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Botschaft über die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» vom 17. November 1982

Frau Präsidentin, Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Mit unserer Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, Frau Präsidentin, Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. November 1982

1982-952

41 Bundesblatt. 134. Jahrg. Bd. III

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Honegger Der Bundeskanzler: Buser

£45

Übersicht Die Initiative verlangt eine Änderung von Artikel 34quiaquies der Bundesverfassung.

Der geltende, vorwiegend als Kompetenzbestimmung zur Einrichtung einer Mutterschaftsversicheruhg ausgestaltete Absatz 4 soll durch ausführliche programmatische Bestimmungen über die künftige Ausgestaltung der Mutterschaftsversicherung ersetzt werden.

Die Initiative verlangt die Einrichtung einer obligatorischen und allgemeinen Mutterschaftsversicherung, die neben der vollständigen Deckung der medizinischen Behandlung infolge von Schwangerschaft und Geburt Geldleistungen während eines Mutterschaftsurlaubes von mindestens 16 Wochen und eines Elternurlaubes von mindestens neun Monaten gewährt. Die Versicherung wäre durch Beiträge von Bund und Kantonen sowie durch Beiträge vom Erwerbseinkommen nach dem Modell der AHV zu finanzieren. Die Initiative verlangt im weiteren einen umfassenden Kündigungsschutz des Arbeitsverhältnisses während Schwangerschaft, Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub.

Nachdem der Bund im Bereich des Schutzes der Familie und der Mutterschaftsversicherung bereits eine umfassende Gesetzgebungskompetenz besitzt, die einen Ausbau der heute im Rahmen der Krankenversicherung bestehenden Mutterschaftsversicherung oder auch die Errichtung einer selbständigen Mutterschaftsversicherung nach den Vorstellungen der Initiative durchaus zulässt, halten wir eine Änderung von Artikel 34quinquies der Bundesverfassung nicht für notwendig. Der programmatische Charakter der Initiative würde überdies den heutigen Spielraum des Gesetzgebers einengen und die Anpassung an zukünftige Postulate der Familien- und Sozialpolitik erschweren. Zudem enthält die Initiative Forderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Elternurlaub, die gegenwärtig aus sachlichen und finanziellen Erwägungen nicht verwirklicht werden können. Wir empfehlen daher, die Initiative zu verwerfen und verzichten auch auf einen Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe.

Hingegen halten auch wir eine Revision der Gesetzesbestimmungen im Bereich der Mutterschaftsversicherung für notwendig. Unsere Botschaft vom 19. August 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung (BBl 1981 II 1117) enthält denn auch Vorschläge für einen Ausbau der Mutterschaftsversicherung. Damit würden zahlreiche Forderungen der Initiative, insbesondere auch jene auf Verlängerung
des Mutterschaftsurlaubes von heute 10 auf 16 Wochen, verwirklicht. Nicht berücksichtigt bleibt in unserem Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe die Forderung auf Errichtung einer obligatorischen, von der Krankenversicherung getrennten Mutterschaftsversicherung sowie die Forderung auf Einführung eines Elternurlaubes.

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Botschaft I II

Formelles Wortlaut

Am 21. Januar 1980 wurde eine Volksinitiative <
'; 4 Der Bund richtet insbesondere eine obligatorische und allgemeine Mutterschaftsversicherung ein, welche folgende Leistungen gewährt: a. Die vollständige Deckung aller in Folge Schwangerschaft und Geburt entstehenden Arzt-, Pflege-" und Spitalkosten.

b. Einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 16 Wochen, wovon mindestens 10 Wochen nach der Niederkunft.

Erwerbstätige Versicherte haben Anspruch auf vollen Ersatz ihres Lohnes während der ganzen Dauer des Mutterschaftsurlaubs, wobei in Übereinstimmung mit anderen Zweigen der Sozialversicherung eine Plafonierung des versicherten Lohnes zulässig ist.

Nichterwerbstätige Versicherte erhalten während der Dauer des Mutterschaftsurlaubs ein angemessenes Taggeld.

c. Für erwerbstätige Eltern einen Eltefnurlaub von mindestens neun Monaten, der für die Mutter an den Mutterschaftsurlaub anschliesst, für den Vater mit dem Zeitpunkt der Geburt beginnen kann. Die Versicherungsleistungen während des Elternurlaubs sichern bei unteren Einkommen das Familieneinkommen in vollem Umfang. Bei höheren Einkommen steigen die Versicherungsleistungen abnehmend nach Einkommenshöhe.

Der Elternurlaub steht Mutter oder Vater, oder beiden teilweise zu, ohne Auswirkung auf das garantierte Familieneinkommen.

' '';: 5 Die Finanzierung der Mutterschaftsversicherung erfolgt durch : a. Beiträge von Bund und Kantonen; , i b. Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung. Für Arbeitnehmer übernimmt der Arbeitgeber mindestens d i e Hälfte d e r Beiträge.

' · ' ' ! ' 6 Als Träger der Mutterschaftsversicherung können die schon bestehenden Sozialversicherungen herangezogen werden.

7 Der Bund richtet einen umfassenden Kündigungsschutz für die gesamte Dauer der Schwangerschaft, des Mutterschaftsurlaubs und des .Elternurlaubs, ohne Einbusse der durch das Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte, ein.

8 (Bisheriger, Absatz 5) Übergangsbestimmung Die Ausführungsgesetzgebung ist innert fünf Jahren nach Annahme der Initiative durch Volk und Stände in Kraft zu setzen.

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Durch diesen Vorschlag soll der heutige Absatz 4 von Artikel 34quinquies setzt werden, der wie folgt lautet:

BV

er-

4

Der Bund wird auf dem Wege der Gesetzgebung die Mutterschaftsversicherung einrichten. Er kann den Beitritt allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären, und es dürfen auch Personen, die nicht in den Genuss der Versicherungsleistungen kommen können, zu Beiträgen verpflichtet werden. Die finanziellen Leistungen des Bundes können von angemessenen Leistungen der Kantone abhängig gemacht werden.

12

Zustandekommen

Mit Verfügung vom 18. Februar 1980 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative 135 849 gültige Unterschriften aufweise und damit formell zustande gekommen sei (BEI 19801 821).

2

Gültigkeit

21

Einheit der Form und Materie

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Einheit der Form

Nach Artikel 121 Absatz 4 B V kann eine Initiative entweder in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht werden.

Mischformen sind unzulässig (Art. 75 Abs. 3 des BG über die politischen Rechte vom 17. Dez. 1976 [BPR]; SR 161.1).

Die vorliegende Initiative ist ausschliesslich in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet. Die Einheit der Form ist damit gewahrt.

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Einheit der Materie

Nach Artikel 121 Absatz 3 BV darf eine Initiative nur eine Materie zum Gegenstand haben. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen der Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR).

Durch die Initiative soll der sogenannte Familienschutzartikel der Bundesverfassung (Art. 34quinquies) jm Bereich des Mutterschaftsschutzes abgeändert und ergänzt werden. Dabei soll der Bund zunächst den allgemeinen Auftrag erhalten, durch seine Gesetzgebung für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft zu sorgen (Abs. 3 des Initiativtextes). Dieser Auftrag wird sodann mit Bezug auf zwei Aspekte des Mutterschaftsschutzes präzisiert (Abs. 4-7). Zum einen soll der Bund zur Einrichtung einer allgemeinen und obligatorischen Mutterschaftsversicherung verpflichtet werden, für deren Ausgestaltung (Leistungen, Finanzierung, Trägerschaft) eine Reihe von Richtlinien aufgestellt werden (Abs. 4-6).

Zum anderen soll ergänzend zur eigentlichen Mutterschaftsversicherung ein umfassender Kündigungsschutz vorgesehen werden (Abs. 7). Schliesslich wird in einer Übergangsbestimmung festgehalten, dass die Ausführungsgesetzgebung innert fünf Jahren seit Annahme der Initiative in Kraft zu setzen ist. Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht somit der erforderliche sachliche Zusammenhang.

848

22

Durchführbarkeit

Weder die Bundesverfassung noch ein Bundesgesetz führen die Undurchführbarkeit einer Initiative als Ungültigkeitsgrund auf. Dennoch ist sich die Lehre darin einig, dass undurchführbare Aufgaben nicht in den Bereich staatlicher Tätigkeit fallen; deshalb könne darüber vernünftigerweise auch keine Volksabstimmung stattfinden.

,, Von einer Undurchführbarkeit der in der Initiative enthaltenen Postulate (Einrichtung eines umfassenden Mutterschaftsschutzes, Ausgestaltung der Mutterschaftsversicherung und des Kündigungsschutzes nach den vorgezeichneten Richtlinien, Inkraftsetzung der Ausführungsgesetzgebung fünf Jahre nach Annahme der Initiative) kann zweifellos nicht die Rede sein. Sollte sich allenfalls zeigen, dass die vollständige Erfüllung des Verfassungsauftrags in der vorgesehenen Frist von fünf Jahren nicht restlos möglich ist, da die Ausführungsgesetzgebung im ordentlichen Verfahren (Gesetzesvorbereitung, Vernehmlassung, vorberatende Kommissionen, Behandlung in den Räten, Referendumsfrist und allfälliges Referendum) zu erlassen ist, so würde dies die zeitliche Durchführbarkeit der Initiative betreffen, es würde sich aber nicht um eine eigentliche Undurchführbarkeit des Initiativbegehrens handeln. Die Durchführbarkeit der Initiative ist daher zu bejahen.

3

Die Mutterschaftsversicherung in der schweizerischen Sozialversicherung

Das Schwergewicht der Volksinitiative für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft liegt auf der Einführung einer obligatorischen und allgemeinen Mutterschaftsversicherung. Es ist daher angezeigt, sich,zunächst Rechenschaft über die bisherige Entwicklung der Mutterschaftsversicherung innerhalb der schweizerischen Sozialversicherung abzulegen. Die für den heutigen Stand dieser Versicherung entscheidenden Etappen ergeben sich, beginnend mit dem ausklingenden 19. Jahrhundert, aus der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts des Bundes. Auf dieses wird sich daher auch die nachfolgende historische Rückschau beziehen (Ziff. 31). Daneben soll aber auch auf die Teilobligatorien der Kranken- und Mutterschaftsversicherung, die auf kantonaler oder, kraft Delegation, auf Gemeindeebene bestehen, sowie auf gewisse andere kantonale Leistungen bei Mutterschaft hingewiesen werden, welche die bundesrechtliche Regelung in wertvoller Weise ergänzen.

31

Auf Bundesebene

Bei den Bestrebungen zu einer bundesrechtlichen Regelung der Mutterschaftsversicherung lassen sich zwei Strömungen erkennen. Die eine ist durch den Einbau der Mutterschaftsversicherung in die Krankenversicherung und ihren Ausbau zusammen mit dieser gekennzeichnet. Sie bildet geschichtlich gesehen den Ausgangspunkt der heute geltenden gesetzlichen Ordnung (Art. 14 KUVG). Die andere zielt auf eine separate Regelung der Mutterschaftsversicherung ab, d. h.

auf ihre Ausgestaltung als eigener Zweig der schweizerischen Sozialversiche849

rung, womöglich in einem besonderen Gesetz, jedoch nicht unbedingt mit eigener Trägerschaft, sondern gegebenenfalls unter Einbezug bereits bestehender Einrichtungen der Sozialversicherung (z. B. Krankenkassen, Ausgleichskassen) und versehen mit einem Leistungskatalog, der mehr oder weniger weit gespannt ist, je nachdem aus welcher Zeit die entsprechenden politischen Vorstösse stammen und von welchen Kreisen sie lanciert wurden. Es gibt schliesslich auch Phasen, in denen man eine gewisse Verschmelzung beider Tendenzen feststellen kann.

Folgende Etappen kennzeichnen diese Entwicklung.

311

Einführung von Mutterschaftsleistungen im Rahmen des KUVG von 1911

Der 1890 in die Bundesverfassung aufgenommene Artikel 34bis überträgt dem Bund die Aufgabe, auf dem Wege der Gesetzgebung die Kranken- und Unfallversicherung unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen einzurichten und ermächtigt ihn, den Beitritt «allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen» obligatorisch zu erklären. Die Mutterschaftsversicherung wird dabei nicht erwähnt. Trotzdem ging man bereits beim ersten Versuch zur Verwirklichung dieser Verfassungsbestimmung wie selbstverständlich davon aus, dass die Krankenversicherung auch bei Mutterschaft gewisse Leistungen zu gewähren habe. So sah beispielsweise die «Lex Forrer» (das nach seinem massgebenden Schöpfer benannte BG betreffend die Kranken- und Unfallversicherung mit Einschluss der Militärversicherung, vom Parlament verabschiedet am 5. Okt.

1899) für die schwangere Frau und die Wöchnerin neben dem «normalen» Schutz für den Krankheitsfall (umfassende Pflegeleistungen und ein Krankentaggeld in Höhe von 60% des anrechenbaren Tagesverdienstes), den Anspruch auf ein sogenanntes Wöchnerinnengeld vor, das «in einem massigen Ersatz der Kosten des geburtshülflichen Beistandes und ... überdies im Krankengeld von der Niederkunft an bis zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit und höchstens auf die Dauer von sechs Wochen seit der Niederkunft» bestehen sollte.

Bedenkt man, dass dieser Versicherungsschutz für Arbeitnehmer bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze obligatorisch sein sollte, so darf man sagen, dass es sich um einen für die damalige Zeit sehr fortschrittlichen Lösungsvorschlag gehandelt hat. Die «Lex Forrer» wurde jedoch, wie bekannt, in der Volksabstimmung vom 20. Mai 1900 verworfen.

Auch das vom Volk schliesslich gutgeheissene Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG, Volksabstimmung 4. Febr.

1912, in Kraft seit I.Jan. 1914), welches von einer ganz anderen Konzeption ausgeht und auf die Einführung eines Krankenversicherungsobligatoriums verzichtet, hält sich an die im geltenden Recht bis heute fortbestehende und auch in unserer Vorlage für eine Teilrevision der Krankenversicherung (vgl. Botschaft vom 19. Aug. 1981; BB1 1981 II 1117 ff.) beibehaltene Vorstellung, wonach die Leistungen bei Mutterschaft von der sozialen Krankenversicherung zu erbringen sind. Dies wird in der bundesrätlichen Botschaft vom 10. Dezember 1906 zu diesem Gesetz (BB11906 VI 229ff., vgl. insb. S. 289) wie folgt begründet: 850

Unser Entwurf... stellt den Grundsatz auf, dass die anerkannten Kassen den Wöchnerinnen die für einen eigentlichen Krankheitsfall vorgesehenen Leistungen zu gewähren haben.

Von den gegenwärtig bestehenden Krankenkassen mit Frauenversicherung verweigern die meisten jegliche Leistung, wenn eine Arbeitsunfähigkeit infolge Wochenbettes oder Fehlgeburt entsteht, oder sie bestimmen für diese Fälle eine besondere Wartefrist von einigen Wochen. Wenn aber während dieser Wartefrist die Versicherte von einer Krankheit befallen wird, die von ihrem Wochenbett unabhängig ist, so werden die Leistungen für diese Krankheit gewährt. Es braucht nicht auf die Spitzfindigkeit einer solchen Unterscheidung hingewiesen zu werden. In welchem Masse wird z. B. eine Brustfellentzündung oder eine allgemeine Infektion durch ein Wochenbett verursacht .oder verschlimmert? Überdies ist, vom ökonomischen Standpunkte aus betrachtet, die sich aus einem Wochenbett ergebende Arbeitsunfähigkeit die gleiche, wie die wegen einer gewöhnlichen Krankheit. Sie wird sogar noch1 erschwert durch das Hinzukommen des Neugeborenen, dessen Ernährung und Pflege besondere Kosten nach sich ziehen.

Es scheint uns daher angezeigt, die Mutterschaft zu ehren und zu ermuntern, indem wir für, Wöchnerinnen Leistungen vorsehen. Diese Bestimmung, von offenkundig ethischem Werte, bietet vom Standpunkt der Geburtsfrequenz und demjenigen der Gesundheit der kommenden Geschlechter ein grosses Interesse. Sie ist um so mehr am Platze, als eine spezielle und eigene Versicherung für Wöchnerinnen sich kaum in genügendem Masse einbürgern würde. ...

·

Nach Artikel 14 des KUVG von 1911, der bis zu der auch für die Mutterschaftsleistungen bedeütsarhen Teilrevision von 1964 unverändert in Kraft blieb, hatten die Kassen bei Mutterschaft jeder Versicherten, die während, wenigstens neun Monaten ohne1 eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten bei einer oder mehreren Krankenkassen Mitglied gewesen ist, die gleichen Leistungen zu gewähren wie bei Krankheit, und zwar während mindestens sechs Wochen.

Hinzu kam allenfalls ein sogenanntes Stillgeld von mindestens 20 Franken für zehnwöchiges Stillen. Die Versicherung konnte dabei, wie dies heute noch der Fall ist, entweder gleichzeitig Krankenpflege und Krankengeld umfassen oder sich nur auf eines von beiden beschränken, wobei sich die Höhe des Krankengeldes nach den jeweils vereinbarten Versicherungsbedingungen (gesetzliches Minimum l Fr. bei voller Erwerbsunfähigkeit) richtete und die Pflichtleistungen für Krankenpflege zwar die Kosten für ärztliche Behandlung und Arznei umfassten, nicht aber für die Gebunshilfe durch eine Hebamme und für Kontrolluntersuchungen der Schwangeren und der Wöchnerin.

Die durch das KUVG geschaffene Situation blieb bis 1964 unverändert. In der Zwischenzeit wurden jedoch verschiedene Versuche unternommen, eine besondere Mutterschaftsversicherung einzurichten.

Schon im Jahre 1920, als es abzuklären galt, ob die Schweiz das von der Internationalen Arbeitskonferenz beschlossene Übereinkommen Nr. 3 von 1919 über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft ratifizieren,solle, prüfte man die Frage einer Ausdehnung der Leistungen im Falle der Mutterschaft. Es wurde in Zusammenarbeit mit einer Expertenkommission ein erster Entwurf für eine eigene Mutterschaftsversicherung erstellt. Dieser wurde in der Folge mit einem parallel dazu vorbereiteten Entwurf für eine Totalrevision der Krankenversicherung von 1921, verbunden. Die Experten befürworteten damals ein Versicherungsobligatorium für Personen, deren Einkommen eine bestimmte 851

Grenze nicht überstieg. Das ganze Vorhaben wurde jedoch dann mit Rücksicht auf die in den Vordergrund tretenden Vorarbeiten für eine Gesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zurückgestellt.

312

Bestrebungen zur Einrichtung einer eigentlichen Mutterschaftsversicherung aufgrund des Familienschutzartikels von 1945

Neuen Auftrieb für die Befürworter einer ausgebauten Mutterschaftsversicherung brachten dann das am 13. Mai 1942 eingereichte Volksbegehren «Für die Familie» und der von den eidgenössischen Räten als Gegenentwurf hiezu unterbreitete Familienschutzartikel 34
1944; BB1 1944 865ff.), der - nach dem Rückzug der Initiative - in der Volksabstimmung vom 25. November 1945 mit 548 601 gegen 170 278 Stimmen und von allen Ständen gegen einen halben Stand angenommen wurde und in seinem Absatz 4 mit Bezug auf die Mutterschaftsversicherung folgendes vorsieht: - Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung durch den Bundesgesetzgeber, - Möglichkeit, diese allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären, - Befugnis, auch Personen, die nicht in den Genuss der Versicherungsleistungen kommen können, zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten, - Kompetenz zur Gewährung von Bundesbeiträgen, deren Höhe von angemessenen Leistungen der Kantone abhängig gemacht werden kann.

Damit war die bis heute unverändert gebliebene verfassungsmässige Grundlage für die bundesrechtliche Einführung einer ausgebauten Mutterschaftsversicherung gelegt (vgl. hiezu Ziff. 521), und es fehlte auch nicht an Versuchen, schon bald nach Inkrafttreten des neuen Verfassungsartikels eine entsprechende Gesetzgebung zu verwirklichen.

312.1

Der Entwurf von 1946

Am 30. August 1946 veröffentlichte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement den von einer Expertenkommission vorbereiteten Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung, der eine ausgebaute Versicherung mit nennenswerten Leistungen vorsah, und unterbreitete ihn den Kantonen und interessierten Organisationen zur Vernehmlassung. In diesem Entwurf war kein Obligatorium der Mutterschaftsversicherung vorgesehen. Vielmehr sollte die Mutterschaftsversicherung, genau wie die Krankenversicherung, von Bundesrechts wegen als freiwillige Versicherung ausgestaltet werden. Sie wäre organisatorisch mit der Krankenversicherung verbunden gewesen (Durchführung durch die anerkannten Krankenkassen) und wäre nur den freiwillig gegen Krankheit versicherten Frauen, gleichgültig ob verheiratet oder ledig, offengestanden. Zur Begründung dieser Konzeption wurde geltend gemacht, ein Obligatorium komme erst dann in Frage, wenn es in der Krankenversicherung existiere; im weitern sei es nicht sinnvoll, eine Mutterschaftsversicherung für nicht 852

gegen Krankheit versicherte Frauen vorzusehen, da der Versicherungsschutz dann gerade in jenen Fällen ungenügend sei, in denen die finanzielle Belastung am stärksten wäre, nämlich bei Erkrankungen während der Schwangerschaft oder nach Ablauf der für die eigentlichen Mutterschaftsleistungen vorgesehenen Dauer. Mit ändern Worten: Wer sich für die Mutterschaftsleistungen versichern lassen wollte, sollte veranlasst werden, sich auch gegen Krankheit zu versichern.

Die Finanzierung der Mutterschaftsversicherung wäre durch gleich hohe Beiträge der Versicherten beiderlei Geschlechts sowie durch Beiträge von ! Bund und Kantonen sicherzustellen gewesen, und die Krankenkassen hätten ihre Leistungen zu Lasten der Mutterschaftsversicherung für eine Dauer von zwei Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt ohne jeden Selbstbehalt von selten der Versicherten zu erbringen gehabt. Der Entwurf kannte, wegen der Freiwilligkeit der Versicherung, eine Karenzfrist für die Leistungsberechtigung (270 Tage Kassenmitgliedschaft bis zur Niederkunft, ohne Unterbruch von mehr als drei Monaten), doch konnten die Kassen in ihren Statuten darauf verzichten oder sie verkürzen. Hinsichtlich Art und Umfang der versicherten Leistungen unterschied der Entwurf zwischen Pflegeversicherung und Taggeldversicherung, wobei es möglich war, sich entweder allein auf die Pflegeversicherung zu beschränken oder für Taggeld und Pflege zusammen versichert zu sein, nicht aber, sich ausschliesslich für Taggeld zu versichern.

Die Pflegeversicherung umfasste praktisch alle wichtigen Leistungen bei Hausoder Spitalgeburt (Kosten für Hebamme, Arzt und Arznei, einen pauschalen Beitrag an die Unkosten des Wochenbettes, einen Beitrag an die Kosten der Entbindung im Spital, einen Verpflegungsbeitrag für das Kind, Transportkosten in Notfällen). Die Versicherte hatte das Recht, zwischen der. Entbindung zu Hause oder im Spital frei zu wählen; als weitere Leistungen kamen vier Kontrolluntersuchungen ;vor und eine innerhalb sechs Wochen nach der Geburt hinzu. Unter die Rubrik Pfiegeleistungen fiel auch noch ein einheitlicher Beitrag an den Lohnausfall der Versicherten von 2 Franken pro Tag, sofern sie innert neun Monaten vor der Geburt während mindestens sechs Monaten eine regelmässige unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte. Damit hätte auch die nur
der Pflegeversicherung beigetretene Frau eine gewisse Mindestentschädigung für ihren Verdienstausfall erhalten sollen. Schliesslich gehörte auch noch ein Stillgeld (mindestens 30 Fr. für zehnwöchiges Stillen, mit Zuschlägen für längere Stilldauer und bei Mehrlingsgeburten) zu den sogenannten Pflegeleistungen.

In der Taggeldversicherung sollte die Wöchnerin während der Bezugsdauer der Mutterschaftsleistungen Anspruch auf das versicherte Krankengeld sowie, bei unselbständiger Erwerbstätigkeit, auf einen begrenzten Zuschlag für den Lohnausfall haben, wobei Krankengeld und Zuschlag zusammen den tatsächlichen Lohnausfall nicht übersteigen durften. Anspruchsvoraussetzung für Taggeld und Zuschlag war, dass die Versicherte keine gesundheitsschädliche Arbeit verrichtete, wobei Arbeiten im eigenen Haushalt in der Regel nicht als gesundheitsschädlich gelten sollten.

Zusammenfassend lässt sich der Entwurf von 1946 charakterisieren als Versuch, auf der Basis freiwilliger Mitgliedschaft eine eigenständige Mutterschaftsversicherung mit gewissen Solidaritätskomponenten (Beiträge der Männer, Beitrag 853

der öffentlichen Hand) einzurichten, wobei diese Versicherung organisch mit der Krankenversicherung verknüpft sein und ein umfassend und flexibel ausgestaltetes Leistungsangebot aufweisen sollte. Dieser Expertenvorschlag geriet in den Sog der Vorbereitungsarbeiten für eine Neuordnung der Krankenversicherung, sodass man schliesslich eine einzige Expertenkommission zunächst mit der Vorbereitung der Grundsätze (1947) und dann mit der Erarbeitung des Vorentwurfs (1952) für eine Revision der Krankenversicherung und die Einführung der Mutterschaftsversicherung betraute.

312.2

Bericht und Vorentwurf von 1954

Aus den Arbeiten der zweiten Expertenkommission ging nach intensiven Auseinandersetzungen vor allem mit der Frage eines allfälligen Bundesobligatoriums der am 3. Februar 1954 veröffentlichte «Bericht und Vorentwurf zu einem" Bundesgesetz über die Kranken- und Mutterschaftsversicherung» mit folgenden Grundzügen hervor.

Für die Krankenversicherung gedachte man weiterhin, auf ein bundesrechtliches Obligatorium zu verzichten. Daraus folgerte man jedoch nicht mehr, wie beim Entwurf von 1946, dass dann auch für die Mutterschaftsversicherung das gleiche gelten müsse, sondern die Mehrheit der Experten sprach sich für ein beschränktes Obligatorium besonderer Prägung aus. Die Beschränkung betraf dabei sowohl den vom Obligatorium erfassten Personenkreis als auch den Leistungsbereich. So sollte das bundesrechtliche Obligatorium nur für den Bereich der Pflegeleistungen gelten, nicht aber für die Taggeldversicherung, und überdies sollten nur Frauen im Alter zwischen 19 und 50 Jahren dem Obligatorium unterstehen, deren Einkommen und Vermögen, unter Berücksichtigung ihrer Unterhalts- und Unterstützungspflichten, bestimmte Grenzen nicht übersteigen.

Diese Grenzen wären von den Kantonen festzusetzen gewesen und hätten der Genehmigung des Bundesrates bedurft. Dadurch sollte den unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in den Kantonen angemessen Rechnung getragen werden.

Den Kantonen sollte es im übrigen freistehen, das Versicherungsobligatorium auszudehnen oder diese Befugnis an die Gemeinden zu übertragen, wobei ein obligatorisches Taggeld bei Mutterschaft nur dann zulässig gewesen wäre, wenn auch ein Krankengeldobligatorium bestanden hätte. Träger der Mutterschaftsversicherung wie der Krankenversicherung wären die anerkannten Krankenkassen gewesen. Für Frauen, die keinem Obligatorium der Mutterschaftsversicherung unterstanden, wäre der Versicherungsschutz bei Mutterschaft durch den Eintritt in eine anerkannte Krankenkasse zu erwerben gewesen.

Bei der soeben skizzierten Grundkonzeption des Vorentwurfes voh 1954 hätten Zusammenspiel und Abgrenzung zwischen Kranken- und Mutterschaftsversicherung wie folgt funktioniert: für krankenversicherte Frauen wäre die Mutterschafts- in die Krankenversicherung eingebaut gewesen, wobei die Bezugsdauern der ersteren auf diejenigen der letzteren nicht hätten
angerechnet werden dürfen; für nicht krankenversicherte Frauen mit obligatorischer Unterstellung unter die Mutterschaftsversicherung hätten die Krankenkassen lediglich die vom Gesetz vorgeschriebene Mutterschaftsversicherung durchzuführen gehabt, 854

wobei während der Dauer des Anspruchs auf. Mutterschaftsleistungen auch die Behandlung von Krankheiten mitgedeckt gewesen wäre. Dadurch sollten heikle Abgrenzungsprobleme vermieden und der Versicherungsschutz der werdenden Mutter und der Wöchnerin verstärkt werden.

Bei der Finanzierung der Mutterschaftsversicherung hätte sich ebenfalls ein Unterschied zwischen den gleichzeitig krankenversicherten Frauen und den nur für Mutterschaft versicherten Frauen ergeben: Im ersten Fall wäre ein Zuschlag zu den Krankenversicherungsprämien der über 19jährigen weiblichen und männlichen Versicherten erhoben worden, welcher weder, nach dem Alter noch nach dem Geschlecht hätte abgestuft werden dürfen. Die lediglich der Mutterschaftsversicherung unterstehenden Frauen wären dagegen nicht in den Genuss der gleichen Solidaritäten gelangt; sie hätten die für die jeweilige Versichertengruppe entstehenden Versicherungskosten durch ihre eigenen Prämien zu dekken gehabt. Für die beiden Kategorien von Versicherten wäre jedoch ein Beitrag des Bundes pro Wochenbett vorgesehen gewesen.

Im Leistungsbereich hielt sich der Vorentwurf von 1954 im wesentlichen an das Niveau des hievor beschriebenen Entwurfs von 1946, wobei jedoch besonders im Bereich der Geldleistungen gewisse Vereinfachungen vorgesehen wurden.

Bericht und Vorentwurf vom 3. Februar 1954 mit Vorschlägen für eine Totalrevision der Krankenversicherung und dem soeben geschilderten Konzept der Mutterschaftsversicherung wurden den Kantonen, interessierten Verbänden und politischen Parteien zur Vernehmlassung zugestellt. Es zeigte sich, dass die Meinungen in grundlegenden Fragen, so insbesondere auch mit Bezug auf ein Bundesobligatorium für die Mutterschaftsversicherung, stark auseinander gingen und dass der Vorentwurf daher der Überarbeitung bedurfte. In der Folge wurden jedoch die Revisionsarbeiten im Hinblick auf die Arbeiten für die Einführung der Invalidenversicherung zurückgestellt. Eine Teilrevision der Krankenversicherung erfolgte dann erst durch das Bundesgesetz vom 13. März 1964.

313

Revision des KUVG von 1964

Mit der Revision vom ;13. März 1964 wurde der Erste Titel des KUVG in zahlreichen wesentlichen Punkten geändert. Dazu gehörte insbesondere auch Artikel 14, der für versicherte Wöchnerinnen bei Niederkunft die gleichen Leistungen vorsah wie bei Krankheit, jedoch entscheidende Lücken aufwies, wie namentlich die fehlende Verpflichtung der Kassen, Leistungen für die Geburtshilfe durch eine Hebamme und für Kontrollüntersuchungen vor und nach der Schwangerschaft zu erbringen. Aus den gescheiterten Versuchen zur Einrichtung einer besonderen Mutterschaftsversicherung (vgl. hievor Ziff. 312) hatte man allerdings die Konsequenzen gezogen und beschränkte sich nunmehr darauf, innerhalb der nach wie vor bundesrechtlich freiwilligen Krankenversicherung, eine Verbesserung der Leistungen bei Mutterschaft vorzusehen. Wegleitend waren dabei die im Vorentwurf von 1954 vorgeschlagenen Mindestleistungen, wobei jedoch auf i Ausrichtung eines Barbeitrages an die allgemeinen Wochenbettkosten ebenso verzichtet wurde, wie auf eine besondere Erwerbsausfallentschädigung (vgl. hiezu Botschaft vom 5. Juni 1961 betr. Änderung des Ersten 855

Titels des KUVG; BB1 1961 l 1435-1438). Die 1964 eingeführten Neuerungen sind bis heute geltendes Recht. Wir werden bei der Darstellung der heutigen Ordnung unter Ziffer 522 darauf zurückkommen.

314

Reformbestrebungen in der Krankenversicherung nach der Revision von 1964

Nach der Revision von 1964 blieb die Entwicklung nicht stehen. Schon wenige Jahre danach setzten die Bemühungen um eine Neugestaltung der Krankenversicherung auf breiter Front ein. Dabei standen zwar die Mutterschaftsleistungen nicht eigentlich im Vordergrund. Die Reformbestrebungen hätten jedoch auch auf sie ihren Einfluss gehabt. Es sei hier insbesondere erinnert an das im Bericht der Expertenkommission für die Neuordnung der Krankenversicherung vom 11. Februar 1972 entwickelte sog. «Flimser Modell» und an die schliesslich in der Volksabstimmung vom 8. Dezember 1974 gescheiterten Versuche, die Kranken- und Unfallversicherung auf eine neue verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen (Volksinitiative vom 31. März 1970 und Gegenentwurf der Bundesversammlung vom 22. März 1974). Die dort vorgesehenen mehr oder weniger umfassenden Obligatorien in der Krankenversicherung mit neuen Finanzierungsformen hätten jeweils auch den Versicherungsschutz bei Mutterschaft mit umfasst. Für Einzelheiten verweisen wir auf die Botschaft des Bundesrates vom 19. März 1973 zum Entwurf betreffend die Änderung der Bundesverfassung auf dem Gebiet der Kranken-, Unfall- und Mutterschaftsversicherung und Bericht zum Volksbegehren für die soziale Krankenversicherung (BB1 1973 I 940 ff.) sowie die Botschaft über die Teilrevision der Krankenversicherung vom 19. August 1981 (BB1 1981 II 1117ff., insbesondere 1136 und 1137). Der von den eidgenössischen Räten seinerzeit als Gegenentwurf zur Volksinitiative vom 31. März 1970 unterbreitete Vorschlag sah übrigens zur Finanzierung der Krankenversicherung auch einen allgemeinen Beitrag von höchstens 3 Lohnprozenten vor, der unter anderem für Mutterschaftsleistungen verwendet werden sollte.

315

Bestrebungen für einen Ausbau des Mutterschaftsschutzes nach 1974

Schon im Laufe des Jahres 1975 wurden aufgrund parlamentarischer Vorstösse, die nunmehr eine Revision der Krankenversicherung auf Gesetzesebene verlangten, erneute Vorbereitungsarbeiten für eine Teilrevision der Krankenversicherung an die Hand genommen, die über mehrere Stufen zu der mit unserer Botschaft vom 19. August 1981 unterbreiteten Vorlage führten (vgl. BEI 1981 II 1117 ff.), welche gegenwärtig von den eidgenössischen Räten behandelt wird.

Zahlreiche parlamentarische Vorstösse zielten auch auf Leistungsverbesserungen und einen Ausbau der Mutterschaftsversicherung, sei es innerhalb des traditionellen Systems der Krankenversicherung oder durch Einrichtung einer besonderen Versicherung für Mutterschaft. Eine Zusammenstellung dieser Vorstösse findet sich in der erwähnten Botschaft (vgl. BB1 1981 II 1117-1119 und' 1136).

856

Speziell sei noch an zwei hängige Initiativen erinnert, die gleichfalls auf eine Verstärkung des Mutterschaftsschutzes durch,Schaffung einer ausgebauten Mutterschaftsversicherung abzielen, nämlich die Einzelinitiative Manchen zur Familienpolitik vom 13. Dezember 1977 und die Standesinitiative des Kantons Genf betreffend den Mutterschaftsschutz vom 1. Juli 1981, die beide in der Form der allgemeinen Anregung gehalten sind. Die Initiative Nanchen stellt weitgehend gleiche Forderungen auf wie die Volksinitiative vom 21. Januar 1980 «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft», weshalb die mit der Prüfung der Initiative Nanchen betraute vorberatende Kommission des Nationalrats im April 1979 ihre Beratungen bis zum Erscheinen der Botschaft über die Volksinitiative ausgesetzt hat. Die Standesinitiative des Kantons Genf drückt den Wunsch aus, die eidgenössischen Räte 'mögen die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» speditiv und wohlwollend behandeln und postuliert ihrerseits die rasche Schaffung einer Mutterschaftsversicherung, welche die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt entstehenden Pflegekosten deckt sowie ein Taggeld während eines lowöchigen Mutterschaftsurlaubs gewährt; zudem fordert sie ein Kündigungsverbot für die Zeit der Schwangerschaft und des Mutterschaftsurlaubs ; sie wird derzeit zusammen mit unserer Vorlage zur Teilrevision der Krankenversicherung vom 19. August 1981 von einer vorberatenden Kommission des Nationalrates geprüft.

316

Ausbau der Mutterschaftsversicherung im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung (Vorlage vom 19. Aug. 1981)

Mit unserer bereits mehrfach erwähnten Vorlage für eine Teilrevision der Krankenversicherung haben wir Vorschläge für einen umfassenden Ausbau der Leistungen bei Mutterschaft unterbreitet, die den zahlreichen parlamentarischen Vorstössen in dieser Sache sehr weitgehend Rechnung tragen und den Forderungen der Volksinitiative vom 21. Januar 1980 «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft», so weit uns dies realistischerweise möglich erscheint, entgegenkommen. In welchem Umfang dies im einzelnen der Fall ist, soll unter Ziffer 53 im einzelnen dargestellt werden. Hier sei nur summarisch auf die wichtigsten Verbesserungen verwiesen, welche die Teilrevisionsvorlage im Bereiche der Mutterschaftsleistungen vorschlägt: - Verlängerung der Leistungsdauer bei Mutterschaft von 10 auf 16 Wochen; - obligatorische Taggeldversicherung für Arbeitnehmerinnen und, in :diesem Rahmen, während des lowöchigen Mutterschaftsurlaubs Erwerbsersatz in Höhe von 80 Prozent des Lohnes ; - besonderes Taggeld auch für nicht dem Obligatorium unterstehende, Frauen zur Deckung gewisser durch die Mutterschaft verursachter Kosten und Möglichkeit für selbständigerwerbende und nichterwerbstätige Frauen, sich freiwillig für Taggeld zu versichern; - Vergütung der Pflegeleistungen in Höhe von vier Fünfteln des normalen gesetzlichen Anspruchs an nicht versicherte Frauen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen; - Ausdehnung des i Kündigungsschutzes auf die Zeit der gesamten Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Niederkunft; 857

- Finanzierung der Pflegeleistungen und des besonderen Taggeldes bei Mutterschaft durch Beiträge des Bundes und der obligatorischen Taggelder durch lohnprozentuale Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

32

Auf Kantonsebene

Wie schon eingangs unter Ziffer 3 ausgeführt wurde, ist der wirtschaftliche Schutz der Mutterschaft keine ausschliessliche Domäne des Sozialversicherungsrechts des Bundes. Auch die Kantone und die Gemeinden werden in diesem Bereich tätig. Wir denken dabei einerseits an die den Kantonen oder allenfalls den Gemeinden eingeräumte Möglichkeit, die Krankenversicherung - und damit auch die Mutterschaftsleistungen - nach KUVG obligatorisch zu erklären, und anderseits an die in verschiedenen Kantonen vorgesehenen Massnahmen zum Schutz von Mutter und Kind.

321

Kantonale oder kommunale Versicherungsobligatorien im Bereich des KUVG

Nach Artikel 2 KUVG sind die Kantone ermächtigt, «die Krankenversicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen obligatorisch zu erklären» oder «diese Befugnis ihren Gemeinden zu überlassen». Damit hat der Bundesgesetzgeber, der die soziale Krankenversicherung bisher auf der Basis freiwilliger Mitgliedschaft geordnet hat, die ihm durch Artikel 34bis Absatz 2 BV übertragene Befugnis zur Einführung eines Krankenversicherungsobligatoriums an die Kantone delegiert und ihnen die Weiterdelegation an die Gemeinden ermöglicht. Mit der Obligatorischerklärung der Krankenversicherung wird in dem betreffenden Kanton oder in der betreffenden Gemeinde auch die Versicherung der. Mutterschaftsleistungen nach Artikel 14 KUVG für den vom Obligatorium erfassten Personenkreis zwingend. Dies würde natürlich auch für allfällige Leistungsverbesserungen gelten. Den gegenwärtigen Stand der kantonalen und kommunalen Versicherungsobligatorien haben wir in unserer Botschaft über die Teilrevision der Krankenversicherung (BB1 1981II 1128) dargestellt.

322

Besondere kantonale Leistungen bei Mutterschaft

Verschiedene Kantone gewähren aufgrund ihrer Familienzulagengesetze auch Geburtszulagen. Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmer und zum Teil auch Selbständigerwerbende, sofern eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschritten ist. In einigen Kantonen werden Geburtszulagen auch ergänzend zum Bundesgesetz über Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) ausgerichtet, welches das Institut der Geburtszulage nicht kennt.

Gegenwärtig ergibt sich folgendes Gesamtbild: - 9 Kantone (LU, UR, SZ, FR, SO, SH, VD, VS, GE) gewähren Geburtszulagen an Arbeitnehmer ausserhalb der Landwirtschaft; Ausländer mit Kindern in der Schweiz sind dabei den Schweizern gleichgestellt. 6 der genannten Kan858

tone (LU, UR, FR, SO, SH, VS) gewähren die Geburtszulage auch an ausländische Arbeitnehmer für Kinder im Ausland.

- 3 Kantone (ÜR, SZ, SH) sehen Geburtszulagen auch für Selbständigerwerbende ausserhalb' der Landwirtschaft vor, sofern deren Einkommen eine gewisse Grenze nicht überschreitet.

- 7 Kantone (FR, SO, SH, VD, VS, NE, GÈ) gewähren Geburtszulagen in Ergänzung zum Bundesgesetz über Familienzulagen in der Landwirtschaft.

- Die Höhe der Geburtszulage ist von Kanton zu Kanton verschieden; der niedrigste Betrag beläuft sich heute auf 200, der höchste auf 660 Franken; dabei gewährt SO seine Geburtszulage (500 Fr.) erst ab dem dritten Kind, SH die seinige (500 Fr.) nur dann, wenn das AHV-pflichtige Einkommen 28 000 Franken im Jahr nicht erreicht.

Der Kanton Schaffhausen kennt seit dem 1. Juli 1982 neben den Geburtszulagen auch noch sogenannte «Erwerbsersatzleistungen für Mütter». Sie stehen im Kanton wohnenden Frauen mit der Geburt eines Kindes und für die Dauer von zwei Jahren zu, sofern sie nach der Geburt aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen wären, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und das persönliche oder familiäre Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet (gegenwärtig jährlich 18 000 Fr. bei Alleinstehenden, 28 000 Fr. bei zusammenlebenden Eltern, zuzüglich 2000 Fr. je Kind ab dem 2. Kind). Die Erwerbsersatzleistung entspricht der Differenz zwischen dem eigenen oder dem Familieneinkommen und der erwähnten Einkommensgrenze. Der Anspruch erlischt, wenn die Mutter innerhalb der zweijährigen Bezugsdauer eine Erwerbstätigkeit von mehr als der Hälfte eines vollen Arbeitspensums aufnimmt oder wenn sie ihr Kind mehr als halbtägig in andere Obhut gibt. Der Zweck dieser Mutterschaftsleistung ist eindeutig: Sie soll es der Mutter, die sonst gezwungen wäre, erwerbstätig zu sein, ermöglichen, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich nach der Geburt und während der ersten Lebensphase ganz ihrem Kind zu widmen.

Eine ähnliche Zielsetzung, wenn auch in etwas modifizierter Form verfolgen die sogenannten «Mutterschaftsbeiträge», die auf den 1. Januar 1983 im Kanton Zug eingeführt werden. Bei ihnen ist die Bezugsdauer kürzer, und im Vordergrund steht, dass eine Familie oder eine alleinstehende Frau nicht gezwungen sein soll, aus wirtschaftlichen Gründen auf 'ein Kind zu verzichten oder eine
Schwangerschaft abzubrechen. Bei Bedarf können Mutterschaftsbeiträge auch schon vor der Geburt ausgerichtet werden. Der entsprechende Kantonsratsbeschluss ist auf fünf Jahre befristet; er ist als Übergangslösung gedacht, solange der Mutterschaftsschutz auf Bundesebene noch nicht in genügendem Masse ausgebaut ist.

4

Bestrebungen zum Schutz der Mutterschaft auf internationaler Ebene und im Ausland

Der Schutz der Mutterschaft ist Gegenstand von Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sowie von Übereinkommen des Europarates, die für die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten Standardnormen aufstellen möchten. Bestimmungen zum Schutz der Frau gegen 859

die wirtschaftlichen Folgen der Mutterschaft sind sodann in den Sozialversicherungsgesetzgebungen aller europäischen Länder enthalten, wobei die Mutterschaftsversicherung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgestaltet ist. Im folgenden sind die wesentlichen internationalen Bestimmungen zum Schutz der Mutterschaft (Ziff. 41) und die Grundzüge der Systeme der Mutterschaftsversicherung verschiedener europäischer Länder (Ziff. 42) darzustellen.

Diese Darstellung stützt sich auf verschiedene Untersuchungen, im wesentlichen aber auf den anfangs 1982 vom Internationalen Arbeitsamt verfassten Entwurf zum Bericht betreffend die Übereinkommen Nummer 3 (1919) und Nummer 103 (Neufassung 1952) zum Schutz der Mutterschaft.

41

Der Schutz der Mutterschaft auf internationaler Ebene

411

Übereinkommen und Empfehlungen der IAO

Die Bestimmungen der IAO zum Schutz der Mutterschaft sind insbesondere in den Übereinkommen zum Schutz der Mutterschaft Nummer 3 und Nummer 103 (Neufassung) sowie in den diese Übereinkommen ergänzenden Empfehlungen Nummer 12 und 95 enthalten. Am 31. Dezember 1981 war das am 13. Juni 1921 in Kraft getretene Übereinkommen Nummer 3 von 28 Mitgliedstaaten und das am 7. September 1955 in Kraft getretene Übereinkommen Nummer 103 von 20 Mitgliedstaaten ratifiziert. Durch die Ratifikation haben sich diese Staaten verpflichtet, die in den Übereinkommen vorgesehenen Bestimmungen anzuwenden und die notwendigen Massnahmen zu deren Durchsetzung zu treffen, wobei allerdings gewisse Abweichungen möglich sind.

Die Schweiz hat keines dieser beiden Übereinkommen ratifiziert.

Das Übereinkommen Nummer 3 ist auf in Gewerbe- und Handelsbetrieben beschäftigte Frauen anwendbar. Es sieht einen gleichmässig auf die Zeit vor und nach der Niederkunft aufzuteilenden Mutterschaftsurlaub von zwölf Wochen vor, wobei ein sechswöchiger Urlaub nach der Niederkunft obligatorisch ist.

Während diesen zwölf Wochen hat jede Frau Anspruch auf unentgeltliche Behandlung durch einen Arzt oder eine Hebamme sowie auf eine aus öffentlichen Mitteln oder durch eine Versicherung aufgebrachte Unterstützung, die ausreicht, um sie und ihr Kind in guten gesundheitlichen Verhältnissen zu erhalten.

Das Arbeitsverhältnis darf während des Mutterschaftsurlaubes oder während einer durch die Schwangerschaft oder durch die Niederkunft bedingten Krankheit nicht gekündigt werden.

Die 1921 beschlossene 'Empfehlung Nummer 12 betreffend den Mutterschutz (Landwirtschaft) legt den Mitgliedstaaten die Anordnung von Massnahmen nahe, um den Arbeitnehmerinnen in landwirtschaftlichen Betrieben vor und nach der Niederkunft einen ähnlichen Schutz zu gewähren, wie er für die in Handel und Gewerbe tätigen Frauen im Übereinkommen Nummer 3 vorgesehen ist.

Das Übereinkommen Nummer 103 gibt nochmals die Grundsätze des Übereinkommens Nummer 3 wieder, ist aber ausführlicher und in gewissen Bereichen flexibler. Es findet Anwendung auf Frauen, die in gewerblichen Betrieben oder 860

mit nichtgewerblichen oder landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt sind, einschliesslich der Heimarbeiterinnen. Während des vorgesehenen Mutterschaftsurlaubes von mindestens zwölf Wochen ist entsprechend dem Übereinkommen Nummer 3 eine für den Unterhalt der Frau und ihres Kindes ausreichende Entschädigung auszurichten, wobei die Höhe der im Rahmen einer sozialen Pflichtversicherung ausgerichteten Entschädigung dahingehend festgelegt wird, dass sie - sofern sie sich nach dem früheren Verdienst der Frau richtet - mindestens zwei Drittel desselben zu betragen hat. Die medizinischen Leistungen haben die Betreuung vor, während und nach der Niederkunft durch eine geprüfte Hebamme oder durch einen Arzt, sowie nötigenfalls die Spitalpflege zu umfassen.

Das Übereinkommen sieht die Finanzierung der Mutterschaftsversicherung durch den Arbeitgeber allein oder gemeinsam durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor, wobei innerhalb des gleichen Betriebes die Männer und die Frauen gleichermassen zur Zahlung von Beiträgen (berechnet aufgrund des Verdienstes) verpflichtet sind. Der Kündigungsschutz erstreckt sich auf die Zeit des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit, das heisst auf mindestens zwölf Wochen.

Die 1952 angenommene Empfehlung Nummer 95 betreffend den Mutterschutz enthält in verschiedener Hinsicht weitergehende Schutzbestimmungen: Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubes auf 14 Wochen; zusätzliche Verlängerung des Mutterschaftsurlaubes in bestimmten Fällen; Festsetzung der Entschädigung auf 100 Prozent des früheren Verdienstes; Gewährung zusätzlicher medizinischer Leistungen und anderer Sach- oder Geldleistungen; Ausdehnung des Kündigungsschutzes, das heisst vom Zeitpunkt an, an dem der Arbeitgeber durch ein ärztliches Zeugnis von der Schwangerschaft Kenntnis erhält, bis zu mindestens einem Monat nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubes. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann allerdings schwere Verstösse der beschäftigten Frau, Schliessung des Betriebs oder die Beendigung des ArbeitsVertrags als ausreichende Gründe zur Entlassung während der Schutzzeit anerkennen. Zudem ist vorgesehen, dass während der Zeit des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit vor und nach der Niederkunft die Rechte der Frau, die sich aus der Dauer ihrer Betriebs- oder Berufszugehörigkeit ergeben, sowie ihr Anspruch auf Wiederbeschäftigung
mit ihrer früheren Arbeit oder auf Beschäftigung mit einer gleichwertigen oder gleichbezahlten Arbeit gewahrt werden sollen.

Die Schweiz wäre beim gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung nicht in der Lage, die Verpflichtungen des Übereinkommens Nummer 103 über die Mutterschaftsversicherung zu erfüllen (vgl. Bericht vom 18. Dez. 1953 über die 35. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz [BB1 1953 III 981 ff., insbesondere S. 1010-1012]; auch die Revision des KUVG von 1964 hat an dieser Situation nichts geändert).

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Bestimmungen über den Schutz der Mutterschaft sind auch noch in anderen Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die insbesondere Schutzmassnahmen für schwangere Frauen und Mütter am Arbeitsplatz vorsehen, sowie in zahlreichen von verschiedenen Organen der IAO angenommenen Resolutionen enthalten. Wir begnügen uns mit einem Hinweis auf das Übereinkommen (Nr. 102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit (1952) und die, Empfehlung (Nr. 165) betreffend die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung der weiblichen und männlichen Arbeitnehmer: Arbeitnehmer mit Familien861

pflichten (1981). Das Übereinkommen Nummer 102 wurde von der Schweiz unter anderem mit Ausnahme des Teils VIII (Art. 46-52), der den Mutterschaftsleistungen gewidmet ist, ratifiziert (vgl. Ziff. 32 der Botschaft vom 17. Nov. 1976 betreffend 3 Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation und des Europarates über Soziale Sicherheit; BEI 1976 III 1317 ff.). Die Empfehlung Nummer 165 befürwortet insbesondere die Einführung eines Elternurlaubes (vgl. Ziff. 424).

412

Übereinkommen des Europarates

Die Schweiz ist am 6. Mai 1963 dem Europarat beigetreten. Auch der Europarat ist bestrebt, vor allem durch den Abschluss von Übereinkommen und Resolutionen in den Mitgliedstaaten, gewisse Mindestnormen der Sozialpolitik zu verwirklichen. Im folgenden sind die in der Europäischen Sozial Charta von 1961, der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit von 1964 und dem Europäischen Übereinkommen über die Soziale Sicherheit von 1972 enthaltenen Bestimmungen über den Schutz der Mutterschaft summarisch darzustellen. Auf die verschiedenen Resolutionen betreffend den Schutz der Mutterschaft ist allerdings nicht näher einzugehen.

Die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 ist ein wichtiges Vertragswerk, das von der Schweiz am 6. Mai 1976 unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet worden ist. Von besonderer Bedeutung für den Schutz der Mutterschaft sind die Artikel 8 und 17 der Charta. Nach Artikel 8 (Das Recht der Arbeitnehmerinnen auf Schutz) haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass Frauen vor und nach der Niederkunft eine Arbeitsbefreiung von insgesamt mindestens zwölf Wochen erhalten, und zwar entweder in Form eines bezahlten Urlaubes oder durch angemessene Leistungen der sozialen Sicherheit oder aus sonstigen Mitteln (Ziff. 1); ferner haben es die Vertragsparteien als ungesetzlich zu betrachten, dass ein Arbeitgeber einer Frau während ihrer Abwesenheit infolge Mutterschaftsurlaubs kündigt, oder derweise, dass die Kündigungsfrist während einer solchen Abwesenheit abläuft (Ziff. 2). Nach Artikel 17 (Das Recht der Mutter und der Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz) haben die Vertragsparteien alle geeigneten und notwendigen Massnahmen zu treffen, einschliesslich der Schaffung und dem Unterhalt geeigneter Einrichtungen und Dienste, um die wirksame Ausübung des Rechtes der Mütter und der Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz zu gewährleisten. Den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass Artikel 8 Ziffer l von der Bundesrepublik Deutschland (BRD), Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Schweden und Spanien, Artikel 8 Ziffer 2 von Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich und Spanien und Artikel 1.7 von der BRD, Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Island, Italien, den Niederlanden,
Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien angenommen worden sind.

Die beabsichtigte Gesetzesrevision würde es der Schweiz ermöglichen, im Bereich des Mutterschaftsschutzes den Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta, wie im übrigen auch dem Internationalen Pakt der UNO vom 19. De862

zember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, zu genügen.

Eine eventuelle Annahme der Volksinitiative führte zum gleichen Ergebnis.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 sieht in Artikel 10 Ziffer l Buchstabe b vor, dass die Leistungen bei Schwangerschaft, Niederkunft und ihren Folgen mindestens die Betreuung vor, während und nach der Niederkunft durch Ärzte oder geprüfte Hebammen und soweit erforderlich die Krankenhauspflege zu umfassen haben. Die eigentlichen Mutterschaftsleistungen werden in den Artikeln 46-52 (Teil VIII) umschrieben. Danach hat die Versicherung die Schwangerschaft und die Niederkunft sowie ihre Folgen und den daraus entstehenden Verdienstausfall zu decken; die Sach- und Geldleistungen sind nach erfüllter Wartezeit während der ganzen Dauer der Schwangerschaft, Niederkunft und der Folgezeit auszurichten, wobei jedoch - unter dem Vorbehalt einer günstigeren innerstaatlichen Regelung - regelmässig wiederkehrende Zahlungen auf zwölf Wochen begrenzt werden können.

Die Schweiz hat den den Mutterschaftsleistungen gewidmeten Teil VIII der Europäischen Ordnung und das Zusatzprotokoll nicht ratifiziert (vgl. Ziff. 46 der bereits erwähnten Botschaft vom 17. Nov. 1976).

Das Europäische Übereinkommen über die Soziale Sicherheit vom 14. Dezember 1972 widmet die Artikel 19-26 den Leistungen im Falle von Krankheit und Mutterschaft. Diese Artikel, die durch die Ergänzungsvereinbarung präzisiert werden, umschreiben die bei Krankheit oder Mutterschaft auszurichtenden Sach- oder Geldleistungen nicht, sondern bestimmen die von den Versicherten oder ihren Familienangehörigen zu erfüllenden Voraussetzungen, um bei Niederlassung oder Aufenthalt im Gebiet eines anderen Vertragsstaates, der mit dem zuständigen Staat nicht identisch ist, in den Genuss von Leistungen ,zu gelangen.

Die Schweiz hat dieses Übereinkommen weder unterzeichnet noch ratifiziert.

Dagegen hat sie das Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der,Rheinschiffer unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet (vgl. die entsprechende Botschaft vom 19. Mai 1982; BEI 1982 II 553-635), dessen 1. Kapitel (Art. 15-23) den Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft gewidmet ist und ähnliche Bestimmungen wie das Europäische Übereinkommen über die soziale Sicherheit enthält.

42

Der Schutz der Mutterschaft im Ausland

Im folgenden ist darzustellen, wie die von der Volksinitiative angesprochenen Probleme in den Gesetzgebungen verschiedener europäischer Länder gelöst worden sind.

421

Anwendungsbereich

Die Massnahmen zum Schutz der Mutterschaft sind je nach Land und geltendem Mutterschaftsversicherungssystem nur auf die (selbständig oder unselbständig) erwerbstätigen Frauen.oder auch auf die mitversicherten Frauen von 863

versicherten Männern oder auf die gesamte weibliche Bevölkerung anwendbar.

Anderseits deckt sich der Kreis der Frauen, die Anspruch auf Sachleistungen haben, nicht immer mit dem Kreis der Frauen, die Anspruch auf Geldleistungen haben (vgl. hiezu die 1. Kolonne der Tab. 1).

Hinsichtlich der erwerbstätigen Frauen kann festgestellt werden, dass in den untersuchten Ländern praktisch alle in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmerinnen sowie die Arbeitnehmerinnen im Hausdienst und die Heimarbeiterinnen in den Genuss der gesetzlich vorgesehenen Mutterschaftsschutzmassnahmen kommen.

Obwohl die Frauen de jure geschützt sind, ist ihr Leistungsanspruch (Sach- und Geldleistungen) in einigen Ländern von einer bestimmten Versicherungs-, Beitrags-, Anstellungs- oder Aufenthaltsdauer abhängig. Diese Leistungsvoraussetzungen sind von Staat zu Staat unterschiedlich ausgestaltet; für die Sachleistungen sind sie jedoch weniger restriktiv als für die Geldleistungen oder überhaupt nicht vorgesehen.

422

Sachleistungen bei Schwangerschaft und Niederkunft

Die Mutterschaftsversicherung ist auch im Ausland in der Regel in die Krankenversicherung integriert; es werden deshalb bei Mutterschaft grundsätzlich die gleichen medizinischen Leistungen wie bei Krankheit gewährt. Diese Leistungen werden allerdings durch spezifische Mutterschaftsleistungen wie z. B.

Betreuung durch eine Hebamme und kostenlose Abgabe pharmazeutischer Produkte ergänzt; in einigen Ländern kommen noch gewisse Betreuungsmassnahmen für Säuglinge dazu (vgl. hiezu die 2. Kolonne der Tab. 1).

Je nach geltendem Krankenversicherungssystem sind für die Gewährung der medizinischen Leistungen bei Schwangerschaft und Niederkunft folgende Leistungssysteme vorgesehen: Kostenlose medizinische Versorgung in Spitälern, Entbindungsheimen oder öffentlichen Gesundheitszentren oder Vergütung (unter Kostenbeteiligung der Versicherten) beziehungsweise pauschale Abgeltung der durch private Institutionen gewährten Betreuung. .

423

Dauer des Mutterschaftsurlaubes und Geldleistungen während dieses Urlaubes

Die nationalen Gesetzgebungen legen grundsätzlich die Gesamtdauer des Mutterschaftsurlaubes fest und regeln die Frage seiner Aufteilung auf die Zeit vor und nach der Niederkunft.

Der Tabelle l (S.Kolonne) ist zu entnehmen, dass die Gesamtdauer des Mutterschaftsurlaubes in Griechenland, Holland und Liechtenstein 12 Wochen, in Belgien, der BRD, Irland und Spanien 14 Wochen und in Dänemark, der DDR, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, der Tschechoslowakei und Ungarn mehr als 14 Wochen beträgt. Die Dauer des Urlaubes vor der Niederkunft variiert von mindestens 2 Wochen in Polen bis zu höchstens 12 Wochen in Norwegen; die Dauer des Urlaubes nach 864

der Niederkunft, die in der Regel länger ist als die Dauer des Urlaubes vor der Niederkunft, variiert von mindestens 4 Wochen in Irland bis zu höchstens 234 Tagen in Finnland (vgl. hiezu die 4. und 5. Kolonne der Tab. 1).

Der Mutterschaftsurlaub ist angesichts seiner Bedeutung für den Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind zumindest teilweise obligatorisch. Wo nur der Urlaub nach der Niederkunft oder ein Teil davon obligatorisch ist, steht der Frau hinsichtlich des Bezugs und der Aufteilung des Mutterschaftsurlaube's eine gewisse Freiheit zu.

Die Geldleistungen werden grundsätzlich während der ganzen Dauer des Mutterschaftsurlaubes ausgerichtet und betragen 50-100 Prozent des früheren Verdienstes (dieser ist in der Regel plafpniert). Wie sich aus der Tabelle l (6. Kolonne) ergibt, betragen die Geldleistungen grundsätzlich 90-100 Prozent des massgebenden Verdienstes. Überdies richten einige Länder anlässlich jeder Geburt zusätzlich einen,festen Geldbetrag aus.

Zahlreiche Gesetzgebungen sehen in bestimmten Fällen eine Verlängerung des ordentlichen Mutterschaftsurlaubes vor. So kann der Mutterschaftsurlaub bei Früh- oder Spätgeburten, bei Krankheiten oder pathologischen Zuständen infolge Schwangerschaft und Niederkunft (z. B: Komplikationen, Kaiserschnitt), bei Mehrlingsgeburten, bei alleinstehenden Müttern oder bei gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen verlängert werden. Während des verlängerten Mutterschaftsurlaubes, dessen Dauer unterschiedlich ist, hat die Frau Anspruch auf die gleichen Geldleistungen wie während des ordentlichen Mutterschaftsurlaubes. Die Tabelle l (3. Kolonne) gibt Aufschluss über die Länder, in denen eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubes möglich ist.

In einigen Ländern kann im Anschluss an den ordentlichen oder verlängerten Mutterschafts Urlaub nach der Niederkunft ein zusätzlicher Mutterschaftsurlaub bezogen werden. Obwohl dieser zusätzliche Urlaub der Mutter vorbehalten ist, kommt er insofern dem Elternurlaub (vgl. Ziff. 424) gleich, als er der Mutter erlaubt, während einer mehr oder weniger langen Zeit nach Beendigung ihres normalen Mutterschaftsurlaubes zuhause zu bleiben, um sich dem Kinde zu widmen. Während dieses zusätzlichen Mutterschaftsurlaubes erhält die Frau eine Pauschalentschädigung, die niedriger ist als die Entschädigung während des ordentlichen
oder verlängerten Mutterschaftsurlaubes; in Frankreich und Spanien wird gar keine Entschädigung ausgerichtet. Dieser zusätzliche Mutterschaftsurlaub kann bezogen werden, bis das Kind 6 Monate (BRD), l Jahr (DDR: ab 2. Kind; Österreich und Polen), 2 Jahre (Tschechoslowakei) oder 3 Jahre (Ungarn) alt ist. Die Dauer dieses Urlaubes beträgt in Italien 6 Monate im Verlaufe des ersten Lebensjahres des Kindes, in Spanien 3 und in Frankreich 2 Jahre.

In einigen Ländern werden den arbeitenden Müttern tägliche Stillpausen eingeräumt (z. B. BRD, DDR, Frankreich, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Spanien, Tschechoslowakei und Ungarn). Die Dauer dieser in der Regel entschädigten Arbeitsunterbrechungen und die Bezugsperioden sind von Land zu Land verschieden geregelt.

865

424

Elternurlaub; Dauer und Geldleistungen während dieses Urlaubes

Der Elternurlaub im Sinne der Volksinitiative, das heisst ein Urlaub, der von der Mutter oder vom Vater im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub bezogen werden kann, basiert auf der Idee einer neuen Rollenverteilung innerhalb der Familie, bei der nicht mehr ausschliesslich die Mutter die Verantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder tragen soll (vgl. die in Ziff. 411 erwähnte Empfehlung Nr. 165 der IAO). Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein Elternurlaub in Finnland, Norwegen und Schweden sowie in der DDR, Frankreich (seit 1977), Italien (seit 1977 auch für Väter), Spanien (seit 1980 auch für Väter) vorgesehen. In den drei nordischen Ländern erhält der Anspruchsberechtigte während des Elternurlaubs Geldleistungen, die aufgrund des früheren Verdienstes festgelegt werden; in den ändern aufgezählten Ländern wird keine oder gegebenenfalls nur eine Entschädigung ausgerichtet, die niedriger ist als diejenige während des ordentlichen Mutterschaftsurlaubes.

Als Beispiel sei auf den am 1. Januar 1974 in Schweden eingeführten Elternurlaub verwiesen. Obwohl dieses System gewisse Regelungen enthält, die in der Volksinitiative nicht vorgesehen sind (z. B. Aufteilung der 360 Tage in zwei Perioden von 180 Tagen), kommt es doch den entsprechenden Vorstellungen der Volksinitiative wahrscheinlich am nächsten. In Schweden haben seit 1. Juli 1980 der Vater oder die Mutter Anspruch auf Geldleistungen während insgesamt 360 Tagen, das heisst auf 90 Prozent des früheren Verdienstes während 270 Tagen und auf einen Pauschalbetrag während den restlichen 90 Tagen. Diese 360 Tage setzen sich aus zwei Perioden von je 180 Tagen zusammen: Die erste Periode muss vom Anspruchsberechtigten in Form von ganzen oder halben Tagen bezogen werden, bevor das Kind 270 Tage alt ist; die zweite Periode kann bis zum achten Altersjahr des Kindes in Form von ganzen, halben oder Vierteltagen bezogen werden. Die Geldleistungen werden während den ersten 29 Tagen nach der Niederkunft in jedem Fall der Mutter ausbezahlt; in der Folge demjenigen Elternteil, der sich effektiv mit der Betreuung des Kindes befasst. Die Gewährung des Elternurlaubes ist allerdings von einer bestimmten Beschäftigungsdauer der Arbeitnehmer abhängig, das heisst sie müssen, um in den Genuss des Elternurlaubes zu gelangen, während sechs Monaten vor dem Urlaub im Betrieb
gearbeitet haben (oder während 12 Monaten im Verlaufe der letzten 2 Jahre). Im Jahre 1977 haben etwa 11 Prozent der anspruchsberechtigten Väter vom Recht auf Elternurlaub effektiv Gebrauch gemacht (1974: 2%). Die Finanzierung des Elternurlaubes erfolgt grösstenteils durch die Arbeitgeber, während der Rest zulasten der Staatskasse geht.

425

Finanzierung der Mutterschaftsversicherung; Beteiligung der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der öffentlichen Hand

Die Finanzierung der Mutterschaftsversicherung in den untersuchten Ländern erfolgt in der Regel durch die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die öffentliche Hand, wobei die Einzelheiten und die jeweiligen Anteile unterschiedlich festgelegt sind.

866

Eine eingehendere Prüfung der geltenden Regelungen in 10 westeuropäischen Ländern ergibt sodann, dass die Mutterschaftsversicherung hinsichtlich der Finanzierung in die Krankenversicherung integriert ist und dass die Kranken- und Mutterschaftsversicherung in erster Linie durch lohnprozentuale Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (deren Anteil beträgt mindestens die Hälfte des gesamten Beitrages) finanziert wird. Die öffentliche Hand beteiligt sich folgendermassen an der Finanzierung der Kranken^ und Mutterschaftsversicherung: Übernahme eines bestimmten Prozentsatzes der Ausgaben (z. B. Belgien); Vergütung eines Pauschalbetrages für jede Mutterschaftsentschädigung und (bis zum 31. Dez. 1981) Übernahme der Beiträge während des verlängerten Mutterschaftsurlaubes (z. B: BRD); jährliche Ausrichtung von Subventionen zur Dekkung allfälliger Defizite (z. B. Griechenland) oder jährliche Ausrichtung fester Subventionen, die indexiert sind (z. B. Holland). In anderen Ländern (z. B. Dänemark, Grossbritannien und Irland) werden die Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft praktisch vollständig vom Staat übernommen.

426

Kündigungsschutz

Die Sicherung des Arbeitsplatzes für schwangere Frauen und Wöchnerinnen ist mit dem Recht auf Mutterschaftsurlaub und auf die entsprechenden Sach- und Geldleistungen untrennbar verbunden. In den von uns untersuchten und insbesondere in den uns umgebenden Ländern (Liechtenstein ausgenommen) erstreckt sich das Kündigungsverbot ini allgemeinen auf die Dauer der Schwangerschaft (grundsätzlich vom Zeitpunkt an, an dem der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert worden ist) und des ordentlichen, gegebenenfalls des verlängerten Mutterschaftsurlaubes; überdies gilt es in manchen Ländern auch noch eine mehr oder weniger lange Zeit nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubes.

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,1 In einigen Ländern ist die Kündigung während der gesetzlich festgelegten Schutzzeit absolut unzulässig; in anderen Ländern ist die Kündigung dagegen ausnahmsweise auch während der Schutzzeit zulässig, so z. B. bei schweren Verstössen der Arbeitnehmerin oder bei Betriebsschliessung. In diesem Zusammenhang ist daraufhinzuweisen, dass solche Kündigungsgründe lediglich mit dem Arbeitsverhältnis als solchem, nicht aber mit der Schwangerschaft oder Mutterschaft zusammenhängen und nicht gegen die entsprechenden Bestimmungen der IAO-Empfehlung Nummer 95 (vgl. Ziff. 411) verstossen.

In unseren Nachbarländern ist der Kündigungsschutz wie folgt geregelt: In der BRD darf das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber während der Schwangerschaft (sofern er im Zeitpunkt der Mitteilung der Kündigung von der Schwangerschaft Kenntnis hatte oder in den folgenden zwei Wochen hievon benachrichtigt worden ist), des Mutterschaftsurlaubes und den folgenden zwei Monaten nicht gekündigt werden; eine Kündigung ist jedoch in bestimmten Ausnahmesituationen mit Zustimmung der zuständigen Behörde trotzdem möglich. Ausserdem ist in der BRD gesetzlich vorgeschrieben, dass während des Mutterschaftsurlaubes nicht nur das Arbeitsverhältnis geschützt ist, sondern auch die Dienstjahre erhalten bleiben. In Österreich beträgt die Schutzzeit nach der Niederkunft vier 867

Monate, das heisst zwei Monate über die ordentliche Dauer des Mutterschaftsurlaubes hinaus; die Kündigung ist indessen bei schweren Verstössen der Arbeitnehmerin oder bei Einschränkung oder Einstellung des Betriebs auch während der Schutzzeit zulässig, sofern die zuständige Behörde zustimmt. In Frankreich ist (auch innerhalb der Probezeit) die Kündigung während der Schwangerschaft, der Arbeitseinstellung und den folgenden vier Wochen unzulässig; ausnahmsweise ist jedoch die Kündigung zulässig bei schweren, nicht mit dem Zustand der Schwangerschaft zusammenhängenden Verstössen der Arbeitnehmerin oder bei Unmöglichkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. In Italien erstreckt sich die Schutzzeit nach der Niederkunft auf ein Jahr, das heisst auf neun Monate nach Beendigung des obligatorischen Mutterschaftsurlaubes; während dieser Zeit darf die Kündigung nur bei schweren Verstössen der Arbeitnehmerin oder bei Einstellung des Betriebs ausgesprochen werden. In Liechtenstein erstreckt sich die Schutzzeit auf zehn Wochen vor beziehungsweise nach der Niederkunft.

In den Ländern, in denen ein Elternurlaub vorgesehen ist (vgl. Ziff. 424) ist die Kündigung während dieses Urlaubes durch SpezialVorschriften untersagt.

5

Der Schutz der Mutterschaft nach der Initiative

51

Ziele der Initiative

Die Initiative ist nach Auffassung der Initianten «Teil des Bestrebens, die soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frau zu erreichen. Dies wird erst gewährleistet, wenn Frauen und Männer in gleichem Masse an Erwerbsarbeit und Hausarbeit beteiligt sind. Deshalb sind Veränderungen, welche diese Perspektive nicht eröffnen, ungenügend. Vorschläge, nach denen die Kinderbetreuung weiterhin auf Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit der Frauen organisiert wird, können wir nicht annehmen» (vgl. Pressedokumentation des Initiativkomitees vom 21. Jan. 1980).

Eines der Mittel, um dieses sozial- und gesellschaftspolitische Ziel zu erreichen, sehen die Initianten in einem wirksamen Schutz der Mutterschaft. Deshalb soll durch eine Neufassung des Artikels 34q«inquies Absätze 3-7 BV der Bundesgesetzgeber verpflichtet werden, einen solchen Schutz einzurichten, namentlich durch eine ausgebaute Mutterschaftsversicherung und einen erweiterten Kündigungsschutz sowie allenfalls durch weitere Massnahmen. Wir werden im folgenden die einzelnen Begehren der Initiative kurz erläutern.

511

Mutterschaftsversicherung

511.1

Kreis der Versicherten

Nach Absatz 4 des Initiativtextes hat der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung eine obligatorische und allgemeine Mutterschaftsversicherung einzurichten. Dieser Mutterschaftsversicherung wären somit - ähnlich wie in der AHV - sämtliche in der Schweiz wohnhaften Personen unterstellt, also sowohl erwerbstätige wie auch nicht erwerbstätige Frauen und Männer, und zwar ohne Rücksicht 868

darauf, ob sie jemals in den Genuss von Versicherungsleistungen kommen können.

511.2

Versicherungsleistungen

Die Mutterschaftsversicherung hat nach dem Initiativtext Pflege- und Geldleistungen auszurichten.

, 511.21

Pflegeleistungen

Die Pflegeleistungen haben alle infolge von Schwangerschaft und Niederkunft entstehenden Arzt-, Pflege- und Spitalkosten zu decken. Diese Leistungen wären nach Ansicht der Initianten noch durch gewisse Sonderleistungen (z. B. Vorbereitungskurse, Haushälthilfen, Zahnpflege für schwangerschaftsbedingten Zahnzerfall usw.) zu ergänzen.

511.22

Mutterschaftsurlaub / Taggelder

Während eines mindestens löwöchigen Mutterschaftsurlaubes, wovon mindestens zehn Wochen nach der Niederkunft liegen müssen, hat die Mutterschaftsversicherung ein Taggeld auszurichten. Für erwerbstätige Mütter hätte dieses in der Regel 100 Prozent des Lohnausfalls (voller Lohnersatz) zu betragen, wobei in Übereinstimmung mit anderen Zweigen der Sozialversicherung eine Plafonierung des versicherten Lohnes zulässig wäre. Nach der ab 1. Januar 1983 geltenden Regelung in der obligatorischen Unfall- und Arbeitslosenversicherung wäre somit bis zu einem monatlichen Erwerbseinkommen von 5800 Franken voller Ersatz zu gewähren. Das Taggeld würde also die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers ablösen. Nichterwerbstätigen Müttern ist während des Mutterschaftsurlaubes ein angemessenes Taggeld auszurichten, das ihnen erlauben sollte, sich von der Hausarbeit durch Einstellen einer Haushaltshilfe zu entlasten.

511.23

Elternurlaub

Besonderes Gewicht'legen die Initianten auf die Einführung eines Elternurlaubes. Dieser soll erwerbstätigen Eltern während mindestens neun Monaten zustehen, und zwar kann er von der Mutter im Anschlüss an den Mutterschaftsurlaub oder vom Vater ab Zeitpunkt der Geburt oder von beiden Eltern wahlweise beansprucht werden. Nach dem Text der Initiative soll der Elternurlaub «für erwerbstätige Eltern» eingeführt werden. Bedeutet dies, dass der Elternurlaub nur zu gewähren ist. wenn beide Eltern erwerbstätig sind, oder müsste er einem erwerbstätigen Elternteil auch dann gewährt werden, wenn der andere Elternteil nicht erwerbstätig ist? Der Wortlaut der Initiative würde es zulassen, dass der Elternurlaub auch bei der traditionellen Rollenverteilung in der Familie dem Vater gewährt wird, obwohl die Mutter nicht erwerbstätig ist, sondern den Haushalt führt. Die Initianten gehen bei der Darstellung ihrer Forderungen 869

nicht von dieser weiten Auslegung aus (vgl. die Pressedokumentation vom 21. Jan. 1980, insbesondere die Schätzungen über die finanziellen Auswirkungen der Initiative). Diese weite Auslegung würde zudem nicht dem mit dem Elternurlaub angestrebten Zweck entsprechen, nämlich den Eltern trotz ihrer Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, ihr Kind in den ersten Monaten nach der Geburt selber zu betreuen und zu pflegen. Wir gehen daher im folgenden davon aus, dass der Gesetzgeber bei einer Annahme der Initiative die gesetzliche Regelung so treffen würde, dass der Elternurlaub seinem Zweck entsprechend nur gewährt wird, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind.

Während des Elternurlaubes ist ein Taggeld auszurichten, das den Einkommensausfall mindestens teilweise deckt: Bei unteren Einkommensklassen hätte es das Familieneinkommen in vollem Umfang zu sichern; bei höheren Einkommen würde es nach einer degressiven Skala abnehmen.

Mit dem Ausgleich des Familieneinkommens soll nach Ansicht der Initianten vermieden werden, dass in jedem Fall die in der Regel weniger verdienenden Mütter den Elternurlaub aus finanziellen Erwägungen beziehen. Wird das Taggeld aufgrund des Familieneinkommens berechnet, so würde es für die Familie in finanzieller Hinsicht keine Rolle spielen, ob die Mutter oder der Vater vom Elternurlaub Gebrauch machen.

511.3

Finanzierung und Organisation der Mutterschaftsversicherung

Nach dem Initiativtext wäre die Mutterschaftsversicherung gesondert zu finanzieren, wobei die Initianten eine Finanzierung nach dem Muster der AHV anstreben, nämlich durch Beiträge der öffentlichen Hand und durch lohnprozentuale Beiträge aller Erwerbstätigen. Die Mitfinanzierung der Mutterschaftsversicherung durch die öffentliche Hand wird damit begründet, dass der Schutz der Mutterschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Bestimmung der Höhe dieser Beiträge und deren Aufteilung auf Bund und Kantone werden dem Gesetzgeber überlassen. Die Beiträge der erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung würden auf dem gesamten unplafonierten Erwerbseinkommen erhoben. Damit wären auch Personen beitragspflichtig, die nie in den Genuss von Versicherungsleistungen kommen können. In Abweichung von der in der AHV geltenden Regelung hätten aber Nichterwerbstätige keine Beiträge zu leisten. Für Arbeitnehmer hätte der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge zu übernehmen, was damit begründet wird, dass der Arbeitgeber durch die Mutterschaftsversicherung von der Lohnfortzahlungspflicht bei Mutterschaft befreit würde. Die Höhe der Beiträge (Lohnprozente) hätte der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Kosten festzusetzen.

Zur Organisation hält die Initiative fest, dass als Träger der Mutterschaftsversicherung die schon bestehenden Sozialversicherungsträger herangezogen werden können. Mehr kann dem Initiativtext zur Frage der Organisation nicht entnommen werden. Aufgrund der vorgesehenen Finanzierungsregelung ist aber anzunehmen, dass die zu errichtende Mutterschaftsversicherung über einen von den AHV-Ausgleichskassen einzutreibenden Beitragszuschlag zu finanzieren wäre.

Für die Leistungsseite der Versicherung wäre sowohl eine selbständige Versi870

cherungseinrichtung oder eine Übertragung dieser Aufgabe an die Krankenkassen denkbar.

512

Kündigungsschutz

Nach dem Initiativtext ist - unter entsprechender Abänderung der bestehenden Kündigungsschutzbestimmungen - ein umfassender Kündigungsschutz einzurichten, wobei die durch das Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte (Lohnerhöhungen, Feriendauer, Aufstiegsmöglichkeiten usw.) keine Einbusse erleiden dürfen. Für Mütter hätte dieser Kündigungsschutz die gesamte Dauer der Schwangerschaft, des Mutterschaftsurlaubs und des von ihnen bezogenen Elternurlaubs zu umfassen, im Maximalfall also 22 Monate; für Väter würde sich der Kündigungsschutz auf die Dauer des: von ihnen bezogenen Elternurlaubs erstrecken.

513

Weitere \Iutterschaftsschutzmassnahnien

Um die Mutterschaft umfassend zu schützen, wie dies Absatz 3 des Initiativtextes postuliert, sind auch noch Massnàhmen ausserhalb der Mutterschaftsversicherung denkbar, so z. B. Massnàhmen zum gesundheitlichen Schutz (insbesondere am Arbeitsplatz) und zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen unterbrochen haben.

514

Übergangsbestimmung

Die zum Schutz der Mutterschaft notwendige Ausführungsgesetzgebung soll innert fünf Jahren nach der allfälligen Annahme der Initiative in Kraft gesetzt werden.

'; : 52

Vergleich mit der geltenden Ordnung

521

Vergleich auf Verfassungsebene

Die Initiative enthält ein verfassungsmässiges Programm für den Ausbau des Mutterschaftsschutzes ; demgegenüber ist der geltende Artikel 34iuiniuies Absatz 4 BV (vgl. Ziff. 11) im wesentlichen eine Kompetenznorm mit wenigen Gesetzgebungsrichtlinien1. Wichtig ist nun die Frage, ob und wie weit die heutige Verfassung es erlauben würde, die Initiativbegehren auf dem Gesetzeswege zu verwirklichen. Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf Untersuchungen, die bereits lim Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative, Nanchen zur Familienpolitik vom 13. Dezember 1977, die ähnliche Ziele wie die vorliegende Verfassungsinitiative anstrebt, durchgeführt wurden.

871

521.1

Mutterschaftsversicherung

521.11

Kreis der Versicherten

In der Frage des Versicherungsobligatoriums räumt Artikel 34qumquies Absatz 4 BV dem Bund ausdrücklich die Kompetenz ein, den Beitritt zur zu errichtenden Mutterschaftsversicherung «allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären». Die Verfassungsgrundlage zur Einführung einer obligatorischen und allgemeinen Mutterschaftsversicherimg ist somit bereits heute eindeutig vorhanden.

521.12

Versicherungsleistungen

Hinsichtlich der Versicherungsleistungen ist die geltende Verfassungsbestimmung völlig offen.

521.121

Pflegeleistungen

Die mit der Initiative angestrebte Deckung aller infolge Schwangerschaft und Niederkunft entstehenden Arzt-, Pflege- und Spitalkosten ist zweifellos auch eines der zentralen Anliegen einer Mutterschaftsversicherung im Sinne von Artikel 34quinquies Absatz 4 BV (vgl. BB1 1944 1022). Die Einführung einer Mutterschaftsversicherung mit umfassenden Pflegeleistungen wäre daher bereits heute zulässig.

521.122

Mutterschaftsurlaub / Taggelder

Die mit dem Mutterschaftsurlaub und den Taggeldleistungen angestrebte ökonomische Besserstellung der Mutter vor und nach der Niederkunft war ebenfalls eines der zentralen Anliegen bei der verfassungsrechtlichen Verankerung der Mutterschaftsversicherung (vgl. BB1 1944 1007/1022). Der mit der Versicherung beabsichtigte Schutz der Mutter soll daher auch einen Ersatz für den durch die Geburt bedingten Einkommensausfall oder den Ausfall einer Arbeitskraft im Haushalt umfassen. Taggeldleistungen für erwerbstätige und nicht erwerbstätige Mütter gehören deshalb zur Mutterschaftsversicherung im Sinne der geltenden Verfassungsbestimmung. Da sich diese zur Höhe und Leistungsdauer nicht äussert, ist deren Festsetzung Sache des Gesetzgebers, der jedenfalls auch eine Regelung entsprechend den Vorstellungen der Initiative treffen könnte.

521.123

Elternurlaub

Könnte der in der Initiative vorgesehene Elternurlaub als Bestandteil der Mutterschaftsversicherung auch aufgrund von Artikel 34qumquies Absatz 4 BV verwirklicht werden? Die für die Rechtsfortbildung durch den Gesetzgeber offene Formulierung dieser Bestimmung legt den Einbezug eines Elternurlaubs in die Mutterschaftsversicherung nicht nahe, schliesst ihn aber auch nicht aus. Obwohl 872

bei der Einführung von, Artikel 34
Dem Gesetzgeber bleibt somit bei der Abgrenzung des Geltungsbereichs der Mutterschaftsversicherung ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum offen. Die Mutterschaftsversicherung sollte zwar vor allem die unmittelbaren Folgen der Niederkunft decken, aber die Verfassungsbestimmung lässt auch die Deckung weiterer finanzieller Folgen der Mutterschaft zu, ohne näher zu präzisieren, wo solche Folgen entstehen und wie weit sie einzubeziehen seien.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Elternurlaub ausserhalb des Bereichs der Mutterschaftsversicherung liege, könnte sich ein entsprechendes Leistungssystem auf das Prinzip des Familienausgleichs, wie es in Artikel 34iuill Elternurlaub könnte daher von seiner Zwecksetzung her auch in die Bundeskompetenz auf dem Gebiete der Familienausgleichskassen einbezogen werden (vgl. die entsprechenden Bestrebungen auf kantonaler Ebene; Ziff. 322).

521.13

Finanzierung und Organisation der Mutterschaftsversicherung

Die Mutterschaftsversicherung gemäss Initiative soll durch Beiträge von Bund und Kantonen sowie durch Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung finanziert werden. Artikel 34q"inquies Absatz 4 BV sieht ausdrücklich «finanzielle Leistungen des Bundes» vor, wobei die Höhe der Beiträge nicht limitiert ist. Hingegen können «die finanziellen Leistungen des Bundes von angemessenen Leistungen der Kantone abhängig gemacht werden», d. h. der Bundesgesetzgeber kann nach geltender Verfassung - neben dem Bund - die Kantone;zu Beiträgen von einer bestimmten Höhe an die Mutterschaftsversicherung verpflichten. Was die Beiträge der Erwerbstätigen betrifft, 873

so dürfen «auch Personen, die nicht in den Genuss von Versicherungsleistungen kommen können, zu Beiträgen verpflichtet werden». Demzufolge könnte auch eine Beitragspflicht aller erwerbstätigen Personen entsprechend dem Modell der AHV-Gesetzgebung vorgesehen werden. Die Beiziehung der Arbeitgeber zur Beitragspflicht, die wegen der durch die Mutterschaftsversicherung bewirkten Aufhebung der Lohnfortzahlungspflicht bei Mutterschaft gerechtfertigt erscheint, lässt sich ebenfalls verfassungsrechtlich abstützen. Nach ständiger Praxis können Arbeitgeberbeiträge auch ohne ausdrückliche Ermächtigung der Verfassung vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden (z. B. Arbeitgeberbeiträge an die Familienzulagen der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer; Prämien der Arbeitgeber in der obligatorischen Unfallversicherung für Betriebsunfälle usw.).

Alles in allem würde somit , Artikel 34qumiuies Absatz 4 BV eine genügende Grundlage für eine nach den Vorschlägen der Initiative finanzierte Mutterschaftsversicherung bieten.

Die geltende Verfassungsbestimmung äussert sich nicht zur Frage der Organisation der Mutterschaftsversicherung. Der Gesetzgeber ist diesbezüglich völlig frei. Somit ist die Einrichtung einer im Sinne der Initiative organisierten Mutterschaftsversicherung auch aufgrund der bestehenden Verfassungsgrundlage möglich.

521.2

Kündigungsschutz

Da eine schwangere Arbeitnehmerin nur schwer eine neue Stelle finden kann und daher einer vorübergehenden Garantie des Arbeitsplatzes bedarf, besteht bereits heute ein Kündigungsschutz. Dieser stützt sich auf die Privatrechtskompetenz des Bundes (Art. 64 BV). Wie lange dieser Kündigungsschutz dauern soll, hat der Gesetzgeber unter Abwägung aller in Frage stehenden Interessen zu bestimmen. Es wäre daher verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber seine bisherige Interessenabwägung korrigieren und den Kündigungsschutz im Sinne der Initiative ausdehnen würde. Der Kündigungsschutz während des vorgesehenen Elternurlaubs reicht zwar weit, doch ist zu berücksichtigen, dass ein allfälliger Anspruch auf den Elternurlaub nicht durch die Kündigungsdrohung illusorisch gemacht werden darf. Die kündigungsrechtlichen Vorschläge der Initiative könnten daher aufgrund von Artikel 64 BV realisiert werden.

521.3

Weitere Mutterschaftsschutzmassnahmen

Auch die Massnahmen zum gesundheitlichen Schutz und zur beruflichen Wiedereingliederung Hessen sich aufgrund bestehender Verfassungsbestimmungen verwirklichen. Als Grundlagen kommen hiefür in Frage : Artikel 34ter Absatz l Buchstabe a BV (Arbeitnehmerschutz) ; Artikel 34ter Absatz l Buchstabe e BV (Arbeitsvermittlung); Artikel 34ter Absatz l Buchstabe g BV (Berufsbildung) und Artikel 34novies Absatz 3 BV (Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit).

Alle diese Bundeskompetenzen sind so offen formuliert und lassen dem Gesetzgeber in den Zielsetzungen einen solch grossen Gestaltungsspielraum, dass gestützt darauf die erforderlichen Schutzmassnahmen erlassen werden könnten.

874

521:4

Zusammenfassung des Vergleichs

Es kann somit festgestellt werden, dass sämtliche Ziele der Initiative schon aufgrund des geltenden Verfassungsrechts erreicht werden könnten.

522

Vergleich auf Gesetzesebene

Von Interesse ist nun zu untersuchen, ob und wie weit die Begehren der Initianten bereits m der geltenden Gesetzgebung verwirklicht sind oder aufgrund der vorgesehenen Teilrevision der Krankenversicherung verwirklicht werden sollen.

Vorerst soll die geltende Ordnung in dieser Hinsicht geprüft werden.

522.1

Mutterschaftsversicherung

Bereits heute besteht, wenn auch nicht dem Namen, so doch der Sache nach eine Mutterschaftsversicherung. Diese ist aber weder finanziell noch administrativ selbständig, sondern in die soziale Krankenversicherung integriert (vgl.

Art. 14 KUVG [SR 832.01]; Art. 42-45 Verordnung III vom 15. Januar 1965 über die Krankenversicherung [SR 832.14Q]). Die oft vorgebrachte Behauptung, der Verfassungsauftrag von Artikel 34q"inquies Absatz 4 B'V sei in keiner Weise erfüllt worden, ist daher, nicht zutreffend.

522.11

Kreis der Versicherten

Wie für die Krankenversicherung, besteht auch für die Muttersehaftsversicherung kein bundesrechtliches Versicherungsobligatorium. Mutterschaftsleistungen kann somit nur beanspruchen, wer sich bei einer anerkannten Krankenkasse für Krankenpflege und/oder Krankengeld versichert hat. Die Aufnahme in eine Krankenkasse darf nicht wegen Schwangerschaft abgelehnt werden (Art. 5 Abs. 3 KUVG). : In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgesetzgeber in Artikel 2 KUVG die Kantone ermächtigt hat, die Krankenversicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären; den Kantonen steht es frei, diese Befugnis ihren Gemeinden zu überlassen. Zahlreiche Kantone und Gemeinden haben von der Ermächtigung der Obligatorischerklärung der Kranken und damit auch der «Mutterschaftsversicherung» Gebrauch gemacht (vgl. Ziff. 321).

522.12

Versicherungsleistungen

Bei einer Krankenkasse versicherte Frauen haben Anspruch auf Mutterschaftsleistungen, wenn sie bis zum Tage ihrer Niederkunft während insgesamt wenigstens 270 Tagen, ohne eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten, Mitglieder von Kassen gewesen sind (Karenzfrist gemäss Art. 14 Abs. l KUVG). Die gesetzlichen Mutterschaftsleistungen (Pflege- und Geldleistungen) sind ohne Unterbrechung während insgesamt zehn Wochen auszurichten, wovon sechs Wochen nach der Niederkunft liegen müssen; sie dürfen auf die ordentlichen 875

Bezugsdauern nicht angerechnet werden und sind auch nach deren Erschöpfung zu gewähren (Art. 14 Abs. 6 KUVG). Auf den Mutterschaftsleistungen darf keine Kostenbeteiligung (Selbstbehalt/Franchise) erhoben werden (Art. 14bis Abs. 2 Bst. d KUVG). Die Mutterschaftsleistungen sind - mit Ausnahme der Kontrolluntersuchungen - frühestens nach einer Schwangerschaft von 28 Wochen auszurichten. Leistungen, die vorher (z. B. wegen einer Fehlgeburt oder wegen einer interkurrenten Krankheit während der Schwangerschaft) oder nach Ablauf der zehnwöchigen Bezugsdauer ausgerichtet werden, gelten nicht als Mutterschaftsleistungen; es handelt sich vielmehr um Leistungen zu Lasten der allgemeinen Krankenversicherung.

522.121

Pflegeleistungen

Aus der Krankenpflegeversicherung sind bei Schwangerschaft und Niederkunft die gleichen Leistungen wie bei Krankheit auszurichten (Art. 14 Abs. l KUVG).

Da das Gesetz lediglich die sogenannten Pflichtleistungen umschreibt, steht es den Krankenkassen frei, aufgrund ihrer Statuten oder von Zusatzversicherungen weitergehende Leistungen zu erbringen. Die gesetzlichen Mindestleistungen umfassen bei ambulanter Behandlung die ärztliche Behandlung, die wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen, die Arzneimittel und Analysen, bei stationärer Behandlung in der Regel die mit der Heilanstalt vertraglich festgelegten Taxen der allgemeinen Abteilung (vgl. Art. 12 Abs. 2 Ziff. l und 2 KUVG).

Diese Leistungen werden durch spezifische Mutterschaftsleistungen (vgl. Art. 14 Abs. 2 und 5 KUVG) ergänzt, so - vier Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft (ab Beginn derselben) und eine Kontrolluntersuchung innerhalb von zehn Wochen nach der Niederkunft, - Geburtshilfe durch die Hebamme und den Arzt bei Entbindung zuhause, - Beitrag von mindestens 60 Franken an eine allfällige Entbindungstaxe bei Entbindung in einer Heilanstalt, - Täglicher Beitrag von mindestens 5 Franken an die Pflegekosten des Kindes, solange es sich mit der Mutter in der Heilanstalt aufhält oder von mindestens 10 Franken an die Pflege- und Behandlungskosten des Kindes, solange es innerhalb von zehn Wochen nach der Geburt der Behandlung in der Heilanstalt bedarf und - Stillgeld von 50 Franken, sofern die Mutter ihr Kind während zehn Wochen ganz oder teilweise stillt.

522.122

Mutterschaftsurlaub / Taggelder

Aus der Krankengeldversicherung sind bei Schwangerschaft und Niederkunft ebenfalls die gleichen Leistungen wie bei Krankheit auszurichten, d. h. während insgesamt zehn Wochen das jeweils versicherte Taggeld. Die Gewährung dieses Taggeldes setzt keine Arbeitsunfähigkeit voraus; es genügt vielmehr, dass die Versicherte keine gesundheitsschädigende Arbeit verrichtet. Erwerbstätige Frauen, die über ein betriebliches Obligatorium, über eine gesamtarbeitsvertragliche Regelung oder freiwillig eine genügend hohe Krankengeldversicherung 876

(Einzel- oder Kollektivversicherung) abgeschlossen haben, erhalten somit während zehn Wochen ein Taggeld, das den Lohnausfall zu decken vermag. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei Fehlen einer Krankengeldversicherung der Arbeitgeber aufgrund von Artikel 324a OR zu einer Lohnfortzahlung während einer bestimmten Zeit verpflichtet ist. Dagegen können nicht erwerbstätige Versicherte wegen dem Überversicherungsverbot nur ein bescheidenes Taggeld beanspruchen.

522.123

Elternurlaub

Ein Elternurlaub ist in der geltenden Gesetzgebung nicht vorgesehen.

522.13

Finanzierung und Organisation der Mutterschaftsversicherung

Wie bereits erwähnt, ist heute die Mutterschaftsversicherung in die Krankenversicherung integriert, d. h. ihre Durchführung obliegt den rund 500 anerkannten Krankenkassen. Die Finanzierung erfolgt nicht über Sonderprämien, sondern über die allgemeine Krankenversicherung. Durch die Beiträge (Kostenbeteiligungen und in der Regel Kopfprämien aller Versicherten; in der kollektiven Krankengeldversicherung lohnprozentuale Beiträge unter entsprechender Beteiligung des Arbeitgebers) tragen somit auch solche Personen zur Finanzierung der Mutterschaftsversicherung bei, die nie in den Genuss von entsprechenden Versicherungsleistungen kommen können. Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung durch Bundesbeiträge, insbesondere durch den Wochenbettbeitrag gemäss Artikel 35 Absatz 2 KUVG und durch die Übernahme der Stillgelder gemäss Artikel 35 Absatz 4 KUVG.

522.2

Kündigungsschutz

Nach abgelaufener Probezeit darf der Arbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer schwangeren Frau oder einer Wöchnerin in den acht Wochen vor und nach der Niederkunft nicht kündigen (Art,336e Abs. l Est. e OR [SR 220]). Eine vom Arbeitgeber während dieser Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Hat der Arbeitgeber die Kündigung vor Beginn der Sperrfrist ausgesprochen und ist die Kündigungsfrist bis zum Beginn der Sperrfrist noch nicht abgelaufen, so steht die Kündigungsfrist während der Sperrfrist still und läuft erst nach deren Ablauf weiter (Art. 336« Abs. 2 und 3 OR).

522.3

Weitere Mutterschaftsschutzmassnahmen

Der gesundheitliche Schutz der schwangeren Frau und Wöchnerinnen am Arbeitsplatz ist mit den geltenden Bestimmungen (vgl. Art. 35 des Arbeitsgesetzes [SR 822.11} und Art. 67 und 72 der Verordnung l vom 14. Jan. 1966 zum Arbeitsgesetz [SR 822.11,]]} bereits weitgehend gewährleistet.

So dürfen Schwangere nur mit ihrem Einverständnis und keinesfalls über die ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden. Sie dürfen 42 Bundesblatt. 134. Jahrg. Bd. III

877

auf blosse Anzeige hin von der Arbeit wegbleiben oder diese verlassen. Wöchnerinnen dürfen während acht Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden; doch darf der Arbeitgeber auf ihr Verlangen diesen Zeitraum bis auf sechs Wochen verkürzen, sofern der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit durch ärztliches Zeugnis ausgewiesen ist. Stillende Mütter dürfen auch nach Ablauf von acht Wochen seit ihrer Niederkunft nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden. Zum Stillen ist ihnen die erforderliche Zeit freizugeben.

Im weiteren bestehen bereits heute gewisse Massnahmen, die der beruflichen Wiedereingliederung von Frauen dienen (vgl. Art. 2 Abs. 2 und Art. 50 des BG vom 19. April 1978 über die Berufsbildung [SR 412.10}; Art. 4 Abs. 4 des BG vom 22. Juni 1951 über die Arbeitsvermittlung [SR 823.11}; Art. 17 Abs. 4 der V vom 14. März 1977 über die Arbeitslosenversicherung [SR 837.11} und Art. 59ff.

des (noch nicht in Kraft stehenden) BG vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [BB1 1982 II 421]).

522.4

Zusammenfassung des Vergleichs

Wo heute eine Krankenpflegeyersicherung besteht, ist bei Schwangerschaft und Niederkunft die Deckung der Pflegekosten weitgehend gewährleistet. Dagegen sind die weiteren Leistungsvorschläge der Initiative mit der geltenden Regelung der Taggeldversicherung nur teilweise (Mutterschaftsurlaub) beziehungsweise gar nicht (Elternurlaub) verwirklicht. Ebenso steht der geltende Kündigungsschutz hinter den Vorschlägen der Initiative zurück.

53

Vergleich mit der Vorlage über die Teilrevision der Krankenversicherung

Wie bereits in Ziffer 31 erwähnt, haben wir mit unserer Botschaft vom 19. August 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung einen wesentlichen Ausbau der Mutterschaftsleistungen beantragt. Die in jener Botschaft vorgeschlagenen Verbesserungen wurden oben (Ziff. 316) bereits in Erinnerung gerufen. Hier ist noch zu prüfen, wieweit die Anliegen der Verfassungsinitiative durch diese Vorschläge erfüllt würden.

531

Mutterschaftsversicherung

531.1

Kreis der Versicherten

Nach unserer Vorlage über die Teilrevision der Krankenversicherung (hienach « KMVG-Vorlage») soll die Mutterschaftsversicherung weiterhin eng mit der sozialen Krankenversicherung verknüpft bleiben. Deswegen haben wir auch für die Mutterschaftsversicherung kein weitergehendes Obligatorium vorgesehen als für die Krankenversicherung. Im Bereich der Geldleistungen käme in der Mutterschaftsversicherung ebenfalls das Taggeldobligatorium für Arbeitnehmer zum Tragen, währenddem selbständigerwerbende und nichterwerbstätige Frauen sich 878

freiwillig für ein Taggeld versichern könnten. Die Pflegeleistungen würden wie heute prinzipiell nur ari diejenigen Frauen ausgerichtet, die sich freiwillig hiefür versichert haben. Unsere Vorlage macht jedoch eine sozialpolitisch gesehen sehr wichtige Ausnahme von diesem Prinzip: nicht versicherte Frauen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen sollen Anspruch auf vier Fünftel des gesetzlichen Umfanges der ! Pflegeleistungen haben. Auch wenn die KMVG-Vorlage, also kein allgemeines Obligatorium der Mutterschaftsversicherung vorsieht, wie dies in der Volksinitiative verlangt wird, so kommt doch die von ihr vorgeschlagene Lösung diesem Ziel de facto sehr weit entgegen.

531.2

Versicherungsleistungen

Die KMVG-Vorlage unterscheidet, wie das geltende KUVG, zwischen Pflegeleistungen und Kranken- bzw. Taggeld. Eine ähnliche Unterteilung der Leistungen kennt auch die Initiative, wenn sie einerseits von der Deckung der Arzt-, Pflegeund Spitalkosten (Abs. 4 Bst. a) und anderseits von Lohnersatz oder Taggeld während des Mutterschaftsurlaubs (Abs. 4 Bst. b) sowie von der Sicherung des Familieneinkommens während des Elternurlaubs (Abs. 4 Bst. c) spricht. Es soll daher im folgenden geprüft werden, wieweit die KMVG-Vorlage den Vorstellungen der Initiative einerseits im Bereich der Pflegeleistungen und anderseits im Bereich der Geldleistungen entspricht.

531.21

Pflegeleistungen

Die Initiative verlangt'«die vollständige Deckung Daller in Folge Schwängerschaft und Geburt entstehenden Arzt-, Pflege- und Spitalkosten». Schon mit Bezug auf das heute geltende Recht konnte festgestellt werden^ dass die durch Schwangerschaft und Geburt verursachten Pflegekosten (Kosten für Arzt; Arznei, Hebamme, Entbindungsmaterial, Spitalpflege, Behandlung und Pflege des Neugeborenen im Spital) weitgehend durch die Krankenversicherung abgedeckt sind. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Frau sich freiwillig versichert hat und bis zur Niederkunft während einer Mindestdauer (270 Tage ohne Unterbruch von mehr als drei Monaten) versichert war. An dieser Karenzfrist hält auch die KMVG-Vorlage fest, da sie, wie bereits erwähnt, das Prinzip der freiwilligen Pflegeversicherung aufrecht erhält. Für die Gewährung der um einen Fünftel gekürzten Leistungen an nicht versicherte Frauen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen (Art. 14 Abs. 7 KMVG-Vorlage), auf welche wir bereits hingewiesen haben; wird demgegenüber nur verlangt, dass die Anspruchstellerin vor ihrer Niederkunft während mindestens 270 Tagen ohne Unterbruch ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte. Neben dieser sozialpolitisch bedeutsamen Erleichterung in den Anspruchsvoraussetzungen sieht die KMVG-Vorlage gegenüber dem heutigen Recht noch folgende Leistungsverbesserungen voir: die Pflegeleistungen sollen in Zukunft bereits ab Beginn der Schwangerschaft sowie bis acht Wochen nach'der Niederkunft (KMVG-Vorlage Art. 14 Abs. 6 erster Satz) gewährt werden (bisherige Gesamtdauer zehn Wochen, davon mindestens sechs nach der Niederkunft); das hat seine Auswirkung : nicht nur auf die soeben erwähnten Leistungen für die nichtVersicherten Frauen, sondern auch auf 879

die Kosten sowohl der Mutterschafts- als auch der Krankenversicherung. Des weitern will die KMVG-Vorlage einen Beitrag an die Kosten der Pflege von Mutter und Kind während einer bestimmten Zeit nach der Niederkunft zu Hause einführen und damit die Leistungen bei Hauspflege stärker an diejenigen bei Spitalpflege angleichen. Schliesslich wird für Frauen, die nicht dem Taggeldobligatorium unterstehen, aber für Krankenpflege versichert sind, die Ausrichtung eines Taggeldes vorgesehen, dessen Höhe durch den Bundesrat festzulegen ist und das zur Deckung der durch die Entbindung verursachten zusätzlichen Kosten beitragen soll. Genau wie heute darf bei Mutterschaftsleistungen von den Versicherten keine Kostenbeteiligung (Selbstbehalt oder Franchise) erhoben werden. Man kann also sagen, dass die Pflichtleistungen mit den in der KMVG-Vorlage vorgesehenen Erweiterungen und Verbesserungen sehr weitgehend die Forderungen der Initiative erfüllen würden, wenn auch gewisse von den Initianten erwähnte Sonderleistungen (Vorbereitungsturnen, Zahnpflege u. dgl.) im Leistungskatalog der KMVG-Vorlage nicht enthalten sind. .

531.22 Mutterschaftsurlaub / Taggelder Nach der Initiative (Abs. 4 Bst. b) soll die Mutterschaftsversicherung einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von mindestens 16 Wochen (davon mindestens ' zehn Wochen nach der Niederkunft) gewährleisten, und zwar in der Weise, dass den erwerbstätigen Frauen - die Initiative macht keinen Unterschied zwischen Arbeitnehmerinnen und Selbständigerwerbenden - der volle Verdienstausfall (bei möglicher Plafonierung des versicherten Verdienstes durch das Gesetz) ersetzt wird, während nichterwerbstätigen Versicherten ein «angemessenes Taggeld» auszurichten wäre.

Für Arbeitnehmerinnen kommt die KMVG-Vorlage diesem Ziel sehr nahe, indem sie die obligatorische Versicherung eines Mutterschaftstaggelds in Höhe von 80 Prozent des versicherten Verdienstes - dieser soll wie bei der Unfallversicherung plafoniert werden - für die Dauer von 16 Wochen (davon mindestens acht nach der Geburt) vorsieht. Für selbständigerwerbende Frauen bestünde immerhin, wie auch heute schon, die Möglichkeit, sich in der freiwilligen Taggeldversicherung einen gleichwertigen (oder auch einen besseren) Schutz zu erwerben; die Leistungsdauer hätte mindestens gleichlang zu sein wie in der obligatorischen Taggeldversicherung. Auch die nichterwerbstätigen Frauen können sich freiwillig der Taggeldversicherung anschliessen; aus dieser Versicherung darf ihnen zwar kein «Gewinn erwachsen»; es könnten aber nach der KMVG-Vorlage die notwendigen Aufwendungen für die Anstellung einer Ersatzkraft gedeckt werden. Es sei hier auch noch einmal an das bereits erwähnte Taggeld erinnert, worauf die nicht obligatorisch für Krankengeld - aber freiwillig für Krankenpflege - versicherten Frauen im Rahmen der Pflegeleistungen Anspruch haben sollen; dies käme, wenn auch nur zu vier Fünfteln, selbst den überhaupt nicht versicherten Frauen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zugute. Man kann also festhalten, dass die KMVG-Vorlage auch mit Bezug auf den bezahlten Mutterschaftsurlaub den Forderungen der Initiative Rechnung trägt und sie für die Arbeitnehmerinnen in sehr weitgehendem Umfange erfüllt.

880

531.23

Elternurlaub

Die diesbezüglichen Forderungen der Initiative (Abs. 4 Bst. c) wurden in Ziffer 511 näher dargestellt. Die KMVO-Vorlage enthält, wie das geltende Recht, keine entsprechende Leistungsvorschriften und kein Obligatorium. Zur Frage der Notwendigkeit und Wünschbarkeit eines solchen Elternurlaubs nehmen wir unter Ziffer 64 Stellung.

531.3

Finanzierung und Organisation der Mutterschaftsversicherung

Nach der Initiative können «die schon bestehenden Sozialversicherungen» als Träger der gewünschten allgemeinen und obligatorischen Mutterschaftsversicherung herangezogen werden. Nach der KMVG-Vorlage sollen die Mutterschaftsleistungen wie bis anhin von den anerkannten Krankenkassen ausgerichtet werden. An der Durchführung des Taggeld- (bzw. Krankengeld-) Obligatoriums sollen sich neben den anerkannten Krankenkassen in Zukunft auch die dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterstehenden Versicherungseinrichtungen (Versicherungsgesellschaften der Privatassekuranz) beteiligen können.

Nach der Initiative wäre die Mutterschaftsversicherung einerseits durch Beiträge der öffentlichen Hand (Bund und Kantone), anderseits durch Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV/IV zu finanzieren, wobei die Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge der Arbeitnehmer zu tragen hätten. Gemäss KMVG-Vorlage hätten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in die Prämien für die obligatorische Taggeldversicherung in der gleichen Weise zu teilen. Für das freiwillige Krankengeld wären die Prämien durch die Krankengeldversicherten aufzubringen. Der Kreis der Prämienzahler ist also auch hier jeweils weiter gezogen als derjenige der eventuellen Bezüger von Mutterschaftstaggeldern. Die Kosten der Pflegeleistungen bei Mutterschaft wären vollständig durch Beiträge des Bundes zu decken. Somit würde, gesamthaft gesehen, das Finanzierungssystem für die Mutterschaftsleistungen nach der KMVGVorlage dem Konzept der Volksinitiative nahekommen.

532

Kündigungsschutz

Die Volksinitiative fordert für die gesamte Dauer von Schwangerschaft, Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub einea umfassenden Kündigungsschutz «ohne Einbusse der durch das Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte». Die KMVGVorlage, die, wie bereits gesagt, den Elternurlaub nicht vorsieht, will durch Änderung von Artikel 336e Absatz l Buchstabe e OR die Dauer des Kündigungsschutzes von heute «acht Wochen vor und nach der Niederkunft» so ausdehnen, dass der Schutzi in Zukunft «während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft» wirkt und somit in jedem Fall auch den gesamten Mutterschaftsurlaub erfasst.

881

533

Zusammenfassung des Vergleichs

Abschliessend lässt sich folgendes festhalten: Mit unseren Anträgen zum Ausbau der Mutterschaftsleistungen im Rahmen der KMVG-Vorlage verzichten wir zwar auf die Einführung einer separaten Mutterschaftsversicherung mit allgemeinem Obligatorium und eigener Finanzierung sowie auf den Elternurlaub.

Durch die geplante Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs, die Einführung des Taggeldobligatoriums für Arbeitnehmer, die Ausdehnung des Kündigungsschutzes und die ebenfalls beantragte recht weitgehende Gewährung der im Vergleich zu heute noch ausgebauten Mutterschafts-Pflegeleistungen sogar an nichtversicherte Frauen und durch die Übernahme der Pflegekosten durch den Bund, kommt unsere Vorlage jedoch den Vorstellungen der Initianten weitgehend entgegen.

6

Stellungnahme zur Initiative

61

Allgemeines

Ein versicherungsmässiger Schutz gegen die unmittelbaren finanziellen Folgen von Schwangerschaft und Geburt ist ein wichtiger - wenn auch nicht der einzige - Aspekt des Schutzes der Mutterschaft und der Familie. Die Initiative hat daher ein bedeutendes sozial- und gesellschaftspolitisches Anliegen zum Gegenstand. Diesem Anliegen wird indessen bereits heute in der Bundesverfassung und gestützt darauf auch in der Gesetzgebung Rechnung getragen, wobei die Mutterschaftsversicherung, wie wir bereits dargelegt haben (vgl. vorne Ziff. 522.1), eng mit der Krankenversicherung verbunden ist. Die Frage, ob die Mutterschaftsversicherung auszubauen sei, wurde daher auch im Zusammenhang mit den Diskussionen über eine Revision der Krankenversicherung erörtert. Die Kantone und sämtliche interessierten Stellen und Organisationen hatten dabei verschiedentlich Gelegenheit, auch ihre Ansichten über eine künftige Ausgestaltung der Mutterschaftsversicherung darzulegen. Aus diesem Grund haben wir darauf verzichtet, zur Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» noch ein spezielles Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Wir haben aber die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen eingeladen, zur Volksinitiative Stellung zu nehmen. Die Kommission für Frauenfragen unterstützt die Postulate der Volksinitiative. Wir werden im folgenden noch darauf zurückkommen.

Bei einer Stellungnahme zur Initiative stellt sich in erster Linie die Frage, ob die geforderte Änderung der Verfassung überhaupt notwendig und wünschbar ist, nachdem bereits ein Verfassungsartikel über die Mutterschaftsversicherung besteht. Sodann wird zu jenen Postulaten der Initiative Stellung zu nehmen sein, die in der heutigen Mutterschaftsversicherung und auch in dem von uns vorgelegten Entwurf über die Teilrevision der Krankenversicherung nicht berücksichtigt sind.

882

62

Notwendigkeit und Wünschbarkeit einer Änderung von Artikel 34riFM«uies der Bundesverfassung

Der heutige Artikel 34
Ziff. 521). Die Kompetenzen des Bundes würden also bei einer Annahme der Volksinitiative nicht erweitert. Auch nach einer Änderung der Bundesverfassung, im Sinne der Initiative müsste die dort geforderte' Mutterschaftsversicherung erst noch auf dem Wege der Gesetzgebung verwirklicht werden.

Der von uns eingeschlagene Weg einer Änderung der Gesetzesbestimmungen über die Mutterschaftsversicherung ohne vorgängige Änderung der Verfassung führt somit schneller zum Ziel. Selbst wenn man die in der Initiative aufgestellten Postulate vollständig erfüllen möchte, müsste die Verfassung deswegen nicht geändert werden. Eine Verfassungsänderung im Sinne der Initiative ist aber unseres Erachtens auch nicht opportun, da der; Gesetzgeber dadurch zu stark auf ein ganz bestimmtes Konzept der Mutterschaftsversicherung festgelegt würde.

Dieses Konzept erscheint uns nämlich, wie wir im folgenden aufzeigen möchten, in einzelnen Punkten, insbesondere in der Frage der Errichtung einer selbständigen Mutterschaftsversicherung und der Einführung eines Elternurlaubes, nicht in allen seinen Auswirkungen genügend durchdacht und zumindest in unmittelbarer Zukunft auch nicht als realisierbar, weshalb es verfehlt wäre, dieses Konzept bereits auf Verfassungsstufe festzuschreiben.

63

Notwendigkeit und Wünschbarkeit einer selbständigen Mutterschaftsversicherung

Nach dem Konzept der Initiative soll die Mütterschaftsversicherung als selbständiger Zweig der Sozialversicherung eingerichtet, die heutige Integration in die Krankenversicherung also aufgehoben werden. Dadurch würde unterstrichen, dass der Schutz der Mutterschaft ein eigenständiges sozial- und gesellschaftspolitisches Anliegen ist. Nach Auffassung 'der Initianten würde die Schaffung einer selbständigen Mutterschaftsversicherung auch die Gelegenheit zu einer sozialeren Finanzierung der Versicherung bieten, indem an die Stelle von Kopfprämien Subventionen und lohnprozentuale Beiträge treten könnten.

Aus ähnlichen Überlegungen tritt auch die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen für eine1 eigenständige Mutterschaftsversicherung ein. Sie weist daraufhin; dass i Mutterschaft und Elternschaft wie das Alter natürliche Ereignisse im Laufe eines Lebens seien, die die Betroffenen oft in eine wirtschaftlich schwache Lage versetzten, die durch die Solidarität der Gesamtbevölkerung gemildert werden sollte. Diese Solidarität könne nur in einem selbständigen Zweig 883

der sozialen Sicherheit ihren Ausdruck finden. Die Initiative erscheint somit auch als Versuch, in der Mutterschaftsversicherung eigene Wege zu gehen, nachdem in der Vergangenheit grundlegende Reformen im Rahmen der Krankenversicherung verschiedentlich gescheitert sind.

Es trifft zwar durchaus zu, dass nach dem Konzept der Initiative, insbesondere durch das Versicherungsobligatorium und die Art der Finanzierung, die Mutterschaftsversicherung stärker als bisher zu einer Einrichtung würde, die von der Gesamtbevölkerung solidarisch getragen wird. Es handelt sich aber sicher nicht um die einzig mögliche Lösung, um diese Solidarität zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass heute die Kosten der Mutterschaft gerade durch die Integration der Mutterschaftsversicherung in die Krankenversicherung durch Prämienzahlungen aller Versicherten einer Krankenkasse gedeckt werden und dass diese Lösung gewählt wurde, nachdem sich für die Errichtung einer selbständigen Mutterschaftsversicherung, die gestützt auf den heutigen Verfassungsartikel durchaus möglich wäre und ursprünglich auch angestrebt wurde, keine genügend breite politische Basis fand.

Eine Verbindung zwischen Kranken- und Mutterschaftsversicherung ist aber auch sachlich begründet. Zwar ist die Mutterschaft keine Krankheit, sie verlangt aber nach gleichen oder zumindest ähnlichen Versicherungsleistungen wie eine Krankheit. Es ist daher sinnvoll, die Leistungen bei Krankheit und bei Mutterschaft durch den gleichen Versicherungsträger und nach gleichen Grundsätzen, insbesondere gleichen Tarifen, erbringen zu lassen. Auf diese Weise werden auch Abgrenzungsprobleme zwischen Krankheit und Mutterschaft vermieden, die sich insbesondere bei gesundheitlichen Komplikationen während einer Schwangerschaft häufig stellen können. Diese enge Verbindung zwischen Kranken- und Mutterschaftsversicherung ist übrigens keine Eigenart der schweizerischen Sozialversicherung. Sie bildet auch in anderen europäischen Staaten die Regel. Auch die Initiative verkennt diese Zusammenhänge nicht, wenn sie vorsieht, dass als Träger der Mutterschaftsversicherung die schon bestehenden Sozialversicherungen herangezogen werden können (Abs. 6).

Ob und wieweit die Mutterschaftsversicherung als selbständiger Zweig der Sozialversicherung eingerichtet werden soll, ist
unseres Erachtens deshalb in erster Linie nach Überlegungen der Zweckmässigkeit zu entscheiden. Aus diesem Grund möchten wir im folgenden kurz darstellen, wo die praktischen Unterschiede zwischen dem Konzept der Initiative und unserem Vorschlag für einen Ausbau der Mutterschaftsversicherung im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung liegen. Zu beachten sind dabei zwei Problemkreise, nämlich die Frage des Obligatoriums und jene der Finanzierung. Die Einrichtung einer obligatorischen Mutterschaftsversicherung, wie dies die Initiative verlangt, würde unter anderem bedeuten, dass sich der Kreis der versicherten Personen nicht mehr mit jenem der bundesrechtlich freiwilligen Krankenversicherung decken würde.

Der Entwurf über die Teilrevision der Krankenversicherung deckt sich zum Teil mit diesen Bestrebungen. Zwar gehen wir nicht soweit, für die Mutterschaftsversicherung ein allgemeines Versicherungsobligatorium vorzuschlagen. Der Anspruch auf die Versicherungsleistungen bei Mutterschaft soll grundsätzlich wie bisher durch den Abschluss einer Krankenversicherung erworben werden. Im 884

Gegensatz zur heutigen Ordnung sollen aber :auch Frauen, die nicht gegen Krankheit versichert sind, Leistungen der Mutterschaftsversicherung erhalten können. In diesem Fall sollen die Leistungen aber etwas gekürzt und nur an Frauen ausgerichtet werden, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation darauf angewiesen sind. Die Verbindung zwischen Kranken- und Mutterschaftsversicherung würde also nach dem Entwurf über die Teilrevision der Krankenversicherung grundsätzlich nicht aufgegeben. Im Gegensatz zur geltenden Ordnung würde aber die Mutterschaftsversicherung doch eine grössere Eigenständigkeit aufweisen, indem der Kreis der bei Mutterschaft leistungsberechtigten Personen nicht mehr unbedingt mit jenem bei Krankheit identisch wäre.

Dieses Konzept berücksichtigt den engen sächlichen Zusammenhang von Krankheit und Mutterschaft im Bereich der Leistungen, der unseres Erachtens der Errichtung einer selbständigen und obligatorischen Mutterschaftsversicherung entgegensteht, trägt aber auch den Besonderheiten der Mutterschaft Rechnung. Das bei Mutterschaft abzudeckende finanzielle Risiko ist weitaus begrenzter als jenes bei Krankheit. Man kann sich daher fragen, ob es sinnvoll wäre, für die Mutterschaft ein allgemeines Versicherungsobligatorium einzuführen, solange man für den Fall der Krankheit eine freiwillige Versicherung als genügend erachtet.

Bei der Einrichtung einer selbständigen Mutterschaftsversicherung stünde man auch vor dem Problem, dass diese Versicherung finanziell nicht breit genug abgestützt wäre, wenn sie nur von dem begrenzten Personenkreis getragen würde, welcher an dieser Versicherung interessiert ist. Aus diesem Grund sieht bereits der geltende Verfassungsartikel vor, dass auch Personen, die nicht in den Genuss der Versicherungsleistungen kommen können, zu Beiträgen verpflichtet werden dürfen. Heute geschieht dies durch die Integration der Mutterschaftsversicherung in die Krankenversicherung.

Die Initiative verlangt demgegenüber eine eigenständige Finanzierung der Mutterschaftsversicherung, nämlich durch Beiträge von Bund und Kantonen sowie durch Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung. Unser Entwurf über die Teilrevision der Krankenversicherung deckt sich weitgehend mit diesen Forderungen der Initiative, indem wie bereits erwähnt (vgl. Ziff. 316)
ein Teil der Mutterschaftsleistungen über Beiträge der öffentlichen Hand und ein weiterer Teil im Rahmen der obligatorischen Krankengeldversicherung über lohnprozentuale Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht werden soll. Im Gegensatz zur Initiative würden aber bei einer Integration in die Krankenversicherung für die Mutterschaftsversicherung keine besonderen Versicherungsprämien erhoben. Dies hat den Vorteil, dass von Personen, die nicht in den Genuss von Mutterschaftsleistungen kommen können oder kommen wollen, kein spezieller Beitrag erhoben werden muss.

Der Entwurf über die Teilrevision der Krankenversicherung beweist, dass eine Verstärkung der Solidarität und eine Erweiterung der finanziellen Basis der Mutterschaftsversicherung auch gestützt auf den geltenden Verfassungsartikel erfolgen kann und dass es dafür nicht unbedingt der Errichtung einer selbständigen Versicherung mit eigenständiger Finanzierung bedarf. Der heutige Verfassungsartikel lässt zudem im Gegensatz zur Initiative verschiedene Lösungen zu.

Er hat daher den Vorteil, dass er dem Gesetzgeber erlaubt, eine den Umständen 885

der Zeit angepasste, versicherungs- und sozialpolitisch zweckmässige Lösung zu wählen.

64

Notwendigkeit und Wünschbarkeit eines Elternurlaubes

641

Das Konzept des Elternurlaubes

Mit dem in der Initiative vorgeschlagenen Elternurlaub würde unserem Arbeitsund Sozialversicherungsrecht ein neues Institut eingefügt. Erwerbstätige Eltern könnten sich nach der Geburt eines Kindes von der Arbeit beurlauben lassen, um sich während dieser Zeit ganz der Betreuung und Erziehung des Kindes widmen zu können. Nach Ablauf des Elternurlaubes, also etwa ein Jahr nach der Geburt des Kindes, hätten die als Arbeitnehmer tätigen Eltern einen Anspruch auf Rückkehr an ihre Arbeitsstelle.

Der Elternurlaub hat also zunächst einen sozial- und familienpolitischen Aspekt. Er soll die Erwerbseinbusse, die die Eltern erleiden, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit im Interesse des Wohls ihres Kindes aufgeben, wenigstens vorübergehend ausgleichen. Der Elternurlaub wird aber auch als ein gesellschaftspolitisches Postulat verstanden. Er soll insbesondere der erwerbstätigen Frau ermöglichen, ihren Beruf eine gewisse Zeit nach der Geburt eines Kindes wieder aufzunehmen. Diese verschiedenartigen Aspekte und Auswirkungen sind zu beachten, wenn man beurteilen will, ob der Elternurlaub ein wünschbares oder gar ein notwendiges Instrument künftiger Sozial- und Gesellschaftspolitik darstellt.

641.1

Ein Mittel zur Förderung der Erwerbstätigkeit der Frau

Die Initianten bezeichnen ihre Forderungen als Teil des Bestrebens, die soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen zu erreichen. Dies werde erst gewährleistet, wenn Frauen und Männer in gleichem Masse an Erwerbstätigkeit und Hausarbeit beteiligt seien. Die Kinderbetreuung dürfe daher nicht weiterhin auf Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit der Frauen organisiert werden. Der Elternurlaub sei daher eine Forderung, auf die nicht verzichtet werden könne.

Die Initiative wird also auch als ein Mittel zur Förderung der Erwerbstätigkeit der Frauen verstanden. Die Frauen, die Kinder zu betreuen haben, sind heute tatsächlich in geringerem Umfange erwerbstätig als Frauen ohne Kinder, während bei den Männern kein entsprechender Zusammenhang besteht. Im Jahre 1970 waren von den Männern im Alter von 15 bis 64 Jahren 92 Prozent erwerbstätig. Bei den Frauen beträgt der entsprechende Anteil lediglich 49 Prozent.

Während bei den Ledigen der Anteil noch fast gleich ist (Männer 80,2%; Frauen 76,7%), sind bei den Verheirateten grosse Unterschiede festzustellen (Männer 97,8%; Frauen 34,7%). Bei den verheirateten Frauen ist zudem ein deutlicher Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Kinderzahl feststellbar. Von den verheirateten Frauen ohne Kinder unter 18 Jahren sind 34,3 Prozent erwerbstätig. Während Frauen mit einem Kind ebenfalls noch relativ häufig erwerbstätig sind (33,1%), sinkt der Anteil sehr stark ab, sobald ein zweites

Kind zu betreuen ist (23,4%). (Vgl. im einzelnen Tab. 2.) Die Erwerbstätigkeit der verheirateten Frauen hängt aber auch von der beruflichen Stellung des Ehemannes und damit von ;der Tatsache ab, ob die Familie auf ein Erwerbsemkommen der Frau angewiesen ist (vgl. Tab. 3). Deutliche Unterschiede in der Erwerbstätigkeit der Frauen sind auch zwischen Schweizerinnen und Ausländerin: nen feststellbar (vgl. Tab. 4).

Diese Angaben zeigen, dass die Erwerbstätigkeit der Frauen in starkem Masse vom Umstand abhängt ob die Frau Kinder zu betreuen hat oder nicht, dâss aber auch andere Gründe eine Rolle spielen. Einen grossen Einfluss hatte ohne Zweifel auch die wirtschaftliche und technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, nämlich i die Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze während der Hochkonjunktur und die gleichzeitig einsetzenden Erleichterungen in der Hausarbeit durch neuartige Geräte und Apparate. Begleitet wurde dieser Wandel der tatsächlichen Verhältnisse auch von einem Wandel in den Anschauungen über die Rolle der Frau in Ehe und Familie. Dieser Wandel kommt auch im Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend Revision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) zum Ausdruck (vgl. BB1 1979 II 1191 ff.). In diesem Entwurf ist im Gegensatz zum heutigen Artikel 161 Absatz 3 ZGB (SR 210) nicht mehr ausdrücklich festgehalten, dass die Frau den Haushalt führt. Die Aufgabenteilung in der Ehe soll vielmehr der freien Entscheidung der Ehegatten überlassen werden.

In diesem Sinne scheint es uns richtig, dass die Initiative zwischen Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub unterscheidet. Der Mutterschaftsurlaub dient in erster Linie der Erholung der Mutter und soll daher nur dieser zustehen. Beim Elternurlaub tritt hingegen der Aspekt der Betreuung und Pflege des Kindes in den Vordergrund. Hier sollen die Eltern selber entscheiden können, wer von ihnen sich in erster Linie dem Kind widmen soll. In der Mehrzahl der Fälle wird dies allerdings, wie entsprechende Erfahrungen im Ausland zeigen (vgl.

Ziff. 424), faktisch weiterhin d i e Mutter sein. , . . .

; Ist aber der Elternurlaub überhaupt geeignet, die Erwerbstätigkeit der Frauen zu fördern? Der Elternurlaub ist von einer relativ kurzen Dauer, wenn man ihn mit dem Zeitraum vergleicht, während welchem das
Kind der Pflege, Betreuung und Erziehung durch die Eltern bedarf. Nach Ablauf des Elternurlaubes bleibt daher das Problem bestehen, wie Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung miteinander in Einklang gebracht werden können. Heute gibt in der Regel die Mutter ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise auf, während der Vater seine Erwerbstätigkeit in vollem Umfange weiter ausübt. Daneben möchte aber eine wachsende Zahl von Eltern diese relativ starre Aufgabenteilung in der Familie aufheben und Erwerbstätigkeit und Betreuung der Kinder gleichmässiger auf beide Eltern aufteilen. Durth eine zeitweise Beurlaubung von der Arbeitsstelle wird aber dieses Ziel kaum erreicht. Dazu bedürfte es in erster Linie eines grösseren Angebotes an Teilzeitstellen, was wiederum von der Organisation der Arbeitswelt und den Bedürfhissen der Unternehmungen und der Wirtschaft abhängt.

Der Elternurlaub ist kein geeignetes und schon gar nicht das vordringlichste Mittel, um Eltern, die dies wünschen, eine flexiblere Aufteilung zwischen Erwerbstätigkeit und Kindererziehüng zu ermöglichen. Eine relativ kurze Beurlaubung von der Arbeitsstelle vermöchte die heutigen Verhaltensweisen kaum 887

nachhaltig zu ändern, weil die Eltern nach Ablauf des Elternurlaubes weiterhin vor dem Problem stehen, wie sie die Kinderbetreuung organisieren wollen. Der Elternurlaub würde dieses Problem lediglich zeitlich etwas aufschieben. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass in zahlreichen Fällen die Mutter auch nach einem Elternurlaub nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehrt, weil ihr dies die tatsächlichen Verhältnisse einfach nicht erlauben.

Nicht übersehen werden dürfen auch die Auswirkungen, die die Einführung eines Elternurlaubes auf die Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben könnten. Der Arbeitgeber müsste bei der Einstellung einer Frau im gebärfähigen Alter immer auch damit rechnen, dass diese nach einer eventuellen Schwangerschaft und Niederkunft bis zu einem Jahr von der Arbeitsstelle fernbleiben könnte. Er müsste dann für diese Zeit eine neue Person einstellen, könnte dieser den Posten aber nur für eine beschränkte Zeit zusichern. Dabei hätte er aber zunächst keine Gewissheit, ob die ursprünglich eingestellte Arbeitnehmerin nach Ablauf des Elternurlaubes tatsächlich wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Vor allem in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession wären dadurch Frauen im gebärfähigen Alter gegenüber anderen Personen bei der Arbeitssuche wahrscheinlich benachteiligt. Besonders stark würde sich dies bei Arbeitsstellen auswirken, bei welchen eine starke Konkurrenz zwischen Männern und Frauen besteht. Die Tatsache, dass der Elternurlaub auch von den Vätern bezogen werden kann, würde daran wahrscheinlich nicht viel ändern, weil damit gerechnet werden kann, dass der Elternurlaub faktisch überwiegend von den Müttern bezogen würde. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass mit einem Elternurlaub, zumindest in wirtschaftlich schlechteren Zeiten und in anspruchsvolleren Berufsgruppen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt würden, dass also der Elternurlaub die Erwerbstätigkeit der Frau nicht fördern, sondern behindern könnte.

641.2

Ein Mittel zur Unterstützung der Familie

Für die Beurteilung des Elternurlaubes sollte aber unseres Erachtens nicht im Vordergrund stehen, ob dadurch die Erwerbstätigkeit der Frauen gefördert werden könne, sondern ob der Elternurlaub vom Standpunkt der Sozialpolitik aus als ein geeignetes Mittel zur Unterstützung der Familien gelten kann.

Der Elternurlaub ermöglicht, dass sich Vater oder Mutter in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes ganz der Betreuung dieses Kindes widmen können, wobei der Einkommensausfall bei einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit bei unteren Einkommen ganz und bei höheren Einkommen mindestens teilweise ausgeglichen würde. Der Elternurlaub hat daher vom sozial- und familienpolitischen Standpunkt aus einen durchaus positiven Aspekt. Dieser Standpunkt wird auch in dem Bericht «Familienpolitik in der Schweiz» (Bern 1982) vertreten, den die vom Eidgenössischen Departement des Innern eingesetzte «Arbeitsgruppe Familienbericht» kürzlich veröffentlicht hat. Diese Arbeitsgruppe hält einen bezahlten Elternurlaub von einer familienpolitischen Betrachtungsweise her auf lange Sicht für wünschbar. Wir haben diesen Bericht am 4. Oktober 1982 zur Kenntnis genommen und erachten ihn als nützliche Entscheidungsgrundlage für die Familienpolitik. Auch die Eidgenössische Kommission für

Frauenfragen wertet in'ihrer Stellungnahme zur Volksinitiative den Elternurlaub positiv, und zwar vor allem aus der Sicht des Wohls des Kindes. Sie schreibt unter anderem, Psychologen, Ärzte und Sozialwissenschafter seien sich heute einig darüber, dass ein Säugling während seines ersten Lebensjahres eine intensive Betreung durch eine ständige Bezugsperson brauche. Sie versteht den Elternurlaub daher als Mittel, um von Beginn an die Beziehung der Eltern zum Kind enger zu gestalten.

Nun geht aber das Konzept des Elternurlaubes davon aus, dass auch der das Kind betreuende Elternteil nach einer bestimmten Zeit seine Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt, dass sich also die intensive Beziehung der Eltern zum Kind wieder lockert. Wir fragen uns deshalb, ob ein solches Ergebnis aus der Sicht des Wohls des Kindes als erstrebenswert und als die beste aller möglichen Lösungen angesehen werden kann. Auch nach dem ersten Lebensjahr ist das Kind noch auf eine intensive Betreuung angewiesen und es ist für die Entwicklung des Kindes sicher von Nutzen, wenn es auch in dieser Zeit von einer ständigen Bezugsperson betreut wird. Der in der Volksinitiative vorgeschlagene Elternurlaub von mindestens neun Monaten erscheint uns daher gerade aus der Sicht des Wohls des Kindes als eine unvollständige Lösung. Auch aus diesem Grund würde der Elternurlaub wahrscheinlich das heute geübte Verhalten der Eltern in bezug auf Erwerbstätigkeit und Kindererziehung kaum wesentlich verändern.

Faktisch würde also der Elternurlaub in vielen Fällen einfach dazu führen, dass Familien, in welchen wegen der Geburt eines Kindes ein Elternteil, in der Regel die Mutter, die Erwerbstätigkeit einschränkt oder aufgibt, während einer'Übergangszeit der Einkommensausfall ausgeglichen würde. Die Frage ist, ob dieses Ergebnis als sozialpolitisch erstrebenswert betrachtet werden könnte oder ob Massnahmen, die sich nicht nur auf das erste Lebensjahr des Kindes konzentrieren, aus der Sicht des Schutzes der Familie sinnvoller wären.

In diesem Zusammenhang ist noch auf einen weiteren Mangel im Konzept des Elternurlaubes hinzuweisen. Die Initiative möchte in erster Linie jene Familien unterstützen, in welchen beide Eltern erwerbstätig sind, weil nach Auffassung der Initianten (vgl. vorne Ziff. 51) letztlich Frauen und Männer in gleichem Masse an Erwerbsarbeit
und Hausarbeit beteiligt sein sollten. Der heute noch immer vorwiegend verbreitete Familientypus, in welchem die Erwerbstätigkeit in erster Linie als Aufgabe des Vaters und die Betreuung der Kinder vor allem als Aufgabe der Mutter angesehen wird, kommt dagegen in der Initiative zu kurz. Diese einseitige Ausrichtung auf einen bestimmten, in der sozialen Wirklichkeit doch noch recht schwach vertretenen Familientypus scheint uns problematisch.

642

Mögliche Alternativen zum Elternurlaub

Wenn über mögliche Alternativen zu dem in der Initiative vorgeschlagenen und unseres Erachtens mit Mängeln behafteten Konzept des Elternurlaubs nachgedacht wird, so sollte nicht der Aspekt der Förderung der Erwerbstätigkeit der Frau, sondern jener des Schutzes der Familie und des Kindes im Vordergrund stehen. Dies jedenfalls, wenn Massnahmen im Rahmen der Mutterschafts Versicherung in Diskussion stehen, wie dies hier der Fall ist.

889

In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf unsere Vorschläge im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung hingewiesen. Durch die Ausdehnung der Leistungsdauer bei Mutterschaft von heute 10 auf 16 Wochen und die gleichzeitige Einführung der obligatorischen Krankengeldversicherung für alle Arbeitnehmer wird der Schutz für die erwerbstätige Frau im Vergleich zu heute erheblich ausgebaut, indem jede unselbständig erwerbstätige Frau während eines Mutterschaftsurlaubes von 16 Wochen ein Taggeld von 80 Prozent ihres Lohnes erhält. Wenn man noch weitere Massnahmen zum Schutz der Mutterschaft in Betracht ziehen will, so sollten sich diese unseres Erachtens nicht einfach auf eine zeitliche Ausdehnung der Lohnausfallentschädigung konzentrieren, wie dies beim Elternurlaub der Fall ist. Solche Lohnausfallentschädigungen können ohnehin nur, wie dies auch in der Initiative durchaus anerkannt wird, während einer beschränkten Zeit ausgerichtet werden, wenn sie finanziell noch tragbar bleiben sollen (zu den finanziellen Auswirkungen der Initiative vgl. unten Ziff. 65). Es sollte daher eher an Massnahmen gedacht werden, welche den ganzen Zeitraum abdecken, während dem eine Familie wegen der Betreuung und Erziehung der Kinder finanziell stark belastet ist. Heute erfüllen diese Funktion die Familien- und Kinderzulagen. Obwohl der Bund in diesem Bereich an sich eine umfassende Gesetzgebungskompetenz hat, werden die Familienzulagen zur Hauptsache aufgrund kantonaler Gesetze gewährt. Einzig für den Bereich der Landwirtschaft hat der Bund ein Gesetz erlassen (FLG vom 12. Juni 1952; SR 836.1). Die Einführung einer allgemeinen bundesrechtlichen Ordnung der Familienzulagen ist bisher nicht zustandegekommen, obwohl verschiedene Vorstösse in dieser Richtung unternommen wurden (vgl. dazu den Bericht über die Lage der Familie in der Schweiz, herausgegeben vom Bundesamt für Sozialversicherung, Bern 1978, S. 127 ff.). Die bereits erwähnte «Arbeitsgruppe Familienbericht» empfiehlt ebenfalls einen Ausbau der heutigen Familienzulagen, uni die Familienlasten stärker als bisher auszugleichen. Neben Kinderzulagen sollten nach Ansicht dieser Arbeitsgruppe auch Ausbildungs- und Geburtszulagen ausgerichtet werden. Im weiteren hält die Arbeitsgruppe eine bundesrechtliche Ordnung der Familienzulagen für wünschenswert.

Mit der Einführung
eines Elternurlaubes würde ein Ausbau der Familienzulagen zwar nicht verhindert, aber faktisch doch stark eingeschränkt. Auch im Bereich des Schutzes der Familie ist letztlich entscheidend, ob es gelingt, die für einen allfälligen Ausbau benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Sowohl für einen Elternurlaub wie auch für einen Ausbau der Familienzulagen müssten zusätzliche Abgaben erhoben werden, und zwar zur Hauptsache lohnprozentuale Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Selbst wenn, was noch keineswegs feststeht, Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusätzlichen Beiträgen zugunsten eines verbesserten Schutzes der Familie zustimmen, so sind auch hier die finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Es scheint uns daher verfehlt, wenn man sich nun bereits in der Verfassung auf die Einführung eines Elternurlaubes festlegen würde, weil damit der Spielraum für mögliche Alternativen, die den Interessen der Familien besser entgegenkommen, zum vorneherein sehr stark eingeschränkt würde.

890

65

Finanzielle und personelle Auswirkungen der Initiative

Die i Volksinitiative umschreibt das Konzept der Mutterschaftsversicherung in grossen Zügen, i Die finanziellen Auswirkungen sind davon abhängig, wie eine solche Versicherung durch den Gesetzgeber konkret ausgestaltet würde, und können daher nicht genau vorausberechnet werden. Im folgenden werden daher lediglich die Rechnungsgrundlagen und der ungefähre Kostenrahmen für eine nach dem Konzept der Initiative ausgestaltete Mutterschaftsversicherung dargestellt.

' 651

Rechnungsgrundlagen

Zahl der Geburten. Die seit 1964 beobachtete rückläufige Tendenz bei den Geburten hat bis 1978 angehalten (71 375 Geburten). Ab 1979 ist eine leichte Zunahme der Geburten zu verzeichnen. Unter der Annahme, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird, ist zu erwarten, dass 1984 die Kosten von rund 75 000 Geburten zu Lasten einer obligatorischen Mutterschaftsversicherung gehen würden. Einzelheiten zur Geburtenentwicklung enthält die Tabelle 5.

Pflegekosten je Geburt. Im Jahre 1980 betrugen die Kosten je Wochenbettfall (ohne Berücksichtigung der Zusatzversicherungen) 1912 Franken. Rechnet man bis zum Jahre 1984 mit einer Zunahme der Kosten im bisherigen Umfang, würden bis zu diesem Jahr die Pflegekosten auf rund 2800 Franken ansteigen: Zahl der erwerbstätigen Mütter bei der Geburt. Vorweg sei festgehalten, dass bei den Geburtsmeldungen der Zivilstandsämter an das Bundesamt für Statistik, die Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit der Mutter nicht erfasst ist. Wegen dieses Sachverhalts muss auf die Ergebnisse aus der Volkszählung über die Verteilung der Frauen nach Zivilstand, Berufstätigkeit und Alter abgestellt werden. Da die detaillierten Ergebnisse ,der eidgenössischen Volkszählung 1980 noch nicht zur Verfügung stehen, mussten die Zahlen von 1970 herangezogen werden. Da die Erwerbstätigkeit der Mutter bei der Geburt massgebend ist, können wir uns auf die Frauen im gebärfähigen Alter (l5-49jährige) beschränken.

Über Einzelheiten der verwendeten Grundzahlen informiert die Tabelle 6. Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist (Kolonne 4) wurden im Jahre 1970 etwas mehr als 1,5 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter gezählt, davon waren rund 980 000 verheiratet und nahezu 560 000 nicht verheiratet. Aus den Kolonnen 5-7 geht die prozentuale Zusammensetzung über die Erwerbstätigkeit' je Altersklasse hervor. Ausgehend von diesen Grunddaten lässt sich der Anteil von erwerbstätigen Müttern abschätzen, indem unterstellt wird, dass je Altersklasse die Geburtenhäufigkeit sowohl bei nichterwerbstätigen als auch bei erwerbstätigen Frauen gleich gross sei. In den Kolonnen 8-10 sind die 75 000 Wöchnerinnen gemäss dem zuvor beschriebenen Vorgehen nach den Kriterien Nichterwerbstätige und Erwerbstätige verteilt worden. Nach dieser Modellrechnung wären demzufolge im Jahre 1984 rund 32 000 Wöchnerinnen
erwerbstätig. Aus praktischen Erfahrungen muss aber angenommen werden, dass bei Inkrafttreten einer Neuordnung der Mutterschaftsversicherung, die eine wesentliche Ausdehnung der Leistungen zur Folge hat, insbesondere bei jüngeren, erstmaligen Müt891

lern die Tendenz besteht, möglichst bis zur Niederkunft im Erwerbsleben zu verbleiben, um in den Genuss dieser Mutterschaftsleistungen (Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub) zu kommen. Als realistische Schätzung der dannzumal erwerbstätigen Wöchnerinnen scheint die Zahl von 34 000 vertretbar.

Durchschnittlicher Verdienst der erwerbstätigen Mütter. Laut Einkommensstatistik der AHV betrugen die durchschnittlichen Monatseinkommen im Jahre 1980 für die Männer 3200 Franken und für die Frauen 1950 Franken, was einer globalen Lohnsumme von rund 102,5 Milliarden Franken entspricht. Für das Jahr 1984 kann mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 3700 Franken des Mannes und 2300 Franken der Frau gerechnet werden. Der durchschnittliche Tagesverdienst der Frauen beläuft sich somit auf 76.65 Franken. Aufgrund dieser mittleren Einkommen dürfte die globale Lohnsumme im Jahre 1984 rund 120 Milliarden Franken ausmachen. Das relativ tiefe Fraueneinkommen dürfte u. a. auf die Vielzahl der Teilzeitbeschäftigten zurückzuführen sein.

652

Kostenkomponenten im einzelnen

652.1

Pflegekosten (Abs. 4 Bst. a der Initiative)

Wenn man von 2800 Franken Sachleistungen je Niederkunft und 75 000 Geburten pro Jahr ausgeht, so belaufen sich diese Aufwendungen auf: 2800 Franken x75 000 = 210 Millionen Franken Dabei ist zu beachten, dass diese Versicherung alle Wochenbettfälle umfasst und dass die Kosten für das Jahr 1984 geschätzt wurden, Dies erklärt den Unterschied zu den 170 Millionen Franken, die in der Botschaft über die Teilrevision der Krankenversicherung errechnet wurden.

Werden auch die angestrebten Erweiterungen (beispielsweise Vorbereitungsturnen, Haushalthilfen, Zahnpflege für schwangerschaftsbedingten Zahnzerfall), wie sie aus Erläuterungen des Initiativkomitees hervorgehen, berücksichtigt, so wäre mit weiteren rund 40 Millionen Franken zu rechnen. Gesamthaft würden somit für die Sachleistungen Kosten in der Höhe von rund 250 Millionen Franken im Jahr anfallen.

652.2

Mutterschaftsurlaub (Abs. 4 Bst. b der Initiative)

Taggeldleistungen an erwerbstätige Mütter. Erwerbstätigen Frauen soll während des Mutterschaftsurlaubs von 16 Wochen der volle Ersatz ihres Lohnes aus der Versicherung gewährt werden. Die Aufwendungen zugunsten der erwerbstätigen Mütter belaufen sich unter den in Ziffer 651 getroffenen Annahmen auf 34 000 x 76,65 x 112 = 291,9 oder gerundet 292 Millionen Franken Taggeldleistungen an nichterwerbstätige Mütter. An die nichterwerbstätigen Mütter soll ein angemessenes Taggeld, z. B. zur Deckung der Kosten für eine Haushalthilfe, ausgerichtet werden. Die Initianten orientieren sich in ihren Berechnungen an den Entschädigungen für Nichterwerbstätige gemäss Erwerbsersatz892

Ordnung (EO). ISTach den EO-Bestimmungen erhalten nichterwerbstätige Dienstpflichtige 15 Franken im Tag. Demnach berechnen sich die Kosten wie folgt: 41 000 x 112 x 15 = 68,88 oder gerundet 69 Millionen Franken

652.3

Elternurlaub (Abs. 4 Bst. c der Initiative)

Für erwerbstätige Eltern ist ein Elternurlaub vorgesehen, dessen Mindestdauer von neun Monaten den Berechnungen zugrundegelegt wird. Die Versicherungsleistungen haben dabei den Charakter eines zeitlich begrenzten Lohnersatzes, wobei von den Initianten eine Kompensation bis auf 80 Prozent des durchschnittlichen Familieneinkommens angeregt wird. Bei einem Elternpaar, bei dem beide Partner je den Durchschnittslohn gemäss Ziffer 651 beziehen (Mann 3700 Fr. und Frau 2300 Fr.), ergibt sich ein Familieneinkommen von 6000 Franken, dabei wären 80 Prozent oder 4800 Franken das zu garantierende Familieneinkommen. Würden nun alle erwerbstätigen Mütter (34 000) den Elternurlaub beziehen, müsste bis zum garantierten Familieneinkommen mit einem Erwerbsersatz von 1100 Franken (Familieneinkommen minus Manneseinkommen) oder 48 Prozent des durchschnittlichen Frauenlohnes gerechnet werden. Benützt der Ehemann den Elternurlaub, so stiege der Erwerbsersatz auf 2500 Franken (Familieneinkommen minus Fraueneinkommen), was rund 68 Prozent des durchschnittlichen Männerlohnes entspräche. Ferner ist auch die Möglichkeit gegeben, dass beiden Elternteilen der Elternurlaub teilweise zustehen kann, was einem Erwerbsersatz von 1800 Franken entspräche. Wieweit die Ehemänner vom Elternurlaub Gebrauch machen werden, lässt sich kaum abschätzen. Für eine Modellrechnung soll unterstellt werden, dass bei 34 000 erwerbstätigen Müttern in 14 500 Fällen die Mütter von diesem Urlaub Gebrauch machen, in weiteren 14 500 Fällen sich die erwerbstätigen Mütter und Väter in den Elternurlaub teilen und in 5000 Fällen die Väter den Elternurlaub beziehen. Demnach berechnen sich die Kosten minimal wie folgt: 14 500 x l 100 x 9 = 143,55 Millionen Franken ; 14 500 x l 800 x 9 = 234,90 Millionen Franken : 5 000 x 2 500 x 9 = 112,50 Millionen Franken Total 490,95 Millionen Franken oder gerundet 491 Millionen Franken

652.4

Zusammenfassung

Die geschätzten finanziellen Auswirkungen einer nach der Initiative ausgestalteten Mutterschaftsversicherung ergeben folgendes Gesamtbild:

893

Kostenkomponenten -

Beträge in Millionen Franken

Pflegekosten der Mutterschaft (Sachleistungen). 250 Mutterschaftsurlaub - Taggelder an erwerbstätige Mütter 292 - Taggelder an nicht erwerbstätige Mütter 69 Elternurlaub (9 Monate) 491 Gesamtaufwand 1102

653

Finanzierung

653.1

Allgemein

Beträge in Prozent der Gesamtlohnsumme (120Mrd. Fr.)

0,21 0,24 0,06 0,41 0,92

Nach Absatz 5 der Initiative soll die obligatorische Mutterschaftsversicherung finanziert. werden - durch Beiträge von Bund und Kantonen, - durch Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung, wobei für Arbeitnehmer der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge übernimmt.

Der Aufwand der Versicherung soll demnach aus Beiträgen der öffentlichen Hand sowie aus lohnprozentualen Beiträgen der erwerbstätigen Personen gedeckt werden.

In den Zahlen über den geschätzten Gesamtaufwand sind die den Versicherungsträgern entstehenden Verwaltungskosten noch nicht enthalten. Für deren Abgeltung wären noch Mehraufwendungen von etwa 8 Prozent zum Gesamtaufwand zuzurechnen. Dieser würde sich somit auf rund 1200 Millionen Franken belaufen. Dies entspräche bei einer Lohnsumme von 120 Milliarden Franken im Jahre 1984 einem Aufwand von l Prozent des Lohnes.

Geht man von der Lastenverteilung in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) aus, so hätte die öffentliche Hand 20 Prozent der Aufwendungen, also 240 Millionen Franken, zu übernehmen, allenfalls je zur Hälfte aufgeteilt auf den Bund und die Kantone, wie dies in der Botschaft zur Teilrevision der Krankenversicherung vorgesehen ist. Die restlichen 960 Millionen Franken wären durch Lohnprozente aufzubringen, wobei für Unselbständigerwerbende je die Hälfte vom Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer bezahlt werden müsste. Dies entspräche einem Beitrag von 0,8 Prozent des Lohnes bzw. einem Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteil von je 0,4 Prozent.

Würde mit einem Engagement der öffentlichen Hand von 50 Prozent der Ausgaben, also mit 600 Millionen Franken gerechnet, analog der Regelung in der Invalidenversicherung, so würde sich der lohnprozentuale Anteil auf 0,5 Prozent des Lohnes bzw. der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil auf je 0,25 Prozent ermässigen.

894

653.2

Auswirkungen für den Bund

In der Botschaft über die Teilrevision der Krankenversicherung ist zugunsten der Mutterschaft ,ein Subventionsbetrag von 170 Millionen Franken vorgesehen.

Nach der Darstellung unter Ziffer 653.1 würde sich diese Subvention je nach Verteilungsschlüssel auf 120-300 Millionen Franken belaufen. Die Initianten gehen davon aus, dass die gesamten!Pflegekosten der Mutterschaft vomì Bund abzugelten wären und demnach Bundessubventionen in der Höhe von 250 Millionen Franken zu leisten wären. Bei dieser Annahme würde dem Bundeshaushalt eine Mehrbelastung gegenüber der Revisionsvorlage im Jahre 1984 von rund 80 Millionen Franken resultieren. In Anbetracht der angespannten Finanzlage des Bundes wäre eine derartige zusätzliche Belastung nur schwer vertretbar.

Dem Bund als Arbeitgeber würden ;ausserdem zusätzliche Aufwendungen erwachsen, da er für sein Personal die Hälfte der lohnprozentualen Beiträge zu übernehmen hätte. Nach vorläufigen Schätzungen dürfte dies für die : allgemeine Bundesverwaltung rund 8 Millionen Franken, für die SBB gegen 7 Millionen und für die PTT-Betriebe rund 9 Millionen Franken ausmachen, also gesamthaft rund 24 Millionen Franken erfordern.

654

Personelle Auswirkungen

Da die definitive Organisationsform einer Mutterschaftsversicherung im Sinne der initiative erst auf Gesetzesstufe festzulegen wäre, lassen sich die personellen Auswirkungen heute noch nicht abschätzen. Sicher würden die Aufgaben des Bundesamtes für Sozialversicherung im Bereiche dieses Versicherungszweiges zunehmen.

66

Zusammenfassende Beurteilung / Verzicht auf einen Gegenvorschlag

Die Initiative strebt eine Änderung des heutigen Artikels 34iulniules der Bundesverfassung, des sogenannten Familienschutzartikels an. Sie möchte insbesondere die geltende Bestimmung über die Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung, die vorwiegend eine Kompetenzbestimmung ist, durch einen programmatischen Verfassungsartikel ersetzen. Der Bund erhielte dadurch keine erweiterte Gesetzgebungskompetenz, es würden aber an die Adresse des Gesetzgebers konkretere Aufträge über die künftige Ausgestaltung der Mutterschaftsversicherung erteilt.

Der von der Initiative verlangte Ausbau der Mutterschaftsversicherung könnte auch gestützt auf den geltenden Verfassungsartikel verwirklicht werden. Wir sehen denn auch im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung einen Ausbau der heutigen Mutterschaftsversicherung vor. Unser Gesetzesentwurf erfüllt zahlreiche Postulate der Initiative. Nicht erfüllt bleibt das Begehren auf Errichtung einer selbständigen und obligatorischen Mutterschaftsversicherung mit eigener Finanzierung sowie jenes auf Einführung eines Elternurlaubes von min895

destens neun Monaten. Die heute bestehende Verbindung zwischen Krankenund Mutterschaftsversicherung ist nämlich zweckmässig und hat sich bewährt.

Unser Entwurf kommt zudem einem Versicherungsobligatorium sehr nahe, indem er auch Leistungen an nicht versicherte Mütter vorsieht. Der in der Initiative geforderte Elternurlaub erscheint uns hingegen nicht als eine zweckmässige und vordringliche Massnahme zum Schütze der Familie und des Kindes. Die Initiative konzentriert sich damit nämlich allzustark auf das erste Lebensjahr des Kindes und lässt ausser acht, dass sich Massnahmen zum Schütze der Familie sinnvollerweise auf den gesamten Zeitraum der Betreuung und Erziehung der Kinder erstrecken sollten.

Aufgrund dieser Überlegungen wäre es verfehlt, sich bereits in der Verfassung auf den in der Initiative verlangten Katalog von Leistungen der Mutterschaftsversicherung festzulegen, weil dadurch andere, unter Umständen geeignetere Massnahmen zum Schütze der Familie zwar nicht rechtlich, aber wegen der begrenzten finanziellen Mittel doch faktisch verhindert würden. Die geltende offene Formulierung des Verfassungsartikels sollte daher beibehalten und nicht durch die allzu detaillierte und damit im Blick auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers engere Fassung der Initiative ersetzt werden. Wir gelangen daher zur Auffassung, dass die Initiative abzulehnen sei. Aus dem gleichen Grund erachten wir auch einen Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe, der ebenfalls die Form eines Programmartikels aufweisen würde, als unnötig. Wir hielten es beispielsweise nicht für zweckmässig, das Konzept der von uns im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung nun vorgeschlagenen Mutterschaftsversicherung in einem Verfassungsartikel festzuhalten. Sozialpolitische Postulate sind, wie die Erfahrung zeigt, einem gewissen Wandel unterworfen. Sie sind deshalb vom Gesetzgeber den Bedingungen der Zeit entsprechend zu erfüllen.

Wir sind daher der Meinung, dass der heutige Verfassungsartikel, der dem Bund im Bereich des Schutzes der Familie und der Mutterschaftsversicherung eine umfassende Gesetzgebungskompetenz gibt, unverändert beibehalten werden sollte.

8852

896

Anhang Verzeichnis der Tabellen 1. Der Schutz der Mutterschaft im Ausland 2. Familienhaushaltungen von Ehepaaren nach Berufstätigkeit der Ehefrau und nach der Anzahl der vom Ehepaar ernährten Kinder unter 18 Jahren, 1970 3. Berufstätige Ehefrauen von berufstätigen Haushaltungsvorständen, nach beruflicher Stellung des Ehemannes, 1970 4. 15-64jährige weibliche Wohnbevölkerung und Berufstätige nach Heimat und Zivilstand 5. Lebendgeborene nach dem Alter der Mutter 6. Verteilung der Frauen nach Alter, Zivilstand und Erwerbstätigkeit gemäss Volkszählung 1970 sowie geschätzte Verteilung der Wöchnerinnen 1984

897

00

>O"

Tabelle l

Der Schutz der Mutterschaft im Ausland

00

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage: früherer Verdienst)

Belgien

S: - Selbstversicherte Frauen - Mitversicherte Angehörige eines Versicherten G:-- Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

14

6

8

100% (während 7-30 Tagen; anschliessend 79,5%)

BRD

S: - Selbstversicherte Frauen - Mitversicherte Ehefrau und Töchter eines Versicherten G: -- Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

14* (4)

6

8

100%

Dänemark

S: -- Mitversicherte Angehörige eines Einwohners G:- Alle selbständig und unselbständig beschäftigten Frauen (einschl.

mithelfender Ehefrauen)

Kostenlose medizinische Versorgung im Spital oder Entbindungsheim

18

4

14

90% (während 14 Wochen)

Land

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage: früherer Verdienst)

DDR

S: -- Selbstversicherte Frauen - Mityersicherte Angehörige eines Versicherten G: - Versicherte Frauen (Arbeitnehmerinnen, Studentinnen, Lehrlinge usw.)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

26* (2)

6

20

100% --

Finnland

S: -- Mitversicherte Angehörige eines Einwohners G:- Alle selbständig und unselbständig beschäftigten Frauen und Studentinnen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

bis zu 282 Tagen *

48 Tage

mindestens 6, höchstens 234 Tage

80% (während 15 Wochen; anschliessend 70%)

Frankreich

S: - Selbstversicherte Frauen - Mitversicherte Ehefrau und Töchter eines VersichertenG: - Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen (Pauschalbeitrag für pharmazeutische Produkte bei Hausgeburten)

16* (2-8) (26 ab 3. Kind)

6 (nach Wahl 8-10)

10 (nach Wahl 16-18)

90%

Land

00

^o ·~o

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage: früherer Verdienst)

S: - Selbstversicherte Frauen - Unterhaltsberechtigte Ehefrau oder andere Person G: - Versicherte Frauen

Pauschalbeitrag an die Kosten der Niederkunft

12

6

6 .

50% (bis zu

Grossbritannien

S: - Alle Einwohnerinnen G: -- Versicherte selbständig oder unselbständig beschäftigte Frauen

Kostenlose medizinische Versorgung im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes

18

höchstens 1 1

7

90% (während 6 Wochen; anschliessend Pauschalbetrag)

Holland

S: - Selbstversicherte Frauen -- Mitversicherte Ehefrau und Töchter eines Versicherten G:- Selbstversicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen (Übernahme der Hauspflege während 10 Tagen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag)

12

(4 bis) 6

6 (bis 8)

100%

Land

Griechenland

100%)

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage: früherer Verdienst)

Irland

S : -- Alle Einwohner G:- Versicherte Frauen

Kostenlose medizinische Versorgung bei Entbindung (ausgenommen sind Personen, deren Jahreseinkommen einen bestimmten Betrag übersteigt; diese haben die Arztkosten selber zu bezahlen)

mindestens 14* (4)

mindestens 4

mindestens 4

80%

Italien

S: - Alle Einwohnerinnen G:- Versicherte Frauen (alternativ der Vater)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

20* (4)

8

12

80%

Liechtenstein

S: - Alle Einwohnerinnen G:- Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

12

_

mindestens 8

80%

Land

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage: früherer Verdienst)

Norwegen

S: -- Mitversicherte Angehörige eines Einwohners G: - Versicherte Frauen (Erwerbstätige und Nichterwerbstätige, deren Einkommen einen bestimmten Betrag nicht übersteigt)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

18

bis zu 12

mindestens 6 (bis zu 18)

100%

Österreich

S: - Selbstversicherte Frauen - Mitversicherte Angehörige eines Versicherten G: - Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistun-

16* (4)

8

8

100%

S: - Selbstversicherte Frauen - Mitversicherte Familienangehörige eines Versicherten G: - Versicherte Frauen (selbständig und unselbständig beschäftigte Frauen; Mitglieder bestimmter Kooperativen usw.)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

16-18* (8-10) (16 für das 1. Kind; 18 für das 2. und die weiteren Kinder)

mindestens 2

mindestens 12-14 (12 für das 1. Kind; 14 für das 2.

und die weiteren Kinder)

100%

Land

Polen

gen

1

2

3

4

5

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Geldleistungen Niederkunft (Grundlage : (Dauer in Wochen) . früherer Verdienst)

S: -- Mitversicherte Angehörige eines Einwohners G:- Arbeitnehmerinnen mit einem Mindesteinkommen pro Jahr und die meisten Hausfrauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

bis zu 360 Tagen (2 Perioden von 180 Tagen)

bis zu 60 Tagen

mindestens 6

Spanien

S: -- Selbstversicherte Frauen -- Mitversicherte Angehörige eines Versicherten G:- Versicherte Frauen

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

14*

6

8

75%

Tschechoslowakei

S: -- Alle Frauen G : -- Versicherte Frauen (Arbeitnehmerinnen, Mitglieder bestimmter Kooperativen usw.)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

26* (9) (wovon 12 obligatorisch)

4-8

mindestens 6, bis zu 22

90%

Land

Schweden

vo

3

6

90% (während 270 Tagen; anschliessend Pauschalbetrag)

VO g

Land

Ungarn

S: Sachleistungen G: Geldleistungen

1

2

3

4

5

6

Anwendungsbereich

Sachleistungen

Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub (Dauer in Wochen)

Urlaub vor der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Urlaub nach der Niederkunft (Dauer in Wochen)

Geldleistungen (Grundlage : früherer Verdienst)

S: - Mitversicherte Angehörige eines Einwohners G:- Versicherte Frauen (selbständig und unselbständig beschäftigte Frauen, Mitglieder bestimmter Kooperativen, Studentinnen usw.)

Gleiche Leistungen wie bei Krankheit; zusätzlich spezifische Mutterschaftsleistungen

20* (4)

mindestens 4

höchstens 16

65-100%

In den mit * bezeichneten Ländern kann der Mutterschaftsurlaub um die in Klammern angegebene Dauer verlängert und/oder durch einen zusätzlichen Urlaub mit geringerer Entschädigung ergänzt werden (vgl. Ziff. 423)

Familienhaushaltungen von Ehepaaren nach Berufstätigkeit der Ehefrau und nach der Anzahl der vom Ehepaar ernährten Kinder unter 18 Jahren, 1970 Tabelle 2 Total

Ehefrauen

davon Berufstätige

Erwerbsquote, d. h. prozentualer Anteil der Berufstätigen am Total

680 927

233 447

343

282747

93 556

33,1

264 128

61 706

73 4

182 138

37942

?0 8

1 409 940

426651

303

Ohne ernährte Kinder unter 18 Jahren Mit 1 ernährten Bund unter 1 8 Jahren Mit 2 ernährten Kindern unter Mit 3 und mehr ernährten Kindern unter 1 8 Jahren Im ganzen

.

Quelle: Volkszählung 1970; Band 12, 1976

Berufstätige Ehefrauen von berufstätigen Haushaltungsvorständen, nach beruflicher Stellung des Ehemannes, 1970 Tabelle 3 Berufliche Stellung des Ehemannes

Absolute Zahlen Ehefrauen insgesamt

Prozentzahleri davon Ehefrauen ohne Kinder

Ehefrauen insgesamt

davon Ehefrauen ohne Kinder

84592

36244

20,5

17,2

Mitarbeitende Familienmitglieder Angestellte Arbeiter

3 154 121 524 203 622

1734 69942 102 533

0,8 29,4 49,3

0,8 33,3 48,7

Total Berufstätige

412 892

210453

100,0

100,0

Quelle: Volkszählung 1970; Band 12, 1976

905

T 5-64jährige weibliche Wohnbevölkerung und Berufstätige nach Heimat und Zivilstand Tabelle 4 Zivilstand

Wohnbevölkerung

davon Berufstätige

Erwerbsquote, d. h.

prozentualer Anteil der Berufstätigen am Total

Schweizerinnen Ledig Verheiratet Verwitwet Geschieden

476 308 1 108 470 78000 52879

358 105 330 880 37943 43 148

75,2 29,9 48,6 81,6

Total .

1 715 657

770 076

44,9

Ausländerinnen Ledig Verheiratet Verwitwet Geschieden

98562 211467 7 174 6 173

82804 126 706 4463 5261

84,0 59,9 62,2 85,2

Total

323 376

219234

67,8

Schweizerinnen und Ausländerinnen zusammen Ledig Verheiratet Verwitwet Geschieden

574 870 1319937 85 174 59052

440 909 457 586 42406 48409

76,7 34,7 49,8 82,0

Total

2 039 033

989310

48,5

Quelle: Volkszählung 1970; Band 4, 1972 und Band 5, 1974

906

Lebendgeborene nach dem Älter der Mutter Tabelle S Altersklasse (Alter der Mutter bei der Geburt)

1979

1980

1981

1984 Schätzung

Mutter verheiratet 15-19 20-24

25-29 30-34 35-39 <10 M

45-49

;..

...

Total

1614 17270 28334 16323 4518 693 44

1719 17402 28494 17097 4700 702 51

1673 17501 28240 16972 4893 636 31

1 700 17740 28620 17200 4960 650 30

68796

70165

69946

70900

Mutter nicht verheiratet (Ledige, Geschiedene, Verwitwete)

15-19 20-24 25-29 30-34 35 39 40-44 45-49 Total

. ..

727 1 193 647 440 156 26 1

741 1 220 821 471 189 50 4

751 1342 874 544 241 44 5

810 1450 940 590 260 45 5

3 190

3496

3 801

4100

Im ganzen 15-19 20-24 25 29 30-34 35-39 <10 M 45-49

2341 18463 28981 16763 4674 719 45

2460 18622 29315 17568 4889 752 55'

2424 18 843 29 114 17516 5 134 680 36

2510 19 190 29560 17790 5220 695 35

Total

71986

73 661

73747

75000

907

908

Verteilung der Frauen nach Alter, Zivilstand und Erwerbstatigkeit gemass Volkszahlung 1970 sowie geschatzte Verteilung der Wochnerinnen 1984 Alters-

1

Absolute Zahlen

Prozentzahlen

Tabelle 6 Wochnerinnen (absolute Zahlen)

Nichterwerbstatige

Erwerbstatige

Zusammen

Nichterwerbstatige

Erwerbstatige

Zusammen

Nichterwerbstatige

Erwerbstatige

Zusammen

2

3

4

5

6

7

8

9

10

935

1700

8693 10876 5848 1736 234 11

17740 28620 17200 4960 650 30

28333

70900

478 537 231 39 4

810 1450 940 590 260 45 5

Verheiratete unter 20 . .

20-24 . . . .

25-29 30-34 ....

35-39 ....

40-44 . . . .

45-49 . . . .

3697 57646 118 121 119732 112057 103 850 97218

4464 55023 72706 61931 60643 58860 54208

112669 190 827 181 663 172 700 162710 151 426

45 51 62 66 65 64 64

55 49

100 100

38

100

34 35 36 36

100 100 100 100

765 9047 17744 11352 3224 416 19

Total

612321

367 835

980 156

62

38

100

42567

100 100 100 100 100 100

332 145 75 53 29 6 1

8 161

Nicht Verheiratete (Ledige, Geschiedene und Verwitwete) unter 20 . .

20-24 ....

25-29 ....

30-34 ....

35-39 . . . .

40-44 45-49 . . . .

Total

87"157 14698 4700 3334 3605 4731 6950

124 834 125781 55879 32219 29 185 30611 33766

211991 140 479 60579 35553 32790 35342 40716

41 10 8 13 17

59 90 92 91 89 87 83

125 175

432 275

557 450

22

78

100

641

3459

4 100

48

52

100

43208

31792

75000

9 11

100

1305

865

Verheiratete und nicht Verheiratete zusammen Total

737 496

.

800110

1 537 606

Bundesbeschluss Entwurf über die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft»

Die Bundesversammlung der Schweizerischen

Eidgenossenschaft,

nach Prüfung der am 21. Januar 1980 eingereichten Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» '), nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 17. November 19822\ beschliesst:

Art. l 1

Die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» vom 21. Januar 1980 wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

2

Die Volksinitiative lautet: Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 34i"inim'es Abs. 3-8 3 Der Bund richtet auf dem Wege der Gesetzgebung einen wirksamen Schutz der Mutterschaft ein.

4 Der Bund richtet insbesondere eine obligatorische und allgemeine Mutterschaftsversicherung ein, welche folgende Leistungen gewährt : a. Die vollständige Deckung aller in Folge Schwangerschaft und Geburt entstehenden Arzt-, Pflege- und Spitalkosten.

b. Einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 16 Wochen, wovon mindestens 10 Wochen nach der Niederkunft.

Erwerbstätige Versicherte haben Anspruch auf vollen Ersatz ihres Lohnes während der ganzen Dauer des Mutterschaftsurlaubs, wobei in Übereinstimmung mit anderen Zweigen der Sozialversicherung eine Plafonierung des versicherten Lohnes zulässig ist.

Nichterwerbstätige Versicherte erhalten während der Dauer des Mutterschaftsurlaubs ein angemessenes Taggeld.

c. Für erwerbstätige Eltern einen Elternurlaub von mindestens neun Monaten, der für die Mutter an den Mutterschaftsurlaub anschliesst, fijr den Vater mit dem Zeitpunkt der Geburt beginnen kann. Die Versicherungsleistungen während des Elternurlaubs sichern bei unteren Einkommen das Familieneinkommen in vollem Umfang. Bei höheren Einkommen steigen die Versicherungsleistungen abnehmend nach Einkommenshöhe.

Der Elternurlaub steht Mutter oder Vater, oder beiden teilweise zu, ohne Auswirkung auf das garantierte Familieneinkommen.

') BEI 1980 I 821 > BEI 1982 III 845

2

43 Bundesblatt. 134. Jahrg. Bd. III

909

Volksinitiative 5

Die Finanzierung der Mutterschaftsversicherung erfolgt durch: a. Beiträge von Bund und Kantonen; b. Beiträge aller erwerbstätigen Personen nach dem Modell der AHV-Gesetzgebung. Für Arbeitnehmer übernimmt der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge.

6 Als Träger der Mutterschaftsversicherung können die schon bestehenden Sozialversicherungen herangezogen werden.

7 Der Bund richtet einen umfassenden Kündigungsschutz für die gesamte Dauer der Schwangerschaft, des Mutterschaftsurlaubs und des Elternurlaubs, ohne Einbusse der durch das Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte, ein.

8 (Bisheriger Absatz 5) Übergangsbestimmung Die Ausführungsgesetzgebung ist innert fünf Jahren nach Annahme der Initiative durch Volk und Stände in Kraft zu setzen.

Art. 2 Die Bundesversammlung empfiehlt Volk und Ständen, die Initiative zu verwerfen.

8852

910

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Volksinitiative «für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» vom 17.

November 1982

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1982

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

82.074

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.12.1982

Date Data Seite

845-910

Page Pagina Ref. No

10 048 835

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.