Überwachung der Interessenbindungen in den Verwaltungsräten der bundesnahen Unternehmen am Beispiel des Falles der Verwaltungsratspräsidentin der SBB Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 28. August 2018

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausganslage und Verfahren

Anfang November 2017 berichteten verschiedene schweizerische und internationale Medien1 unter dem Titel «Paradise Papers» über die Praktiken von OffshoreUnternehmen. In diesem Zusammenhang erschienen auch mehrere Presseartikel zu den Aktivitäten des Schweizer Geschäftsmannes Jean-Claude Bastos in Westafrika, in denen mit ihm in Verbindung stehende Personen des öffentlichen Lebens genannt wurden.2 Erwähnt wurde insbesondere Monika Ribar, die derzeitige Verwaltungsratspräsidentin der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die Medien verwiesen darauf, Monika Ribar habe von Mai 2015 bis Juni 2016 ein Mandat im von JeanClaude Bastos gegründeten Unternehmen Capoinvest Limited, das mit dem Bau eines Hafens in der angolanischen Provinz Cabinda beauftragt war, ausgeübt und habe somit mit einem Offshore-Unternehmen in Verbindung gestanden, das in einem «sensitiven» Land an einem umstrittenen Geschäft beteiligt gewesen sei.3 An ihrer Sitzung vom 7. November 2017 beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S), sich mit diesem Dossier zu befassen, um zu untersuchen, ob und wie das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), welche die Interessen des Bundes als Eigner der SBB vertreten, über das Mandat von Monika Ribar beim Unternehmen Capoinvest Limited4 informiert worden waren.

Gegenstand der Untersuchung der GPK-S waren nicht die Geschäftsaktivitäten von Capoinvest oder die Einzelheiten des Mandats der Verwaltungsratspräsidentin der SBB, sondern die Art und Weise, wie die SBB und der Bund mit diesem Mandat umgingen. Die GPK-S ist zudem der Auffassung, dass dieser Fall angesichts der aktuellen Diskussion5 über die Corporate Governance der bundesnahen Unternehmen6 auch von grundsätzlicher Bedeutung ist. Sie hat daher auch geprüft, welche allgemeinen Lehren aus diesem Fall gezogen werden können, was die Aufsicht des Bundes über die Interessenbindungen in dieser Art von Unternehmen betrifft.

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Vereinigt im «Internationalen Konsortium investigativer Journalisten» (International Consortium for Investigative Journalism, ICIJ).

Les milliards du peuple angolais font la fortune d'un entrepreneur suisse. In: 24 Heures, 6.11.2017; Das Angola-Abenteuer von SBB-Präsidentin Monika Ribar. In: TagesAnzeiger, 6.11.2017.

Le périple de la présidente des CFF en Angola. In: 24 Heures, 6.11.2017.

Im Folgenden: das Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest.

Insbesondere im Zusammenhang mit den Dossiers zum Cyber-Angriff auf RUAG und zur nicht gesetzeskonformen Buchungspraxis bei der PostAuto Schweiz AG.

Unter «bundesnahen Unternehmen» werden im vorliegenden Bericht die spezial- und privatrechtlichen Aktiengesellschaften verstanden, welche Dienstleistungen am Markt erbringen und bei welchen der Bund Haupt- oder Alleinaktionär ist. Diese Bezeichnung wurde dem Begriff der «verselbständigten Einheiten» vorgezogen, da letzterer insbesondere auch selbständige Anstalten miteinschliesst, die keine Aktiengesellschaften sind oder keine Dienstleistungen am Markt erbringen.

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Die zuständige Subkommission EDI/UVEK der GPK-S7 wurde von der Plenarkommission beauftragt, die Untersuchung durchzuführen und ihr anschliessend Bericht zu erstatten. Die Subkommission befasste sich von November 2017 bis Juli 2018 an fünf Sitzungen eingehend mit diesem Dossier. Sie liess der Vorsteherin des UVEK, aber auch dem Verwaltungsrat der SBB und der Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), in mehreren Schreiben Fragen zum Fall Ribar zukommen und nahm Kenntnis von den Antworten der betreffenden Organe8 ebenso wie von den von diesen zur Verfügung gestellten Unterlagen. Auf der Grundlage dieser Informationen beschloss die Subkommission, einen Entwurf für einen Kurzbericht auszuarbeiten, um über den ihr bekannten Sachverhalt und über ihre Schlussfolgerungen zu berichten.

Dieser Bericht wurde den betroffenen Einheiten zur Konsultation vorgelegt. Die GPK-S beriet und genehmigte schliesslich an ihrer Sitzung vom 28. August 2018 die Endfassung des Berichts sowie die darin formulierten Empfehlungen und liess den Bericht dem Bundesrat zukommen. An derselben Sitzung beschloss sie zudem, diesen Bericht zu veröffentlichen.

1.2

Gegenstand des Berichts

Im vorliegenden Bericht untersucht die GPK-S rückwirkend, wie die SBB und anschliessend das UVEK und das EFD mit dem Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest umgegangen sind, und nimmt das System der SBB zur Überwachung von Interessenbindungen unter die Lupe, welches auf Anfang 2018 überarbeitet wurde.

Gemäss Artikel 26 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes9 üben die GPK die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung, der eidgenössischen Gerichte, aber auch anderer Träger von Aufgaben des Bundes aus.

Als solche fallen die bundesnahen Unternehmen ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der GPK. Die parlamentarische Oberaufsicht wird in diesem Zusammenhang in der Regel indirekt ausgeübt; sie besteht im Wesentlichen darin, zu prüfen, wie der Bundesrat und die Departemente die betreffenden Unternehmen beaufsichtigen und steuern. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Interessen des Bundes als Eigner angemessen wahrgenommen werden. Dank diesem Vorgehen kann der Autonomie und Rechtsform dieser Einheiten, wie sie vom Gesetzgeber Ende der 1990er-Jahre gewünscht und vom Bundesrat in seinem Corporate-Governance-Bericht von 2006

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Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S setzt sich zusammen aus Ständerat Claude Hêche (Präsident), Ständerätin Géraldine Savary und den Ständeräten Joachim Eder, Peter Föhn und Werner Luginbühl.

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, 12.1.2018 und 17.4.2018 an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S; Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, 17.4.2018 und 2.5.2018 an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S; E-Mail der EFV vom 7.6.2018 an die Subkommission EDI/UVEK.

Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10)

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festgelegt wurden, Rechnung getragen werden.10 Die GPK haben die Modalitäten ihrer Oberaufsicht über die bundesnahen Unternehmen mehrfach präzisiert und haben verschiedene Rechtsgutachten zu diesem Thema in Auftrag gegeben.11 In Anbetracht dieser Grundsätze stehen beim vorliegenden Bericht nicht die internen Abläufe der SBB im Vordergrund, sondern es soll vielmehr ­ anhand des konkreten Beispiels des Mandats der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest ­ ermittelt werden, ob die Aufsicht der zuständigen Departemente und des Bundesrates über die bundesnahen Unternehmen in Sachen Mandate und Interessenbindungen den Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit12 entspricht und ob allgemeine Lehren aus diesem Fall gezogen werden können.

Im Folgenden beurteilt die GPK-S als politisches Organ, das die parlamentarische Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung ausübt, den ihr bekannten Sachverhalt. Sie äussert sich nicht zur Grundsatzfrage, ob das Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest rechtskonform oder ob die Ernennung von Monika Ribar zur Verwaltungsratspräsidentin der SBB richtig war.

1.3

Aufbau des Berichts

Zunächst werden die massgebenden Leitsätze sowie die rechtlichen und reglementarischen Grundlagen zum untersuchten Fall präsentiert (Kap. 2). Anschliessend schildert die GPK-S den ihr bekannten Sachverhalt (Kap. 3), indem sie die Chronologie der Ereignisse rekonstruiert und anschliessend das derzeitige System der SBB zur Überwachung von Interessenbindungen im Detail beschreibt. Im selben Kapitel gibt die Kommission die Informationen wieder, die sie zur Rolle der zuständigen Departemente und des Bundesrates in Sachen Überwachung der Interessenbindungen gesammelt hat. Auf dieser Basis beurteilt sie den Fall aus Sicht der Oberaufsicht (Kap. 4). Der Bericht schliesst mit den Schlussfolgerungen (Kap. 5).

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Bericht des Bundesrates vom 13.9.2006 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (im Folgenden: Corporate-Governance-Bericht) (BBl 2006 8233). Siehe auch: Zusatzbericht des Bundesrates vom 25.3.2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats (BBl 2009 2659).

Siehe insbesondere: Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte vom 23.5.2000 über ihre Tätigkeit (Mai 1999/Mai 2000) (BBl 2000 4601); Uhlmann, Felix (2013): Rechtsgutachten zuhanden der GPK zur Oberaufsicht über die FINMA, 28.8.2013; Biaggini, Giovanni (2013): Rechtsgutachten zur Frage der Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Oberaufsicht im Bereich des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI), 26.8.2013; Müller, Georg / Vogel, Stefan (2009): Oberaufsicht der Bundesversammlung über verselbstständigte Träger von Bundesaufgaben, Rechtsgutachten zuhanden der GPK-N, 7.12.2009.

Siehe Art. 52 Abs. 2 ParlG

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Leitsätze sowie rechtliche und reglementarische Grundlagen

2.1

Steuerung und Beaufsichtigung der bundesnahen Unternehmen durch den Bundesrat

Die Leitsätze zur Steuerung und Aufsicht13 des Bundesrates über die bundesnahen Unternehmen sind im Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates von 2006 aufgeführt. Dieser hält darin fest, dass er «die Rolle des Eigners und die damit verbundenen Informations-, Einfluss- und Kontrollrechte gegenüber allen verselbstständigten Einheiten grundsätzlich selber wahr[nimmt]».14 Der Bund verfügt über mehrere Instrumente, um die Rolle des Eigners gegenüber den bundesnahen Unternehmen wahrzunehmen. In der Regel werden drei Hauptelemente genannt: Wahl des Verwaltungsrates, Festlegung und Kontrolle der strategischen Ziele sowie Genehmigung von Geschäftsbericht und Rechnung.15 Wie die Verwaltungsratsmitglieder zu ernennen sind, wird in Leitsatz 5 des Corporate-Governance-Berichts des Bundesrates ausführlich erläutert. In diesem Leitsatz heisst es, dass der Bundesrat «ein Anforderungsprofil [erstellt], das die für eine eigenständige sowie sach- und fachgerechte Willensbildung nötigen Voraussetzungen des Verwaltungs[rates] [...] definiert», er «sein Wahlrecht auf der Grundlage dieses Anforderungsprofils aus[übt]» und «für eine angemessene Vertretung der Interessen des Bundes im Verwaltungs[rat] [...] verselbstständigter Einheiten [sorgt]».16 In Bezug auf die gesetzlichen Grundlagen für die Ernennungen verweist der Bundesrat in seinem Corporate-Governance-Bericht auch auf das Aktienrecht: «Das Aktienrecht bestimmt, welche Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten einem Aktionär und somit auch dem Bundesrat bezüglich privatrechtlicher Aktiengesellschaften zustehen.»17 13

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Im Corporate-Governance-Bericht von 2006 wird der Begriff «Kontrolle des Bundesrates» verwendet; im vorliegenden Bericht verwendet die GPK-S in diesem Zusammenhang den Oberbegriff «Aufsicht». Das UVEK hat in der Verwaltungskonsultation zum vorliegenden Bericht geltend gemacht (Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 15.8.2018), dass «der Bundesrat die bundesnahen Unternehmen nicht beaufsichtigt. Viel mehr nimmt er im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Aktionärsrechte die Interessen der Schweizerischen Eidgenossenschaft als (Haupt-) Eigentümerin dieser Unternehmen wahr. Eine eigentliche Aufsicht des Bundes über die bundesnahen Unternehmen gibt es nur in Bezug auf deren regulierte Tätigkeiten, wozu u. a. die Grundversorgung gehört. Diese regulatorische Aufsicht wird durch die zu ständigen Verwaltungsstellen (z. B. BAV, BAKOM) respektive durch unabhängige Regulationsbehörden (z. B. PostCom, ComCom) ausgeübt.» Die GPK-S ist trotzdem der Ansicht, dass dem Bundesrat eine subsidiäre Aufsichtsverantwortung gegenüber den bundesnahen Unternehmen zukommt (siehe dazu Kap. 4.2).

Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8264) Siehe diesbezüglich: Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom, Expertenbericht zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 30.8.2011, S. 10., www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Aufsichtskommissionen > GPK > Berichte > 2012 (Stand: 1.6.2018).

Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8271) Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8287). Vgl. Art. 620 f. des Bundesgesetzes vom 30.3.1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) (OR; SR 220).

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Die Frage der Unabhängigkeit der Verwaltungsratsmitglieder und der Umgang mit Interessenkonflikten werden in Leitsatz 6 des Corporate-Governance-Berichts des Bundesrates behandelt, der wie folgt lautet: «Die Mitglieder des Verwaltungs[rates] [...] wahren die Interessen der verselbstständigten Einheit. Bei Interessenkonflikten tritt ein Mitglied in den Ausstand. Dauerhafte Interessenkonflikte schliessen eine Mitgliedschaft im Verwaltungs[rat] [...] sowie in der Geschäftsleitung aus.»18 An einer späteren Stelle im Bericht heisst es ausserdem: «Bei Erlass der Statuten setzt sich der Bundesrat für eine klare Regelung im Umgang mit Interessenkonflikten in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ein. Bei den Einheiten in der Rechtsform der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft können entsprechende Vorgaben im Organisationserlass aufgenommen werden.»19 Das mit Drittmandaten der Verwaltungsratsmitglieder verbundene Reputationsrisiko und die Informationsrechte, über die der Bundesrat zur Wahrnehmung seiner Rolle als Eigner bei Ernennungen verfügt, werden im Corporate-Governance-Bericht nicht näher erläutert.

2.2

Steuerung und Beaufsichtigung der SBB durch den Bundesrat

Die Modalitäten der Steuerung und Beaufsichtigung der bundesnahen Unternehmen durch den Bundesrat sind in den für das jeweilige Bundesunternehmen massgebenden Rechtsvorschriften geregelt.20 Im Falle der SBB ist dies das Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG).21 Gemäss diesem Gesetz hat der Bundesrat folgende Möglichkeiten, auf die SBB Einfluss zu nehmen: Festlegung der strategischen Ziele und Überprüfung von deren Umsetzung (Art. 8), Einflussnahme in der Generalversammlung über die Mehrheitsbeteiligung des Bundes (Art. 10), Einflussnahme mittels verschiedener Finanzvorschriften (Art. 6, 7 und 20). Es enthält keine besonderen Bestimmungen zu Interessenbindungen oder zur Deklaration von Mandaten.

Artikel 10 SBBG sieht vor, dass sich die Befugnisse der Generalversammlung nach den Vorschriften des Obligationenrechts (OR) über die Aktiengesellschaft richten.

Solange der Bund alleiniger Aktionär bleibt, nimmt der Bundesrat die Befugnisse der Generalversammlung wahr.22 Gemäss Artikel 698 OR hat die Generalversammlung ­ bei den SBB als alleiniger Aktionär also der Bund ­ insbesondere das Recht, die Statuten festzusetzen und zu ändern, die Mitglieder des Verwaltungsrates zu 18 19 20

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Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8271) Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8286) Vgl. Art. 8 Abs. 4 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21.3.1997 (RVOG; SR 172.010). Siehe hierzu auch Müller, Georg / Vogel, Stefan (2009): Oberaufsicht der Bundesversammlung über verselbstständigte Träger von Bundesaufgaben, Rechtsgutachten zuhanden der GPK-N, S. 10.

Bundesgesetz vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG; SR 742.31) Gemäss den Angaben des UVEK (Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 17.4.2018 an die GPK-S, S. 2) nimmt der Bundesrat im Falle der SBB «die Interessen der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Haupteigentümerin» wahr. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe wird er vom Generalsekretariat des UVEK und der EFV unterstützt.

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ernennen, die Mitglieder des Verwaltungsrates zu entlasten und über die Gegenstände Beschluss zu fassen, die der Generalversammlung durch Gesetz oder Statuten vorbehalten sind.

Artikel 697 OR wiederum legt fest, dass jeder Aktionär berechtigt ist, «an der Generalversammlung vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft [...] zu verlangen. Die Auskunft ist insoweit zu erteilen, als sie für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist.» Das vom UVEK definierte Anforderungsprofil für Mitglieder des SBB-Verwaltungsrates ist online abrufbar.23 Es sieht insbesondere vor, dass alle Mitglieder die Kriterien «einwandfreier Ruf» und «Unabhängigkeit» («keine Interessenbindungen, die eine unabhängige Meinungsbildung verhindern») zu erfüllen haben.

2.3

Interne Regelung bei den SBB

Die Statuten der SBB24 übernehmen die Bestimmungen des OR und des SBBG zu den Befugnissen der Generalversammlung. Sie enthalten keine besonderen Bestimmungen zu Interessenbindungen oder zur Deklaration von Mandaten, halten aber fest, dass der Verwaltungsrat «die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen, [ausübt]» (Art. 6.5 Bst. e). Das Organisationsreglement der SBB25 hält fest, dass die Sicherstellung «einer wirksamen Compliance auf Stufe Verwaltungsrat (u. a. Interessenbindungen)» in den Verantwortungsbereich des Sekretärs bzw. der Sekretärin des Verwaltungsrates fällt.

Die frühere Version des Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB, die bis 31. Dezember 2017 in Kraft war, sah vor, dass das Präsidium des Verwaltungsrates (Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen26) für den reibungslosen Ablauf der Deklaration der Interessenbindungen verantwortlich ist und die Mandate hinsichtlich möglicher Reputationsrisiken überprüft.27 Laut SBB erfolgte eine Beurteilung der Mandate der Verwaltungsratsmitglieder «nur vor Übernahme eines Mandats, bei dem ein möglicher permanenter Interessenkonflikt bestand»;28 es oblag dem jeweiligen Mitglied, das Mandat zu melden.

Das Reglement zur Deklaration von Interessenbindungen des Verwaltungsrates der SBB, das bis 31. Dezember 2017 in Kraft war, hielt fest, dass der Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen für die Durchführung des Prozesses zur Deklaration der 23

24

25 26 27 28

UVEK: Anforderungsprofil für die Mitglieder des SBB-Verwaltungsrates, www.uvek.admin.ch > Das UVEK > Bundesnahe Betriebe > Schweizerische Bundesbahnen > Anforderungsprofil Verwaltungsrat (Stand: 1.6.2018).

Statuten der Schweizerischen Bundesbahnen SBB vom 9.6.2011 (nicht veröffentlicht).

Die Statuten wurden am 27.4.2018 revidiert; im Rahmen dieser Revision wurden die betroffenen Bestimmungen nicht grundsätzlich geändert.

Organisations- und Geschäftsreglement für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Kap. 7.2, Ziff. 6 Mitglieder: Präsidentin und Vizepräsident des Verwaltungsrates Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der Schweizerischen Bundesbahnen vom 24.10.2007 (gültig bis 31.12.2017; nicht veröffentlicht), Art. 4.1 und 5.5 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 5

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Interessenbindungen und die Abgabe von Empfehlungen an den Verwaltungsrat im Fall eines tatsächlichen Interessenkonflikts oder Reputationsrisikos zuständig ist.29 Es sah zudem vor, dass der Ausschuss mindestens einmal pro Jahr tagt30 und dass ein Mitglied des Präsidiums in den Ausstand zu treten hat, wenn es im Entscheidprozess über Geschäfte und Gegenstände in Interessenkollisionen geraten könnte31.

Nach der Totalrevision des Organisationsreglements der SBB trat am 1. Januar 2018 eine neue Version des Verhaltenskodex des Verwaltungsrates32 in Kraft, die überarbeitete Vorschriften und Verfahren in Sachen Überprüfung von Interessenbindungen und Deklaration von Mandaten enthält (siehe Kap. 3.2).

3

Sachverhalt

3.1

Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest: Chronologie der Ereignisse

Die folgende Chronologie der Ereignisse beruht auf den Informationen, welche der GPK-S von der Vorsteherin des UVEK und vom Verwaltungsrat der SBB schriftlich übermittelt wurden.33 Monika Ribar wird am 1. Mai 2014 zum Mitglied des Verwaltungsrates der SBB gewählt. Der Verwaltungsrat ernennt sie an seiner Sitzung vom 9. Mai 2014 zur Vizepräsidentin per 12. Mai 2014. Am 6. Mai 2015 tritt sie ihr Amt als «Mitglied des Board of Directors» der Firma Capoinvest an.34 Ende 2015 erstellt der Sekretär des Verwaltungsrates der SBB im Rahmen der Vorbereitung des SBB-Geschäftsberichts eine Liste aller von den Verwaltungsratsmitgliedern gemeldeten Mandate. Er leitet diese Übersicht an den Verwaltungsratspräsidenten (Ulrich Gygi) und an die Verwaltungsratsvizepräsidentin (Monika Ribar) weiter. Das Capoinvest-Mandat von Monika Ribar ist in dieser Übersicht nicht aufgeführt. Monika Ribar hat es nicht gemeldet, da sie Capoinvest «als nicht bedeutende Gesellschaft und damit dieses Mandat als nicht wesentlich beurteilte».35 Sie räumte später ein, dass diese Nichtmeldung ein Fehler war, und entschuldigte sich dafür.36 Aufgrund dieser Zusammenstellung wird auf eine Sitzung des Ausschusses Präsidium / Interessenbindungen verzichtet, welcher für die Überprüfung der Interessen29 30 31 32 33

34 35 36

Reglement zur Deklaration von Interessenbindungen des Verwaltungsrates der SBB vom 19.11.2010 (gültig bis 31.12.2017; nicht veröffentlicht), Art. 6 Reglement zur Deklaration von Interessenbindungen des Verwaltungsrates der SBB vom 19.11.2010 (gültig bis 31.12.2017; nicht veröffentlicht), Art. 7 Reglement zur Deklaration von Interessenbindungen des Verwaltungsrates der SBB vom 19.11.2010 (gültig bis 31.12.2017; nicht veröffentlicht), Art. 10 Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht) Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, 12.1.2018 und 17.4.2018 an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S; Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, 17.4.2018 und 2.5.2018 an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, S. 1 Schreiben des SBB-Verwaltungsrates vom 6.3.2018, S. 4 Schreiben des SBB-Verwaltungsrates vom 6.3.2018, S. 6

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bindungen zuständig ist. Die GPK-S hat erfahren, dass dieser Ausschuss in den Jahren 2014, 2015 und 2016 in Wirklichkeit nicht getagt hat.37 Der Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen führt also keine weiteren Abklärungen zu möglichen nicht gemeldeten Mandaten durch. Dieses Vorgehen entspricht den SBB zufolge der «Best Practice». Jedes Verwaltungsratsmitglied sei selber dafür verantwortlich, korrekte Angaben zu seinen Mandaten zu machen.38 Zum damaligen Zeitpunkt erfolgten diese Abklärungen nur vor der Übernahme eines Mandats, bei dem ein möglicher permanenter Interessenkonflikt bestand39 (dieser Grundsatz wurde auf den 1. Januar 2018 angepasst, siehe Kap. 3.2).

Anfang Januar 2016 ersucht das UVEK im Hinblick auf die Ernennung von Monika Ribar zur künftigen Verwaltungsratspräsidentin die SBB um Informationen zu ihren Mandaten. Das Capoinvest-Mandat wird nicht gemeldet, da es dem Verwaltungsrat nicht bekannt ist.40 Die Abklärungen des UVEK konzentrieren sich auf bestimmte von Monika Ribar den SBB gemeldete Mandate. Mitte Januar 2016 fordert das UVEK zusätzliche Informationen in Bezug auf die Mandate von Monika Ribar ein.41 Nach diesem Informationsaustausch verlangt das UVEK keine weitergehenden Präzisierungen. Am 27. Januar 2016 stimmt der Bundesrat der Kandidatur von Monika Ribar für das Verwaltungsratspräsidium zu; sie soll an der SBB-Generalversammlung von Juni 2016 gewählt werden.42 Ende Februar 2016 fällt Monika Ribar bei der Durchsicht des Berichts zur Corporate Governance im Geschäftsbericht 2015 der SBB auf, dass das Capoinvest-Mandat nicht aufgeführt ist.43 Deshalb meldet sie dieses dem Verwaltungsratssekretärs und informiert ihn telefonisch über die wichtigsten Aspekte dieses Mandats. Gemeinsam kommen sie zum Schluss, dass das Mandat «keine Berührungspunkte zur SBB aufweise und kein Reputationsrisiko berge, aber als Mandat im Bericht Corporate

37

38 39 40 41

42 43

Schreiben des SBB-Verwaltungsrates vom 17.4.2018, S. 1. Auf die Frage der GPK-S, weshalb keine Sitzung stattgefunden habe, obwohl das entsprechende Reglement mindestens eine Sitzung pro Jahr vorsehe, antworteten die SBB in ihrem Schreiben vom 2.5.2018 (S. 1), dass der damalige Verwaltungsratssekretär jeweils per Ende Jahr eine Übersicht der Mandate der Verwaltungsratsmitglieder erstellt und diese den Mitgliedern des Ausschusses Präsidium / Interessenbindungen vorgelegt habe und dass «aufgrund dieser Zusammenstellung auf eine Sitzung des Ausschusses Präsidium / Interessenbindungen verzichtet [wurde]». Die SBB haben die Gründe für diese Entscheidung nicht näher erläutert.

Schreiben des SBB-Verwaltungsrates vom 6.3.2018, S. 5 Schreiben des SBB-Verwaltungsrates vom 6.3.2018, S. 5 Das UVEK bestätigte ebenfalls, zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis vom Mandat gehabt zu haben (Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, S. 2).

Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 2 f. Gemäss der von den SBB im Rahmen der Verwaltungskonsultation zum vorliegenden Bericht erteilten Informationen (Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 13.8.2018) hat das UVEK «die Bestätigung verlangt, dass bei der Übernahme des Verwaltungsratspräsidentinnen-Mandats durch Monika Ribar Art. 11 der Kaderlohnverordnung eingehalten ist und keine Interessenskonflikte vorhanden sind. Daraufhin hat der damalige Verwaltungsrat-Sekretär gegenüber dem UVEK bestätigt, von welchen Mandaten Monika Ribar zurücktreten werde resp. zurückgetreten sei. Ebenfalls hat die SBB auf die Pensen der verbleibenden Mandate von Monika Ribar hingewiesen.» Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, S. 1 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 4

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Governance des Geschäftsberichts 2015 aufzuführen sei».44 Die SBB geben an, dass sich Monika Ribar «bereits zu diesem Zeitpunkt [...] die Frage [stellte], ob sie das Mandat nach der Wahl zur Verwaltungsratspräsidentin weiterführen solle».45 Das Capoinvest-Mandat wird in den SBB-Geschäftsbericht 2015 aufgenommen. Es erfolgen keine weiteren Abklärungen und dem Verwaltungsrat werden keine zusätzlichen Informationen kommuniziert.46 Gemäss den der GPK-S vorliegenden Informationen wurden das UVEK oder das EFD über die Aufnahme des CapoinvestMandats in den Geschäftsbericht nicht ausdrücklich unterrichtet.

An seiner ordentlichen Sitzung vom 11. März 2016 befasst sich der Verwaltungsrat der SBB mit dem Geschäftsbericht 2015. Zu den einzelnen Mandaten werden keine Fragen aufgeworfen, sodass keine Diskussion stattfindet (auch nicht über das Capoinvest-Mandat). In seinem Schreiben an die GPK-S schliesst das UVEK daraus, dass «der Verwaltungsrat vom Mandat (...) Kenntnis genommen [hat] und festgestellt [hat], dass keine tatsächlichen oder potenziellen Berührungspunkte zur SBB einerseits oder ein Reputationsrisiko andererseits bestehen. Es liegt nicht am UVEK, diese Einschätzung zu beurteilen.»47 Am 23. März 2016 nimmt der Bundesrat Kenntnis vom Geschäftsbericht 2015 der SBB und genehmigt zudem den Bericht über die Erreichung der strategischen Ziele der SBB zuhanden der GPK. Diese befassen sich an ihren Sitzungen vom 19. und 20. April 2016 zur Steuerung der SBB mit den beiden Berichten. Die Frage der Mandate wird nicht thematisiert.

Im Frühjahr 2016 beurteilt Monika Ribar ihre Mandate neu und sucht diesbezüglich das Gespräch mit dem designierten Verwaltungsratsvizepräsidenten Peter Siegenthaler.

Das Capoinvest-Mandat wird thematisiert. «Aufgrund des zeitlichen Aufwands und der öffentlichen Exposition als SBB-Präsidentin» kommt sie zusammen mit Peter Siegenthaler zum Schluss, dass sie «auch aus Reputationsgründen» von diesem Mandat zurücktreten sollte.48 Die SBB begründen diese Neueinschätzung mit dem «Wechsel von Monika Ribar vom Vizepräsidium ins VR-Präsidium» und mit «der öffentlichen Exposition als SBB[-]Präsidentin». Ausserdem wird darauf verwiesen, dass Monika Ribar im Hinblick auf die Übernahme des Verwaltungsratspräsidiums weitere Mandate niederlegte, «um genügend Zeit für das [...] Mandat» als
SBB-Verwaltungsratspräsidentin zu haben.49 Am 5. Juni 2016 tritt Monika Ribar von ihrem Mandat bei Capoinvest zurück.50 Sie wird am 15. Juni 2016 zur Verwaltungsratspräsidentin der SBB gewählt.

Monika Ribar orientiert den Verwaltungsrat nicht über den Rücktritt von ihrem Capoinvest-Mandat (den Rücktritt von ihrem Mandat stellt der Verwaltungsrat offiziell 44 45 46

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Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 4, und vom 17.4.2018, S. 2 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 2 Die SBB schreiben hierzu, dass «2016 [...] wie in den Jahren 2014 und 2015 keine Sitzung des Ausschusses Präsidium / Interessenbindungen statt[fand], weshalb dieser auch nicht konsultiert werden konnte», ohne näher zu begründen, warum es keine Sitzung gab (siehe auch Fussnote 37).

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 12.1.2018, S. 1 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 3 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 2 Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 4.12.2017, S. 2

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erst am 3. März 2017 bei der Kenntnisnahme vom Geschäftsbericht 2016 fest). Die SBB schreiben hierzu, dass die «Regelung betreffend Deklaration von Mandaten [...]

keine unterjährige Information des Verwaltungsrates über niedergelegte Mandate vor[sieht].»51 Da der Verwaltungsrat über die Niederlegung des Mandats nicht unterrichtet wurde, war es ihm auch nicht möglich, das UVEK oder das EFD vor der Generalversammlung zu informieren.

Am 3. März 2017 nimmt der Verwaltungsrat der SBB Kenntnis vom Geschäftsbericht 2016, in dem das Capoinvest-Mandat nicht mehr aufgeführt ist. Aus dem Schreiben der SBB an die GPK-S geht nicht klar hervor,52 ob die Verwaltungsratsmitglieder zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich auf die Beendigung dieses Mandats hingewiesen wurden bzw. ob dieses Thema überhaupt diskutiert wurde. Am 24. und 25. April 2017 befassen sich die GPK mit dem Bericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele der SBB und mit dem Geschäftsbericht 2016 der SBB. Die Frage der Mandate wird nicht thematisiert. Die GPK-S beschliesst am 7. November 2017 ­ nachdem sie von den Enthüllungen in den «Paradise Papers» Kenntnis genommen hat ­, sich mit der Angelegenheit zu befassen.

3.2

Anpassung der SBB-Vorschriften zu Mandaten und Interessenbindungen

Im Rahmen der Totalrevision des Organisationsreglements der SBB trat am 1. Januar 2018 eine neue Version des Verhaltenskodex des Verwaltungsrates in Kraft und wurden die Vorschriften und Verfahren in Sachen Überprüfung von Interessenbindungen und Deklaration von Mandaten überarbeitet. Laut SBB erfolgte diese Überarbeitung «im Sinne einer Vereinfachung».53 Gemäss der überarbeiteten Fassung des SBB-Verhaltenskodex ist neu der Personalund Organisationsausschuss54 für den reibungslosen Ablauf des Verfahrens zur Meldung der Interessenbindungen verantwortlich. Er übernimmt diese Aufgabe vom abgeschafften Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen. Er wacht darüber, dass die Interessenbindungen deklariert, tatsächliche oder potenzielle Berührungspunkte zur SBB frühzeitig erkannt und die Ausstandsregeln eingehalten werden.55 Er tagt mindestens zweimal pro Jahr.56 Der aktuelle Verhaltenskodex sieht vor, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates alle ihre Mandate unverzüglich «offenlegen», und zwar vor der eigentlichen Man-

51 52 53 54 55 56

Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 2 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, 17.4.2018 und 2.5.2018 an die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 3 Mitglieder des Ausschusses am 8.6.2018: Monika Ribar, Alexandra Post Quillet (Vorsitzende), Beat Schwab und Daniel Trolliet.

Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 5.1 Reglement des Personal- und Organisationsausschusses des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nur auf Deutsch; nicht veröffentlicht), Art. 5.1

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datsübernahme. Es gilt das Prinzip der «Selbstdeklaration».57 Das betroffene Verwaltungsratsmitglied informiert darüber, worum es sich beim geplanten Mandat handelt und welche Hintergründe dieses hat. Wenn es sich um einen wenig bekannten Betrieb handelt, orientiert es ausserdem über das betreffende Unternehmen und dessen Umfeld. Die Überprüfung durch die Verwaltungsratssekretärin bzw. den Verwaltungsratssekretär erfolgt «mittels Abklärungen im Handelsregister [...] und weiteren Nachforschungen im Internet über das betreffende Unternehmen».58 Bei grossen Mandaten «fliesst das Kriterium des Zeitaufwandes mit in die Beurteilung der Mandatsübernahme» ein.59 Die Verwaltungsratspräsidentin bzw. der Verwaltungsratspräsident «beurteilt auf Empfehlung des VR-Sekretärs die geplante Mandatsübernahme».60 Im Gegensatz zur alten Praxis «[beurteilt] die Verwaltungsratspräsidentin [...] in jedem Falle eine geplante Mandatsübernahme».61 In strittigen Fällen können sowohl die Verwaltungsratspräsidentin bzw. der Verwaltungsratspräsident als auch das betroffene Verwaltungsratsmitglied die abschliessende Beurteilung durch den Personal- und Organisationsausschuss verlangen.

Dieser tätigt «bei Bedarf weitere Abklärungen und beschliesst spätestens in seiner nächsten ordentlichen Sitzung abschliessend unter Ausstand des betroffenen VR-Mitglieds».62 Die Verwaltungsratspräsidentin bzw. der Verwaltungsratspräsident informiert die Mitglieder des Personal- und Organisationsausschusses und des Verwaltungsrates an den jeweiligen Sitzungen mündlich über die Ergebnisse der Beurteilungen der gemeldeten Mandate, was entsprechend protokolliert wird.63 Was die Mandate der Verwaltungsratspräsidentin bzw. des Verwaltungsratspräsidenten betrifft, so haben die SBB der GPK-S mitgeteilt, dass diese dem UVEK künftig «laufend» gemeldet werden.64 Seit der Inkraftsetzung dieser neuen Regelung am 1. Januar 2018 habe es noch keinen entsprechenden Anwendungsfall gegeben.

«Sollte die Übernahme eines neuen Mandats durch die Verwaltungsratspräsidentin zur Diskussion stehen, würde sie dies wie im Verhaltenskodex festgehalten, [...]

vorgängig schriftlich dem UVEK melden mit der Bitte um Prüfung auf allfällige Interessenkonflikte und Reputationsrisiken. Dem UVEK werden zu diesem Zweck

57

58 59 60 61 62 63 64

Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 3.1. Diese Bestimmungen waren bereits in der alten Version des Verhaltenskodex enthalten. Laut den SBB bedeutet das Prinzip der «Selbstdeklaration» aber nicht, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats die Wahl haben, ob sie gewisse Aufträge deklarieren oder nicht. Wie die SBB verdeutlicht haben, «liegt [es] nicht im Ermessen des VR-Mitglieds, welche Mandate gemeldet werden und welche nicht; alle Mandate müssen gemeldet werden». (Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 2.5.2018, S. 2 f.).

Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 3 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 3 Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 4.1 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 5 (siehe Kap. 2.3) Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 5.2 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 4 Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 3.1. Siehe auch Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 4.

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alle sachdienlichen Informationen über das betreffende Mandat zur Verfügung gestellt.»65 Über neue Mandate der übrigen Verwaltungsratsmitglieder wird das UVEK hingegen unter Jahr nicht separat informiert. Diese Informationen finden sich im Teil «Corporate Governance» des jährlichen Geschäftsberichts der SBB.66 Im Hinblick auf die Erstellung dieses Geschäftsberichts ist vorgesehen, dass die Verwaltungsratssekretärin bzw. der Verwaltungsratssekretär «per Ende Jahr eine Umfrage zu den Mandaten [...] der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie [...] der Konzernleitung der SBB» durchführt.67 Aus Sicht des UVEK sind damit «die Voraussetzungen vorhanden, dass die Mandate vollständig und rechtzeitig gemeldet werden und ein analoger Fall (Capoinvest Limited) sich nicht wiederholt». Weitergehende Massnahmen hält das UVEK nicht für erforderlich. Dieses ist zudem der Ansicht, dass die «Aufgabenverteilung hinsichtlich Mandate der Mitglieder des Verwaltungsrates zwischen der Verwaltungsratspräsidentin und dem Personal- und Organisationsausschuss zweckmässig [ist]».68

3.3

Überwachung von Interessenbindungen und Mandaten durch die Departemente und den Bundesrat

Der Bundesrat nimmt gegenüber den SBB «im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Aktionärsrechte die Interessen der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Haupteigentümerin [dieses] Unternehmen[s] wahr».69 Bei der Erfüllung dieser Aufgabe wird er vom UVEK und von der EFV als federführende Verwaltungsstellen unterstützt. Im Rahmen der Untersuchung wollte die GPK-S von der Vorsteherin des UVEK wissen, welches ihr Rollenverständnis ist bezüglich der Aufsicht ihres Departements über die bundesnahen Unternehmen in Sachen Mandate und Interessenbindungen.

Laut Aussage der Vorsteherin des UVEK trägt der Verwaltungsrat der SBB «in rechtlicher Hinsicht [...] als oberstes Führungsorgan des Unternehmens gegenüber der vom Bund beherrschten Generalversammlung die volle Verantwortung». Das Departement ist der Ansicht, dass ein adäquates Regelwerk besteht, um Interessenbindungen rechtzeitig zu erkennen. Ausserdem liege es «in der Verantwortung des Verwaltungsrates der SBB, dieses konsequent umzusetzen».70 Nach Ansicht der UVEK-Vorsteherin lag es in Monika Ribars Fall «nicht am UVEK, [die] Einschätzung zu beurteilen», welche der Verwaltungsrat der SBB hinsichtlich der Berüh65 66 67 68 69 70

Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 4 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 17.4.2018, S. 4. Diese Bestimmungen waren bereits in der alten Version des Verhaltenskodex enthalten.

Verhaltenskodex des Verwaltungsrates der SBB vom 1.1.2018 (nicht veröffentlicht), Art. 3.2.

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 17.4.2018, S. 1 Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 17.4.2018, S. 2 Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 12.1.2018, S. 1

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rungspunkte oder eines Reputationsrisikos des Mandats von Monika Ribar vornahm.71 Im Weiteren präzisierte das UVEK gegenüber der GPK-S, wie das Verfahren zur Meldung von Mandaten bei zwei anderen bundesnahen Unternehmen mit einer ähnlichen Grösse wie die SBB geregelt ist, namentlich bei der Schweizerischen Post AG und der Swisscom AG. Die Regeln sind in allen drei Unternehmen unterschiedlich. Laut UVEK72 informieren die Mitglieder des Verwaltungsrates der Schweizerischen Post AG den Präsidenten, bevor sie ein neues Mandat übernehmen.

Plant der Präsident, ein neues Mandat zu übernehmen, informiert er vor der Übernahme den Vorsitzenden des Verwaltungsratsausschusses Organisation, Nomination und Renumeration. Dieser Ausschuss genehmigt die Mandate der Mitglieder des Verwaltungsrates und des Präsidenten. Bei der Swisscom hat jedes Mitglied des Verwaltungsrates den Präsidenten sofort über Veränderungen in seinem beruflichen Umfeld zu informieren und ihn vor der Übernahme eines Mandats zu konsultieren.

Plant der Präsident, ein neues Mandat zu übernehmen, konsultiert er vor der Übernahme den Vizepräsidenten. Alle Mandate und weiteren bedeutenden Tätigkeiten werden im Geschäftsbericht ausgewiesen. Das UVEK verwies darauf, dass die Swisscom als börsenkotierte Aktiengesellschaft dazu verpflichtet ist, detailliert über die Anzahl der zulässigen Tätigkeiten der Mitglieder des Verwaltungsrates Auskunft zu geben. Im Übrigen weisen sowohl die Post als auch die Swisscom die von Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitgliedern im Laufe des Jahres wahrgenommenen Mandate im Geschäftsbericht aus.

Auf die Frage der GPK-S nach der Zweckmässigkeit einer zusätzlichen Harmonisierung der Regeln und Verfahren zur Meldung der Interessenbindungen in beaufsichtigten Unternehmen antwortete die UVEK-Vorsteherin, dass eine solche zurzeit «nicht zur Debatte» stehe.73

3.4

Massnahmen bei Strafverfahren

Im Mai 2018 berichteten die Medien darüber, dass in der Schweiz und im Ausland Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Nationalbank und dem Staatsfonds Angolas eröffnet worden waren, u. a. auch ein Strafverfahren der Bundesanwaltschaft (BA) gegen unbekannt. Die Medien erwähnten ausserdem, dass Hausdurchsuchungen in den Firmen von Jean-Claude Bastos stattgefunden hatten.74 In Anbetracht dieser Enthüllungen fragte sich die GPK-S, über welche Massnahmen der Bund verfügt für den hypothetischen Fall, dass in einem Strafverfahren im Zusammenhang mit einem Drittmandat die Integrität eines Verwaltungsratsmitglieds eines bundesnahen Unternehmens in Frage gestellt würde.

71 72 73 74

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 12.1.2018, S. 1 Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 17.4.2018, S. 2 Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 17.4.2018, S. 2 Les locaux de Jean-Claude Bastos perquisitionnés. In: 24 Heures, 18.5.2018; Hausdurchsuchung am Hauptsitz von Quantum Global. In: Luzerner Zeitung, 18.5.2018; Razzia bei Jean-Claude Bastos. In: Berner Zeitung, 18.5.2018.

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Gemäss Informationen der EFV75 entscheidet die Generalversammlung der bundesnahen Unternehmen im Einzelfall, ob aufgrund einer solchen Situation ein Vertrauensbruch vorliegt, welcher als ultima ratio eine Abberufung bzw. Nichtwiederwahl des Verwaltungsratsmitglieds zur Folge haben könnte. In diesem Fall kämen die Bestimmungen des Obligationenrechts zum Tragen. Gemäss Artikel 705 des Obligationenrechts ist die Generalversammlung (bei den SBB der Bund) berechtigt, die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie allfällige von ihr gewählte Bevollmächtigte und Beauftrage abzuberufen. Die EFV betonte im Weiteren, dass die Generalversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft (Art. 698 Abs. 1 OR) nicht nur Wahlorgan, sondern auch aktienrechtliches Aufsichtsorgan ist und in dieser Eigenschaft u. a. befugt ist, die von ihr gewählten Personen jederzeit auch wieder abzuberufen. Die EFV präzisierte, dass eine solche Abberufung im Rahmen einer ordentlichen Generalversammlung stattfinden kann oder ­ und dies gilt insbesondere für Unternehmen bei denen der Bund Eigner ist ­ im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung im Sinne einer «Universalversammlung» (Art. 701 OR).

4

Beurteilung der GPK

4.1

Beurteilung anhand des Beispiels der Präsidentin des SBB-Verwaltungsrates

Der GPK-S zufolge haben die SBB und das UVEK vollständig und transparent auf die Fragen der Kommission geantwortet. Grundsätzlich ist die Kommission der Ansicht, dass die jüngsten Anpassungen, welche die SBB an ihren Vorschriften zur Deklaration von Mandaten (siehe Kap. 3.2) vorgenommen hat, einen deutlichen Fortschritt bedeuten und beweisen, dass Verbesserungspotenzial vorhanden war. Die Kommission geht ­ ebenso wie das UVEK ­ davon aus, dass diese Massnahmen gewährleisten sollten, dass ähnliche Fälle wie jener des Capoinvest-Mandats der Verwaltungsratspräsidentin der SBB künftig vermieden werden können. Die GPK-S weist darauf hin, dass diese Anpassungen nach den Enthüllungen rund um die Paradise-Papers-Affäre vorgenommen wurden.

Aufgrund der ihr vorliegenden Fakten formuliert die GPK-S nachfolgend einige generelle Erwägungen und Empfehlungen zur Überwachung der Interessenbindungen in den bundesnahen Unternehmen.

Nach den Enthüllungen zur nicht gesetzeskonformen Buchungspraxis bei der PostAuto Schweiz AG kündigte der Bundesrat im Juni 2018 an, dass er die Steuerung der bundesnahen Unternehmen bis Ende 2018 extern überprüfen lässt und dass er das EFD beauftragt hat, zusammen mit dem UVEK und dem VBS eine entsprechende Untersuchung in Auftrag zu geben und ihn im ersten Quartal 2019 über die Erkenntnisse zu informieren.76 Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die nachfolgenden Erwägungen und Empfehlungen ­ unter Berücksichtigung der Rechtsform der betroffenen Einheiten ­ in diese Untersuchung einzubinden.

75 76

E-Mail der EFV vom 7.6.2018 Bundesrat schränkt Décharge für den Verwaltungsrat der Post ein, Medienmitteilung des Bundesrates vom 11.6.2018

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Deklaration von Mandaten Aus Sicht der GPK-S war das alte System der SBB zur Deklaration von Mandaten, welches keine systematische Analyse der Mandate vorsah, nicht adäquat. Dieses System führte beim Capoinvest-Mandat zu einer problematischen Situation: Monika Ribar gab es nicht an, weil sie es als nicht relevant erachtete. Die GPK-S ist der Ansicht, dass es in den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsrates und in gewissem Masse des jeweiligen Departements fällt (vgl. Kap. 4.2) ­ und nicht in jenen der Mitglieder selbst ­, die Bedeutung und ein allfälliges Reputationsrisiko von Drittmandaten zu beurteilen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass alle Mandate vollständig und transparent deklariert werden. Daher ersucht die GPK-S den Bundesrat, in allen bundesnahen Unternehmen sicherzustellen, dass die Verwaltungsratsmitglieder sowie die Kandidatinnen und Kandidaten für ein solches Amt dazu verpflichtet werden, all ihre Mandate in Führungs- und Aufsichtsgremien sowie ihre Beratungsmandate für Gesellschaften, Institutionen oder Stiftungen des privaten oder öffentlichen Rechts unverzüglich zu melden, und zwar unabhängig davon, wie sie selbst das Mandat beurteilen.

Empfehlung 1

Deklaration von Mandaten

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär, in allen bundesnahen Unternehmen sicherzustellen, dass die Verwaltungsratsmitglieder sowie die Kandidatinnen und Kandidaten für ein solches Amt dazu verpflichtet werden, all ihre Mandate in Führungs- und Aufsichtsgremien sowie ihre Beratungsmandate für Gesellschaften, Institutionen oder Stiftungen des privaten oder öffentlichen Rechts unverzüglich zu melden, und zwar unabhängig davon, wie sie selbst das Mandat beurteilen.

Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die GPK-S erfahren, dass der SBB-Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen, der für die Überwachung der Interessenbindungen zuständig war, in den Jahren 2014, 2015 und 2016 nicht getagt hatte, obschon das entsprechende Reglement mindestens eine Sitzung pro Jahr vorsieht. Folglich hatte der Ausschuss keinerlei Abklärungen zu den Mandaten von Monika Ribar durchgeführt. Die SBB haben keine befriedigende Erklärung dafür geliefert, weshalb über eine so lange Zeitspanne keine Sitzungen stattgefunden hatten. Die Kommission missbilligt diese Situation und sieht die Aufsichtspflicht des Verwaltungsrates, die das Aktienrecht und die SBB-internen Reglemente vorschreiben, schwer verletzt. In ihren Augen ist es entscheidend, dass der Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen in jedem bundesnahen Unternehmen regelmässig zusammenkommt, mindestens aber einmal pro Jahr im Rahmen der Vorbereitung des Geschäftsberichts. Ausserdem ist eine periodische Thematisierung der Interessenbindungen im Verwaltungsrat unabdingbar. Die Kommission stellt mit Genugtuung fest, dass dieses Problem durch die Revision des Verhaltenskodex der SBB gelöst wurde: Neu obliegt die Überprüfung dem Personal- und Organisationsausschuss, der mehrmals pro Jahr zusammenkommt. Die GPK-S erwartet vom Bundesrat, dass er die Anwendung dieser Praxis auch in den anderen bundesnahen Unternehmen sicherstellt.

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Die GPK-S hat im Rahmen ihrer Untersuchungen ausserdem festgestellt, dass die Geschäftsberichte der SBB in den vergangenen Jahren Ungenauigkeiten in Bezug auf den Ausschuss Präsidium / Interessenbindungen aufwiesen. Im Bericht 2016 ist erwähnt, dass dieser Ausschuss «eine Sitzung im Geschäftsjahr»77 durchführt, obwohl in diesem Geschäftsjahr in Wahrheit gar keine Sitzung stattfand. Die SBB gestanden den Fehler ein und gaben an, dass er auf einen personellen Wechsel im Sekretariat des Verwaltungsrates zurückzuführen ist.78 In den Berichten 2015 und 2014 ist nicht erwähnt, dass keine Sitzungen des Ausschusses Präsidium / Interessenbindungen stattfanden, obschon die Anzahl Sitzungen für alle anderen Ausschüsse aufgeführt ist.79 Die Kommission ist der Ansicht, dass solche Ungenauigkeiten problematisch sind für die Transparenz und Glaubwürdigkeit, denn sie verunmöglichen dem Bund als Aktionär und den parlamentarischen Oberaufsichtskommissionen, sich ein realistisches Bild von den Tätigkeiten des Verwaltungsrates zu machen.

Daher fordert die GPK-S den Bundesrat auf, sicherzustellen, dass die bundesnahen Unternehmen transparent und vollständig über die Tätigkeiten ihrer Ausschüsse informieren.

Der Ausschuss zur Überwachung der Interessen bestand bis 2017 einzig aus der Präsidentin und dem Vizepräsidenten des Verwaltungsrates, was aus Sicht der Kommission im Hinblick auf die Überprüfung der Mandate dieser beiden Personen problematisch ist. Musste die Präsidentin bzw. der Vizepräsident in den Ausstand treten, so war jeweils nur die andere Person für die Überprüfung der Interessenbindungen verantwortlich. Aus diesem Grund begrüsst die GPK-S, dass die SBB die Überwachung der Interessenbindungen einem grösseren Ausschuss übertragen hat und die Präsidentin ihre Mandate nun direkt dem UVEK meldet.

Empfehlung 2

Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär, sicherzustellen, dass der Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen in jedem bundesnahen Unternehmen regelmässig zusammenkommt und dass die Interessenbindungen im Verwaltungsrat periodisch thematisiert werden.

Darüber hinaus wird der Bundesrat aufgefordert, sicherzustellen, dass die bundesnahen Unternehmen transparent und vollständig über die Tätigkeiten der verschiedenen Verwaltungsratsausschüsse informieren.

Unterjährige Mandatsänderungen Die GPK-S begrüsst das neue Verfahren zur Deklaration von Mandaten des SBBVerwaltungsratspräsidiums, das seit 1. Januar 2018 gilt. Das Verfahren sieht vor, dass die Präsidentin bzw. der Präsident des Verwaltungsrates ihre respektive seine neuen Mandate dem UVEK laufend melden muss. Aus Sicht der Kommission sorgt dieses Vorgehen für kontinuierliche Transparenz und erlaubt dem Bund, seine 77 78 79

Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2016 der SBB, S. 28 Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 2.5.2018, S. 2 Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2015 der SBB, S. 18; Geschäftsbericht 2014 der SBB, S. 18.

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Rechte als Eigner in Kenntnis der Sachlage wahrzunehmen. Die Kommission ersucht den Bundesrat, ein solches Verfahren für alle bundesnahen Unternehmen, in denen dieses noch nicht zur Anwendung kommt, explizit einzuführen.

Zurzeit ist nicht vorgesehen, dass das UVEK unter dem Jahr über neu angenommene oder über niedergelegte Mandate der übrigen SBB-Verwaltungsratsmitglieder informiert wird. Für die GPK-S ist ein solches Vorgehen akzeptabel, sofern der interne Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen regelmässig über diese Änderungen informiert wird und problematische Fälle rasch dem Verwaltungsrat und, falls nötig, dem zuständigen Departement gemeldet werden.

Allerdings ist es für die Kommission entscheidend, dass sämtliche von den Mitgliedern während des Geschäftsjahres wahrgenommenen Mandate im Geschäftsbericht aufgeführt werden, einschliesslich der im Laufe des Geschäftsjahres abgelegten oder auf einige Monate begrenzten Mandate. Dieses Vorgehen würde dem zuständigen Departement, dem Bundesrat, dem Parlament und der Öffentlichkeit ermöglichen, sich ein vollständiges Bild von den Interessenbindungen der Verwaltungsratsmitglieder zu machen. Was die SBB betrifft, werden derzeit einzig die per 31. Dezember bekleideten Mandate gemeldet. Das UVEK teilte der GPK-S mit, dies sei «eine gängige Praxis und wird auch von börsennotierten Unternehmen so praktiziert».80 Die Kommission hat jedoch festgestellt, dass gewisse Unternehmen wie die Swisscom oder die Post in ihren Geschäftsberichten aber auch Mandate aufführen, die während des Geschäftsjahres abgelegt wurden.81 Daher ersucht sie den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass dieses Vorgehen auf alle bundesnahen Unternehmen ausgeweitet wird. Mit einer solchen Änderung würde sichergestellt, dass von Mitgliedern auch punktuell übernommene Mandate «auf dem Radar» des zuständigen Departementes erscheinen.

Empfehlung 3

Unterjährige Mandatsänderungen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär, ein explizites Verfahren einzuführen, wonach die Verwaltungsratspräsidien aller bundesnahen Unternehmen verpflichtet werden, das jeweils zuständige Departement laufend über neue Mandate zu informieren.

Sie ersucht den Bundesrat ausserdem, dafür zu sorgen, dass alle bundesnahen Unternehmen in ihrem Geschäftsbericht sämtliche Mandate ihrer Verwaltungsratsmitglieder auflisten, welche diese im Laufe des Geschäftsjahres und nicht nur per 31. Dezember innehatten.

Überwachung der Mandate durch den Bund Die GPK-S ist der Auffassung, dass das UVEK bei der Vorbereitung der Kandidatur von Monika Ribar für das Verwaltungsratspräsidium der SBB im Januar 2016 korrekt handelte. Das Departement führte aktiv Abklärungen zu den gemeldeten 80 81

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 12.1.2018, S. 2 Siehe z. B.: Geschäftsbericht 2017 der Swisscom AG, S. 58 ff.; Finanzbericht 2017 der Schweizerischen Post AG, S. 61 ff.

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Mandaten durch. Dass das Capoinvest-Mandat dabei nicht überprüft wurde, ist verständlich, schliesslich hatte es der Verwaltungsrat der SBB, der selbst nicht darüber informiert gewesen war, nicht angegeben.

Allerdings erschien das Capoinvest-Mandat später im Geschäftsbericht 2015 der SBB, von dem der Bundesrat am 23. März 2016 Kenntnis nahm. Formell gesehen war der Bundesrat somit ab diesem Datum über dieses zusätzliche Mandat informiert. Aus Sicht der GPK-S kommt dem Bund ab diesem Moment eine gewisse Kontrollverantwortung zu.82 Im Hinblick auf die Bundesratssitzung hätten das Generalsekretariat des UVEK und/oder die EFV als zuständige Verwaltungsstellen zusätzliche Abklärungen zum Mandat von Monika Ribar bei Capoinvest vornehmen müssen. Die der Kommission vorliegenden Informationen scheinen darauf hinzudeuten, dass dies nicht der Fall war und sich das UVEK und die EFV vollkommen auf die SBB-interne Überprüfung verliessen (die nicht wirklich stattgefunden hatte83).

Angesichts der Anpassungen, welche die SBB Anfang 2018 an ihrem Verfahren zur Deklaration von Mandaten vornahm, sollte sich eine solche Situation künftig nicht mehr wiederholen, da das Präsidium der SBB nun verpflichtet ist, das UVEK laufend über neue Mandate zu informieren.

Was hingegen die Mandate der übrigen Verwaltungsratsmitglieder betrifft, so ist der Bund nach wie vor auf die Informationen im Geschäftsbericht angewiesen, um in seiner Funktion als Eigner seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen.84 Die GPK-S erwartet somit vom Bundesrat, dass er bei der Kenntnisnahme von den Geschäftsberichten der bundesnahen Unternehmen künftig insbesondere auf Drittmandate von Verwaltungsratsmitgliedern achtet und dass er, falls nötig, über die zuständigen Verwaltungsstellen vertiefte Abklärungen vornehmen lässt. In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Ansicht, dass ein besonderes Augenmerk auf die neuen oder befristeten Mandate zu richten ist.

Die GPK-S ist der Auffassung, dass der EFV als Fachstelle des Bundes für Corporate Governance in diesem Zusammenhang eine wichtige unterstützende Rolle zukommt. Sie ersucht den Bundesrat deshalb, die Rolle der EFV als Kompetenzzentrum für die Überwachung von Interessenskonflikten innerhalb der bundesnahen Unternehmen zu stärken.

Im Übrigen ist es aus Sicht der GPK-S wichtig, dass die Reputationsrisiken für die bundesnahen Unternehmen angemessen in das Risikomanagement des Bundes eingebunden werden.

82 83

84

Gemäss Aktienrecht; vgl. dazu die Erwägungen in Kap. 4.2 Da der Kontrollausschuss Präsidium / Interessenbindungen nicht zusammenkam, keine Überprüfung des Capoinvest-Mandats durch den Ausschuss stattfand und das Thema im Verwaltungsrat bei der Beratung des Geschäftsberichts am 11. März 2016 nicht behandelt wurde.

Ausserhalb der Informationsrechte, die dem Bund als Aktionär im Rahmen der Generalversammlung zukommen (vgl. Kap. 2.2 und Kap. 4.2)

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Empfehlung 4

Überprüfung der Mandate durch den Bund

Die GPK-S erwartet vom Bundesrat als Hauptaktionär, dass er bei der Kenntnisnahme von den Geschäftsberichten der bundesnahen Unternehmen künftig insbesondere auf Drittmandate von Verwaltungsratsmitgliedern achtet und dass er, falls nötig, über die zuständigen Verwaltungsstellen vertiefte Abklärungen vornehmen lässt.

Sie ersucht den Bundesrat in diesem Zusammenhang, die Rolle der EFV als Kompetenzzentrum für die Überwachung von Interessenskonflikten innerhalb der bundesnahen Unternehmen zu stärken.

4.2

Allgemeine Beurteilung der Verantwortung des Bundesrates gegenüber den bundesnahen Unternehmen

Der Fall der Verwaltungsratspräsidentin der SBB wirft die zentrale Frage auf, ob es dem Bundesrat obliegt, die ihm von den bundesnahen Unternehmen zugestellten Informationen zu Interessenbindungen unabhängig zu prüfen ­ dies insbesondere bei Ernennungen in den Verwaltungsrat oder ins Verwaltungsratspräsidium. Die GPK-S hat die Vorsteherin des UVEK zu diesem Thema befragt. Diese vertritt die Meinung, dass in rechtlicher Hinsicht der Verwaltungsrat als oberstes Führungsorgan des Unternehmens gegenüber der vom Bund beherrschten Generalversammlung die volle Verantwortung trägt.85 Auch die GPK-S ist der Ansicht, dass die Hauptverantwortung für die Überwachung der Interessenbindungen beim Verwaltungsrat des betreffenden Unternehmens liegt.

In diesem Sinne ist es seine Aufgabe, Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten vorzuschlagen, die das vom Bundesrat definierte Anforderungsprofil erfüllen, sowie regelmässig eine vertiefte Überprüfung der Interessenbindungen seiner Mitglieder und allfälliger Reputationsrisiken vorzunehmen.

Obwohl die Hauptverantwortung beim Verwaltungsrat liegt, stehen auch der Bundesrat und die zuständigen Verwaltungseinheiten subsidiär in der Verantwortung.

Diese Mitverantwortlichkeit ergibt sich aus der Zuständigkeit des Bundesrates für die strategische Steuerung der bundesnahen Unternehmen. Der Bundesrat selbst betont dies in seinem Corporate-Governance-Bericht von 2006: «Im Unterschied zur Vollprivatisierung verliert eine Aufgabe mit ihrer Übertragung an eine verselbst85

Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 12.1.2018, S. 1. Das UVEK hat in der Verwaltungskonsultation zum vorliegenden Bericht geltend gemacht (Schreiben der Vorsteherin des UVEK vom 15.8.2018), dass «der Bundesrat die bundesnahen Unternehmen nicht beaufsichtigt. Viel mehr nimmt er im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Aktionärsrechte die Interessen der Schweizerischen Eidgenossenschaft als (Haupt-)Eigentümerin dieser Unternehmen wahr. Eine eigentliche Aufsicht des Bundes über die bundesnahen Unternehmen gibt es nur in Bezug auf deren regulierte Tätigkeiten, wozu u. a. die Grundversorgung gehört.» Allerdings weist die EFV darauf hin, dass die Generalversammlung (im Fall der SBB also der Bund) im Sinne des Aktienrechts nicht nur das Wahl-, sondern auch das Aufsichtsorgan des Unternehmens ist (siehe weiter unten).

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ständigte Einheit den Bedarf nach politischer Legitimation nicht.»86. Müller und Vogel halten in ihrem Rechtsgutachten von 2009 fest, dass «die Übertragung von Bundesaufgaben auf Organisationen ausserhalb der Zentralverwaltung [...] nichts daran [ändert], dass der Bund für deren Erfüllung mitverantwortlich bleibt. Deshalb muss er bei jeder Form der Auslagerung von Aufgaben deren Träger beaufsichtigen.»87 Die EFV wiederum weist darauf hin, dass die Generalversammlung, im Fall der SBB also der Bund, im Sinne des Aktienrechts nicht nur das Wahl-, sondern auch das Aufsichtsorgan des Unternehmens ist. Daher räumt ihr das Aktienrecht auch ein Abberufungsrecht gegenüber dem Verwaltungsrat und allen Bevollmächtigten und Beauftragten ein (siehe Kap. 3.4).

Gemäss Gesetz ist der Bundesrat für die Ernennung der Mitglieder des SBBVerwaltungsrates zuständig. Zu diesem Zweck hat er ein Anforderungsprofil definiert. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Bundesrat, seine Rechte als Aktionär wahrzunehmen, indem er nötigenfalls eine zusätzliche Überprüfung von Drittmandaten vornimmt und selbst abwägt, welches Reputationsrisiko für den Bund besteht.

Damit dies möglich ist, muss der Bundesrat sicherstellen, dass ihm der Verwaltungsrat alle relevanten Informationen zu den betreffenden Personen zur Verfügung stellt.

Der Bundesrat kontrolliert regelmässig, ob die dem Unternehmen gesetzten strategischen Ziele erreicht werden. Analog dazu ist das Anforderungsprofil als Steuerungsinstrument nur wirksam, wenn die Erfüllung der darin enthaltenen Kriterien überprüft wird. Der Bundesrat verfügt zu diesem Zwecke über Informationsrechte, die im OR präzisiert sind.

Nimmt der Bundesrat Ernennungen vor ­ namentlich ins Präsidium des Verwaltungsrates ­, ohne von seinem Recht auf Überprüfung der ihm von den bundesnahen Unternehmen unterbreiteten Kandidaturen Gebrauch zu machen, so läuft sein Wahlrecht quasi ins Leere und diese Befugnis wird de facto dem jeweiligen Unternehmen übertragen. Die Ernennung von Verwaltungsratsmitgliedern bundesnaher Unternehmen ist jedoch nicht nur ein einfacher formeller Akt, sondern ein zentrales Element der strategischen Steuerung der entsprechenden Unternehmen. Solche Entscheide sind für die Interessen und das Ansehen des Bundes von erheblicher Tragweite und dies in ganz besonderem Masse, wenn es um
die Ernennung des Präsidiums geht.

Zusammenfassend hält die GPK-S fest, dass der Bundesrat ihrer Ansicht nach für die Überprüfung der Interessenbindungen der Verwaltungsratsmitglieder der bundesnahen Unternehmen mitverantwortlich ist, auch wenn die Hauptverantwortung dafür beim Verwaltungsrat liegt. Es versteht sich von selbst, dass der Bundesrat ­ bzw. das UVEK und das EFD im vorliegenden Fall ­ nicht die Aufgabe hat, jedes noch so kleine Detail der Kandidaturen zu überprüfen, und dass sich der Bund auf die Informationen der Unternehmen verlassen können muss. Dennoch obliegt es in

86 87

Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates (BBl 2006 8233 8293) Siehe hierzu Müller, Georg / Vogel, Stefan (2009): Oberaufsicht der Bundesversammlung über verselbstständigte Träger von Bundesaufgaben, Rechtsgutachten zuhanden der GPKN, S. 9.

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Zweifelsfällen dem Bundesrat, die notwendigen Abklärungen vorzunehmen oder zusätzliche Informationen vom Unternehmen einzuholen.88 Zum Schluss möchte die GPK-S daran erinnern, dass die Hauptverantwortung für die Erkennung von Interessenkonflikten ­ über die Überprüfungen durch den Verwaltungsrat und/oder den Bundesrat hinaus ­ immer beim betroffenen Verwaltungsratsmitglied selbst liegt. In diesem Sinne weist die Kommission darauf hin, dass Monika Ribar, bevor sie das Amt der SBB-Verwaltungsratspräsidentin antrat, ihr Mandat bei der Capoinvest von sich aus überdacht hatte und zum Schluss gekommen war, dass dieses einen Interessenkonflikt darstellen könnte. Deshalb hatte sie dieses Mandat wenige Tage vor ihrer Ernennung niedergelegt. Monika Ribar hat im Übrigen eingeräumt, dass die Nichtmeldung dieses Mandat ein Fehler gewesen war und sie keineswegs die Absicht gehabt hatte, es nicht zu melden.89

5

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Die GPK-S hat im Rahmen des vorliegenden Berichts die Aufsicht des Bundesrates über die bundesnahen Unternehmen in Sachen Mandate und Interessenbindungen untersucht. Als konkretes Beispiel diente ihr das Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest.

Was das Gesetzmässigkeitsprinzip betrifft, kommt die GPK-S zu folgendem Schluss: Es stellt keine formelle Missachtung dieses Prinzips dar, dass der Bundesrat bei der Ernennung von Monika Ribar zur Verwaltungsratspräsidentin der SBB nicht über deren Mandat bei Capoinvest informiert wurde, da die Deklaration von Mandaten bis Ende 2017 weitgehend vom Ermessen der jeweiligen Mitglieder abhing und eine systematische Überprüfung nicht vorgesehen war. Die Kommission ist indes der Auffassung, dass dieses System nicht angemessen war, und begrüsst die Anpassungen, welche die SBB jüngst an den diesbezüglichen internen Vorschriften vorgenommen hat. Diese stellen in ihren Augen einen deutlichen Fortschritt dar. Ihrer Meinung nach sollten mit den neuen Regeln ähnliche Situationen künftig vermieden werden können.

Die GPK-S missbilligt zudem, dass der SBB-interne Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen ­ entgegen dem betreffenden Reglement ­ während mehrerer Jahre nicht getagt hat. Sie ist der Auffassung, dass der Verwaltungsrat in diesem Fall seine Aufsichtspflicht, wie sie im Aktienrecht und in den internen Reglementen der SBB vorgesehen ist, schwer verletzt hat.

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Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob das UVEK, das EFD und der Bundesrat hätten erkennen müssen, dass das Mandat von Monika Ribar bei Capoinvest problematisch sein könnte, als sie im März 2016 davon erfuhren. Dies ist nicht Gegenstand dieses Berichts, doch die GPK-S weist darauf hin, dass der Gründer dieser Investmentfirma, Jean-Claude Bastos, 2011 vom Strafgericht Zug wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt wurde, was mindestens seit 2012 öffentlich bekannt ist (siehe hierzu beispielsweise: «Schweiz-Angola-Investor akzeptiert Gerichtsurteil», Online-Artikel von «Inside Paradeplatz» vom 12.12.2012, https://insideparadeplatz.ch/2012/12/12/schweizangola-investor-akzeptiert-gerichtsurteil [Stand 18.1.2018]).

Schreiben des Verwaltungsrates der SBB vom 6.3.2018, S. 5 f.

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Die Kommission hat aus diesem konkreten Fall einige allgemeine Lehren betreffend die bundesnahen Unternehmen gezogen. Sie ersucht den Bundesrat, im Sinne einer stärkeren Harmonisierung der Praxisverschiedene Massnahmen zur Deklaration von Mandaten, zu den Ausschüssen zur Überwachung der Interessenbindungen, zur Kontrolle von unterjährigen Mandatsänderungen sowie zur Aufsicht des Bundes zu prüfen, und formuliert dazu vier Empfehlungen.

Was die Zweckmässigkeit betrifft, ist die GPK-S angesichts des vorliegenden Falles der Auffassung, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum, über den er als Mehrheitsaktionär verfügt, vermehrt nutzen sollte, um die bundesnahen Unternehmen in Sachen Interessenbindungen stärker zu beaufsichtigen. Das Aktienrecht räumt dem Bund ­ über die Generalversammlung ­ nicht nur weitreichende Befugnisse gegenüber den bundesnahen Unternehmen ein, sondern auch Kontrollpflichten, die sich aus diesen Befugnissen ergeben. Die Kommission anerkennt zwar, dass bei Einhaltung der Grundsätze der Corporate Governance die Hauptverantwortung in Sachen Überwachung der Drittmandate beim Verwaltungsrat der bundesnahen Unternehmen liegt und dass sich der Bundesrat auf die Informationen dieser Einheiten verlassen können muss. Sie ist jedoch der Meinung, dass der Bund in Sachen Aufsicht dennoch mitverantwortlich ist.

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu den Erwägungen und Empfehlungen dieses Berichts bis zum 26. Oktober 2018 Stellung zu nehmen und ihr mitzuteilen, mit welchen Massnahmen und bis wann er ihre Empfehlungen umsetzen wird.

Angesichts der aktuellen Diskussion über die Corporate Governance der bundesnahen Unternehmen hält es die GPK-S zudem für wichtig, dass die allgemeinen Fragen, die sich aus dem vorliegenden Fall ergeben, geklärt werden. Da der Bundesrat angekündigt hat, bis Ende 2018 ein externes Audit zu diesem Thema durchführen zu lassen, ersucht ihn die Kommission, die obigen Erwägungen darin einzubeziehen.

28. August 2018

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Die Präsidentin: Anne Seydoux-Christe Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EDI/UVEK: Claude Hêche Der Sekretär der Subkommission EDI/UVEK: Nicolas Gschwind

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BBl 2018

Abkürzungsverzeichnis BA

Bundesanwaltschaft

BBl

Bundesblatt

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFV

Eidgenössische Finanzverwaltung

ENSI

Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat

FINMA

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte

GPK-S

Geschäftsprüfungskommission des Ständerates

ICIJ

International Consortium for Investigative Journalism (Internationales Konsortium investigativer Journalisten)

OR

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220)

ParlG

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10)

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010)

SBB

Schweizerische Bundesbahnen

SBBG

Bundesgesetz vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SR 742.31)

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

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