14.307/14.316 Standesinitiativen Kt. Iv. ZG. Wiederherstellung der Souveränität der Kantone bei Wahlfragen. Änderung der Bundesverfassung/ Kt. Iv. UR. Souveränität bei Wahlfragen Bericht vom 16. November 2017 der Staatspolitischen Kommission des Ständerates Stellungnahme des Bundesrats vom 17. Januar 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 16. November 20171 der Staatspolitischen Kommission des Ständerates zu den Standesinitiativen 14.307 «Wiederherstellung der Souveränität der Kantone bei Wahlfragen. Änderung der Bundesverfassung» und 14.316 «Souveränität bei Wahlfragen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Januar 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Der Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates (SPK-S) wurde aufgrund zweier Standesinitiativen verfasst: der vom Kanton Zug am 28. März 2014 eingereichten Initiative «Wiederherstellung der Souveränität der Kantone bei Wahlfragen. Änderung der Bundesverfassung» (14.307) und der vom Kanton Uri am 7. Juli 2014 eingereichten Initiative «Souveränität bei Wahlfragen» (14.316). Am 23. Juni 2015 beschloss die SPK-S, beiden Initiativen Folge zu geben. Am 5. November 2015 beantragte die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SKP-N), den Initiativen keine Folge zu geben. Der Nationalrat stimmte diesem Antrag nicht zu und gab den beiden Standesinitiativen am 18. März 2016 Folge. Die Standesinitiativen wurden darauf der SPK-S zur Ausarbeitung einer Verfassungsänderung überwiesen. Diese verabschiedete den entsprechenden Erlassentwurf am 16. November 2017.

Mit Schreiben vom 21. November bat die SPK-S den Bundesrat nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes2, zu ihrem Entwurf Stellung zu nehmen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat Verständnis für das Anliegen der Kommission, den Gestaltungsspielraum der Kantone im Bereich der Wahlverfahren zu erhalten. Er erachtet es gleichzeitig als wichtig, dass das Bundesgericht die Verfassungsgrundsätze der Garantie der politischen Rechte (Art. 34 Abs. 2 BV) sowie des Gebots der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) anwenden kann, wenn es sich zu einem kantonalen Wahlverfahren äussern muss. Ein Wahlsystem hat diesen juristischen Mindeststandards zu entsprechen. Es muss in den jeweiligen Gemeinwesen aber auch politisch ausgehandelt werden und den lokalen Bedürfnissen angepasst sein.

In seiner Auslegung der Artikel 34 Absatz 2 und 8 Absatz 1 BV misst das Bundesgericht dem Grundsatz der Erfolgswertgleichheit zentrale Bedeutung zu und will diesem Nachachtung verschaffen. Die Kantone verfügen zwar über verschiedene Möglichkeiten, damit bei Proporzwahlen das natürliche Quorum von 10 Prozent nicht übertroffen wird. Der Kanton Neuenburg beispielsweise schafft für die nächsten Wahlen einen einzigen Wahlkreis, wobei durch einige Regeln eine angemessene Vertretung der Regionen gewährleistet wird. Demgegenüber hat der Kanton Schaffhausen entschieden, alle Wahlkreise beizubehalten, und hat das doppeltproportionale System des «doppelten Pukelsheim» eingeführt.

Durch seine Rechtsprechung hat das Bundesgericht allerdings der ebenfalls in der Verfassung garantierten Autonomie der Kantone bei der Gestaltung und der Wahl ihres Wahlverfahrens zunehmend Grenzen gesetzt. So anerkennt es mittlerweile zum Beispiel kaum mehr, dass bei Proporzwahlen mit der Begründung durch lokale 2

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Gegebenheiten vom geforderten Quorum von höchstens 10 Prozent abgewichen werden darf. Das Bundesgericht ist ferner zur Einschätzung gelangt, dass Mischoder Majorzsysteme für Parlamentswahlen ausschliesslich unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind (z. B. grosse Autonomie der Wahlkreise oder geringe Bedeutung der politischen Parteien).

Der Bundesrat stellt fest, dass sich in der Vernehmlassung jedenfalls kein Konsens für oder gegen den Entwurf der Kommission abgezeichnet hat. Während sich 17 Kantone für den Vorschlag der Mehrheit oder der Minderheit aussprachen, lehnten 9 Kantone die Vorschläge ab. Von den in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien äusserten sich fünf ablehnend gegenüber dem Entwurf, wohingegen eine Partei sowie mehrheitlich auch die sich äussernden Verbände den Vorschlag der Mehrheit befürworteten und eine Partei jenen der Minderheit.

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Antrag des Bundesrates

Nach Abwägung der Argumente für und wider den Entwurf der SPK-S hat der Bundesrat entschieden, auf einen Antrag für oder gegen die Kommissionsvorschläge zu verzichten. Nach Auffassung des Bundesrates muss ein Wahlsystem den demokratischen Grundsätzen sowie dem historischen und gesellschaftlichen Kontext eines Gemeinwesens entsprechen können.

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