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Bundesblatt

85. Jahrgang.

Bern, den 4. Oktober 1933.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli 16 C:e m Bern.

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Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden. Räte sind am 25. September 1933, um 18 Uhr.

zur 9. Tagung der 29. Legislaturperiode zusammengetreten.

Im S t an d e r a t eröffnete der Präsident, Herr Laely die Tagung mit folgender Ansprache : Meine Herren !

Der schweizerische Nationalrat und der Staatsrat des Kantons Neuenburg haben einen schweren Verlust erlitten. Gestern wurde Nationalist und Staatsrat Alfred Clott in seiner Heimatgemeinde Saint-Biaise zur ewigen Ruhe bestattet, und die allgemeine Trauer, die gewaltige Beteiligung der Behörden, der Freunde und Kollegen, der Bevölkerung des Kantons Neuenburg, hat Zeugnis dafür abgelegt, dass ein Hervorragender, ein Führer Abschied genommen hat.

Alfred Clottu war am 10. September 1871 als Spross einer alteingesessenen Familie in Saint-Biaise geboren worden. Dort hat er auch nach abgeschlossenem Rechtsstudium und abgelegter Prüfung seinen Beruf als Rechtsanwalt und Notar auszuüben begonnen.

Die Leidenschaft zum Staat, sein Interesse an allen Dingon, welche die Öffentlichkeit berühren, konnte seinen Mitbürgern nicht verborgen bleiben. Sie wählten den 26jährigen schon in den Gemeinderat wo er sich das allgemeine Vertrauen in einem Masse erwarb, dass er 6 Jahre später zürn Gemeindepräsidenten erkoren wurde. Als solcher wurde er im Jahre 1904 in den Grossen Rat abgeordnet, wo ihm Gelegenheit geboten war, sich auf kantonalem Boden durch Gewandtheit, Energie, klare Auffassung und Darstellungsgabe ebenso auszuzeichnen, wie er es auf dem Boden der Gemeinde bereits getan hatte. Man erkannte in dieser Persönlichkeit früh den künftigen S t a a t s m a n n und Staatsrat. Er wurde nach einem misslungenen Versuch, der bei der Gesamterneuerung des Staatsrates im Jahr 1910 unternommen worden war, im Jahr 1915 denn auch als solcher gewählt, er hat demselben bis zu seinem Tode ununterbrochen angehört und in Bundesblatt, 86. Jahrg. Bd. II.

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dieser Zeit viermal den Prasidentenstuhl innegehabt. Was Gemeindepräsident und Staatsrat Ciotta innert 30 Jahren an diesen hervorragenden Stellen gearbeitet, vollendet und angestrebt hat, das ist gestern am offenen Grabe in Saint-Biaise von den Vertretern der zuständigen kommunalen und kantonalen Behörden hervorgehoben worden. Es ist nicht wenig und nicht unbedeutend und stellt der Arbeitsfreude und dem Verantwortungsbewusstsein des Verblichenen ein glänzendes Zeugnis aus.

In dor Regierung führte er von Anfang an das Finanzdepartement.

Er hat es mit grossem Geschick geleitet, ohne den sich türmenden Schwierigkeiten auszuweichen und sich durch gelegentliche Misserfolge entmutigen zu lassen. Zielbewusst und kraftvoll steuerte er auf das, was er als zweckmässig erkannt hatte, zu und scheidet in einem Augenblick, wo man von ihm noch wertvolle Arbeit zu erwarten berechtigt war.

Als Vorsteher des Finanzdepartements kam ihm die Wahrung der Interessen des Kantons in verschiedenen interkantonalen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen zu. Er war Mitglied des Kreiseisenbahnrates I, Verwaltungsrat der direkten Neuenburg>Bern-Bahn, Administrator der Salzsalinen und Mitglied des Verwaltungsrates der Schweizerischen Nationalbank. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren hatte ihn schon vor einem Jahrzehnt zu ihrem Präsidenten gewählt, und es hat mir einer seiner Kollegen, der jahrelang mit Clottu zusammen arbeitete, anlässlich der Todesbotschaft noch gesagt, wie angenehm und leicht es sich unter der umsichtigen Leitung gearbeitet habe.

Auf all den vielen hervorragenden Posten, die er im Laufe dreier Jahrzehnte einnahm, hat er seinen Mann gestellt und ganze Arbeit geleistet.

Der Weg in die Bundesversammlung ist ihm verhältnismässig spät geöffnet worden. Staatgrat Clottu war 60 Jahre alt, als er bei der Gesamterneuerung 1931 in den Nationalrat gewählt wurde. Doch hatte jeder, der ihn damals erst kennen lernte, den Eindruck, einen Mannn voll unverbrauchter Arbeitskraft vor sich zu haben.

Seiner besonderen Begabung entsprechend, schlug ihn seine Fraktion jeweilen für die Kommissionen finanztechnischen Charakters vor. Er war Mitglied der Kommission für die Kredithilfe für Österreich, für die Darlehenskasse, für die Bundeahilfe für die Diskontbank. Und als der Posten eines Referenten für die Vorlage über
die vorübergehende Anpassung der Gehälter an die veränderten Verhältnisse im Nationalrat seiner besondern Natur nach gar nicht begehrt war, da trat der Neuenburger Vertreter Clottu in die Lücke und führte die heissumstrittene Vorlage mit ruhiger .Festigkeit durch die zum Teil recht stürmischen Verhandlungen, die Anträge des Bundesrates verteidigend.

Gerade auf diesem Referentenposten trat ein besonderer Wesenszug des Abgeschiedenen deutlich in Erscheinung: Furchtlos, unbekümmert

419 um Popularität, ohne Rucksicht auf das Gefallen oder Miasfallen von Wählergruppen, die von der Vorlage mehr oder weniger berührt werden.

Das waren die Eigenschaften dieses Mannes, besonders anerkennenswert und nachahmenswert in einer Zeit, wo auch bei der Lösung staatlicher Aufgaben mancher nur nach personlichem Vorteil späht und stimmt.

Im Frühling dieses Jahres brach seine Gesundheit jäh zusammen.

In der Junisession der Bundesversammlung musste er eine Privatklinik aufsuchen, die ihm leider keine Heilung bringen, sondern nur die Einsicht in die Hoffnungslosigkeit seines Zustaudes vermitteln konnte.

Und dennoch legte er das Werkzeug nicht aus der Hand, Der Kampf mit dem nahenden Tod ging nicht nur um Monate oder Wochen, er ging um Tage und Stunden dieses arbeitsreichen Lebens. Schreibt doch sein Freund und Parteigenosse, Nationalrat Oeri, dass Clottu die Schweizerische Liberale Partei, deren Präsident er war, noch auf den nächsten Mittwoch zu einer Versammlung nach Bern aufgeboten hatte. Als die Einladungen ihre Empfänger erreichten, weilte der Einladende schon nicht mehr unter den Lebenden.

Ein hervorragender Staatsmann von hoher Intelligenz, grosser Tatkraft, eisernem Pflichtgefühl, ist mit ihm aus der Bundesversammlung geschieden.

Mag sein Name als Ansporn zur Nachahmung bei uns, ganz besonders unter der Jugend, weiterklingen. Wir entbieten ihm über das G-rab hinaus den Scheidegrues und erweisen ihm hiermit die letzte parlamentarische Ehrung.

Die Ansprache des Präsidenten des N a t i o n a l r a t e s , Herrn Dr.

Dollfus, ist in der französischen Ausgabe des Bundesblattes (1933, II, 425) veröffentlicht worden.

In den N a t i o n a l r a t sind neu eingetreten: Herr Emil F ü r r er, pensionierter Lokomotivführer, von und in Zürich, an Stelle des zurückgetretenen Herrn H. Bräm; Herr Eduard I s e n s c h m i d , Amtsrichter und Amtsgehilfe, von Schötz und Willisau-Laud, in Schötz, an Stelle des zurückgetretenen Herrn E. Häfliger.

Herr Marcel K r u g e l, Industrieller, von Travers und Escholzmatt, in Travers, an Stelle des verstorbenen Herrn A. Clottu.

In den S t ä n d e r a t ist neu eingetreten: Herr Hans K ä s e r , Ingenieur, von Bern und Schaffhausen, in Schaffhausen, an Stelle des zurückgetretenen Herrn Dr. B. H. Bolli.

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1933

Année Anno Band

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41

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.10.1933

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417-419

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