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Bundesblatt

85. Jahrgang.

Bern, den 26. Juli 1933.

Band II

Erscheint wöchentlich Preis 20 Franken im Jahr, 10Frankenn imHalbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Kappen die Petizeile oder deren Raun. -- Inserate franko an Stämpli * Cie, In Bern.

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Kreisschreiben des

Bundesrates aa die Kantonsregierungen betreffend die Mietzinse.

(Vom 21. Juli 1933.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

In ungerm Kreisschreiben vom 28. April 1988 betreffend Preisfragen haben wir uns vorbehalten, auf die Frage der Mietzinse zurückzukommen (Bundesbl.

Bd. I, S. 724), Wir beehren uns nun, Ihnen hierüber folgendes mitzuteilen : Die vom Volkswirtschaftsdepartement eingesetzte Kommission für Mietzinse hat ihre Feststellungen und Anregungen in einem vom 21. Oktober 1932 datierten Bericht niedergelegt, der -- wie die Berichte der andern Preiskommissionen -- in Nr. 11 des letzten Jahrgangs der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (Beilage zum Handelsamtsblatt) veröffentlicht worden ist. Einige Sonderabzüge dieses Berichts, dessen Inhalt in allem wesentlichen noch heute zutrifft, fügen wir diesem Kreisschreiben bei.

Wie im Bericht der Kommission für Mietzinse erwähnt wird, kann das Wohnungsangebot im allgemeinen als ausreichend bezeichnet werden. Jedoch sind die Mietzinse noch unverhältnismäßig hoch. An einzelnen Orten ist immerhin infolge eines Überangebots an Wohnungen der Mietzins bereits gesunken, wenigstens für die Wohnungen, bei denen ein Mieterwechsel stattgefunden hat. Senkungen der Mietpreise sind sodann möglich geworden durch Verbilligungen bei den mietpreisbildenden Ursachen. Unter diesen spielen die Hypothekarzinse eine grosse Eolle, machen sie doch durchschnittlich drei Vierteile aller Hausbesitzlasten aus. Seit 1925 ist der Hypothekarzinsfuss fast durchwegs um l % gesunken, was allein, je nach den besondern Verhältnissen,Deiner Verbilligung der Hausbesitzlasten von 7--15 % entspricht. Die Kommission für Mietzinse hat aber festgestellt, dass diMietensenkunng noch nicht einen deZinsfusssenkungng entsprechenden Grad erreicht hat.

Eine Herabsetzung der Miete ist ferner durch eine massigere Berechnung der übrigen Hausbesitzlasten möglich. Die Kommission für Mietzinse ist der Ansicht, dass im allgemeinen als Quote für die Eeparaturen 1% % des AsseBundesblatt. 85. Jahrg. Bd. II.

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82 kuranzwertes und als Verwaltungskoston 8 % der Mietzinseinnahmen genügen sollten. Als Verzinsung des Eigenkapitals hält die Kommission ein Mehrprozent gegenüber dem üblichen Zinssatz für erste Hypotheken für angemessen.

Eine Eisikoprämie für Mietzinsausfall möchte die Mehrheit der Kommission bei der Berechnung des Mietwertes einer Wohnung nicht berücksichtigt wissen.

So wünschbar auch ein Abbau der off entheben Abgaben wäre, wird ein solcher im jetzigen Zeitpunkt von den Kantonen und Gemeinden nicht zugebilligt werden können; denn mehr denn, je hat das Gemeinwesen Mittel nötig, um den Anforderungen, die an es gestellt werden, einigermassen zu genügen.

Bei Neubauten wird naturgemäss der Mietzins wesentlich durch die Ausstattung der Wohnungen beeinflusst. In dieser Hinsicht ist man in neuester Zeit wohl oft zu weit gegangen. So begrüssenswert das Bestreben ist, allen Bevölkerungsschichten gut ausgestattete und namentlich gesunde Wohnungen verschaffen zu können, so sehr muss doch auch hierin ein vernünftiges Mass eingehalten werden. Durch Verzicht auf übertriebenen Komfort, durch einfachere, aber doch zweckmässige Ausführung kann gespart und dem Handwerk doch die erwünschte Beschäftigung verschafft werden.

Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse erheischen, dass die Mietzinse überall im Eahmen des Möglichen herabgesetzt werden. Der Bundesrat erwartet daher, dass die Hausbesitzer und Wohnungsgenossenschaften die bisherigen und allfällige künftige Erleichterungen der Hausbesitzlasten in vollem Ausmasse den Mietern zugute kommen lassen. Dringend KM wünschen ist auch, dass die Hypothekargläubiger, die den Zinsfuss bisher nicht herabgesetzt haben, ihn im Eahmen der Möglichkeit freiwillig auf den heute üblichen Ansatz ermässigen, in der Meinung freilich, dass die Eeduktion den Mietern zugute kommen soll.

Man kann sich fragen, ob der Bund zur Durchsetzung dieser Wünsche rechtliche Massnahmen treffen solle. Diese Frage glauben wir verneinen zu müssen. Nachdem der Nationalrat unsere mit Botschaft vom 17. Dezember 1928 eingebrachte Vorlage über Notvorschriften gegen Wohnungsmangel, die vom ordentlichen Eecht abweichende Bestimmungen nur für Zeiten ausserordentlichen Wohnungsmaugels bereitstellen wollte, in der Schlussabstimmung vom 17. März 1932 verworfen hat, würden die eidgenössischen Eäte
heute kaum auf eine neue Vorlage über dasselbe Eechtsgebiet eintreten. Wir haben das Schicksal jenes Entwurfes bedauert, ziehen aber die Konsequenzen. Eine neue Vorlage wäre ohnehin unseres Erachtens wieder auf ähnlicher Grundlage aufzubauen. Zu rechtlich zwingenden Eingriffen auf den Mietzins wäre zurzeit kein hinreichender Grund vorhanden; seit der.Erledigung der erwähnten Vorlage haben sich die Verhältnisse .eher zugunsten der Mieter geändert.

Wenn wir also Massnahmen mit Zwangscharakter heute nicht befürworten, so ist damit .nicht gesagt, dass die Behörden sich den Mietzinsproblemen gegenüber völlig passiv verhalten und auf jeglichen Versuch einer Korrektur ungenügender Zustände verzichten müssen. Der Anregung der oben erwähnten Kommission für die Mietzinse folgend, empfehlen wir den Kantonen, da,

83 wo ein Bedürfnis dazu besteht, lokale Mietzinskontrollkommission einzusetzen, an die sich die Mieter wenden können. Auch wenn diese Organe bloss mit der Aufgabe botraut werden, die Angemessenheit der Mietzinse zu begutachten, so werden sie doch die öffentliche Meinung zum Ausdruck bringen und auf die Hauseigentümer einen moralischen Druck ausüben. Schon die blosse Existenz solcher Kommissionen wird manchen Hauseigentümer veranlassen, von sich aus zu einer Herabsetzung des Mietzinses Hand zu bieten.

Wie schon festgestellt, werden im allgemeinen genügend Wohnungen angeboten. In einzelnen Gemeinden war die Bautätigkeit in den letzten Jahren so rege, dass die Zahl leerer Wohnungen den einem normalen Wohnungsmarkt entsprochenden Bestand überstiegen hat und ein weiteres Anhalten dieser Entwicklung zu einem Überfluss an Wohnungen fuhren muss. Unter diesen Umständen kommt eine Förderung der Bautätigkeit durch den Bund im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

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Wir benutzen den Anlass, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

Bern, den 21. Juli 1983.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend die Mietzinse. (Vom 21. Juli 1933.)

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