wenigen Jahren zu universal verwendbaren Kommunikations- und Transaktionsmitteln, ohne die die heutige Geschäftswelt und das Privatleben undenkbar sind. Die Internetbenutzung über Mobiltelefone wird stark vorangetrieben und kann bald allgemein verbreitet sein. Ausserdem entwickelt die Technik ständig leichter bedienbare Instrumente und Programme.

Damit einher geht die Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung zu neuen Kommunikationsformen. Verhaltensweisen passen sich an und die technische Kompetenz wächst. Das Verständnis für diese modernen Mittel verändert sich im Zeitraum von Schülergenerationen: Innerhalb von sechs Jahren sind Instrumente wie der Personal-Computer von besonderen Apparaten, über die nur Einzelne verfügten, zu allgemein verbreiteten, in Freizeit, Studium und Beruf gängigen alltäglichen Instrumenten geworden. Entscheidungen für einen Vote électronique müssen auch solche raschen Verhaltensänderungen berücksichtigen.

688

8.2

Der Vote électronique ist eine Chance

Der Vote électronique ist eine Chance für die Schweizerische Demokratie. Er bietet den Bürgerinnen und Bürgern einen neuen Zugang zur Politik und kann so Anreize zur vermehrten Teilnahme schaffen. Ausserdem erleichtert er die Teilnahme am politischen Leben für Bürgerinnen und Bürger, die sonst ­ wie etwa Auslandschweizer Stimmberechtigte ­ nur mit Schwierigkeiten Zugang dazu haben.

Der Vote électronique ist für die Schweiz aber auch deshalb eine Chance, weil sie im internationalen Umfeld über manche Standortvorteile verfügt: Sie ist ein hoch technisiertes Land, in dem die Bevölkerung leicht Zugang zu den entsprechenden Kommunikationsmitteln hat und entsprechend gut damit umgehen kann. Zu ihrem Demokratieverständnis gehört die Erwartung, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger möglichst einfach und direkt auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen können und dass die Behörden Nähe und Offenheit zu den Bürgerinnen und Bürgern pflegen. Abstimmungen und Wahlen finden in der Schweiz regelmässig statt, es lohnt sich deshalb, technische Infrastrukturen dafür aufzubauen.

8.3

Die technische Sicherheit ist eine unabdingbare Voraussetzung

Das Vertrauen in das Funktionieren von elektronischen Abstimmungen, Wahlen und Unterschriftensammlungen besteht nur, wenn auch die Sicherheit in jeder Hinsicht gewährleistet ist. Sicherheitsstandards und Sicherheitssysteme sind zu erarbeiten und zu erproben, wie sie heute noch nicht existieren. Dies ist eine immense technische Herausforderung. Sie zu bewältigen, benötigt genügend Zeit, wenn der Vote électronique nicht vorzeitig scheitern soll. Heute bestehen auf Bundesebene keine Qualitäts- und Sicherheitsstandards bezüglich sensibler Informatikanwendungen zu Wahlsystemen. Der Staat steht allerdings nicht allein da mit derartigen Sicherheitsproblemen, und er muss sie auf technischer Ebene auch nicht alleine lösen. Er wird von Lösungen profitieren können, an denen auch die Wirtschaft und die Wissenschaft arbeiten. Die Gesellschaft steht auch nicht ganz am Anfang der Bearbeitung dieser Probleme, denn die Benützung elektronischer Kommunikations- und Transaktionsverfahren ist in vielen Bereichen von Wirtschaft und Behörden bereits weit verbreitet.

8.4

Die Politik muss Fragen beantworten und Entscheidungen treffen

Der Vote électronique kann nicht eine rein technische Bereicherung eines im Übrigen unverändert weiter funktionierenden Systems sein. Er wird die demokratischen Prozesse und die politische Kultur stark beeinflussen und verändern. Die Politik muss Stellung dazu nehmen, Rahmenbedingungen formulieren und gegen mögliche Gefährdungen Massnahmen ergreifen. Auch für die Festlegung von Sicherheitsmassnahmen sind politische Entscheide nötig. Die Einführung des Vote électronique wird je nachdem auch umfassenderen gesetzgeberischen Anpassungsbedarf zur Folge haben. Politischer Diskussion bedürfen namentlich folgende Probleme und Fragen:

689

a. Wie sollen Benachteiligungen vermieden werden?

Die Einführung elektronischer Verfahren für die Ausübung politischer Rechte kann jene benachteiligen, welche keinen Zugang zu den entsprechenden Instrumenten haben. Die Politik hat alles daran zu setzen, dass der Vote électronique den digitalen Graben nicht vertieft und dass keine Bevölkerungsgruppen benachteiligt werden.

Der Vote électronique darf die traditionellen Abstimmungsverfahren nicht verdrängen.

b. Wie sollen Tendenzen zu einer Instant-Demokratie gebremst werden?

Der Einsatz elektronischer Mittel kann die Wahrnehmung politischer Rechte beschleunigen und erleichtern. Dies kann wiederum die Gefahr einer «InstantDemokratie» mit sich bringen: Unterschiede zwischen verbindlichen Volksabstimmungen und unverbindlichen Meinungsumfragen können verwischt werden; missliebige Volksentscheide könnten ununterbrochen durch gleich lautende neue Anträge in Frage gestellt werden. Am Ende nimmt die Bereitschaft der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zur Teilnahme an politischen Entscheidungen ab. Für die Legitimität direktdemokratischer Entscheide spielt aber der dialogische Ablauf des Entscheidungsprozesses und die ausführliche Diskussion über verschiedene Etappen eine wesentliche Rolle. Dies kostet Zeit, verringert aber auch die Gefahr unüberlegter Überreaktionen und sprunghaft-unsteter Gesetzgebung.

Die Politik hat sich Massnahmen gegen derartige Folgen zu überlegen. Wie kann der besondere Status von Abstimmungen, auch wenn sie elektronisch durchgeführt werden, gegenüber blossen unverbindlichen Meinungsumfragen bewahrt werden? Wie kann die elektronische Ausübung politischer Rechte so geregelt werden, dass demokratische Entscheidungsprozesse weiterhin funktionieren? Möglicherweise müssen neue elektronische Ritualformen entwickelt werden, welche die Bedeutung des staatlichen Entscheidungsverfahrens herausstellen. Ausserdem müssen unter Umständen die Quoren und/oder die Sammelfristen für Volksbegehren von Grund auf neu konzipiert werden.

Nachgetragen sei, dass bei der Liberalisierung der brieflichen Stimmabgabe in den Neunzigerjahren den Fragen politischer Willensbildung und der gesellschaftlichen Integrationskraft ritualisierter Formen direktdemokratischer Entscheidungen praktisch keine Beachtung geschenkt wurde. Die konzeptionellen Arbeiten an einem
Vote électronique können als Möglichkeit verstanden werden, diese verpasste Chance nachzuholen.

c. Wie hoch wird der Nutzen veranschlagt ­ welche Kosten sind vertretbar?

Die Politik muss festlegen, wie viel die Einführung des Vote électronique kosten darf. Dies setzt auch einen Entscheid voraus, wie hoch der immaterielle Nutzen für die Demokratie einzustufen ist und wie der Staat auf technische und gesellschaftliche Entwicklungen antworten soll. Die Kosten werden auf jeden Fall beträchtlich sein (vgl. die Schätzungen unter Ziff. 6), und der finanzielle Nutzen wird sich erst in Jahrzehnten abschätzen lassen und sicher geringer bleiben. Die Einführung des Vote électronique wird zudem Folgekosten haben: Der Staat muss zusätzliche elektronische Informationen und Hilfeleistungen für Stimmbürgerinnen und -bürger bereitstellen. Es ist an der Politik, zu entscheiden, wie gross der finanzielle Aufwand für einen schwer messbaren immateriellen Ertrag sein soll.

690

d. Wie sind die Auswirkungen für politische Gruppierungen zu bewerten?

Die Einführung des Vote électronique wird weitere Mitspieler im politischen Geschehen berühren. Parteien und Komitees in Abstimmungskämpfen werden organisatorisch, finanziell und personell zusätzlich gefordert, unter anderem auch dadurch, dass Wahl- und Abstimmungskämpfe parallel auf verschiedenen Ebenen laufen.

Wahl- und Abstimmungskämpfe werden unter Umständen verteuert. Parteien können in ihren Einflussmöglichkeiten zusätzlich geschwächt werden. Wie weit muss solchen Entwicklungen Gegensteuer gegeben werden? Wie weit ist der zusätzliche Aufwand für Parteien und Komitees noch verkraftbar, wie weit werden schwächere Gruppierungen zusätzlich benachteiligt, wie weit sollen solche Benachteiligungen ausgeglichen werden? Die politischen Gruppierungen müssen eine Antwort darauf finden, wie sie sich zu derartigen Auswirkungen des Vote électronique stellen wollen.

e. Wie ist die Virtualisierung der politischen Auseinandersetzung zu bewerten?

Mit den neuen Medien werden Volksabstimmungen wie Wahlen, aber auch Unterschriftensammlungen zu Volksinitiativen und Referenden zunehmend stärker dem sozialen Leben des Gedankenaustausches entzogen werden. 80 Prozent der menschlichen Kommunikation erfolgt nonverbal. Ein bedeutender Teil davon riskiert bei virtuellen Arten unterzugehen. Kann Politik dies entbehren? Wie will sie es wettmachen?

f. Wie kann die Sicherheit gewährleistet werden?

Auch wenn manche Elemente der Sicherheit eines Vote électronique durch technische Vorkehren umzusetzen sind, so hat doch die Politik Grundsatzentscheide zu fällen: Sie hat das Risikomanagement auf globaler Ebene zu definieren und zu steuern: Wie viel Sicherheit zu welchem Preis? Dabei werden nach heutiger Einschätzung staatspolitische Fragen unausweichlich eine entscheidende Rolle spielen.

Technische Angriffe auf Systeme werden bekanntlich umso leichter, je länger sie zur Benutzung für einen grossen Personenkreis offen stehen. Es liegt auf der Hand, dass ein System viel weniger anfällig für Angriffe durch Dritte ist, wenn es nur einige Wochen statt einige Monate lang zugänglich ist. Je länger ein Entscheidungsprozess, beispielsweise eine Abstimmung oder die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum dauert, umso eher sind Gefährdungen
des Stimmgeheimnisses oder der Sicherheit der Stimmabgabe möglich, umso teurer werden Massnahmen zum Schutz vor solchen Gefahren. Dies könnte bedeuten, dass für Volksbegehren aus Sicherheitsgründen eine Verkürzung der Sammelfristen einer Erhöhung der Quoren vorzuziehen wäre. Dies könnte aber wiederum zu einer Benachteiligung jener führen, die nicht von elektronischen Mitteln Gebrauch machen können oder wollen.

Ist die Politik bereit, politische Mitbestimmungsrechte an kürzere Ausübungsfristen für Stimmabgabe und Unterzeichnung von Volksbegehren zu binden? Analoge Fragen könnten sich zur Stimmabgabe bei Urnengängen stellen. Müsste die digitale Stimmabgabe gegenüber Urnengang und brieflicher Stimmabgabe aus Sicherheitsgründen erheblich verkürzt werden?

g. Fazit Die Einführung des Vote électronique stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit und hat ihren Preis. Ob sie vertretbar ist, entscheidet sich danach, wie der Vote électronique konkret ausgestaltet wird und wie ihr Beitrag zu den übergeordneten 691

Zielen der schweizerischen Demokratie eingeschätzt wird. Dies sind politische Entscheidungen. Der Bundesrat erhofft sich von der Debatte über diesen Bericht daher auch wertvolle Impulse und einen Konsens über die politischen Anforderungen, die in einer halbdirekten Demokratie an die Entwicklung eines Vote électronique zu stellen sind.

8.5

Entscheidend ist die Nachfrage

Der Vote électronique muss sich am Markt selber durchsetzen. Ob er eine sinnvolle Einrichtung ist, entscheidet sich an der praktischen Benutzung durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Die Politik hat zu überlegen, wie der Vote électronique sinnvoll gefördert werden kann, etwa durch Instruktionsangebote und die frühzeitige Einrichtung öffentlicher Terminals. Sie hat aber keine «Belohnungen» für dessen Benutzung vorzusehen. Immerhin steht in der Schweiz eine bürgerfreundliche Palette an alternativen Stimmabgabemöglichkeiten zur Wahl (Urnengang, gesuchsund in einzelnen Kantonen gar portokostenfreie briefliche Stimmabgabe, vorzeitige Stimmabgabe, in einzelnen Kantonen ausserdem noch Stellvertretung, Krankenurne oder Wanderurne).

8.6

Schrittweise voran zum Ziel

Die Komplexität der Aufgabe und die Bedeutung der Sicherheit erfordert ein sorgfältiges Vorgehen in abgewogenen Schritten: a. Harmonisierung der Stimmregister Prioritäre Aufgabe ist die Harmonisierung der Stimmregister. Ohne vorgängige Lösung dieser Aufgabe kann der Vote électronique gesamtschweizerisch nicht sinnvoll realisiert werden. Sie ist an sich unabhängig vom Vote électronique zu erledigen; aus historisch-föderalistischen Gründen harrt sie seit über 153 Jahren ihrer Lösung.

Heute dürfte sie weniger aus Angst vor einem Funktionsverlust seitens von Gemeinden und Kantonen auf Widerstand stossen als vielmehr wegen sehr hoher Kosten.

Bei der Vereinheitlichung der Register ist aber das weitergehende Ziel eines Vote électronique im Auge zu behalten. Mit Blick auf dieses weitergehende und begrüssenswerte Ziel erachtet es der Bundesrat als richtig, die Harmonisierung der Einwohner- und der Stimmregister über die statistischen Zwecke hinaus als erstes und umgehend anzupacken. Allein diese Aufgabe wird manches Jahr erfordern. Sie wird aber auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung eines Vote électronique Synergien und Nutzen bringen (etwa bei Volkszählungsarbeiten).

b. Pilotprojekte Parallel zur Harmonisierung der Einwohner- und Stimmregister sind in einzelnen Kantonen Pilotprojekte elektronischer Stimmabgabe durchzuführen. Sie werden die Probleme eines Vote électronique aufzeigen. Sie lassen eine bundesweite Lösung mit kalkuliertem Risiko anstreben. Inzwischen wird die technische Entwicklung weitergehen und für manche heute noch ungeregelten Teilprobleme Lösungen ermöglichen. Damit lassen sich die heute noch erheblichen Risiken sukzessive vermindern.

692

Auch die politischen Parteien können die Jahre bis zur Umsetzung des Vote électronique nutzen, um auf die sie betreffenden Fragen schlüssige Antworten und Lösungskonzepte zu finden.

Dieses Vorgehen trägt auch den einhelligen Sicherheitswarnungen der verschiedenen Expertenberichte über die Entwicklung eines E-Voting in den Vereinigten Staaten Rechnung.

c. Fazit Wird in der kommenden Legislatur der erste Schritt ­ die Schaffung der Rechtsgrundlagen für umfassend harmonisierte Einwohner- und Stimmregister ­ ohne Verzug in Angriff genommen, so lässt sich der Vote électronique mit dem geringsten Zeitverlust, mit Weitsicht und mit Augenmass anstreben.

693

Technisches Glossar Authentizität

= Eigenschaft einer konkret vorliegenden Person, einer Nachricht oder eines Prozesses, auf überprüfbare Weise mit einer aus andern Quellen bekannten Person, Nachricht oder einem Prozess identisch zu sein.

Authentifizierung = Überprüfung der Echtheit einer Person, Nachricht oder eines Prozesses. In der Kommunikationstechnik wird durch Authentifizierung überprüft, ob eine Nachricht wirklich von der angegebenen Quelle stammt. Dazu werden in der Regel Verschlüsselungstechniken nach dem Public-Key-Verfahren (asymmetrische Verschlüsselung, ÅVerschlüsselung) eingesetzt.

asymmetrische Å Verschlüsselung Verschlüsselung Back-Office-Gerät = Ein Server, der Prozesse und Programme im Hintergrund steuert oder ausführt.

Call-BackVerfahren

= Möglichkeit, die Sicherheit zu erhöhen, indem der angerufene Server zurückruft.

CD-Card

= CD-Rom im Visitenkartenformat mit einer Speicherkapazität bis zu 100 MB; optional mit Chip oder Magnetstreifen versehen.

Client

= Computer (z.B. Tischcomputer oder Laptop), der Datenbestände, Ressourcen oder Peripheriegeräte eines Servers nutzt.

Digitaler Graben = Substanzielle Ungleichheit zwischen zwei oder mehr Bevölke(Digital divide) rungsgruppen in Bezug auf die Verteilung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien.

Digitale Signatur Å Elektronische Unterschrift Elektronische Stimmabgabe

= Die Möglichkeit für Stimmberechtigte, ihre Stimme bei Abstimmungen und Wahlen auf elektronischem Weg zu überweisen (Internet, Handy usw.).

Elektronische Unterschrift / Elektronische Signatur

= Eine Bitfolge, die aus dem zu signierenden Text und dem privaten Schlüssel der unterzeichnenden Person errechnet (verschlüsselt) wird und mit der Nachricht untrennbar verbunden wird. Zur digitalen Signatur werden asymmetrische Verschlüsselungsverfahren (Å Verschlüsselung) benutzt. Die Signatur kann dazu benutzt werden, festzustellen, ob der Text von der unterzeichnenden Person stammt. Elektronische Unterschriften haben aber gegenüber handschriftlichen Unterschriften zusätzliche Vorteile: Die Echtheit der Nachricht kann per Computer überprüft werden, indem der öffentliche Schlüssel der unterzeichnenden Person verwendet wird. Die Nachricht kann nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand gefälscht oder verändert werden, solange der private Schlüssel geheim gehalten wird.

694

FatClient

= Vollständiger Computer mit Betriebssystem und lokalen Anwendungsprogrammen, der via Netzwerk mit einem Server kommuniziert (ÅThinClient).

Firewall

= Englisch für «Feuerschutzwand»: Hard- oder Software, die den Datenfluss zwischen zwei oder mehr Netzen kontrolliert und gegen unberechtigte Zugriffe schützt.

Malware

= Kurz für «Malicious Software»: Software, die ein System beschädigen oder zerstören soll wie z.B. (Å) Viren oder (Å) Trojanische Pferde.

Open-SourceMethode

= Methode, bei der der Quelltext einer Software offen gelegt ist.

PIN-Code

Personal Identification Number: personenbezogene Identifikationsnummer, mit der die Zugangsberechtigung einer Benutzerin oder eines Benutzers für ein elektronisches System geprüft werden kann.

Provider

= Firmen und Organisationen, die ­ über einen eigenen Server ­ internetspezifische Dienste anbieten, wie zum Beispiel Zugang zum Internet, Gesamtkonzeptionen für Internet-Auftritte, Speicherplatz für Webseiten usw.

Server

= Computer, auf dem ein Betriebssystem Programme und Daten für den Zugriff durch mehrere Benutzer verwaltet.

SIM-Card

= Subscriber-Identity-Module-Card: Datenträger in einem Mobil-Telefon, auf dem persönliche Daten und die PIN der Benutzerin bzw. des Benutzers gespeichert sind; ermöglicht die Netznutzung eines Mobilfunkanbieters.

Smart-Card

= Kreditkartengrosse Plastikkarte, die auf dem eingebauten Mikrochip Daten speichert und einfache Programme ausführt.

symmetrische Å Verschlüsselung Verschlüsselung ThinClient

= Computer mit stark reduzierten Fähigkeiten ­ im Wesentlichen ein Eingabegerät mit Anzeigefunktionen ­, der über ein Netzwerk mit einem Server verbunden ist. Die Anwendungen werden vom Server ausgeführt.

Trojanisches Pferd

= Ein selbstständiges Programm mit einer verdeckten Schadensfunktion. Im Betriebssystem eines Computers kann es sich häufig unbemerkt entfalten, anderen durch eine Hintertür Zugang zum Server verschaffen, wichtige Daten zerstören oder Passwörter ausspionieren.

Validierung

= Überprüfung, ob eine Eingabe, z.B. ein PIN-Code oder ein Passwort, zum Zugang in ein System berechtigt.

695

Verschlüsselung, = Umwandlung von Eingabedaten mit Hilfe von mathemati(symmetrische / schen Algorithmen in für Unberechtigte unleserliche Ausgabedaten. Die Verfahren werden zur Sicherheit von Fall zu Fall asymmetrische) durch einen Schlüssel modifiziert.

Verschlüsselungsverfahren sind symmetrisch, wenn für die Ver- und Entschlüsselung der gleiche Schlüssel verwendet wird.

Verschlüsselungsverfahren sind asymmetrisch, wenn für die Ver- und Entschlüsselung unterschiedliche Schlüssel verwendet werden. Für die Verschlüsselung wird ein Schlüssel verwendet, der öffentlich zugänglich ist (Public Key). Für die Entschlüsselung wird ein geheimer Schlüssel (privater Schlüssel) verwendet, der nur dem Empfänger bekannt ist, für den die Sendung bestimmt ist.

Virtual Private = Verbindung von Computern an Einzelarbeitsplätzen oder in Network (Virtukleinen Büros (z.B. private Heimcomputer) über Teilelles privates Netzwerke (z.B. lokale Netzwerke / LAN) zu einem GesamtNetzwerk) (VPN) netzwerk unter Nutzung des Internet.

Virus (pl. Viren) = Viren sind kleine Programme, die Betriebssysteme, Anwenderprogramme und Daten schädigen oder zerstören. Sie verbreiten sich, indem sie sich selbstständig an Fremddateien anhängen.

696

Quellen für Begriffsdefinitionen Glossar und Abkürzungen aus dem Bericht der Groupe de Réflexion «Für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz», Juni 1997. Online unter: http://www.isps.ch/ger/stored_documents/WORD/52.doc Commando Glossar. Online unter: http://www.commando.de/glossar/index.htm SEiCOM LexiCom V9.7 Hypertext Kommunikationslexikon. Online unter: http://www.seicom-muc.de/booklet/

697

Ergänzende Dokumentation Zu folgenden Themen sind ergänzende und weiterführende Informationen in einer separaten Dokumentation elektronisch veröffentlicht: 1. Bibliografie 2. Umfrage bei den Kantonen 3. Einwohner- und Stimmregister 4. Identifikationsproblematik 5. Stimmgeheimnis, Stimmzwang und Volksrechte in den souveränen Staaten der Welt 6. Mögliches Bedrohungspotenzial 7. Vor- und Nachteile der verschiedenen Sicherheitsmassnahmen 8. Nationalratswahlen: Ermittlung der Wahlergebnisse 9. Kostenschätzungen und Amortisationspotenzial 10. Pilotprojekte 11. Briefliche Stimmabgabe nach Kantonen 12. Expertengutachten a. Centre d'étude et de documentation sur la démocratie directe (c2d), Faculté de droit de l'Université de Genève: Le contexte socio-politique et le cadre juridique de l'introduction du e-voting dans le canton de Genève. Rapport rédigé à la demande de la Chancellerie d'Etat, Genève 2001.

b. Christoph Bieber: E-Voting und Interaktivität, Zur Rahmung elektronischer Wahlprozesse, Studie für die Schweizerische Bundeskanzlei, Giessen 2001.

c. Gottlieb Duttweiler Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (GDI), Report E-Voting für die Schweizerische Bundeskanzlei, Rüschlikon/ Zürich 2001.

d. Wolf Linder, Gutachten zum E-Voting, Bern 2001.

e. Dieter J. Niedermann, E-Voting, Staatspolitisch-praktische Aspekte aus kantonaler und Gemeindesicht, St. Gallen 2001.

f. Monique R. Siegel, Auswirkungen der Cyberdemokratie (im Besonderen E-Voting) auf unsere Gesellschaft, Feldmeilen 2001.

Diese Dokumentation kann bei Herrn Christian Salchli (Email: christian.salchli@bk.

admin.ch Postadresse: Schweizerische Bundeskanzlei, E-Government, Hallwylstrasse 15, CH-3003 Bern) angefordert werden oder über das Internet unter der Adresse http://www.admin.ch/e-gov eingesehen und heruntergeladen werden.

698

Inhaltsverzeichnis Übersicht

646

1

649 649 650

Ausgangslage 1.1 Auftrag des Parlaments 1.2 Organisation der Arbeiten

2 Rahmenbedingungen des Vote électronique 2.1 Was ist der Vote électronique?

2.2 Praktische Anforderungen 2.3 Rechtliche Anforderungen: Freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe 2.4 Der Vote électronique ­ ein schweizerisches Gesamtwerk 2.5 Handlungsbedarf im Hinblick auf die Zukunft

651 651 652

3 Chancen und Risiken 3.1 Chancen: Attraktive und zeitgemässe Demokratie 3.2 Risiken: Beeinträchtigung der politischen Organisation und Verfahren 3.3 Herausforderungen: Veränderungen der politischen Prozesse 3.4 Wahrung der Sicherheit als grosse Herausforderung 3.5 Vergleich mit dem Ausland

653 653 656 657 659 661

4 Aspekte der Sicherheit 4.1 Sicherheitsanforderungen 4.2 Technische Mindestinfrastruktur zur Gewährleistung der Sicherheit 4.3 Technische Probleme 4.4 Identifikation und Sicherheit 4.4.1 Identifikationsprinzipien 4.4.2 Identifikationsmittel 4.5 Gefährdungen der Sicherheit durch Angriffe von aussen 4.6 Schadensrisiko bei elektronischer Stimmabgabe 4.7 Sicherheits- und Risikomanagement 4.8 Fazit: Sicherheitsmanagement ist ein politischer Entscheid

664 664 665 665 666 666 666 668 670 670 672

5 Realisierung des Vote électronique 5.1 Etappierung 5.1.1 Realisierung in vier Schritten 5.1.2 Gleichzeitige Realisierung der Etappen auf allen politischen Ebenen 674 5.1.3 Parallele Verwendung der traditionellen Verfahren und des Vote électronique 5.1.4 Weitere Ausbauarbeiten vor und zwischen den einzelnen Etappen 5.2 Schaffung der Voraussetzungen im Bereich der Stimmregister 5.3 Schaffung der Voraussetzungen im rechtlichen Bereich 5.3.1 Harmonisierung der Stimmregister

673 673 673

652 653 653

674 674 676 678 678

699

5.3.2 Der Vote électronique 5.3.3 Fazit 5.4 Pilotprojekte 5.4.1 Genfer Pilotprojekt 5.4.2 Neuenburger Pilotprojekt 5.4.3 Zürcher Pilotprojekt

678 679 680 680 681 683

6 Kosten und Nutzen 6.1 Kurzfristiger Investitionsbedarf 6.2 Langfristiges Einsparungspotenzial 6.3 Indirekte Kostenfolgen

684 684 686 687

7 Weiteres Vorgehen und Zeitplan

687

8 Schlussfolgerungen ­ politischer Ausblick 8.1 Das technische und gesellschaftliche Umfeld ist in raschem Wandel begriffen 8.2 Der Vote électronique ist eine Chance 8.3 Die technische Sicherheit ist eine unabdingbare Voraussetzung 8.4 Die Politik muss Fragen beantworten und Entscheidungen treffen 8.5 Entscheidend ist die Nachfrage 8.6 Schrittweise voran zum Ziel

688 688 689 689 689 692 692

Technisches Glossar

694

Ergänzende Dokumentation

698

700