9.2.7

Botschaft zum Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 2001 vom 9. Januar 2002

9.2.7.1 9.2.7.1.1

Allgemeiner Teil Übersicht

Das Internationale Kaffee-Übereinkommen von 2001 wurde während der Tagung des Internationalen Kaffeerates vom 20.­29. September 2000 in London angenommen. Es tritt an die Stelle des Übereinkommens von 19941, das am 30. September 2001 auslief. Das neue Übereinkommen bildet die Plattform für die internationale Zusammenarbeit im Kaffeebereich. Auf seiner Grundlage soll eine nachhaltige Entwicklung von Angebot und Nachfrage gefördert werden. Wie bereits das Übereinkommen von 1994 enthält es keine wirtschaftlichen Mechanismen zur Stabilisierung der Kaffeepreise.

9.2.7.1.2

Der Kaffeemarkt

Für zahlreiche Entwicklungsländer stellt der Kaffeeexport eine wichtige Devisenquelle dar. Millionen ländlicher Haushalte beziehen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens daraus. Gemessen am Handelswert ist Kaffee, nach Getreide, der zweitwichtigste landwirtschaftliche Rohstoff. Er wird in mehr als 70 Ländern angebaut, doch entfällt die Hälfte aller Exporte auf Brasilien, Kolumbien, Vietnam und Indonesien. Hauptdestination sind die OECD-Länder. Knapp 60 Prozent der Einfuhren werden von der Europäischen Union und knapp 30 Prozent durch die USA getätigt.

Auf dem Kaffeemarkt werden normalerweise drei Kategorien unterschieden: gewaschener Arabica (die beste und teuerste Qualität), nicht gewaschener Arabica (fast ausschliesslich aus Brasilien) und Robusta (vor allem aus Asien und Afrika).

9.2.7.1.2.1

Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage

Die Kaffeewirtschaft kennt seit langem das Problem stark schwankender Preise.

Gute Erträge führen zum Ausbau der Produktion, bis ein Überangebot die Notierungen einbrechen lässt. Dieser Trend wiederum wendet sich erst, wenn Produktionsmenge und -qualität ein kritisches Mass unterschritten haben. Frühere Kaffee-Übereinkommen suchten dem Markt durch eine mengenmässige Steuerung des Angebots mehr Stabilität zu verleihen. Den einzelnen Exportländern wurden bestimmte Ausfuhrquoten zugeteilt und die Preise festgesetzt. Dies führte zu beträchtlichen Funktionsstörungen, die den Internationalen Kaffeerat 1989 veranlassten, das Quotensys1

SR 0.916.117.1; AS 1996 116

1560

2002-0113

tem aufzuheben. In der Folge sah das Übereinkommen von 1994 erstmals ganz von Eingriffen in den Markt ab. Allerdings gründeten führende Anbaustaaten die «Vereinigung Kaffee produzierender Länder». Diese suchte mittels abgestimmter Exportbeschränkungen das Angebot zu verknappen und so die Preise zu stützen. Letztmals wurde ein solcher Plan im Mai 2000 verabschiedet. Der Erfolg dieser Interventionen blieb bisher bestenfalls begrenzt und vorübergehend.

9.2.7.1.2.2

Entwicklung der Kaffeepreise

Unter dem alten Quotensystem waren in den Exportländern grosse Vorräte angehäuft worden. Gleichzeitig übertraf die Produktion deutlich die Nachfrage. Als die Ausfuhrquoten aufgehoben wurden, sanken die Kaffeepreise zu Beginn der 90erJahre deshalb drastisch und erreichten 1992 einen Tiefstand von 53 US-Cents (kombinierter Wert der Internationalen Kaffee-Organisation pro Pfund grünen Kaffee).

Zwischen 1994 und 1997 erholte sich diese Marke in Folge Angebotsrückgangs bis auf 140 Cents. Seither ist die Produktion aber wieder wesentlich schneller gewachsen als die relativ stabile Nachfrage. Die Preise gaben erneut wesentlich nach und fielen bis Herbst 2001 auf gut 40 Cents und damit sogar unter das historische Tief von 1992 zurück.

Die weitere Preisentwicklung abzuschätzen ist nicht einfach. Hohe Lagerbestände und Produktionsmengen stehen einer baldigen Erholung entgegen. Hingegen könnten ungünstige klimatische Bedingungen und die Reduktion von Anbauflächen früher als erwartet zu einer Trendwende führen.

9.2.7.1.2.3

Wachsende Bedeutung des Spezialitätenkaffees

Während der weltweite Kaffeekonsum in den letzten Jahren weitgehend stagnierte, hat die Nachfrage nach Spezialitäten rasch zugenommen. Es handelt sich dabei um Arabicas von besonders hoher und individueller Qualität, die oft mit einer Herkunftsbezeichnung versehen sind. In den USA entfällt auf dieses Segment wertmässig bereits ein Drittel des Kaffeemarktes. Doch auch in Europa ist eine schnelle Zunahme zu beobachten. Für die Kaffeewirtschaft ist diese Entwicklung von beträchtlichem Interesse. Sie verbessert das allgemeine Bild des Kaffees in der Öffentlichkeit, womit neue Kunden gewonnen werden können. Vor allem lassen sich aber wesentlich höhere Preise erzielen, die überdies weniger von den Ausschlägen an den Rohstoffbörsen betroffen sind.

9.2.7.1.2.4

Schweizerische Interessenlage

Die schweizerischen Interessen haben sich seit der Zustimmung zum Übereinkommen von 1994 nicht massgeblich verändert. Sie sprechen für einen Beitritt auch zum neuen Vertrag.

In der Schweiz zählt Kaffee zu den wesentlichen Konsumgütern. Der Pro-Kopf-Verbrauch gehört, nach den skandinavischen Ländern, hinsichtlich Menge und Wert zu den höchsten der Welt. 2000 importierte die Schweiz 1,18 Millionen Sack grünen Kaffee (zu je 60 kg) im Wert von 265 Millionen Franken. Gut 4 Prozent davon wurden ­ vor allem in Form von löslichem Kaffee ­ wieder exportiert. Ausserdem sind 1561

schweizerische Unternehmen in prominentem Mass am internationalen Kaffeehandel beteiligt.

Die Mitgliedschaft am neuen Übereinkommen gibt der Schweiz die Möglichkeit, im Internationalen Kaffeerat ihre wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Interessen zu vertreten. Gleichzeitig können wir unsere Unterstützung für die Kaffee produzierenden Entwicklungsländer zur Geltung bringen.

9.2.7.2 9.2.7.2.1

Besonderer Teil Verhandlungsverlauf

Die Schweiz gehörte schon zu den Unterzeichnerstaaten der Internationalen KaffeeÜbereinkommen von 19632, 19683, 19764, 19835 und 19946. Seit 1964 ist sie Mitglied der Internationalen Kaffee-Organisation (ICO).

In den Verhandlungen kamen mehrere Optionen zur Sprache: (1) Rückkehr zu einem Übereinkommen mit Marktintervention; (2) Beendigung der institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Verbrauchern, unter Rückzug der Anbauländer auf die «Vereinigung Kaffee produzierender Staaten»; (3) Aufhebung der ICO in ihrer bisherigen Form als internationale Organisation und Umwandlung in eine so genannte Studiengruppe; (4) neues Übereinkommen ohne Marktintervention, doch unter Aufwertung anderer Funktionen.

Nachdem die Verbraucherstaaten ein neues Übereinkommen mit marktregulierenden Mechanismen klar abgelehnt und die produzierenden Länder eine Fortsetzung der internationalen Kooperation dem Alleingang vorgezogen hatten, fiel die Wahl auf die letzte Variante. Mit dem Beitritt zum Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 2001 bestätigt die Schweiz ihr Bestreben, an der Lösung der Probleme der Welt-Kaffeewirtschaft auch in Zukunft mitzuarbeiten.

9.2.7.2.2

Inhalt und Ziele des Übereinkommens

Das neue Übereinkommen folgt in seinen Grundzügen jenem von 1994. Weiterhin im Vordergrund steht als Hauptaufgabe, die Markttransparenz zu erhöhen. Hierzu gehört das Sammeln und Veröffentlichen von Daten über Produktion, Preise, Exporte, Importe, Vorräte, Vertrieb und Verbrauch von Kaffee. Die Organisation bleibt zudem beauftragt, Marktanalysen und Studien über die wirtschaftlichen Bedingungen von Herstellung, Verarbeitung und Vertrieb zu erstellen. Diese Funktionen sind im Zuge der Liberalisierung des Sektors, welche in die letzten Jahren zahlreiche Anbaustaaten erfasste, noch wichtiger geworden. Denn wirtschaftliche 2 3 4 5 6

Vgl. Botschaft über die Genehmigung des Internationalen Kaffeeabkommens 1962 vom 1. Juni 1964 (BBl 1964 I 1169) und BB vom 1. Oktober 1964 (AS 1965 557).

Vgl. Botschaft über die Genehmigung des Internationalen Kaffeeabkommens 1968 vom 29. Mai 1968 (BBl 1968 I 1281) und BB vom 23. September 1968 (AS 1968 1521).

Vgl. Botschaft über das Internationale Kaffeeabkommen von 1976 vom 24. März 1976 (BBl 1976 II 599) und BB vom 11. Juni 1976 (AS 1976 2299).

Vgl. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 83/I vom 17. August 1983 (BBl 1983 III 639) und BB vom 6. Oktober 1983 (BBl 1983 III 1096).

Vgl. Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 94/I+2 vom 18. Januar 1995 (BBl 1995 II 268) und BB vom 22. März 1995 (BBl 1995 II 277, 466; AS 1996 115).

1562

Risiken wurden auf Kaffeebauern und lokale Handelsorganisationen abgewälzt, welche zum Treffen marktgerechter Entscheide nun noch mehr als zuvor auf verlässliche Information und Anleitung angewiesen sind. Das Internet stellt dabei ein wichtiges Hilfsmittel dar.

Die Änderungen zielen zum einen auf eine Stärkung der ICO als globalem Forum für Kaffee: Eine periodische, breit abgestützte Welt-Kaffeekonferenz soll sich mit den aktuellen Fragen des Sektors befassen (Art. 21).

Ein neuer, beratender Ausschuss aus 16 führenden Vertretern des Privatsektors hat den Zweck, den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Kaffeewirtschaft zu intensivieren (Art. 22).

Zum andern wird mit dem neuen Übereinkommen die nachhaltige Entwicklung des Kaffeesektors ins Zentrum gerückt: durch die Anerkennung der Ziele einer nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen (Art. 39), verbesserter Arbeitsbedingungen im Kaffeesektor (Art. 40), der Pflege der Kaffeequalität sowie der Entwicklung der Nachfrage (Art. 1 Abs. 9 und Art. 34); durch die Förderung dieser Ziele mittels Studien und Informationen, aber auch durch Projekte vor Ort.

Die Geltungsdauer des Übereinkommens beträgt sechs Jahre (bis 30. September 2007). Der Rat kann durch qualifiziertes Mehr beschliessen, den Vertrag vorzeitig zu beenden, neu auszuhandeln oder bis zu einer Gesamtdauer von sechs Jahren zu verlängern (Art. 52).

9.2.7.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Beteiligungskosten sind für die Schweiz bescheiden. Unser Jahresbeitrag an den Verwaltungsaufwand der ICO betrug im Jahre 2000 65 057 Franken, für 2001 waren es 61 077 Franken. Diese Ausgaben werden durch das laufende Budget gedeckt.

Zusätzliches Personal ist nicht erforderlich.

9.2.7.4

Legislaturplanung

Die Vorlage wird in der Legislaturplanung 1999­2003 nicht ausdrücklich aufgeführt. Sie entspricht aber dem Inhalt von Ziel 2 (Ausbau der aussen- und sicherheitspolitischen Präsenz in den Bereichen Friedensförderung, Schutz der Menschenrechte, Entwicklungszusammenarbeit ­ verbesserte Stellung und Wahrnehmung der Schweiz im internationalen Umfeld) (BBl 2000 2276).

1563

9.2.7.5

Bezug zu anderen Instrumenten der Handelspolitik und Verhältnis zum europäischen Recht

Das Übereinkommen ist sowohl mit den WTO-Regeln als auch mit dem europäischen Recht und unserer europäischen Integrationspolitik vereinbar.

9.2.7.6

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Wir haben das am 1. November 2000 in New York zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen am 25. September 2001 unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet.

Gestützt auf Artikel 2 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen (SR 946.201) haben wir beschlossen, das Übereinkommen in Bezug auf die Schweiz vorläufig anzuwenden, sobald es gemäss seinen Bestimmungen vorläufig oder endgültig in Kraft getreten ist, um so das Funktionieren der Internationalen KaffeeOrganisation weiterhin zu gewährleisten. Anlässlich der Unterzeichnung hat die Schweiz in einer Erklärung die Absicht bekannt gegeben, vom 1. Oktober 2001 an das Übereinkommen vorläufig anzuwenden, sofern das im Übereinkommen vorgesehene Quorum erreicht wird. Am 1. Oktober 2001 ist das Übereinkommen gemäss seinen Bestimmungen provisorisch in Kraft getreten und steht seit diesem Zeitpunkt in der Schweiz vorläufig in Anwendung Das Übereinkommen ist kurzfristig kündbar und führt keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Hingegen wird das Übereinkommen von der Internationalen Kaffee-Organisation verwaltet, der ausdrücklich eine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird und die mit Organen ausgestattet ist, in denen Entscheidungen zum Teil mit qualifiziertem Mehr getroffen werden. Die Organisation hat zudem die Kompetenz, völkerrechtliche Bindungen einzugehen. Es handelt sich somit um eine internationale Organisation im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d (Ziff. 2) BV. Das Internationale Kaffee-Übereinkommen von 2001 wird aber weiterhin von der 1962 gegründeten Kaffee-Organisation verwaltet, der die Schweiz seit 1964 als Mitglied angehört. Das vorliegende Übereinkommen ändert weder die ursprünglichen Ziele noch die Aktivitäten dieser Organisation in einer Weise, dass von einem «Neubeitritt» gesprochen werden könnte. Zu genehmigen ist deshalb nur das neu ausgehandelte Übereinkommen, nicht aber der Beitritt zu einer internationalen Organisation. Der Genehmigungsbeschluss untersteht somit nicht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV.

11747

1564