Administrativhaft im Asylbereich Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) vom 26. Juni 2018 Stellungnahme des Bundesrates vom 28. September 2018

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) vom 26. Juni 2018 betreffend Administrativhaft im Asylbereich nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. September 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK) beauftragten die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 28. Januar 2016, eine Evaluation der Administrativhaft im Asylbereich durchzuführen. Die PVK fasste die Ergebnisse der Evaluation in ihrem Bericht vom 1. November 20171 zusammen.

Die Subkommission EJPD/BK der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) befasste sich an der Sitzung vom 13. November 2017 mit dem Evaluationsbericht der PVK. Auf Grundlage dieser Evaluation beschloss die Subkommission, einen Bericht zuhanden der GPK-N auszuarbeiten. An der Sitzung vom 26. Juni 20182 wurde der Berichtsentwurf mitsamt den darin enthaltenen Empfehlungen von der GPK-N beraten und zuhanden des Bundesrates verabschiedet. Zudem hat die GPK-N entschieden, ihren Bericht zusammen mit dem Bericht der PVK zu veröffentlichen.

In ihrem Bericht vom 26. Juni 2018 ist die GPK-N zum Schluss gekommen, dass die Schweiz anteilsmässig mehr Wegweisungen vollzieht als andere Staaten der EU dies tun. Zudem zeigte die Evaluation der PVK, dass die Administrativhaft ein wirksames Instrument darstellt, um Wegweisungsentscheide zu vollziehen. Dennoch besteht aus Sicht der GPK-N in verschiedenen Bereichen Optimierungsbedarf. Dies betrifft insbesondere die Erfassung der unkontrollierten Abreisen, die Harmonisierung der kantonalen Anwendungspraxis bei der Administrativhaft, die Inhaftierung von Minderjährigen sowie die Datenverwaltung des Bundes. Deshalb hat die GPK-N insgesamt sieben Empfehlungen formuliert.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2018 ersuchte die GPK-N den Bundesrat um eine Stellungnahme bis spätestens am 28. September 2018.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat betont, dass die Rückkehrpolitik des Bundes in erster Linie die freiwillige Rückkehr fördert. Personen, welche die Schweiz verlassen müssen, erhalten die Gelegenheit, freiwillig und ­ falls dies gesetzlich möglich ist ­ mit Rückkehrhilfe auszureisen. Erst wenn die Asyl- und Wegweisungsverfügung in Rechtskraft erwachsen ist und die betroffene Person die ihr eigeräumte Ausreisefrist unbenutzt verstreichen liess, wird eine Wegweisung zwangsweise vollzogen. Hierzu können die Kantone gestützt auf das Ausländergesetz vom 16. Dezember 20053 (AuG) 1 2 3

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Zwangsmassnahmen anordnen. Weder im Bericht der GPK-N noch in demjenigen der PVK wurde jedoch explizit darauf hingewiesen, dass es sich bei den von einer Haftanordnung betroffenen Personen ­ abgesehen von der Vorbereitungshaft nach Artikel 75 AuG ­ um ausreisepflichtige Personen handelt, die eine freiwillige Ausreise abgelehnt haben und im Rahmen des Wegweisungsvollzugs nicht mit den Behörden kooperieren. Aus Sicht des Bundesrates sind rechtskräftige Wegweisungsverfügungen im Sinne der Rechtsstaatlichkeit falls notwendig auch zwangsweise durchzusetzen. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers.

Im Hinblick auf die Stellungnahme zu den Empfehlungen 4, 5 und 6 der GPK-N hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) bei den kantonalen Migrationsbehörden eine Umfrage zur ausländerrechtlichen Administrativhaft bei Minderjährigen durchgeführt. Der Bundesrat erachtete es als zentral, für die Stellungnahme zu denjenigen Empfehlungen der GPK-N, welche sich auf die kantonale Anwendungspraxis beziehen, auch die für die Anwendung der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen zuständigen kantonalen Behörden zu begrüssen.

2.2

Zu den Empfehlungen der GPK-N

Empfehlung 1

Untergetauchte Personen erfassen

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, mit geeigneten Mitteln dafür zu sorgen, dass untergetauchte Personen als solche erfasst werden, die Meldepraxis der Kantone beim Untertauchen von Personen vereinheitlicht wird und die Meldungen tatsächlich im ZEMIS registriert werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Daten zum Nothilfebezug zur Erfassung untergetauchter Personen systematisch herangezogen werden sollen.

Sie fordert den Bundesrat im Weiteren auf, die Bezeichnung «unkontrollierte Abreise» zu präzisieren, so dass sie nicht mehr für untergetauchte Personen verwendet wird.

Gemäss Artikel 34a der Asylverordnung 1 vom 11. August 19994 über Verfahrensfragen (AsylV 1) meldet die für den Vollzug der Wegweisung zuständige kantonale Behörde dem SEM das Feststellen des unbekannten Aufenthalts mittels einer Vollzugsmeldung. Die entsprechenden Meldungen werden vom SEM im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) als unkontrollierte Abreise registriert. Wird bereits während des Asylverfahrens die unkontrollierte Abreise der asylsuchenden Person festgestellt, erfasst das SEM diese im ZEMIS. Schwierigkeiten bzw. Lücken bei der Erfassung der unkontrollierten Abreisen im ZEMIS ergeben sich indes in denjenigen Fällen, in denen die betroffenen Personen nach Vorliegen eines rechtskräftigen negativen Asyl- oder Nichteintretensentscheids, aber vor der Übermittlung des kantonalen Gesuchs um Vollzugsunterstützung des Bundes, untertauchen. Ein Gesuch um Vollzugsunterstützung kann aufgrund der Vorgaben von Artikel 97

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SR 142.311

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Absatz 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 19985 (AsylG) erst nach dem erstinstanzlichen negativen Asyl- oder Nichteintretensentscheid beim SEM eingereicht werden.

Mit der Umsetzung der Asylgesetzrevision zur Beschleunigung der Asylverfahren per 1. März 2019 werden die betreffenden Abläufe teilweise angepasst. So beginnt das SEM gemäss angepasstem Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung vom 11. August 19996 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (VVWAL) im beschleunigten Verfahren nach Artikel 26c nAsylG ohne das Gesuch der für den Vollzug der Wegweisung zuständigen kantonalen Behörde mit der Beschaffung der Reisepapiere bzw. der Vollzugsunterstützung. Dadurch werden im beschleunigten Verfahren unkontrollierte Abreisen nach Vorliegen der Rechtskraftmitteilung systematisch im ZEMIS erfasst. Bezüglich der Fälle aus dem erweiterten Verfahren nach Artikel 26d nAsylG wird das SEM prüfen, ob die systematische Erfassung eines Gesuchs um Vollzugsunterstützung eingeführt werden soll. Auch bei den Fällen aus dem Dublin-Verfahren nach Artikel 26b AsylG wird das SEM Anpassungen in den Prozessen prüfen, damit auch die unkontrollierten Abreisen nach rechtskräftigen Nichteintretensentscheiden lückenlos im ZEMIS erfasst werden. Zudem wird das SEM die Daten zum Nothilfebezug aus dem diesbezüglichen Monitoring Sozialhilfestopp zukünftig halbjährlich ­ nach der entsprechenden Datenlieferung der Kantone ­ mit den ZEMIS-Daten zu den unkontrollierten Abreisen abgleichen. Der Bundesrat geht davon aus, dass damit die Datenqualität im Bereich der unkontrollierten Abreisen massgeblich verbessert wird.

Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass die Bezeichnung «unkontrollierte Abreise» beizubehalten ist. Naturgemäss haben die Behörden in der Regel keine präzisen Angaben zum genauen Verbleib von Asylsuchenden nach deren unkontrollierter Abreise. Hingegen gibt es keine Hinweise darauf, dass die betroffenen Personen mehrheitlich in der Schweiz verbleiben. Auch die von der PVK festgestellte Prozentzahl von 9 Prozent der unkontrolliert abgereisten Personen, die zu einem späteren Zeitpunkt Nothilfe bezogen haben, bestätigt vielmehr, dass es sich beim Verbleib in der Schweiz eher um die Ausnahme handelt. Deshalb wäre es irreführend, alle diese Fälle als in der Schweiz untergetauchte
Personen in den Statistiken auszuweisen. Das SEM weist jedoch im Sinne der Transparenz in den öffentlichen Asylstatistiken jeweils darauf hin, dass es unter der Rubrik «unkontrollierte Abreise» auch Personen gibt, die die Schweiz nicht verlassen und untertauchen.

Weitergehende statistische Angaben zum Verbleib von Asylsuchenden nach deren unkontrollierter Abreise sind aufgrund der oben erwähnten Erläuterungen nicht möglich.

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SR 142.31 SR 142.281

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Empfehlung 2

Harmonisierung bei der Anordnung und beim Vollzug der Administrativhaft

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, im Rahmen seiner Kompetenz und seiner Aufsichtsfunktion gemäss Artikel 124 Absatz 1 AuG auf eine stärkere Harmonisierung der kantonalen Praxis bei der Anordnung und dem Vollzug der Administrativhaft im Dialog mit den Kantonen hinzuwirken, so dass diese zweckmässig und unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben eingesetzt wird.

Insbesondere strebt er im Rahmen seiner Kompetenzen an, dass dem Prinzip der Verhältnismässigkeit bei der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und damit bei der Anordnung der Administrativhaft im Einzelfall ausreichend Rechnung getragen wird.

Der Vollzug des Asyl- und Ausländerrechts obliegt in der Schweiz vorab den kantonalen Behörden, zumal der Bund über keine für den Wegweisungsvollzug einsetzbare Polizeikräfte verfügt. Entsprechend sind die Kantone nach Artikel 46 AsylG und Artikel 69 AuG für den Vollzug der Wegweisungen zuständig. Der Gesetzgeber hat den Kantonen im Ausländergesetz die Möglichkeit zur Anordnung von Zwangsmassnahmen eingeräumt (Art. 73 ff. AuG). Da es sich dabei durchwegs um Ermessensbestimmungen handelt, obliegt es den Kantonen, einzelfallweise über die Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der betreffenden Zwangsmassnahme im Hinblick auf die Erfüllung des kantonalen Vollzugsauftrags zu befinden.

Der Bundesrat hat bereits mehrfach betont, dass eine uneinheitliche Praxis der Kantone im Vollzugsbereich zu stossenden Ergebnissen führen kann, weil Personen in vergleichbaren Situationen unterschiedlich behandelt werden. Folglich liegt es auch im Interesse des Bundes, eine Harmonisierung im Bereich der Zwangsmassnahmen zu unterstützen. Diesbezüglich wird insbesondere auf die Durchführung von Fachtagungen (z. B. die jährlich stattfindende Vollzugskoordinatorentagung) oder Fachschulungen verwiesen. Diese tragen dazu bei, eine rechtsgleiche Anwendung der Zwangsmassnahmen in den Kantonen zu fördern. Einen Beitrag zur Harmonisierung der Praxis leisten auch die Weisungen des SEM, welche bei Gesetzes- und Verordnungsanpassungen oder auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichts laufend aktualisiert werden. Kommt es zu grundlegenden Gesetzesanpassungen im Bereich der Administrativhaft ­ wie beispielsweise im Zusammenhang mit den neuen Haftbestimmungen im Dublin-Verfahren nach der Übernahme und Umsetzung der Dublin
III-Verordnung7 per 1. Juli 2015 ­ werden die Kantone auch per Newsletter über die damit verbundenen Auswirkungen auf die Praxis informiert.

Im Weiteren verweist der Bundesrat auf die kantonalen Koordinationsgremien wie die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sowie die Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden (VKM). Diese 7

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl L 180 vom 29.6.2013, S. 31.

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stellen in Verbindung mit dem vom EJPD und der KKJPD eingesetzten paritätischen Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug eine behördliche Zusammenarbeit sicher, welche die Harmonisierung und rechtsgleiche Anwendung der Zwangsmassnahmen fördert.

Der Bund hat zwar gemäss Artikel 124 Absatz 1 AuG den Auftrag, den Vollzug des Ausländergesetzes zu beaufsichtigen. Der Bundesrat weist indes darauf hin, dass sich diese Aufsichtsfunktion auf die generelle kantonale Praxis zur Umsetzung der ausländerrechtlichen Bestimmungen bezieht. Die Überprüfung der Rechtskonformität einzelner Massnahmen, insbesondere vor dem Hintergrund des Prinzips der Verhältnismässigkeit und den bundesrechtlichen Vorgaben zur Ermessensausübung (Art. 96 AuG), liegt in der Zuständigkeit der kantonalen Gerichte (Zwangsmassnahmengerichte) und des Bundesgerichts.

Empfehlung 3

Prüfung der gesetzlich vorgesehenen Haftüberprüfung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Rechtsgrundlagen der Haftüberprüfung zweckmässig sind und einen genügenden Grundrechtsschutz gewährleisten.

Der Bundesrat hat die entsprechenden Rechtsgrundlagen überprüft und ist der Auffassung, dass diese zweckmässig sind und einen genügenden Grundrechtsschutz gewährleisten. Die Rechtsgrundlagen entsprechen den verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben (insbesondere Art. 31 BV und Art. 5 EMRK8). Die im Bericht der GPK-N explizit erwähnte Gesetzesbestimmung betreffend die Haftanordnung und Haftüberprüfung im Rahmen des Dublin-Verfahrens (Art. 80a Abs. 3 AuG) wurde bereits anlässlich der Übernahme und Umsetzung der Dublin III-Verordnung eingehend geprüft. Dabei gelangte der Bundesrat zur Ansicht, dass die von der Haftanordnung betroffenen Personen mit einem Gesuch um Haftüberprüfung, das jederzeit eingereicht werden kann, alle erforderlichen Rechtsgarantien haben9. Die Bundesversammlung hat die betreffenden Gesetzesanpassungen in der Herbstsession 2014 genehmigt. Ein Minderheitsantrag, wonach die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens automatisch durch eine richterliche Behörde zu überprüfen sei, wurde im Nationalrat deutlich abgelehnt10.

8 9

10

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) 14.029, Botschaft über die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013 und (EU) Nr. 604/2013 vom 7. März 2014 (BBl 2014 2675) 14.029, Nationalrat, Herbstsession, 26.9.2014 (ABl 2014 N 1321)

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Empfehlung 4

Inhaftierung von Minderjährigen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und dafür zu sorgen, dass Minderjährige unter 15 Jahren nicht in Administrativhaft genommen werden. Für den Vollzug der Wegweisung von Familien sind alternative Möglichkeiten zu prüfen und zu fördern. Bei Minderjährigen über 15 Jahren ist sicherzustellen, dass die Haft lediglich als letztes Mittel und stets zweckmässig eingesetzt wird.

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die vom SEM geltend gemachten Fälle der Fehlerfassungen von minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Zusammenarbeit mit den Kantonen aufzuarbeiten, der GPK-N hierzu Bericht zu erstatten und ihr im Detail darzulegen, wie die Kantone Inhaftierungen im Familienverbund und insbesondere mitinhaftierte Kinder unter 15 Jahren registrieren.

Zudem bittet die GPK-N den Bundesrat aufzuzeigen, wie den rechtlichen Vorgaben des Völkerrechts (insbesondere der Kinderrechtskonvention) bei der Inhaftierung von minderjährigen Personen Rechnung getragen wird.

Für die Anordnung von Zwangsmassnahmen sind die Kantone zuständig (siehe Stellungnahme zu Empfehlung 2). Die zuständigen kantonalen Zwangsmassnahmengerichte überprüfen die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der ausländerrechtlichen Administrativhaft gemäss den Vorgaben der Artikel 80 und 80a AuG.

Gemäss der einleitend erwähnten Umfrage ordnen die Kantone Zwangsmassnahmen bei Familien und Minderjährigen nur im Ausnahmefall und für eine möglichst kurze Haftdauer an. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen bereits ein Rückführungsversuch durch das Verhalten der betroffenen Person vereitelt wurde oder Personen, die straffällig wurden. In der Regel verzichten die Kantone bei Familien und Minderjährigen auf die Anordnung einer ausländerrechtlichen Administrativhaft und der Vollzug der Wegweisung wird ab der Unterkunft durchgeführt. Ist dies aufgrund des unkooperativen Verhaltens der betroffenen Personen nicht möglich, wird bei Familien grundsätzlich lediglich gegen den Familienvater Administrativhaft angeordnet, während die Mutter und die Kinder am Abflugtag ab der Unterkunft zum Flughafen begleitet werden.

Zwischen 2015 und 2017 wurde insgesamt gegenüber 83 minderjährige Personen ausländerrechtliche Administrativhaft angeordnet (ohne kurzfristige Festhaltungen nach Artikel 73 AuG)11. Die verhältnismässig geringe
Fallzahl sowie die Ergebnisse der Umfrage bestätigen aus Sicht des Bundesrates, dass Administrativhaft bei Minderjährigen über 15 Jahren lediglich als letztes Mittel eingesetzt wird.

Die Anordnung von ausländerrechtlicher Administrativhaft gegenüber Minderjährigen unter 15 Jahren ist gemäss Artikel 80 Absatz 4 AuG bzw. Artikel 80a Absatz 5 AuG ausgeschlossen. In Einzelfällen haben die Kantone jedoch minderjährige Personen unter 15 Jahren für eine kurze Zeit zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Administrativhaftanstalt untergebracht, weil eine Trennung von Eltern bzw. Mutter und Kind im konkreten Fall vor dem Hintergrund des Kindes11

Darin enthalten sind auch AuG-Fälle und nicht nur Personen aus dem Asylbereich.

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wohls kaum vertretbar schien. Die Unterbringung erfolgte in diesen Fällen nur für eine kurze Dauer; d. h. meist für eine Nacht vor einer Rückführung. Zudem fand der Aufenthalt in besonderen Räumlichkeiten statt; bspw. in entsprechend ausgestatteten Familienzellen. Allerdings besteht nach Auffassung des Bundesrats für solche Unterbringungen keine genügende Gesetzesgrundlage. Das SEM wird deshalb die Kantone anweisen, keine minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Administrativhaftanstalten unterzubringen und stattdessen für den Vollzug der Wegweisungen von Familien alternative Möglichkeiten zu prüfen.

Bereits heute sind im Ausländergesetz Alternativen zur Administrativhaft vorgesehen. So können Personen, die von einer Wegweisungsverfügung betroffen sind, gemäss Artikel 64e AuG dazu verpflichtet werden, sich regelmässig bei einer Behörde zu melden, eine angemessene finanzielle Sicherheit zu leisten oder ihre Reisedokumente zu hinterlegen. Im Weiteren kann einer ausreisepflichtigen Person gemäss Artikel 74 AuG die Auflage gemacht werden, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung) oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten (Ausgrenzung). Gemäss der Umfrage bei den Kantonen werden für den Vollzug von Wegweisungen bei Familien und Minderjährigen in der Praxis als Alternativen zur Administrativhaft vor allem Meldepflichten auferlegt und Eingrenzungen angeordnet. Wie der Bundesrat in der Antwort zur Motion 18.3079 festgehalten hat, beabsichtigt das SEM, gemeinsam mit den Kantonen die Zweckmässigkeit der elektronischen Überwachung im ausländerrechtlichen Bereich zu prüfen. Zudem verfolgt das SEM auf europäischer Ebene die Diskussionen bezüglich weiterer Alternativen zur Administrativhaft.

Bezüglich den Fehlerfassungen im ZEMIS wurde die Subkommission EJPD/BK der GPK-N am 8. Mai 2018 im Rahmen der Anhörung mit Vertretern des SEM eingehend informiert. In den betreffenden Fällen haben die gestützt auf Artikel 15a VVWAL für die Übermittlung der Daten zur ausländerrechtlichen Administrativhaft zuständigen Kantone im ZEMIS eine Haft eingetragen, obwohl die betroffenen Personen nicht in Haft waren. Aufgrund der Ergebnisse der Evaluation der PVK vom 1. November 2017 hat das SEM alle Fälle aus dem Jahr 2016 überprüft, in denen gemäss ZEMIS Minderjährige unter 15 Jahren in Haft waren. Die
Überprüfung hat ergeben, dass es sich in 39 von 44 Fällen (d. h. 89 % der Fälle) um Fehlerfassungen handelte und die betroffenen Personen nicht inhaftiert waren. 32 der 39 Fehlerfassungen erfolgten im Kanton Bern. Dieser hat bei Minderjährigen unter 15 Jahren aufgrund eines Fehlers im internen Mutationswesen der zuständigen Behörde systematisch Administrativhaft im ZEMIS erfasst, wenn die Kantonspolizei bei Rückführungen mit der Abholung und Begleitung der betroffenen Personen von der Unterkunft an den Flughafen beauftragt wurde. Bei fünf der weiteren sechs Fehlerfassungen durch die Kantone handelte es sich ebenfalls um Personen, die in ihrer Unterkunft polizeilich abgeholt und zum Flughafen begleitet wurden. In einem Fall wurde der Vater der minderjährigen Person inhaftiert, der zuständige Kanton hat die Haft aber auch bei dessen Kind, das unter der gleichen N-Nummer im ZEMIS erfasst ist, eingetragen, obwohl sich die betroffene minderjährige Person zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in der Schweiz aufgehalten hat. Zu den 38 Fehlerfassungen seitens der Kantone kommt ein Fall, in dem die Haftanordnung durch den zuständigen Kanton zwar korrekt eingetragen wurde, das SEM das (falsche) Geburtsdatum der betroffenen Person im ZEMIS jedoch nicht korrigiert hatte, obwohl 7608

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im Rahmen des Asylverfahrens die Volljährigkeit der Person bestätigt wurde. Somit wurden im Jahr 2016 fünf minderjährige Personen unter 15 Jahren12 effektiv für eine kurze Dauer in einer Haftanstalt untergebracht. In diesen Fällen wurden die betroffenen minderjährigen Personen vor der Rückführung, die mittels Sonderflug erfolgte, für eine Nacht gemeinsam mit ihren Eltern in einer Familienzelle in Administrativhaft untergebracht, um die Kinder nicht von ihren Eltern zu trennen. Aufgrund der Ergebnisse der Überprüfung der Fälle aus dem Jahr 2016 ist der Bundesrat der Ansicht, dass auf eine Überprüfung der ZEMIS-Einträge aus den Jahren 2011 bis 2014 verzichtet werden kann.

Alle Kantone erfassen im ZEMIS die Haftanordnungen gegenüber minderjährigen Personen zwischen 15 und 17 Jahren. Im Rahmen der einleitend erwähnten Umfrage haben zwei Kantone angegeben, in Einzelfällen minderjährige Personen unter 15 Jahren mit ihren Eltern in Administrativhaftanstalten untergebracht zu haben.

Davon hat ein Kanton diese Fälle auch im ZEMIS erfasst, während der andere darauf verzichtet hat.

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention13) gilt für die Schweiz seit dem 26. März 1997. Im Zusammenhang mit der ausländerrechtlichen Administrativhaft sind insbesondere die Artikel 3 Absatz 1, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 37 von Bedeutung. Der Bundesrat hat die Kinderrechtskonformität der Zwangsmassnahmen bereits im Jahr 2009 überprüft und ist zur Ansicht gelangt, dass die Garantien der Kinderrechtskonvention im Bereich der Zwangsmassnahmen eingehalten werden14. Seither hat die Schweiz im Rahmen der Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstandes die EU-Rückführungsrichtlinie15 sowie die Dublin III-Verordnung übernommen. Das Europäische Parlament und der Rat haben die Vorgaben der Kinderrechtskonvention bei der Ausarbeitung der entsprechenden Rechtsgrundlagen berücksichtigt, womit die Position von Minderjährigen im gesamten Rückführungsprozess verstärkt wurde (siehe auch Stellungnahme zu Empfehlung 5). So ist gemäss Artikel 5 der EU-Rückführungsrichtlinie das Wohl des Kindes bei der Umsetzung der Richtlinie in gebührender Weise zu berücksichtigen. Gemäss Artikel 6 der Dublin III-Verordnung ist das Wohl des Kindes in allen in der Verordnung vorgesehenen Verfahren eine vorrangige Erwägung.
Durch die gesetzlichen Vorgaben zur Haftanordnung und Haftüberprüfung (Art. 80 und Art. 80a AuG) wird sichergestellt, dass die ausländerrechtliche Administrativhaft in Einklang mit den Vorgaben des Völkerrechts, insbesondere der Kinderrechtskonvention, angewendet wird. Die richterliche Behörde berücksichtigt bei der Überprüfung des Entscheides über Anordnung, Fortsetzung und Aufhebung der Haft auch die familiären Verhältnisse der inhaftierten Person ­ und damit das 12 13 14

15

Vier davon betrafen den gleichen Fall (Dublin-Rückführung einer Familie).

SR 0.107 Bericht über die Kinderrechtskonformität der Zwangsmassnahmen vom 16. Dezember 2009 (in Erfüllung des Postulats «Überprüfung der Massnahmen im Ausländer- und Asylrecht gemäss Übereinkommen über die Rechte des Kindes» der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 31. Januar 2008). www.admin.ch > Aktuell > News > News 2009 > Bericht über Kinderrechte und Zwangsmassnahmen verabschiedet > PDF Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

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Kindeswohl im Sinne der Konvention ­ sowie die Umstände des Haftvollzugs. Die oben erwähnte, verhältnismässig geringe Fallzahl sowie die Haftdauer, die bei minderjährigen Personen über 15 Jahren zwischen 2015 und 2017 durchschnittlich 22 Tage betrug, bestätigen aus Sicht des Bundesrates, dass die Administrativhaft nur als letztes Mittel und für die kürzest angemessene Haftdauer eingesetzt wird, wie dies Artikel 37 der Kinderrechtskonvention vorsieht.

Empfehlung 5

Haftplätze für minderjährige Personen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, auf die Einrichtung entsprechender, für Minderjährige über 15 Jahren im Sinne der Vorgaben der Kinderrechtskonvention und ihre Begleitpersonen geeigneter Haftplätze hinzuwirken, damit sichergestellt werden kann, dass Minderjährige nur in solchen untergebracht werden kann.

Der Bundesrat soll der GPK-N zudem aufzeigen, welche Voraussetzungen für Haftplätze für Minderjährige gelten, welcher Stellenwert der Kinderrechtskonvention hierbei zukommt, wo Minderjährige derzeit untergebracht sind/werden und wie der Bundesrat die Aufsicht in diesem Bereich wahrnimmt.

Der Bundesrat wirkt im Rahmen der Haftplatzfinanzierung (Art. 82 Abs. 1 AuG) auf die Errichtung entsprechender, für Minderjährige und ihre Begleitpersonen geeigneter Haftplätze hin. Gemäss Artikel 15j Buchstabe d VVWAL beteiligt sich der Bund nur dann an den Kosten für den Bau und die Einrichtung kantonaler Haftanstalten, wenn die räumlich getrennte Unterbringung von verletzlichen Personen, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Kindern, von den übrigen Insassinnen und Insassen gewährleistet ist. Auch die von der KKJPD eingesetzte Fachgruppe Kapazitätsmonitoring Freiheitsentzug setzt sich damit auseinander, ob die Haftplätze für die ausländerrechtliche Administrativhaft in den Kantonen die entsprechenden Vorgaben erfüllen, und eruiert allfälligen Handlungsbedarf.

Gemäss Artikel 81 Absatz 3 AuG sind den Bedürfnissen von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen bei der Ausgestaltung der Haft Rechnung zu tragen. Zudem richten sich die Haftbedingungen bei Rückführungen in einen Drittstaat gemäss Artikel 81 Absatz 4 AuG nach Artikel 17 der EU-Rückführungsrichtlinie, welcher seinerseits die Vorgaben der Kinderrechtskonvention berücksichtigt. Er sieht namentlich vor, dass Familien in Haft eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Mass an Privatsphäre gewährleistet. Zudem müssen minderjährige Personen in Haft die Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen, einschliesslich altersgerechter Spiel- und Erholungsmöglichkeiten und, je nach Dauer ihres Aufenthalts, Zugang zur Bildung erhalten. Unbegleitete Minderjährige müssen so weit wie möglich in Einrichtungen untergebracht werden, die personell und materiell zur Berücksichtigung ihrer altersgemässen Bedürfnisse
in der Lage sind.

Dem Kindeswohl ist im Zusammenhang mit der Administrativhaft bei Minderjährigen Vorrang einzuräumen. Bezüglich Haftbedingungen bei Dublin-Überstellungen verweist Artikel 81 Absatz 4 AuG auf Artikel 28 Absatz 4 der Dublin III-Verordnung, welcher seinerseits Bezug nimmt auf die Artikel 9­11 der Aufnahmericht-

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linie16. Diese Bestimmungen sehen ebenfalls vor, dass Familien in Haft eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Mass an Privatsphäre gewährleistet.17 In der Praxis sind die konkreten Haftbedingungen grundsätzlich für alle Minderjährigen die gleichen ­ unabhängig davon, ob sie in einen Dublin-Staat oder in einen Drittstaat zurückgeführt werden.

Für die Unterbringung der betreffenden minderjährigen Personen im Einzelfall sind die Kantone zuständig. Die Mehrheit der Kantone hat in der Umfrage des SEM angegeben, dass minderjährigen Personen gewisse Erleichterungen im Haftregime gewährt werden. Diese betreffen bspw. die Betreuung, die Besuchszeiten oder die Möglichkeiten, sich zu bewegen. Auch bezüglich der Haftbedingungen bezieht sich die Aufsichtsfunktion des Bundes auf die kantonale Praxis generell. Die Überprüfung der Haftbedingungen im Einzelfall obliegt gemäss den Artikeln 80 und 80a AuG den hierfür zuständigen Gerichtsinstanzen (siehe Stellungnahme zu den Empfehlungen 2 und 4).

Empfehlung 6

Eine effiziente Datenverwaltung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, sicherzustellen, dass die Daten im Bereich der Administrativhaft korrekt erfasst werden. Zudem sind die bestehenden Systeme dahingehend zu revidieren oder gegebenenfalls zu ersetzen, als dass sie eine effiziente Datenverwaltung erlauben und das SEM den grösstmöglichen Nutzen daraus ziehen kann, um die Aufsicht gemäss Artikel 124 AuG tatsächlich wahrnehmen und das Monitoring im Sinne von Artikel 46 Absatz 3 AsylG durchführen zu können.

Insbesondere soll der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenzen das Ziel verfolgen, dass die Kantone Inhaftierungen im Familienverbund für jedes Familienmitglied, insbesondere auch für mitinhaftierte Kinder unter 15 Jahren, eindeutig und einheitlich erfassen.

Aufgrund der kantonalen Zuständigkeit für den Wegweisungsvollzug sind gemäss Artikel 15a VVWAL die kantonalen Behörden dafür verantwortlich, dem SEM die Daten über die Anordnung von ausländerrechtlicher Administrativhaft zu übermitteln. Weil es auch im Interesse des Bundes liegt, über zuverlässiges statistisches Zahlenmaterial betreffend die ausländerrechtliche Administrativhaft zu verfügen, ist das SEM mit den Kantonen laufend im Austausch, um diese zu sensibilisieren und damit die Datenqualität zu verbessern. In diesem Kontext ist beispielsweise auf die regelmässigen Newsletter zu verweisen, in denen das SEM bei den zuständigen kantonalen Behörden in Erinnerung gerufen hat, dass eine korrekte Erfassung der Zwangsmassnahmen Voraussetzung ist für eine aussagekräftige Datenerhebung.

Dabei wurden die Kantone insbesondere auch dazu angewiesen, die Haft jeweils laufend ­ d. h. bereits ab dem Zeitpunkt der Haftanordnung ­ im ZEMIS einzutragen. Um sicherzustellen, dass die Daten zukünftig korrekt erfasst werden, wird das 16

17

Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ABl L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

Vgl. zur Massgeblichkeit dieser Bestimmungen BGE 143 II 361 E. 3.3.

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SEM im Rahmen der Weisungsanpassungen im Hinblick auf die Umsetzung der Asylgesetzrevision zur Beschleunigung der Asylverfahren per 1. März 2019 die detaillierten Vorgaben zur Umsetzung von Artikel 15a VVWAL auch in die Weisung für den Bereich Wegweisung und Vollzug aufnehmen.

Im Weiteren wird Artikel 15a VVWAL im Rahmen der vom Bundesrat am 8. Juni 2018 verabschiedeten Verordnungsanpassungen per 1. März 2019 dahingehend ergänzt, dass die zuständigen kantonalen Behörden dem SEM auch den Ort der Inhaftierung übermitteln sowie die Angabe, für welche Zeitdauer die Administrativhaft angeordnet wurde. Betreffend Artikel 15a Absatz 2 VVWAL wurde die GPK-N vom SEM bereits im Rahmen der Verwaltungskonsultation darauf hingewiesen, dass es nicht den Tatsachen entspricht, dass die kantonalen Behörden nicht systematisch erfasst hätten, ob eine Rechtsvertretung eingesetzt oder Kindesschutzmassnahmen getroffen wurden. Das Problem bestand vielmehr darin, dass die Umsetzung des betreffenden Artikels der VVWAL nebst technischen Anpassungen im ZEMIS vorgängig auch eine Anpassung der ZEMIS-Verordnung vom 12. April 200618 bedingt hat.

Auch bezüglich des Informatikprojekts im Rückkehrbereich wurde die GPK-N bereits im Rahmen der Verwaltungskonsultation über die Gründe für die zeitweise Sistierung informiert. Das Informatikprojekt wurde im Frühjahr 2017 zwischenzeitlich ausgesetzt, um Synergien mit anderen laufenden eGovernment-Projekten des SEM abzuklären und eine Harmonisierung dieser Projekte zu erreichen. Das SEM beabsichtigt nach wie vor die schrittweise Einführung des neuen Informationssystems eRetour ab dem Jahr 2019.

Der Bundesrat geht davon aus, mit diesen Massnahmen die Datenqualität im Bereich der Administrativhaft massgeblich zu verbessern. Insbesondere ist mittelfristig auch geplant, die Abgeltungen der Pauschalen für die Haftkosten (Art. 15 VVWAL) über das Informationssystem eRetour abzurechnen. Damit wird für die Kantone auch ein finanzieller Anreiz geschaffen, die Daten korrekt im ZEMIS zu erfassen.

Gemäss Artikel 15a VVWAL sind diejenigen Fälle im ZEMIS zu erfassen, bei denen eine Haftanordnung vorliegt; d. h. auch Haftanordnungen im Familienverbund gegenüber minderjährigen Personen zwischen 15 und 17 Jahren. Weil das SEM die Kantone dazu anweisen wird, keine minderjährigen Personen unter 15 Jahren
mit ihren Eltern in Administrativhaftanstalten unterzubringen (siehe Stellungnahme zu Empfehlung 4), gibt es zukünftig auch keine solchen Fälle mehr im ZEMIS zu erfassen.

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SR 142.513

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BBl 2018

Empfehlung 7

Vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring

Der Bundesrat sorgt dafür, dass das Monitoring gemäss Artikel 46 Absatz 3 AsylG überprüft wird und die Voraussetzungen geschaffen werden, damit in Zusammenarbeit mit den Kantonen ein vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring möglich ist.

Voraussetzung für ein effizientes Monitoring ist, dass die Datenverwaltung im Sinne von Empfehlung 6 verbessert wird.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Monitoring des Wegweisungsvollzugs im Asylbereich, welches das SEM gestützt auf Artikel 46 Absatz 3 AsylG erstellt, bereits im Jahr 2017 teilweise überarbeitet wurde. Hauptziel der Überarbeitung war es, die pendenten Vollzugsfälle neu nach Vollzugstadien aufzuführen, damit sich genau erkennen lässt, in welcher Phase sich der Prozess befindet. Dadurch wurde das Monitoring aussagekräftiger und präziser, wodurch die Herausforderungen im Bereich des Wegweisungsvollzugs direkter angegangen werden können. Seit dem laufenden Jahr werden im Monitoring zudem diejenigen Fälle ausgewiesen, in denen das SEM gestützt auf Artikel 89b AsylG keine Bundessubventionen mehr ausrichtet.

Die aktuelle Version des Monitorings entspricht somit nicht mehr derjenigen aus dem Jahr 2016, welche gemäss dem Bericht der PVK verschiedene Schwächen aufwies.

Überdies ist festzuhalten, dass es sich ­ auch bei der aktuellen Version ­ weiterhin um eine Übergangslösung handelt, welche bis zur Einführung des Informationssystems eRetour in dieser Form veröffentlicht wird. Dies wird im Rahmen des Monitorings transparent ausgewiesen und entspricht einem Entscheid, den das SEM gemeinsam mit den erwähnten kantonalen Koordinationsgremien (KKJPD, VKM) und dem Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug getroffen hat. Es ist somit vorgesehen, das Monitoring mittelfristig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei sollen ­ wie bei der Ausarbeitung der aktuellen Version des Monitorings ­ die Kantone mit einbezogen werden.

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