01.066 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption des Bevölkerungsschutzes (Leitbild Bevölkerungsschutz, LBBS) vom 17. Oktober 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Konzeption des Bevölkerungsschutzes (Leitbild Bevölkerungsschutz; LBBS) mit dem Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Oktober 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Zusammenfassung Bevölkerungsschutz Die sicherheitspolitische Lage der Schweiz hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges verändert. Der Sicherheitspolitische Bericht 2000 des Bundesrates fordert eine entsprechende Anpassung der sicherheitspolitischen Instrumente auf aktuelle und sich abzeichnende Gefährdungen.

Eine Gefährdung der Schweiz durch einen bewaffneten Konflikt in Europa besteht zur Zeit nicht. Die Vorwarnzeit ist auf mehrere Jahre angestiegen. Die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen stellt aus heutiger Sicht die grösste Herausforderung für den Bevölkerungsschutz dar. Katastrophen und Notlagen können auf Grund der zunehmenden Vernetzung der modernen Gesellschaft und der hohen Wertdichte zu grösseren Schäden führen als früher.

Mit dem Projekt Bevölkerungsschutz wird nicht etwas völlig Neues geschaffen. In vielem ist es die konsequente Weiterentwicklung der Reformen der 90er-Jahre, so vor allem in der verstärkten Ausrichtung auf Katastrophen und Notlagen sowie in der engeren Zusammenarbeit unter den Partnerorganisationen.

Der Auftrag des Bevölkerungsschutzes ist der Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen bei Katastrophen und in Notlagen sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts. Der Bevölkerungsschutz stellt Führung, Schutz, Rettung und Hilfe zur Bewältigung solcher Ereignisse sicher. Er trägt dazu bei, Schäden zu begrenzen und zu bewältigen.

Der Bevölkerungsschutz stellt die Koordination und die Zusammenarbeit der fünf Partnerorganisationen Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen, technische Betriebe und Zivilschutz sicher. Bei Bedarf können weitere Institutionen, private Organisationen und Unternehmen, Zivildienstleistende sowie die Armee zur Unterstützung beigezogen werden.

Für den Bevölkerungsschutz sind unter Vorbehalt bundesrechtlicher Kompetenzen die Kantone zuständig. Ihnen obliegen insbesondere die Massnahmen bei Katastrophen und in Notlagen. Der Bund regelt grundsätzliche Aspekte des Bevölkerungsschutzes und sorgt für die Koordination im Bereich des Bevölkerungsschutzes. Er trifft Anordnungen für den Fall von erhöhter Radioaktivität, Notfällen bei Stauanlagen, Epidemien und Tierseuchen sowie für den Fall eines bewaffneten Konflikts.

Im Einvernehmen mit den Kantonen kann der Bund die Koordination und allenfalls die Führung bei Ereignissen übernehmen, welche mehrere
Kantone, das ganze Land oder das grenznahe Ausland betreffen. Für den Zivilschutz regelt der Bund die Rechte und Pflichten der Schutzdienstpflichtigen, die Ausbildung, die Bereiche des Materials sowie der Alarmierungs- und Telematiksysteme, die Schutzbauten und die Finanzierung.

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Partnerorganisationen Die fünf Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes tragen die Verantwortung für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche und unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständig. Sie ist ein Ersteinsatzmittel. Das Polizeiwesen ist kantonal geregelt. Die Mittel zur Erfüllung der Aufgaben sind die kantonalen und kommunalen Polizeikorps.

Die Feuerwehr ist für die Rettung und die allgemeine Schadenwehr inkl. Brandbekämpfung und Elementarschadenbewältigung zuständig. Sie ist ein Ersteinsatzmittel und leistet Einsätze, welche Stunden bis Tage dauern. Die Feuerwehr ist kantonal geregelt.

Das Gesundheitswesen, einschliesslich des sanitätsdienstlichen Rettungswesens, stellt die medizinische Versorgung der Bevölkerung und der Einsatzkräfte sicher.

Dies umfasst auch vorsorgliche Massnahmen und die psychologische Betreuung.

Der sanitätsdienstliche Rettungsdienst ist ein Ersteinsatzmittel. Das Gesundheitswesen ist kantonal geregelt.

Die technischen Betriebe stellen sicher, dass Elektrizitäts-, Wasser- und Gasversorgung, Entsorgung, Verkehrsverbindungen sowie Telematik lagegerecht funktionieren bzw. nach entsprechenden Notmassnahmen wieder normalisiert werden. Sie erfüllen ihre Aufgaben selbstständig.

Der Zivilschutz ist zuständig für die Bereitstellung der Schutzinfrastruktur und der Mittel für die Alarmierung der Bevölkerung, für die Betreuung von Schutz suchenden und von obdachlosen Personen und für den Schutz von Kulturgütern. Der Zivilschutz unterstützt die anderen Partnerorganisationen bei Bedarf durch die Leistung von Langzeiteinsätzen (Tage bis Wochen). Er führt Instandstellungsarbeiten zur Abwendung von Folgeschäden aus und erbringt Leistungen zur Verstärkung der Führungsunterstützung und der Logistik. Er kann auch für Aufgaben zu Gunsten der Gemeinschaft eingesetzt werden. Für den Zivilschutz besteht die nationale Schutzdienstpflicht. Im Rahmen bundesrechtlicher Vorgaben regeln die Kantone die Belange des Zivilschutzes sowie die Zusammenarbeit mit den anderen Partnerorganisationen.

Aufbau und Führung Die Partnerorganisationen bewältigen Ereignisse mit modular aufgebauten Mitteln.

Der modulare Aufbau geht vom Alltagsereignis aus. Die eingesetzten Mittel werden entsprechend der Art und
dem Schweregrad eines Ereignisses koordiniert und verstärkt. Zur Bewältigung von Alltagsereignissen führen die Ersteinsatzmittel (Polizei, Feuerwehr und sanitätsdienstliches Rettungswesen) die Einsätze vor Ort nach eingespielten Verfahren. Bei Katastrophen und in Notlagen können die Partnerorganisationen weitere Einsatzelemente aufbieten.

Bei Alltagsereignissen liegt die Führung bei der Einsatzleitung der im Einsatz stehenden Partnerorganisationen (in der Regel der Feuerwehr oder der Polizei). Bei Grossereignissen obliegt die Führung einer Gesamteinsatzleitung mit ereignisbezogen ausgewählten Spezialisten bzw. Spezialistinnen der beteiligten Partnerorgani-

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sationen oder der Verwaltung. Wenn mehrere Partnerorganisationen während längerer Zeit im Einsatz stehen, übernimmt ein Führungsorgan die Koordination und die Führung. Die Partnerorganisationen sind im Führungsorgan vertreten.

Bei zunehmender Gefährdung (z.B. erhöhte Radioaktivität oder Gefährdung machtpolitischer Art) erhöhen Bund, Kantone und Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich die Bereitschaft der Systeme zur Alarmierung der Bevölkerung, der Führungsorgane, der Partnerorganisationen und der Schutzbauten zeit- und lagegerecht.

Lässt die Lageentwicklung vermuten, dass ein bewaffneter Konflikt entstehen könnte, können Regierung und Parlament den Entscheid zum Aufwuchs der Mittel des Bevölkerungsschutzes fällen. Der Aufwuchs muss innerhalb der angenommenen mehrjährigen Vorwarnzeit sichergestellt werden können. Dazu sind vor allem Massnahmen in den Bereichen Personal (z.B. Erhöhung des Dienstpflichtalters), Ausbildung und Material notwendig.

Unterstützung Nach dem Prinzip der Subsidiarität können die zuständigen Behörden die Unterstützung durch die Armee anfordern. Als Grundsatz gilt, dass militärische Hilfe durch die zivilen Behörden erst angefordert wird, wenn die Mittel des Bevölkerungsschutzes im regionalen und kantonalen Verbund ausgeschöpft oder die erforderlichen Mittel nicht vorhanden sind (ausgenommen Spontanhilfe). Die Armee leistet Unterstützung in der Form von subsidiären Sicherungseinsätzen (v.a. Bewachungsaufgaben), militärischer Katastrophenhilfe und allgemeinen Unterstützungseinsätzen wie z.B. Strassen- und Lufttransporten sowie Geniearbeiten.

Personelles Die zur Zeit bestehenden Dienstpflichten werden beibehalten: die national geregelte Militär-, Zivil- und Schutzdienstpflicht und die kantonal geregelte Feuerwehrdienstpflicht. Die Rekrutierung der Schutzdienstpflichtigen erfolgt gemeinsam mit der Armee. Bei der Zuteilung besteht keine Wahlfreiheit; die Armee hat Vorrang.

Der vorgesehene Personalbestand des Zivilschutzes für den Einsatz bei Katastrophen und in Notlagen beträgt gesamtschweizerisch rund 105 000 Personen. Hinzu kommen rund 15 000 Personen, welche zu Gunsten der anderen Partnerorganisationen vorzeitig aus der Schutzdienstpflicht entlassen werden. Insgesamt beläuft sich der Personalbestand somit auf rund 120 000 Personen. Die Schutzdienstpflicht dauert vom 20. bis
zum 40. Altersjahr.

Die vorzeitige Entlassung aus der Schutzdienstpflicht ist Sache der Kantone. Mitglieder der Exekutiven des Bundes und der Kantone, des Eidgenössischen Parlaments und des Bundesgerichts sowie die hauptamtlichen Mitglieder von kantonalen Gerichten und kommunalen Exekutiven werden von Amtes wegen aus der Schutzdienstpflicht entlassen.

Der vorgesehene Personalbestand der Feuerwehr beträgt gesamtschweizerisch rund 110 000 Personen. Ein Teil davon kann nach Weisungen der Kantone mit vorzeitig aus der Schutzdienstpflicht entlassenen Personen gedeckt werden.

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Das für den Fall eines bewaffneten Konflikts zusätzlich benötigte Personal wird erst nach dem Entscheid zum Aufwuchs rekrutiert. Der Bund kann dazu für den Zivilschutz primär das Dienstpflichtalter für Schutzdienstpflichtige erhöhen. Die Feuerwehr deckt ihren zusätzlichen Personalbedarf für den Aufwuchs primär durch die Wiedereingliederung ehemaliger Angehöriger der Feuerwehr und durch den Einbezug von Freiwilligen. Bei den anderen Partnerorganisationen sind keine besonderen personellen Massnahmen für den Aufwuchs vorgesehen.

Ausbildung Die Ausbildung im Bevölkerungsschutz wird primär auf die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen ausgerichtet. Die Verantwortung liegt grundsätzlich bei den Kantonen.

Alle Mitglieder der Führungsorgane werden in einer Grundausbildung sowie in Weiterbildungen auf ihre Funktionen vorbereitet. Die Überprüfung der Einsatzbereitschaft erfolgt im Rahmen von Übungen.

Jede Partnerorganisation organisiert ihre fachspezifische Ausbildung selbstständig.

Soweit möglich und zweckmässig sind für ausgewählte Themen auch Spezialisten bzw. Spezialistinnen aus anderen Partnerorganisationen oder Institutionen beizuziehen. Im Zivilschutz bestehen alle Schutzdienstpflichtigen eine allgemeine und eine funktionsbezogene Grundausbildung. Sie können zu Weiterbildungskursen sowie jährlich zu Wiederholungskursen aufgeboten werden.

Der Bund fördert die Zusammenarbeit in der Ausbildung zwischen den Partnerorganisationen und mit der Armee. Er kann mit den Kantonen die Durchführung von Aus- und Weiterbildungen vereinbaren. Er bietet periodische Weiterbildungen für die kantonalen Führungsorgane an. Im Zivilschutz legt der Bund in Absprache mit den Kantonen den gemeinsamen Ausbildungsrahmen fest und schafft die Grundlagen für eine einheitliche Ausbildung. Er bildet die Zivilschutzkommandanten und ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter, die Kader und bestimmte Spezialisten bzw. Spezialistinnen der Führungsunterstützung sowie des Kulturgüterschutzes aus.

Er betreibt eine Ausbildungsinfrastruktur und ermöglicht dem Lehrpersonal der anderen Partnerorganisationen die Teilnahme an deren Ausbildungsangebot.

Material sowie Alarmierungs- und Telematiksysteme Das Material wird primär für die Bewältigung von Alltagsereignissen und im Hinblick auf den Einsatz bei Katastrophen und in Notlagen
beschafft. Die Kantone sind für die Materialbeschaffung zuständig. Für Material, welches zusätzlich für besondere Katastrophen und Notlagen im Verantwortungsbereich des Bundes sowie für den Fall eines bewaffneten Konflikts benötigt wird, liegen die Zuständigkeit und die Finanzierung beim Bund. Er legt die Anforderungen an die Systeme zur Alarmierung der Bevölkerung und für die Telematiksysteme des Zivilschutzes fest und trägt die Kosten.

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Schutzbauten Die bestehenden Schutzbauten sind grundsätzlich zu erhalten. Für den Fall eines bewaffneten Konflikts soll zur Wahrung der Chancengleichheit jeder Einwohnerin und jedem Einwohner ein Schutzplatz in einem Schutzraum in der Nähe des Wohnorts zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen die Schutzbauten bei Katastrophen und in Notlagen als Notunterkünfte genutzt werden können.

Die Werterhaltung der Schutzbauten ist in verschiedener Hinsicht sinnvoll. So liegt der Zeitbedarf für deren Erstellung im Fall eines bewaffneten Konflikts deutlich über der angenommenen mehrjährigen Vorwarnzeit. Auch angesichts des nach wie vor weltweit grossen Potenzials an ballistischen Fernwaffen mit und ohne Massenvernichtungsmittel ist es zwingend, dass die Schutzbauten erhalten bleiben.

An der Baupflicht für Schutzräume bzw. an der Entrichtung eines Ersatzbeitrags durch Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer wird festgehalten. Der Ersatzbeitrag wird für die Erstellung und die Werterhaltung der Schutzräume verwendet.

Die Kantone regeln den Vollzug der Baupflicht und legen die Höhe der Ersatzbeiträge nach Vorgaben des Bundes fest. Die Betriebsbereitschaft der Schutzbauten kann auf ein lagegerechtes Mass reduziert werden. So können Betriebs- und Unterhaltskosten eingespart werden.

Finanzierung Im Rahmen des Bevölkerungsschutzes kommt es nur beim Zivilschutz zu einer wesentlichen Änderung bei der Art der Finanzierung. Die Beitragsfinanzierung des Bundes, abgestuft nach der Finanzkraft der Kantone, fällt weg. Die Kosten werden künftig von der zuständigen Instanz in vollem Umfang getragen (Zuständigkeitsfinanzierung). Insgesamt können in den nächsten Jahren gegenüber 1998 Ausgabenreduktionen bei den Sachausgaben der öffentlichen Hand von ca. 15% erwartet werden. Die Zuständigkeitsfinanzierung eröffnet insbesondere den Kantonen und Gemeinden einen Handlungsspielraum bei der Umsetzung. Inwieweit dies zu weiteren Ausgabenreduktionen führt, hängt von den Kantonen und Gemeinden ab.

Gesetzgebung und Umsetzung Die Reform bedingt eine Totalrevision der bis anhin gültigen Zivilschutzgesetzgebung auf Stufe Bund. Für die Rechtsetzung der Partnerorganisationen Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen und technische Betriebe sind die Kantone zuständig.

Die Zuständigkeit für die Umsetzung bei den Partnerorganisationen liegt
bei den Kantonen. Der Bund macht im Rahmen des Bevölkerungsschutzes dort Vorgaben, wo es auf Grund seiner Zuständigkeit notwendig ist. Die Bereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Partnerorganisationen müssen während der Umsetzung des Bevölkerungsschutzes ohne Unterbruch gewährleistet sein.

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Bericht 1

Bevölkerungsschutz: Weshalb eine Reform?

1.1

Veränderungen im sicherheitspolitischen Umfeld

Die politische und strategische Entwicklung in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges hat das Spektrum der Gefährdungen verändert. Herkömmliche zwischenstaatliche Konflikte mit machtpolitischen Ursachen haben an Bedeutung verloren.

Innerstaatliche Konflikte, organisierte Kriminalität und gewalttätiger Extremismus haben demgegenüber zugenommen. Soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen sind für die Sicherheit von Staaten und ihrer Bevölkerung wichtiger geworden. Dies gilt auf Grund ihrer grossen Zerstörungskraft auch für Gefährdungen durch natur- und zivilisationsbedingte Katastrophen. Diese Faktoren erfordern eine Neukonzeption der Sicherheitspolitik und ihrer Instrumente.

Der Sicherheitspolitische Bericht 2000 des Bundesrates vom 7. Juni 1999 fordert eine gesamtheitliche Analyse der Sicherheitspolitik der Schweiz mit dem Ziel, die Aufgaben und den Stellenwert der einzelnen sicherheitspolitischen Instrumente und ihre Beziehungen untereinander festzulegen. Die Instrumente sind auf aktuelle und sich abzeichnende Gefährdungen auszurichten.

Das Leitmotiv des Sicherheitspolitischen Berichts 2000 ist die «Sicherheit durch Kooperation». Der Bericht fordert Kooperation sowohl im Inland als auch mit anderen Staaten und internationalen Organisationen. Die Herausforderungen an die Sicherheitspolitik lassen sich besser bewältigen, wenn einerseits alle im Inland zur Verfügung stehenden Mittel möglichst gut koordiniert, flexibel und effizient eingesetzt werden und anderseits die Schweiz die Chancen internationaler Zusammenarbeit zur Erhöhung ihrer eigenen Sicherheit nutzt.

Die Sicherheitspolitik bezieht sich heute entsprechend der veränderten Lage nicht mehr hauptsächlich auf die Verteidigung und den Schutz der Bevölkerung im Fall eines bewaffneten Konflikts. Sie legt ein grösseres Gewicht auf Gefährdungen, die nicht zwingend einen machtpolitischen Hintergrund haben, die jedoch die Sicherheit der Schweiz und ihrer Bevölkerung stark beeinträchtigen können. Diese Gefährdungen können regionale, nationale oder internationale Auswirkungen haben.

1.2

Konsequente Anpassung des Systems

Der Bevölkerungsschutz trägt der Neuausrichtung der Sicherheitspolitik Rechnung.

Mit dem Bevölkerungsschutz wird nicht etwas völlig Neues geschaffen. Viele Grundideen basieren auf den Reformen der 90er-Jahre. So wurde damals beim Zivilschutz die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen der bis anhin primären Ausrichtung auf den bewaffneten Konflikt gleichgestellt. Der Grundsatz der Kooperation wurde verankert und eine klarere Aufgabenteilung zwischen den Partnerorganisationen angestrebt. In der Folge haben viele Kantone, Regionen und Gemeinden die Reformen vorangetrieben. Diese Reformen haben sich in den verschiedenen Katastropheneinsätzen der vergangenen Jahre bewährt. Für den gesamten Prozess braucht es deshalb nicht eine neue Doktrin, sondern eine konsequente Weiterent-

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wicklung der bisherigen Anstrengungen unter Berücksichtigung der neuen Rahmenbedingungen.

Auf Grund dieser Überlegungen wird der Bevölkerungsschutz als ziviles Verbundsystem der fünf Partnerorganisationen Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen, technische Betriebe und Zivilschutz unter einem gemeinsamen Dach geschaffen. Für den Bevölkerungsschutz sind unter Vorbehalt bundesrechtlicher Kompetenzen die Kantone zuständig.

Koordination unter gemeinsamem Dach Abbildung 1

Ein wesentliches Ziel des Bevölkerungsschutzes besteht darin, eine optimale Abstimmung der Vorbereitungen und des Einsatzes der Partnerorganisationen zu erreichen. Durch die verstärkte Zusammenarbeit der Partnerorganisationen können die Koordination der Mittel verbessert, Synergien genutzt und das vorhandene Fachwissen konzentriert werden.

Knappere finanzielle Ressourcen der öffentlichen Hand bedingen, dass die Mittel der Partnerorganisationen auf die aktuellen Gefährdungen ausgerichtet werden. Es werden nur diejenigen Mittel beibehalten, welche für den Einsatz bei Katastrophen und in Notlagen notwendig sind oder im Aufwuchs nicht zeitgerecht bereitgestellt werden können.

Der Rückhalt in der Bevölkerung, bei den politischen Entscheidungsträgern und in den Partnerorganisationen ist für den Erfolg des Bevölkerungsschutzes massgebend.

Für die Reform des Bevölkerungsschutzes braucht es die Bereitschaft, die bisherigen Strukturen zu überdenken, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und im Sinne des Ganzen zu handeln.

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Zahlreiche Länder in Europa haben in den letzten Jahren eine Reform ihres Bevölkerungsschutzsystems durchgeführt oder befinden sich noch im Reformprozess. In allen europäischen Ländern stehen heute die Ausrichtung auf natur- und zivilisationsbedingte Katastrophen und Notlagen sowie die internationale Zusammenarbeit im Vordergrund. In den meisten europäischen Ländern ist der Bevölkerungsschutz als Verbundsystem organisiert. Die wichtigsten Partnerorganisationen sind Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdienste. Je nach Land haben auch Freiwilligenorganisationen eine tragende Rolle.

2

Gefährdungsspektrum

2.1

Sicherheitspolitische Lage

Der Sicherheitspolitische Bericht 2000 charakterisiert das Gefährdungsspektrum als sehr dynamisch und komplex und betont die abnehmende Bedeutung von geografischen Distanzen. Die zunehmende weltweite Vernetzung ist auch für die Schweiz eine Herausforderung. Der Bericht stellt folgende Gefährdungen in den Vordergrund: ­

natur- und zivilisationsbedingte Katastrophen;

­

Migration;

­

Manipulation und Ausfall der Informatik- und Kommunikationsinfrastruktur;

­

Einschränkungen des freien Wirtschaftsverkehrs und wirtschaftlicher Druck;

­

sicherheitspolitisch relevante technologische Entwicklungen;

­

Terrorismus, gewalttätiger Extremismus, Spionage, Kriminalität und organisiertes Verbrechen;

­

Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und Waffensystemen grosser Reichweite sowie

­

innerstaatliche Konflikte.

Viele dieser Gefährdungen sind in ihrem Ausmass neuartig, in erster Linie weil moderne Gesellschaften auf Grund der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie der zunehmenden Vernetzung und Wertdichte verletzlicher werden.

Eine Gefährdung der Schweiz durch einen bewaffneten Konflikt in Europa besteht zur Zeit nicht. Die Vorwarnzeit ist auf mehrere Jahre angestiegen. Eine geografische, auch die Schweiz betreffende Ausdehnung von regionalen Konflikten ist heute noch denkbar, aber wenig wahrscheinlich. Hingegen stellt die Weiterverbreitung von Waffen aller Art eine Gefährdung der gesamten internationalen Sicherheitsstrukturen dar. Davon ist auch die Schweiz betroffen.

2.2

Gefährdungsannahmen

Der Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen verlangt vorsorgliche Massnahmen. Dies gilt vor allem für Ereignisse, deren Eintreten als wenig wahr-

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scheinlich erscheint, aber zu enormen Schäden führen kann. Vorsorge im Sinne einer umfassenden, risikoorientierten Planung und Vorbereitung ist ein wichtiges Instrument im Umgang mit Gefährdungen aller Art. Zu diesem Zweck sind Gefährdungsannahmen für die Schweiz getroffen worden. Sie stellen Gefährdungen und ihre möglichen Auswirkungen dar. Die folgende Abbildung zeigt eine Übersicht über die Gefährdungsannahmen: Übersicht über die Gefährdungsannahmen Abbildung 2

Für die Bewältigung von Alltagsereignissen ist die Zusammenarbeit der Partnerorganisationen Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen und technische Betriebe geregelt und eingespielt. Alltagsereignisse werden deshalb für die Planung des Bevölkerungsschutzes nicht berücksichtigt.

Katastrophen und Notlagen können auf Grund der hohen Wertdichte (v.a. in Ballungszentren) und der zunehmenden Abhängigkeit von Infrastruktureinrichtungen zu grösseren Schäden führen als früher. Ihre Eintretenswahrscheinlichkeit ist zum Teil hoch, sie können sich mit keinen oder kurzen Vorwarnzeiten ereignen und mehrere Kantone betreffen. Deshalb stellen sie aus heutiger Sicht die grösste Herausforderung für den Bevölkerungsschutz dar.

Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle (Erpressung, gewalttätiger Extremismus, Terrorismus) hat eine grosse psychologische Wirkung, jedoch nur räumlich beschränkte Zerstörungskraft. Sie stellt in erster Linie für die Behörden und für die Polizei eine Herausforderung dar. Bei terroristischen Anschlägen mit Massenvernichtungsmitteln muss auf die vorhandene Schutzinfrastruktur zurückgegriffen werden können. Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle ist aus heutiger Sicht für den Bevölkerungsschutz als Ganzes nicht von primärer Bedeutung.

Ein bewaffneter Konflikt im geografischen Umfeld der Schweiz steht auf Grund der angenommenen Vorwarnzeit von mehreren Jahren zur Zeit nicht im Vordergrund.

Die gesamte Schweiz betreffende militärische Operationen sind unwahrscheinlich geworden. Die Vorwarnzeit kann für den Aufwuchs, d.h. für eine zeit- und lage-

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gerechte Anpassung der Mittel der Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes genutzt werden.

Veränderungen im Spektrum und in der Eintretenswahrscheinlichkeit von Gefährdungen müssen früh erkannt werden, damit die Voraussetzungen für die rechtzeitige Warnung der Behörden, für die Erhöhung der Bereitschaft der Partnerorganisationen und für die lagegerechte Alarmierung der Bevölkerung gegeben sind.

3

Auftrag des Bevölkerungsschutzes

3.1

Sicherheitspolitischer Auftrag

Die Interessen der Schweiz sind für den sicherheitspolitischen Auftrag des Bevölkerungsschutzes massgebend. Artikel 2 der Bundesverfassung bestimmt u.a., dass die Schweizerische Eidgenossenschaft die Freiheit und die Rechte des Volkes schützt und die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes wahrt. Hierzu gehört, dass sie die gemeinsame Wohlfahrt, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes fördert, für eine möglichst grosse Chancengleichheit der Bürgerinnen und Bürger sorgt und sich für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzt.

Aus dem Verfassungsauftrag leiten sich die sicherheitspolitischen Ziele der Schweiz ab. Sie sind im Sicherheitspolitischen Bericht 2000 formuliert. Sie lauten im Wesentlichen, dass die Schweiz über ihre eigenen Angelegenheiten frei entscheidet, dass sie ihre Bevölkerung und deren Lebensgrundlagen vor schwerwiegenden Gefährdungen schützt und zu Stabilität und Frieden über die eigenen Grenzen hinaus sowie zum Aufbau einer internationalen demokratischen Wertegemeinschaft beiträgt.

Der Auftrag des Bevölkerungsschutzes ist der Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen bei Katastrophen und in Notlagen sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts. Der Bevölkerungsschutz stellt Führung, Schutz, Rettung und Hilfe zur Bewältigung solcher Ereignisse sicher. Er trägt dazu bei, Schäden zu begrenzen und zu bewältigen.

Der Bevölkerungsschutz erfüllt diesen Auftrag durch die Wahrnehmung folgender Aufgaben: ­

Sicherstellung der Information der Bevölkerung über Gefährdungen, Schutzmöglichkeiten und Schutzmassnahmen;

­

Warnung und Alarmierung sowie Erteilung von Verhaltensanweisungen an die Bevölkerung;

­

Sicherstellung der Führung;

­

Koordination der Vorbereitungen und der Einsätze der Partnerorganisationen sowie

­

Sicherstellung einer zeit- und lagegerechten Bereitschaft sowie des Aufwuchses.

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3.2

Ausrichtung und Schwergewichte

Auf Grund der Erkenntnisse aus den Gefährdungsannahmen wird der Bevölkerungsschutz folgendermassen ausgerichtet: ­

Die bestimmenden Gefährdungen für die heutige Planungsperspektive sind Katastrophen und Notlagen.

­

Die Bereitschaft für die Bewältigung eines bewaffneten Konflikts kann herabgesetzt werden. Innerhalb der angenommenen Vorwarnzeit müssen je nach Lageentwicklung die zeit- und lagegerechte Erhöhung der Bereitschaft sowie der Aufwuchs der Partnerorganisationen, insbesondere des Zivilschutzes, sichergestellt werden können.

Katastrophen und Notlagen, aber auch Formen von Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle gefährden die Schweiz in der Regel nicht flächendeckend. Dies ermöglicht die Planung und den Einsatz der Mittel des Bevölkerungsschutzes im regionalen oder kantonalen Verbund und erlaubt einen quantitativen Abbau in den Bereichen Personal und Ausrüstung.

Die Dimensionierung des Bevölkerungsschutzes, d.h. der angestrebte Grad des Schutzes der Bevölkerung, kann letztlich nur durch politische Entscheide auf den Stufen Kantone und Bund bestimmt werden. Die Gefährdungsannahmen bilden eine Grundlage für diese Entscheide. Weitere Einflussfaktoren sind Überlegungen zur Leistungsfähigkeit des Bevölkerungsschutzes, zu dessen Kosten und zum Restrisiko, das in Kauf genommen wird. Der Leistungsgrad («service level») nimmt ausserdem mit zunehmendem Schweregrad der Gefährdungen ab.

Leistungsgrad des Bevölkerungsschutzes Abbildung 3

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Der Bevölkerungsschutz baut auf den Mitteln des Alltags auf. Für die Bewältigung von Alltagsereignissen werden der Leistungsgrad und die Effizienz des Mitteleinsatzes laufend optimiert und erreichen in der Schweiz ein hohes Niveau.

Bei Katastrophen und in Notlagen sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts muss ein gegenüber der Alltagssituation reduzierter Leistungsgrad in Kauf genommen werden. Die Verantwortungsträger und die im Einsatz stehenden Partnerorganisationen müssen Prioritäten setzen. Die Wirkung der Partnerorganisationen wird erhöht, indem deren Einsatz durch ein Führungsorgan koordiniert wird und die Mittel im regionalen oder kantonalen Verbund eingesetzt werden. Zusätzlich können Zivildienstleistende und private Unternehmen beigezogen sowie die Unterstützung der Armee angefordert werden. Für den Fall eines bewaffneten Konflikts wird der Leistungsgrad durch eine zeit- und lagegerechte Erhöhung der Bereitschaft und durch den Aufwuchs erhöht.

4

Struktur des Bevölkerungsschutzes

4.1

Verbundsystem

Der Bevölkerungsschutz ist ein Verbundsystem für Führung, Schutz, Rettung und Hilfe. Die Partnerorganisationen tragen im Rahmen des Verbundsystems die Verantwortung für ihre Aufgabenbereiche. Sie unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Ein gemeinsames Führungsorgan gewährleistet die Koordination der Planungen und Vorbereitungen sowie gegebenenfalls die Führung im Einsatz.

Partnerorganisationen und Aufgabenbereiche Abbildung 4

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Bei Bedarf können mittels Leistungsaufträgen weitere Institutionen (z.B. Sozialdienste), private Organisationen (z.B. Samariter, Rotes Kreuz), private Unternehmen (z.B. Forst-, Bau- und Transportfirmen), Zivildienstleistende oder die Armee zur Unterstützung beigezogen werden.

Die Zusammenarbeit der Partnerorganisationen erfolgt auf der Stufe Gemeinde oder Region. Die Kantone und Gemeinden legen die Organisationsform gemäss ihren Bedürfnissen, insbesondere auf Grund ihrer spezifischen Gefährdungen, fest. Für die Planungen von Bund und Kantonen wird von Einsatzorganisationen ausgegangen, welche ein Gebiet mit 6 000 bis 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern umfassen.

Sie sind keine verbindliche Vorgabe, sondern eine Modelllösung. Die folgende Abbildung zeigt die Struktur einer Einsatzorganisation: Struktur einer Einsatzorganisation auf Stufe Gemeinde/Region Abbildung 5

4.2

Führung

Die Gesamtverantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung und damit für das Verbundsystem Bevölkerungsschutz liegt bei der zuständigen Exekutive. Auf Stufe Kanton und Gemeinde (oder Gemeindeverband) bezeichnet diese ein politisch legitimiertes Führungsorgan.

Das Führungsorgan ist zuständig für: ­

die Beurteilung der Risiken und Gefährdungen;

­

die Veranlassung der Planungen und Vorbereitungen sowie

­

gegebenenfalls den koordinierten Einsatz der Partnerorganisationen.

Die Führung umfasst drei Stufen: ­

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Bei Alltagsereignissen liegt die Führung bei der Einsatzleitung der im Einsatz stehenden Partnerorganisationen (in der Regel der Feuerwehr oder der Polizei).

­

Bei Grossereignissen ist die Koordination der im Einsatz stehenden Partnerorganisationen notwendig. Die Führung obliegt einer Gesamteinsatzleitung.

Deren Mitglieder sind ereignisbezogen ausgewählte Spezialisten der beteiligten Partnerorganisationen und der Verwaltung.

­

Wenn mehrere Partnerorganisationen während längerer Zeit im Einsatz stehen, übernimmt ein Führungsorgan die Koordination und die Führung. Die Partnerorganisationen sind im Führungsorgan vertreten. Die Kompetenzabgrenzung zwischen den Einsatzleitungen vor Ort und dem Führungsorgan muss durch die Kantone klar geregelt sein.

Das Führungsorgan besteht aus Behördenmitgliedern, dem Stabschef und dessen Stellvertreter bzw. Stellvertreterin, Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung sowie den Ressortchefs (Vertreterinnen und Vertretern der Partnerorganisationen).

Diese Mitglieder sind bezeichnet und für ihre Funktion ausgebildet. Der oder die für die Gesamteinsatzleitung Verantwortliche nimmt fallweise Einsitz im Führungsorgan. Ausserdem können Spezialisten bzw. Spezialistinnen beigezogen werden.

Die Führungsunterstützung umfasst die Sachbereiche Information, Lage, Telematik, ABC-Schutz und logistische Koordination. Die Ersteinsatzmittel stellen die Führungsunterstützung so lange als möglich selbstständig sicher. Die Verstärkung der Führungsunterstützung wird durch Personal der Verwaltung sowie der Partnerorganisationen, insbesondere des Zivilschutzes, gewährleistet.

Der Information der Öffentlichkeit und der Medien kommt bei Schadenereignissen hohe Bedeutung zu. Die Verantwortung dafür liegt bei den zuständigen Behörden.

Sie haben sicherzustellen, dass die entsprechenden und ausgebildeten Spezialisten, so weit als möglich aus der Verwaltung, zur Verfügung stehen und eng mit dem Führungsorgan bzw. mit den entsprechenden Einsatzleitern zusammenarbeiten.

Die Führungsinfrastruktur muss effiziente Führungsprozesse ermöglichen. Massgebend sind v.a. die räumlichen Verhältnisse sowie die aus dem Stand bzw. nach einer gewissen Vorbereitung verfügbaren Telematikmittel. Es ist sicherzustellen, dass insbesondere im Fall eines bewaffneten Konflikts ein geschützter Führungsstandort (Kommandoposten) benützt werden kann.

Die Partnerorganisationen sorgen selbstständig für ihre Fachlogistik. Sie können sich auch auf private Unternehmen abstützen. Beim Einsatz von mehreren Partnerorganisationen und bei längeren Einsätzen erbringt der Zivilschutz mit logistischen Elementen nötigenfalls logistische Leistungen für die anderen Partnerorganisationen. Wenn mehrere logistische Elemente im Einsatz sind, ist die logistische Koordination im Rahmen der Führungsunterstützung erforderlich.

Im Fall einer Gefährdung der Bevölkerung sind die Nationale Alarmzentrale bzw.

weitere damit beauftragte Stellen dafür verantwortlich, dass die Behörden und Alarmierungsstellen frühzeitig gewarnt und die Bevölkerung rechtzeitig alarmiert und informiert
werden. Der Bund erarbeitet Notfallkonzepte und erlässt Vorschriften für die einheitliche Regelung der Alarmierungsabläufe. Die Kantone und Gemeinden setzen die Massnahmen gemäss den Vorgaben des Bundes um.

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4.3

Modularer Aufbau, Erhöhung der Bereitschaft, Aufwuchs

Die Partnerorganisationen bewältigen Ereignisse mit modular aufgebauten Mitteln.

Der modulare Aufbau geht vom Alltagsereignis aus. Die eingesetzten Mittel werden entsprechend der Art und dem Schweregrad eines Ereignisses verstärkt. Für die Bewältigung von Alltagsereignissen genügt die bestehende Koordination der Partnerorganisationen, insbesondere der Ersteinsatzmittel Polizei, Feuerwehr und sanitätsdienstliches Rettungswesen. Diese führen die Einsätze vor Ort nach eingespielten Verfahren. Bei Katastrophen und in Notlagen kommen mehrere oder alle Partnerorganisationen einer Gemeinde oder Region zum Einsatz. Die Partnerorganisationen können weitere Einsatzelemente aufbieten. Sie können ausserdem durch den Beizug privater Organisationen und Unternehmen sowie durch die Armee verstärkt werden.

Bei zunehmender Gefährdung (z.B. erhöhte Radioaktivität oder Gefährdung machtpolitischer Art) erhöhen Bund, Kantone und Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich die Bereitschaft der Systeme zur Alarmierung der Bevölkerung, der Führungsorgane, der Partnerorganisationen und der Schutzbauten zeit- und lagegerecht. Sie halten sich bereit, Reserveelemente einzusetzen.

Lässt die Lageentwicklung vermuten, dass ein bewaffneter Konflikt entstehen könnte, haben Regierung und Parlament zusätzlich zur Erhöhung der Bereitschaft die Möglichkeit, den Entscheid zum Aufwuchs der Mittel des Bevölkerungsschutzes zu fällen. Der Aufwuchs muss innerhalb der heute angenommenen mehrjährigen Vorwarnzeit sichergestellt werden können. Dazu sind vor allem Massnahmen in den Bereichen Personal (z.B. Bereitstellung von zusätzlichen Elementen durch eine Erhöhung des Dienstpflichtalters), Ausbildung und Material notwendig. Sie müssen heute geplant werden. Zeitkritische Massnahmen, d.h. Massnahmen, für welche die angenommene Vorwarnzeit möglicherweise nicht ausreicht (insbesondere die Erstellung und die Werterhaltung von Schutzräumen und Schutzanlagen), müssen laufend getroffen werden. Die folgende Abbildung zeigt eine Übersicht über den modularen Aufbau, die Erhöhung der Bereitschaft und den Aufwuchs im Bevölkerungsschutz.

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Modularer Aufbau, Erhöhung der Bereitschaft, Aufwuchs Abbildung 6

4.4

Aufgabenteilung zwischen Kantonen und Bund

Für den Bevölkerungsschutz sind unter Vorbehalt bundesrechtlicher Kompetenzen die Kantone zuständig. Ihnen obliegen insbesondere die erforderlichen Massnahmen im Falle von Katastrophen und Notlagen. Die Kantone regeln die Organisation, die Ausbildung, die Bereitschaft und den Einsatz der Partnerorganisationen im Bevölkerungsschutz mit Ausnahme der technischen Betriebe. Die Kantone gewährleisten die zeit- und lagegerechte Führung und die Bereitschaft der Schutzinfrastruktur. Sie sind für den Vollzug der vom Bund erlassenen Vorschriften im Bereich des Zivilschutzes verantwortlich. Sie regeln die interkantonale Zusammenarbeit.

Der Bund regelt in seiner Gesetzgebung grundsätzliche Aspekte des Bevölkerungsschutzes. Er sorgt für die Koordination im Bereich des Bevölkerungsschutzes.

Der Bund ist zuständig, Anordnungen zu treffen für den Fall ­

von erhöhter Radioaktivität, Notfällen bei Stauanlagen, Epidemien und Tierseuchen sowie

­

eines bewaffneten Konflikts.

Im Einvernehmen mit den Kantonen kann der Bund die Koordination und allenfalls die Führung bei Ereignissen übernehmen, welche mehrere Kantone, das ganze Land oder das grenznahe Ausland betreffen (z.B. Erdbeben).

Zum Aufgabenbereich des Bundes gehören ausserdem der strategische Nachrichtendienst, die Früherkennung von Gefährdungen sowie die damit verbundene Vorwarnung.

Für den Zivilschutz regelt der Bund die Rechte und Pflichten der Schutzdienstpflichtigen, die Ausbildung, die Bereiche des Materials sowie der Alarmierungsund Telematiksysteme, die Schutzbauten und die Finanzierung.

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Für die Lösung gemeinsamer Aufgaben arbeiten die Kantone und der Bund zusammen. Dazu gehören insbesondere die konzeptionelle Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes, die Information sowie die internationale Zusammenarbeit. Der Bund sorgt in Zusammenarbeit mit den Kantonen für die Forschung im Bevölkerungsschutz.

5

Partnerorganisationen und ihre Aufgabenbereiche

Dieses Kapitel beschreibt die Partnerorganisationen und ihre Aufgabenbereiche im Rahmen des Bevölkerungsschutzes. Die Aufgaben der Partnerorganisationen bei Alltagsereignissen sind nicht Gegenstand der nachstehenden Betrachtungen. Die Bereiche Personelles, Ausbildung und Finanzierung werden in den nachstehenden Kapiteln behandelt.

Bei allen Partnerorganisationen sind Reformen im Gang: Bei den Polizeikorps unter anderem im Zusammenhang mit dem Projekt «Überprüfung des Systems der Inneren Sicherheit der Schweiz» (USIS), bei den Feuerwehren vor allem in der Folge des Konzepts «Feuerwehr 2000 plus», im Gesundheitswesen zur Anpassung an aktuelle Gegebenheiten und bei den technischen Betrieben nicht zuletzt als Folge von Privatisierungen. Im Folgenden wird nur die Reform des Zivilschutzes beschrieben. Sie wird ­ in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen ­ durch den Bund mit beeinflusst.

5.1

Polizei (Sicherheit und Ordnung)

Die Polizei ist im Rahmen des Bevölkerungsschutzes für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständig. Dies ist eine Kernaufgabe des Staates. Die Mittel zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung sind die kantonalen und kommunalen Polizeikorps.

Die Polizei ist bezüglich Personal, Organisation, Ausrüstung, Ausbildung und Finanzierung kantonal geregelt.

Die Polizei ist ein Ersteinsatzmittel. Die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und mit dem sanitätsdienstlichen Rettungswesen ist eingespielt. Der Zivilschutz kann für die Überbrückung von Belastungsspitzen sowie für Langzeiteinsätze beigezogen werden. Dies umfasst Aufgaben, die nicht zwingend eine Bewaffnung erfordern, z.B.

die Verkehrsregelung.

5.2

Feuerwehr (Rettung und allgemeine Schadenwehr)

Die Feuerwehr ist für die Rettung und die allgemeine Schadenwehr, inkl. Brandbekämpfung und Elementarschadenbewältigung, zuständig. Sie löst zusätzliche Aufgaben wie Öl-, Chemie- und Strahlenwehr. Die Kantone übertragen bestimmte Aufgaben an Stützpunktfeuerwehren, welche dafür speziell ausgerüstet und ausgebildet sind.

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Das Feuerwehrwesen ist bezüglich Rekrutierung und Personal, Organisation, Ausrüstung, Ausbildung und Finanzierung kantonal geregelt. Die Feuerwehr sorgt selbstständig für die aufgabenspezifische Ausrüstung. Die kantonalen Gebäudeversicherungen und/oder die Kantone und die Gemeinden tragen die Kosten für die erforderlichen Massnahmen gemäss ihrer Zuständigkeit.

Die Feuerwehr ist ein Ersteinsatzmittel. Ihre Formationen sind modular aufgebaut.

Sie ist innert Minuten einsatzbereit und leistet Einsätze, welche Stunden bis Tage dauern. Nachbar- und Stützpunkthilfe gewährleisten die gegenseitige Unterstützung und Ablösung. Die Zusammenarbeit mit der Polizei und mit dem sanitätsdienstlichen Rettungswesen ist eingespielt. Für spezielle Aufgaben werden private Unternehmen (z.B. Bauunternehmen oder Kanalisationsreinigungsfirmen) zugezogen. Zur Unterstützung können Mittel der anderen Partnerorganisationen beigezogen werden.

5.3

Gesundheitswesen (Gesundheit und Sanität)

Das Gesundheitswesen stellt die medizinische Versorgung der Bevölkerung und der Einsatzkräfte sicher. Dies umfasst auch vorsorgliche Massnahmen und die psychologische Betreuung.

Das Gesundheitswesen, einschliesslich des sanitätsdienstlichen Rettungswesens, ist bezüglich Personal, Organisation, Ausrüstung, Ausbildung und Finanzierung kantonal geregelt. Die Kantone sind für die Schaffung der erforderlichen Strukturen und für die Bereitstellung der Mittel zuständig. Sie bestimmen, welche zusätzlichen Mittel (Personal, Medikamente, Material, geschützte Patientenplätze usw.) ­ auch des Zivilschutzes ­ für Katastrophen und Notlagen bereitzuhalten sind.

Das sanitätsdienstliche Rettungswesen ist ein Ersteinsatzmittel. Die Zusammenarbeit mit der Polizei und mit der Feuerwehr ist eingespielt. Bei Bedarf können speziell ausgebildete Angehörige des Zivilschutzes beigezogen werden.

Der Bund stellt zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen mit hohem Patientenanfall (z.B. Epidemien, Erdbeben, Verstrahlungslagen) und für den Fall eines bewaffneten Konflikts ein sanitätsdienstliches Koordinations- und Führungsorgan sowie zusätzliche Mittel bereit. Er schreibt vorsorgliche Massnahmen für den Fall eines bewaffneten Konflikts vor, v.a. die Aufrechterhaltung einer sanitätsdienstlichen Schutzinfrastruktur und einer bestimmten materiellen Bereitschaft.

5.4

Technische Betriebe (Gewährleistung der technischen Infrastruktur)

Die technischen Betriebe (öffentlich- oder privatrechtlicher Status) stellen auf der Grundlage ihrer rechtlichen Verpflichtungen das Funktionieren ihrer Einrichtungen sicher. Sie sorgen dafür, dass Elektrizitäts-, Wasser- und Gasversorgung, Entsorgung, Verkehrsverbindungen sowie Telematik lagegerecht funktionieren bzw. nach entsprechenden, von den Behörden festgelegten Notmassnahmen stufenweise wieder normalisiert werden.

Die technischen Betriebe erfüllen ihre Aufgaben selbstständig. Sie treffen Massnahmen auf Grund von Rechtsgrundlagen bzw. von Regelungen der zuständigen 1763

Fachinstanzen, stellen das Personal, die Ausrüstung und das Material für ihre Leistungserbringung sicher und tragen die Kosten in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Zur Bewältigung von Belastungsspitzen werden die technischen Betriebe primär durch private Unternehmen verstärkt. Nötigenfalls können Mittel der anderen Partnerorganisationen beigezogen werden.

5.5

Zivilschutz (Schutz, Betreuung und Unterstützung)

Der Zivilschutz erfüllt folgende Aufgaben: ­

Bereitstellung der Schutzinfrastruktur und der Mittel zur Alarmierung der Bevölkerung;

­

Betreuung von Schutz suchenden und von obdachlosen Personen;

­

Schutz von Kulturgütern;

­

Unterstützung der anderen Partnerorganisationen, insbesondere bei Katastrophen und in Notlagen;

­

Verstärkung der Führungsunterstützung und der Logistik;

­

Instandstellungsarbeiten sowie

­

Einsätze zu Gunsten der Gemeinschaft.

Die Einsatzleitung oder das Führungsorgan können je nach Situation und verfügbarer Zeit Schutzmassnahmen anordnen. Bei Katastrophen und in Notlagen sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts kann die Behörde die Bereitstellung und den Bezug von Schutzräumen sowie lageabhängig den Aufenthalt in den Schutzräumen anordnen. Die Anordnung der Massnahmen erfolgt in Verbindung mit der Verbreitung von Verhaltensanweisungen.

Die Betreuung hat zum Ziel, Schutz suchende und obdachlose Personen aufzunehmen und für sie zu sorgen. Dazu stehen öffentliche und private Gebäude oder Räumlichkeiten, Schutzräume und Schutzanlagen oder Teile der Infrastruktur der Armee zur Verfügung.

Der Bund schafft die Rahmenbedingungen für den Schutz der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung. Im Fall eines bewaffneten Konflikts ordnet er Schutzmassnahmen im Sinne des Haager Abkommens an. Die Kantone treffen nach Vorgaben des Bundes sowie in Zusammenarbeit mit kulturellen Institutionen und mit Privaten die notwendigen Massnahmen.

Der Zivilschutz unterstützt nötigenfalls die anderen Partnerorganisationen. Er kann insbesondere für die Leistung von Langzeiteinsätzen (Tage bis Wochen) selbstständig oder im Verbund mit anderen Partnerorganisationen eingesetzt werden.

Zur Verstärkung der Führungsunterstützung sowie der Wasseralarmorganisation können Angehörige des Zivilschutzes beigezogen werden. Der Zivilschutz erbringt bei Bedarf logistische Leistungen für die anderen Partnerorganisationen. Im Rahmen der Führungsunterstützung ist er für die logistische Koordination verantwortlich.

Zur Abwendung von Folgeschäden muss vor allem bei naturbedingten Ereignissen, z.B. bei Überschwemmungen, Sturmschäden oder Lawinen, eine rasche Instand1764

stellung erfolgen. Dazu gehören Sicherungs- und Aufräumarbeiten. Diese dauern in der Regel Tage bis Wochen.

Der Zivilschutz kann nach Entscheid der Behörden für Leistungen zu Gunsten der Gemeinschaft (z.B. Grossveranstaltungen) eingesetzt werden.

Der Bund schafft rechtliche Grundlagen für den Zivilschutz und erlässt Vorgaben im Rahmen seiner Zuständigkeiten, insbesondere bezüglich Rekrutierung und Personal.

Die Kantone sind für die Umsetzung der Vorgaben des Bundes und für die Organisation des Zivilschutzes verantwortlich.

Die Organisation des Zivilschutzes richtet sich nach der Gefährdungsanalyse sowie nach topografischen Gegebenheiten und Strukturen in einem Kanton, einer Gemeinde oder einer Region. Die Organisation kann unterschiedlich sein. Grundsätzlich, insbesondere für die Ausbildung, wird von folgendem Organisationsmodell ausgegangen:

Organisationsmodell Abbildung 7

1765

6

Koordination und Zusammenarbeit

6.1

Forschung und Entwicklung (angewandte Forschung)

Die stetige Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung kann mit gezielter Forschung und Entwicklung gefördert werden. Dabei geht es primär darum, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse verfügbar zu machen und komplexe Zusammenhänge zu klären.

Die Forschung und Entwicklung ist grundsätzlich auf alle Aufgabenbereiche des Bevölkerungsschutzes ausgerichtet. Sie umfasst insbesondere: ­

Konkretisierung, periodische Überprüfung und Aktualisierung der Gefährdungsannahmen und Risikopotenziale;

­

Erweiterung und Vertiefung von Erkenntnissen über das gesellschaftliche Risikoverhalten gegenüber Katastrophen;

­

Verbesserung der Methoden für die Massnahmenplanung;

­

Bereitstellung von Grundlagen für die Optimierung der Aufgabenerfüllung;

­

Auswertung von Ereignissen hinsichtlich Vorbereitung und Ereignisbewältigung sowie

­

Austausch von Informationen und Zusammenarbeit im Rahmen internationaler Forschungstätigkeiten.

Die Forschung und Entwicklung soll zwischen den kantonalen Vertretern der Partnerorganisationen koordiniert und interdisziplinär betrieben werden. Forschung ist eine langfristige Aufgabe und braucht einen mehrjährigen Planungshorizont, um Kontinuität und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Die Forschung und Entwicklung wird vom Bund geleitet und finanziert. Der Bund betreibt dazu eine Forschungsorganisation. Die Kantone sind darin vertreten. Es können Forschungsaufträge an Hochschulen oder Unternehmen der Privatwirtschaft erteilt werden.

6.2

Primär im Bereich der Prävention tätige Institutionen

Das Verbundsystem Bevölkerungsschutz ist in erster Linie auf Vorsorge, Einsatz im Ereignisfall und Instandstellung ausgerichtet. Primär im Bereich der Prävention tätige Institutionen sind nicht direkt in das Verbundsystem eingebunden. Dies betrifft z.B. die Eidgenössische Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL) mit dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung, verschiedene Institutionen im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), das Bundesamt für Gesundheit und das Bundesamt für Veterinärwesen.

Der Einbezug dieser Institutionen ist durch eine enge Zusammenarbeit und Koordination, vor allem auf nationaler und kantonaler Ebene, sicherzustellen. Im Bereich der Alarmierung der Bevölkerung und der Verbreitung von Verhaltensanweisungen wird diese engere Verknüpfung beispielsweise dadurch angestrebt, dass nur noch ei-

1766

ne einzige Verordnung über die Alarmierung geschaffen werden soll, welche möglichst alle Fälle von nationaler, kantonaler und regionaler Bedeutung abdeckt.

6.3

Koordinierte Bereiche

Bei den koordinierten Bereichen geht es primär um Planung und Vorbereitung, damit die gemeinsame Erfüllung ziviler und militärischer Aufgaben der Kantone und des Bundes bestmöglich gewährleistet werden kann.

Bestimmte Koordinationsorgane sind im bisherigen Sinn nicht mehr notwendig, weil einerseits Aufgabenbereiche durch Verwaltungsstellen umfassend abgedeckt werden und anderseits die Armee wie auch der Bevölkerungsschutz im Einsatzfall weniger Ressourcen beanspruchen, als dies früher der Fall gewesen ist.

Die folgenden koordinierten Dienste werden aufgehoben (in alphabetischer Reihenfolge): Ausbildung, Grundlagenstudien, Information, Schutz von Bauten gegen Waffenwirkungen, Seelsorge, Versorgung, Veterinärdienst. Die Koordinationsaufgaben in diesen Bereichen werden in Zukunft durch die dafür zuständigen Verwaltungseinheiten in eigener Kompetenz wahrgenommen.

Als koordinierte Bereiche werden weitergeführt oder neu aufgebaut (in alphabetischer Reihenfolge): ABC-Schutz, Sachbereich Lage (neu), Lawinendienst, Requisition, Sanitätsdienst, Telematik (Übermittlung), Verkehr und Transporte, Wetterdienst.

6.4

Wirtschaftliche Landesversorgung

Das Schwergewicht der Tätigkeit der wirtschaftlichen Landesversorgung liegt in Zeiten ungestörter Versorgung insbesondere bei der Sicherstellung einer angemessenen Vorratshaltung und wichtiger Dienstleistungen sowie bei der Vorbereitung von Bewirtschaftungsmassnahmen. Bei Versorgungsstörungen kann die wirtschaftliche Landesversorgung mit verschiedenen Massnahmen eingreifen, z.B. mit der Nutzung der Pflichtlager, durch Importförderung oder notfalls durch Einschränkung des Konsums. Sie arbeitet dabei mit dem Bevölkerungsschutz und der Armee zusammen.

6.5

Subsidiäre Unterstützung durch die Armee

Die Armee leistet Beiträge zur Vorbeugung und Bewältigung existenzieller Gefahren. Als Grundsatz gilt, dass militärische Hilfe durch die zivilen Behörden erst angefordert wird, wenn die Mittel des Bevölkerungsschutzes im regionalen und kantonalen Verbund ausgeschöpft oder die erforderlichen Mittel nicht vorhanden sind (ausgenommen Spontanhilfe). Dies bedeutet, dass bei der Antragstellung und beim Entscheid für den Einsatz von Mitteln der Armee der Grundsatz der Subsidiarität konsequent anzuwenden ist.

Die Gesamtverantwortung liegt bei den zivilen Behörden. Die Truppenkommandanten tragen die militärische Führungsverantwortung. Die Einsatzgrundsätze wer-

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den von den zivilen und den militärischen Verantwortungsträgern gemeinsam festgelegt.

Die zivilen Behörden rechnen mit der subsidiären Unterstützung durch die Armee in drei Bereichen. Die betreffenden qualitativen und quantitativen Begehren bzw.

Möglichkeiten sind im Armeeleitbild konkretisiert.

Bei den subsidiären Sicherungseinsätzen (bewaffnet) geht es um Bewachungs- und Überwachungsaufgaben. Es sind dies vor allem: ­

Schutz der Landesgrenze;

­

Schutz wichtiger Persönlichkeiten;

­

Schutz internationaler Konferenzen und Veranstaltungen;

­

Schutz wichtiger Objekte sowie

­

Einsätze zur Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit.

Die Armee unterstützt die zivilen Behörden bei der Bewältigung natur- und zivilsationsbedingter Katastrophen im Inland, indem sie: ­

zivilen Partnern permanent militärisches Katastrophenhilfematerial zur Nutzung ausserhalb der Dienstleistungen der Truppe überlässt (präventive Unterstützung);

­

weiteres besonderes Katastrophenhilfematerial in dezentralen Materiallagern «auf Abruf» zur Verfügung stellt (Verwaltungsspontanhilfe);

­

nach einem Ereignis rasch mit den sich in der Nähe des Ereignisortes befindenden Truppen zeitlich und räumlich begrenzte Spontanhilfe leistet;

­

auf Begehren ziviler Behörden durch den Einsatz von spezialisierten Katastrophenhilfeformationen (modular gestaffelt) eigentliche militärische Katastrophenhilfe leistet.

Die Armee leistet nötigenfalls allgemeine Unterstützungseinsätze. Typische Beispiele sind Strassen- und Lufttransporte sowie Geniearbeiten; die Armee bestimmt selber, welche Mittel sie dafür einsetzt. Sie leistet keine Einsätze mehr zur Unterstützung der Behörden und privater Organisationen im Betreuungsbereich. Vorbehalten bleibt der Einsatz von Armeemitteln im Falle einer massiven Zuwanderung von Asylsuchenden; die Armee verfügt jedoch hierfür über keine Spezialformationen mehr. In anderen Bereichen wie Gesundheitswesen, A- und C-Schutz und Telematik leistet die Armee subsidiäre Hilfe mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln.

6.6

Internationale Zusammenarbeit

Die Schweiz weist ein ähnliches Gefährdungsspektrum auf wie die umliegenden Staaten. Für den Bevölkerungsschutz gilt es einerseits, die internationale Kooperation im Bereich der Forschung sowie der Ereignis- und Einsatzauswertung zu nutzen und anderseits Beiträge zur internationalen Solidarität und weiteren Konsolidierung der sicherheitspolitischen Lage in Europa zu leisten. Die Möglichkeit zur internationalen Zusammenarbeit bietet sich insbesondere im Kulturgüterschutz, zumal eine

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solche im 1999 von der Schweiz unterzeichneten zweiten Protokoll zur Haager Konvention explizit gefordert wird.

Im grenznahen Ausland können die Kantone und Gemeinden mit den Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes, gestützt auf die vorhandenen bilateralen Abkommen, Katastrophenhilfe leisten. Angehörige der Partnerorganisationen können sich im Rahmen des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps bzw. der Rettungskette Schweiz freiwillig zur internationalen Hilfeleistung verpflichten. Schliesslich wirken Angehörige des Bevölkerungsschutzes im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden und im Bereich des Kulturgüterschutzes auch an Anlässen zur internationalen Katastrophenvorsorge mit.

7

Personelles

7.1

Grundsätze

Bei Beginn der Umsetzung des Bevölkerungsschutzes im Jahr 2003 ist nur ein Dienstpflichtsystem im Rahmen der geltenden Bundesverfassung möglich. Die zur Zeit bestehenden Dienstpflichten werden beibehalten. Die nationale Dienstpflicht wird entweder in der Armee (Militärdienstpflicht) oder im Zivilschutz (Schutzdienstpflicht), im Ausnahmefall im Zivildienst (Zivildienstpflicht) geleistet. Auf kantonaler Ebene bestehen die Feuerwehrdienstpflicht sowie andere kantonale Dienstpflichten. Auf die Schutzdienstpflicht nach erfüllter Militär- oder Zivildienstpflicht wird in Zukunft verzichtet. Sobald sich die Zusammenarbeit im Bevölkerungsschutz eingespielt hat, muss die heute noch vorhandene Pendenz eines umfassenden Dienstpflichtsystems angegangen werden.

Zur Sicherstellung von Dienstleistungen im Gesundheitswesen bei Katastrophen und in Notlagen sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts sind kantonale Rechtsgrundlagen zu schaffen oder arbeitsrechtliche Vereinbarungen zu treffen.

Der Einsatz des Berufspersonals aller Partnerorganisationen erfolgt auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Bestimmungen.

Frauen und Männer haben im Bevölkerungsschutz grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten. Frauen können sämtliche Funktionen ausüben. Die Mehrheit der Kantone hat die Feuerwehrdienstpflicht für Frauen eingeführt. Im Zivilschutz können Frauen die Schutzdienstpflicht freiwillig übernehmen.

7.2

Zivilschutz

Der vorgesehene Personalbestand des Zivilschutzes für die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen beträgt gesamtschweizerisch rund 105 000 Personen. Hinzu kommen rund 15 000 Schutzdienstpflichtige, welche zu Gunsten der anderen Partnerorganisationen vorzeitig aus der Schutzdienstpflicht entlassen werden. Insgesamt beläuft sich der Personalbestand somit auf rund 120 000 Personen.

Für den Zivilschutz werden pro Jahr rund 6000 Schutzdienstpflichtige rekrutiert.

Die Schutzdienstpflicht dauert vom 20. bis zum 40. Altersjahr.

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Die Rekrutierung der Militär- und der Schutzdienstpflichtigen erfolgt gemeinsam.

Das Verfahren umfasst die Information der Stellungspflichtigen, den Orientierungstag und die eigentliche Rekrutierung. Bei der Zuteilung besteht keine Wahlfreiheit; die Armee hat Vorrang. Eignung und Neigung der Dienstpflichtigen sollen nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Für den Zivilschutz werden drei Grundfunktionen rekrutiert: Stabsassistent, Betreuer und Pionier. Im Interesse einer optimalen Funktionszuweisung werden die Anforderungsprofile neu festgelegt. Die Federführung bei der Rekrutierung liegt bei der Armee. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen wird durch eine Koordinationsstelle gewährleistet.

Die freiwillige Übernahme der Schutzdienstpflicht ist möglich. Die Schutzdienstpflicht kann durch Frauen sowie in der Schweiz niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer ab dem 20. Altersjahr und durch ehemalige Militär-, Zivil- oder Schutzdienstpflichtige übernommen werden. Personen, welche die Schutzdienstpflicht freiwillig übernehmen, sind in Rechten und Pflichten den Schutzdienstpflichtigen gleichgestellt.

Die Schutzdienstpflichtigen stehen ihrem Wohnsitzkanton zur Verfügung. Die Personalbewirtschaftung und -kontrolle ist Sache der Kantone. Sie können Schutzdienstpflichtige der Personalreserve zuteilen.

Die vorzeitige Entlassung aus der Schutzdienstpflicht ist Sache der Kantone und dient ­ unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Zivilschutzes ­ zur Vermeidung von personellen Engpässen beim Berufspersonal aller Partnerorganisationen sowie bei nebenberuflichen Angehörigen der Führungsorgane und der Feuerwehr.

Mitglieder der Exekutiven des Bundes und der Kantone, des Eidgenössischen Parlaments und des Bundesgerichts sowie die hauptamtlichen Mitglieder von kantonalen Gerichten und kommunalen Exekutiven werden von Amtes wegen aus der Schutzdienstpflicht entlassen.

Das für den Fall eines bewaffneten Konflikts zusätzlich benötigte Personal des Zivilschutzes wird erst nach einem Entscheid zum Aufwuchs rekrutiert. Der Umfang der personellen Aufstockung wird durch den Bund im Einvernehmen mit den Kantonen festgelegt. Es kann von einer Erhöhung des Bestandes auf maximal 200 000 Personen ausgegangen werden. Zur Deckung des zusätzlichen Personalbedarfs kann der Bund primär das Dienstpflichtalter für Schutzdienstpflichtige erhöhen.

7.3

Feuerwehr

Die Rekrutierung der Angehörigen der Feuerwehr ist kantonal geregelt. Die Feuerwehr partizipiert nicht am Rekrutierungspotenzial von Armee und Zivilschutz. Sie rekrutiert ihre Angehörigen in der Regel erst ab dem 25. Altersjahr.

Der vorgesehene Personalbestand der Feuerwehr beträgt gesamtschweizerisch rund 110 000 Personen. Ein Teil davon kann nach Weisungen der Kantone mit vorzeitig aus der Schutzdienstpflicht entlassenen Personen gedeckt werden.

Der zusätzliche Personalbedarf der Feuerwehr für den Fall eines bewaffneten Konflikts wird primär durch die Wiedereingliederung ehemaliger Angehöriger der Feuerwehr und durch den Einbezug von Freiwilligen gedeckt.

1770

8

Ausbildung

8.1

Grundsätze

Die Ausbildung im Bevölkerungsschutz wird primär auf die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen ausgerichtet. Sie muss einsatzbezogen sein und die Synergien zwischen den Partnerorganisationen sowie zur Armee nutzen.

Um Doppelspurigkeiten in der Ausbildung zu vermeiden, soll diejenige Partnerorganisation oder Institution eine Ausbildung anbieten, welche über das grösste fachtechnische Wissen, die grösste Einsatzerfahrung und eine zweckmässige Ausbildungsinfrastruktur verfügt.

Die Ausbildungsverantwortung für den Bevölkerungsschutz liegt grundsätzlich bei den Kantonen.

8.2

Ausbildung der Führungsorgane

Damit die Mitglieder der Führungsorgane ihre verantwortungsvollen Aufgaben in der Planung, in der Vorbereitung sowie im Ereignisfall ohne Verzug ausführen können, sind sie entsprechend aus- und weiterzubilden.

In der Grundausbildung sind die Mitglieder der Führungsorgane stufengerecht auf ihre Funktionen vorzubereiten. Sie müssen die möglichen Gefährdungen und Risiken, die Aufgaben der Führungsorgane sowie die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Partnerorganisationen kennen. Zudem sind sie in der Stabsarbeit zu schulen und mit der dazu notwendigen Führungsinfrastruktur vertraut zu machen.

In der Weiterbildung werden einerseits das in der Grundausbildung vermittelte Wissen erneuert, ergänzt und vertieft und anderseits die Einsatzbereitschaft der Führungsorgane periodisch überprüft. In Form von Übungen können die Mitglieder der Führungsorgane zudem auf mögliche Ereignisse vorbereitet werden.

8.3

Ausbildung in den Partnerorganisationen

Jede Partnerorganisation organisiert ihre fachspezifische Ausbildung selbstständig.

Soweit möglich und zweckmässig sind für ausgewählte Themen auch Spezialisten bzw. Spezialistinnen aus anderen Partnerorganisationen oder Institutionen beizuziehen. Ausbildungs- und Einsatzerfahrung aus anderen Partnerorganisationen sind gegenseitig zu berücksichtigen.

Die Ausbildung der Polizeikorps erfolgt in kantonalen und städtischen Ausbildungszentren sowie am schweizerischen Polizeiinstitut.

Die Ausbildung in der Feuerwehr ist kantonal geregelt. Sie wird durch die Regierungskonferenz für die Koordination des Feuerwehrwesens (RKKF) in Absprache mit den kantonalen Feuerwehrinstanzen koordiniert.

Die Ausbildung im Gesundheitswesen ist grundsätzlich kantonal geregelt. Die zuständigen Stellen definieren fachliche Ausbildungsstandards für das Berufs- und Laienpersonal, welches eine sanitätsdienstliche Fachfunktion erfüllt. Die Ausbildung von nicht beruflich qualifizierten Personen wird so gestaltet, dass ein vielseiti1771

ger Einsatz möglich ist. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Roten Kreuz und mit dem Schweizerischen Samariterbund ist anzustreben.

Die Ausbildung der Angehörigen der technischen Betriebe erfolgt nach ihren eigenen Bedürfnissen.

8.4

Ausbildung im Zivilschutz

Mit der Neuausrichtung des Zivilschutzes wird die Ausbildung der Schutzdienstpflichtigen angepasst und zum Teil neu konzipiert. Die Ausbildungsinhalte orientieren sich an den Aufgaben des Zivilschutzes bei der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen und damit nicht mehr an den Erfordernissen des bewaffneten Konflikts. Diese werden nach einem Entscheid zum Aufwuchs durch eine erweiterte Ausbildung sichergestellt.

In Abstimmung mit den zukünftigen Aufgaben des Zivilschutzes und um einen möglichst polyvalenten Einsatz der Schutzdienstpflichtigen zu ermöglichen, sieht das neue Ausbildungskonzept drei Grundfunktionen vor: ­

Stabsassistent (für den Bereich Führungsunterstützung);

­

Betreuer (für den Bereich Schutz und Betreuung);

­

Pionier (für den Bereich Unterstützung).

Übersicht über Rekrutierung und Grundausbildung im Zivilschutz Abbildung 8

Nach erfolgter Rekrutierung, welche auf den Anforderungsprofilen der drei Grundfunktionen basiert, haben die Schutzdienstpflichtigen eine Grundausbildung zu absolvieren. Sie besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Ausbildungssequenzen: ­

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In der allgemeinen Grundausbildung (AGA) wird allen Schutzdienstpflichtigen das nötige, den Grundfunktionen übergeordnete Grundwissen vermittelt.

­

In der funktionsbezogenen Grundausbildung (FGA) steht die einsatzbezogene fachtechnische Ausbildung, getrennt nach den drei Grundfunktionen, im Zentrum.

Die einzelnen Schutzdienstpflichtigen werden ein gegenüber heute wesentlich breiteres Aufgabenspektrum abzudecken haben. Deshalb wird die Grundausbildung massvoll verlängert.

Mit einer Zusatzausbildung (ZA) kann das Grundwissen von ausgewählten Schutzdienstpflichtigen für Spezialaufgaben (z.B. Telefonzentralen-Bedienung, Anlageund Materialwartung) ergänzt werden. Die Zusatzausbildung kann im Anschluss an die allgemeine und funktionsbezogene Grundausbildung oder später erfolgen.

Für die Übernahme jeder Kaderfunktion ist eine entsprechende Kaderausbildung zum Gruppen- oder Zugführer, zum Chef eines Sachbereichs der Führungsunterstützung oder zum Zivilschutzkommandanten zu absolvieren. Die verschiedenen Kader sind für die Führung, die Ausbildung und die Einsatzfähigkeit ihrer jeweiligen Formationen verantwortlich. Die Ausbildung ist auf diese Anforderungen ausgerichtet und soll die Fachkompetenz entsprechend erhöhen.

Die Kader und Spezialisten des Zivilschutzes haben periodisch Weiterbildungen zu absolvieren. Damit soll sichergestellt werden, dass Neuerungen rasch umgesetzt werden können.

Mit den jährlich stattfindenden Wiederholungskursen werden die Schutzdienstpflichtigen befähigt, ihre Aufgaben jederzeit zu erfüllen. Die Kader haben für ihre anspruchsvollen Führungs- und Ausbildungsaufgaben zusätzliche Dienstleistungen zu erbringen. Wiederholungskurse dienen in erster Linie dazu, die Einsatzbereitschaft der Zivilschutzformationen sowie der Kader zu überprüfen, zu ergänzen und zu festigen. Sie ermöglichen dem Kader zudem, die notwendigen Führungserfahrungen zu sammeln. Wiederholungskurse können auch für Übungen im Verbund mit den anderen Partnerorganisationen benutzt werden.

8.5

Unterstützung durch den Bund

Der Bund kann die Durchführung von Aus- und Weiterbildungen mit den Kantonen vereinbaren, die im Zuständigkeitsbereich der Kantone liegen. Dabei stehen vor allem Ausbildungen im Vordergrund, die hauptamtliches Lehrpersonal mit besonderen Fachkenntnissen oder eine aufwändige Ausbildungsinfrastruktur erfordern oder deren Durchführung auf Stufe Bund wirtschaftlicher erfolgen kann.

Damit im Ereignisfall die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Führungsstufen gewährleistet ist, unterstützt der Bund die Kantone bei der Ausbildung der Führungsorgane und bietet für die kantonalen Führungsorgane periodische Weiterbildungen an.

Der Bund kann besondere Aus- und Weiterbildungen anbieten.

Der Bund legt in Absprache mit den Kantonen den gemeinsamen Ausbildungsrahmen fest und schafft die Grundlagen für eine einheitliche Ausbildung. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bildet der Bund die Zivilschutzkommandanten und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter, die Kader und bestimmte Spezialisten der

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Führungsunterstützung sowie des Kulturgüterschutzes aus. Er kann auf Ersuchen der Kantone Aus- und Weiterbildungen durchführen.

Der Bund stellt die Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals für die Führungsorgane und für den Zivilschutz sicher. Auf Grund der sich rasch ändernden Verhältnisse sind eine umfassende Grundausbildung und eine periodische Weiterbildung notwendig, damit das Lehrpersonal die hohen Anforderungen erfüllen kann. Damit Synergien genutzt werden können, ermöglicht der Bund dem Lehrpersonal der anderen Partnerorganisationen die Teilnahme an den Ausbildungsangeboten.

Bei der Komplexität der heutigen Gefährdungen und Risiken ist eine effiziente Ausbildung ohne moderne Ausbildungs-, Informations- und Kommunikationstechnologie nicht mehr denkbar. Die Beschaffung und der Unterhalt solcher Technologien übersteigen die Möglichkeiten der einzelnen Kantone. Der Bund betreibt deshalb eine zeitgemässe Ausbildungsinfrastruktur.

9

Material sowie Alarmierungs- und Telematiksysteme

Grundsätzlich sind die Kantone für die Materialbeschaffung zuständig. Das Material wird primär für die Bewältigung von Alltagsereignissen und im Hinblick auf den Einsatz bei Katastrophen und in Notlagen beschafft. Die Synergien zwischen den Partnerorganisationen sollen genutzt werden.

Für Material, welches zusätzlich für besondere Katastrophen und Notlagen im Verantwortungsbereich des Bundes und für den Fall eines bewaffneten Konflikts benötigt wird, liegen die Zuständigkeit und die Finanzierung beim Bund. Dies betrifft insbesondere die Systeme zur Alarmierung der Bevölkerung, die Telematiksysteme des Zivilschutzes, die Ausrüstung und das Material der Schutzanlagen sowie das standardisierte Material des Zivilschutzes (A- und C-Schutzmaterial). Die Kompatibilität zu Ausrüstungen der anderen Partnerorganisationen ist zu gewährleisten.

Der Bund legt die Anforderungen an die Systeme zur Alarmierung der Bevölkerung fest. Die bestehenden Sirenenanlagen (inkl. diejenigen der Kernkraftwerke und für den Wasseralarm) und ihre Fernsteuerungen sind auf den neusten technischen Stand zu bringen sowie flächendeckend zentral auslösbar und betriebsbereit zu halten. Der Bund trägt die Kosten für die Erstellung und die Erneuerung dieser Systeme. Für die Planung und die Ausführung sind die Kantone zuständig. Betrieb und Unterhalt sind Sache der Gemeinden oder der Betreiber bzw. Betreiberinnen.

Das für den Bevölkerungsschutz notwendige Material ist bei den Formationen der Partnerorganisationen zum grossen Teil vorhanden und kann durch Ressourcen Dritter ergänzt werden. Die Werterhaltung des Materials der Formationen obliegt den Partnerorganisationen. Für die subsidiäre Unterstützung verfügt die Armee über leistungsfähige Ausrüstungen, die im Bevölkerungsschutz nicht oder nur in ungenügender Anzahl vorhanden sind.

Der Bund kann das Erbringen von Dienstleistungen wie Materialbeschaffungen, die im Zuständigkeitsbereich der Kantone liegen, mit diesen vereinbaren. Dabei ist eine optimale Nutzung von Synergien unter den Partnerorganisationen und mit der Armee anzustreben.

1774

10

Schutzbauten

10.1

Grundsätze

Ein bewaffneter Konflikt mit direkten Auswirkungen auf die Schweiz ist zur Zeit nur mit einer Vorwarnzeit von mehreren Jahren denkbar. Kurzfristig leitet sich daher kein zwingender Bedarf für die heute vorhandenen Schutzbauten ab. Nach wie vor ist aber weltweit ein grosses Potenzial an ballistischen Fernwaffen mit und ohne Massenvernichtungsmittel vorhanden. Der Einsatz solcher Waffen gegen die Schweiz wird aus heutiger Sicht als wenig wahrscheinlich beurteilt, kann aber auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Im Fall eines bewaffneten Konflikts ist ausserdem mit massivem und allenfalls länger anhaltendem Feuereinsatz zu rechnen.

Da kein alternatives Schutzkonzept besteht, dürfen aus langfristiger Sicht die bestehenden Schutzbauten nicht aufgegeben werden. Der Zeitbedarf für deren Erstellung im Fall eines sich abzeichnenden bewaffneten Konflikts würde deutlich über der heute angenommenen mehrjährigen Vorwarnzeit liegen. Die Schutzbauten haben eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten und erfordern nur geringen Werterhaltungsaufwand. Es lohnt sich deshalb, sie zu erhalten.

Die bestehenden Schutzbauten des Zivilschutzes sind grundsätzlich zu erhalten. Für den Fall eines bewaffneten Konflikts soll zur Wahrung der Chancengleichheit jeder Einwohnerin und jedem Einwohner ein Schutzplatz in der Nähe des Wohnorts zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen die Schutzbauten auch bei Katastrophen und in Notlagen, z.B. im Fall erhöhter Radioaktivität, eines Erdbebens oder akuter Lawinengefahr, als Notunterkünfte genutzt werden können.

Die Schutzbauten sind primär für den Schutz der Bevölkerung und für die Sicherstellung der Bereitschaft der Mittel des Bevölkerungsschutzes im Fall eines bewaffneten Konflikts, insbesondere mit Massenvernichtungswaffen, konzipiert worden.

Sie gewähren einen Basisschutz gegen ein breites Spektrum direkter und indirekter Waffeneinwirkungen. Der bisherige Schutzgrad und Schutzumfang werden nicht geändert.

Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gefährdungen und ihrer Vorwarnzeiten kann die Betriebsbereitschaft der Schutzbauten differenziert auf ein angemessenes Mass gesenkt werden. Dadurch können Betriebs- und Unterhaltskosten eingespart werden.

10.2

Schutzräume

Gesamtschweizerisch besteht zwar ein grosses Schutzplatzangebot, doch sind örtlich noch Lücken vorhanden. Zur Wahrung der Chancengleichheit sollen die bestehenden sowie bei einem Bevölkerungszuwachs auftretende Lücken durch neu zu erstellende Schutzräume geschlossen werden.

An der Baupflicht von Schutzräumen wird daher festgehalten. Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer haben beim Bau von Wohnhäusern Schutzräume zu erstellen, auszurüsten und zu unterhalten. In Gebieten, in denen zu wenig Schutzplätze vorhanden sind, haben die Gemeinden Schutzräume zu erstellen und auszurüsten.

Die Kantone steuern den Schutzraumbau nach Vorgaben des Bundes. Sie regeln den Vollzug der Baupflicht und legen die Höhe der Ersatzbeiträge nach Vorgaben des 1775

Bundes fest. Wird kein Schutzraum erstellt oder ist der Schutzplatzbedarf im Beurteilungsgebiet gedeckt, hat die Hauseigentümerin oder der Hauseigentümer einen Ersatzbeitrag zu entrichten. Die Ersatzbeiträge dienen in erster Linie der Finanzierung der Schutzräume. Mit ihnen kann ein grosser Teil der anfallenden Kosten für die Erstellung und die Werterhaltung der Schutzräume finanziert werden.

Neue Schutzräume werden ausgerüstet. Die Nachrüstung der bestehenden Schutzräume erfolgt während der Aufwuchszeit.

Die Kantone können Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Besitzerinnen und Besitzer von unbeweglichen und beweglichen Kulturgütern verpflichten, Massnahmen zu deren Schutz zu treffen oder zu dulden.

10.3

Schutzanlagen

Schutzanlagen umfassen Kommandoposten, Bereitstellungsanlagen, geschützte Sanitätsstellen und geschützte Spitäler.

Mit den Schutzanlagen können primär die Führungsfähigkeit und die Bereitschaft der Mittel des Bevölkerungsschutzes sichergestellt werden. Die Kommandoposten dienen der Führung und der Führungsunterstützung. Die Bereitstellungsanlagen stehen für das Personal und für einen Teil des Materials der Formationen der Partnerorganisationen zur Verfügung.

Für die sanitätsdienstlichen Schutzanlagen legt der Bund die Rahmenbedingungen fest. Die Kantone sind verpflichtet, für mindestens 0,6 Prozent der Bevölkerung Patientenplätze und Behandlungsmöglichkeiten in geschützten Spitälern (in Verbindung mit einem Akutspital) und in geschützten Sanitätsstellen (nicht direkt mit einem Akutspital in Verbindung) bereitzustellen. Falls die Kantone und die Trägerschaften der sanitätsdienstlichen Schutzanlagen einen höheren Bedarf ermitteln, können die finanziellen Leistungen des Bundes im baulichen und materiellen Bereich bis auf höchstens 0,8 Prozent der Bevölkerung ausgedehnt werden.

Die bisherigen Sanitätsposten werden neu als Schutzräume für pflegebedürftige Personen genutzt. Werden durch die Regionalisierung und den Bestandesabbau des Zivilschutzes andere Schutzanlagen überzählig, sind diese je nach Bedarf einer anderen Nutzung, z.B. als Personen- oder Kulturgüterschutzräume, zuzuführen.

Für Ausbildungszwecke und für die Nutzung bei Katastrophen und in Notlagen soll nur noch eine begrenzte Anzahl von Schutzanlagen zur sofortigen Inbetriebnahme bereitgehalten werden. Die übrigen Schutzanlagen sind in ihrer Funktion zu erhalten, aber in eine reduzierte Betriebsbereitschaft zu versetzen. Die Regelungen zur Bereitschaft werden durch den Bund erlassen.

10.4

Zuständigkeiten und Kostentragung

Der Bund erlässt Vorgaben für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des gesamten Systems der Schutzbauten. Die Kantone setzen die Vorgaben mit Unterstützung des Bundes um.

1776

Die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer tragen die Kosten für die Erstellung, die Ausrüstung und den Unterhalt der Schutzräume. Die Gemeinden tragen die Kosten für die Erstellung, die Ausrüstung und den Unterhalt ihrer Schutzräume. Die Kantone regeln die Finanzierung der periodischen Schutzraumkontrolle. Die Ersatzbeiträge stehen dafür zur Verfügung.

Der Bund regelt die Erstellung, die Ausrüstung, den Unterhalt, die Erneuerung und die Umnutzung der Schutzanlagen. Die Kantone legen nach Vorgaben des Bundes den Bedarf an Schutzanlagen fest. Die Gemeinden sind nach Vorgaben des Bundes und der Kantone zuständig für die Erstellung, die Ausrüstung, die Erneuerung und die Umnutzung der Kommandoposten, Bereitstellungsanlagen und geschützten Sanitätsstellen. Für die Erstellung, die Ausrüstung, den Unterhalt, die Erneuerung und die Umnutzung der geschützten Spitäler sind die Spitalträgerschaften nach Vorgaben des Bundes zuständig.

Die Eigentümer von Stauanlagen erstellen und unterhalten die zum Wasseralarmsystem gehörenden baulichen Einrichtungen.

1777

Zuständigkeiten und Kostentragung für Schutzbauten

1

Hauseigentümer/in

Schutzräume der Gemeinden

Gemeinde, im Auftrag des Kantons

Gemeinde, evtl.

Kanton ­

Kontrolle Bund1)

Kanton

Gemeinde Bund1, Kanton und Gemeinde

Hauseigentümer/in Bund1)

Kanton, im Auftrag des Bundes

Kommandoposten Bereitstellungsanlagen Sanitätsstellen Geschützte Spitäler

Bund

Sanitätsposten (in Funktion als Patientenschutzräume) Kulturgüterschutzräume

Gemeinde, evtl.

Kanton Gemeinde, evtl.

Kanton ­

Gemeinde

Hauseigentümer/in

Gemeinde bzw. Kanton

Unterhalt

Hauseigentümer/in

Erneuerung

Erstellung

Private Schutzräume

Planung

Realisierung

Kostentragung

Bund und Kanton

Schutzanlagen

Schutzräume

Konzeption und Vorgaben

Tabelle 1

Der Bund beteiligt sich nicht an den Landerwerbskosten, Entschädigungen für die von öffentlichem und privatem Grund, kantonalen und kommunalen Gebühren. Die ordentlichen Unterhaltskosten werden von den Kantonen und Gemeinden getragen. Der Bund leistet einen jährlichen Pauschalbeitrag zur Sicherstellung der Betriebsbereitschaft der Schutzanlagen für den Fall eines bewaffneten Konflikts (ausserordentliche Betriebskosten).

11

Finanzierung

11.1

Finanzierung des Bevölkerungsschutzes

Die Schwerpunkte der Ausgaben, welche die Partnerorganisationen für ihre Aufgaben aufwenden, sind unterschiedlich. Die Kosten der Polizei, der Feuerwehr, des Gesundheitswesens und der technischen Betriebe sind weitgehend von den täglichen Aufgaben und der Bewältigung von Alltags- und Grossereignissen bestimmt. Der Kostenanteil, der darüber hinaus zusätzlich für die Bewältigung von Katastrophen, Notlagen, Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle und bewaffnete Konflikte ausgegeben wird, ist gering. Der Zivilschutz richtet sich demgegenüber in erster Linie auf

1778

die Unterstützung bei solchen Ereignissen aus. Seine Dimensionierung und seine Kosten sind entsprechend von diesen Gefährdungen bestimmt.

Schwerpunkte für die Dimensionierung Tabelle 2 Tägliche Aufgaben

Gefährdungen / Ereignisse Alltags- und Grossereignisse

Gesundheitsversorgung, Energieversorgung, Verkehrssicherheit usw.

Brände, Verkehrsunfälle, Elementarereignisse, Chemiestörfälle, Verbrechen, Stromunterbrüche usw.

Für die Dimensionierung und damit für die Kosten der Polizei, der Feuerwehr, des Gesundheitswesens sowie der technischen Betriebe massgebend

Katastrophen und Notlagen

Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle, bewaffnete Konflikte

Epidemien, Tierseuchen, Erdbeben, erhöhte Radioaktivität usw.

Erpressung der Schweiz, kriegerische Ereignisse usw.

Für die Dimensionierung und damit für die Kosten des Zivilschutzes massgebend

An der Art der Finanzierung und an den Kosten von Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen und technischen Betrieben wird sich durch den Bevölkerungsschutz grundsätzlich nichts ändern.

Zu wesentlichen Änderungen bei der Art der Finanzierung kommt es hingegen bei der Partnerorganisation Zivilschutz. Dies betrifft insbesondere die Kostenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Die folgenden Aussagen zu den Finanzen beziehen sich nur darauf.

Der Bund beteiligte sich bisher mit Beiträgen an den Kosten des Zivilschutzes. 1998 haben Bund, Kantone, Gemeinden und Private rund 0,4 Milliarden Franken ausgegeben. Getragen wurden diese Ausgaben zu 20% vom Bund, zu 55% von den Kantonen und Gemeinden sowie zu 25% von Privaten (Schutzräume).

11.2

Finanzierung des Zivilschutzes

Grundsätze Bisher hat sich der Bund, abgestuft nach der Finanzkraft der Kantone, an den Kosten des Zivilschutzes beteiligt. Im Bevölkerungsschutz fällt diese Art der Finanzierung weg. Die Kosten werden künftig von der zuständigen Instanz in vollem Umfang getragen (Zuständigkeitsfinanzierung). Die Kantone tragen grundsätzlich die Kosten für Katastrophen und Notlagen und der Bund für den Fall eines bewaffneten Konflikts, Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle, erhöhte Radioaktivität, Notfälle bei Stauanlagen, Epidemien und Tierseuchen.

1779

Neuorientierung der Finanzierung Abbildung 9

Ausgabenentwicklung des Zivilschutzes in den 90er-Jahren Die sicherheitspolitische Lageveränderung, der hohe Ausbaustand sowie die Umsetzung des Zivilschutzkonzepts 95 mit den damit verbundenen Verzichten, Aufgabenverlagerungen und den Regionalisierungen der Zivilschutzorganisationen haben vor allem beim Bund, aber auch bei Kantonen und Gemeinden in den 90er-Jahren zu einem starken Ausgabenrückgang von insgesamt zirka 50% geführt.

1780

Budgetäre Ausgaben für den Zivilschutz 1991­1998 Abbildung 10

Gesamtprognose für den Zivilschutz Die Neuausrichtung gemäss Bevölkerungsschutzgesetz bringt nicht nur Entlastungen, sondern auch neue Zuständigkeiten. Die Sachausgaben werden gegenüber 1998 um insgesamt ca. 15% zurückgehen. Die weiteren Ausgaben (Personal und Übriges) hängen davon ab, wie weit die Kantone im Vollzug bereits fortgeschritten sind und in welcher Art Kantone und Gemeinden im Rahmen ihres Handlungsspielraums innerhalb ihres Kantons, zwischen den Kantonen oder in Zusammenarbeit mit dem Bund Synergien nutzen.

Neben den Schutzräumen, für die der Bund keine Ausgaben mehr tätigt, liegt die grösste Ausgabenreduktion des Bundes gegenüber 1998 bei der Ausbildung. Auf die Vorbereitung für den Fall eines bewaffneten Konflikts wird in diesem Bereich weitgehend verzichtet. Eine weitere Reduktion ist beim Material möglich, da der heutige Ausrüstungsstand hoch ist. Trotzdem müssen die Werterhaltung sowie Anpassungen an neue technische Entwicklungen beim Material sichergestellt werden. Die Übernahme der Erneuerungs- und teilweise der Unterhaltskosten für die Schutzanlagen sowie der Kosten der Systeme für die Alarmierung der Bevölkerung und der Telematiksysteme für den Zivilschutz stellen ein neues Schwergewicht des Bundes dar und belasten ihn gegenüber 1998 mit Mehrausgaben. Insgesamt werden die Aufgaben des Bundes künftig mit weniger Personal wahrgenommen.

1781

Ausgaben und Entwicklung: Prognose Bund Abbildung 11

Kantone und Gemeinden, die angesichts der absehbaren Neuausrichtung verschiedene Aufgaben zurückgestellt haben, müssen mit Mehrausgaben gegenüber 1998 rechnen. Die Entlastungen beim Schutzraumbau führen bei den Kantonen und Gemeinden zu Ausgabenreduktionen. Mehrausgaben sind dagegen im Bereich des ortsspezifischen Materials für Katastrophen und Notlagen sowie bei der Ausbildung zu erwarten.

Ausgaben und Entwicklung: Prognose Kantone und Gemeinden (Durchschnittswert; nicht auf einzelne Kantone/Gemeinden übertragbar) Abbildung 12

1782

Weitere Kosten des Zivilschutzes Die Investitionen von Privaten in Schutzräume haben sich in den 90er-Jahren halbiert und betrugen 1998 noch rund 100 Mio. Fr. Für die Zukunft kann davon ausgegangen werden, dass weniger Schutzräume gebaut werden und die diesbezüglichen Ausgaben der Privaten nochmals deutlich zurückgehen werden. Diese Reduktion ergibt sich aus der geringeren Anzahl Schutzräume sowie aus den zu entrichtenden, in Zukunft tiefer angesetzten Ersatzbeiträgen. Die Ersatzbeiträge können für die in gewissen Regionen noch notwendige Erstellung sowie für den Unterhalt und die Erneuerung von Schutzräumen eingesetzt werden.

Der Arbeitsausfall der Schutzdienstpflichtigen infolge Dienstleistung wird gemäss der Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigt. Basis bildet eine Grundentschädigung von 65% des durchschnittlichen vordienstlichen Einkommens, maximal 140 Franken pro Tag. Zusätzlich werden Zulagen für Selbstständigerwerbende und Personen mit Unterstützungspflichten ausgerichtet. Die gesamte Entschädigung ist auf 215 Franken pro Diensttag begrenzt. In den Jahren 1996 bis 1998 wurden für rund 600 000 Zivilschutztage pro Jahr von der EO rund 70 Millionen Franken ausbezahlt (ca. 120 Fr. pro Tag). Künftig sind pro Jahr vom Zivilschutz gegen 100 000 Diensttage weniger zu erwarten.

Die Schutzdienstpflichtigen sind während der Dienstzeit durch die Militärversicherung versichert. Daraus entstanden in den letzten Jahren durchschnittliche jährliche Entschädigungskosten für Versicherungsfälle, Invaliden- sowie Hinterlassenenrenten von 6­8 Millionen Franken. Diese Ausgaben verhalten sich in erster Näherung proportional zur Anzahl Diensttage und werden künftig eher abnehmen.

12

Gesetzgebung und Umsetzung

Gesetzgebung Die Rechtsetzung des Bundes über den Bevölkerungsschutz stützt sich auf Artikel 61 der Bundesverfassung vom 18. April 1999.

Wegen des Ausmasses und der Tragweite der Änderungen, insbesondere aus der sich neu ergebenden Aufgaben- und Kostenteilung, ist eine Totalrevision der rechtlichen Grundlagen auf Stufe Bund erforderlich. Sie ersetzt das bisherige Zivilschutzgesetz und das bisherige Schutzbautengesetz.

Die Botschaft und der Entwurf zum neuen Gesetz sollen den eidgenössischen Räten im Frühjahr 2002 zugestellt werden. Dieser Zeitplan erlaubt es, die neue rechtliche Grundordnung im Jahre 2003 in Kraft zu setzen.

Inwieweit sich aus dem Projekt Bevölkerungsschutz ein Handlungsbedarf im Bereich der kantonalen Rechtsetzung ergibt, ist durch die Kantone zu beurteilen. Für die Rechtsetzung der Partnerorganisationen Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen und technische Betriebe sind die Kantone zuständig.

1783

Umsetzung Die Umsetzung des Bevölkerungsschutzes muss so erfolgen, dass die Bereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Partnerorganisationen ohne Unterbruch gewährleistet sind.

Für die Umsetzung bei den Partnerorganisationen sind die Kantone verantwortlich.

Der Bund macht im Rahmen des Bevölkerungsschutzes dort Vorgaben, wo es auf Grund seiner Zuständigkeit notwendig ist.

Die wichtigsten Grundlagen für die Umsetzung sind: ­

die neuen Rechtsgrundlagen des Bundes für den Bevölkerungsschutz;

­

das Leitbild Bevölkerungsschutz;

­

die Konzeption «Feuerwehr 2000 plus»;

­

die Detailregelungen im Zuständigkeitsbereich des Bundes sowie

­

die Ergebnisse aus den Arbeiten in den Umsetzungsbereichen des Projekts Bevölkerungsschutz.

Mit der Umsetzung in den Kantonen kann begonnen werden, sobald das Gesetz genehmigt und das Leitbild zur Kenntnis genommen worden sind. Die Umsetzungsplanung sowie zweckmässigerweise vorwegzunehmende Massnahmen können bereits früher angegangen werden. Vorgezogene Massnahmen sind insbesondere bei der Rekrutierung und in der Ausbildung notwendig. Die Umsetzungsdauer wird vor allem durch den Regionalisierungsstand und den Reformbedarf in den Kantonen beeinflusst.

Nach Abschluss der Umsetzung des Bevölkerungsschutzes werden neue Erkenntnisse fliessend in Weiterentwicklungen übergehen. Für diesen kontinuierlichen Entwicklungsprozess bedarf es der Offenheit und des regelmässigen Erfahrungsaustausches aller im Bevölkerungsschutz eingebundenen Partnerorganisationen.

1784

Anhänge A1 A1.1

Finanzierung des Zivilschutzes Einleitung

Die Daten zur Finanzierung und zu den Ausgaben im Zivilschutz basieren für den Bund auf der Ausgabenstatistik des Bundesamtes für Zivilschutz. Für die Daten der Kantone und Gemeinden sind neben den öffentlichen Finanzstatistiken zusätzlich sechs ausgewählte Kantone analysiert und hochgerechnet worden.

Die durchschnittlich zu erwartenden Ausgaben pro Jahr für die nächsten Jahre wurden im Rahmen der Erarbeitung des Projektes Bevölkerungsschutz geschätzt. Für den Bund sind quantitative Angaben mit einer Bandbreite von +/­ 10 bis 20% mit Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre möglich. Die Prognosen für die Kantone und Gemeinden sind mit grösseren Unsicherheiten behaftet und können von Kanton zu Kanton unterschiedlich sein. Die im Folgenden ausgewiesenen Zahlen sind entsprechend mit einem Streubereich zu verstehen.

A1.2

Aufgabenorientierte Finanzierung und budgetäre Ausgaben

Material sowie Alarmierungs- und Telematiksysteme Bisher beschaffte der Bund standardisiertes Material gemäss einer detaillierten Materialliste. Die künftigen Beschaffungen durch den Bund orientieren sich an den zugewiesenen Zuständigkeiten.

1785

Übersicht über Zuständigkeiten und Ausgaben Tabelle 1 Material, Alarmierungs- und Telematiksysteme

Zuständigkeiten heute B

Standardisiertes Material (A- und C-Schutzmaterial)

X

Anlagegebundenes Material, Material für Ausbildung, Übermittlungsmaterial

X

Telematik-Netze für den Zivilschutz Persönliche Ausrüstung

Ausgaben (Mio. Fr./J)

künftig

Kt/G

B

Kt/G

1998 B

künftig

Kt/G

B

Kt/G

X

2

BB

X

5

X

BB

X

8

X

X

Versorgungsmaterial

X

BB

X

0,5

Transport- und Verkehrsmaterial

X

X

X

0,5

Übriges Material, auf ortsspezifischen Bedarf abgestimmt

X

X

3

Werterhaltung

X

X

3

Total

X

4

23

7

15

11

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; BB: Bundesbeiträge; X: Zuständigkeit; leer: Ausgaben sind nicht in diesem Detaillierungsgrad vorhanden oder es entstehen keine.

Beim Bund werden gegenüber 1998 künftig für Material deutlich tiefere Ausgaben anfallen. Der Ausrüstungsstand des Zivilschutzes ist hoch. Für den Bund sind neben Ersatzbeschaffungen künftig insbesondere gezielte Erneuerungen infolge Anpassungen an die neuen technischen Entwicklungen erforderlich. Diese künftigen Ausgaben sind schwer zu prognostizieren und mit grösseren Unsicherheiten behaftet als andere Prognosen. Die künftigen Ausgaben der Kantone und Gemeinden gemäss den neuen Zuständigkeiten sind noch schwieriger abzuschätzen. Dies hängt stark von den Bedürfnissen der Kantone und Gemeinden sowie der Beschaffungsart ab (zentral oder dezentral). Da die Ausrüstungen auf einem hohen Stand stehen und die Bestände markant reduziert werden, dürften Mehrbelastungen der einzelnen Kantone und Gemeinden in einem bescheidenen Rahmen liegen.

Alarmierung der Bevölkerung Für die Sicherstellung der Alarmierung der Bevölkerung (Sirenenalarmierung) ist künftig der Bund zuständig.

1786

Übersicht über Zuständigkeiten und Ausgaben Tabelle 2 Alarmierungssysteme

Zuständigkeiten heute

Geräte und Sirenen Installation Sirenen und Fernsteuerungen Unterhalt/Betrieb, ohne Person.

Ausgaben (Mio. Fr. /J)

künftig

B

Kt/G

B

X X

BB BB

X X

1998

Kt/G

B

künftig

Kt/G

0.5 0.5

BB

B

Kt/G

5 2

X

1

Total

1

1

1 7

1

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; BB: Bundesbeiträge; X: Zuständigkeit leer: Ausgaben nicht in diesem Detaillierungsgrad vorhanden oder es entstehen keine.

Für den Bund ergeben sich im Bereich der Alarmierung der Bevölkerung Mehrausgaben für die Erneuerung der Alarmierungssysteme. Auch hier können technische Entwicklungen diese Prognose beeinflussen. Kantone und Gemeinden werden entlastet und haben in diesem Bereich nur noch für den Unterhalt und Betrieb zu sorgen.

Schutzräume In Zukunft kann davon ausgegangen werden, dass weniger Schutzräume gebaut werden müssen und die Kosten gegenüber 1998 nochmals zurückgehen werden.

Kantone und Gemeinden können für diese Aufgaben die Ersatzbeiträge verwenden.

Übersicht über die Ausgaben für Schutzräume Tabelle 3 Schutzräume

1998 (Mio. Fr.)

künftig (Mio. Fr./J)

B

Kt/G

EB

Tot

Erstellung Erneuerung Unterhalt/Betrieb, ohne Personal

6

6

4

16

Total

6

6 12

B

Kt/G

EB

Tot

1

4 1 5

5 1 5

1

10

11

6 4

22

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; EB: Ersatzbeiträge; leer: keine Ausgabe

Insgesamt werden Ausgabenreduktionen im Bereich der Schutzräume von gegen 50% erwartet. Der Bund leistet keine Beiträge mehr und die Kantone und Gemeinden können die geäufneten Ersatzbeiträge nutzen. Damit können auch Kantone und Gemeinden gegenüber 1998 fast vollständig entlastet werden.

1787

Schutzanlagen Die Schutzanlagen wurden bisher gemeinsam von Bund, Kantonen und Gemeinden finanziert. Die Zuständigkeit für die Schutzanlagen wird neu hauptsächlich dem Bund zugeordnet.

Übersicht über die Ausgaben für Schutzanlagen Tabelle 4 Schutzanlagen inkl. KGS

1998 (Mio. Fr.)

künftig (Mio. Fr./J)

B

Kt/G

EB

Tot

B

Erstellung Erneuerung Sicherstellung Betriebsbereitschaft (ohne Personal) Kulturgüterschutzräume

7 2

7 2 16

2 1 4

16 5 20

2,5 11,5 10

1

2

0

3

1

Total

10

27

7

44

25

Kt/G

EB

Tot

3

2,5 11,5 17

4

1 4

3

32

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; EB: Ersatzbeiträge

Bei den Schutzanlagen werden infolge von Regionalisierungen sowie der Einführung einer reduzierten Betriebsbereitschaft Einsparungen erwartet. Der Bund übernimmt den grossen Teil der Kosten und muss mit Mehrausgaben gegenüber 1998 rechnen. Die ordentlichen Unterhaltskosten werden von den Kantonen und Gemeinden getragen. Der Bund leistet einen jährlichen Pauschalbeitrag zur Sicherstellung der Betriebsbereitschaft der Schutzanlagen für den Fall eines bewaffneten Konflikts (ausserordentliche Betriebskosten). Kantone und Gemeinden werden auf diese Weise und dank des konsequenten Einsatzes von Ersatzbeiträgen stark entlastet.

Ausbildung Die Ausbildung obliegt Bund und Kantonen gemäss ihren Zuständigkeiten. Dabei gilt es zwischen Ausbildung im Bevölkerungsschutz und Ausbildung im Zivilschutz zu unterscheiden.

Zuständigkeiten und Ausgaben Ausbildung im Bevölkerungsschutz Tabelle 5 Ausbildung Bevölkerungsschutz (Führungsorgane)

Zuständigkeiten heute B

Grundausbildung* Weiterbildung/Übungen* Ausbildung Lehrpersonal* Total

Kt/G

Ausgaben (Mio. Fr./J)

künftig B

Kt/G

X X X

X X X

1998 B

Kt/G

künftig B

Kt/G

0 0,5 0

0,5 2 0

0,5

2,5

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; X: Zuständigkeit; leer: keine Ausgaben; 0: deutlich unter 0,5 Mio. Fr. pro Jahr; *: Kurskosten ohne Lohnausfallentschädigungen

1788

Zuständigkeiten und Ausgaben Ausbildung im Zivilschutz Tabelle 6 Ausbildung Zivilschutz

Zuständigkeiten heute

Grundausbildung Zusatzausbildung Kaderausbildung Weiterausbildung Wiederholungskurse Ausbildung Lehrpersonal

B

Kt/G

X X

BB BB BB BB

X

Total

Ausgaben (Mio. Fr./J)

künftig B

X X

X

1998

Kt/G

B

X X X X X

2 3 4 5 0 14

künftig

Kt/G

B

Kt/G

0

0 0,5 0,5 0,5

11,5 0,5 1 2 14,5 -

25

1,5

29,5

-

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; BB: Bundesbeiträge; X: Zuständigkeit; leer: Ausgaben sind nicht in diesem Detaillierungsgrad vorhanden oder es entstehen keine; 0: deutlich weniger als 0,5 Mio. Fr. pro Jahr

Gemäss den Zuständigkeiten tragen die Kantone die Kosten für die Ausbildung künftig weitgehend selber. Die Bestände reduzieren sich zwar um ca. zwei Drittel, die Ausbildung soll jedoch intensiviert werden. Der Bund unterstützt die Kantone im Rahmen seiner Zuständigkeit.

Personal und übrige Sachausgaben Unter der Rubrik Personal und übrige Sachausgaben werden einerseits die Sachausgaben für das Personalwesen des Zivilschutzes (z.B. Rekrutierung, Aufgebot, Mutationen, vorzeitige Entlassung) sowie für Dienstleistungen Dritter, Kommissionen, Forschung und Information aufgeführt. Anderseits werden hiermit die gesamten Personalaufwendungen erfasst.

Die Rekrutierung wird zusammen mit der Armee vom Bund in regionalen Zentren durchgeführt. Die Koordinationsaufgabe des Bundes dürfte für diesen Bereich gegenüber 1998 zusätzliches Personal für den Zivilschutz erfordern (ca. fünf Stellen).

Die medizinischen Tauglichkeitsprüfungen auf Stufe Gemeinde und Kanton entfallen und entlasten Kantone und Gemeinden. Die Einteilungsrapporte der Gemeinden werden neu als Orientierungstage auf Stufe Kanton durchgeführt. Damit verbunden ist eine Kostenumlagerung von den Gemeinden zu den Kantonen.

Bund und Kantone arbeiten bei der konzeptionellen Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes, der Forschung und Entwicklung, der Ereignis- und Einsatzauswertung, der Information sowie in der internationalen Kooperation zusammen. Diese Aufgaben dürften für den Bund leicht erhöhte Aufwendungen zur Folge haben.

1789

Übersicht über die budgetären Ausgaben für Personal und übrige Sachausgaben Tabelle 7 Personal und übrige Sachausgaben

1998

künftig

B

Kt/G

B

Kt/G

Geschätzte Anzahl Personalstellen

223

ca. 1100

160­ 180

600­1200

Personalaufwand (Mio. Fr. pro Jahr) Verwaltungsauslagen, Dienstleistungen Dritter, Forschung, Information der Bevölkerung, verschiedene Beiträge

24 5

Total (Mio. Fr./J)

29

Angenommener Mittelwert (Mio. Fr./J)

20­22 6­7

175

26­29

100­200

27

150 (+/­50!)

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; leer: Ausgaben sind nicht in diesem Detaillierungsgrad bekannt

Für den Bund werden Minderausgaben im Umfang von ­10% erwartet. Diese werden jedoch durch den künftigen Einbezug der Arbeitgeberbeiträge bei den Personalaufwendungen (ab 2001) kompensiert. Bei den Kantonen und Gemeinden besteht ein Reduktionspotenzial infolge von Regionalisierungen und der Bestandesreduktion der Zivilschutzorganisationen. Inwiefern Kantone und Gemeinden dieses Sparpotenzial realisieren, muss sich in der Praxis erst noch erweisen. Hier besteht für die Kantone und Gemeinden ein im Vergleich zu heute grösserer Spielraum. Die angegebenen Zahlen für die Kantone und Gemeinden sind daher mit einem grossen Streubereich versehen und entsprechen groben Schätzungen. Es hängt von den in den Kantonen im Hinblick auf den Bevölkerungsschutz 2003 vorgezogenen Massnahmen ab, wie hoch die Einsparungen bzw. die Mehrausgaben in einzelnen Kantonen sein werden.

1790

A1.3

Zusammenfassung

Übersicht über die budgetären Sachausgaben Tabelle 8 Sachausgaben

1998 (Mio. Fr.)

Material, Alarmierungsund Telematiksysteme Alarmierung der Bevölkerung Schutzräume der Gemeinden Schutzanlagen Ausbildung Bevölkerungsschutz Ausbildung Zivilschutz Total Sachausgaben

B

Kt/G

23

künftig (Mio. Fr./J)

SB

Tot

B

Kt/G

SB

Tot

7

30

15

11

26

1

1

2

7

1

8

6

12

4

22

10

27

7

44

14 54

25 72

11

39 137

1

10

11

25 0,5

4 2,5

3

32 3

1,5 49

29,5 49

13

31 111

Legende: B: Bund; Kt/G: Kantone, Gemeinden; SB: Ersatzbeiträge; leer: Ausgaben sind nicht in diesem Detaillierungsgrad vorhanden oder es entstehen keine

Übersicht über die budgetären Personalausgaben und übrigen Sachausgaben Tabelle 9 Personalausgaben und übrige Sachausgaben

Total

1998 (Mio. Fr.)

B

Kt/G

29

175

83

247

SB

11

künftig (Mio. Fr./J) Tot

B

Kt/G

204

27

150 (+/­ 50)

341

76

199 (+/­50)

SB

Tot

177 (+/­ 50) 13

288 (+/­50)

Je nach vorgezogenen Massnahmen hinsichtlich des Bevölkerungsschutzes 2003 in den Kantonen, sind Einsparungen bzw. Mehrausgaben zu erwarten.

Abkürzungen siehe obige Legende.

Die Neuausrichtung gemäss Bevölkerungsschutzgesetz wird Bund, Kantone und Gemeinden voraussichtlich im Vergleich zu 1998 finanziell entlasten. Das Ausmass der Einsparungen gegenüber 1998 hängt allerdings stark von der Umsetzung ab, d.h.

in welcher Art Kantone und Gemeinden ihren Handlungsspielraum nutzen.

1791

A2

Begriffsverzeichnis

Alltagsereignis

Schadenereignis, das von den lokalen oder regionalen Ersteinsatzmitteln selbstständig bewältigt werden kann

Aufwuchs

Im Hinblick auf einen bewaffneten Konflikt zeit- und lagegerechte Erhöhung der Bereitschaft, der Verfügbarkeit und der Durchhaltefähigkeit der Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes

Ausserordentliche Lage

Situation, in der in zahlreichen Bereichen und Sektoren die ordentlichen Abläufe nicht genügen, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen, beispielsweise bei Katastrophen und in Notlagen, die das ganze Land schwer in Mitleidenschaft ziehen, oder im Fall eines bewaffneten Konflikts

Besondere Lage

Situation, in der gewisse Aufgaben mit den ordentlichen Abläufen nicht mehr bewältigt werden können. Im Unterschied zur ausserordentlichen Lage ist die Tätigkeit der Behörden nur sektoriell betroffen. Typisch ist der Bedarf nach rascher Konzentration der Mittel und Straffung der Verfahren

Bevölkerungsschutz

Modular aufgebaute zivile Struktur für Führung, Schutz und Hilfe, welche die Bevölkerung, deren Lebensgrundlagen und Kulturgüter bei natur- und zivilisationsbedingten Katastrophen und in Notlagen sowie bei machtpolitischen Bedrohungen schützt. Der Bevölkerungsschutz fällt in erster Linie in die Zuständigkeit der Kantone und deckt folgende Aufgabenbereiche ab: Sicherheit und Ordnung, Rettung und allgemeine Schadenwehr, Gesundheit und Sanität, technische Infrastruktur sowie Schutz, Betreuung und Unterstützung

Bewaffneter Konflikt

Ereignis, das die Bevölkerung, deren Lebensgrundlagen und Kulturgüter durch Waffen- und Gewalteinwirkung auf Grund militärischer Einsätze gefährdet und die Existenz und die Identität der Schweiz in Frage stellt

Durchhaltefähigkeit

Kapazität einer Partnerorganisation bezüglich Führung, Personal, Material und Logistik, einen Einsatz über längere Zeit leisten zu können

Ersatzbeitrag

Finanzielle Abgeltung zur Erfüllung der Baupflicht, wenn kein Schutzraum erstellt wird

Ersteinsatzmittel

Organisation, die rund um die Uhr über eine Notrufnummer alarmiert werden kann und jederzeit einsatzbereit ist (Polizei, Feuerwehr, sanitätsdienstliches Rettungswesen)

Fachlogistik

Logistik der jeweiligen Partnerorganisation

Forschung und Entwicklung

Angewandte Forschung, deren Ergebnisse der Staat zur Bewältigung seiner Aufgaben benötigt

1792

Führungsorgan

Organ, das die Führungsverantwortung trägt und die Behörde in der Vorbereitung der Entscheide unterstützt

Führungsstandort

Geschützte, feste, improvisierte oder mobile Führungseinrichtung, die der Einsatzleitung oder dem Führungsorgan Schutz und günstige Bedingungen für die Führungstätigkeit bietet

Gefährdung

Mögliches Ereignis (oder mögliche Entwicklung), mit einer natürlichen, technischen oder machtpolitischen Ursache, welches die Bevölkerung und ihre Lebensgrundlagen gefährdet bzw. die sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz beeinträchtigt

Gefährdungsannahme

Stellvertretende (exemplarische) Abbildung von Gefährdungen, d.h. Konkretisierung von denkbaren Ereignissen und Entwicklungen nach ihrem zeitlichen Auftreten und den zu erwartenden Auswirkungen für die Schweiz, ihre Bevölkerung und deren Lebensgrundlagen

Gefährdungsspektrum

Gesamtheit aller Gefährdungen

Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle

Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen ausserhalb des Rahmens eigentlicher bewaffneter Konflikte

Grossereignis

Schadenereignis, dessen Bewältigung ein Zusammenwirken mehrerer Partnerorganisationen mit Unterstützung von aussen erforderlich macht, jedoch überschaubar bleibt

Instandstellung

Behebung von Schäden mit dem Ziel, den Zustand für ein geordnetes Leben sowie das Funktionieren der Infrastruktur wiederherzustellen

Katastrophe

Ereignis (natur- oder zivilisationsbedingtes Schadenereignis bzw. schwerer Unglücksfall), das so viele Schäden und Ausfälle verursacht, dass die personellen und materiellen Mittel der betroffenen Gemeinschaft überfordert sind

Lebensgrundlagen

Gesamtheit der Elemente, die für das Leben eines Menschen notwendig sind. Dazu gehören insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Energie und Rohstoffen, das Funktionieren der Wirtschaft, der unbenachteiligte Zugang zu den internationalen Märkten sowie eine möglichst intakte nationale und grenzüberschreitende Infrastruktur und Umwelt

Logistik

Massnahmen zur Sicherstellung des Betriebs von Standorten, des Verfügbarmachens von Versorgungsgütern, des Transportmittel- und Baugeräteeinsatzes sowie der Verpflegung

Logistische Elemente

Elemente des Zivilschutzes zur Sicherstellung logistischer Massnahmen, wenn die Fachlogistik der Partnerorganisationen nicht (mehr) genügt

1793

Logistische Koordination

Koordination logistischer Massnahmen und logistischer Elemente beim Einsatz mehrerer Partnerorganisationen

Mittel

Personal, Material, Ausrüstung und Fahrzeuge, die einer Partnerorganisation zur Verfügung stehen

Normale Lage

Situation, in der ordentliche Abläufe zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben ausreichen

Notlage

Situation, die aus einer gesellschaftlichen Entwicklung oder einem technischen Ereignis entsteht und mit den ordentlichen Abläufen nicht wirkungsvoll bewältigt werden kann, weil sie die personellen und materiellen Mittel der betroffenen Gemeinschaft überfordert

Region

Gebiet, das mehrere Gemeinden oder ein Teilgebiet eines Kantons umfasst

Schutzbauten

Standardisierte Bauten (Schutzräume und Schutzanlagen), die primär dem Schutz der Bevölkerung und der Sicherstellung der Bereitschaft der Mittel des Bevölkerungsschutzes im Fall eines bewaffneten Konflikts dienen

Sicherheitspolitik

Gesamtheit aller staatlichen Massnahmen zur Vorbeugung und zur Bewältigung direkter oder indirekter Gefährdungen ­ zu denen die natur- und zivilisationsbedingten Katastrophen und Notlagen gehören ­ oder der Anwendung von Gewalt strategischen Ausmasses gegen die Schweiz, ihre Bevölkerung und deren Lebensgrundlagen

Verhaltensanweisung

Amtliche Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten bei einer sich abzeichnenden Gefährdung

Vorwarnzeit

Zeitspanne von den ersten beobachteten Anzeichen eines sich abzeichnenden Ereignisses bis zu dessen Eintreten

1794

A3

Grundlagendokumente

­

Sicherheit durch Kooperation. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL B 2000) vom 7. Juni 1999

­

Eckwerte für das Leitbild Bevölkerungsschutz vom 24. März 2000

­

Konzeptberichte der Teilprojekte vom April 2000

­

Strukturmodell für den Bevölkerungsschutz (Machbarkeitsstudie) vom 10. Mai 2000

­

Gefährdungsannahmen für den Bevölkerungsschutz vom 21. Juni 2000

­

Feuerwehr 2000 plus. Konzeption der Regierungskonferenz für die Koordination des Feuerwehrwesens (RKKF) vom 12. Februar 1999

­

Konzept 96 Koordinierter Sanitätsdienst KSD vom Oktober 1997

­

Verfassungsrechtliche Schranken für das Projekt «Armee XXI». Gutachten von Prof. Dr. Dietrich Schindler vom 14. April 1999

­

Armeeleitbild XXI

11742

1795