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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend ein am 31. März 1883 mit Oesterreich - Ungarn abgeschlossenes Uebereinkommen behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

(Vom 14. April 1883.)

Tit.

Gegen Ende Oktober vorigen Jahres äußerte die k. k. österreichisch-ungarische Regierung uns gegenüber den Wunsch, mit der Schweiz einen Vertrag zur Abwehr ansteckender Thierkrankheiten abzuschließen und wir erklärten uns bereit, zu gedachtem Zwecke in Unterhandlungen zu treten. Es leiteten uns dabei insbesondere folgende Erwägungen.

Schon gegenwärtig ist der Viehverkehr zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn ein ziemlich bedeutender, wie sich aus nachfolgender Zusammenstellung ergibt.

Es wurden in die Schweiz über die österreichisch-schweizerische Grenze eingeführt: Esel im Jahre Pferde, Kleinvieh.

Total.

Maniesei. Rindvieh.

Stück.

Stück.

Stück.

Stück.

943 22,551 1878 17,793 41,287 1125 16,271 14,612 32,008 1879 14,072 34,227 1880 1389 18,766 37,524 1881 1156 20,302 16,066 18,392 46,156 1882 1050 26,714

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Ausgeführt wurden: im Jahre ^^^^ Rindvieh.

Stück.

Stück.

1878 1879 1880 1881 1882

136 244 315 301 247

3,993 3,799 4,287 4,901 5,991

Kleinvieh.

Stück.

2,895 3,829 . 1,673 941 997

Die Durchfuhr nach beiden Richtungen i m Jahr 1878 a u f ...

,, « l»TM .

.

.

,, ,, 1880 .

.

.

i, ,, l«* .

.

.

,, ,, 1882 .

.

.

Total.

Stück.

7,024 7,872 6,275 6,143 7,235

belief sich 2386 Stück.

1217 ,, 2935 ,, 1414 ,, 1625 ,,

Es ist nun aber ohne Zweifel. daß mit der Eröffnung der Alibergbahn dieser Verkehr in ganz erheblicher Weise zunehmen wird. Oesterreichischerseits hofft man sogar, daß auch der Verkehr zwischen den Ländern der Monarchie und Frankreich durch jene Bahn einen Aufschwung nehmen werde, und daß eia erheblicher Theil des Verkehrs zwischen Oesterreich und Frankreich unter gewissen Umständen durch die Schweiz werde geleitet werden können. Nun ist auch die Zahl der von Oesterreich nach Frankreich eingeführten Thiere jetzt schon ziemlich bedeutend; im Jahr 1880 betrug die Einfuhr 181,962 Stück.

So sehr nun auch die Schweiz gewiß ein Interesse daran.haben muß, daß sowohl der direkte Verkehr mit Oesterreich-Ungarn als der Transitverkehr einen neuen Impuls erhalte, so ist andererseits nicht außer Acht zu lassen, daß nach den bisherigen Erfahrungen mit der Entwicklung und Verbreitung der Transportmittel auch die Gefahr der Einschleppung von Thierseuchen zugenommen hat.

Geben nun auch das Bundesgesetz vom 8. Februar 1872 über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen und die darauf basirten Réglemente dem Bunde und den Kantonen Mittel an die Hand, um die Einschleppung von Seuchen aus dem Auslande, so weit es überhaupt möglich ist, zu verhindern, so liegt doch darin, daß auch die Nachbarstaaten dafür Sorge tragen , daß, wenn in einem Theile ihres Gebietes eine ansteckende Thierkrankheit herrscht, dieselbe nicht verschleppt werde, eine weitere, sehr werthvolle Garantie. Denn eine interne gute Gesetzgebung allein und selbst strenge Vollziehung derselben kann die Einschleppung nicht völlig verhindern, wenn in einem Nachbarstaate Seuchen ausbrechen, ohne

361 daß wir davon Kenntniß erhalten, wenn daselbst die Desinfektionsund Sperrmaßregeln nicht genau durchgeführt werden , oder wenn über die Ausstellung von Gesundheitsattesten irrationelle Bestimmungen aufgestellt sind.

Wir haben schon bei einem andern .ähnlichen Anlasse daran erinnert, daß die im citirten Bundesgesetze enthaltene Vorschrift, daß an der Grenze eine strenge Untersuchung des einzuführenden Viehes stattfinden muß , so vortrefflich sie an und für sich auch ist, doch nicht in allen Fällen ausreicht, um die Infektion zu verhindern. Erfolgt nämlich der Eintritt der Thiere während der Inkubationszeit einer Seuche, so gelingt es dea1 allerminutiösesten Untersuchung nicht, die Krankheit mit Sicherheit zu konstatiren und ist deßhalb von größtem Interesse, von dem Ausbruch von Seuchen in einem benachbarten Staate, so wie es die Konvention vorsieht, rasch Nachricht zu erhalten.

Bin fernerer Beweggrund, der uns veranlaßte, den Vorschlag der österreichisch-ungarischen Regierung nicht abzulehnen, war für uns die Thatsaehe, daß Oesterreich seit dem Jahre 1880 eine durchaus rationelle Viehseuchengesetzgebung hat und daß von den Seucheneinschleppungen , die in den letzten Jahren erfolgt sind, die allerwenigsten sich auf die Einfuhr von Vieh aus Oesterreich - Ungarn zurückführen lassen. Wohl herrscht bisweilen in der Monarchie die gefährlichste aller Seuchen, die Rinderpest, aber fast ausnahmslos in den von uns entferntesten Theilen des Landes, in die sie in der Regel aus Rußland, Rumänien, Serbien etc. eingeschleppt wird.

Dafür, daß sie von da nicht weiter nach Westen geschleppt wird, sorgt die österreichische und ungarische Gesetzgebung -- man muß es gestehen -- in ganz vortrefflicher Weise. Diese Gesetzgebung entspricht, ebenso wie die schweizerische, genau den Grundsätzen, welche von der internationalen Konferenz, die vom 16. März bis 6. April 1872 in Wien stattfand, zur Erzielung eines gleichförmigen Vorgehens gegen die Rinderpest aufgestellt worden sind.

Endlich erinnern wir noch daran, daß Sie uns bereits unterm 1. Juli 1875 eingeladen haben, ,,die einleitenden Schritte zu thun zu einer internationalen Konferenz mit den Nachbarstaaten zur Veranlassung von Maßregeln gegen die Viehseuchen"1.

Wir konnten, nachdem jene Konferenz wegen des ablehnenden Verhaltens mehrerer Staaten nicht zu Stande gekommen ist, den Abschluß eines Vertrages mit Oesterreich-Ungarn immerhin als eine theilweise Vollziehung Ihres Wunsches betrachten.

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ir.

Den einzelnen Bestimmungen der Konvention sind wir nur Weniges beizufügen im Falle.

Art. l entspricht, soweit er die Rinderpest betrifft, dem ersten: Grundsatz der Wiener Konferenz und reguliii die gegenseitige Verpflichtung zur Anzeige vom Ausbruehe der Rinderpest und der ansteckenden Lungenseuche. Daß auch vom Ausbruche jeder andern ansteckenden Thierkrankheit die vertragschließenden Staaten sich .

telegraphisehe Mittheilungen machen, schien uns zu weit zu gehen, nachdem über den Stand aller Seuchen ein Bulletin zu veröffentlichen beschlossen worden war. Die Lungenseuche war in 'Art. "l beigefügt worden, mit Rücksicht auf die lange Inkubationsperiode derselben. In Bezug auf das letzte Alinea dieses Artikels bemerken wir, daß Oesterreich-Ungarn ein wöchentliches Viehseuchenbülletin herausgibt.

Art. 2 regelt den Viehverkehr zur Zeit des Herrschens von Thierseuchen. Die Wiener Konferenz vom Jahre 1872 hat hierüber folgende Grundsätze aufgestellt : a. ,,Wenn in einem Lande nur in einem oder einzelnen Orten und zwar entweder in einem und demselben Bezirke oder in mehreren an einander stoßenden Bezirken die Rinderpest ausgebrochen ist und daselbst die Tilgungs- und Sperrmaßregeln nach denselben Prinzipien und mit derselben Strenge wie im Nachbarlande durchgeführt werden, so soll die Ausfuhr der Rinder aus dem übrigen nicht verseuchten Gebiete des Landes nicht verboten werden.

b. Auch bei nur vereinzelten Rinderpestausbrüchen und bei einer entsprechenden Seuchentilgung in einem Lande sind Beschränkungen des Grenzverkehres derart nothwendig, daß 1) die Einfuhr von Vieh nur au bestimmten Stationen gestattet ist, und 2) an der Grenze eine Revision dieses Viehes vorgenommen werden muß ; 3) die Thiere mit Ursprungszeugnissen (Provenieuzcertifikaten) versehen sein müssen.

Die einzelnen Länder machen sich unter einander die Mittheilung, von wem und in welcher Weise die Gesundheits- und Provenienzcertiflkate für das Rindvieh ausgestellt werden. Diese Certiflkate müssen jedenfalls die Angabe enthalten, daß am Abgangsorte und 20 km. im Umkreise keine Seuche herrsche; auch sollen diese Zeusinisse die Dauer ihrer Giltiskeit enthalten.

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c. Dieselben Maßregeln, welche für den Verkehr mit den Rindern an der Grenze maßgebend sind, haben auch für den Verkehr mit den übrigen Wiederkäuern zu gelten.

d. Der Verkehr mit vollkommen trockenen' Häuten und Knochen, eben solchen Hörnern, Hornspitzen und Klauen, gesalzenen und getrockneten Rinderdärmen, Saitlingen, geschmolzenem Talg in Fässern, Kuhhaaren, Schweinsborsten, Schafwolle und Ziegenhaaren, insofern letztere Gegenstände in Säcken oder Ballen verpackt sind, sowie mit Stroh, Heu, Grummet und andern Gegenständen zwischen einem seuchenfreien und verseuchten Lande ist unter den sub a angeführten Bedingungen freizugeben.

e. Heu und Stroh als Verpackungsmittel können unter den angeführten Bedingungen ohne Beschränkung zugelassen werden; treffen aber diese Bedingungen nicht zu, so darf aus dem Seuchenbezirke Heu und Stroh als Verpackungsmittel gar nicht, aus andern Orten eines solchen Landes nur unter der Vorsicht über die Grenze geleingen, daß dasselbe an dem Bestimmungsorte der Waare gleich zerstört wird.

f. Für die Durchfuhr von Vieh und thierischen Rohprodukten gelten dieselben Maßregeln; wie bezüglich der Einfuhr von derlei Thieren und Produkten. Diese Durchfuhr kann nur dann verlangt werden, wenn die Abladung im Lande der Bestimmung im Voraus gesichert ist.

g. Die Feststellung jener Entfernung von der Grenze, bei welcher in Folge des Ausbruches dur Rinderpest in dem Grenzdistrikte die Grenzsperre einzutreten hat, hängt von den Maßregeln, welche zur Unterdrückung der Seuche ergriffen worden sind, sowie von den Verhältnissen des Verkehrs, der geographischen Lage und der politischen Einrichtung ab."

Entsprechend diesen Grundsätzen lautete das österreichische Konventionsprojekt. Obwohl wir im Prinzip nichts dagegen einzuwenden hatten, daß die Einfuhr von Vieh aus einer nicht verseuchten Gegend selbst dann nicht verboten werden soll, wenn in andern Theilen desselben Landes Seuchen herrschen, so glaubten wir dennoch, jene Einfuhr mit gewissen Vorsichtsmaßregeln umgeben und diejenigen Vorkehrungen näher spezialisiren zu sollen, welche von den vertragschließenden Staaten dann ergriffen werden können, wenn krankes, verdächtiges, oder mit unregelmäßigen Zeugnissen versehenes Vieh an die Grenze gelangt und die Rinderpest nahe an^der Grenze ausbrechen sollte. Mit Befriedigung konstatiren wir, daß die österreichischen Unterhändler mit Beziehung auf die Dauer der Giltigkeit der Gesundheitsscheine die unsern Verord-

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nungen entsprechende Vorschrift angenommen haben, während von ihnen eine längere Dauer vorgeschlagen worden war.

Art. 3 entspricht den §§ 26 und 28 unserer Vollziehungsverordnung vom 20. November 1872 zum Bundesgesetz über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen (Amtl. Samml. X, 1044") und den Zusatzbestimmungen zu diesem Bundesgesetz vom 19. Juli 1873 (Amtl. Samml. XI, 211), ja geht sogar im Interesse der Viehseuchenpolizei noch etwas weiter, indem in der Konvention die Desinfektion in allen Fällen vorgeschrieben ist, währenddem sie hier nur dann einzutreten hat, wenn Eisenbahnmaterial durch kranke Thiere verunreinigt worden ist.

Art. 4 reglirt den Weideverkehr und bedarf keiner weitern Erläuterung. Wir merken hier an, daß im Jahr 1881 zur Sommerung und Winterung eingeführt worden : 11,395, im Jahr 1882 11,368 Stück Vieh ; nach Oesterreich wurden aus der Schweiz zum gleichen Zweck ausgeführt im Jahr 1881 1141, im Jahr 1882 669 Stück Vieh.

Art. 5 reglirt den sogenannten Grenzverkehr, d. h. die Einund Ausfuhr von an den Pflug oder an ein Fuhrwerk gespannten Thieren, welche zu landwirtschaftlichen Arbeiten oder bei der Ausübung eines anderen Gewerbes verwendet werden.

Art. 6. Die österreichisch-ungarische Regierung hatte gewünscht, daß der Vertrag für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen werde; wir glaubtejn aber gerade wegen der Eröffnung der Arlbergbahri uns für eine so lange Zeit nicht binden, sondern vorerst die Erfahrungen abwarten zu sollen, welche durch den Anschluß jener Bahn an das schweizerische Eisenbahnnetz und durch die erwartete Ausd'ehnung des Verkehrs gemacht werden. Sind diese Erfahrungen günstiger Natur, so hindert nichts, den Vertrag von Jahr zu Jahr fortbestehen zu lassen, während andernfalls im Einverständniß mit dem andern Theil alle diejenigen Modifikationen an demselben vorgenommen werden können, deren Zweckmäßigkeit die Erfahrung dargethan haben wird. Ebenfalls von OesterreichUngarn wurde gewünscht, daß sich das Uebereinkommen auch auf die mit der Monarchie zollgeeinten Länder, wie Bosnien, das Fürstenihum Liechtenstein etc., erstrecke. Wir konnten uns indessen nur bezüglich Liechtensteins damit einverstanden erklären.

Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die genaue Vollziehung dieser Konveution geeignet sein wird, den schweizerischen Viehstand vor Infektion ansteckender Thierkrankheiten zu bewahren, ohne den Verkehr mit Hausthieren und deren Produkten zwischen den beiden Staaten in mehr als nöthiger Weise zu hemmen. Be-

365 währt; sich diese Hoffnung, so werden wir es nochmals versuchen, eine Vereinigung derjenigen Nachbarstaaten zu gleichem Zwecke anzubahnen, welche die von der Wiener Rinderpestkonferenz aufgestellten Grundsätze angenommen und überhaupt eine genügende Garantie bietende Gesetzgebung haben.

Wir empfehlen Ihnen die Ratifikation der vorliegenden Uebereinkunft und die Annahme nachstehenden Bundesbeschlusses.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung !

B e r n , den 14. April 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: L. Ruchonriet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. II.

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366 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

ein am 31. März 1883 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenes Uebereinkommen behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 14. April 1883, beschließt: 1. Die vorbehaltene Ratifikation wird der am 31. Mära 1883 in Bern zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Konvention behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

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Uebereinkommen zwischen

der Schweiz und Oesterreich-Ungarn behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

/ (Abgeschlossen am 31. März 1883.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Boehmen u. s. w. und Apostolischer König von Ungarn, zugleich in Vertretung des souveränen Fürsten von Liechtenstein, von dem Wunsche geleitet, den Verkehr mit Thieren, Häuten, Hörnern und andern thierischen Rohprodukten zwischen den beiderseitigen Gebieten auf vertragsmäßigen Grundlagen zu regeln, haben zu diesem Zwecke Unterhandlungen eröffnen lassen und zu Bevollmächtigten ernannt :

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn N u m a D r o z , Bundesrath, Vorsteher des- eidgenössischen Handels- und Landwirthschaftsdepartemenls ;

Seine ,Majestät der Kaiser von üeslerreicli, König von Boehmen u. s. w. und Apostolischer König von Ungarn, zugleich in Vertretung des souveränen Fürsten von Lichtenstein : Herrn M o r i t z F r e i h e r r von O t t e n f e l s - G s c h w i n d , k. k.

Geheimen Rath, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft,

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welche nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Artikel vereinbart und abgeschlossen haben : · Artikel 1.

Wenn in einem der Gebiete der beiden vertragschließenden Theile die Rinderpest oder die ansteckende Lungenseuche ausbricht, wird der Regierung des anderen Theiles von dem Ausbruche und der Verbreitung derselben auf telegraphischem Wege direkt Nachricht gegeben werden.

Wenn die Rinderpest oder die ansteckende Lungenseuche in einem weniger als 75 Kilometer von der Grenze entfernten Orte erwiesenermaßen aufgetreten ist, werden die Behörden des betreffenden Bezirkes dies allsogleich den zuständigen Behörden des Nachbarlandes anzeigen.

Ueber die Wege der Einschleppung und Verbreitung der Rinderpest und ansteckenden Lungenseuche wird eine eingehende Erhebung gepflogen und das Ergebniß derselben ohne Verzug den Behörden der Gegenden, welche von der Einschleppung der Se.uche bedroht, erscheinen, bekannt gegeben werden.

Ueberhaupt werden die zuständigen Behörden die nöthigen Maßregeln treffen, um den Verkehr mit den von einer ansteckenden Krankheit irgend welcher Art ergriffenen, oder derselben verdächtigen Thieren zu verhindern.

Jeder der beiden vertragschließenden Theile wird in seiner offiziellen Zeitung ein Bulletin über den Stand der Thierseuchen und über die zur Verhinderung der Verschleppung derselben angeordneten Maßregeln, sowie über deren Abänderung oder Aufhebung erscheinen lassen. Das Bulletin soll monatlich mindestens ein Mal, bei größerer und anhaltender Ausdehnung der Seuchen mindestens zwei Mal herausgegeben werden.

Art. 2.

Wenn die Rinderpest oder eine andere ansteckende Thierkrankheit in dem Gebiete eines der vertragschließenden Theile ausgebroehen ist, so wird der Verkehr mit den durch die ausgebrochene Seuche gefährdeten Thieren, sowie mit den der Verschleppung der Ansteckungsstoffe verdächtigen Gegenständen aus den nicht verseuchten Gegenden in das Gebiet des anderen Theiles keinen weiteren Beschränkungen unterworfen werden, als jenen,

369 welchen auf Grund der bestehenden und wirksam gehaudhabten Veterinär-gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften, nach Maßgabe der Verbreitung der ausgebrochenen Thierseuche und des Grades ihrer Bedenklichkeit, auch im eigenen Lande die aus den nicht verseuchten Gegenden desselben kommenden Thiere und Gegenstände der bezeichneten Art unterliegen. Es wird jedoch die Einfuhr solcher Thiere und Gegenstände nur über bestimmte Eintrittspunkte gegen Beibringung eines Ursprungszeugnisses und unter dem Vorbehalt gestattet werden, daß dieselben durch keine verseuchten Gegenden transportirt worden sind (es sei denn, es handle sich um Transporte vermittelst durchgehender Eisenbahnwaggons), und daß an der Grenze eine Untersuchung durch einen Thierarzt stattgefunden hat.

Dahei haben die mit der Untersuchung beauftragten Thierärzte die Berechtigung, an der Rinderpest oder der Lungenseuche krank befundenes Vieh tödten zu lassen. Die Cadaver von Thieren, welche an-der Rinderpest litten, müssen mit Haut und Haaren verscharrt werden. Thiere, in Betreff welcher gegründeter Verdacht vorhanden ist, daß sie den Keim der Rinderpest oder der ansteckenden Lungenseuche in sich tragen, werden zurückgewiesen. Von jeder Zurückweisung sollen die Behörden des Landes, aus dem die Thiere kommen, behufs Anordnung der nöthigen Vorsichtsmaßregeln sogleich verständigt werden. Bei Verbreitung der Rinderpest nahe an der Grenze kann die Einfuhr von Wiederkäuern verboten werden.

Solches Vieh, welches an andern ansteckenden Thierkrankheiten leidend befunden wird, oder in Betreff welches gegründeter Verdacht vorhanden ist, daß es den Keim der Ansteckung in sich trägt, oder Thiere, welche mit unregelmäßigen Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen versehen sind, können entweder zurückgewiesen oder einer Quarantäne unterworfen werden, deren Dauer je nach der Natur der Krankheit, deren sie verdächtig sind, festgesetzt werden soll.

Die Ursprungs- und Gesundheitszeugnisse müssen die Bescheinigung enthalten, daß in dem Orte der Herkunft des Viehes und 30 Kilo-, meter in der Umgebung keine ansteckende Thierkrankheit herrscht.

Die Dauer der Gültigkeit dieser Zeugnisse beträgt acht Tage. Läuft diese Frist während des direkten Transportes ab, so muß, damit die Zeugnisse weitere acht Tage gelten, das Vieh von einem Thierarzt untersucht werden und
vollkommen gesund befunden worden sein. Das Resultat dieser Untersuchung ist im Zeugniß anzugeben.

Die Regierungen der vertragschließenden Theile werden sich gegenseitig mittheilen, von wem und in welcher Form die Ursprungsund Gesundheitszeugnisse auszustellen sind.

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Für alle Fälle ist man einverstanden, daß die Gesundheitszeugnisse mit dem Visum eines patentirten Thierarztes versehen sein müssen.

Art. 3.

Eisenbahnwagen, in welchen Pferde, Maulthiere, Esel, Rindvieh, Ziegen, Schafe, Schweine oder frische Häute befördert worden sind, müssen vor ihrer neuerlichen Verwendung im Verkehre einem Reinigungs- (Desinfektions-) Verfahren unterworfen werden, welches geeignet ist, die den Wagen anhaftenden Ansteckungsstoffe vollständig zu tilgen. Rampen und Quais, von welchen aus diese Thiere verladen werden, sind nach jedem Gebrauch sorgfältig zu reinigen.

Die beiden vertragenden Theile werden die im Bereiche eines Theiles vorschriftsmäßig vollzogene Desinfektion der Eisenbahnwagen als auch für den andern Theil geltend anerkennen.

Ueber die Bedingungen und Formalitäten, unter denen diese Anerkennung erfolgt, werden sich die Regierungen der vertragschließenden Theile verständigen.

Art. 4.

Der Weideverkehr aus dem Gebiete des einen der vertragenden Theile nach dem Gebiete des anderen ist unter nachstehenden Bedingungen gestattet: a) Die Eigenthümer der Heerden werden beim Grenzübertritte ein Verzeichniß der Thiere, welche sie auf die Weide bringen wollen, mit der Angabe der Stückzahl und der charakteristischen Merkmale derselben zur Veriflzirung vorlegen.

b) Die Rückkehr der Thiere in das Gebiet ihrer Herkunft wird nur nach erfolgter Konstatirung ihrer Identität bewilligt.

Wenn jedoch während der Weidezeit eine für die betreffende Thiergattung ansteckende Krankheit unter einem Theile der Heerden, oder auch nur an einem weniger als 20 Kilometer von dem Weideplatz entfernten Orte, oder auf einer nach der Grenzstation führenden Straße ausbricht, so ist die Rückkehr des Viehes nach dem Gebiete des anderen Theiles untersagt, soferne nicht zwingende Verhältnisse (Futtermangel, schlechte Witterung u. s. w.) eine Ausnahme erheischen. In solchen Fällen soll die Rückkehr der von der Seuche noch nicht ergriffenen Thiere unter Anwendung von durch die Regierungen der vertragschließenden Theile zur Ver-

371 fainderung der Seuchenverschleppung vereinbarten Sicherungsmaßregeln erfolgen.

Art. 5.

Die Bewohner von nicht mehr als 5 Kilometer von der Grenze entfernt liegenden Ortschaften können die Grenze in beiden Richtungen zu jeder Stunde mit ihren eigenen, an den Pflug oder an ein Fuhrwerk gespannten Thieren überschreiten, jedoch nur zum Zwecke landwirtschaftlicher Arbeiten oder in Ausübung ihres Gewerbes.

Sie haben sich hiebei nach folgenden Vorschriften zu benehmen: a) Jedes Gespann, welches die Grenze zu landwirtschaftlicher Arbeit oder im Gewerbebetrieb überschreitet, muß mit einem Zeugniß des Ortsvorstandes der Gemeinde versehen sein, in welcher sich der Stall befindet. Dieses Zeugniß muß den Namen des Eigentümers oder des Führers des Gespannes, die Beschreibung der Thiere und die Angabe des Umkreises (in Kilometern) des Grenzgebietes, in welchem das Gespann zu arbeiten bestimmt ist, enthalten.

b) Ueberdies ist beim Austritt wie bei der Rückkehr ein Zeugniß des Ortsvorstandes derjenigen Grenzgemeinde erforderlich, aus welcher das Gespann kömmt und im Falle des Durchzuges durch das Gebiet einer anderen Gemeinde auch eine Be· scheinigung der letzteren, womit bestätigt wird, daß die betreffende Gemeinde vollkommen frei von jeder Thierseuche ist, und daß auch in einem Umkreis von 20 Kilometern die Rinderpest und Lungenseuehe nicht vorkommt. Dieses Zeugniß muß alle acht Tage erneuert werden.

Art. 6.

Das gegenwärtige Uebereinkommen soll am 1. Juli laufenden Jahres in Kraft treten und während der hierauf folgenden fünf Jahre in Geltung bleiben. Falls keiner der vertragenden Theile zwölf Monate vor Ablauf der bezeichneten Periode seine Absicht, die Geltung dieses Uebereinkommens aufhören zu lassen, kundgegeben haben sollte, wird dasselbe bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage ab in Wirksamkeit bleiben, an welchem der Eine oder der Andere der vertragenden Theile es gekündigt haben wird.

372

Art. 7.

Die Ratifikationen des gegenwärtigen Uebereinkommens sollen so bald als möglich, spätestens aber am 30. Juni 1883, in Bern ausgewechselt werden.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das Uebereinkommen in doppelter Ausfertigung unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen zu B e r n , am 31. März 1883.

(L. S.) Droz.

(L. S.) Ottenfels.

·«MO*«»

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend ein am 31. März 1883 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenes Uebereinkommen behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr. (Vom 14. April 1883.)

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