18.064 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Brasilien vom 5. September 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Brasilien.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. September 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Die Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Brasilien zogen sich wegen der unterschiedlichen Abkommenspolitik der beiden Länder über Jahre hin. Schliesslich konnte das Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen am 3. Mai 2018 in Brasilia unterzeichnet werden.

Mit dem Abkommen kann das Schweizer Abkommensnetz auf den wichtigsten Handelspartner der Schweiz in Lateinamerika erweitert werden. Das Abkommen gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die weitere Zusammenarbeit der beiden Länder im Steuerbereich auswirken wird.

Das Abkommen folgt weitgehend dem Musterabkommen der OECD und der heutigen Abkommenspolitik der Schweiz in diesem Bereich. Der Entwurf trägt somit den Entwicklungen aus dem OECD-Projekt «Base Erosion and Profit Shifting» zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung Rechnung.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Mit einer Fläche von 8 514 877 km2 und einer Bevölkerung von rund 207 Millionen Menschen ist Brasilien das grösste und bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas.

Seine Wirtschaft ist die grösste Lateinamerikas und die siebtgrösste weltweit. Brasilien ist ein Land, das einen grossen Markt und ein erhebliches Wirtschaftspotenzial darstellt.

2017 war das G20-Mitglied Brasilien der wichtigste lateinamerikanische Handelspartner der Schweiz. Die Schweizer Exporte nach Brasilien (v. a. Chemie- und Pharmaprodukte, Maschinen, Uhren und Präzisionsinstrumente) im Wert von rund 2,2 Milliarden Franken entsprechen 34 Prozent der schweizerischen Exporte in diese Region, während die Importe aus Brasilien (v. a. Edelmetalle und Agrarprodukte) mit rund 1,1 Milliarden Franken 12 Prozent der schweizerischen Importe aus Lateinamerika ausmachen. Die schweizerischen Direktinvestitionen nach Brasilien betrugen per Ende 2016 10,6 Milliarden Franken, womit das Land an der Spitze der lateinamerikanischen Länder lag. Gemäss den Angaben der brasilianischen Zentralbank lag die Schweiz 2016 an zwölfter Stelle der ausländischen Direktinvestoren.

Am 11. November 1994 wurde ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, das von Brasilien jedoch nicht ratifiziert wurde. Im Dezember 2010 wurde zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und den Mercosur-Staaten, zu denen Brasilien gehört, eine Zusammenarbeitserklärung im Hinblick auf den Abschluss eines Freihandelsabkommens unterzeichnet. Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen wurden im Juni 2017 aufgenommen.

Im Steuerbereich konnten die langjährigen technischen Sondierungsgespräche zwischen den beiden Staaten im Hinblick auf den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens aufgrund ihrer unterschiedlichen Abkommenspolitik in diesem Bereich keine insgesamt zufriedenstellende Einigung herbeiführen. Im Juni 2010 setzte Brasilien mit der normativen Instruktion 1.0371 die Schweiz auf eine Liste der Länder mit tiefer Besteuerung und ungenügendem Zugang zu Informationen über Beteiligungen an juristischen Personen (nachfolgend: «schwarze Liste»). Mit wiederholten Interventionen bei den brasilianischen Behörden konnte erreicht werden, dass die Schweiz von der schwarzen Liste suspendiert und der Kontakt auf technischer Ebene wiederhergestellt wurde. Bei diesen Gesprächen
bekundete Brasilien Interesse, mit der Schweiz vorerst die Amtshilfe in Steuersachen in einem Steuerinformationsabkommen (nachfolgend: «SIA») zu vereinbaren. Im Frühling 2014 einigten sich die beiden Länder darauf, dass die Schweiz im Laufe der SIAVerhandlungen von der brasilianischen schwarzen Liste suspendiert bleibe und mit 1

Eine normative Instruktion stellt einen administrativen Akt höherer Verwaltungsinstanzen dar und dient der Gesetzesauslegung. Normative Instruktionen werden amtlich publiziert und sind verbindlich.

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dem Abschluss des SIA dauerhaft daraus entfernt werde. Im Juni 2014 entfernte Brasilien die Schweiz von seiner schwarzen Liste und setzte mit der normativen Instruktion 1.474 einzelne kantonale Steuerregimes auf die Liste der privilegierten Steuerregimes (nachfolgend: «graue Liste»). Brasilianische Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Schweizer Unternehmen unterhalten, die von einem in dieser Liste erwähnten Steuerregime profitieren, unterliegen in Brasilien spezifischen Regeln bei den Verrechnungspreisen (auch wenn sie nicht demselben Konzern angehören) und bei der Unterkapitalisierung. Die eidgenössischen Räte haben das SIA am 22. Dezember 2016 verabschiedet.2 Die Referendumsfrist ist am 7. April 2017 unbenützt abgelaufen. Die Verfahren zur Genehmigung des SIA in Brasilien sind in Gang.

Die schweizerische Präferenz lag grundsätzlich weiterhin auf dem Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens. Brasilien erklärte sich bereit, entsprechende Gespräche aufzunehmen. Die Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen, die 2010 wieder aufgenommenen wurden, konnten 2017 abgeschlossen werden. Das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung wurde am 3. Mai 2018 in Brasilia unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Mit dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Brasilien (nachfolgend: «DBA-BR») kann das Schweizer Abkommensnetz auf den wichtigsten Handelspartner der Schweiz in Lateinamerika erweitert werden. Das Abkommen gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken wird. Die vereinbarten Lösungen versetzen Schweizer Unternehmen gegenüber in Brasilien tätigen Unternehmen aus anderen Staaten in eine konkurrenzfähige Position.

Das DBA-BR folgt weitgehend der Abkommenspraxis der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerung und dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD in seiner aktualisierten Fassung vom November 20173 (nachfolgend «OECD-Musterabkommen»). Der Entwurf trägt den Entwicklungen aus dem OECD-Projekt «Base Erosion and Profit Shifting» gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung4 (nachfolgend «BEPS-Projekt») Rechnung.

In einigen Punkten mussten jedoch besondere Wünsche Brasiliens berücksichtigt werden, was die besonderen Lösungen erklärt, welche die Schweiz ­ wie die anderen Vertragsstaaten, die mit Brasilien ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben ­ vereinbart hat. Diese Lösungen mussten insbesondere der strengen Abkommenspolitik Brasiliens bei der Residualbesteuerung der Zinsen, Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen im Quellenstaat 2 3 4

BBl 2016 3507, 8957 www.oecd.org > Topics > Tax > Tax Treaties www.oecd.org > Topics > Tax > Base erosion and profit shifting > BEPS Actions

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Rechnung tragen. Bei den Zinsen gilt mit wenigen Ausnahmen (0 Prozent für Zinsen, die an die Nationalbank oder eine Vorsorgeeinrichtung gezahlt werden, 10 Prozent für Zinsen für Bankdarlehen mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren im Zusammenhang mit dem Kauf von Ausrüstung oder Investitionsvorhaben) der Residualsatz von 15 Prozent. Bei den Lizenzgebühren sieht das DBA-BR einen Residualsatz von 10 Prozent vor (15 Prozent für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung einer Marke), ebenso bei den Vergütungen für technische Dienstleistungen. Der materielle Geltungsbereich dieser Bestimmungen ist mit den Lösungen vergleichbar, die die Schweiz mit Indien und Pakistan vereinbart hat: Er umfasst Geschäftsführungs-, technische und Beratungsdienste. Die Schweiz konnte jedoch eine Evolutivklausel vereinbaren und damit ein insgesamt günstiges Ergebnis erzielen. Das DBA-BR ermöglicht die Weiterentwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit einem Partnerland, das einen grossen Markt und ein erhebliches Wachstumspotenzial darstellt.

Das DBA-BR setzt im Titel und in der Präambel sowie durch Aufnahme einer Missbrauchsklausel in Artikel 27 in der Form einer Hauptzweckbestimmung («Principal Purpose Test Rule» oder «PPT-Regel») und drei weiteren Missbrauchsregeln, die im Kommentar zu Artikel 27 des Abkommens erklärt werden, den Mindeststandard gemäss Bericht zu Massnahme 6 des BEPS-Projekts um und verhindert damit die Gewährung von Abkommensvorteilen in missbräuchlichen Situationen.

Die Aufnahme von Missbrauchsklauseln in ein Doppelbesteuerungsabkommen hat allgemein den Vorteil, dass die Vertragsstaaten sich zur gleichen Auffassung darüber verpflichten, unter welchen Bedingungen die Vorteile eines Abkommens verweigert werden können. Würde darauf verzichtet, überliesse man die Definition von Missbrauch je den beiden Vertragsstaaten. Diese könnten dann unter Anwendung ihres innerstaatlichen Rechts einseitig darüber entscheiden, ob in einer konkreten Situation infolge Missbrauchs die Abkommensvorteile nicht gewährt werden.

Dies kann zu Rechtsunsicherheit führen. Einer solchen Situation ist die Aufnahme der PPT-Regel ins entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen deshalb klar vorzuziehen. Die PPT-Regel vermag mit ihrer vagen Formulierung und mit ihren subjektiven Elementen zwar keine klaren, allgemeingültigen
Kriterien zur Bestimmung von Abkommensmissbrauch zu schaffen. Die umfassenden Ausführungen und die zahlreichen Beispiele im Kommentar der OECD zum OECD-Musterabkommen geben aber die Leitlinien für die Auslegung der PPT-Regel vor.

Ausserdem setzt das DBA-BR den Mindeststandard gemäss Bericht zu Massnahme 14 des BEPS-Projekts zur Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen um (vgl. Art. 25).

Schliesslich erfüllt das DBA-BR den internationalen Standard im Bereich des Informationsaustauschs auf Anfrage.

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2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Das DBA-BR folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem aktuellen Musterabkommen der OECD und der Abkommenspolitik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die wichtigsten Abweichungen gegenüber dem OECD-Musterabkommen und der schweizerischen Abkommenspolitik.

Titel und Präambel Entsprechend dem Mindeststandard aus Massnahme 6 des BEPS-Projekts ist im Titel und in der Präambel vorgesehen, dass das DBA-BR auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bezweckt. Dies entspricht dem OECDMusterabkommen in der aktualisierten Fassung vom November 2017. Die Begriffspaare «Steuerhinterziehung oder -umgehung» (deutsch), «la fraude ou l'évasion fiscale» (französisch) und «l'evasione o l'elusione fiscale» (italienisch) sind im internationalen Kontext und namentlich unter Berücksichtigung des englischen Wortlauts «tax evasion or avoidance» zu verstehen. Sie sollen jedes Verhalten erfassen, das hinsichtlich der Verwerflichkeit mindestens einer Steuerumgehung nach schweizerischem Verständnis entspricht. Als Steuerumgehung gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein ungewöhnliches, sachwidriges oder absonderliches Vorgehen, das den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint und sich einzig mit der Absicht der Steuerersparnis erklären lässt, die tatsächlich resultieren würde, wenn das Vorgehen von der Steuerbehörde so hingenommen würde. Die Steuerumgehung bildet somit die Grenze der steuerlich akzeptablen Gestaltungsfreiheit der steuerpflichtigen Personen.

Art. 1

Persönlicher Geltungsbereich

Absatz 2 enthält eine Bestimmung zu steuerlich transparenten Rechtsträgern gemäss Massnahme 2 des BEPS-Projekts, die in das OECD-Musterabkommen aufgenommen wurde und die auf dem Konzept im OECD-Bericht zu den Personengesellschaften5 beruht.

Der erste Satz von Absatz 2 regelt die Gewährung der Vorteile des DBA-BR, wenn Einkünfte an einen von einem Vertragsstaat oder von beiden Vertragsstaaten als transparent erachteten Rechtsträger bezahlt werden. Die Vorteile werden gewährt, wenn diese Einkünfte für die Besteuerung in einem Vertragsstaat als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten. Ansonsten sind die Vorteile des DBA-BR nicht anwendbar. Demnach gilt das DBA-BR beispielsweise für Zinszahlungen eines Unternehmens in Brasilien an eine Kommanditgesellschaft in der Schweiz, wenn deren Gesellschafter in der Schweiz steuerlich ansässig sind. Ohne diese Regel könnten Fälle von doppelter Nichtbesteuerung auftreten.

5

OECD, L'application du Modèle de Convention fiscale de l'OCDE aux sociétés de personnes ­ The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Paris, 1999.

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Der zweite Satz von Absatz 2 behält das Recht des Ansässigkeitsstaats eines solchen Rechtsträgers oder von dessen Mitgliedern oder Gesellschaftern vor, die Einkünfte zu besteuern, die er diesem Rechtsträger oder diesen Mitgliedern oder Gesellschaftern ungeachtet der Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat zurechnet. Diese Klausel behält beispielsweise das Besteuerungsrecht der Schweiz vor, wenn eine in der Schweiz ansässige Person Mitglied eines ausländischen Trusts ist, sofern die Schweiz den Trust als transparent erachtet und keine Betriebsstätte im Ausland vorliegt.

Nach schweizerischer Auffassung sind Rechtsträger der kollektiven Kapitalanlage, analog zur Regelung in der Schweiz, grundsätzlich als transparent anzusehen. Die Abkommensberechtigung richtet sich folglich nach den Investorinnen und Investoren. Verschiedene Staaten behandeln solche Rechtsträger jedoch als eigenständiges Steuersubjekt, dem die Einkünfte der kollektiven Kapitalanlage zuzurechnen sind.

Würde Brasilien diese Betrachtungsweise einnehmen, so müsste die Schweiz sie nach Absatz 2 akzeptieren und ungeachtet der Investorinnen und Investoren die Vorteile des DBA-BR vollständig gewähren; vorausgesetzt, der Rechtsträger erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Abkommens. Dies hätte einerseits eine unterschiedliche Behandlung der kollektiven Kapitalanlage beider Staaten zur Folge, und andererseits hätten Investorinnen und Investoren, die selbst kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz in Anspruch nehmen können, die Möglichkeit, sich die Abkommensvorteile durch eine Investition in eine brasilianische kollektive Kapitalanlage zu sichern.

Ziffer 1 des Protokolls zum DBA-BR hält deshalb fest, dass in einem der Vertragsstaaten errichtete kollektive Kapitalanlagen insoweit abkommensberechtigt sind, als die Anteilsinhaber/innen im betreffenden Staat ansässig sind (Bst. a). In der Schweiz betrifft dies die vertraglichen Anlagefonds und die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital (Bst. b). Eine Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen gilt für die Zwecke des DBA-BR nicht als in der Schweiz ansässig, kann aber die Abkommensvorteile für die Gesellschafterinnen und Gesellschafter in der Schweiz geltend machen (Bst. c).

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Da Brasilien keine Vermögenssteuer erhebt, umfasst das DBA-BR nur die Steuern vom Einkommen. Ihre Vermögens- und Kapitalsteuern kann die Schweiz somit nach ihrem innerstaatlichen Recht erheben.

In der Schweiz gilt das DBA-BR für Steuern auf dem Einkommen, die von Bund, Kantonen und Gemeinden erhoben werden. Aufgrund der ausschliesslich föderalen Kompetenz zur Erhebung der Einkommenssteuern in Brasilien sieht das DBA-BR wie die anderen von Brasilien abgeschlossenen Abkommen vor, dass in Brasilien die Bundessteuer auf dem Einkommen unter das Abkommen fällt. Vom Abkommen ebenfalls erfasst ist die Sozialabgabe auf dem Reingewinn (Contribuição Social sobre o Lucro Líquido).

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Art. 4

Ansässige Person

Diese Bestimmung entspricht Artikel 4 des OECD-Musterabkommens. Zu den Beispielen von Definitionskriterien der ansässigen Person nach Absatz 1 gehört auch der Eintragungsort einer Gesellschaft. Zudem wird im Protokoll (Ziff. 3) klargestellt, dass auch Vorsorgeeinrichtungen und steuerbefreite gemeinnützige Organisationen als ansässige Person gelten.

Art. 5

Betriebsstätte

Artikel 5 DBA-BR basiert auf der entsprechenden Bestimmung des OECD-Musterabkommens. Die Baustellen- oder Montagetätigkeiten, die in einem Vertragsstaat ausgeübt werden, können jedoch bereits nach neun Monaten als Betriebsstätte gelten (Abs. 3).

Art. 6

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

Auf Wunsch Brasiliens wird die Fischzucht als eine Form der Landwirtschaft in die Bestimmung aufgenommen.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Da Brasilien noch nicht bereit war, Artikel 7 nach der Fassung des OCDE-Musterabkommens von 2010 zu vereinbaren, folgt dieser Artikel den Lösungen nach dem Musterabkommen vor Juli 2010, allerdings mit einer Ausnahme. Aufgrund seiner ständigen Abkommenspolitik konnte Brasilien der Möglichkeit, die Methode der Gewinnaufteilung nach den Quoten anzuwenden, und folglich auch dem Absatz in Bezug auf einen allfälligen Wechsel der Methode nicht zustimmen. Ziffer 4 des Protokolls hält wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz die Grundregeln von Artikel 7 zu Auslegungsfragen (Ermittlung der einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne) fest.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Artikel 9 DBA-BR basiert auf dem OECD-Musterabkommen. Aufgrund der aktuellen Abkommenspolitik Brasiliens in diesem Punkt war es jedoch nicht möglich, den üblichen Wortlaut von Absatz 2 zu übernehmen. Dies ist auch in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz der Fall (z. B. mit Frankreich). Ziffer 5 des Protokolls hält auf Wunsch der Schweiz aber fest, dass das Fehlen einer Berichtigungspflicht im Abkommen einen Vertragsstaat nicht daran hindert, diese Berichtigung dennoch vorzunehmen, wenn sie im Rahmen eines Verständigungsverfahrens vereinbart wurde.

In Brasilien werden die Gewinnmargen der Unternehmen nach Wirtschaftsbranche festgelegt und im Gesetz verankert. Ein Unternehmen kann keine andere Marge anwenden und keine Anpassung an den Einzelfall beantragen. Erweist sich eine Marge als unrealistisch hoch, so kann eine Branche beim zuständigen Ministerium eine Anpassung beantragen, die dann, falls sie angenommen wird, ab der Veröffentlichung für alle Unternehmen der betreffenden Branche gilt.

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Art. 10

Dividenden

Nach brasilianischem Recht unterliegen Dividenden gegenwärtig keiner Quellenbesteuerung. Es gibt aber einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer solchen Quellensteuer.

Für Dividenden sieht das DBA-BR einen generellen Residualsteuersatz von 15 Prozent vor. Kommen die Dividenden einer Gesellschaft zu, die mindestens 10 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft während einer Dauer von 365 Tagen hält, so sieht das DBA-BR einen reduzierten Residualsteuersatz von 10 Prozent vor.

Für Dividenden, die an die Nationalbank oder eine Vorsorgeeinrichtung bezahlt werden, ist eine Steuerbefreiung im Quellenstaat vorgesehen.

Brasilien wünschte zudem den Grundsatz der zusätzlichen Besteuerung der in Brasilien durch eine Betriebsstätte einer schweizerischen Gesellschaft erzielten Gewinne («Branch Profits Tax») festzuhalten, sollte eine solche Steuer im Land eingeführt werden. Diese Steuer darf aber 10 Prozent des Bruttobetrags der Gewinne der Betriebsstätte, die nach der Entrichtung der direkten Steuer auf diesen Gewinnen ermittelt wurden, nicht übersteigen. Somit werden Betriebsstätten steuerlich wie Tochtergesellschaften behandelt.

Art. 11

Zinsen

Nach brasilianischem Recht unterliegen Zinsen, die an Nichtansässige bezahlt werden, generell einer Quellensteuer von 15 Prozent.

Für Zinsen für Bankdarlehen mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren im Zusammenhang mit dem Kauf von Ausrüstung oder Investitionsvorhaben sieht das DBA-BR eine Residualsteuer von 10 Prozent vor. Für Zinsen, die an die Nationalbank, an Vorsorgeeinrichtungen oder Rechtsträger, die vollständig dem anderen Vertragsstaat gehören, gezahlt werden, ist zudem eine Steuerbefreiung im Quellenstaat vorgesehen. In allen anderen Fällen beträgt der Residualsteuersatz 15 Prozent.

Eine Evolutivklausel stellt sicher, dass allenfalls künftig mit einem anderen OECDStaat getroffene vorteilhaftere Vereinbarungen Brasiliens auch für die Schweiz gelten (vgl. Ziff. 8 des Protokolls).

Art. 12

Lizenzgebühren

Nach brasilianischem Recht unterliegen Lizenzgebühren, die an Nichtansässige bezahlt werden, generell einer Quellensteuer von 15 Prozent.

Für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung einer Marke sieht das DBA-BR eine Residualsteuer von 15 Prozent der Lizenzgebühren vor. In allen anderen Fällen, einschliesslich Leasing, beträgt der Residualsatz 10 Prozent. Ebenfalls erfasst werden technische Unterstützungsleistungen, die in Brasilien als zum Knowhow-Transfer gehörig betrachtet werden (vgl. Ziff. 10 des Protokolls).

Eine Evolutivklausel stellt sicher, dass allenfalls künftig mit einem anderen OECDStaat getroffene vorteilhaftere Vereinbarungen Brasiliens auch für die Schweiz gelten (vgl. Ziff. 8 des Protokolls).

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Art. 13

Vergütungen für technische Dienstleistungen

Für Brasilien, das eine ständige Abkommenspolitik zum Schutz seiner Steuereinnahmen als Quellenstaat der Einkünfte verfolgt, kam ein Verzicht auf eine Besteuerung von als Vergütungen für technische Dienstleistungen geleisteten Zahlungen nicht in Betracht. Für die Schweiz geht eine Klausel über die technischen Dienstleistungen zwar über ihre gängige Abkommenspolitik hinaus, erwies sich aber im Rahmen des Gesamtkompromisses als unumgänglich. Die Schweiz hat bereits in anderen Doppelbesteuerungsabkommen, namentlich mit Indien und Pakistan, ähnliche Bestimmungen vereinbart. Der Wortlaut im DBA-BR entspricht weitgehend der neuen Bestimmung des UNO-Musterabkommens in der im Jahr 2017 aktualisierten Fassung. Der sachliche Geltungsbereich ist mit den mit Indien und Pakistan vereinbarten Bestimmungen vergleichbar: Er umfasst Geschäftsführungs-, technische und Beratungsdienste.

Nach brasilianischem Recht unterliegen Zahlungen für technische Dienstleistungen generell einer Quellensteuer von 15 Prozent. Das DBA-BR reduziert den Satz auf 10 Prozent.

In Bezug auf das Verhältnis dieser Quellenbesteuerung der Vergütungen für technische Dienstleistungen zu den durch eine Betriebsstätte oder eine feste Einrichtung oder während einer Dauer von über 183 Tagen nach Artikel 15 Absatz 1 erbrachten Leistungen hält Absatz 4 fest, dass Artikel 13 anwendbar ist, solange keine Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung errichtet wurde oder die Aufenthaltsdauer nicht erreicht ist. Ist eine dieser beiden Bedingungen erfüllt, so ist anstelle von Artikel 13 je nachdem Artikel 7 oder Artikel 15 anwendbar. Mit anderen Worten kann die Quellensteuer von 10 Prozent auf Vergütungen für technische Dienstleistungen nicht zusätzlich zur Gewinnbesteuerung nach den Bedingungen von Artikel 7 Absatz 1 oder 15 Absatz 1 erhoben werden.

Wie bei den Zinsen und Lizenzgebühren stellt eine Evolutivklausel sicher, dass allenfalls künftig mit einem anderen OECD-Staat getroffene vorteilhaftere Vereinbarungen Brasiliens auch für die Schweiz gelten (vgl. Ziff. 8 des Protokolls).

Art 14

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Dieser Artikel folgt in Bezug auf die Absätze 1­4 und 6 den Grundsätzen der schweizerischen Abkommenspolitik. Wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz sieht Absatz 4 vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert direkt oder indirekt hauptsächlich aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammt, in diesem besteuert werden können. Seitens der Schweiz wurde im Artikel über die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23 Abs. 2 Bst. a) festgehalten, dass die Schweiz die Freistellung nur gewährt, wenn die Besteuerung in Brasilien nachgewiesen wurde.

Mit Absatz 5 wird eine allgemeine Besteuerungsregel zugunsten des Quellenstaats bei aus diesem Staat stammenden und nicht unter die vorstehenden Absätze fallenden Gewinnen eingeführt. Diese von Brasilien geforderte Bestimmung erfasst hauptsächlich die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Aktien brasilianischer Gesellschaften. Aus Drittstaaten stammende Gewinne werden hingegen nur im Ansässigkeitsstaat der veräussernden Person besteuert (Abs. 6).

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Art. 15

Selbstständige Arbeit

Wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz sowie im UNO-Musterabkommen ist neben der festen Einrichtung mit Absatz 1 Buchstabe b ein zusätzliches Kriterium für die Besteuerung zugunsten des Tätigkeitsstaats bei einem Aufenthalt von mindestens 183 Tagen innerhalb von zwölf Monaten vorgesehen.

In Bezug auf das Verhältnis zu den Voraussetzungen nach Artikel 15 Absatz 1 und die Vergütungen für technische Dienstleistungen wird auf die Erläuterungen zu Artikel 13 verwiesen.

Art. 16

Unselbstständige Arbeit

Dem OECD-Musterabkommen entsprechend können von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für eine unselbstständige Tätigkeit an Bord eines Schiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr bezogene Vergütungen nur im Ansässigkeitsstaat dieser Person besteuert werden.

Art. 17

Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen

Der Wortlaut weicht geringfügig von der schweizerischen Praxis ab, indem er zusätzlich zu den Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitgliedern die Mitglieder eines anderen Rats der Gesellschaft erfasst. Mit der Formulierung kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das brasilianische Handelsrecht mit dem für die Strategie zuständigen Verwaltungsrat, dem für die operative Steuerung zuständigen Exekutivrat und dem für finanzielle und fiskalische Aspekte zuständigen Fiskalrat drei Räte einer Gesellschaft vorsieht. Alle drei Räte sind in ihrem Bereich entscheidungsbefugt.

Art. 19

Ruhegehälter

Es gibt in Brasilien eine Vorsorge, die der zweiten Säule in der Schweiz entspricht und sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge gespeist wird. Zudem besteht die Möglichkeit, auf individueller Basis und ohne Beteiligung des Arbeitgebers freiwillig in typischerweise von Finanzinstituten geführte Vorsorgepläne einzuzahlen. Das System ist in gewissem Masse mit der gebundenen beruflichen Vorsorge in der Schweiz vergleichbar.

In Brasilien werden von dort ansässigen Personen bezogene öffentliche Ruhegehälter nicht besteuert, während private Ruhegehälter einer progressiven Besteuerung unterliegen. Ruhegehälter aus brasilianischen Quellen, die an nicht in Brasilien ansässige Personen gezahlt werden, werden hingegen zu einem Satz von 25 Prozent besteuert.

Während aus schweizerischer Sicht Artikel 19 nur für private Ruhegehälter gilt und die Sozialversicherungsrenten (AHV) unter die Bestimmung über die anderen Einkünfte fallen (Art. 22), wollte Brasilien diese beiden Vorsorgearten in Artikel 19 regeln. Die schliesslich vereinbarte Lösung besteht darin, dass der Quellenstaat das Recht auf Besteuerung der privaten Ruhegehälter und Sozialversicherungsrenten erhält (Abs. 1). Ungeachtet dessen dürfen öffentliche Ruhegehälter nur im Quellen6165

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staat besteuert werden (Abs. 2). Der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend hält Ziffer 12 des Protokolls ausdrücklich den schweizerischen Standpunkt fest, dass Artikel 19 auch für Kapitalleistungen gilt.

Diese Lösung dient den schweizerischen Interessen und ist deshalb vertretbar. Die Schweiz kann die Quellensteuer auf privaten und öffentlichen Leistungen der beruflichen Vorsorge und der anerkannten gebundenen Vorsorge beibehalten, die an eine in Brasilien ansässige Person ausbezahlt werden. Zudem wird damit eine doppelte Befreiung öffentlicher Ruhegehälter vermieden. Für in der Schweiz ansässige Bezügerinnen und Bezüger brasilianischer Ruhegehälter und ähnlicher Leistungen von Vorsorgeplänen, deren Zahl begrenzt sein dürfte, wird die Schweiz die Renten auf Nachweis der Besteuerung in Brasilien von der Besteuerung ausnehmen, wie in Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a festgehalten wird.

Ziffer 13 des Protokolls enthält eine Bestimmung, die im Kommentar zum OECDMusterabkommen vorgesehen ist und die die Schweiz materiell bereits in einigen anderen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Sie betrifft die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgebeiträgen und soll gewährleisten, dass im Ausland wohnhafte Personen nicht benachteiligt werden, wenn sie weiterhin Beiträge an eine Vorsorgeeinrichtung im Herkunftsland leisten, während sie im anderen Vertragsstaat arbeiten. In solchen Situationen besteht die Gefahr, dass Sozialversicherungs- und Vorsorgebeiträge steuerlich unberücksichtigt bleiben. Das DBA-BR sieht für diesen Fall vor, dass Beiträge an die Vorsorge im anderen Vertragsstaat im Staat, in dem das Erwerbseinkommen erzielt wird, unter gleichen Bedingungen steuerlich berücksichtigt werden sollen wie Beiträge an das Vorsorgesystem in diesem Staat. In der Schweiz sind davon die Beiträge an die Säulen 1, 2 und 3a betroffen. In der Schweiz wird der Abzug der Beiträge an die schweizerischen Sozialversicherungen (einschliesslich der beruflichen Vorsorge) bereits heute in den Quellensteuertarifen pauschal berücksichtigt. Die geltende schweizerische Praxis erfüllt somit in der Regel den Inhalt der Bestimmung schon heute.

Art. 22

Andere Einkünfte

Bei im DBA-BR nicht ausdrücklich erwähnten Einkünften kann Brasilien nur dem Grundsatz der Besteuerung im Quellenstaat zustimmen. Eine Bestimmung, die generell eine Besteuerung im Quellenstaat der Einkünfte vorsieht, wäre jedoch für die Schweiz nachteilig gewesen, da sie in diesem Punkt dem OECD-Musterabkommen folgt und die Befreiungsmethode für Einkünfte anwendet, die vom Quellenstaat besteuert werden können. Die vereinbarte Kompromisslösung hält fest, dass Einkünfte, die im DBA-BR nicht erwähnt und von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person im anderen Vertragsstaat erzielt werden (z. B. ein Lotteriegewinn), nicht unter das DBA-BR fallen. Die Besteuerung dieser Einkünfte wird somit ausschliesslich nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vertragsstaats geregelt. Einkünfte aus Drittstaaten können dagegen ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat des Empfängers oder der Empfängerin besteuert werden.

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Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Brasilien vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungs- und gegebenenfalls mittels der Befreiungsmethode. In der Schweiz wird die Doppelbesteuerung wie gewohnt mittels der Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt vermieden.

Die Schweiz hat aber weiterhin die Möglichkeit, Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Immobiliengesellschaften und Gewinne nach Artikel 14 Absatz 5 zu besteuern, wenn diese nicht tatsächlich in Brasilien besteuert wurden. Dies gilt auch für Ruhegehälter und Renten nach Artikel 19 Absatz 1. Bei Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen kommt die pauschale Steueranrechnung zur Anwendung.

Art. 24

Gleichbehandlung

Absatz 3 stellt Gleichbehandlung in Bezug auf die Abzüge sicher. Hingegen musste einer Bestimmung zugestimmt werden (Ziff. 11 des Protokolls), welche die Anwendung des brasilianischen Rechts ermöglicht, das den Abzug der Lizenzgebühren einer Betriebsstätte in Brasilien an den Sitz des Unternehmens in der Schweiz versagt. Von Tochtergesellschaften in Brasilien gezahlte Lizenzgebühren können jedoch abgezogen werden.

Die Schweiz hatte gewünscht, die Bestimmung auf Steuern jeder Art und Bezeichnung auszuweiten. Brasilien zog es jedoch vor, den Geltungsbereich auf die unter das Abkommen fallenden Steuern zu begrenzen (Abs. 5).

Art. 25

Verständigungsverfahren

Entsprechend dem neuen Wortlaut des OECD-Musterabkommens, wie er aus Massnahme 14 des BEPS-Projekts hervorgegangen ist, sieht das DBA-BR vor, dass eine steuerpflichtige Person ein Verständigungsverfahren entweder in ihrem Ansässigkeitsstaat oder im anderen Vertragsstaat beantragen kann. Diese Bestimmung zielt darauf ab, die Beilegung von Streitigkeiten zu verbessern. Auf Wunsch Brasiliens wurde festgehalten, dass Verständigungsregelungen unabhängig von den Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchgeführt werden.

Obwohl die Schweiz darauf gedrängt hatte, konnte keine Schiedsklausel für Fälle vereinbart werden, in denen das Verständigungsverfahren keine für beide Seiten befriedigende Lösung ermöglichen sollte. Eine solche Klausel entspricht nicht der heutigen Abkommenspolitik Brasiliens.

Auf Wunsch Brasiliens sieht eine Bestimmung im Protokoll (Ziff. 15) vor, dass die Frage, ob eine Meinungsverschiedenheit im Rahmen des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen6 (GATS) unter den Anwendungsbereich dieses Doppelbesteuerungsabkommens fällt, nur mit Zustimmung beider Vertragsstaaten vor den Rat für Dienstleistungshandel gebracht werden kann. Diese Bestimmung ist auch in den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit Australien, Kanada und Chile enthalten.

6

SR 0.632.20, Anhang 1B

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Art. 26

Informationsaustausch

Das DBA-BR enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 und die dazugehörige Protokollbestimmung (Ziff. 16) ein.

Der Geltungsbereich für den Informationsaustausch ist auf die unter das Abkommen fallenden Steuern beschränkt.

Die Schweiz hat der brasilianischen Delegation anlässlich der Verhandlungen mitgeteilt, dass sie keine Amtshilfe leisten wird, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Ziff. 16) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifizierung ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-BR ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Die Identifikation kann durch Name und Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z. B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c i. V. m. Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20127 geregelt.

Artikel 26 DBA-BR sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Art. 27

Anspruch auf Vorteile

Mit Artikel 27 Absatz 1 wird eine Missbrauchsklausel eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-BR nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser

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SR 651.1

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Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-BR steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des DBA-BR Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, wie sie in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war.

Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-BR steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

Die Absätze 2­4 enthalten von Brasilien gewünschte Bestimmungen zur Begrenzung der Abkommensvorteile in folgenden Fällen: bei einer bevorzugten Besteuerung von Einkünften aus dem Ausland (Abs. 2), bei über 50 Prozent direkter oder indirekter Beteiligung an einem Rechtsträger oder an den Stimmrechten und Aktienwerten einer Gesellschaft durch eine oder mehrere Personen, die nicht im selben Vertragsstaat wie die steuerpflichtige Person ansässig sind (Abs. 3), und unter gewissen Umständen, wenn ein Vertragsstaat Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zurechnet (Abs. 4).

Absatz 2 sieht vor, dass ein Vertragsstaat die Vorteile des DBA-BR nicht gewähren muss, wenn ausländische Einkünfte aus der Schifffahrt, aus Bank-, Finanz-, Versicherungs- oder
Investitionstätigkeiten sowie eines Hauptquartiers, einer Koordinationsstelle eines multinationalen Konzerns oder einer ähnlichen, administrative Unterstützung leistenden Stelle, vom anderen Vertragsstaat nicht oder zu weniger als 60 Prozent der Steuer auf Gewinnen aus ähnlichen Tätigkeiten besteuert werden, wenn sie im anderen Vertragsstaat ausgeübt würden.

Gemäss Absatz 3 werden die Abkommensvorteile einem Rechtsträger nicht gewährt, der in einem Vertragsstaat ansässig ist und Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat erzielt, wenn dessen Eigentumsrechte oder bei einer Gesellschaft die Stimmrechte und der Aktienwert direkt oder indirekt zu über 50 Prozent von einer oder mehreren Personen gehalten werden, die nicht im ersten Vertragsstaat ansässig sind. Im Bewusstsein, dass der Wortlaut des ersten Satzes in diesem Absatz zu unerwünschten Resultaten bei aus wirtschaftlichen Gründen gebildeten Strukturen hätte führen können, haben die Parteien vereinbart, dass der Abkommensvorteil dennoch gewährt wird, wenn die Hauptgattung der Aktien des betreffenden Rechtsträgers oder eines 6169

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Rechtsträgers des gleichen multinationalen Konzerns regelmässig an einer anerkannten Börse gehandelt wird. Dies ist auch der Fall, wenn dieser Rechtsträger im Vertragsstaat, in dem er ansässig ist, eine tatsächliche Geschäftstätigkeit ausübt, die nicht nur im Halten von Werten oder anderen Aktiven oder einer Hilfs- oder vorbereitenden Tätigkeit im Zusammenhang mit anderen verbundenen Rechtsträgern besteht.

Nach Absatz 4, der ähnlich im Abkommen vom 2. Oktober 19968 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen enthalten ist, wird der Abkommensvorteil in Bezug auf Einkünfte nicht gewährt, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft aus dem anderen Vertragsstaat bezieht und die einer Betriebsstätte in einem Drittstaat zugerechnet werden, insoweit die dieser Betriebsstätte zugerechneten Gewinne im ersten Vertragsstaat von der Steuer befreit sind und im Drittstaat einer Steuerbelastung von weniger als 60 Prozent der Steuer unterliegen, die erhoben würde, wenn die Betriebsstätte im ersten Vertragsstaat läge. Solche Einkünfte werden im Quellenstaat nach dem innerstaatlichen Recht besteuert.

Art. 29

Inkrafttreten

Das DBA-BR tritt an dem Tag in Kraft, an welchem die zweite schriftliche Notifikation auf diplomatischem Weg eintrifft und bestätigt, dass die innerstaatlichen gesetzlichen Erfordernisse für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind. Es findet Anwendung ab dem 1. Januar des Kalenderjahrs, das auf das Inkrafttreten folgt. Dies gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch, die für Informationen über Steuerjahre anwendbar sind, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des DBA-BR folgenden Kalenderjahrs beginnen.

Der Notenaustausch vom 22. Juni 19569 zwischen der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Vereinigten Staaten von Brasilien betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt wird suspendiert und findet nicht mehr Anwendung, solange das vorliegende Abkommen anwendbar ist (vgl. Art. 29. Abs. 4 DBA-BR).

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SR 0.672.933.61 SR 0.672.919.85

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Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten die beiden Vertragsparteien auf einen Teil ihrer Steuereinnahmen. Mit dem DBA-BR wird namentlich der Residualsteuersatz auf Dividenden auf 15 Prozent gesenkt (auf 10 Prozent bei einer Gesellschaft, die mindestens 10 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft hält) und auf 15 Prozent für Zinsen. Generell stärken und garantieren diese Massnahmen die steuerlichen Rahmenbedingungen und wirken sich infolgedessen positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. Die Aufnahme einer Bestimmung zum Informationsaustausch bewirkt keine direkte Einbusse von Steuereinnahmen. Die Umsetzung des DBA-BR erfordert keine zusätzlichen personellen Ressourcen.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das DBA-BR ist Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung10 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Abkommens zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200211 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die aufgrund von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

Die Umsetzungen gewisser Entwicklungen aus dem BEPS-Projekt und des internationalen Standards der steuerlichen Amtshilfe auf Ersuchen gelten als wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 164 Absatz 1 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens wird deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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Vernehmlassungsverfahren

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200512 (VlG) findet bei völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem Referendum unterstehen, ein Vernehmlassungsverfahren statt. Nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann aber auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn daraus keine neuen Erkenntnisse zu erwar10 11 12

SR 101 SR 171.10 SR 172.061

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ten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt wurde. Der Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren muss sachlich begründet werden (Art. 3a Abs. 2 VlG).

Zum DBA-BR wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurden den Kantonen und den vom Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen betroffenen Wirtschaftskreisen am 17. November 2017 Erläuterungen zum DBA-BR vorgelegt. Das DBA-BR wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG wurde somit auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet.

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